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Marketing In einem gesättigten Markt müssen Händler, also auch Apotheker, durch eine inspirierende Ansprache Impulse setzen und dem Kunden jenseits des Bedarfskaufs vor allem einen Erlebniskauf bieten. Ab wann wird der Ein- kauf zum Erlebnis? Das Forschungsinstitut EHI hat in seiner Studie „Omni-Shop- per Journey“ das ganzheitliche, kanalübergreifende Verhalten von Kunden im stationären und im Onlinehandel untersucht. Betrachtet wurden dabei die Branchen Lebensmitteleinzel- handel, Unterhaltungselektronik und Apotheken. Das Ein- kaufserlebnis wird branchenübergreifend für bis zu über 80 Prozent der Kunden durch eine geräumige oder gemütliche Atmosphäre sowie eine gute Struktur oder klare Kennzeich- nung entscheidend beeinflusst. Apotheken zum Wohlfühlen „Eine Apothekeneinrichtung ist ebenso wie alles andere mehr als die Summe seiner Komponenten. Sie muss ein Umfeld er- zeugen, in dem sich Kunden und Apotheker gleichermaßen wohlfühlen“, erklärt Innenarchitekt Klaus Bürger gegenüber APOTHEKE + MARKETING. Er hat bereits mehr als 100 Apotheken in ganz Deutschland gestaltet. „Eine Apotheken- einrichtung muss neben optimalen und skalierbaren Arbeits- abläufen die Stärke, Kompetenz und Persönlichkeit des Apothekers visualisieren und dem Kunden ein positiv stimulie- rendes Umfeld bieten, in dem er sich gut beraten fühlt, etwas kauft und wiederkommt“, so Bürger weiter. Der Apotheker kann die Wahrnehmung eines Erlebnisses nicht direkt beeinflussen. Denn Wahrnehmung hängt von der persönlichen Interpretation ab und basiert auf kulturellen Un- terschieden, vorangegangenen Erfahrungen, Stimmungen und persönlichen Charakteristiken. So kann dieselbe Weihnachts- dekoration in der Freiwahl für den einen Kunden glückliche Erinnerungen an die Kindheit hervorrufen und den nächsten vollkommen kalt lassen. Ein Einkaufserlebnis muss nicht not- wendigerweise einprägsam und unvergesslich sein. Denn die wenigsten Einzelhändler sind in der Lage, auch nur zeitweise ein unvergessliches Erlebnis zu bieten. Auch kleinere, überra- schende Annehmlichkeiten des alltäglichen Einkaufs können ein Erlebnis für den Apothekenkunden sein. Erlebnisse fördern „Erlebnistreiber“ können im Handel beispielsweise das Sorti- ment, die Einkaufsatmosphäre, die Serviceausgestaltung, Kommunikation, Marken oder das Verkaufspersonal sein. Hinsichtlich der Ladengestaltung beschäftigen sich Erlebnis- Atmosphäre schaffen Einkaufserlebnisse zwischen Sicht- und Freiwahl Text: Christoph Niekamp 24 apotheke + marketing --- Ausgabe 04-18

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Marketing

forscher vornehmlich mit der Ausgestaltung der Einkaufsat-mosphäre. Diese wirkt besonders über die Schaufenstergestal-tung, die Warenpräsentation und die Verkaufsraumgestaltung.Dabei sind aus Erlebnisgesichtspunkten mit dem Ladenlayout,der Raumzuteilung und der Ladengestaltung drei Ansatzpunk-te zu nennen. Das Ladenlayout betrifft zum einen die Raum-aufteilung zwischen den vier Funktionszonen:> Warenfläche> Beratungsfläche> Kundenfläche> übrige Verkaufsflächen.Zum anderen bewirken die Raumanordnung der Funktionszo-nen zueinander und die Gestaltung der Gänge im Rahmen derLadengestaltung Erlebnisse.Unter der Raumzuteilung werden die Warengruppenzutei-lung und die Artikelplatzierung unterschieden. Hier steht be-sonders die Wertigkeit der Verkaufszonen im Vordergrund, diein hochwertige und minderwertige Verkaufszonen unterglie-dert wird. An Orten des Erlebens begreifen, verehren und be-gehren Kunden bestimmte Marken. Hochwertige Kosmetik isthierbei ein wichtiges Beispiel in der Freiwahl von Apotheken.

