144
Information für Lehrer/innen Praxishandbuch für „Deutsch“ 5.–8. Schulstufe Band 2

Information€¦ · Vorwort Der nun vorliegende zweite Band des Praxishandbuchs für „Deutsch“ 5.–8. Schulstufe ent-hält sieben Texte zu den verschiedenen

Embed Size (px)

Citation preview

Inform

ation

für

Lehr

er/in

nen

Praxishandbuchfür „Deutsch“5.–8. Schulstufe

Band 2

Praxishandbuchfür „Deutsch“ 5.–8. Schulstufe

Band 2

Impressum

Herausgeber:Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklungdes österreichischen Schulwesens

Wien I Zentrum für Innovation & QualitätsentwicklungStella-Klein-Löw-Weg 15 / Rund Vier B, 2. OG / 1020 Wien

Praxishandbuch für „Deutsch“ 5.–8. Schulstufe. Band 2BIFIE (Hrsg.), Graz: Leykam, 2011ISBN 978-3-7011-7782-0

Einbandgestaltung: Die Fliegenden Fische, Salzburg& Andreas Kamenik, BIFIE I Zentrales Management & ServicesLayout & Satz: BIFIE I Zentrales Management & ServicesRedaktion & Lektorat: Alexander Ruprecht, Dagmar Schulz, Stefan Terler & Waltraud Weber, BIFIE Wien I Zentrum für Innovation & QualitätsentwicklungDruck: Druckerei Theiss GmbH, 9431 St. Stefan i. L.Vertrieb an den Buchhandel: Leykam Buchverlagsgesellschaft m.b.H. Nfg. & Co.KG

Informationen zu den Bildungsstandards sowie die Aufgaben beispiele können für Zwecke des Unterrichts an österreichischen Schulen und zu Aus-, Weiter- und Fortbildungszwecken an Pädagogischen Hochschulen von der BIFIE-Website (https://www.bifie.at) heruntergela-den, kopiert und verbreitet werden. Ebenso ist die Vervielfältigung der Texte und Aufgaben-beispiele auf einem anderen Träger als Papier (z. B. im Rahmen von PowerPoint-Präsenta-tionen) für Zwecke des Unterrichts gestattet.

Autorinnen und Autoren:

Doris Astleitner, MAMag. Werner BajliczMag. Edith Erlacher-Zeitlinger, MASDr. Gerhard HabringerMag. Herbert StaudMag. Wolfgang TaubingerDr. Gabriele Kulhanek-WehlendMag. Friederike Zillner

Inhalt

3 Vorwort

5 Zuhören lernen

29 Sprechen – Reden – Präsentieren

47 Schwierigkeit von Texten und Leseaufgaben

61 Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz

88 Grundzüge einer kompetenzorientierten Schreibdidaktik

104 Der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein: Aspekte seiner Vermittlung

125 „Schaut im Internet nach!“

136 Anhang: Bildungsstandards für Deutsch 8. Schulstufe

Vorwort

Der nun vorliegende zweite Band des Praxishandbuchs für „Deutsch“ 5.–8. Schulstufe ent-hält sieben Texte zu den verschiedenen Kompetenzbereichen des Unterrichtsfachs Deutsch für die Sekundarstufe I (Zuhören und Sprechen, Schreiben, Lesen, Sprachbewusstsein) und ist als Ergänzung zum im November 2010 erschienenen ersten Band des Praxishandbuchs zu verstehen.

Die beiden Bände des Praxishandbuchs decken nicht nur sämtliche Kompetenzbereiche der Bildungsstandards für dieses Fach (5. bis 8. Schulstufe) ab, sondern beschäftigen sich zusätzlich mit verschiedenen Aspekten der Umsetzung von Bildungsaufgaben im Deutsch-unterricht.

Diese Handreichung soll einerseits den Lehrerinnen und Lehrern helfen, die Bildungsstandards unter Wahrung der Freiheit der Methodik in den Unterricht einzubauen, und andererseits zur fachdidaktischen und methodischen Auseinandersetzung mit der eigenen Unterrichtstätig-keit anregen. Aufgabenbeispiele werden hingegen auf der Website des BIFIE (https://www.bifie.at) zum freien Download zur Verfügung gestellt. Über aktuelle Entwicklungen und neue Publikationen informiert Sie auch unser Newsletter, den Sie kostenlos abonnieren können.

Zu den Beiträgen

Zuhören lernen als Metakompetenz ist nicht nur Grundlage für die Allgemeinbildung, son-dern auch für den Lernerfolg. Diese Kompetenz ist eng mit Sprechen – Reden – Präsen­tieren gekoppelt. Beide gemeinsam sind die Basis der sozialen Kommunikation, solcherart auch für den Kontext der Schule von großer Bedeutung und daher im Kompetenzmodell für die Bildungsstandards Deutsch detailliert abgebildet. Die vorliegenden Artikel bieten zahl-reiche Anregungen, wie diese Kompetenzbereiche reflektiert und mit den Schülerinnen und Schülern gezielt trainiert werden können.

Der Beitrag Schwierigkeit von Texten und Leseaufgaben beschäftigt sich mit der Analyse von Übungstexten bzw. dem Erstellen von Aufgaben im Hinblick auf die Binnendifferenzie-rung; der Artikel Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz liefert Bei-spiele zur erfolgreichen Leseerziehung.

Der Artikel Grundzüge einer kompetenzorientierten Schreibdidaktik nennt zehn Aspekte, die für einen erfolgreichen Schreibunterricht wesentlich sind, zeigt den schrittweisen Aufbau von Kompetenz anhand verschiedener Textsorten und bietet methodische Hilfe beim Über-arbeiten von Texten.

Dass der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein für den Erwerb und die Verwendung von Sprache von großer Bedeutung ist, wird im Kompetenzmodell Deutsch deutlich dargestellt – ebenso wie die Tatsache, dass es gerade in diesem Bereich zu einem Paradigmenwechsel in Bezug auf seine Vermittlung gekommen ist.

„Schaut im Internet nach!“ – dieser Beitrag beschäftigt sich mit Medienkompetenz, die strukturierte Aufbauarbeit, aber auch Reflexion erfordert und in Bezug auf Eigenverantwort-lichkeit große Anforderungen an Schüler/innen wie Lehrer/innen stellt.

Wir hoffen, dass wir in diesem Band für Sie nützliche und interessante Beiträge zusammen-gestellt haben, die Ihnen weitere Impulse für Ihren kompetenzorientierten Unterricht geben.

LSI Mag. Gabriele Friedl-LucyshynLeiterin des BIFIE Wien I Zentrum für Innovation & Qualitätsentwicklung

Zuhören lernen 5

Zuhören lernen

Zuhören ist eine Schlüsselqualifikation für Kommunikation und Verstehen, für Sprache und Lernen, für ästhetischen Genuss und Gesundheit – in Schule, Berufsleben, Freizeit und Familie. Wer dem Zuhören einen Wert gibt, ist auf dem Weg zur Achtsamkeit sich selbst und anderen gegenüber.

Bildungsstandards haben die Aufmerksamkeit auf eine Kompetenz gelenkt, die im (Deutsch-)Unterricht lange Zeit von den Kindern vorausgesetzt und erwartet wurde, die sich Kinder und Jugendliche bereits angeeignet haben und an der nicht weiter gearbeitet werden muss. Dass dies nicht der Wirklichkeit entspricht, belegen vielfache Erfahrungen von Lehre-rinnen und Lehrern aus der Praxis.

Mit ihrer klaren Definition der zu erwerbenden Kernkompetenzen im Bereich Zuhören in Ver-bindung mit dem Sprechen fokussieren die seit 2009 gesetzlich verankerten Bildungsstan-dards (D8 und D4) die unterrichtliche Arbeit der Lehrer/innen.

Im vorliegenden Text geht es um eine Auseinandersetzung mit diesem komplexen Kompe-tenzbereich, um eine Darlegung der didaktischen Erkenntnisse und um das Aufzeigen von Methoden und Möglichkeiten der Umsetzung im Unterricht.

Etliche Arbeitsvorschläge vertiefen und erweitern die vorliegenden Standards zum Kompe-tenzbereich Zuhören und Sprechen. Sie zeigen Möglichkeiten zur Umsetzung im Unterricht und sollen Lerner/innen auf ihrem Weg bei der Erreichung der Standards unterstützen.

1 Die Metakompetenz Zuhören

Hören und Zuhören sind Gegenstand vieler Wissenschaftsdisziplinen, wie z. B. der Biolo-gie und der Physiologie, der Psycholinguistik, der Sprach- und der Kommunikationswissen-schaft, der Musikwissenschaft, der Psychologie und der Pädagogik, aber auch der Medizin, der Soziologie, der Ethnologie, der Neurowissenschaften und auch der Religionswissen-schaft. Alle diese Bereiche befassen sich mit dem Hören und Zuhören aus ihren jeweiligen Blickwinkeln.

Die vielfältigen Überlappungen und Überschneidungen zeigen die Komplexität dieser Kom-petenz und damit auch die Schwierigkeit, die unterschiedlichen Teilfertigkeiten während des Zuhörprozesses zuverlässig und valide zu erfassen. Viele Aspekte der Hörwahrnehmung und der Hörverarbeitung sind noch ungeklärt, und auch das Lernen des Zuhörens und das Ler-nen über das Zuhören sind noch nicht weitgehend erforscht und beschrieben, betont die Zuhörforscherin Mechthild Hagen in ihrem Buch Förderung des Hörens und Zuhörens in der Schule (2006, S. 10).

Sicher aber ist: Die Zuhörfähigkeit ist eine Metakompetenz, deren Bedeutung seit einigen Jahren wieder erkannt wird. Und damit wächst die Erkenntnis, dass Zuhören in Kindergärten, in Schulen und auch in der Erwachsenenbildung eher gefördert als eingefordert werden sollte (vgl. Bernius, Kemper, Oehler et al., 2006, S. 9–10).

1.1 Der Zusammenhang zwischen Bildung und der Kompetenz Zuhören

Der Stellenwert des Hörens und Zuhörens spielt im Prozess der Individuation, dem Erwach-senwerden, eine wichtige Rolle. Zuhören öffnet das Tor zur Welt und bildet die Grundlage für die Allgemeinbildung – jene Ausgangsbasis, die notwendig ist, um anschlussfähiges Wissen und Kompetenzen zu erwerben. Zuhören und genaues Hinhören öffnen aber auch das Tor

Edith Erlacher- Zeitlinger

Komplexität der Kompetenz Zuhören

6 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

zum eigenen Ich und sind ein Schlüssel zur Bildung der eigenen Persönlichkeit. Aufgabe der Schule ist es, junge Menschen zu befähigen, mit sich selbst und den gesellschaftlichen Her-ausforderungen umgehen zu lernen.

In unserer Gesellschaft, die von Wissenskumulation und rascher Weiterentwicklung von Wis-sen geprägt ist, bedeutet das nach dem Psychologen Franz Weinert: Lernende müssen befähigt werden, Wissen reflektiert und bewertend auszuwählen, auf einen Kontext zu beziehen und für sich bedeutsam zu machen (vgl. Hagen, 2006, S. 13–14). Auf die Kompe-tenz Zuhören bezogen heißt das: Die Fähigkeiten zu differenzierter Wahrnehmung und zur Selektion sind wesentlich für unsere Gesellschaft, in der vielfältige Angebote des Hörens und Sehens um die Aufmerksamkeit des Einzelnen konkurrieren. Diese Darlegung ist bedeutsam, denn als eine Konsequenz daraus kann bewusstes Auswählen beim Hören als ein Merkmal von Bildung angesehen werden. Schule hätte demnach die Aufgabe, die Wahlmöglichkeit beim Hören – selektives Hören – und die Verantwortung für die eigene Entscheidung be-wusst zu machen.

1.2 Das Primat des Sehens

Das Hören und das Sehen sind in unserer Gesellschaft zwei ungleiche Geschwister. Unsere Welt ist geprägt von visueller Dominanz, alles ist ausgerichtet auf das Auge. Wir sind um-geben von medialen Bilderwelten, die auf uns eindringen, oft genug in aggressiver Weise.

Der Philosoph Wolfgang Welsch weist in seinem Aufsatz Auf dem Weg zu einer Kultur des Hörens? (Welsch, 2006, S. 31–47) darauf hin, dass unsere abendländische Kultur ursprüng-lich keine Kultur des Sehens, sondern eine des Hörens war. Erst am Beginn des vierten vorchristlichen Jahrhunderts – und hier vornehmlich in den Bereichen Philosophie, Wissen-schaft und Kunst – kommt es zu einer Wende. Die Augen werden laut Heraklit zu „genaueren Zeugen“ als die Ohren und nach Platon führt der Weg des Menschen aus der Dunkelheit der Höhle und der Schattenbilder zum Tageslicht, zur Sonne und somit durch die Wahrnehmung mit den Augen zum reinen Guten. Diese Auszeichnung des Sehens verstärkt die aristoteli-sche Metaphysik mit einem Lob auf das Sehen. Das visuelle Modell beginnt sich in Wissen-schaft und Kunst langsam durchzusetzen.

Für die meisten Menschen jedoch bleibt noch lange Zeit die Tradition der mündlichen Über-lieferung aufrecht. Eine wesentliche Ursache dafür ist die Religion, denn es ist die Stimme Gottes – und nicht das Bildnis –, die den Glauben vermittelt. Erst mit der Erfindung des Buchdrucks findet endgültig der Übergang von der oralen Tradition zur literalen Kultur statt.

Das Primat des Sehens zeigt sich jedoch nicht nur in der Betonung des visuellen Sinns durch die Jahrhunderte, es offenbart sich auch an anderen Unterschieden zwischen der Sehwelt und der Hörwelt. Das Sehen bezieht sich auf räumliche, das Hören auf zeitliche Phäno-mene. Sich umzusehen heißt, räumliche und körperliche Gegebenheiten wahrzunehmen, sich umzuhören heißt, Laute wahrzunehmen, die flüchtig und im nächsten Moment schon verschwunden sind. In unserer Sprache manifestiert sich dies z. B. in den Begriffen Augen-zeuge und Ohrenzeuge. Während wir Ersterem unbedingten Glauben schenken, weil das mit eigenen Augen Gesehene die Wahrheit scheinbar implizit in sich trägt, assoziieren wir mit dem Wort Ohrenzeuge den Nachgeschmack des Gerüchts, des (vielleicht unerlaubt) weiter-getragenen Wortes, das Skepsis und Zweifel in uns wach werden lässt.

die Bedeutung des selektiven Hörens

zur Geschichte des Hörens

Zuhören lernen 7

1.3 Geräuschkulissen und Klangtapeten

Die visuelle Dominanz zeigt sich nicht nur im medialen Überangebot, sie wird auch spürbar in der Verringerung der Aufmerksamkeit, die Kinder und Jugendliche dem Zuhören schen-ken. Studien über Mediennutzung bestätigen einerseits den hohen Anteil visueller Medien im Alltag von Heranwachsenden und sie belegen auch die zunehmende Unverbindlichkeit, die akustischen Medien zuteil wird. Das Radio, der CD-Player, der MP3-Player – sie werden zu einem nebenbei konsumierten Medium, das im Hintergrund wirkt, gleichsam als eine akustische Kulisse zu den gelebten Aktivitäten des Alltags. Der Musikpsychologe Klaus Ernst Behne nennt dies das „diffuse Hören“ – eine Art des Hörens, die seit den 1980er-Jahren stark zunimmt, während sich das konzentrierte Hören rückläufig entwickelt (Behne, 2006, S. 299).

Parallel dazu entstanden seit den 70er- und 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts auch die „Klangtapeten“ in Supermärkten, Einkaufszentren und Fußgängerzonen. Überall dort, wo wir mit Konsumwelten konfrontiert sind, ertönt Musik, um andere störende Umweltgeräusche zu übertönen, um eine erwünschte (Kauf-)Stimmung zu erzielen, um subtile Beeinflussungs-mechanismen in Gang zu setzen. Neben den medialen Geräuschkulissen gibt es auch eine Zunahme an störenden akustischen Umweltreizen durch die Technologisierung. Die Allge-genwart von Geräuschen und Tönen erzeugt eine Reizüberflutung, die zu einem inneren Ab-schalten führt, zu einem Weghören, Wolfgang Welsch spricht von einer „Anästhetisierung der Gesellschaft“ (Welsch in Hagen, 2006, S. 15), die schließlich in Empfindungslosigkeit und Abstumpfung mündet. Auch die Zuhörforscherin Margarete Imhof sieht das Problem da-rin, dass wir nicht lernen, genau hinzuhören, zwischen den einzelnen Geräuschen zu differen-zieren, sondern wegen des ständigen Lärms eher lernen müssen, Geräusche zu überhören bzw. wegzuhören (vgl. Bernius, Kemper, Oehler et al., 2007, S. 9). Diese Reizfülle kann bei Kindern und Jugendlichen zu einem vermehrten Auftreten von Konzentrations- und Aufmerk-samkeitsdefiziten und in der Folge zu gravierenden Leistungsstörungen führen.

Übungen zum Nachdenken über das Zuhören und zum differenzierenden Hören von Geräuschen

�� Nachdenken, was man gerne hört/nicht gerne hört und warum�� Unterschiedliche Geräusche hören und benennen (Tierlaute, Naturgeräusche,

technische Geräte u. v. a. m.) �� Ähnlich klingende Geräusche unterscheiden lernen �� Geräuschrätsel gestalten

Ein schönes Beispiel von Kindern für Kinder findet sich auf der Website der Stiftung Zuhören (http://www.zuhoeren.de/ [24.08.2011]).Kinder wählen mehrere unterschiedliche Geräusche aus dem Alltag (z. B. Schließen eines Reißverschlusses), nehmen sie auf Tonträger auf und formulieren dazu Lö-sungsangebote im Multiple-Choice-Verfahren.

Bei einer Aufgabe dieser Art werden soziale, kommunikative und vor allem Zuhör-kompetenzen geschult, u. a. Auswahl der Geräusche, Ausverhandeln in der Gruppe / Zuordnen von Distraktoren, präzises Sprechen des Textes usw.

Sehr unterstützend ist auch die fächerübergreifende Arbeit mit Musik (der Einsatz von Orff-Instrumenten, das Experimentieren mit Tönen und Klängen, das Herstellen von Instrumenten, die unterschiedlichste Soundkulissen erzeugen).

8 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Wichtig ist nicht nur das Erzeugen von Geräuschen, sondern das bewusste Wahr-nehmen des Wechsels von still und laut, das genaue Hinhören und gemeinsame Re-flektieren des Gehörten.

Didaktische Anweisungen:Im Deutschunterricht ist es notwendig, für die unterschiedlichen Geräusche Worte zu finden, den Klang beschreiben zu lernen, die Differenzen sprachlich auszudrücken und auf diese Weise den Wortschatz zu erweitern.

1.4 Zuhören braucht Zeit und Ruhe

Es gibt immer mehr Kinder und Jugendliche, die an einer Beeinträchtigung der Hörfähig-keit leiden. Auswirkungen einer reduzierten Hörfähigkeit sind vor allem Verzögerungen in der emotionalen, sprachlichen und kognitiven Entwicklung.

Wen wundert es da, wenn man im schulischen Umfeld häufiger der Klage „Kinder können nicht mehr zuhören“ begegnet. Aber: Können es die Erwachsenen, die Eltern, die Leh-rer/in nen? Im Rahmen des Hörprojekts GanzOhrSein, das in Deutschland/Bayern ab 2003 durchgeführt wurde, formulierten Kinder ebenfalls die Beschwerde, dass ihre Eltern und Leh-rer/innen nicht richtig zuhören (vgl. Hagen, 2006, S. 27). Eine Umfrage in Österreich würde vermutlich kein anderes Ergebnis bringen.

Einige Gründe dafür wurden bereits genannt: Die Dominanz des Visuellen, denn das Hören und Zuhören ist im Wettstreit der Sinne dem Sehen, dem Schauen zumeist unterlegen, und die Zunahme an akustischer Vermüllung, der wir selten entkommen können. Wer in den Medien am schrillsten nervt, erhält die meiste Aufmerksamkeit, wer mit leisen Tönen auf sich aufmerksam machen will, wird nicht beachtet, oft auch, weil er gar nicht mehr gehört wird. Weitere Gründe sind auch die Beschleunigung des Lebenstempos und die Zeitnot, in die wir dadurch geraten. Zuzuhören, zu horchen, zu lauschen, etwas oder jemandem Aufmerksam-keit zu schenken, braucht Zeit, Ruhe, die konzentrierte Hinwendung zum Gegenüber oder zu sich selbst, z. B. beim Hören von Musik.

1.5 Das Ohr ist ein Präzisionsinstrument

Das Ohr ist ein sehr archaisches Organ. Es ist das erste Organ, das sich im Mutterleib voll-ständig entwickelt, und es ist jenes Organ, das als letztes verlischt. Diese entwicklungs-geschichtliche Priorität ist der Grund dafür, dass psychische, aber auch entwicklungs­psychologische Störungen über das Ohr heilbar sind, es ist jedoch auch mit ein Grund, warum Wahrnehmungsstörungen von Kindern und Jugendlichen in der Schule sich deutlich in mangelnder Aufmerksamkeit und Konzentration, in der nicht vorhandenen Fähigkeit zuzu-hören, äußern.

