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„… der Menschheit den größten Nutzen geleistet …”︁!?: 100 Jahre Nobelpreis, eine kritische Würdigung aus historischer Perspektive

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Page 1: „… der Menschheit den größten Nutzen geleistet …”︁!?: 100 Jahre Nobelpreis, eine kritische Würdigung aus historischer Perspektive

Geschichte

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Dr. Horst Kant, Max-Planck-Institutfür Wissenschaftsge-schichte, Wilhelm-straße 44, 10117 Ber-lin

Die Nobelpreise sind sowohl aufden Gebieten, für die sie verliehenwerden, als auch im weiteren Sin-ne die international begehrtestenund renommiertesten Preise. Dasliegt sicher nicht nur an den be-trächtlichen Preisgeldern, sondernvor allem am gesellschaftlichenAnsehen, das die Laureaten erlan-gen. Trotzdem werden immer wie-der berechtigte Fragen laut: Ist diegetroffene Auswahl gerecht bzw.gerechtfertigt? Hätte den Preisnicht so mancher verdient gehabt,der ihn nicht bekam? Ist der Nobelpreis überhaupt noch zeit-gemäß? Muss man heutzutagenicht eher ganze Gruppen aus-zeichnen, da es sich immer weni-ger um Einzelleistungen handelt?

M it dem Namen Alfred Nobel(siehe rechts) verbindet fastjeder die Erfindung des Dy-

namits und die testamentarischeStiftung der nach ihm benanntenPreise. Nobel ist ein in vielem typi-scher Vertreter jener Erfinder- undUnternehmergeneration der indus-triellen Revolution des 19. Jahrhun-derts, der auch Alfred Krupp (1812–1887) oder Werner Siemens (1816–1892) angehören.

Insgesamt erwarb Nobel zu sei-nen Sprengstoffen sowie auch „art-fremden“ Erfindungen in verschie-denen Ländern mehr als 350 Paten-te (von einer Lokomotivbremse bishin zur Kunstseideherstellung). No-bel wurde zum erfolgreichen Unter-nehmer großen Stils und errichtetezur Nutzbarmachung seiner Er-findung ein weltweites Industrie-imperium. Trotzdem lebte er rechtzurückgezogen in relativ einfachenUmständen; er blieb unverheiratetund ohne Kinder.

Das Erbe Alfred NobelsNobel war ein Gegner des Krie-

ges. Zwar resultierte seine Beschäf-tigung mit Sprengstoffen aus denmilitärischen Entwicklungen seinesVaters, doch bei der Entwicklungund Vermarktung des Dynamitsstand lange Zeit einzig die friedli-che Anwendung zum Nutzen derMenschheit im Vordergrund (z. B.

beim Straßen- und Tunnelbau).Bald musste Nobel jedoch feststel-len, dass es gerade der militärischeEinsatz war, der seinem Sprengstoffden internationalen Markt sicherte.In seinen späteren Lebensjahrenkam er deshalb zu der irrigen An-sicht, nur eine unvorstellbar starkeVernichtungswaffe könne dieMenschheit vom Kriege abschre-cken. Aus diesem Grunde erwarb er1894 die schwedische Waffenfabrikin Bofors bei Karlskoga und befass-te sich nun auch mit der Waffenent-wicklung. Die Gedanken über diefriedensstiftende Wirkung einer„Superwaffe“ resultierten zum ei-nen aus seiner doch eher pessimisti-schen Lebenseinstellung, zum ande-ren aus seiner Bekanntschaft mitder bürgerlichen Friedensbewegungam Ende des 19. Jahrhunderts. ImJahre 1889 hatte Bertha von Suttner(1843–1914) – die 1875 kurzzeitigbei Nobel als Privatsekretärin gear-beitet hatte und der er lebenslangfreundschaftlich verbunden blieb –ihren aufsehenerregenden Roman„Die Waffen nieder“ veröffentlicht.

Das Buch verlieh dieser Friedensbe-wegung einen beachtenswerten Im-petus. Nobel stand den Bemühun-gen wohlwollend aber skeptisch ge-genüber und kritisierte das Fehleneines klaren Programms. Sein Waf-fenentwicklungsprogramm sah erals eine Art Gegenentwurf.

Die Idee zur Stiftung eines Frie-denspreises äußerte Nobel erstmalsAnfang 1893 in einem Brief an vonSuttner. Offenbar war dies der Aus-gangspunkt zu der weitergehendenÜberlegung, Preise für besondereLeistungen auf verschiedenen gesell-

„... der Menschheit den größten Nutzengeleistet ...“!?