Atmosphäre schaffenDie Einkaufsatmosphäre ist die Gestaltung des Einkaufsumfel-des zur emotionalen Beeinflussung von Konsumenten, um ihreEinkaufswahrscheinlichkeit zu steigern. Einflussfaktoren sinddabei optische (Farbe, Größe, Formen), hörbare (Lautstärke,Art der Geräusche), riechbare (Geruch, Frische) und tastbare(Temperatur, Struktur der Oberfläche) Faktoren.Die Ambiente-Faktoren Optik, Geruch, Akustik und Haptikwirken nach Ansicht mancher Wissenschaftler nur dann, wennsie nicht vorhanden sind oder unangenehm auffallen.Der unangenehm beißende Geruch von Chemikalien bleibtKunden demnach im Gedächtnis, Zimtduft zur Adventszeit inder Offizin dagegen weniger.Auch den Einfluss, den andere Menschen auf die Atmosphärehaben – etwa Mitarbeiter, Familienmitglieder oder weitere Per-sonen beim Einkauf – sowie die Wahrnehmung der Gesamtzahlan Personen im Laden sollten Apotheker nicht unterschätzen.Die Bestimmung und Messung der Einkaufsatmosphäre ge-staltet sich schwierig, da es sich um einen emotionalen Zustand

handelt. Diese Zustände sind schwierig verbal auszudrücken,transzendent und daher schwer zu erinnern und beeinflussendas Verhalten im Geschäft.

Gäste statt KundenEine Apotheke in NRW geht ihren ganz eigenen Weg, um dieAtmosphäre positiv zu gestalten. Die Unternehmensphiloso-phie der Rathaus-Apotheke von Dr. Christian Fehske verstehtdie Menschen, die in die Offizin kommen, nicht als Kunden,sondern als Gäste. Schublade auf, Medikament verkaufen,Schublade zu – das reicht dem engagierten Inhaber aus Hagenin Westfalen nicht. Die Gäste zufriedenzustellen, sei das Mini-malziel seines Services. Er habe vielmehr den Anspruch aufFans der Apotheke, erklärt Fehske.

Kunde muss Übersicht behaltenStatt eines strukturierten Point of Sale stehen Apothekenkun-den oft einem überladenen Point of Stock gegenüber. Dabeisind Übersichtlichkeit und klare Strukturen besonders in derSichtwahl, aber natürlich auch in der Freiwahl wichtig. DasAuge muss ruhig durch die Warenpräsentation geleitet wer-den. „Viele Sichtwahlbereiche sind Lärm für das Auge“, meintApothekenberater Manfred Ezel. Finde der Kunde sich nichtauf Anhieb in der Präsentation zurecht, erfolge kein Impuls-kauf. Die Innengestaltung des Verkaufsraumes beeinflusst, wieschnell Kunden das gesuchte Produkt finden. Dabei kommtder Verbundpräsentation eine bedeutende Rolle zu, da diese si-cherstellt, dass zusammenhängende Produkte in räumlicherNähe zueinander zu finden sind.

Digitale Sichtwahl polarisiertInfoterminals oder virtuelle Sichtwahl – in Zeiten der Digitali-sierung stellt sich zwingend die Frage, inwiefern digitale Un-terstützung in der Warenpräsentation eine Rolle spielt. Beiknapp einem Drittel der Teilnehmer einer Umfrage in DASAPOTHEKER FORUM ist dies zunehmend der Fall, dieMehrheit hat damit jedoch nichts am Hut. Eine oft genannteHürde sind die Kosten für die Anschaffung. Die Angst, dass ei-ne virtuelle Sichtwahl auf ältere Kunden abschreckend wirkt,äußerten dagegen nur wenige Apotheker. An der Umfrage ha-ben sich 132 Apotheker aus ganz Deutschland beteiligt.

www.apotheke-und-marketing.de/erlebnis

Der Artikel basiert auf dem Buch „Einkaufserlebnis-se im Handel“ von Marko Schwertfeger,ISBN 978-3-6580-0510-8, Springer Gabler 2012

In einem gesättigten Markt müssen Händler, also auchApotheker, durch eine inspirierende Ansprache Impulsesetzen und dem Kunden jenseits des Bedarfskaufs vorallem einen Erlebniskauf bieten. Ab wann wird der Ein-kauf zum Erlebnis?