In der Genauigkeit des Wahrnehmens ist das Ohr dem Auge weit überlegen. Das Auge kann Farbschattierungen nur ungefähr erkennen, das Ohr kann präzise Zahlenverhältnisse hören, z. B. in der Musik. Es ist nicht, wie der Blick, weitestgehend geradeaus gerichtet, sondern es kann rundum wahrnehmen. Über unsere Vertikalität und Lateralität orten wir exakt unsere Stellung im Raum. Das Ohr ist über den Gleichgewichtssinn auch für unser Körpergefühl mit-verantwortlich. Ein schlecht entwickeltes Körpergefühl wiederum ist sehr oft mit eine Ursache für ein Verhalten, das den schulischen Anforderungen zuwiderläuft.

I

Zuhören lernen 9

2 Die soziale Dimension des Zuhörens

Das Ohr ist ein soziales Organ – es ist mit unseren wesentlichsten sozialen Tätigkeiten, dem Hören und dem Sprechen, verbunden. Aus der Stimme eines Menschen, aus seiner Ton-höhe und seiner Modulation können wir alle Gefühlsebenen eines Menschen herauslesen – wir müssen ihn dazu nicht sehen können. Das gilt sehr oft auch über alle Sprachgrenzen hinweg.

Zuhören ist Teil einer kommunikativen Handlung, die erlebt und gelernt werden muss. Man kann davon ausgehen, dass die Erfahrung, wahrgenommen zu werden, weil ein anderer achtsam und anerkennend zuhört, sich auf die Entwicklung sozialer Kompetenzen auswirkt und zum Aufbau eines positiven Selbstkonzepts und zur Identitätsentwicklung beiträgt (vgl. Hagen, 2006, S. 18). Ebenso erlernt werden müssen sozialkommunikative Kompetenzen, wie z. B. Dialog- und Konfliktfähigkeit, Kooperationsbereitschaft und Teamfähigkeit.

2.1 Ein bewusster und reflektierter Umgang mit der Sprache

Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Klima und Lernleistung in Schulklassen sowie zwischen offenen schülerorientierten Unterrichts- und Lernmethoden. Die Grundlage dafür stellt das Zuhören dar. Je besser die sozial-kommunikativen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen ausgeprägt sind, desto besser sind die Lernergebnisse. Die Art und Weise, wie in der Schule miteinander gesprochen wird, beeinflusst die Bereitschaft, sich anzustrengen, oder verstärkt eben Ärger, Unlustgefühle und Aggressivität. Ein gutes Beispiel dafür sind Mediatorensysteme, die auf aktivem Zuhören und Verstehen als Mittel zur Schlichtung von Streitigkeiten aufbauen.

Literaturtipp

Binder, S., Hagen, M. & Kahlert, J. (Hrsg.) (2007). GanzOhrSein. Ein fächerübergrei-fendes Grundschulprojekt. Praxis Impulse. Braunschweig: Westermann.

In diesem Praxisband finden sich interessante Übungen zur Giraffensprache und zur Wolfssprache, spielerische Übungen zur bewussten Auseinandersetzung mit gewalt-freier Sprache für Schüler/innen der Volksschule und der 1. und 2. Klasse Sek. I.

Bewusst, reflektiert und einfühlsam soll auch die Sprachverwendung von Lehrpersonen bei der Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen sein. Eine verständnisfördernde Zu-höratmosphäre, in der es Raum und Zeit für Fragen und Nachfragen gibt, in der im Prozess des Lernens Fehler gemacht werden dürfen, in der Schüler/innen mit ihren Wünschen und Anliegen „gehört“ werden, erleichtert erfolgreiches Lernen.

Was einfach klingt, stellt sich in der Wirklichkeit oft schwierig dar. In den häufig von Stress und Druck geprägten Erziehungssituationen zeigt sich die verräterische Mehrdeutigkeit der deutschen Sprache. So schwingt in der Aufforderung „Hör(t) zu!“ eher der Auftrag des Gehorchenmüssens mit als ein volitionales Zuhörangebot. Und in der Formulierung „Das gehört sich nicht“ wird einmal mehr offenbar, wie sehr das Wort hören mit gehorchen und Gehorsam auf allen sprachlichen Ebenen (morphologisch und semantisch) verknüpft ist. In der Sensibilität im Umgang mit der Sprache und in der Aufmerksamkeit für den eigenen Sprachgebrauch zeigt sich die komplexe Verbindung zwischen Zuhören und Sprechen und zwischen Zuhören und sozialem Lernen.

über die Sprachverwen-dung von Lehrerinnen und Lehrern

10 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

2.2 Hören ist mehr als Zuhören. Es ist eine Haltung

Hören ist zunächst ein physiologisches Phänomen, das wir nicht erst zu lernen brauchen, sondern von Beginn unseres Seins an können (so nicht medizinische/physiologische Pro-bleme vorliegen). Zuhören jedoch ist nach Roland Barthes „ein psychologischer Akt“, eine Haltung, die er in drei differierenden Ausprägungen beschreibt (Barthes, 2006, S. 76):

Beim ersten Zuhören richtet das Lebewesen sein Hören (seine physiologische Hörfähigkeit) auf Indizien – z. B. das Aufhorchen bei Geräuschen. Diese erste Art des Hörens ist allen Lebewesen gemeinsam.

Das zweite Zuhören ist ein Entziffern – das, was gehört wurde, wird dekodiert, ins eigene Zeichensystem eingeordnet. Hier geschieht „Verstehen“ auf einer funktionalen Ebene. Diese Art des Hörens ist die in unserer Gesellschaft meist intendierte, sie ist auf ein Handeln hin ausgerichtet, auf die Umsetzung des Gehörten. Ausgangsbasis dafür ist zumeist nicht das Gespräch oder das, was wir idealiter darunter verstehen, sondern die Anordnung, die Auf-forderung, der Appell usw., das, worauf wir zu achten gewohnt sind, weil es ein Teil unseres Lebens ist.

Das dritte Zuhören geht weit darüber hinaus auf eine zutiefst menschliche, soziale, vielleicht sogar spirituelle Ebene. Es erfasst nicht das Was, das gesendet wird, nicht die klassifizier-baren Zeichen, sondern es erfasst die Sprecherin/den Sprecher, den Menschen, der spricht. Aus der Stimme eines Menschen, aus seiner Tonhöhe, aus seiner Modulation, aus dem, was mitschwingt, können wir alle unterschiedlichen Gefühlsebenen herauslesen. Dies gilt oft auch über Sprachgrenzen hinweg.

Auf dieser dritten Ebene wird der Akt des Sprechens und des Hörens noch durch den inter-subjektiven Raum erweitert, der zwischen Sprechenden und Hörenden entsteht. Hören führt somit zu einem Verstehen, das die grundsätzliche Anerkennung der/des Sprechenden mit einschließt. Hören und Sprechen sind nicht mehr getrennt voneinander stattfindende Aktio-nen, sie sind durch den kommunikativen Raum, der dabei entsteht, miteinander verbunden.

Diese dritte Art zu hören geschieht nicht von selbst. Nur in einer Kultur, in der diese Form des Hörens Wert hat, in der sie auch gelebt wird, wachsen Menschen heran, die diese Fähigkeit entwickeln, eine Fähigkeit, die sich aus vielen anderen Teilfähigkeiten wie Empathie, Aufmerk-samkeit und Wachsamkeit zusammensetzt, die alle notwendig sind, damit das Zuhören zu einer Haltung wird.

Übung zum Nachdenken über das Zuhören

Ein gut geeignetes Beispiel, um diese Dimension des Zuhörens zu demonstrieren, findet sich in der Hörspielproduktion von Michael Endes Momo: Ende, M. (2005). Momo. Hörspiel für Kinder. 3 Audio-CDs. Berlin: Der Audio Verlag.

Mögliche Fragen nach dem Hören des Textes:

�� Was bedeutet „Zuhören“?�� Wie merken die anderen Menschen, dass Momo diese Fähigkeit besitzt?�� Warum mögen sie es, wenn ihnen jemand zuhört?�� Was tut Momo, wenn sie zuhört?�� Was geschieht mit den Menschen, denen sie zuhört?�� Kannst du dir das erklären?

Zuhören lernen 11

Didaktische Anmerkung: Jede Schülerin/jeder Schüler sollte die Fragen zunächst für sich beantworten, erst dann kann in einer Gruppenarbeit (inhaltliches Abstimmen der Meinungen der Schüler/innen dazu) oder in einem Lehrer-Schüler-Gespräch gemeinsam gearbeitet werden.

3 Zuhören können als Grundlage des Lernerfolgs

Schüler/innen sowie Lehrer/innen müssen gut zuhören können, denn Zuhören ist nicht nur eine Voraussetzung für gelingende Kommunikation, sondern auch die Grundlage, um erfolg-reich lernen und lehren zu können. Lernen ist an den Austausch von Sprache gebunden, dies gilt für alle am Lernprozess Beteiligten.

3.1 Rahmenbedingungen für das Zuhören

Der sprachliche Verständigungsprozess als Grundlage von Unterricht ist besonders anfällig für Störungen. Die Ursachen dafür können vielfältig sein.

So wissen Lehrer/innen, dass die raumakustischen Bedingungen in vielen Schulen äußerst problematisch sind. Baumaterial, das Material der Innenausstattung, Raumgröße und -höhe – all das trägt zu positiven oder häufiger zu negativen akustischen Bedingungen und damit zu einer Erhöhung des Grundgeräuschpegels bei. Vor allem bei schüleraktiven, kom-munikationsgesteuerten Unterrichtsformen wirkt sich das störend aus. Es entsteht unnötiger Lärm, weil die Geräusche durch die Akustik des Raumes nicht ausreichend gedämpft werden und deshalb auch lauter gesprochen werden muss. Der Lärmpegel überschreitet dann nicht selten den Grenzwert von 50 dB(A) in Räumen, in denen überwiegend geistigen Tätigkeiten nachgegangen wird. Laut Mechthild Hagen hat das folgende Auswirkungen (vgl. Hagen, 2006, S. 25–27):

�� Das Zuhören wird in einer geräuschintensiven Umgebung anstrengender und ermüden-der, denn Lärm bindet kognitive Ressourcen. Die Verarbeitung akustischer und visuel-ler Information im phonologischen Arbeitsgedächtnis fällt schwerer und dies hat Auswir-kungen auf den Spracherwerb und den Schriftspracherwerb. Die Fehlerrate bei Kon zentra tions aufgaben nimmt zu, die Erinnerungsleistung, die Reaktionsfähigkeit und das Durch halte vermögen beim Lösen kognitiver Aufgaben nehmen ab.

�� Insgesamt wird der Wissenserwerb erschwert, denn Kinder neigen dazu, unter Lärm ihre Auf merk samkeit zu bündeln. Es entsteht der sogenannte „Tunnelblick“, d. h., Ler-ner/innen halten an erprobten Lösungswegen fest und sind weniger dazu bereit und mo-tiviert, neue Strategien auszuprobieren.

�� Kinder mit chronischen Hörschäden oder mit zentralauditiven Wahrnehmungsstörungen brauchen besonders gute raumakustische Bedingungen. Dies gilt auch für Kinder mit nichtdeutscher Erstsprache oder für Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen. Sie alle erreichen ihre Belastungsgrenzen bei schlechten Bedingungen noch rascher.

�� Lärm löst Stress aus, und dies wiederum kann einen Zustand der Hilflosigkeit entstehen lassen, der sich durch Passivität, Teilnahmslosigkeit und eine generell negative Erwar-tungshaltung gegenüber Veränderungsmöglichkeiten durch eigenes Handeln ausdrückt. Lärm kann Unlust, Ärger, Aggressivität und auch die Erhöhung der Bereitschaft zur Ge-walt verursachen und in hohem Maße die Leistungsmotivation der Kinder beeinflussen.

I

12 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

�� Auch die Lehrer/innen halten Lärm für ihren größten Belastungsfaktor. Er beeinträchtigt die kommunikative Situation in der Klasse, es wird in der Folge kürzer und monotoner gesprochen und weniger mitgeteilt.

�� Nicht zuletzt beeinflussen Stress und Ärger die Art, wie wir miteinander umgehen. Ein durchgehend zu hoher Lärmpegel hat negative Auswirkungen auf das soziale Klima und das Leistungs- und Wohlbefinden innerhalb einer Klasse, während ein angenehmer Wechsel zwischen Stille und Aktivität, laut und leise diese Faktoren positiv beeinflusst.

3.2 Zuhören ist keine Hilfsfunktion

Was muss eine Zuhörerin/ein Zuhörer tun, um zu verstehen, was sie/er hört? Welche psychi-schen Prozesse sind mit dem Zuhören verbunden? Kann man diese beeinflussen und wenn ja, wie? Kann man das Zuhören fördern?

Bislang wurde in den Lehrplänen für den muttersprachlichen Unterricht dem Zuhören wenig Raum gewidmet. Es wurde und wird schlichtweg vorausgesetzt, dass Schüler/innen über die erforderliche Zuhörkompetenz verfügen, um erfolgreich lernen zu können. Das Zuhö-ren ist eher eine „Bringschuld“ der Schüler/innen (Hagen, 2006, S. 23) und wird nur selten als eine pädagogische und didaktische Aufgabe begriffen. Ausnahmen sind z. B. die Lautanalyse in der Volksschule, das Hören im Musikunterricht oder das Hörverstehen im Fremdsprach(en) unterricht.

Meist kommt dem Hören der Stellenwert einer Hilfsfunktion im Deutschunterricht zu. Das kann man mit der Bedeutung des Mündlichen in der Schule vergleichen. Obwohl die Be-deutung der mündlichen Kommunikation seit den 1970er-Jahren Eingang in die Lehrpläne gefunden hat, herrscht in der täglichen Unterrichtspraxis dennoch die schriftliche Sprachver-wendung vor. Das hat vor allem mit der Flüchtigkeit der gesprochenen Sprache und der da-mit verbundenen Schwierigkeit des Bewertens und Beurteilens zu tun. Die schriftlich fixierte Sprache (Schriftsprache) bietet den Vorteil, Lernen und Leistungen jederzeit nachvollziehbar dokumentieren und in Noten festhalten zu können.

Das Hören ist noch dazu dem Sprechen nachgeordnet, ein sekundärer Bereich – noch schwieriger zu erfassen, zu beschreiben und didaktisch aufzubereiten. Es ist in der Unter-scheidung zwischen Produktion und Rezeption, wie das Lesen, vornehmlich Letzterem zu-geordnet, vornehmlich deshalb, weil, wie später noch ausgeführt wird, das Hören und auch das Lesen sowohl rezeptive als auch produktive Tätigkeiten sind.

Sind der Rezeptions- und der Verarbeitungsprozess beim Lesen mittlerweile bereits gut er-forscht und beschrieben, so steht die Forschung beim Hören erst am Anfang in der Veran-schaulichung des Prozesses mittels eines didaktischen Modells. Interessante Ansätze und Zugänge finden sich in den Arbeiten von Margarete Imhof, Mechthild Hagen und Michael Krelle (siehe Literaturverzeichnis).

Zuhören sollte nicht vorausgesetzt werden

Zuhören lernen 13

4 Zuhören lernen und lehren

4.1 Bildungsstandards beschreiben die Kompetenzen

In den folgenden Ausführungen beziehe ich mich auf die Überlegungen von Margarete Im-hof, dargelegt im Band Zuhörkompetenz in Unterricht und Schule (2010). Sie ist der festen Überzeugung, dass das Zuhören in der Schule gelernt und gelehrt werden muss, auch wenn gewisse Grundfertigkeiten im Verstehen gesprochener Sprache in der Primar- und in der Sekundarstufe vorausgesetzt werden dürfen. Denn die Fähigkeit, gesprochene Sprache, inhaltliche Aussagen (Was?) und formale Kriterien (Wie wird etwas gesagt und mit welcher Absicht?) zu verstehen, spielt in Unterrichtssituationen aller Niveaus eine wichtige Rolle (Im-hof, 2010, S. 16).

Die Bildungsstandards beschreiben, was Schüler/innen im Kompetenzbereich Zuhören und Sprechen können sollen. So wird z. B. im ersten Kompetenzfeld definiert, dass sie „[a]lters-gemäße mündliche Texte im direkten persönlichen Kontakt oder über Medien vermittelt ver-stehen“ können sollen. Das heißt, sie sollen in der Lage sein,

�� aus kooperativen Gruppen- und Partnerarbeiten�� aus Diskussionen�� aus dem Vortrag der Lehrerin/des Lehrers�� aus Präsentationen von Schülerinnen und Schülern�� aus Audiomedien

gezielt Informationen zu entnehmen und je nach Aufgabe auch weiterzuverarbeiten. Um das zu erlernen, brauchen sie die Möglichkeit, in verschiedenen Zuhörsituationen ihre Zuhör-kompetenz zu erlernen, zu üben und zu verbessern. Dabei sind die Anforderungen an die Zuhörenden hinsichtlich der Inhalte, Prozesse und Situationen analog zur Systematik des Leseverstehens. Die einzelnen Deskriptoren (Standards) im ersten Kompetenzfeld lauten:

Kompetenzbereich Zuhören und Sprechen

Altersgemäße mündliche Texte im direkten persönli-chen Kontakt oder über Medien ver-mittelt verstehen

1. Schüler/innen können das Hauptthema gesprochener Texte erkennen

2. Schüler/innen können die wesentlichen Informationen gesprochener Texte verstehen

3. Schüler/innen können die grundlegenden Informationen gesprochener Texte mündlich und schriftlich wiedergeben

4. Schüler/innen können die Redeabsicht gesprochener Texte erkennen

5. Schüler/innen können stimmliche (Lautstärke, Betonung, Pause, Sprechtempo, Stimmführung) und körpersprachliche (Mimik, Gestik) Mittel der Kommunikation erkennen

Dies am Ende der 8. Schulstufe zu können setzt voraus, dass Schüler/innen im Unterricht Gelegenheit hatten, sich in ihrem Zuhörverhalten adaptiv darauf einzustellen.

Sie müssen lernen, wie Zuhörende das Textverstehen flexibel auf Form und Inhalt der Text­arten anpassen können; z. B. unterscheiden können zwischen einem kontinuierlichen Text (Lehrervortrag, Referat) und einem nichtkontinuierlichen Text (Gespräch, Diskussion).

14 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Sie müssen lernen, wie sie unterschiedliche Anforderungen von Zuhöraufgaben erken­nen, beispielsweise:

�� Wann muss ich mich auf eine Informationsentnahme einstellen?�� Wann kann ich eher den ästhetischen Genuss in den Vordergrund stellen (Wirkung von

Reim und Rhythmus erleben)? �� Wann muss ich parallel zum Hören bereits Deutungsansätze entwickeln?�� Wann steht die Mitteilungsabsicht im Zentrum und wann soll ein Beeinflussungsversuch

erkannt werden?�� Wann geht es darum, Struktur, Logik und Emotion zu erkennen und zu analysieren?

Didaktische Anmerkung:Hilfreich ist es, wenn die Lehrperson:

� vor dem Hören klare Informationen zum Text gibt � Arbeitsaufträge präzise formuliert � Vorwissen der Lernenden aktiviert

Schüler/innen müssen lernen, wie die Beziehung zwischen Sprechender/Sprechendem und Hörender/Hörendem und die Intention beider das Verstehen und Gestalten ge­sprochener Sprache beeinflussen, beispielsweise,

�� ob Gesprächskonventionen bedient werden�� ob Information mit anderen auf gleicher oder unterschiedlicher Wissensebene ausge-

tauscht werden�� ob man sich selbst präsentieren möchte�� ob man der/dem Zuhörenden helfen möchte, bestimmt Inhalte zu erfassen.

Alle diese Nuancen der Differenz bewusst wahrzunehmen, zu benennen und darauf in Stim-me, (Körper-)Sprache, Tonfall, Prosodie und Haltung zu reagieren, ist ein komplexer Vorgang, der gelernt und geübt werden muss.

Literaturtipps

Hoppe, A. (Hrsg.) (2006). Wissen und Können. Standard Deutsch. 5./6. Schuljahr. Sprechen und Zuhören. Berlin: Cornelsen.

Hoppe, A. (Hrsg.) (2006). Wissen und Können. Standard Deutsch. 7./8. Schuljahr. Sprechen und Zuhören. Berlin: Cornelsen.

Hoppe, A. (Hrsg.) (2007). Wissen und Können. Standard Deutsch. 9./10. Schuljahr. Sprechen und Zuhören. Berlin: Cornelsen.

In diesen Arbeitsheften (jeweils mit einer Audio-CD) finden sich viele anregende Übun-gen, die gut im Unterricht einsetzbar sind. Die Zuhörenden werden mit unterschiedli-chen Textarten mittels Audio-CD konfrontiert, an die Aufgabenstellungen anschließen, die allein, in Partner- oder in Gruppenarbeit zu lösen sind.