100 Jahre Nobelpreis, eine kritische Würdigung aus historischer Perspektive

Horst Kant

Physikalische Blätter57 (2001) Nr. 110031-9279/01/1111-75$17.50+50/0© WILEY-VCH Verlag GmbH,D-69451 Weinheim, 2001

Alfred Bernhard Nobel 1833 geboren am 21. Oktober in Stock-

holm; Vater: Immanuel Nobel(1801–1872), Erfinder und Unterneh-mer; Mutter: Caroline Andriette Ahl-sell (1803–1889); Geschwister: Ludwig(1831– 1888), Robert (1829–1896),Oscar-Emil (1843–1864)

1842 Übersiedelung nach St. Peters-burg

1850/52 „Bildungsreise“ nach Nord-amerika und Westeuropa (u. a. Paris)

1855 Lernt bei N. N. Zinin Nitroglyce-rin kennen

1857 erstes Patent auf ein Gasmess-gerät

1858 Bankrott der Firma des Vaters inSt. Petersburg. Ludwig Nobel gelingtes mit seinen Brüdern Robert undAlfred, aus der Konkursmasse derväterlichen Fabrik eine Werkzeug- undGewehrfabrik neu aufzubauen.

1862 Sprengversuche mit einer Mi-schung aus Schießpulver und Nitrogly-cerin

1863 erstes Patent zu „Nobels Patent-zünder“

1864 Explosion des Labors auf Helene-borg (dabei kommt der jüngste Bruderum); Gründung der „NitroglycerinAktiebolaget“ in Stockholm

1867 Patente auf die Erfindung desDynamits

1873 Wohnort Paris 1875 Erfindung der Sprenggelatine;

Bekanntschaft mit Bertha Kinsky(spätere Bertha von Suttner)

1886 Zusammenfassung der Dynamit-gesellschaften in 2 Trusts (Sitz: Lon-don u. Paris)

1887 Erfindung des Ballistit (oder „Nobelpulver“)

1891 Übersiedlung nach San Remo 1893 Ehrendoktorwürde der Univer-

sität Uppsala 1895 Testament vom 27. November in

Paris (in schwedischer Sprache) 1896 gestorben am 10. Dezember in

San Remo (beigesetzt Ende Dez. inStockholm)

Die Vorderseiteder Nobel-Medail-len schmückt dasKonterfei AlfredNobels. (Quelle:Nobel-Stiftung)

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schaftlichen Gebieten zu stiften, wo-bei deren Auswahl ganz eng mit No-bels Lebensansichten verknüpft war.Die ausgewählten Gebiete waren ne-ben der Bemühung um den (Welt-)Frieden die Literatur, in der er einewichtige Quelle für seine Idee einerhumanistischen Bildung derMenschheit sah, die Medizin1), diehelfen sollte, diese Menschheit zuerhalten, sowie die Physik und dieChemie, vielleicht um eine gewisse„Schuld“ gegenüber der „reinen“Forschung abzutragen, welche dieGrundlagen seiner Erfindungen miterarbeitete ohne in der Regel vonden Anwendungen zu profitieren. –Wesentliche Beweggründe für dieseStiftung resultierten u. a. daraus,dass Nobel ererbtes Vermögen fürein Unglück hielt und meinte, Ver-wandten sollte nur so viel vererbtwerden, dass sie nicht in Not gerie-ten und ihren Kindern eine guteAusbildung gewährleisten konnten.

Diese Aspekte muss man berück-sichtigen, wenn man Nobels Testa-ment vom 27. November 1895 (sie-he unten), aufgesetzt in Paris inschwedischer Sprache unter Anwe-senheit einiger Freunde, aber ohneRechtsanwalt, richtig verstehenwill. Im ersten Teil des Testamentsbestimmte er von seinem Vermögeneinen vergleichsweise geringen An-teil von etwa 1,5 Millionen Schwe-denkronen für Verwandte undFreunde.

Der Weg zur NobelstiftungAuch wenn es bereits seit etwa

1700 in der Wissenschaft eine Tra-dition gab, Preise zu verleihen,muss man letztendlich bei den No-

belpreisen von einer eigenständigenSchöpfung sprechen – insbesonderewas ihre Internationalität und Do-tierung anbelangt. Nobel äußertesich nicht weiter schriftlich, wie sei-ne Testamentsbestimmungen genau-er zu interpretieren seien, sodassman sich bei ihrer Umsetzung auchauf Aussagen der beteiligten Freun-de verlassen musste. Die schwedi-schen Ingenieure Ragnar Sohlmann(1870–1948), Mitarbeiter und Assi-stent der letzten Lebensjahre, undRudolf Lilljeqvist (1855–1930), Lei-ter einer mit Nobels Hilfe gegrün-deten elektrochemischen Fabrik inBengtfors, hatte dieser als Voll-strecker der Testamentsverfügungenbenannt. Das Landgericht Karlsko-ga in Schweden konnte letztlich fürzuständig erklärt werden, da es kei-ne eindeutigen Angaben über No-bels Hauptwohnsitz in seinen letz-ten Lebensjahren gab. Es nahm fünfJahre in Anspruch, bis man die er-sten Preise vergeben konnte. Dabeimusste die Höhe des in vielen Län-dern angelegten Nobelschen Ver-mögens ermittelt werden. Es ergabsich ein Zeitwert von etwa 33 Mil-lionen Schwedenkronen (nach heu-tigem Wert mehr als 1,5 MilliardenSchwedenkronen) abzüglich 3,2Millionen Kronen Erbschaftssteuer.