Das Forschungsinstitut EHI hat in seiner Studie „Omni-Shop-per Journey“ das ganzheitliche, kanalübergreifende Verhaltenvon Kunden im stationären und im Onlinehandel untersucht.Betrachtet wurden dabei die Branchen Lebensmitteleinzel-handel, Unterhaltungselektronik und Apotheken. Das Ein-kaufserlebnis wird branchenübergreifend für bis zu über 80Prozent der Kunden durch eine geräumige oder gemütlicheAtmosphäre sowie eine gute Struktur oder klare Kennzeich-nung entscheidend beeinflusst.

Apotheken zum Wohlfühlen„Eine Apothekeneinrichtung ist ebenso wie alles andere mehrals die Summe seiner Komponenten. Sie muss ein Umfeld er-zeugen, in dem sich Kunden und Apotheker gleichermaßenwohlfühlen“, erklärt Innenarchitekt Klaus Bürger gegenüberAPOTHEKE + MARKETING. Er hat bereits mehr als 100Apotheken in ganz Deutschland gestaltet. „Eine Apotheken-einrichtung muss neben optimalen und skalierbaren Arbeits-abläufen die Stärke, Kompetenz und Persönlichkeit desApothekers visualisieren und dem Kunden ein positiv stimulie-rendes Umfeld bieten, in dem er sich gut beraten fühlt, etwaskauft und wiederkommt“, so Bürger weiter.Der Apotheker kann die Wahrnehmung eines Erlebnissesnicht direkt beeinflussen. Denn Wahrnehmung hängt von derpersönlichen Interpretation ab und basiert auf kulturellen Un-terschieden, vorangegangenen Erfahrungen, Stimmungen undpersönlichen Charakteristiken. So kann dieselbe Weihnachts-dekoration in der Freiwahl für den einen Kunden glücklicheErinnerungen an die Kindheit hervorrufen und den nächstenvollkommen kalt lassen. Ein Einkaufserlebnis muss nicht not-wendigerweise einprägsam und unvergesslich sein. Denn diewenigsten Einzelhändler sind in der Lage, auch nur zeitweiseein unvergessliches Erlebnis zu bieten. Auch kleinere, überra-schende Annehmlichkeiten des alltäglichen Einkaufs könnenein Erlebnis für den Apothekenkunden sein.

Erlebnisse fördern„Erlebnistreiber“ können im Handel beispielsweise das Sorti-ment, die Einkaufsatmosphäre, die Serviceausgestaltung,Kommunikation, Marken oder das Verkaufspersonal sein.Hinsichtlich der Ladengestaltung beschäftigen sich Erlebnis-

Atmosphäre schaffenEinkaufserlebnisse zwischen Sicht- und Freiwahl

Text: Christoph Niekamp

24 apotheke + marketing --- Ausgabe 04-18 apotheke + marketing --- Ausgabe 04-18 24

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forscher vornehmlich mit der Ausgestaltung der Einkaufsat-mosphäre. Diese wirkt besonders über die Schaufenstergestal-tung, die Warenpräsentation und die Verkaufsraumgestaltung.Dabei sind aus Erlebnisgesichtspunkten mit dem Ladenlayout,der Raumzuteilung und der Ladengestaltung drei Ansatzpunk-te zu nennen. Das Ladenlayout betrifft zum einen die Raum-aufteilung zwischen den vier Funktionszonen:> Warenfläche> Beratungsfläche> Kundenfläche> übrige Verkaufsflächen.Zum anderen bewirken die Raumanordnung der Funktionszo-nen zueinander und die Gestaltung der Gänge im Rahmen derLadengestaltung Erlebnisse.Unter der Raumzuteilung werden die Warengruppenzutei-lung und die Artikelplatzierung unterschieden. Hier steht be-sonders die Wertigkeit der Verkaufszonen im Vordergrund, diein hochwertige und minderwertige Verkaufszonen unterglie-dert wird. An Orten des Erlebens begreifen, verehren und be-gehren Kunden bestimmte Marken. Hochwertige Kosmetik isthierbei ein wichtiges Beispiel in der Freiwahl von Apotheken.