In anderer Weise aufbereitet, aber ebenfalls ansprechend und interessant sind folgen-de Materialien (bestehend aus: informativem, kompaktem Booklet + CD mit vielen unterschiedlichen Hörbeispielen aus allen Textgattungen + CD-ROM mit Arbeitsblät-tern):

I

Zuhören lernen 15

Högemann, C. & Miedzybrocki, R. (Hrsg.) (2008). Hören – Zuhören – Verstehen 5/6. Ausgewählte Hörtexte zu den Unterrichtswerken Kombiniere Deutsch und Kombi-Buch Deutsch. Bamberg: Buchner.

Högemann, C. & Miedzybrocki, R. (Hrsg.) (2008). Hören – Zuhören – Verstehen 7/8. Ausgewählte Hörtexte zu den Unterrichtswerken Kombiniere Deutsch und Kombi-Buch Deutsch. Bamberg: Buchner.

Högemann, C. & Miedzybrocki, R. (Hrsg.) (2008). Hören – Zuhören – Verstehen 9/10. Ausgewählte Hörtexte zu den Unterrichtswerken Kombiniere Deutsch und Kombi-Buch Deutsch. Bamberg: Buchner.

4.2 Wissenserwerb durch Zuhörstrategien

Zuhören ist ein bewusster und komplexer Prozess, der unterschiedliche Stufen der Infor-mationsverarbeitung beinhaltet. Er beginnt immer mit der Absicht „Ich will (zuhören)“, führt über den Schritt der Informationsaufnahme und -auswahl zur Ankoppelung an das jeweilige Vorwissen, weiter zur kognitiven Verarbeitung der Sprache (Gliedern, Identifizieren, Sortie-ren, Zurechtlegen, Analysieren, Einordnen) bis zu den ersten Erklärungsmodellen. Die beiden letzten Schritte sind das Verstehen, Deuten, Interpretieren, Merken, das Schlüsseziehen und Bewerten des Gehörten.

Um Zuhörstrategien zu entwickeln, ist es notwendig, das eigene Zuhörverhalten zu reflek-tieren, den Schülerinnen und Schülern immer wieder Gelegenheit zu geben, sich selbst als bewusst Zuhörende/Zuhörenden zu erleben.

Impulsfragen zur bewussten Reflexion des eigenen Zuhörens

Fragen und Überlegungen, die als Impuls dienen können:

�� Wie höre ich zu? (Körperhaltung, Nähe – Distanz, Gesichtsmimik, Zeit, Geduld, Raum …)

�� Was kann ich tun, damit ich durch Zuhören besser lernen und wahrnehmen kann?�� Was will ich in der jeweiligen Situation wissen?�� Sich immer wieder vergewissern: Habe ich das Gehörte auch verstanden?�� Lernen, zwischen den Zeilen hören (Tonfall, Tempo, Pausen usw.)�� Am Schluss vergleichen: Was habe ich gehört – was hat die Sprecherin/der Spre-

cher gesagt?

Der Wissenserwerb wird auch unterstützt, wenn Lernende ihr Wissen nachfragenden Zu-hörenden darlegen. Im Prozess des Erzählens/Erklärens wird bei der sprechenden Person die Übersetzung der Information in die Sprache des Verstehens vollzogen, ein Begriff, den Martin Wagenschein geprägt hat, der betont: „Das wirkliche Verstehen bringt uns das Ge-spräch.“ (Wagenschein in Gallin & Ruf, 2010, S. 22) Der Unterricht muss also, so Gallin und Ruf, „Gelegenheiten für den Austausch der Lernenden untereinander schaffen“, er muss das gegenseitige Zuhören, das Mit- und Voneinander-Lernen ins Zentrum stellen und somit ge-währleisten, dass Informationen bewusst verarbeitet werden (ebd., S. 21).

Ausgangsvoraussetzung: das eigene Wollen

16 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

5 Kategorien für eine Hörerziehung im Unterricht

Um das Zuhören gezielt zu trainieren, ist es sinnvoll, unterschiedliche Kategorien des Hö­rens/Zuhörens zu unterscheiden:1

�� Zuhören als Aufmerksamkeitssteuerung: die Umwelt hörend wahrnehmen �� Zuhören und Hörverstehen als Basis des Lernens�� Hörästhetik – die imaginative Kraft des Hörens�� Interaktives Sprechen und Zuhören �� Zuhören als grundlegender Teil der kommunikativen Kompetenz

Diese Bereiche sind nicht getrennt voneinander zu lehren und zu lernen, sie greifen vielmehr ineinander. Der Arbeitsbereich Zuhören und Sprechen kann als Beispiel betrachtet werden, in dem ein aufbauender und nachhaltiger Kompetenzerwerb gut umgesetzt werden kann.

Der Weg des Kompetenzaufbaus beginnt mit sehr kleinen Einheiten, etwa bewusster Wahr­nehmung von Stille, und zielt darauf ab, die Hörerziehung konsequent zu einem Thema im Unterricht zu machen.

Übung zur Konzentration und zum Erleben von Stille nach Unterlagen von Volker Bernius, ausprobiert im Seminar in Klagenfurt, Frühjahr 2010

Ein Blatt Papier im Kreis möglichst geräuschlos weiterreichen

Die Klasse oder eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern bildet einen Kreis und ein Blatt Papier wird möglichst geräuschlos weitergereicht.

Didaktische Anmerkung:Mit dieser Übung entsteht eine sehr konzentrierte Aufmerksamkeit, die eine Klasse zur Ruhe bringt und für die weitere Arbeit vorbereitet.

Literaturtipp

Seyffert, S. (1998). Entspannte Kinder lernen besser. Vor dem Lernen erst den Streß beseitigen – Übungen, Geschichten, Tips. Freiburg im Breisgau: Herder.

Als Zielgruppe hat Sabine Seyffert zumeist jüngere Kinder im Blickpunkt. Viele der Übungen aus ihrem Buch lassen sich jedoch unproblematisch auch bei etwas älteren Schülerinnen und Schülern einsetzen.

5.1 Zuhören als Aufmerksamkeitssteuerung: die Umwelt hörend wahrnehmen

Zwei Gründe sollen hier angeführt werden, die dafür sprechen, die basale Auseinanderset-zung mit dem Zuhören in der Pflichtschulausbildung im Fach Deutsch und auch in anderen Fächern stärker zu berücksichtigen.

1 Die folgende Einteilung basiert auf den Grundlagen von Jutta Wermke (1995), Monika Leubolt (2006), Susanne Ulrich und Martin Hartung (2006) sowie Michael Krelle (2010).

I

Zuhören lernen 17

Der erste Grund wird in der Schlussaussage des Märchens Geräusch der Grille – Geräusch des Geldes von Frederik Hetmann gut ausgedrückt:

„Siehst du“, sagte der Indianer zu seinem Freund, „das Geräusch, das das 50-Cent-Stück gemacht hat, war nicht lauter als das der Grille, und doch hörten es viele der weißen Männer und drehten sich danach um, während das Geräusch der Grille niemand hörte außer mir. Der Grund dafür liegt nicht darin, dass das Gehör der Indianer besser ist. Der Grund liegt darin, dass wir alle stets das gut hören, worauf wir zu achten gewohnt sind.“ (Hetmann in Magele, 2008, S. 12)

Mit der Erziehung zur Achtsamkeit sich selbst und der Umwelt gegenüber verbunden ist der zweite Grund: die Schärfung der Konzentration. Vieles, was im Text bereits zur Sprache gekommen ist, findet sich in diesem Brennpunkt allen Lernens wieder.

Von Lehrenden wird die stets abnehmende Konzentrationsfähigkeit der Kinder und Jugendli-chen beklagt und ebenso rasch erfolgt die Benennung der Ursachen. Dabei wird oft überse-hen, dass es eine ganze Reihe von Übungen und Aufgabenstellungen aus den verschiedens-ten pädagogischen Bereichen gibt, die dazu beitragen können, Aufmerksamkeit zu fördern und Konzentration zu stärken. Als Beispiele mögen hier Übungen zum Erleben der Stille, Übungen aus den Bereichen der Theater- und Spielpädagogik, die das bewusste Wahrneh-men der Innen- und Außenwelt zum Ziel haben, angeführt werden. Wichtig ist es, diese Auf-gaben didaktisch und methodisch gut in den unterrichtlichen Kontext einzubetten und das Ziel konsequent zu verfolgen. Speziell im Deutschunterricht ist es sinnvoll, im Anschluss das Erlebte mündlich und/oder schriftlich zu kommunizieren und zu reflektieren.

Übung zur bewussteren Wahrnehmung von Geräuschen, Tönen, Stille

Ein Hör-Spaziergang durch das Schulhaus

Die Schüler/innen spazieren leise durch das Schulhaus (am besten zu zweit) und lauschen den Geräuschen, die in einem Schulhaus zu einer bestimmten Zeit zu hören sind. (Bei Geübteren ist auch ein Schließen der Augen zu empfehlen.)Dauer: ca. 5–15 min

Aufgaben nach dem Spaziergang:

�� Austausch zu zweit über die Erfahrungen (klare Fragestellungen formulieren).�� Zeichnen eines Klangplanes, einer Klanglandkarte: In eine Skizze des Schulhau-

ses bzw. des Stockwerkes, das sie durchwandert haben, tragen die Schüler/in-nen jene Geräusche ein, die sie gehört haben.

�� In 2er- oder 3er-Gruppen vergleichen sie ihre Eintragungen und erzählen sich ge-genseitig, wie sie die einzelnen Geräusche empfunden und wie sie sie benannt haben.

�� Zum Schluss sammeln die Schüler/innen die Beschreibungen der Geräusche im Plenum (Wortschatzerweiterung).

Variationen: Hör-Spaziergänge an anderen Orten sind möglich (z. B. der Bahnhof / der Marktplatz zu einer bestimmten Zeit / ein Park / Spaziergang durch einige Straßen der Stadt).

18 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Übung zur Reflexion des eigenen Medienverhaltens und der Geräuschkulisse unserer Umwelt

Hörprotokolle verfassen

Dieser Vorschlag ist eine Aufforderung an die Schüler/innen, einen Tag lang die eigenen Hörgewohnheiten zu beobachten und danach ein Hörprotokoll zu verfassen.

Zwei Varianten zur Durchführung:

Variante 1:

Die Schüler/innen notieren,�� wann sie im Laufe eines Tages auditive Medien (auch Musikkanäle im Fernsehen)

benutzen, �� um welche Arten von Medien es sich dabei handelt, �� ob sie die Musik bewusst oder im Hintergrund hören, �� um welche Musik es sich dabei handelt.

Variante 2:

Die Schüler/innen achten einen Tag lang darauf,�� welchen Geräuschen, welchem Lärm, �� welcher unfreiwilligen und freiwilligen Musikberieselung

sie an den verschiedensten Orten ausgesetzt sind.Sie notieren sich diese Beobachtungen in einer nach der Tageszeit strukturierten Tabelle.

Didaktische Anmerkungen:Für beide Varianten gilt:Es ist sinnvoll, die Protokolle in Gruppenarbeiten zu vergleichen und anschließende Schluss-folgerungen über das Medienverhalten von Jugendlichen bzw. über die Lärm-Geräusch-Ku-lisse im Umfeld zu ziehen.Gemeinsame Diskussionen, Verschriftlichungen der Erkenntnisse können am Ende der Übung stehen.

I

Zuhören lernen 19

5.2 Zuhören und Hörverstehen als Basis des Lernens

Dieser Kompetenzbereich deckt sich gänzlich mit den in den Bildungsstandards formulierten Unterrichtszielen. Zuhören kann man aber nicht nur einem medialen Hörtext, der sachliche In-formationen vermittelt, sondern auch dem Vortrag, ergänzenden Erklärungen einer Lehrerin/ei-nes Lehrers zu einem Problemfeld oder zusätzlichen Informationen zu Texten eines Lehrbuchs.

Die Übung „Was hast du gehört?“ macht deutlich, dass selektives Hören immer von der per-sönlichen Bedeutsamkeit, die wir dem Gehörten beimessen, ausgeht – auch wenn Lehrende meinen, die zentralen Aussagen eines Textes (das Wesentliche) sind evident und müssten von jeder Schülerin/jedem Schüler erkannt und verstanden worden sein.

Übung zum selektiven Hören

„Was hast du gehört?“

Als Textquelle dafür dienen können:

�� ein kurzer informativer Vortrag der Lehrerin/des Lehrers�� vorgelesene Informationen aus einem Sachbuch�� Radionachrichten (in Echtzeit oder aufgezeichnet) �� u. v. a. m.

Die Dauer der Übung richtet sich nach der Schulstufe – max. 10 Minuten.

Durchführung: Während des Zuhörens machen die Schüler/innen keine Notizen. Sie erhalten keine Vorinformationen zum Text.

�� Nach dem Ende des Vortrags/des Vorlesens stellt die Lehrperson die Frage „Was hast du gehört?“ und

�� jede Schülerin/jeder Schüler macht sich dazu individuell Notizen (Dauer: ca. 3–5 Minuten).

�� Im nächsten Schritt vergleichen die Kinder in 3er-Gruppen ihre Notizen.

Sie werden vermutlich die verblüffende Erfahrung machen, dass jede/jeder etwas an-deres gehört hat, dass aber durch das gemeinsame Zusammenfassen eine durchaus abgerundete Inhaltsangabe des Gehörten entsteht.

Was wir uns merken, ist sehr eng mit der persönlichen Bedeutsamkeit, die wir dem Gehör-ten (dem Gelesenen) geben, verbunden und bestätigt eindrucksvoll die These, dass Lernen erst dann wirksam wird, wenn der persönliche Bezug gegeben ist.

Ein zentrales Beispiel für systematischen Kompetenzaufbau für alle Bereiche des Deutschun-terrichts (Zuhören und Sprechen, Lesen, Schreiben, Sprachbewusstsein) und auch für das Lernen von Sachinhalten jedweder Art ist die Mitschrift. Die Erstellung einer solchen wird im Unterricht von den Lehrerinnen und Lehrern oft unhinterfragt erwartet, erweist sich aber für viele Schüler/innen als eine große Herausforderung.

In einer gelungenen Mitschrift, die auch als Lernunterlage für das eigenständige Weiterlernen und Vertiefen der Wissensinhalte verwendet werden kann, vereinen sich viele Aufgaben, die unterschiedliche (Teil-)Kompetenzen fördern und unterstützen.

20 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Sichtbarmachen der Anforderungskomplexität einer Mitschrift:

Teilkompetenzen aus allen Bereichen der Standards

Aufgaben

bewusste Konzentration gezieltes Zuhören und Merken von Wissensinhalten

Schreiben als Hilfsmittel einsetzen Notizen machen

Gespräche führen – auf inhaltliche Äußerungen partnergerecht eingehen und gegenseitig zuhören; Informationen aus unterschiedlichen Texten vergleichen; explizite Informationen ermitteln; Förderung des sozialen Lernens

Arbeit in der Gruppe: sich zu seinen eigenen Notizen äußern, erklären, mit den Notizen der anderen vergleichen, ergänzen

Sachverhalte und Inhalte nachvollziehbar, logisch richtig und zusammenhängend formulieren

Einzel- oder Gruppenarbeit:Verschriftlichen der überarbeiteten Notizen zu einem zusammenhängenden Text

Inhalte mündlich präsentieren Präsentation des Textes einzeln oder in der Gruppe

Ergänzend dazu ein Beispiel für ein strukturiertes Arbeitsblatt, das die oben erwähnten Arbeitsschritte (den Weg vom Zuhören zum schriftlich formulierten Erkennen der wesentlichs-ten Informationen) unterstützt und lenkt (vgl. Hoppe, 2007, S. 11):

Thema des Hörtextes (= globales Hörverstehen)

Individuelle Notizen: Was habe ich gehört?

Vergleich mit der Partnerin / dem Partner / der Gruppe

Erfassen der wesentlichsten Informationen

Vergleich der individuellen Notizen und gemeinsames Zusammenführen der wichtigsten Informationen

Gemeinsame Zusammenfassung/Erkenntnisse

Die nächste Übung kann gut zum Memorieren von Lerninhalten und Merksätzen ver-wendet werden. Sie fördert den Informationsverarbeitungsprozess und ermöglicht damit das Aneignen und das Bewerten und Reflektieren des Gehörten. So entstehen nicht nur kleine Inseln der Ruhe und der konzentrierten Aufmerksamkeit, sondern es entsteht auch das be-wusste Übersetzen des Gehörten in die eigene Sprache des Verstehens.

Zuhören lernen 21

Übung zum Nachdenken über bzw. Memorieren von Lerninhalten und Merksätzen

Das Gehörte bewusst verarbeiten

Partnerarbeit: Als Grundlage können freies Erzählen oder auch Texte, die einander vorgelesen werden, dienen.

Beispiele für Erzählimpulse:

�� Was ich gerne höre�� Meine erfolgreichste Strategie des Weghörens�� Eine Situation, in der ich gut zugehört habe

Durchführungsmodus:

Partnerin/Partner A erzählt – Partnerin/Partner B hört zu. Danach: Augen schließen und vor dem inneren Auge die Situation und das Gehörte und das Gesprochene ablaufen lassen.�� Was habe ich gesagt? �� Was habe ich gehört?

Wechsel der Gesprächspartner/innen und Wiederholung

5.3 Hörästhetik – die imaginative Kraft des Hörens

Alle Sinneswahrnehmungen sind nach Gottfried Baumgarten, dem Begründer der deutschen Ästhetik (1735), ästhetische Wahrnehmungen (vgl. Hagen, 2006, S. 78). Bereits damals er-kannte Baumgarten die heute neuropsychologisch bestätigte Erkenntnis der Untrennbar­keit emotionaler und kognitiver Prozesse. Das heißt, alles, was wir hören, sehen, fühlen, spüren, schmecken, löst in uns Eindrücke, Gefühle und Erkenntnisse aus. Diese Tatsache ist uns bekannt, findet aber im Unterricht und in der Planung von Lernprozessen noch immer zu wenig Widerhall.

Darüber hinaus betonte Baumgarten schon damals die Einsicht, dass Wahrnehmung so-wohl ein rezeptiver als auch ein produktiver Vorgang ist. Für den Unterricht bedeutet das: Wenn wir zuhören, sind wir nicht nur rezeptiv tätig, wir nehmen nicht nur etwas auf, sondern gleichzeitig sind wir auch produktiv. Während wir zuhören, gestalten wir innere Bilder, machen uns Vorstellungen, sind innerlich bewegt, erleben Gefühle, geben dem Erlebten eine subjek-tive Bedeutsamkeit und gestalten so aktiv unser Bild von der Welt. Dies geschieht vielfach unbewusst.

Von diesen Erkenntnissen ausgehend, bedeutet hörästhetische Erziehung:

�� die eigene Wahrnehmung als bedeutsam zu erleben �� lernen, den in uns entstehenden Bildern und Gefühlen zu vertrauen und innezuhalten �� mit uns selbst und mit unseren inneren leisen Tönen in Kontakt zu treten

Ist die Schule jener Ort, an dem Erfahrungen dieser Art gemacht werden sollen? Was können solche Erfahrungen zur Bildung beitragen?

22 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Mechthild Hagen führt in ihrer Analyse dazu aus, dass die hörästhetische Bildung einen Bei-trag zur Sensibilisierung der Kinder und Jugendlichen sowie zur Stärkung der inneren Betei-ligung, des Einfühlungsvermögens und der Bereitschaft zu mehr Offenheit und Aufmerksam-keit leisten kann. Sie meint:

Ästhetische Hörerfahrungen wirken sich aber nicht nur auf die individuelle Erlebnisfähig-keit aus, sondern auch auf die Gestaltung von Beziehungen. Sie sind eine Grundlage für soziales Verstehen und für intensive Begegnungen mit den Menschen und den Ereignis-sen der Umwelt. (Hagen, 2006, S. 81)

Die Bandbreite an Möglichkeiten von ästhetischen Hörerfahrungen im Deutschunterricht soll hier auf drei Bereiche fokussiert werden:

�� Geräusche und Töne als hörästhetische Wahrnehmungen�� Vorlesen�� Literarische Hörtexte

5.3.1 Geräusche und Töne als hörästhetische Wahrnehmungen

Eine Förderung der hörästhetischen Wahrnehmung mit interessanten Möglichkeiten ist mit Geräuschen, Lauten, Stimmen und Musik auf vielfältige Weise durchführbar.

Übungen zum Hören, die als Förderung der hörästhetischen Erziehung dienen

Auf der Website der Stiftung Zuhören (http://www.zuhoeren.de/home/hoer-und-le-seempfehlungen/hoerbeispiele/klaenge-toene-geraeusche.html [17.08.2011]) finden sich interessante Klänge, die ganz persönliche innere Bildkompositionen entstehen lassen.

Nach dem entspannten Hören können �� Bilder gezeichnet oder gemalt und als Gesprächsimpuls für individuelle Verste-

hens- und Deutungszugänge verwendet werden oder�� Schreibaufgaben gestellt werden, die freies, assoziatives Schreiben, am besten im

beurteilungsfreien Raum, zulassen.