Dann gab es, wie nicht anders zuerwarten, Zank um die Erbschaft.Die Presse versuchte zusätzlich, dieVerwandten zur Anfechtung des Te-staments aufzuhetzen, und es wa-ren insbesondere die Kinder vonRobert Nobel, die zunächst nichtbereit waren, auf einen zu erwar-tenden größeren Erbanteil zu ver-zichten. Hier war es vor allem Emanuel Nobel (1859–1932), derältesten Sohn Ludwigs und nun ge-wissermaßen Familienältester, derschließlich nach heftigen familiärenAuseinandersetzungen 1898 erklär-te, er wolle den letzten Willen sei-nes Onkels achten, das Testamentnicht anfechten und für dessen Ver-wirklichung eintreten.2)

Nach allerlei Querelen – so fandes die schwedische Presse z. B. un-patriotisch, dass das Geld nichtausschließlich schwedischen Inter-essen zu Gute kommen sollte –wurde am 29. Juni 1900 von derSchwedischen Regierung der „Vor-schlag für die Gründungsstatutender Nobelstiftung“ genehmigt; dasNorwegische Parlament hatte be-reits im April 1897 zugestimmt, dieVerteilung des Friedenspreises zuübernehmen.

Die PreisvergabeNach den Statuten (die seit 1974

mehrfach überarbeitet wurden,letztmals im Jahre 2000) erfolgt dieAuswahl der Preisträger auf folgen-de Weise: Bis zum 31. Januar des je-weiligen Jahres müssen die Vor-schläge bei den Nobel-Komiteeseingegangen sein. Die Aufforderungdazu ergeht im Herbst des Vorjah-res. Vorschlagsberechtigt sind bei-spielsweise für den Physikpreis: Schwedische und ausländischeMitglieder der Königlichen Akade-mie der Wissenschaften, Mitglieder des Nobel-Komiteesfür Physik, Wissenschaftler, die bereits Trä-ger eines Nobelpreises für Physiksind, Ordentliche Professoren und As-sistenzprofessoren für Physik undChemie der Universitäten und tech-nologischen Institute in Schweden,Dänemark, Finnland, Island undNorwegen sowie des KarolinischenInstituts. Inhaber entsprechender Lehr-stühle von mindestens sechs Uni-versitäten oder vergleichbaren In-stitutionen, die von der KöniglichenAkademie der Wissenschaften aus-gewählt werden, um eine angemes-sene Verteilung unter den verschie-denen Ländern und Lehrstühlen zugewährleisten, Wissenschaftler aus aller Welt,die nach jährlicher Auswahl vonder Akademie um ihren Vorschlaggebeten werden.

Nicht gestattet ist es, sich selbstvorzuschlagen. Ebenso werden un-aufgefordert eingesandte Vorschlägenicht berücksichtigt. Die Preisewerden ausschließlich Einzelperso-nen zuerkannt, lediglich der Frie-denspreis kann auch an Institutio-nen vergeben werden.

Bis zum September des jeweili-gen Jahres werden die eingegange-nen Vorschläge von den Komiteesbegutachtet und dann der preisver-teilenden Körperschaft unterbreitet,der allein die Entscheidung zufällt.Bis 15. November (meist jedoch vordem 21. Oktober – Nobels Geburts-tag) werden die Preisträger be-kanntgegeben und über die Bot-schaft des jeweiligen Landes be-nachrichtigt. Am 10. Dezember –Nobels Todestag – erfolgt die Ver-leihung.

Jeder Preisträger erhält eine gol-dene Nobelmedaille, das Nobeldi-plom sowie eine Geldprämie. Diesebetrug 1901 – 150 800 Schweden-kronen (SEK), 1970 – 400 000 SEK,

„Über mein übriges reali-sierbares Vermögen wird auffolgende Weise verfügt: DasKapital, vom Testaments-vollstrecker in sicherenWertpapieren realisiert, solleinen Fonds bilden, dessenjährliche Zinsen als Preisedenen zuerteilt werden, dieim verflossenen Jahr derMenschheit den größtenNutzen geleistet haben. DieZinsen werden in fünf glei-che Teile geteilt, von denenzufällt: ein Teil dem, der aufdem Gebiet der Physik diewichtigste Entdeckung oderErfindung gemacht hat; einTeil dem, der die wichtigstechemische Entdeckung oderVerbesserung gemacht hat;ein Teil dem, der die wich-tigste Entdeckung auf dem

Gebiet der Physiologie oderder Medizin gemacht hat;ein Teil dem, der in der Lite-ratur das Ausgezeichnetstein idealer Richtung hervor-gebracht hat; ein Teil dem,der am meisten oder bestenfür die Verbrüderung derVölker und für die Abschaf-fung oder Verminderung derstehenden Heere sowie fürdie Bildung und Verbreitungvon Friedenskongressen ge-wirkt hat. [...] Es ist meinausdrücklicher Wille, dassbei der Preisverteilung keineRücksicht auf die Zu-gehörigkeit zu irgendeinerNation genommen wird, sodass der Würdigste denPreis erhält, ob er nunSkandinavier ist oder nicht.“

Aus Nobels Testament

1) Die Verknüpfung vonPhysiologie und Medizinin der endgültigen For-mulierung liegt wohldarin begründet, dasssich zum Ende des 19.Jahrhunderts die Physio-logie zur experimentel-len und theoretischenBasis der Medizin zuentwickeln schien.