Atmosphäre schaffenDie Einkaufsatmosphäre ist die Gestaltung des Einkaufsumfel-des zur emotionalen Beeinflussung von Konsumenten, um ihreEinkaufswahrscheinlichkeit zu steigern. Einflussfaktoren sinddabei optische (Farbe, Größe, Formen), hörbare (Lautstärke,Art der Geräusche), riechbare (Geruch, Frische) und tastbare(Temperatur, Struktur der Oberfläche) Faktoren.Die Ambiente-Faktoren Optik, Geruch, Akustik und Haptikwirken nach Ansicht mancher Wissenschaftler nur dann, wennsie nicht vorhanden sind oder unangenehm auffallen.Der unangenehm beißende Geruch von Chemikalien bleibtKunden demnach im Gedächtnis, Zimtduft zur Adventszeit inder Offizin dagegen weniger.Auch den Einfluss, den andere Menschen auf die Atmosphärehaben – etwa Mitarbeiter, Familienmitglieder oder weitere Per-sonen beim Einkauf – sowie die Wahrnehmung der Gesamtzahlan Personen im Laden sollten Apotheker nicht unterschätzen.Die Bestimmung und Messung der Einkaufsatmosphäre ge-staltet sich schwierig, da es sich um einen emotionalen Zustand

handelt. Diese Zustände sind schwierig verbal auszudrücken,transzendent und daher schwer zu erinnern und beeinflussendas Verhalten im Geschäft.

Gäste statt KundenEine Apotheke in NRW geht ihren ganz eigenen Weg, um dieAtmosphäre positiv zu gestalten. Die Unternehmensphiloso-phie der Rathaus-Apotheke von Dr. Christian Fehske verstehtdie Menschen, die in die Offizin kommen, nicht als Kunden,sondern als Gäste. Schublade auf, Medikament verkaufen,Schublade zu – das reicht dem engagierten Inhaber aus Hagenin Westfalen nicht. Die Gäste zufriedenzustellen, sei das Mini-malziel seines Services. Er habe vielmehr den Anspruch aufFans der Apotheke, erklärt Fehske.

Kunde muss Übersicht behaltenStatt eines strukturierten Point of Sale stehen Apothekenkun-den oft einem überladenen Point of Stock gegenüber. Dabeisind Übersichtlichkeit und klare Strukturen besonders in derSichtwahl, aber natürlich auch in der Freiwahl wichtig. DasAuge muss ruhig durch die Warenpräsentation geleitet wer-den. „Viele Sichtwahlbereiche sind Lärm für das Auge“, meintApothekenberater Manfred Ezel. Finde der Kunde sich nichtauf Anhieb in der Präsentation zurecht, erfolge kein Impuls-kauf. Die Innengestaltung des Verkaufsraumes beeinflusst, wieschnell Kunden das gesuchte Produkt finden. Dabei kommtder Verbundpräsentation eine bedeutende Rolle zu, da diese si-cherstellt, dass zusammenhängende Produkte in räumlicherNähe zueinander zu finden sind.

Digitale Sichtwahl polarisiertInfoterminals oder virtuelle Sichtwahl – in Zeiten der Digitali-sierung stellt sich zwingend die Frage, inwiefern digitale Un-terstützung in der Warenpräsentation eine Rolle spielt. Beiknapp einem Drittel der Teilnehmer einer Umfrage in DASAPOTHEKER FORUM ist dies zunehmend der Fall, dieMehrheit hat damit jedoch nichts am Hut. Eine oft genannteHürde sind die Kosten für die Anschaffung. Die Angst, dass ei-ne virtuelle Sichtwahl auf ältere Kunden abschreckend wirkt,äußerten dagegen nur wenige Apotheker. An der Umfrage ha-ben sich 132 Apotheker aus ganz Deutschland beteiligt.

www.apotheke-und-marketing.de/erlebnis

Der Artikel basiert auf dem Buch „Einkaufserlebnis-se im Handel“ von Marko Schwertfeger,ISBN 978-3-6580-0510-8, Springer Gabler 2012

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