Literaturtipp

Ein ansprechendes Beispiel für das Hören als ästhetische Wahrnehmung findet man bei Mechthild Hagen in der dem Band Förderung des Zuhörens in der Schule (Hagen, 2006) beigefügten CD: Hörbeispiel 3, beschrieben auf S. 76.

Das Beispiel macht deutlich, wie verschiedene Arten von Geräuschen (Vogelgezwit-scher, Wellenschlag, Meeresrauschen), Stimmen und Musik innere Bilder, Erinnerun-gen und Gefühle evozieren.

Zuhören lernen 23

5.3.2 Vorlesen

Ein bedeutsamer Teil der Kultur des Hörens und Zuhörens ist das Vorlesen. Es ist ein we-sentlicher Bestandteil der literarischen Sozialisation, dem in der Schule (auch in der Se-kundarstufe) ausreichend Raum gegeben werden sollte, vor allem auch deshalb, weil der Deutschunterricht für Schüler/innen aus bildungsfernen Kontexten sehr häufig die einzige Möglichkeit ist, literarische Erfahrungen zu machen.

Beim Hören entwickeln die Zuhörer/innen (wie beim Lesen) innere Vorstellungen und Bilder. Dies ist kein beliebiges Fantasieren, sondern ein „Entfalten“ dessen, was im Text angelegt ist (Köppert in Spinner, 2006, S. 8). Literarisches Lernen und differenziertes Textverstehen werden somit durch Zuhören gefördert und unterstützt.

Didaktische Anmerkung:Schüler/innen sollen sich Texte nur nach eingehender Vorbereitung gegenseitig vorlesen. Eine Hilfe für leseschwächere Schüler/innen ist es, vorher gemeinsam den Text durch Un-terstreichen von Schlüsselwörtern und durch genaues Eingehen auf Satzzeichen zu struk-turieren.

Literaturtipps

Gut durchdachte Beispiele für Vorleseübungen finden sich in den Bänden 5/6 und 7/8 der Reihe Wissen und Können (vgl. Literaturtipps in Abschnitt 4.1).

ide – informationen zur deutschdidaktik 1 (2008) In dieser Ausgabe der Zeitschrift zum Thema Kultur des Hörens begründet Gilda Pet-zold ausführlich und gut nachvollziehbar, warum das Vorlesen eine „mutige Art des Lehrens und Lernens“ darstellt.

Praxis Deutsch 199 (2006)Dieses lesenswerte Heft ist ausschließlich dem Vorlesen und Vortragen gewidmet.

5.3.3 Literarische Hörtexte

Hörbücher im Unterricht unterstützen das Lesen im Medienverbund und sind eine willkom-mene Abwechslung im Deutschunterricht. Der Einstieg in die eigene Lektüre wird vorbereitet, durch das Hörbuch wird eine bestimmte Atmosphäre für die Geschichte aufgebaut, die Stim-men und die Musik lassen in der Hörerin/im Hörer eine Erwartungshaltung entstehen, die das Textverstehen erleichtert.

Literaturtipps – Web­Adressen für Hörtexte

Der Hörbuchmarkt boomt und die vermutlich größte Herausforderung für Lehrer/in-nen ist es, ein für die jeweilige Klasse ansprechendes und geeignetes Hörbuch zu finden. Deshalb sollen hier einige Internetadressen vorgestellt werden, die Hör bücher gut kategorisieren (Alter, Thema, Textart u. v. a. m.), was die Suche erleichtert, und darüber hinaus diese so beschreiben, dass die Suchenden sich ein probates Bild von den jeweiligen Produkten machen können.

I

24 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

�� Auf der schon mehrmals erwähnten Website der Stiftung Zuhören findet sich im-mer eine CD des Monats (im Archiv sind alle bisherigen Vorstellungen aufgelistet).http://www.zuhoeren.de/home/hoer-und-leseempfehlungen/cd-des-monats.html [17.08.2011]

�� Auf der Website HörbuchMagazin.de, einem Hörbuchportal, findet man Hör-bücher übersichtlich nach Titel, Themen, Autorinnen/Autoren, Sprecherinnen/Sprechern und Verlagen kategorisiert und kurz vorgestellt. http://www.hoerothek.de/ [17.08.2011]

�� Die Website Ohrenspitzer… hört, hört! ist reich an Materialien zum Thema Hören und bietet neben gezielten Suchmöglichkeiten nach Texten (kategorisiert nach Thema, Zielgruppe und optionalem Suchbegriff) auch Hinweise auf Publikationen, Vorschläge zur Arbeit mit Geräuschen und vieles andere mehr. http://www.ohrenspitzer.de/ [17.08.2011]

�� Etwas mehr eigenen Spürsinn für eine gezielte Suche benötigt man bei der Web-site http://www.vorleser.net/ [17.08.2011]. Dafür gibt es unzählige gratis down-loadbare Texte und viele Hinweise und Vorschläge für Hörbücher.

�� aud!olino ist eine auch für Kinder gemachte (kommerzielle) Website, die gute Vor-schläge für jeweils monatliche Toptitel macht und immer wieder spezielle Texte vorschlägt und empfiehlt. http://www.audiolino.de [17.08.2011]

�� Interessante Vorschläge für außergewöhnliche Kinder- und Jugendliteraturhör-bücher finden sich auch auf der Website des Verlages Headroom – http://www.headroom.info/hoerbuecher/ [17.08. 2011] – und auf der Website der Hörcom-pany – http://www.hoercompany.de/ [17.08.2011].

Kriterien für die Auswahl von Hörtexten

�� Die TextartEs ist einfacher, einem längeren narrativen Text zu folgen (hier bringen die Kinder manch-mal eigene Erfahrungen mit, an die man anknüpfen kann) als einem kurzen, aber dicht gehaltenen, informativen Sachtext. Ein kurzer lyrischer, stark verdichteter Text kann wie-derum anspruchsvoller sein als eine Erzählung, ein Märchen oder ein abwechslungsreich aufbereiteter Sachtext.

�� Schwierigkeitsgrad von TextenBeim Zuhören spielen der Schwierigkeitsgrad bzw. die Komplexität von Texten für das Verstehen eine noch bedeutsamere Rolle als beim Lesen, da zielgerichtetes Zuhören eine höchst aufmerksame Konzentrations-, Merk- und Verständnisfähigkeit braucht. Die Verknüpfung und die Dichte von Information innerhalb eines Textes sowie der verwendete Wortschatz (Einsatz von Fremdwörtern und ihre etwaige Klärung) müssen in der Auswahl bedacht werden.

�� Die formale Gestaltung von TextenEin wichtiger Faktor bei medialen Texten ist auch die Art der Aufbereitung, z. B. �� Anzahl und Unterschiedlichkeit von Sprecherinnen und Sprechern (z. B. O-Töne,

Kinder stimmen)�� verschiedene Textarten, die ineinander verwoben werden (Interviews, Fragestellun-

gen, kurze Informationssequenzen, erzählende Textpassagen und Ähnliches)�� Gestaltung, Unterbrechung und Untermalung durch Musik�� Ein abwechslungsreich gestalteter, längerer Sachtext ist meist einfacher zu verstehen

als ein kurzer Text, der von einer Stimme gesprochen wird und nur eine durchgängige Textart aufweist.

Zuhören lernen 25

�� Lenkung der Schwierigkeit durch AufgabenstellungenDie Art der anschließenden Frage- und Aufgabenstellung erleichtert oder erschwert das Textverständnis und ist ein wichtiges methodisches Instrument zur inneren Differen-zierung.

5.4 Interaktives Sprechen und Zuhören – Zuhören als grundlegender Teil der kommunikativen Kompetenz

Im zweiten Kompetenzfeld des Kompetenzbereichs Zuhören und Sprechen werden folgende Deskriptoren aufgelistet:

Kompetenzbereich Zuhören und Sprechen

Gespräche führen

6. Schüler/innen können grundlegende Gesprächsregeln einhalten

7. Schüler/innen können in Gesprächen auf Äußerungen inhaltlich und partnergerecht eingehen

8. Schüler/innen können in standardisierten Kommunikations- situationen (Bitte, Beschwerde, Entschuldigung, Vorstellungs- gespräch, Diskussion) zielorientiert sprechen

9. Schüler/innen können die Sprechhaltungen Erzählen, Informieren, Argumentieren und Appellieren einsetzen

Diese Anforderungen am Ende der 8. Schulstufe erfüllen zu können setzt voraus, dass das Thema Kommunikation in allen Jahrgängen und wohl auch in allen Fächern eine Rolle spielt – und es macht deutlich, dass kognitiver Wissenserwerb dafür nicht ausreicht. Eine entsprechende Einstellung, Haltung, Intuition und Einfühlungsvermögen und nicht zuletzt ausreichende sprachliche Fähigkeiten sind die Voraussetzungen, um in standardisierten Kommunikationssituationen entsprechend reagieren und handeln zu können.

In der Übung zum aktiven Zuhören werden einige dieser Fähigkeiten geschult und geübt, deshalb soll sie den Bogen der Übungen zur Förderung der Kompetenz Zuhören beschließen.

Übung zum aktiven Zuhören

�� Arbeit in 3er-Gruppen; zwei Schüler/innen führen das Gespräch; eine Schülerin/ein Schüler achtet auf die Einhaltung der Regeln und auf die Dauer des Ge-sprächs; pro Gespräch ca. 5–6 Minuten (insgesamt ca. 17–18 Minuten Ge-sprächsdauer, anschließend Reflexion)

�� Das Setting soll so gewählt werden, dass die Schüler/innen sich gut in die Augen sehen können und keine Bank dazwischen ist.

�� Die Schüler/innen wählen ein Thema, das ihnen als Gesprächsimpuls dient. Bei dieser Übung ist ein Thema, das aufmerksames Zuhören erfordert, ein persönli-ches Problem anspricht und Interesse weckt, von Vorteil, beispielsweise:

� Darüber habe ich mich geärgert! � Das hat mich gekränkt! � Dieser Wunsch wurde mir erfüllt.

Ablauf eines aktiven Dialogs:1. Schülerin/Schüler A erzählt – Schülerin/Schüler B hört zu, darf nachfragen, Ver- stehen durch Kopfnicken signalisieren, aber nicht etwas Eigenes oder Ergänzen- des selbst erzählen. Es ist wichtig, dass auch auf die Stimme der/des Erzählenden,

26 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

auf den Tonfall, die Pausen während des Sprechens und auf die nonverbalen Eindrücke geachtet wird. 2. Schülerin/Schüler B fasst das Gehörte zusammen (paraphrasieren) und versucht auch auszudrücken, in welcher Stimmung sie/er die erzählende Person erlebt hat. Das „Spiegeln“ von Aussagen („Habe ich richtig verstanden, dass ...?“) hilft zu zeigen, dass die Aussage registriert wurde. Nachfragen, wenn etwas unklar geblieben ist, ist erwünscht.3. Schülerin/Schüler A ergänzt bzw. bestätigt das Gehörte und achtet darauf, dass sie/er auch gut verstanden worden ist.Danach erfolgt der Rollenwechsel. Zum Schluss sollte darüber nachgedacht werden, wie es den Beteiligten bei diesem ritualisierten Gespräch ergangen ist, wie sie es erlebt haben, was Schwierigkeiten gemacht hat usw.

Es ist nachvollziehbar, dass ein strikter Ablauf vom eigentlichen Erzählen ablenkt und beim ersten Ausprobieren als sehr seltsam erlebt wird. Dennoch ist es sinnvoll, diese Übung öfter zu wiederholen. Die Schüler/innen lernen:

�� den Fokus auf das Zuhören zu lenken, ohne Gehörtes sofort zu bewerten �� gezielt nachzufragen �� Paraphrasieren des Gehörten als eine Übung des Verstehens zu betrachten �� nonverbale Signale wahrzunehmen, zu beobachten und zu beachten�� Empathie zu zeigen, offen zu sein und die anderen anzunehmen, wie sie sind

Das „In-den-Blick-Nehmen“ der Kompetenz Zuhören im Deutschunterricht der Volksschule D4 und in der Sekundarstufe D8 ist ein erster Schritt, die Zuhörförderung im Unterricht zu verankern. Weitere Akzente müssen folgen, wenn wir wollen, dass diese basale Grundkom-petenz für das kognitive, ästhetische und soziale Lernen und für eine gelingende Kommu-nikation deutlicher ins Bewusstsein der Lehrenden rücken soll. Das beginnt bei der Verbes-serung des Hörklimas in Unterrichtsräumen und führt über eine gezielte Zuhörförderung im Unterricht in allen Fächern zu einer Sichtbarmachung der Thematik in Lehrplänen, Lehr- und Schulbüchern und nicht zuletzt in den Curricula der Fort- und Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern.

Zuhörförderung: Aufgabe aller Unterrichtsfächer

Zuhören lernen 27

6 Literatur

Barthes, R. (2006). Zuhören als Haltung. In Bernius, V., Kemper, P., Oehler, R. et al. (Hrsg.). Der Aufstand des Ohrs – die neue Lust am Hören. Reader Neues Funkkolleg. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S. 76–89.

Behne, K.-E. (2006). Wenn ich Musik höre … – Eine kleine Zuhörtypologie. In Bernius, V., Kemper, P., Oehler, R. et al. (Hrsg.). Der Aufstand des Ohrs – die neue Lust am Hören. Reader Neues Funkkolleg. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S. 298–303.

Berendt, J. E. (2005). Die Welt ist Klang. 20. Auflage. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Bernius, V., Kemper, P., Oehler, R. et al. (Hrsg.) (2006). Der Aufstand des Ohrs – die neue Lust am Hören. Reader Neues Funkkolleg. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Bernius, V., Kemper, P., Oehler, R. et al. (Hrsg.) (2007). Erlebnis Zuhören. Eine Schlüsselkom-petenz wiederentdecken. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Esterl, U. & Zeitlinger, E. (2008). Hören – eine Kultur? In ide – informationen zur deutsch-didaktik 1. S. 5–9.

Gallin, P. & Ruf, U. (2010). Von der Schüler- zur Fachsprache. In Fenkart, G., Lembens, A. & Erlacher-Zeitlinger, E. (Hrsg.). Sprache, Mathematik und Naturwissenschaften. ide-extra 16. Innsbruck: StudienVerlag. S. 21–26.

Hagen, M. (2006). Förderung des Hörens und Zuhörens in der Schule. Begründung, Entwick-lung und Evaluation eines Handlungsmodells. Edition Zuhören 6. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Hoppe, A. (Hrsg.) (2007). Wissen und Können. Standard Deutsch. 9./10. Schuljahr. Spre-chen und Zuhören. Berlin: Cornelsen.

Imhof, M. (2010). Zuhören lernen und lehren. Psychologische Grundlagen zur Beschreibung und Förderung von Zuhörkompetenzen in Schule und Unterricht. In Bernius, V. & Imhof, M. (Hrsg.). Zuhörkompetenz in Unterricht und Schule. Edition Zuhören 8. Göttingen: Vanden-hoeck & Ruprecht. S. 15–31.

Imhof, M. & Bernius, V. (2010). Zuhörkompetenz in Schule und Unterricht – Grundlagen und Erfahrungen. In Bernius, V. & Imhof, M. (Hrsg.). Zuhörkompetenz in Unterricht und Schule. Edition Zuhören 8. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S. 7–14.

Krelle, M. (2010). Zuhördidaktik. Anmerkungen zur Förderung rezeptiver Fähigkeiten des mündlichen Sprachgebrauchs im Deutschunterricht. In Bernius, V. & Imhof, M. (Hrsg.). Zu-hörkompetenz in Unterricht und Schule. Edition Zuhören 8. Göttingen: Vandenhoeck & Ru-precht. S. 31–51.

Leubolt, M. (2006). Schon gehört? Ziele und Möglichkeiten zur Hörerziehung im Unterricht. Diplomarbeit. Universität Wien. S. 74–150.

Magele, U. (2008). Indianer früher und heute. Arbeitsblätter. Wien: Dorner. Verfügbar unter http://www.dorner-verlag.at/downloads/indianer/indianer.pdf [08.09.2011].

Petzold, G. (2008). Abenteuer Vorlesen oder eine mutige Art des Lehrens und Lernens. In ide – informationen zur deutschdidaktik 1. S. 47–51.

28 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Ulrich, S. & Hartung, M. (Hrsg.) (2006). Besser zuhören. Übungen und Hintergrundwissen zur Förderung der Zuhörfähigkeit. München: Eigenverlag.

Spinner, K. (2006). Literarisches Lernen. In Praxis Deutsch 200. S. 6–16.

Welsch, W. (2006). Auf dem Weg zu einer Kultur des Hörens? In Bernius, V., Kemper, P. Oehler, R. et al. (Hrsg.). Der Aufstand des Ohrs – die neue Lust am Hören. Reader Neues Funkkolleg. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S. 29–48.

Wermke, J. (1995). Hören – Horchen – Lauschen. Zur Hörästhetik als Aufgabenbereich des Deutschunterrichts unter besonderer Beachtung der Umweltwahrnehmung. In Spinner, K. (Hrsg.). Imaginative und emotionale Lernprozesse im Deutschunterricht. Beiträge zur Ge-schichte des Deutschunterrichts 20. Frankfurt/M.: Peter Lang. S. 193–216.

Wermke, J. (1998). Hör-Ästhetik. Ein Beispiel integrierter Medienerziehung im Deutschunter-richt. In medien praktisch 1. S. 15–18.

Wermke, J. (2001). Zuhören als Gewaltprävention? Ein Beitrag ästhetischer Erziehung zur sozialen Kompetenz. In Wermke, J. (Hrsg.). Hören und Sehen. Beiträge zu Medien- und Ästhetischer Erziehung. München: kopaed. S. 41-58.

7 Websites

Das Hören – der Schall http://www.mediamanual.at/mediamanual/workshop/radiobox/hoeren.php [17.08.2011]

Mediaculture online: Hören (Textsammlung)http://www.mediacultureonline.de/Hoeren.122.0.html [08.09.2011]

Hörbuchbestenliste des Hessischen Rundfunkshttp://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=3728 [17.08.2011]

Hildegard Knill: Hören – Hinhören – Zuhörenhttp://www.rhetorik.ch/Hoeren/Hoeren.html [17.08.2011]

lyrikline.orghttp://lyrikline.org/ [17.08.2011]

BIFIE: Aufgabenbeispiele zum Thema Zuhören und Sprechenhttps://www.bifie.at/downloads?projekt[0]=51&schulfach[0]=80&&&dokumenttyp[0]=20&[12.10.2011]

Sprechen – Reden – Präsentieren 29

1 Mündlicher Sprachgebrauch

Wilhelm von Humboldts Feststellung, der Mensch lebe in der Sprache, erklärt wohl sehr prägnant das Wesen von Sprache und ihre Bedeutung für den Menschen. Sie subsumiert eine Vielzahl an Themen: Die Fähigkeit zur gelungenen Kommunikation als wesentlicher Bestandteil von Bildung gehört ebenso dazu wie die Diskussion über die Sprache von Medien und Politik. Wie das Lesen birgt der mündliche Sprachgebrauch insofern eine besondere politische und gesellschaftliche Relevanz in sich, als die Teilnahme am öffentlichen Leben existenziell an das Wort gebunden ist. Kompetente Mündlichkeit ist Voraussetzung für politische Mündigkeit und somit Voraussetzung für die Teilnahme am politischen Gesche-hen in einer demokratischen Gesellschaft. Aussagen über das enge Verhältnis von Sprache und Macht, über die Macht der Sprache belegen diese These.

In der Schule, im konkreten unterrichtlichen Tun allerdings scheint Sprache nur im Fremd-sprachenunterricht als bedeutendes, eigenständiges Feld wahrgenommen zu werden. „Kommunikation“(stheorie) und „Referate“ fällt Schülerinnen und Schülern vielfach und bes-tenfalls als Antwort auf die Frage ein, was es mit dem „Sprechen“ im Deutschunterricht auf sich habe. (Die noch weniger erfreuliche Option wäre: „Darf man nicht.“) Deshalb bedarf kompetenzorientierter Sprechunterricht in erster Line der Bewusstseinsbildung bei Lehre-rinnen und Lehrern, aber auch bei Schülerinnen und Schülern. Es mag Zufall sein, dass das besondere Eingehen auf einen steigenden Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migra-tionshintergrund bzw. mit Deutsch als Zweit- oder auch als Drittsprache und das verstärk-te Augenmerk auf den mündlichen Sprachgebrauch im Deutschunterricht parallel verlau-fen. Eine positive Herausforderung, den Fokus des Deutschunterrichts auf den münd lichen Sprachgebrauch zu lenken, ist es allemal, und sie wird unterstrichen durch die Formulierung eigener konkreter Bildungsstandards im Kompetenzbereich Zuhören und Sprechen.