2) Außerdem gab esnoch die langjährige Ge-liebte Nobels Sofie Hess(1856–1919), die er auchim Testament bedachthatte. Sie wollte eben-falls Veränderungen zuihren Gunsten erreichen.In diesem Falle kam fürdie Testamentsvoll-strecker als erschwerendhinzu, dass diese bislanggeheim gehaltene Liai-son auch weiterhin nichtbekannt werden sollte.

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3) D. h. zum Zeitpunktder Entscheidung mussder betreffende Kandidatnoch leben.

4) Vgl. Elisabeth Craw-ford: Nobel – Always theWinners, Never the Lo-sers. Science 282, 1256(1998).

1990 – 4 Millionen SEK und wird2001 bei 10 Millionen SEK ( = 2,1Mio. DM) liegen. Am Tage derPreisverleihung oder einem der fol-genden Tage (bis spätestens sechsMonate danach) halten die Laurea-ten in der Regel einen Festvortrag,die so genannte Nobelvorlesung.

Entsprechend der Testamentsfest-legung sollten die Preise Personenzuerkannt werden, welche die preis-würdige Leistung im vorangegange-nen Jahr vollbracht haben. DieseBedingung ist jedoch insbesonderebei den Wissenschaftspreisen kaumeinzuhalten, denn bis zur Anerken-nung einer wissenschaftlichen Ideeoder sogar Feststellung ihres prakti-schen Nutzens vergeht meist mehrals ein Jahr. Die Testamentsvoll-strecker waren sich darin einig, dassdiese Festlegung großzügig auszule-gen sei. So wurde zum BeispielErnst Ruska für die Entwicklung desElektronenmikroskops im Jahre1931 erst 1986 mit einer Hälfte desPhysik-Nobelpreises geehrt, die an-dere Hälfte ging an Gerd Binnig undHeinrich Rohrer für die Erfindungdes Raster-Tunnelmikroskops (1981).Pro Preis können übrigens maximaldrei Personen ausgezeichnet werden(siehe unten).

Ein Preis soll in der Regel für ei-ne besonders herauszuhebende Ein-zelleistung und nicht für ein Lebens-werk vergeben werden, eine posthu-me Ehrung gibt es nicht.3) Wird dieAnnahme eines Preises verweigertoder der zugehörige Geldbetrag biszum 1. Oktober des Folgejahresnicht abgeholt, fällt er an den Fondszurück. Auch bei einer Ablehnungunter Zwang können im Nachhineinnur noch Diplom und Medaille be-ansprucht werden.

Unterschiedliche Meinungen inden Nobel-Komitees und den verlei-henden Körperschaften sollen wederzu Protokoll genommen noch derÖffentlichkeit mitgeteilt werden –nur die endgültige Entscheidungwird bekanntgegeben. Dadurch sollsowohl eine öffentliche Beeinflus-sung als auch eine mögliche Diskri-minierung von in die engere Wahlgezogenen, aber nicht ausgezeichne-ten Persönlichkeiten vermieden wer-den. Seit 1974 sind aber für For-schungszwecke die Archive der No-belstiftung soweit zugänglich, dassdie Unterlagen für mehr als fünfzigJahre zurückliegende Preise eingese-hen werden können.

Der Nobelpreis – ein FazitImmer wieder werden Stimmen

laut, die bestimmte Wissenschaftlernennen, bei denen es nicht ausrei-chend einsichtig sei, dass sie keinenNobelpreis bekamen. Im Bereich derPhysik sind es u. a. Arnold Sommer-feld (1868–1951) und FriedrichPaschen (1865–1947), bei denen esverwundert, dass sie nicht zum Kreisder Nobelpreisträger gehören. Ar-chivstudien belegen, dass Sommer-feld im Laufe der Jahre immerhin 74Nominierungen erhielt, Paschen 45– mancher tatsächlich gekürtePreisträger erhielt entschieden weni-ger.4) Gewiss hat nicht jede preis-würdige Leistung im Sinne Nobelsbzw. der Festlegungen im Nobel-preisreglement auch einen Preis er-halten – dazu ist die mögliche Aus-wahl einfach zu groß. Aber fast jedemit dem Nobelpreis ausgezeichneteLeistung war dieser Ehrung – auchaus historischer Sicht – würdig. Alsaus heutiger Sicht bedenkenswertwäre u. a. die Entdeckung des DDTs(Paul H. Müller – Med 1948) zunennen.

Bei der Staatszugehörigkeit gibtes durchaus Schwierigkeiten: Be-zieht man sich auf das Land derGeburt und der Ausbildung (u. a.kleinere Länder bzw. Entwicklungs-länder nehmen gern darauf Bezug),gilt das Land, in dem die nobel-

preiswürdige Arbeit geleistet wurdeoder das Land, in dem der Laureatbei Verleihung Staatsbürger ist?Der Vorwurf, dass Forscher derDritten Welt bewusst „übersehen“werden, ist nicht neu und scheintnicht ganz aus der Luft gegriffen zusein. Ähnliches gilt für die Anzahlweiblicher Laureaten. Von den bis-her insgesamt 30 Nobelpreisträge-rinnen fallen nur 11 in die natur-wissenschaftliche Kategorie.