Wie sehr Sprache ein Phänomen öffentlichen Interesses und wie breit ihr Wirkungshorizont ist, kann man anhand der Kapitelüberschriften eines Berichts des Goethe-Instituts, der die Ergebnisse eines zweijährigen Projekts mit dem Thema Die Macht der Sprache1 zusammen-fasst, erahnen. Von „Grenzen“ ist hier die Rede, vom Zusammenhang zwischen „Sprache und Identität“, von „Mehrsprachigkeit“ natürlich, von „Kommunikation und Dominanz“, von „Sprache und europäischer Integration“, von „richtig gutem Deutsch“ ebenso wie davon, dass „Gerechtigkeit auch zu hören“ sei. „Sprachermunterung“ wäre wohl auch ein passen-des Motto für die Schule, der die Aufgabe zukommt, gerade in diesem Bereich einen wesent-lichen Beitrag auf dem Weg zur Chancengleichheit zu leisten.

1.1 Zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit

Nicht alles, was mündlich übermittelt wird, nicht jeder über das Ohr aufgenommene Text zählt zur Kategorie Mündlichkeit. Wovon also reden wir?

Ulf Abraham (2008, S. 13–19) spricht von „konzeptioneller Mündlichkeit“ und meint damit Texte, die in der und für die Mündlichkeit gedacht und gemacht werden; Texte, die entste-hen, wenn mindestens zwei Gesprächspartner/innen vorhanden sind, in einer bestimmten örtlichen Bindung und spontan (am Küchentisch, im Klassenzimmer usw.).

Als Merkmale von Mündlichkeit führt er weiters an:

�� Mündlichkeit reiht Informationen grundsätzlich aneinander („Und-dann-Sätze“ von Kin-dern bis zur 6. Schulstufe).

1 Die Dokumentation des Projekts „Die Macht der Sprache“ ist verfügbar unter http://www.die-macht-der-sprache.de [24.08.2011].

Sprechen – Reden – Präsentieren

Friederike Zillner

politische Relevanz der Sprache

Interesse am Kompetenz-bereich Sprechen

Sprachermunterung als Ansatz für die Schule

Sprache der Nähe

30 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

�� Nonverbale und paraverbale Signale (= individuelles Sprechverhalten) unterstützen die inhaltliche Aussage.

�� Sprecher/innen sehen sich weniger als Schreiber/innen gezwungen, originell oder kreativ zu sein. Sie halten sich eher an bekannte Formulierungsmuster.

�� Objektivität ist der Mündlichkeit eigentlich fremd. Das Sprechen zwingt uns nicht zu Lo-gik. Gespräche entwickeln sich oft in überraschender Weise, Sprunghaftigkeit wird einer Sprecherin/einem Sprecher eher nachgesehen als einer Autorin/einem Autor.

�� Mündlichkeit hat – im Gegensatz zur Schriftlichkeit – etwas mit Nähe zu tun. Die Kommuni-kations bedingungen sind häufig gekennzeichnet durch Faktoren wie Vertrautheit, Face-to-Face-Interaktion, Spontaneität, freie Themenentwicklung und Affektivität. Die Konse-quenz dieser Nähe bedeutet in der Versprachlichung gegenüber schriftlichen Aus drucks formen geringere Komplexität, weniger Planung, geringere Informationsdichte, aber größere Vorläufigkeit und Prozessorientiertheit.

Eine Zuordnung schriftlich/mündlich ist mitunter nicht einfach – insbesondere im Zusammen-hang mit digitalen Medien. Ein Telefongespräch wird der Mündlichkeit zugerechnet, während sich die Festlegung von E-Mails und SMS in diesem konzeptuellen Sinn schon als kaum machbar erweist.

1.2 Der Kompetenzbereich Sprechen im Lehrplan der Sekundarstufe I

Der Lehrplan der Sekundarstufe I verweist im Bildungsbereich Sprache und Kommunikation auf den engen Zusammenhang von Sprachkompetenz mit kognitiven, emotionalen, sozialen und kreativen Kapazitäten, die es in allen Unterrichtsgegenständen zu erweitern gelte.

Trotz der Betonung im Lehrplan der österreichischen Schule scheint die außerordentliche Relevanz der Mündlichkeit im tatsächlichen Unterrichtsgeschehen nicht mit jener von Lesen und Schreiben vergleichbar zu sein. Ein Blick in die Forschungslandschaft zeigt das Miss-verhältnis zwischen wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich der Lese- und Schreibdidaktik einerseits und einer Didaktik des mündlichen Sprachgebrauchs andererseits.

Hinsichtlich der didaktischen Grundsätze formuliert der Lehrplan:

Sprechen verlangt von den Schülerinnen und Schülern, sich in zunehmendem Maß auf die jeweilige Sprechsituation einzustellen und dabei auch unterschiedliche Leistungen von Standardsprache und Herkunftssprachen zu erfahren. In geeigneten Gesprächs- [...] und Redeformen [...] sollen die Schülerinnen und Schüler die Wirkungsweise verschiedener verbaler und nonverbaler Ausdrucksmittel erleben. Hilfen zum verständlichen Sprechen sollen angeboten werden. Auf individuelle Sprachhemmungen ist Bedacht zu nehmen, auf die Stärkung des Selbstwertgefühls der Schülerinnen und Schüler ist zu achten. Ein-fache Methoden der Beobachtung und Aufzeichnung sollen helfen, das Gesprächsver-halten zu beschreiben und damit bewusst zu machen. Gelegenheiten zum Sprechhan-deln, auch in realen Situationen, sind so oft wie möglich zu nützen. (BMUKK, 2008, S. 2)

1.3 Der Kompetenzbereich Sprechen in den Bildungsstandards D8

Spätestens die gesetzliche Verankerung der Bildungsstandards als Konkretisierung des Lehrplans, die Entwicklung von Kompetenzmodellen und die besondere Forderung nach kompetenzorientiertem, nachhaltigem Unterricht hatten als logische Konsequenz die For-mulierung von Kompetenzen auch in Bezug auf den mündlichen Sprachgebrauch zur Folge.

Schriftlichkeit/Mündlich-keit und digitale Medien

Sprechen im Unterricht

Sprechen – Reden – Präsentieren 31

Ausgehend von der Frage, was Schüler/innen denn können, wenn sie sprechen können, beschreiben die Bildungsstandards Deutsch nun im Bereich Zuhören und Sprechen Kompe-tenzen des mündlichen Sprachgebrauchs.

Aspekte der Mündlichkeit, um die es – wohl nicht nur – im schulischen Kontext geht, sind:

�� Kompetenzen, in denen sprachliche und sozial-kommunikative Fähigkeiten einander ergänzen (Erzählen, Informieren, Appellieren)

�� Varietäten des Deutschen betreffende Aspekte („innere Mehrsprachigkeit“2, Dialekt)�� Gespräche führen als Bereitschaft und Fähigkeit zu verbaler Interaktion und das Aushan-

deln von Sinn (z. B. im Literaturunterricht, in der Beschäftigung mit dem Medium Film) bzw. zur Argumentation (Diskussion)

�� Beherrschung der Arbeitstechniken zur Gestaltung und Durchführung von Referaten, I nterviews und Präsentationen (vgl. Abraham, 2008, S. 8)

Im Wissen um ihre Wechselwirkung formulieren die Bildungsstandards Deutsch für den Kompetenzbereich Zuhören und Sprechen: „Durch Zuhören gesprochene Texte (auch me-dial vermittelt) verstehen, an private und öffentliche Kommunikationssituationen angepasste Gespräche führen und mündliche Präsentationen durchführen.“ (Anlage zur Verordnung, 2009, S. 7)

Die Standards (Deskriptoren) legen den Schwerpunkt auf die Bereiche:

�� an Gesprächen teilnehmen�� partnergerechtes Eingehen auf Äußerungen�� zielorientiertes Sprechen in standardisierten Kommunikationssituationen�� Einsetzen von Sprechhaltungen�� artikuliertes Sprechen�� Benutzen der Standardsprache�� Anwenden von paraverbalen und nonverbalen Mitteln der Kommunikation�� sach- und adressatengerechtes Vortragen in freier Rede�� Nutzung von Medien zur Präsentation

Sprechen, Reden und Präsentieren in einem kompetenzorientierten Unterricht heißt, der Sprache im Unterricht ihren Eigen-Sinn (zurückzu)geben, heißt, erzählendes, informierendes und argumentierendes Sprechen selbst zum Thema zu machen, den mündlichen Sprach-gebrauch bewusst zu reflektieren, nicht nur im Zusammenhang mit oder eventuell im Zuge einer Kriterienerstellung für ein Referat. Es bedeutet auch, die spezifischen Leistungen des Sprechens deutlich zu machen.

Als Kompetenzen im Bereich Sprechen ergeben sich demnach:

�� Informationskompetenz: anderen berichten, erklären, zusammenfassen können, was man weiß, erfahren oder herausgefunden hat

�� Erzählkompetenz: Selbsterlebtes und Erfundenes nachvollziehbar und adressaten-bezogen erzählen können

�� Gesprächskompetenz: sich an Gesprächen produktiv beteiligen, Gesprächsregeln anwenden können, in standardisierten Kommunikationssituationen (Bitte, Beschwerde, Entschuldigung, Fragen, Vorstellungsgespräch) zielorientiert sprechen können, sich Kom- munikationssituationen anpassen können

�� Redekompetenz: vor Zuhörerinnen und Zuhörern ein Statement abgeben, die eigene Meinung sagen, adressatengerecht ein Referat halten können

2 Unter „innere Mehrsprachigkeit“ versteht man die Fähigkeit zur Nutzung sprachlicher Varietäten, z. B. Umgangs-sprache – Standardsprache. Als weiterführende Literatur zu empfehlen: Klotz & Sieber, 2000.

konkrete Elemente der Mündlichkeit in den Bildungsstandards D8

sprachliche und kommuni kative Fähig-keiten ergänzen einander

32 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

�� Präsentationskompetenz: eigene oder fremde Texte bzw. Inhalte vortragen und präsen-tieren können, auch mit medialer Unterstützung

�� Sprachgebrauchskompetenz: artikuliert sprechen und die Standardsprache benutzen können, nonverbale und paraverbale Mittel angemessen einsetzen können

2 Miteinander sprechen

2.1 Sprechdenken

Unterrichten ist reden, ist Gespräche führen, ist reden zu und mit Schülerinnen und Schü-lern. Im Unterricht wird geredet. Es wird erzählt, gefragt, geantwortet, diskutiert, Aufträge werden formuliert, Argumente eingebracht. Das bedeutet bislang allerdings noch nicht, dass im Unterricht auch Kompetenzen in Bezug auf das Sprechen entwickelt werden. Weil das so selbstverständlich ist, passiert es scheinbar ganz einfach, auch im Klassenzimmer. Wir (Lehrer/innen) reden dauernd, selten unterbrochen, oft unreflektiert.

Der Begriff Sprechdenken versucht demgegenüber, den Akt des Sprechens und seine Ent-stehung zu beschreiben:

Was im Kopf nebeneinander existiert, bringen wir beim Sprechdenken in einen chronolo-gischen Ablauf. Denken und Sprechen jedoch passieren gleichzeitig, nicht nacheinander. Klarheit des Gedachten wird im Sprechen manifest, und umgekehrt beeinflusst Sprechen das Denken. Parallel dazu werden Sätze gebildet und Gedanken in grammatische Strukturen gebracht. Das geht sehr schnell, wenn sie keiner bewussten Ausformung bedürfen, weil sie standardisiert sind (z. B. „Wie geht es Ihnen?“, „Guten Morgen!“). Alles andere will geplant sein. Fortlaufend entwickeln wir weitgehend geplante Sätze, wenn wir vorher schon wissen, was wir sagen wollen.

Es handelt sich meist um einfache Sätze mit einem Sinnkern. Ist nur das Thema da, der Sinn-kern lediglich vage vorhanden, erfolgt die Planung phasenweise. Wir planen den Satz erst zu Ende, wenn der Beginn schon ausgesprochen ist, der Satz wird tendenziell komplexer. Die Folge für den Sprechunterricht: Wenn Schüler/innen üben und lernen, frei zu sprechen, sei ihnen geraten, fortlaufend und in kurzen Schritten zu sprechen (Referat, Präsentation).

2.2 Gesprächserziehung: Situation und Funktion

Miteinander reden ist mehr als die Weitergabe von Information. Miteinander reden heißt, sich verständigen zu können, sich verständlich machen zu können und auf Resonanz zu stoßen. Es ist etwas zutiefst Menschliches, andere durch sprachliches Handeln Anteil nehmen zu las-sen. Es geht mehr um das Herstellen von Beziehungen als um Informationsaustausch. Die schiere Unmöglichkeit, bei der Sache zu bleiben, erschwert einerseits manche Gesprächs-situationen, andererseits ergibt sich daraus auch die Chance, Gespräche mit Einfühlsamkeit in eine positive Richtung zu lenken oder überhaupt erst zu ermöglichen.

Der Mensch bedient sich dazu sprachlicher (verbaler) und nichtsprachlicher (nonverbaler, paraverbaler) Mittel. Als paraverbal bezeichnet man Stimmhöhe, Lautstärke, Akzent und Tonfall. Mimik, Gestik und Augenkontakt sind ebenso Signale des nonverbalen Spektrums wie Handlungen, die den Sprechakt begleiten (die Hand schütteln, eine Blume überreichen usw.).

Kompetenzorientiertes Unterrichten im Sinne eines reflexiven Sprachgebrauchs kann nur auf Basis eines bewussten Umgangs mit Sprache geschehen. Adressaten- und Partnerorien-

Sprechen und Denken

Sprechen ist Beziehungsarbeit

Sprechen – Reden – Präsentieren 33

tiertheit wurzeln im Wissen um Vorgänge, die sich während des Sprechens im Kopf abspielen (Sprechdenken), besonders jedoch auch im Wissen um die Gesetztheit von Gesprächen, also um Gesprächsarten. So unterscheidet man zuerst nach den Großkategorien natürlich/fiktional bzw. spontan/arrangiert. Eine andere Einteilung ergibt sich aus den Komponenten Situation und Funktion:

Miteinander-reden-Können heißt im kompetenzorientierten Unterricht für Schüler/innen

�� das ausdrücken können, was sie zu sagen haben,�� sich auf Gesprächspartner/innen einstellen können,�� die Situation einschätzen und berücksichtigen können,�� zuhören können.

2.3 Gesprächserziehung im Unterricht

Die Bildungsstandards für den Bereich Sprechen bedeuten keineswegs die Formulierung von zusätzlichen Kompetenzen, derer sich das Unterrichtsgeschehen nun auch vermehrt widmen muss. Abgesehen vom Bildungsauftrag des Lehrplans geschieht Gesprächserziehung im Unterricht ohnehin dauernd: implizit, explizit und auf metakommunikativer Ebene (vgl. Linke & Sitta, 1987, S. 21). Ihre ausgewiesene Bedeutung für die politische Bildung ist ebenso zu unterstreichen wie jene für die Persönlichkeitsbildung der Schüler/innen.

Dass wir Gesprächserziehung in der Schule und im Unterricht vielfach nicht als eigenständi-ges Lernziel wahrnehmen, hängt auch damit zusammen, dass Schüler/innen ohnedies mit-einander (verbal) kommunizieren können, ohne dies explizit lernen zu müssen. Reden lernen geschieht im Tun. Jeder Mensch hat auf Grund seiner Gesprächserfahrung eine Anzahl von Strategien zur Verfügung, die es ihm ermöglichen, in verschiedenen Gesprächssituationen zu bestehen. Das Miteinander-reden-Lernen geschieht in erster Linie außerhalb der Schule.

Entsprechend dem im Lehrplan formulierten Bildungsauftrag muss Unterricht, speziell der Deutschunterricht, die Sprachkompetenz erweitern, um Schüler/innen zu befähigen, ihre kognitiven, emotionalen und sozialen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Vermutlich stärker als sonst in der Schule ist die Lehrerin/der Lehrer selbst gefordert, durch den eigenen, angemessenen Sprachgebrauch vorbildhaft, sozusagen als „Anhörungsobjekt“ zu wirken. Sprachlernen ist Erfahrungslernen.

Gesprächserziehung in der Schule erfolgt implizit basierend auf

�� einem Gesprächsklima, das geprägt ist von Achtung und Respekt zwischen Lernenden und Lehrenden,

�� Mitsprachemöglichkeiten von Schülerinnen und Schülern auf Schul- und Klassenebene,�� Berücksichtigung der individuellen Spracherfahrung und des individuellen Sprachvermö-

gens sowie�� einem Unterricht, der eine Vielzahl von Kommunikationssituationen nutzt und schafft, um

Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Spracherfahrungen zuteilwerden zu lassen.

Gesprächserziehung in der Schule geschieht explizit durch die analytische Beschäftigung mit Gesprächen anderer, z. B. im Literaturunterricht.

Gesprächserziehung in der Schule erfolgt metakommunikativ durch die Analyse des eige-nen Gesprächsverhaltens.

Gesprächserziehung in der Schule geschieht in unterschiedlichen Formen

34 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Gesprächserziehung in der Schule findet auch durch (inszenierte) Situationen und spe­zielle Übungen statt, in denen Schüler/innen ein bestimmtes Gesprächsverhalten erproben und Gesprächstechniken kennen lernen können (Nachfrage, Meinungsäußerung, Argumen-tation, Rollenspiel, kontrollierte Dialoge usw.).

In Form kompetenzorientierter Ziele formuliert, bedeutet das nach Abraham (2008, S. 138):

Die Schüler/innen verstehen,

�� dass die Einhaltung von Gesprächsregeln wichtig ist,�� dass Gespräche eine räumliche Organisation brauchen,�� welche sprachlichen Mittel zur Gestaltung des Ablaufs günstig sind,�� warum Gespräche manchmal schwierig verlaufen.

Die Schüler/innen erleben,

�� dass sie in Gesprächen ernst genommen werden,�� dass sie mit ihren Äußerungen Wirkungen erzielen,�� dass man Interessantes erfährt, wenn man zuhört,�� wie man mit anderen gemeinsam etwas organisiert.

Die Schüler/innen erproben

�� Gesprächsregeln,�� das Eingehen auf Gesprächspartner/innen und das Annehmen von Kritik,�� das Zuhören und Sichbeziehen auf bereits Gesagtes,�� das Begründen eigener Meinungen und Standpunkte,�� die Leitung eines Gesprächs.

2.3.1 Sprechen im Unterricht – Sprechhaltung Erzählen: „Von der Macht des Erzählens“

Obwohl der Eigen-Sinn der Sprache bzw. des Kompetenzbereichs Sprechen betont wurde, geschieht Sprechen im Unterricht nicht zum Selbstzweck.

Entsprechend dem Kompetenzmodell erfolgen Sprechen und Gesprächserziehung immer im Kontext, besonders eng natürlich im Zusammenhang mit dem Hören.

Das Aufgabenbeispiel Von der Macht des Erzählens3 eignet sich sowohl in Bezug auf den Ausgangstext als auch die methodisch möglichen Ansatzpunkte sehr gut dazu, an einem konkreten Beispiel die Bedeutung der Sprechhaltung Erzählen zu demonstrieren und zu zei-gen, wie eng Sprechen, Zuhören, Verstehen und Handeln miteinander verknüpft sind.

Schülerinnen und Schülern – nicht nur in der Volksschule – liegt das Nacherzählen einer ge-hörten Geschichte näher als eine objektive Inhaltsangabe.

Diese integrative Aufgabenstellung kann, erweitert oder variiert durch die im Folgenden be-schriebene Gruppenarbeit, für den Kompetenzaufbau im Bereich Sprechen gut herange-zogen werden. Partnergerechtes Nacherzählen eines gesprochenen Textes, die Aneignung durch eigenes Ausgestalten, genaues Zuhören und letztlich die Diskussion der Frage „Wer hört was?“ sind die wesentlichen Elemente der Unterrichtseinheit.

3 Dieses und weitere Aufgabenbeispiele sind auf der Website des BIFIE unter https://www.bifie.at verfügbar.

Sprechen – Reden – Präsentieren 35

Von der Macht des Erzählens

Einteilung in Dreier-Gruppen

Je ein Gruppenmitglied

�� hört die Geschichte nicht, sondern notiert Gedanken zum möglichen Inhalt einer Geschichte unter dem Titel „Die Macht des Erzählens“,

�� hört den Text und erhält den Auftrag, ihn den beiden anderen Gruppenmitgliedern zu erzählen (Vorgabe: möglichst konkret, interessant, lebendig),

�� hört den Text und erzählt die Geschichte aus der Sicht Leilas (aneignende „Ich-Erzählung“).

Alle Gruppenmitglieder schreiben die Geschichte als „Er-Erzählung“ (eventuell auch als „Ich-Erzählung“) auf, um sie anschließend mit dem Original und der Gedanken-sammlung zu vergleichen.

3 Reden(d) lernen

Die in den Bildungsstandards D8 formulierten Standards beziehen sich nicht auf rhetorisch bis ins letzte Detail geplante und intensiv vorbereitete Reden, sondern auf die Kompetenz, Inhalte mündlich präsentieren zu können. Sie betonen das artikulierte Sprechen in der Stan­dardsprache, die freie Rede ebenso wie jene, die sich auf Notizen stützt, sowie die medien-gestützte Präsentation.