Ein in jüngster Zeit häufig disku-tiertes Beispiel, das die Auswahl-problematik veranschaulicht, ist dernicht gewährte Nobelpreis für LiseMeitner. Otto Hahn (1879–1968)und Fritz Straßmann (1902–1980)hatten 1938 die Kernspaltung ent-deckt und Lise Meitner (1878–1968)lieferte gemeinsam mit ihrem Nef-fen Otto Robert Frisch aus dem Exilin Schweden als Erste die theoreti-sche Erklärung. Von den insgesamtvier Wissenschaftlern erhielt letzt-endlich nur Hahn im Jahre 1945den Chemie-Nobelpreis für 1944zuerkannt. Dass Lise Meitner dieseEhrung versagt blieb (wofür man imdurchaus berechtigte Gründe an-führen kann), wurde und wird oftals ungerecht empfunden, zum ei-nen weil sie mit Hahn und Straß-mann bis zu ihrer Emigration 1938eng am Problem der Transurane ge-arbeitet hatte und zum anderen

Verleihung an eine Einzelperson. Aufteilung des Preises je zur Hälfteauf zwei Personen für ein gemeinsamesWerk, z. B. Physik 1925: für ihre Ar-beiten zur Entdeckung der Gesetze,die beim Zusammenstoß zwischenElektronen und Atomen herrschen an James Franck (1882–1964; D) undGustav Hertz (1887–1975; D). Aufteilung zu gleichen Teilen aufzwei unterschiedliche Arbeiten.– Aufteilung des Preises je zur Hälfteauf zwei Personen, z. B. Physik 1954:M. Born (1882–1970; D) für seinegrundl. Forschungen zur Quantenme-chanik, insbes. die statistische Inter-pretation der Wellenfunktion; W.Bothe (1891–1957; D) für seine Koin-zidenzmethode und die damit gemach-ten Entdeckungen.– Aufteilung des Preises zur Hälfte aufeine Person, die andere Hälfte zu glei-chen Teilen auf zwei Personen, z. B.Physik 2000: für grundlegende Arbei-ten zur Informations- und Kommuni-kationstechnologie, und zwar für dieEntwicklung von Halbleiter-Hetero-strukturen, die in der Hochgeschwin-digkeits- und Optoelektronik verwen-det werden, an Zhores I. Alferov(∗1930; R) und Herbert Kroemer(∗1928; D); für seinen Anteil an der

Erfindung der integrierten Schaltkreisean Jack S. Kilby (∗1923; USA).– Aufteilung des Preises zur Hälfte aufeine Person, die andere Hälfte „ge-meinschaftlich“ auf zwei Personen, z. B. Physik 1903: A. H. Becquerel(1852–1908; F) & M. Curie (1867–1934; F) und P. Curie (1859–1906; F);Physik 1978: P. L. Kapica (1894–1984;SU) für seine grundlegenden Arbeitenzur Tieftemperaturphysik, A. A. Pen-zias (∗1933; USA) und R. W. Wilson(∗1936; USA) für ihre gem. Entde-ckung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung. Vergabe des Preises „gemeinschaft-lich“ für eine Arbeit.– „gemeinschaftlich“ an zwei Perso-nen, z. B. Chemie 1929: für ihregrundlegenden Untersuchungen überdie Gährung der Zucker und die Gä-rungsenzyme an H. v. Euler-Chelpin(1873–1964; S) und Arthur Harden(1865–1940; GB).– „gemeinschaftlich“ an drei Personen,z. B. Chemie 2000: gemeinschaftlichfür die Entdeckung und Entwicklungleitfähiger Polymere an Alan J. Heeger(∗1936; USA), Alan G. MacDiarmid(∗1927; USA) und Hideki Shirakawa(∗1936; J)

Aufteilungsvarianten für Nobelpreise (mit Beispielen)

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weil sie die einzige beteiligte Frauwar. Ähnliches gilt für Straßmannund Frisch, die aber „nur“ Assisten-ten waren. In der damaligen Wis-senschaftscommunity war jedochdas (auch heute noch nicht abgeleg-te) Denken bestimmend, dass dieWissenschaft nur von großen Män-nern gemacht werde (und schon

große Frauen war nur am Randedenkbar, geschweige denn Assisten-ten).5)

Einige Jahre später schrieb Hahnin einem Brief an Max Born(1882–1970): „Was den Nobelpreisanbelangt, so sind Sie offenbar imEinzelnen nicht so unterrichtet, wiees dabei zugeht. Wie alle menschli-chen Einrichtungen ist die Auswahlnatürlich auch Irrtümern unterwor-fen, und es steht mir nicht zu, Kri-tik zu üben. [...] Ich habe nach mei-ner Eingabe vor mehreren Jahrenund nachdem ich das gehört habe,was ich Ihnen gerade vertraulichmitgeteilt habe, Lise Meitner nichtmehr vorschlagen können. [...]Wenn Sie Lise Meitner nennen wol-len, dann wird mich das sehr freu-en.“6) Nähere Gründe nannte Hahnnicht und sie werden sich wohlkaum rekonstruieren lassen, da es –wie bereits erwähnt – über die Dis-kussionen in den Komitees kaumarchivierte Aufzeichnungen gibt.