Redekompetenz bedeutet, vor Zuhörerinnen und Zuhörern (adressatengerecht) ein State-ment abgeben, ein Referat halten, einen Redebeitrag themenzentriert einbringen zu kön-nen.

Für den Deutschunterricht besonders relevant ist das sachorientierte (freie) Sprechen.

Reden ist eine komplexe Fähigkeit, die sich in einzelne Teilbereiche gliedert: Atmung, Stimm-gebung, Artikulation, Körperhaltung, Gestik, Blickverhalten, Mimik sowie inhaltliche und sprachliche Gestaltung sind hierfür von Bedeutung.

Schüler/innen sollen diese Teilbereiche kennen und sich darüber im Klaren sein, welche Fak-toren über das Gelingen bzw. Misslingen einer Redesituation entscheiden.

Den Bereichen Atmung, Stimme und Artikulation gesteigerte Bedeutung zuzumessen scheint auch deshalb gerechtfertigt zu sein, weil Lehrer/innen öfter feststellen, dass sich Schüler/innen in der Klasse nicht verständlich artikulieren können. Aber nicht intensive, iso-lierte sprechtechnische Übungen sind hier gemeint, sondern spielerisches Üben, z. B. im Umgang mit Texten, besonders laut lesen, besonders leise, schnell, langsam, mit besonderer Betonung bestimmter Wörter usw.

Experimentelle Lyrik (z. B. von Ernst Jandl) bietet sich ebenso an wie die (gelesene) dramati-sche Umsetzung von Balladen (z. B. Goethes Der Zauberlehrling).

Reden(d) lernen bedeutet, immer wieder deutliches Sprechen einzumahnen, weil sich Reden immer an ein Du richtet.

(sich) frei sprechen

36 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Viele Schüler/innen melden sich im Unterricht selten oder gar nicht, weil ihnen allein die Vorstel-lung, dadurch im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, Schauer über den Rücken jagt. Die Ankündigung, ein Buch präsentieren oder gar ein Referat vor der Klasse halten zu müssen, ver-setzt sie in Panik. Reden bedeutet immer auch Selbstdarstellung, steht in enger Verbindung mit vorhandenem bzw. nicht vorhandenem Selbstbewusstsein und ist daher sehr individuell.

Einen wesentlichen Beitrag zum Abbau von Redeangst leistet neben konkreten Tipps für die inhaltliche und sprachliche Gestaltung die Banalität der Situation. In der Klasse einen Redebeitrag liefern, vor der Klasse stehen, um ein Referat zu halten – das müssen gewohnte Kommunikationssituationen sein, die durch ihre Alltäglichkeit ihre subjektiv empfundene Ge-fährlichkeit verlieren.

Schüler/innen fühlen sich auf Grund der Raumsituation, die eigentlich kaum andere Positio-nen als jene des Sitzens erlaubt, an ihrem Platz wohl. Aufstehen, den Körper in einer anderen Position im Klassenraum wahrnehmen als im Sitzen, eine exponierte Position einnehmen, nämlich jene vor der Klasse, die Stimme an diese Situation anpassen, die „Ausgesetztheit“ erfahren, das Probieren verschiedener Haltungen beim Reden – das kann und soll geübt werden und so seine Außerordentlichkeit verlieren, um die freie Rede zu ermöglichen.

„Gelegenheit macht Liebe“ – das bedeutet, verstanden als Auftrag für den Unterricht, mög-lichst viele Gelegenheiten und Anlässe für mündlichen Sprachgebrauch zu bieten und den Wert von konstruktivem Feedback erfahren zu lassen (durch die Lehrerin/den Lehrer ebenso wie von Mitschülerinnen und Mitschülern). Das lässt eine sprecherfreundliche Atmosphäre entstehen, die es erleichtert, Sprechhemmungen zu überwinden.

Wesentliche Voraussetzung für das freie Sprechen und Reden ist ein Klima des Respekts und der Wertschätzung in der Klasse selbst und natürlich zwischen der Lehrkraft und den einzelnen Schülerinnen und Schülern.

Reden lernen kann nur redend geschehen. Entsprechend dem Kommunikationsmodell, das die einzelnen Kompetenzbereiche des Deutschunterrichts im Zusammenhang mit und in Ab-hängigkeit von den anderen darstellt, gilt die didaktische Forderung nach Handlungs­ und Situationsbezug besonders für den Kompetenzbereich Sprechen und Zuhören. Sprechen – Reden – Präsentieren ist auf Adressatinnen und Adressaten sowie auf Situationen bezogen. Alle Sprechhaltungen beziehen sich auf ein Du. Daher heißt Gesprächserziehung in erster Linie, die Schüler/innen ein Gespür für das Gegenüber und die konkrete Situation entwickeln zu lehren, um angemessen auf die Gesprächspartnerin/den Gesprächspartner, auf die Ad-ressatinnen und Adressaten eingehen zu können. Zusammen mit einem breiten Spektrum an Möglichkeiten zum angemessenen sprachlichen Handeln kann der kompetenzorientierte Deutschunterricht einen wesentlichen Beitrag zur Mündigkeit junger Menschen leisten.

3.1 Kompetenzaufbau: freies Sprechen im Unterricht – 5. Schulstufe

Durch Wiederholung und in kleinen Schritten kann eine (erste) Klasse Erfahrung mit öffent-lichem Sprechen machen. Folgende Übungen, Unterrichtssequenzen und Beispiele (vgl. Benz-Irmscher, 1997, S. 33–35) könnten dabei als Anregung dienen:

Redeangst abbauen

�� nach dem ersten Kennenlernen Informationen über die Bedeutung des Vornamens einer Mitschülerin/eines Mitschülers einholen und im Sesselkreis sagen; auf die Bedeutung des lauten Sprechens aufmerksam machen

Reden vor anderen als Selbstverständlichkeit

positive Feedbackkultur

Sprechen – Reden – Präsentieren 37

�� in Gruppen sammeln und anschließend den anderen sagen, was zu einer guten Klassen-gemeinschaft gehört (in der Gruppe vor der Klasse stehen)

�� in Spielszenen alltägliche, selbst erfahrene Kommunikationssituationen darstellen (z. B.: Mutter fordert zum Aufräumen des Zimmers auf, man will sich einer Aufgabe entziehen …)

�� Gedichte in gemeinsamem Wechselvortrag auswendig aufsagen�� Schüler/innen zeigen etwas, das sie gut können, beantworten Fragen und erklären

(Musik instrument spielen, Modellflieger bauen ...).�� Schüler/innen erklären einer Mitschülerin/einem Mitschüler, die/der gefehlt hat, was im

Unterricht gemacht wurde, was Hausübung war.

Freier Kurzvortrag

�� Mini-Referat, für das das Thema als Frage formuliert wird und die Antwort aus zehn Sätzen besteht, mit oder ohne Stichwortzettel oder Kärtchen; evtl. auch als erste Recher-cheübung in der Schulbibliothek mit dem Ziel, die Bedeutung und den Aufbau von Nach-schlagewerken kennenzulernen. Die Schüler/innen stehen dabei vor der Klasse.

Mini­Reden und spielerische Redeanlässe

�� Fundbüro. Alle Schüler/innen geben gleichartige Gegenstände im Fundbüro ab (Schirme, Kugelschreiber, Handys …). Angestellte müssen nun nach der Beschreibung der Besit-zer/innen die Gegenstände finden.

�� Gegenstand in die Schule mitbringen, ihn der Klasse nicht zeigen, ihn beschreiben und erzählen, wo man ihn gefunden hat oder warum er mitgebracht wurde, dabei den Gegen-stand nicht benennen und Mitschüler/innen raten lassen.

Strukturierter Kurzvortrag und Präsentation

Buchvorstellung nach Vorgaben:Zeit: 15 MinutenInhalt und Aufbau:

a) Hinführen zum Thema mit Hilfe eines mitgebrachten Gegenstands, der im Buch eine Rolle spieltb) Kurze Zusammenfassung des Inhaltsc) Eine wichtige Stelle gut vorlesen und die Auswahl erklären oder mit einem Freund/ einer Freundin eine Szene nachspielend) Sagen, warum man das Buch empfehlen würdee) Fragen zum Inhalt beantwortenf) Feedback einholeng) Plakat gestalten und es besprechen

In der 6. Schulstufe könnten folgen:

Reden in simulierten Situationen

�� im Zusammenhang mit literarischen Texten oder Büchern: Podiumsgespräch, Überzeu-gungsgespräch, Rede zu bestimmtem Anlass im Buch (z. B. Uwe Timm: Rennschwein Rudi Rüssel, Max von der Grün: Vorstadtkrokodile)

Expertenreferat

�� zu einem Thema, bei dem man sich besonders gut auskennt. Vorgaben wie beim struk-turierten Kurzvortrag + Gestaltung eines Arbeitsblattes (Fragen zum Referat, Lückentext, zu beschriftende Zeichnung …) für die Mitschüler/innen

38 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Die Beispiel- und Vorbildfunktion der Lehrerin/des Lehrers erhält insofern auch hier wieder besonderes Gewicht, als sie/er einerseits den Schülerinnen und Schülern die Bedeutung ei-nes positiven Feedbacks – Feedback als Geschenk – klar herausstreicht. Nicht über, sondern mit ihr/ihm wird gesprochen. Schüler/innen müssen zudem möglichst früh mit dem kollegi-alen Feedback vertraut gemacht werden. Andererseits kann die Lehrerin/der Lehrer selbst durch eigenes Tun immer die positiven Aspekte guter Visualisierung verdeutlichen (Gliederun-gen an die Tafel schreiben, Stichworte für Geschichten, Mindmaps …).

3.2 Freies Sprechen im Unterricht: Referat/Präsentation

Um die hohen und komplexen Anforderungen eines Referats oder einer Präsentation bewälti-gen zu können, ist es hilfreich für Schüler/innen, den Prozess in einzelne Schritte zu zerlegen. Die Schüler/innen müssen bei ihrer Arbeit von den Lehrerinnen und Lehrern betreut werden.

Klärung der Anforderungen an das Referat

�� mit den Schülerinnen und Schülern die Vorgaben bzw. Kriterien möglichst genau klären (z. B. Zeitvorgabe, Art der Präsentation, Unterstützung durch Medien, Visualisierung, An-forderungen an die Sprache, Quellen) und diese Kriterien dann zur Bewertung heranziehen

Themenwahl

�� Themen mit möglichst hohem Identifikationsgrad bei den Schülerinnen und Schülern ge-lingen in der Regel besser als vorgegebene.

�� Themenfindungsphase begleiten, beratende Funktion wahrnehmen, eventuell Arbeits-techniken vorschlagen (Brainstorming, Mindmap, Cluster)

�� Rahmenthema formulieren�� besonders bedeutsam: „Forschungsfrage“ formulieren, z. B. „Ich will in meinem Referat

zeigen ...“�� Thema festlegen

Recherche

�� Rechercheorte und -möglichkeiten besprechen (z. B. Besuch in der Schulbibliothek)

Aufbau

�� mit den Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten besprechen

Stichwortzettel

�� Funktion des Stichwortzettels klären, der Gedankenschritte wiedergibt und keine Über-schriften

Einleitung und Schluss

�� Bedeutung von Einleitung(ssatz), der Interesse wecken soll, und Schluss(satz), der zu-sammenfassen, einen Ausblick geben oder einen Appell darstellen könnte, vermitteln

Mediale Gestaltung bzw. Visualisierung

�� Für beides gilt: Auch hier sind Kriterien hilfreich für die Referentinnen und Referenten, für das Feedback der Klasse und für die Bewertung durch die Lehrerin/den Lehrer. Die Mög-

Kompetenzaufbau durch Zerlegung in Einzelschritte

Sprechen – Reden – Präsentieren 39

lichkeiten sind vielfältig: Plakate, Mindmaps, Zeichnungen, Gegenstände, Tafelanschrift usw.

Der Bewertungsbogen im Anhang dieses Abschnitts enthält die wichtigsten Kriterien für ein gutes Referat am Ende der 8. Schulstufe. Er trägt den Formulierungen in den Bildungs-standards Rechnung.

3.3 Freies Sprechen im Unterricht: Vorlesen/Präsentieren

Vorlesen lässt ein Gefühl von Geborgenheit entstehen und ist oft eine Alternative zum Bild-schirm. In jedem Fall bedeutet es Zuwendung – eine Art von Zuwendung, die Lehrer/innen ihren Schülerinnen und Schülern sehr einfach entgegenbringen können. Besonders aus der Perspektive der Leseförderung (Kinder, denen vorgelesen wird, werden eher zu Leserinnen und Lesern als solche, denen nicht vorgelesen wird) müssen vor allem Deutschlehrer/innen Vorleser/innen sein.

Das Vorlesen eines Textes durch Schüler/innen selbst kann jedoch auch als eine Form der Annäherung an das freie Sprechen gesehen werden. Nicht nur das Lesenkönnen steht im Zentrum, nicht nur das Was, sondern auch das Wie: Die Atmung, die eigene Stimme, die Artikulation werden als bedeutungstragend wahrgenommen.

Das Vorlesen ist eine Form der Präsentation, die nicht sachorientiert ausgerichtet ist, son-dern sich als eigene Form der Kommunikation darstellt, als ästhetische Kommunikation. Sie bedarf natürlich eines begleiteten Aufbaus.

Um das Vorlesen zu würdigen und der Vorleserin/dem Vorleser eine entsprechende Position zukommen zu lassen, wäre es ideal, wenn es in der Klasse einen eigenen Vorlesesessel gäbe!

Nachdem die Schüler/innen die wesentlichsten Elemente eines gelungenen Vortrags kennen-gelernt und umgesetzt haben, bietet sich in einem nächsten Schritt an, ihre bereits erworbene Kompetenz mit einem etwas höheren Schwierigkeitsgrad anwenden zu können.

Aufgabenstellung: Lies eine Textstelle aus einem Buch/aus deinem Lieblings­buch vor.

Die Schüler/innen erhalten folgende Vorgaben:

�� Nenne Autorin/Autor und Titel.�� Gib eine kurze Inhaltsangabe.�� Lies eine Stelle aus dem Buch vor (eine halbe bis eine Seite). Erkläre vorher den

Zusammenhang, in dem sie sich befindet.�� Bring einen Gegenstand mit, der zu der gewählten Stelle passt, und erkläre deine

Wahl.

Das höhere Kompetenzniveau ergibt sich aus der Eigenständigkeit bei der Auswahl des Buches, der Textstelle, der Wahl und Begründung für den mitgebrachten Gegenstand und der Formulierung einer kurzen Inhaltsangabe.

Als Hilfestellung für die Schülerin/den Schüler bei der eigenständigen Bearbeitung der Auf-gabe kann eine Checkliste dienen, bei der Bewertung bzw. beim Feedback durch die Klasse eine Bewertungsmatrix (Beispiele dafür finden sich im Anhang).

genaue Kriterien für Kompetenzaufbau und Beurteilung

Lehrer/innen als Vorleser/innen

Bewertung mit Checklisten

40 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Die Auseinandersetzung mit Balladen eignet sich übrigens hervorragend als Zwischen- und Vorbereitungsstufe für das Präsentieren. Unterrichtsvorschläge für die 7. und 8. Schulstufe finden sich in den Aufgabenbeispielen der einschlägigen Fachliteratur und im ersten Band des Praxishandbuchs für „Deutsch“ 5.–8. Schulstufe (BIFIE, 2010).

4 Präsentieren

Das Vorlesen, das Referat und der Vortrag sind insofern nicht eindeutig voneinander abzu-grenzen, als sie immer eine gesteigerte Art von Selbstdarstellung bedeuten. Allen drei For-men des mündlichen Sprachgebrauchs gemeinsam ist, dass die Sprecherin/der Sprecher sich auf etwas bezieht: auf einen Text beim Vorlesen bzw. auf Wissen und Erkenntnisse, die sie/er sich erarbeitet hat, bei den Formen der freien Rede. Und alle genannten Formen stehen zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit.

Präsentieren im Zusammenhang mit den Bildungsstandards Deutsch meint – wie im derzeiti-gen Sprachgebrauch üblich – die Weitergabe von Informationen unter Einbeziehung von (neuen) Medien zur Veranschaulichung des Inhalts. Die Visualisierung kann dabei auf unter-schiedliche Art und Weise geschehen. Der Vortrag, verstanden als Austausch von Wissen unter Fachleuten, steht der Präsentation in diesem Sinn am nächsten. Bezogen auf die Schule entspricht der Lehrervortrag wohl diesem Konzept. Das Referat kann im Unterricht eine didaktische Aufgabe haben. Es ermöglicht, die Schüler/innen in den Unterricht miteinzu-beziehen, sie auf diese Weise selbst zu Lehrenden zu machen.

Michael Becker-Mrotzek (2005, S. 6–7) gesteht der Präsentation und Wirkungsphase trotz ihrer Nähe zu anderen sprachlichen Handlungsformen ein Eigenrecht zu. Es handelt sich dabei um ein komplexes Geschehen, das sich aus sprachlichen und nichtsprachlichen Ele-menten zusammensetzt und sich in drei Phasen zerlegen lässt:

�� Planungsphase: Inhalte auswählen, strukturieren und formulieren, und zwar bezogen auf genaue Vorgaben (Ziel, Adressatinnen und Adressaten, Zeit, zur Verfügung stehende Medien, Handout)

�� Realisierungsphase: nach einem Ablaufschema und Notizen/Stichwortzettel�� Wirkungsphase: Fragen, Diskussionen, Reaktionen des Publikums, Feedback

Ähnlich wie beim Referat können Kriterienkataloge Schülerinnen und Schülern helfen, den komplexen Vorgang des Präsentierens in seinen Einzelaspekten wahrzunehmen und daraus zu lernen. Lehrerinnen und Lehrern ermöglichen diese Kriterien eine transparente Bewertung von Schülerleistungen, Schüler/innen erhalten damit einen Bezugspunkt für ihr eigenständi-ges Lernen ebenso wie für ein konstruktives Feedback. Das Präsentieren muss demnach eingebettet sein in einen didaktischen Gesamtzusammenhang, der dem Lernen durch Aus-probieren, dem Erfahrungslernen, den Vorrang gegenüber der theoretischen Belehrung ein-räumt.

Ebenso wie für andere Kompetenzbereiche gilt auch hier, und zwar von der 5. Schulstufe an, dass vielfältige Möglichkeiten im Unterricht geschaffen werden müssen, um in einem sinnvol-len Handlungszusammenhang das Präsentieren üben zu können und den Kompetenzaufbau durch Kleinschrittigkeit zu unterstützen (Vorlesen – 5-Satz-Reden – Kürzestreferate – Refe-rate – Präsentationen). Es geht immer um das Aufbereiten von Inhalten für die Klasse, in mündlicher Form, in einem funktionalen Bezugsrahmen, auch als gemeinsame Arbeit im Team. Der Art der Visualisierung sind dabei ebenso wenig (kreative) Grenzen gesetzt wie der Aufgabenstellung und dem Umfang.

Präsentieren als Form der Selbstdarstellung

Präsentieren im Kontext

Sprechen – Reden – Präsentieren 41

Visualisierungen sind konstitutiver Bestandteil von Präsentationen, weil sie sprachliche Infor-mationen ergänzen und untermauern. Sie dienen der Veranschaulichung von Inhalten und somit dem besseren Verständnis, sind weder Selbstzweck noch reine Unterhaltung. Dabei kann es sich um Bilder, Objekte, Zeichnungen, Fotos, Grafiken, Zahlen, Kapitelüberschriften, markante Begriffe usw. handeln.

Die Bewertung von Präsentationen sowie das konstruktive Feedback beziehen sich ent-sprechend der Kompetenzbeschreibung in den Bildungsstandards auf die vier Dimensionen Inhalt, Medieneinsatz, Vortragsstil und Kommunikation mit dem Publikum. Beispiele für Be-wertungsbögen (für Schüler/innen und Lehrer/innen) finden sich im Anhang.

Bei ausreichender IKT­Kompetenz der Schüler/innen kann und wird die Visualisierung in Form einer PowerPoint­Präsentation Eingang in den Unterricht finden. Genau wie bei der Gestaltung von Plakaten bedarf es allerdings auch hier einer klaren Definition, was das Me-dium leisten kann und wie es sinnvoll einzusetzen ist. PowerPoint-Folien sind nicht Selbst-zweck. Sparsamer Einsatz ist daher anzuraten.

5 „Innere Mehrsprachigkeit“

Mündlichkeit, in der sprachliche und kommunikative Fähigkeiten einander ergänzen, die Fähigkeit zur verbalen Interaktion, Mündlichkeit, die zur Erweiterung des Handlungsspiel-raums führt – all diese Beschreibungen betonen die soziale Aufgabe von Sprecherziehung ebenso wie der in den Bildungsstandards gelegte Fokus auf Partner- und Adressatenorien-tiertheit. Miteinander sprechen bedeutet in der Regel, über ein bestimmtes Thema zu spre-chen – allerdings nicht ausschließlich. Sprechen heißt immer auch: Beziehungen aufbauen, eingehen auf ein Gegenüber, auf ein Du. Paraverbale und nonverbale Elemente unterstützen sie ganz wesentlich, doch das Eingehen auf ein Gegenüber erfolgt auch über die Wahl der angemessenen Sprachebene.