Bemerkenswert ist in diesem Zu-sammenhang, dass die Nobelstif-tung jeweils direkt nach den Welt-kriegen deutsche Wissenschaftlerauszeichnete, und zum Teil für Lei-stungen, die indirekt, aber dennochgerade zu diesem Zeitpunkt für alleoffensichtlich, mit Kriegsschreck-nissen zusammenhingen: So ging1919 der Chemiepreis des Jahres1918 an Fritz Haber (1868–1934)für die Ammoniaksynthese, obwohlHaber international als Kriegsver-brecher gebrandmarkt wurde, weiler maßgeblich an der Entwicklungvon Giftgasen beteiligt war und

ihren Einsatz im Krieg selbst ange-regt hatte. 1945 wurde Otto Hahnder Chemiepreis 1944 für die Ent-deckung der Kernspaltung zuer-kannt, nachdem gerade die Atom-bombe gefallen war. Außerdem be-kamen 1919 Max Planck denPhysikpreis für 1918 und JohannesStark den Physikpreis für 1919, mitHaber also drei deutsche Wissen-schaftler unmittelbar nach dem Er-sten Weltkrieg. Allgemein wird diesso begründet, dass das Nobelkomi-tee damit seine Neutralität sowieseine verständigungsorientierte In-ternationalität demonstrieren woll-te, aber dieses Argument erscheintzumindest fragwürdig.7)

Insgesamt sind in den ersten 100Jahren Nobelpreise in 45 Länder derErde gegangen, doch beschränktman sich auf die naturwissenschaft-lichen Preise, bleiben nur 27 Länder.Mehr als zehn Preise gingen in 13Länder, jedoch die absolute Spitzen-gruppe bilden USA, Großbritannien,Deutschland und Frankreich; wobeiDeutschland von seinen insgesamt74 Nobelpreisen 44 Preise vor 1945zugesprochen bekam.

Eine nach wie vor offene Frageist, ob man nur das entscheidendeExperiment oder nur die theoreti-sche Deutung auszeichnet oder bei-des – beim CΩerenkov-Effekt ent-schied man sich für beides (Ph 1958– Frank, Tamm, CΩerenkov), oft eherfür die grundlegende Theorie als fürdas entscheidende Experiment. BeiHahn könnte man in diesem Fallesagen, seine entscheidende che-misch-experimentelle Entdeckungwar zunächst gegen die physikali-sche Theorie geschehen (die dannerst im Anschluss daran entspre-chend modifiziert wurde), anderer-seits erhielt Dennis Gabor 1971 denPhysikpreis für seine Theorie derHolografie von 1948, nachdem erstdurch die Erfindung des Lasers(1960) die Holografie praktischmöglich wurde (1964), wodurchdann die Realisierbarkeit der Theo-rie bewiesen war.

Es lässt sich zwar generell fest-stellen, dass man im Laufe des Jahr-hunderts von der Verleihung an nureine Person zur Verleihung an meh-rere Personen übergegangen ist,aber dies hat kaum mit dem ver-stärkten Trend der modernen Wis-senschaft zur Teamarbeit zu tun(denn es werden selten Kollektiveausgezeichnet), sondern eher damit,dass manche Arbeiten in verschie-denen Labors parallel laufen, dassman eng im Zusammenhang ste-

hende „Vorarbeiten“ berücksichtigtusw. Einige „Teams“ sind aber auchdabei, wie z. B. William Shockley/John Bardeen/Walter Brattain (Ph1956) für die Entdeckung des Tran-sistoreffekts oder an A. A. Penziasund R. W. Wilson (Ph 1978) für dieEntdeckung der 3-K-Hintergrund-strahlung. Parallele Gleichzeitigkeitwurde z. B. ausgezeichnet im Falleder Grundlagen des Maser-Laser-Prinzips (Ph 1964) – zur Hälfte anCharles Townes (USA), zur Hälftean Nikolai G. Basov und AleksandrM. Prochorov (UdSSR).

Physikentwicklung anhandder Nobelpreise?Insgesamt wurden bisher 94 Phy-

sikpreise vergeben (nicht in denJahren 1916, 1931, 1934 und 1940–1942) an 161 Personen (Bardeenerhielt ihn zweimal); die Nichtver-gabe 1931 und 1934 hängt ganzoffensichtlich mit einer gewissenVerunsicherung infolge der statt-findenden Umbrüche in der Physikzusammen.

Die Physikentwicklung des 20.Jahrhunderts im Spiegel der Nobel-preise zu betrachten, ist durchausreizvoll, hat aber auch zahlreicheTücken, denn das Erscheinungsbilddieser Wissenschaft hat sich im Lau-fe des letzten Jahrhunderts enormverändert. Schon die Abgrenzungenzu Nachbardisziplinen wie die Che-mie sind unscharf geworden. Dieklassische Einteilung in Mechanik,Elektrodynamik und Thermodyna-mik gilt für die moderne Physikebensowenig wie eine plausible Un-terteilung in theoretische, experi-mentelle und angewandte Physik.

An einem Beispiel sei angedeu-tet, wie sich Entwicklungslinien derPhysik mit Bezug auf Nobelpreiseaufzeigenlassen.8) Eine solche Liniewäre die von der klassischen Phy-sik zur Quantenphysik, in die sichz. Zt. fünf Gruppen von Nobelprei-sen einreihen ließen. Als 1901 dererste Physiknobelpreis an W. K.Röntgen vergeben wurde, erschiendas Gebäude der klassischen Physik– ungeachtet des Planckschen Vor-trages vom Dezember 1900 – nochziemlich unerschüttert, und die we-nigen sichtbaren Unklarheiten soll-ten sich nach Meinung der meistenPhysiker durch gründliche Bearbei-tung in dieses Gebäude einordnenlassen. Doch als Röntgen den Preissechs Jahre nach seiner Entdeckungder X-Strahlen bekam, hatte dasNobel-Komitee wohl eher unbe-wusst bereits das Tor zur modernen

Nobelpreisstatistik nach Ländern (1901–2000)

Land Preise Physik- Physikpreise Physikpreisegesamt preise bis 1945 nach 1945

USA 258 71 9 62

Großbritannien 92 19 10 9

Deutschland 74 21 11 10

Frankreich 50 12 7 5

restliches Europa 165 21 11 10

andere Staaten 62 7 1 6

Gesamt 701 151 49 102

5) Beispielsweise warenbeim Physiknobelpreis1937 Clinton Joseph Da-visson (USA) und GeorgePaget Thomson (GB) fürihre unabhängig vonein-ander durchgeführtenExperimente zur Beu-gung von Elektronen amKristallgitter ausgezeich-net worden, obwohl dieentsprechenden Publika-tionen eindeutig mit Davisson/Germer bzw.Thomson/Reid ausgewie-sen waren.

6) Otto Hahn an MaxBorn am 14. Jan. 1954.Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, NL Hahn[Abt. III, Rep. 014A, Nr.386]

7) Vgl. Sven Widmalm:Science and Neutrality –The Nobel Prizes of 1919and Scientific Internatio-nalism in Sweden. Mi-nerva 33, 339 (1995)

8) Vgl. u. a. E. B. Karls-son: The Nobel Prize inPhysics 1901–1999. TheNobel Foundation 2000[http://www.nobel.se/physics/articles/karlsson/index.htm]

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Physik aufgestoßen, denn die X-Strahlen wurden zwar in der Medi-zin bereits erfolgreich angewendet,doch ihre physikalische Natur warnoch weitgehend unverstanden.Auch die ein knappes Jahr späterentdeckte Radioaktivität ließ sich indas klassische Bild nicht einordnen(Ph 1903 an A.-H. Becquerel, P. u.M. Curie). Zu dieser Gruppegehören weitere Arbeiten, die zurAufklärung dieser Phänomene dien-ten (Ch 1908 – E. Rutherford; Ph1914 – M. v. Laue; Ph 1917 – Ch.Barkla; Ph 1924 – K. M. Siegbahn).Zugleich wurden mit den Arbeitenvon Laue, Friedrich, Knipping undBarkla wichtige Voraussetzungenfür die später zu effektiven For-schungsmethoden werdenden Rönt-genstrukturanalyse und Röntgen-spektroskopie gelegt (die man dannwiederum in eine Linie experimen-telle Methoden einordnen kann).

Die Erforschung der Elektronenals Träger der elektrischen Ladungbildete eine weitere Gruppe dieserEntwicklungslinie und ihr Zusam-menhang mit elektrodynamischenErscheinungen korrespondierte mitden Forschungen zu Röntgenstrah-len und Radioaktivität und warfu. a. die Frage auf, ob es sich umWellen- oder Korpuskelerscheinun-gen handele (Ph 1902 – H. A. Lo-rentz und P. Zeeman; Ph 1905 –Ph. Lenard; Ph 1906 – J. J. Thom-son; Ph 1919 – J. Stark; Ph 1923 –R. A. Millikan).

Eine dritte Säule der Entwick-lung zur modernen Physik ging vonder Untersuchung der Wärmestrah-lung aus. W. Wien (Ph 1911) unter-suchte die Strahlung des SchwarzenKörpers mit Hilfe der klassischenElektrodynamik und fand eine For-mel für die Frequenzverteilung die-ser Strahlung. Bald zeigte sich je-doch, dass diese Beschreibung dieRealität nur teilweise widerspiegelteund Max Planck entwickelte imJahre 1900 eine neue Formel, wobeier allerdings eine in die klassischePhysik nicht einpassbare Hilfsgrößeeinführen musste, das Energiequant(Ph 1918). Eine wichtige Verifikati-on für dieses Energiequant kamdurch Einsteins 1905 aufgestellteLichtquantenhypothese (Ph 1921).