Die Kommunikation mit Menschen unterschiedlicher sprachlicher Herkunft, und zwar fremd-sprachlicher wie binnensprachlicher, wird in unserer multikulturellen Gesellschaft immer wichtiger. Dem entsprechen die Bildungsstandards mit der explizit formulierten Kompetenz „Schüler/innen können artikuliert sprechen und die Standardsprache benutzen“ (Standard Nr. 10). Die Standardsprache ist jene Varietät einer Sprache, die in Grammatiken und Wör-terbüchern kodifiziert ist und die mit ihrem Wortschatz alle wichtigen Lebensbereiche ab-deckt. Daneben existieren jedoch zahlreiche Varietäten der Standardsprache, die durch eine bestimmte Region, das gesellschaftliche Umfeld, Gruppenzugehörigkeit und schließlich indi-viduelle Eigenheiten geprägt sind. Längst hat sich in der Sprachwissenschaft – bezogen auf regionale Varietäten – die Differenzhypothese gegenüber der Defizithypothese (Unterschied-lichkeit versus Minderwertigkeit) durchgesetzt, die in dem Begriff „innere Mehrsprachigkeit“, verstanden als die Fähigkeit zur Nutzung unterschiedlicher sprachlicher Varietäten, ihren Aus-druck findet.

Im Sinne der oben angeführten Erweiterung des Handlungsspielraums, der Bestandteil des Deutsch unterrichts sein muss, bedeutet das einerseits, diese „innere Mehr sprachigkeit“ zu fördern, um ein breiteres Spektrum an Sprach handlungen zu ermöglichen (überreden, erklä-ren, trösten, überzeugen, verständlich machen usw.), und andererseits, den Schülerinnen und Schülern immer wieder bewusst zu machen, dass es innerhalb der deutschen Sprache ver-schiedene Varietäten gibt, die in unterschiedlichen Situationen verwendet werden sollen/kön-nen/müssen. Dieses Bewusstsein impliziert jedoch, dass Schüler/innen bereit sein müssen, neben ihrer eigenen Sprachvarietät auch andere Varietäten, besonders die Standardsprache, zu beherrschen. Gerade in diesem Zusammenhang erweist sich die Vorbildwirkung der Lehrerin/des Lehrers als ganz außerordentlich bedeutend. Für viele Kinder bildet die Schule

sozial-kommunikative Komponente des Sprechens

Sprachen in der Sprache

Reflektieren über den eigenen Sprachgebrauch

42 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

vielleicht den einzigen Rahmen, in dem sie die Chance haben, die Standardsprache über-haupt zu hören und zu üben. Soziale Veränderungen, der sorglose Umgang vieler Medien mit der Sprache, Massenmedialität, Computer, Web 2.0, Mobiltelefon und Fernsehen beeinflus-sen das Sprachlernen in einer Art und Weise, die keineswegs sicherstellt, dass Schüler/innen die österreichische Variante der deutschen Standardsprache lernen können.

Was heißt das für die Schule?

�� Auch und gerade Schüler/innen mit restriktivem Code oder reine Dialektsprecher/innen (vor allem im süddeutschen Raum und in Österreich) müssen erfahren und anerkennen, dass es zumindest in der Mündlichkeit verschiedene Varietäten gibt, und müssen bereit sein, sich auf sie einzulassen, aber auch Hilfe dabei erfahren, sich eine neue Varietät an-zueignen (Abraham, 2008, S. 21).

�� Schüler/innen müssen die Chance erhalten, die Standardsprache im Unterricht (nicht ausschließlich im Deutschunterricht!) zu hören und als selbstverständliches Kommunika-tionsmittel zu erleben.

�� Schüler/innen müssen die Möglichkeit haben, die Standardsprache im Unterricht so oft wie möglich „in den Mund zu nehmen“, sie zu benutzen (nicht ausschließlich im Deutsch-unterricht!), z. B. beim Vorlesen, bei der freien Wiedergabe von Texten, beim szenischen Spiel, beim Fragenstellen, bei kurzen Redebeiträgen, bei Zusammenfassungen, bei Refe-raten und Präsentationen.

�� Schüler/innen sollen über fremdes und eigenes Sprechverhalten in einfacher Form reflek-tieren, um verschiedene Varietäten des Deutschen zu erkennen und situationsadäquat auswählen zu können.

Schließlich geht es auch in diesem Zusammenhang um Sprachaufmerksamkeit und das Sprachbewusstsein (gerade von Lehrkräften), damit „innere Mehrsprachigkeit“ als produkti-ves Element der kommunikativen Kompetenz wahrgenommen werden kann.

Sprechen – Reden – Präsentieren 43

6 Literatur

Abraham, U. (2008). Sprechen als reflexive Praxis. Mündlicher Sprachgebrauch in einem kompetenzorientierten Deutschunterricht. Freiburg im Breisgau: Fillibach.

Anlage zur Verordnung der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur über Bildungs-standards im Schulwesen (2009). In BGBl. II Nr. 1/2009. Verfügbar unter http://www.bmukk.gv.at/medienpool/17534/bgbl_ii_nr_1_2009_anlage.pdf [01.08.2011].

Baurmann, J. & Menzel, W. (2006). Vorlesen – Vortragen. In Praxis Deutsch 199. S. 6–13.

Becker-Mrotzek, M. (2005). Präsentieren. In Praxis Deutsch 190. S. 6–13.

Benz-Irmscher, H. (1997). Rhetorische Bausteine. In Praxis Deutsch 144. S. 32–35.

BIFIE (Hrsg.). (2010). Praxishandbuch für „Deutsch“ 5.–8. Schulstufe. Band 1. Graz: Leykam.

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) (Hrsg.). (2008). Lehrplan des Pflichtgegenstands Deutsch. Verfügbar unter http://www.bmukk.gv.at/medienpool/781/ahs7. pdf [01.08.2011].

Die Macht der Sprache (2007). Verfügbar unter http://www.die-macht-der-sprache.de [24.08.2011].

Klotz, P. & Sieber, P. (Hrsg.) (2000). Vielerlei Deutsch. Umgang mit Sprachvarietäten in der Schule. Stuttgart: Klett.

Linke A. & Sitta H. (1987). Gespräche. Miteinander reden. In Praxis Deutsch 83. S. 14–25.

Siegwart, B. (1997). Einleitung in ein mündliches Referat, In Praxis Deutsch 144. S. 32–35.

Spinner, K. H. (1997). Reden lernen. In Praxis Deutsch 144. S. 16–22.

Wachtel, S. (2000). Formen des Sprechens. Verfügbar unter http://www.mediaculture-online.de/fileadmin/bibliothek/wachtel_sprechen/wachtel_sprechen.html [29.07.2011].

Ziener, G. (2006). Bildungsstandards in der Praxis. Kompetenzorientiert unterrichten. Seelze: Kallmeyer.

44 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Anhang zu Abschnitt 2

Checkliste für das Vorlesen einer Textstelle aus meinem Lieblingsbuch

Titel: _____________________________________________________________________________

Autorin/Autor: ______________________________________________________________________

Gegenstand: _______________________________________________________________________________ Position im Buch: ___________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________

Ich habe die Textstelle sorgsam und bewusst ausgewählt.

Ich kann erklären, warum ich gerade diesen Gegenstand für passend halte.

Ich erkläre kurz, an welchem Punkt der Handlung sich die Stelle befindet.

Ich habe mir in den Text Markierungen gemacht (betonte Wörter, Stimmung ).

Ich achte beim Vorlesen auf Pausen, Satzzeichen und Markierungen.

Ich spreche deutlich und laut. Ich achte besonders auf die Signalwörter.

Ich habe den Text mehrmals laut gelesen.

Ich habe den Text zur Probe jemandem vorgelesen.

Ich versuche, hin und wieder meine Zuhörer/innen anzusehen.

Ich bin gut vorbereitet auf das Vorlesen vor Publikum.

Sprechen – Reden – Präsentieren 45

Bewertungsbogen für das Vorlesen Name der Leserin / des Lesers: _______________________________________________________________ Thema/Titel und Autorin/Autor: ________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________________ Datum: ___________________

Liest in angemessenem Tempo vor.

Zeigt eine bewusste Pausengestaltung.

Satzzeichen werden richtig umgesetzt.

Die Aussprache ist klar und deutlich.

Geht im Ausdruck auf Signalwörter ein.

Wörter werden ihrer Bedeutung / ihrem Sinn entsprechend betont.

Setzt die Stimme als Gestaltungsmittel ein.

Liest flüssig vor.

Versucht Blickkontakt.

46 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Bewertungsbogen für eine Präsentation(für Schüler/innen und Lehrer/innen)

Inhalt * ** *** ****

an der Themenstellung vorbei

alle geforderten Inhalte vorhanden

kein feststellbarer Aufbau

guter, sachgerechter Aufbau

unpassende/langweilige Beispiele/Sachverhalte

gute, interessante Beispiele, die zum Thema passen

Gruppenpräsentation * ** *** ****

nur ein Gruppenmitglied präsentiert gleichmäßige Aufteilung der Präsentation

zufällige, spontane Aufteilung

nachvollziehbare Aufteilung

Vortragsstil * ** *** ****

langweiliger Vortrag überzeugender, begeisternder Vortrag

undeutliche, schlecht verständliche Aussprache

deutliche, klare Aussprache

eintönige, einschläfernde oder schrille Stimmlage

angenehme, passende Stimmlage

keine bzw. störende Körpersprache unterstützende, passende Körpersprache

Vortrag vom Zettel abgelesen

freier Vortrag in Standardsprache

zeitlichen Rahmen nicht eingehalten

zeitlichen Rahmen genau eingehalten

Einsatz von Medien (Plakat, PowerPoint-Präsentation …) * ** *** ****

von Folien/Plakaten abgelesen Folien/Plakate unterstützen/unter-streichen das gesprochene Wort

Gestaltung der Folien/Plakate entspricht nicht den Vorgaben

Gestaltung der Folien/Plakate entspricht völlig den Vorgaben

Kommunikation mit dem Publikum * ** *** ****

kein Blickkontakt

Blickkontakt

keine Berücksichtigung des Wissensstandes der Zuhörer/innen

deutliches Eingehen auf den Wissensstand der Zuhörer/innen

* = Anforderungen wenig bis nicht erfüllt ** = Anforderungen teilweise erfüllt *** = Anforderungen erfüllt **** = Anforderungen übertroffen

Schwierigkeit von Texten und Leseaufgaben 47

Schwierigkeit von Texten und Leseaufgaben

Eine alltägliche Herausforderung in der Arbeit mit Gebrauchstexten

Gebrauchstexte (und damit sind alle nichtliterarischen Texte gemeint), die wir im Deutsch-unterricht einsetzen, sollen den Schülerinnen und Schülern einer Klasse angepasst sein. Das ist einerseits selbstverständlich, andererseits aber auch eine fachdidaktische Herausforde-rung. Wenn wir mit diesen Texten arbeiten wollen, erwartet uns zudem eine methodische Herausforderung, nämlich das Anpassen der Aufgabenschwierigkeit an die Schüler/innen der jeweiligen Klasse oder Leistungsgruppe.

Folgende Fragen sind also zu klären:

1. Wie verständlich ist der Text? Ist er der Altersstufe (in Wortwahl, Syntax, Thematik etc.) angepasst?

2. Wie formuliere ich die Aufgabenstellung, damit alle Schüler/innen in der Klasse sie verste-hen und ihr auch folgen können?

1 Schwierigkeitsgrad von Texten

1.1 Zur Textverständlichkeit

Wie gut ein Text verstanden wird, hängt von vielen Variablen ab:

�� von der Lesbarkeit, die durch Schriftgröße, Schrifttypenwahl, Hervorhebungen, Absätze usw. beeinflusst wird

�� von der Oberflächenstruktur der Texte, also von Merkmalen wie Wortlänge, Silbenzahl, Zahl der Wortwiederholungen, Satzlänge usw.

�� von inhaltlichen Kategorien wie z. B. Thema, Alltagsnähe, Dichte der Informationen �� von strukturellen Merkmalen wie z. B. Wortschatz, Wortwahl, Aufbau, Komplexität im

Satzbau, innere Logik im Ablauf �� nicht zuletzt auch von den Leserinnen und Lesern selbst: von ihren Erwartungen an den

Text, ihrem sprachlichen und inhaltlichen Vorwissen, ihrem Interesse am Thema.

Ein interessanter Artikel zu dieser Thematik wurde von Juliane Köster verfasst (Köster, 2005, S. 34–39).

Lesbarkeit

Textlesbarkeit ist nicht zu verwechseln mit Verständlichkeit. Der Begriff Lesbarkeit bezieht sich nur auf die äußere Erscheinungsform eines Textes. Die Form kann das Verstehen unter-stützen oder erschweren. Einfache und größere Schrifttypen sind leichter zu lesen als ver-schnörkelte und kleinere Buchstaben, kurze Zeilen sind günstiger für jüngere oder schwä-chere Leser/innen, Absätze oder Einrückungen, die den Text äußerlich strukturieren, erhöhen die Lesbarkeit (vgl. Klein, 2002).

Oberflächenstruktur

Eine Möglichkeit, die Oberflächenstruktur von Gebrauchstexten zu analysieren, bieten die unterschiedlichen Lesbarkeitsformeln, die Texte nach folgenden Parametern messen: Wort-

GerhardHabringer

Einflussfaktoren auf die Textverständlichkeit

48 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

zahl, Silbenzahl, Wortlänge, Satzlänge, Wortwiederholungen etc. Eine dieser Leseleichtig-keitsformeln, wie sie auch heißen, ist die Flesch-Formel, die folgendermaßen berechnet wird:

„FI = 206,835 - 84,6 x WL - 1,015 x SL

wobei [die Abkürzungen] bedeuten:

�� FI = Flesch-Index für Leseleichtigkeit (Reading Ease, Lesbarkeit)�� WL = durchschnittliche Wortlänge in Silben [...]�� SL = durchschnittliche Satzlänge in Wörtern

Die Formel stammt von Rudolf Flesch, einem gebürtigen Wiener, der 1938 in die USA ausge-wandert ist [...]. Der Flesch-Index [...] basiert vor allem auf der Tatsache, dass kurze Wörter und kurze Sätze in der Regel leichter verständlich sind als lange, wobei die Länge der Wörter ein grösseres [sic] Gewicht hat als die Länge der Sätze. Der Index ergibt in der Regel eine Zahl zwischen 0 und 100, wobei auch Werte jenseits dieser Grenzen vorkommen können.“ (Bachmann, 2009)

Je höher der Wert, desto leichter sollte der Text nach der Flesch-Formel lesbar sein. Neben dieser Formel gibt es auch andere Leseindices (Amdahl, Bamberger, Wiener Sachtextformel etc.), mit denen ähnliche Berechnungen durchgeführt werden können. Lesbarkeitsformeln sind statistische Berechnungen oberflächlicher Textmerkmale, sie sagen absolut nichts über den Textinhalt aus, sie geben keine Auskunft darüber, ob ein Text gut oder schlecht ist, sie sind auch kein absolutes Maß für Verständlichkeit. Allerdings können sie erste Anhaltspunkte darstellen bei unseren Überlegungen, ob ein Text für eine bestimmte Gruppe von Leserinnen und Lesern geeignet ist.

Inhaltliche Textkategorien

Textverständlichkeit ergibt sich auch aus der Komplexität der in einem Text abgehandelten Themen. Ein Text mit hoher Informationsdichte und geringer Redundanz, mit vielen Details zu einem den Schülerinnen und Schülern vielleicht nicht besonders bekannten Thema wird größere Verständnisprobleme hervorrufen als ein Text mit hoher Redundanz und wenigen Einzelheiten zu einem alltäglichen Thema, für das kein besonders ausgeprägtes Vorwissen notwendig ist.

Textstruktur und Lexik

Je mehr unbekannte (neue) Wörter ein Text enthält, desto mehr Probleme bereitet dessen inhaltliche Durchdringung. Wir wissen alle aus Erfahrung, dass Texte mit einem hohen Anteil an unbekannten oder Fremdwörtern im Unterricht oft nur schwer einsetzbar sind. Wenn wir aber Texte mit hochfrequenten Wörtern und Phrasen einsetzen, ist die Verständnissicherung meist wesentlich einfacher – das Lesetempo ist leichter vorherzusagen, Schüler/innen stellen wesentlich weniger Verständnisfragen wie „Was heißt denn ...?“, wir kommen didaktisch-methodisch mit solchen Texten im Deutschunterricht leichter und problemloser voran als mit schwierigen Fachtexten.

Neben der Wortwahl spielen auch Satzstrukturen eine große Rolle für die Verständlichkeit. Verschachtelte Satzgefüge sind schwerer zu verstehen als vergleichsweise einfache Haupt-satzreihen, mehrteilige Attributionen und großräumige Verbklammern erschweren das Ver-stehen.

Schwierigkeit von Texten und Leseaufgaben 49

1.2 Zum Verhältnis von Text und Leserin/Leser

Manche Expertinnen und Experten behaupten, dass Textverständlichkeit an sich überhaupt keine messbare Kategorie ist, denn die Verständlichkeit eines Textes entsteht immer erst durch den Kontakt mit einem lesenden Individuum. Jeder Mensch liest einen Text aus einer anderen Ausgangsposition heraus – mit einem individuellen Vorwissen, mit unterschiedlichen positiven oder negativen Leseerfahrungen, mit individuellen Sprach- und Wortschatzkennt-nissen, mit individuellen Interessen, individuellen Leseerwartungen oder -befürchtungen. Da-her konstituiert sich die Verständlichkeit (und somit auch die Bedeutung) eines Textes erst durch das Verhältnis der Leserin/des Lesers zum Text und ist somit keine eigene Kategorie.

Zur Illustration sollen nun zwei Textbeispiele nach den oben erwähnten Verständlichkeits-kriterien analysiert werden:

Text 1:

Schlaf ist Hauptgrund für Schwänzen

Studie: Mädchen fehlen häufiger als Burschen – Die Hälfte der SchwänzerInnen hat „etwas anderes vorgehabt“ Wien – Schüler schwänzen die Schule vor allem, weil sie ausschlafen wollen bzw. verschlafen haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Schülerbefragung im Rahmen einer groß angelegten Studie zum Thema „Schulschwänzen – Verweigern – Ab-brechen“ (StudienVerlag). Demnach gaben 61 Prozent (Mehrfachnennungen möglich) als „Schwänzgrund“ an, ausschlafen gewollt bzw. verschlafen zu haben. Auf Platz zwei landete mit 55 Prozent „etwas Anderes vorgehabt“, auf Platz drei „Niederge-schlagenheit und schlechte Stimmung“ (53 Prozent).

Stundenweise gefehlt

Für die vom Bildungsministerium in Auftrag gegebene Studie wurden mehr als 1.700 Schüler (Sample wurde nicht-repräsentativ ausgewählt, Anm.) der siebenten bis zehnten Schulstufe an 48 Hauptschulen, AHS, Polytechnischen Schulen, Berufs-bildenden Höheren Schulen und Berufsschulen schriftlich befragt. 43 Prozent von ihnen gaben an, im letzten Halbjahr einmal die Schule geschwänzt zu haben – die meisten davon allerdings „nur“ stundenweise. Mädchen fehlten signifikant öfter als Burschen unentschuldigt.

LehrerInnen und langweiliger Unterricht

Die weitere Rangliste der „Schwänz-Gründe“: Auf Platz vier landete „langweiliger Unterricht“ (51 Prozent), auf Platz fünf „Verabredung mit Freunden“ bzw. „Nicht- Mitschreiben einer Schularbeit bzw. eines Tests“ (je 46 Prozent). Es folgen „Weil meine Freunde das auch machten“ (33 Prozent), „Nicht Zurechtkommen mit Lehrer“ (31 Pro zent), „Hausaufgabe nicht gemacht“ (22 Prozent) und „Weil meine Eltern das so wollten“ bzw. „Weil ich von Mitschülern gehänselt/geärgert wurde“ (je acht Pro-zent). Vier Prozent beriefen sich auf Gewaltandrohungen von anderen Schülern, drei Prozent auf „Geld verdienen/Arbeiten für die Familie“. (Der Standard, 16. März 2007; Text gekürzt)

Textbedeutung entsteht durch das lesende Individuum

50 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Text 2:

Abschied von Fritz Strobl

Umarmungen, Glückwünsche, Küsschen rechts und links und ein großes „Du wirst uns fehlen!“ von Teamkollegen, Konkurrenten, Trainern, Fans und Medienleuten hat Fritz Strobl mit auf den Weg bekommen. Der Abfahrts-Olympiasieger von 2002 ver-abschiedete sich am Donnerstag mit einer wunderbaren Einlage vom alpinen Ski-Zirkus. Im Rahmen des Weltcup-Finales auf der Lenzerheide schwang er als Mozart die Super-G-Piste herunter. „Das ist der größte Tag heute für mich, weil so viele Emo-tionen frei werden“, sagte der 34-jährige Kärntner Polizist gerührt. (Der Standard, 16. März 2007)

Oberflächenstruktur und Leseleichtigkeit

Die quantitative Analyse der beiden Texte ergibt folgende Werte:

�� Text 1 besteht aus 17 Sätzen mit 241 Wörtern, von denen 162 unterschiedlich sind, d. h., 79 Wörter werden öfter als einmal verwendet.