Die berühmten Elektronen-stoßversuche von J. Franck und G.Hertz aus dem Jahre 1913 (Ph 1925)brachten dann eine Bestätigung fürdie Lichtquantenhypothese und zu-gleich für das inzwischen von NielsBohr (Ph 1922) aufgestellte Atom-modell, was Franck und Hertz aber

– ein typisches Beispiel dafür, dassSchlüsselexperimente manchmalerst im Nachhinein als solche au-genfällig werden – erst vier Jahrespäter erkannten. Compton (Ph1927) zeigte 1922 den gleichen Ef-fekt für die Röntgenstrahlung. Aufdem Hintergrund dieser Erkennt-nisse postulierte de Broglie 1923,

dass sich Materieteilchen dualis-tisch verhalten könnten, d. h. imklassisch-mechanischen Sinne wieTeilchen oder im klassisch-elektro-dynamischen Sinne wie Wellen (Ph1929). Letzteres war aber eigentlichselbst mit dem inzwischen entstan-denen Instrumentarium der Quan-tenphysik nicht mehr verstehbar, esmusste nun eine wirklich neueTheorie entwickelt werden, in de-ren Rahmen all diese Phänomeneerklärbar würden. Heisenberg (Ph1932) entwickelte die Quantenme-chanik in Form der Matrizenme-chanik, Schrödinger (Ph 1933) gabihr die Form der Wellenmechanik;Dirac (Ph 1933) fand eine weitereFormulierungsmöglichkeit mit ei-nem Formalismus, der EinsteinsSpezielle Relativitätstheorie berück-sichtigte, und er sagte die Existenzsogenannter Antiteilchen voraus –1932 fand Anderson (Ph 1936) mitdem Positron das erste dieser Anti-teilchen. Diese Leistungen wurdenbereits Anfang der 1930er Jahre –also bald nach ihrem Erscheinen –ausgezeichnet; einige weitere wich-tige damalige Beiträge – so vonPauli und Born – wurden erst ver-spätet 1945 bzw. 1954 mit dem No-belpreis geehrt. Damit war derÜbergang von der klassischen zur

modernen Physik im ersten Dritteldes 20. Jahrhunderts im wesentli-chen vollzogen.

Mit einer solchen Betrachtunglässt sich deutlich machen, dass mitden Nobelpreisverleihungen tat-sächlich wichtige Arbeiten bzw.Entwicklungsgebiete der Physikherausgegriffen wurden, anderer-seits wird offenkundig, dass sichkein geradliniger Faden durchzie-hen lässt, denn aus den verschie-densten Gründen wurden mancheEntdeckungen relativ bald, andereerst sehr spät ausgezeichnet. Undschreibt man eine Physikgeschichteunabhängig von den Nobelpreisen,wird sich sehr bald auch zeigen,dass mancher wichtige Beitragüberhaupt nicht ausgezeichnet wur-de, vielleicht weil seine Bedeutungzunächst umstritten oder unter-schätzt war, vielleicht aber auch ausganz anderen Gründen, die unsvielleicht soziologische Untersu-chungen auf Grund der zugängli-chen Akten erhellen können. Den-noch dürfte unumstritten bleiben,dass der Nobelpreis zu Recht einerder bedeutendsten weltweiten Wis-senschaftspreise ist und dass seineReputation nicht nur für die Lau-reaten selbst öffentliche Anerken-nung bedeutet.

Literatur[1] E. Bergengren, Alfred Nobel. Eine

Biographie, München 1965[2] E. Crawford, The Beginning of the

Nobel Institution. The Science Pri-zes, 1901-1915, Cambridge Univer-sity Press 1984

[3] K. Fant, Alfred Nobel. Idealist zwi-schen Wissenschaft und Wirtschaft,Basel/Boston/Berlin 1995

[4] H. Kant, Alfred Nobel, Leipzig1983.

[5] Nobel. The Man and his Prizes,hrsg. von der Nobel-Stiftung, NewYork 1972

[6] R. Sohlmann, The Legacy of AlfredNobel. The Story behind the NobelPrizes, London etc. 1983

[7] F. Vögtle, Alfred Nobel, Reinbekbei Hamburg 1983

[8] Nobel Lectures. Sammelbände mitden Nobel-Vorlesungen seit 1901einschließlich kurzer biographi-scher Angaben (in englischer Spra-che), getrennt für die einzelnenGebiet. 1964–1972 publiziert durchElsevier Publ. Company Amster-dam, fortgesetzt ab 1991 bei WorldScientific Publ. Co. Singapore.

[9] Harenberg Lexikon der Nobel-preisträger, Dortmund 1998.

[10] Die Internet-Seite des Nobel e-Museum [http://www.nobel.se/]

Die Urkunde des ersten Nobelpreises fürPhysik, der an Wilhelm Röntgen (1845–1923) verliehen wurde. (Quelle: Deut-sches Röntgen-Museum)