�� Text 2 besteht aus 5 Sätzen mit 83 Wörtern, von denen 71 unterschiedlich sind, d. h. 12 Wörter werden öfter als einmal verwendet.

Untersucht man diese beiden Texte mit der Lesbarkeitsformel von Flesch, ergibt sich für Text 1 der Flesch-Index 32, für Text 2 der Flesch-Index 42, was bedeutet, dass Text 2 ein-facher zu lesen sein sollte als Text 1.

Inhaltliche Textanalyse

Beide Texte sind meines Erachtens auch für Schüler/innen einer 8. Schulstufe relativ all-tagsnah. Sowohl das Schuleschwänzen als auch österreichische Schierfolge und Schistars im Weltcup sind Allerweltsthemen, denen Schüler/innen wohl häufig in ihrem Alltag begeg-nen und mit denen sie sich (im Falle des Schwänzens hoffentlich nicht zu intensiv) auch beschäftigen.

Strukturelle und lexikalische Textanalyse

Text 1 weist etwas längere Sätze auf als Text 2, d. h., die Syntax in diesem Text ist komplizier-ter und damit auch schwieriger zu verstehen. Einige Wörter in Text 1 (signifikant etc.) könnten schwächeren Leserinnen und Lesern eventuell Schwierigkeiten bereiten.

Einschätzung der Texte hinsichtlich Schwierigkeitsgrad

Text 1 ist länger, enthält etwas längere Sätze und einige Fremdwörter. Text 2 ist kürzer, enthält etwas kürzere Sätze und weist keine vermutlich problematischen Wörter auf. Text 2 lässt also einen geringeren Schwierigkeitsgrad vermuten als Text 1.

Zur Einschätzung von Texten mit Hilfe der Flesch-Formel ist unbedingt anzumerken, dass die Formel zwar Anhaltspunkte für Informationstexte bietet, zur Einschätzung von fiktionalen (literarischen) Texten jedoch nicht geeignet ist.

Analyse von Informationstexten

Analyse fiktionaler Texte

Schwierigkeit von Texten und Leseaufgaben 51

Zwei kurze Textbeispiele sollen dies illustrieren:

Text 3:

Der Rabe und der Fuchs (Gotthold Ephraim Lessing) Ein Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleisch, das der erzürnte Gärtner für die Katzen seines Nachbarn hingeworfen hatte, in seinen Klauen fort. Und eben wollte er es auf einer alten Eiche verzehren, als sich ein Fuchs herbeischlich und ihm zurief: „Sei mir gesegnet, Vogel des Jupiter!“

„Für wen siehst du mich an?“ fragte der Rabe. „Für wen ich dich ansehe?“ erwiderte der Fuchs. „Bist du nicht der rüstige Adler, der täglich von der Rechten des Zeus auf diese Eiche herabkommt, mich Armen zu speisen? Warum verstellst du dich? Sehe ich denn nicht in der siegreichen Klaue die erflehte Gabe, die mir dein Gott durch dich zu schicken noch fortfährt?“ Der Rabe erstaunte und freute sich innig, für einen Adler gehalten zu werden. „Ich muß“, dachte er, „den Fuchs aus diesem Irrtum nicht bringen.“ Großmütig dumm ließ er ihm also seinen Raub herabfallen und flog stolz davon. Der Fuchs fing das Fleisch lachend auf und fraß es mit boshafter Freude. Doch bald verkehrte sich die Freude in ein schmerzhaftes Gefühl: Das Gift fing an zu wirken, und er verreckte.

Möchtet ihr euch nie etwas anderes als Gift erloben, verdammte Schmeichler! (Lessing, 1759/1965)

Die Analyse dieser Fabel nach der Flesch-Formel ergibt folgende Werte: Der Text besteht aus 17 Sätzen mit 195 Wörtern, davon 126 verschiedene. Insgesamt besteht der Text aus 271 Silben. Das ergibt einen Flesch-Wert von 78.

Text 4:

Kleine Fabel (Franz Kafka)

„Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“ – „Du mußt nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie. (Kafka, 1920/1977)

Die Analyse dieser Fabel nach der Flesch-Formel ergibt folgende Werte: Der Text besteht aus 3 Sätzen mit 81 Wörtern, davon 60 verschiedene. Insgesamt besteht der Text aus 100 Silben. Das ergibt einen Flesch-Wert von 75.

Im Vergleich mit den beiden zuvor zitierten Gebrauchstexten ist der Flesch-Wert bei-der literarischer Texte extrem hoch, d. h., es wird suggeriert, dass diese Texte wesentlich leichter lesbar seien als die Zeitungsmeldungen. Natürlich ist die Oberflächenstruktur beider Fabeln – wie aus der Berechnung mit der Flesch-Formel ersichtlich wird, sehr einfach. Was die Flesch-Formel jedoch nicht leistet, wird an diesen beiden Fabeltexten auch ganz klar: Die

52 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Tiefenstruktur von Texten, ihre Polysemie, ihre inhaltliche Vielschichtigkeit, die „Bedeutungen zwischen den Zeilen“, alle Kriterien, die eben die Qualität literarischer Texte ausmachen, wer-den durch die Flesch-Formel nicht erfasst.

An der Textoberfläche ist die Kleine Fabel von Kafka ein extrem einfaches Konstrukt. Unter der Oberfläche jedoch – dort, wo die Interpretation beginnt – wird dieser Text sehr kom-plex, vielschichtig und damit schwer verständlich. Mit diesen beiden fiktionalen Textbeispie-len sollte ganz deutlich werden, dass man sich auf eine Flesch-Formel-Berechnung nur bei Gebrauchstexten stützen sollte und dass diese Berechnung immer nur ein erster Ausgangs-punkt zu einer realistischen Einschätzung von Textschwierigkeit sein kann.

Einen interessanten Ansatz zur Einschätzung der Textschwierigkeit von Gebrauchstexten (über die oben genannten Kategorien hinaus) bietet das Analyseschema von Heiner Willen-berg (2005, S. 95), das hier vereinfacht wiedergegeben wird:

�� Satzlänge im Drei-Sekunden-Fenster (Lesedauer) �� Wortschatz gegliedert nach: Basiswörtern, Abstrakta, Konkreta und Fachwörtern �� Einsatz der Konjunktionen (neben- oder unterordnend) �� Redundanz (Wiederaufgreifen von bereits gegebenen Informationen) und inhaltliche Ver-

weise �� Vorhandensein von konkreten Personen, Handlungen, Emotionen

Analysiert man Texte anhand dieser Kategorien, erhält man auch eine realistische Einschät-zung der Schwierigkeiten eines Textes, die die Textauswahl für den Deutschunterricht erleich-tern kann.

2 Schwierigkeitsgrad von Leseaufgaben

Leseaufgaben können auf unterschiedlichen Anspruchsniveaus gestellt werden. Dazu ein Beispiel:

Text 5:

Cäsars letzte Tage

Jeder kennt Cäsar, den mächtigen Feldherrn und Kaiser des alten Rom. Aber nie-mand, der ihn als Teenager kannte, hätte Gaius Julius Cäsar zugetraut, jemals eine so große Nummer zu werden. Immerhin steckt bis heute der Name Cäsar im russischen Herrschertitel Zar und im deutschen Wort Kaiser. In jungen Jahren war Cäsar einfach nur ein fauler Pinkel aus gutem Haus. Und er amüsierte sich königlich. Was man heute eine fette Party nennt, gab es auch schon im Jahr 80 vor Christus – damals hieß es „Gelage“. Dafür war der junge Cäsar bekannt, und für seinen protzigen Le-bensstil und seinen großen Haufen Schulden. Kaum etwas deutete in seinen ersten dreißig Lebensjahren darauf hin, dass es später einmal viel über ihn in Geschichts-büchern zu büffeln geben würde. Eines Tages machte es klick! Plötzlich war bei Cäsar Schluss mit lustig. Im Jahre 69 vor Christus, im Alter von 31 Jahren, rüttelte etwas seinen Ehrgeiz wach. Cäsar hört von Alexander dem Großen, einem griechischen Feldherren, der sich in nur 33 Lebensjahren auf blutige Weise ein ganzes Weltreich erkämpft hatte. Ein Geschichtsschreiber berichtet: „In Spanien las Cäsar einmal, als er eine freie Stunde hatte, in dem Buch über Alexander den Großen. Daraufhin ging er lange Zeit in sich und weinte. Seine Freunde waren erstaunt über sein Verhalten und fragten nach dem Grund seiner Tränen. Er sagte: „Ist es denn kein Grund zum

Schwierigkeit von Texten und Leseaufgaben 53

Weinen, wenn Alexander in meinem Alter schon über ein ganzes Reich herrschte, während ich noch gar nichts erreicht habe?“ So wie Alexander wollte Cäsar auch werden. Mächtig, bewundert – und reich! Zunächst heiratete er Pompeia, eine sehr wohlhabende Politikertochter. Ihr Reichtum war sein Ticket zur Macht. Er erlangte das bedeutende Amt des Pontifex maximus, des Oberpriesters von Rom. Bald zog Cäsar als Kriegsherr von einer Schlacht zur anderen. Einen seiner Feinde, Pompeius, verfolgte Cäsar bis nach Ägypten. In der afrikanischen Wüste ließ er ihn ermorden. Die Bluttat war schnell erledigt, und so blieb dem heißblütigen Römer noch Zeit für ein Treffen mit der sagenumwobenen Kleopatra. Die beiden hatten ein heftiges Lie-besabenteuer – und neun Monate später einen gemeinsamen Sohn. Cäsar kehrte mit von Stolz geschwellter Brust nach Rom zurück. Er hielt sich für unbesiegbar. Doch während er seinen nächsten gewaltigen Kriegszug plante, erhielt er mehrere Warnungen vor einer Verschwörung gegen ihn. Cäsar konnte einfach nicht glauben, dass die Römer es wagen würden, ihn, den Imperator, zu ermorden. Gefangen in seinen Plänen zur Welteroberung überhörte er alle Alarmglocken. Cäsar schlug auch die Vorahnungen seiner Frau in den Wind und lehnte sogar eine Leibwache ab. Die Bürger von Rom trauten dem inzwischen allmächtigen Herrscher längst nicht mehr. Sie hatten Angst um ihren Staat, denn der war für sie „res publica“, also Sache des Volkes. Und nicht einzig Cäsars Angelegenheit. Auf keinen Fall sollte ein Einzelner alle Macht innehaben. Cäsar jedoch schien das unumschränkte Herrschen zu gefallen: Er war gierig nach Macht. Das war sein Todesurteil. Am 15. März 44 vor Christus war eine Senatssitzung angesagt. Bei diesem Treffen sollte das Attentat auf den Diktator Julius Cäsar erfolgen. Cäsars Frau riet ihm, die Sitzung abzusagen. Er fühlte sich aufgrund einer Magenverstimmung schlapp, außerdem zehrten die anstrengenden Staatsgeschäfte an dem Imperator. Bilder auf Münzen des Jahres 44 zeigen Cäsar als gealterten Mann mit kahlem Haupt. Gut, dass es dem Cäsaren gestattet war, zu jeder Gelegenheit den Lorbeerkranz zu tragen – so konnte er zumindest seine Glatze verdecken. Brutus, einem der Attentäter, gelang es, Cäsar zum Erscheinen im Senat zu überreden. Nachdem der Herrscher Platz genommen hatte, umstellten ihn vor Beginn der Verhandlungen die Gegner unter einem Vorwand. Sobald die Verräter ihrer Sache sicher waren, zückten sie die Dolche. Dreiundzwanzigmal getroffen brach Cäsar lautlos zusammen und starb auf dem Höhepunkt seiner Macht. (Topic, 2006)

Flesch-Wert: Der Text besteht aus 52 Sätzen mit 619 Wörtern, von denen 368 unterschied-lich sind. Das ergibt einen Flesch-Wert von 55. Zwei Aufgaben zu diesem Text:

Aufgabe 1:

Cäsars Herrschaftszeit

ORDNE ZU.

Cäsar erfährt von Alexander dem Großen. Er merkt, dass er in seinem bisherigen Leben nichts erreicht hat.

Cäsars Jugend Einer von Cäsars Gefolgsleuten plant mit weiteren Verbündeten den Mord an Julius Cäsar.

Der geplante Anschlag Cäsar gewinnt an Macht. Er versucht die ganze Welt zu beherrschen.

Cäsar ändert seine Ansichten

Cäsar feiert die Feste, wie sie fallen. Er verschwendet keinen Gedanken an Arbeit oder Karriere.

54 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Aufgabe 2:

(Die Schüler/innen erhalten dazu den oben abgedruckten Text aus dem Topic – eben-falls ohne Absätze.)

Lies den Text „Cäsars letzte Tage“. Gliedere diesen Text in vier Abschnitte und teile den Absätzen jeweils eine der folgen-den Überschriften zu:

�� Cäsars Jugend �� Cäsar ändert seine Ansichten über das Leben �� Cäsars Herrschaftszeit�� Der geplante Anschlag

Auf den ersten Blick wird klar, dass die Aufgabe 1 einfacher ist, weil sie den Schülerinnen und Schülern nur eine einzelne Tätigkeit abverlangt, und zwar die Zuordnung eines Satzes zu einem passenden Titel, der diesen Satz subsumiert. Aufgabe 2 hingegen verlangt eine komplexere Tätigkeit: Die Schüler/innen müssen zur Lösung dieser Aufgabe in mehreren Schritten vorgehen:

�� Zuerst müssen sie den (langen) ungegliederten Topic-Text lesen. Dieses Lesen wird erschwert durch die unstrukturierte Textform ohne Absätze.

�� Dann müssen sie in einem zweiten Schritt überlegen, an welchen Textstellen inhaltliche Einschnitte auftreten.

�� Als dritten Schritt müssen sie nun die vorgegebenen Überschriften den gefundenen Text-teilen zuordnen.

Das ist insgesamt also eine schon recht komplexe Operation, die ungeübte Leser/innen viel-leicht überfordert.

Der Schwierigkeitsgrad oder das Anspruchsniveau von Aufgaben zum Leseverstehen wird in unterschiedlichen Kompetenz- bzw. Standardmodellen oder durch unterschiedliche For-schungszugänge zum Lesen auch unterschiedlich definiert.

Dazu einige Beispiele:

Die Studie Deutsch-Englisch-Schülerleistungen International (DESI), die vom Deutschen Ins-titut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) durchgeführt wird, unterscheidet beim Leseverstehen vier Kompetenzniveaus:

1. Identifizierende Lektüre: z. B. durch die Frage „Wovon handelt der Text?“2. Fokussierte Lektüre: z. B. durch die Frage nach Einzelinformationen in einem Text 3. Verknüpfende Lektüre: z. B. durch das Klären von Kausalitäten oder Zusammenhängen zwischen zwei unterschiedlichen Stellen eines längeren Textes4. Auswerten mentaler Modelle: z. B. durch das Erkennen von Anspielungen oder Wort - spielen

Das Schweizer Stellwerk1, das mit dem Züricher Kompetenzzentrum für Leistungsmessung zusammenarbeitet und zentrale Testungen für Deutsch, Englisch, Französisch, Natur und

1 „Stellwerk ist ein Produkt des Kantonalen Lehrmittelverlages St. Gallen und wird von einer Aufsichtskommission unter der Leitung des Erziehungsrates begleitet.“ (Stellwerk, o. J.)

Kompetenzmodelle

Schwierigkeit von Texten und Leseaufgaben 55

Technik sowie Mathematik erstellt, nennt in seinem Referenzrahmen Deutsch für die 8. Schul-stufe2 für den Teilbereich Lesen und Verstehen 21 Can-do-Beschreibungen, die einerseits im Schwierigkeitsgrad dadurch ansteigen, dass die Aufgaben immer komplexer werden, sich andererseits aber inhaltlich so stark voneinander unterscheiden, dass sie keinen „Niveau-stufen“ mehr zugeordnet werden können.

Die österreichischen Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe schreiben dem Kompetenz-bereich Lesen vier Teilbereiche zu, die auf den ersten Blick nicht nach Niveaustufen geglie-dert, aber in ihrer Reihenfolge einem didaktisch-methodisch gesicherten Unterrichtsverlauf angepasst sind.

Die österreichischen Kompetenzfelder zum Kompetenzbereich Lesen lauten:

�� Ein allgemeines Verständnis des Textes entwickeln�� Explizite Informationen ermitteln�� Eine textbezogene Interpretation entwickeln�� Den Inhalt des Textes reflektieren

Diese Kompetenzen sollten schrittweise aufgebaut werden, d. h., ein Text sollte zunächst in groben Zügen inhaltlich und formal erschlossen, dann in allen Einzelheiten verstanden werden. Daraufhin kann man darangehen, den nun bearbeiteten Text zu interpretieren bzw. zu reflektieren.

Diese methodische Reihung ergibt in der Unterrichtspraxis Anspruchsniveaus, die kontinu-ierlich ansteigen, also von einfacheren Aufgaben ausgehen und zu komplexeren Aufgaben-stellungen überleiten.

Für eine kompetenzorientierte Entwicklung des Leseverstehens wird es im Deutschunter-richt notwendig sein, sowohl die Lesetexte als auch die dazu gestellten Aufgaben in ihren Schwierig keitsgraden an die Bedürfnisse einzelner Klassen oder Lerngruppen anzupassen.

3 Texte anpassen bzw. vereinfachen

Wenn wir einen Text, den wir im Unterricht einsetzen möchten, als zu schwierig erachten (zu einer solchen Einschätzung kommen wir z. B. auf Grund der ermittelten Flesch-Formel oder auf Grund unserer Erfahrung im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern einer Klasse), haben wir mehrere Möglichkeiten der Textvereinfachung. Einige davon seien hier (ohne An-spruch auf Vollständigkeit) kurz erwähnt:

� schwierige Wörter bzw. Fremdwörter eliminieren oder erklären (Randnotiz, Fußnote, Wörte rbuch)

� syntaktische Muster so einfach wie möglich gestalten, d. h. keine Schachtelsätze, zu lange Satzgefüge in mehrere Einzelsätze auflösen

� die Lesbarkeit des Textes unterstützen durch die Wahl größerer Schrifttypen, durch Ab-sätze, durch Hervorhebungen (unterstreichen, Fettdruck), durch Zwischenüberschriften

� lange Attributionen auflösen: entweder streichen oder umgestalten

2 Verfügbar unter http://www.stellwerk-check.ch/Uploads_Cymos/UploadedDocuments/178_Document.pdf [25.02.2011].

Möglichkeiten der Textvereinfachung

56 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Dazu ein Beispiel:

Text 6:

König der Nacht und Sorgenkind:Der Uhu ist „Vogel des Jahres 2005“

Der Deutsche Bund für Naturschutz hat den Uhu zum „Vogel des Jahres 2005“ gekürt. Europas größter Eule ist in Oberösterreich ein eigenes Monitoring-Projekt gewidmet.

Für die vom Ornithologen Gernot Haslinger (66) koordinierte Eulenschutzgruppe des Landes genießt der König der Nacht Priorität. Der Uhu gilt bei uns als „potenziell gefährdet“, er steht unter Naturschutz.

79 Brutpaare haben die 37 Mitarbeiter der Eulenschutzgruppe heuer in Oberöster-reich nachgewiesen, 49 Bruterfolge waren zu verzeichnen. Die Verbreitungsschwer-punkte liegen im östlichen und westlichen Mühlviertel.

Schon jetzt kann man in den Wäldern die dumpfen „Buhoo“-Rufe hören: Die Herbst-balz hat begonnen. Hochsaison der Uhu-Liebe ist Jänner bis März. Die Brut wird in Felsnischen angelegt. Die Partner scharen eine Mulde in den Boden, in die das Weib-chen bis zu vier weiße Eier legt.

Die Hauptbeute des Uhus ist der Igel, er greift aber auch Niederwild und macht sich als Mausvertilger nützlich. Auf die Jagd geht er in der Dämmerung. Unsere technisierte Welt hält für den massiven Nachtgreif große Gefahren bereit. Viele Uhus enden in Stromleitungen. Brütende Weibchen werden von Mountain-Bikern, Bergwanderern und Schwammerlsuchern verscheucht.

Bei der Neutrassierung von Forststraßen hat die Eulenschutzgruppe ein Mitsprache-recht. „So konnten wir die Verlegung der Trasse auf dem Zeißberg bei Neumarkt erreichen und dort ein Uhu-Paar retten“, sagt Haslinger. (Oberösterreichische Nachrichten, 11. Oktober 2004)

Dieser Zeitungstext ist wohl in erster Linie dadurch schwierig, dass er ziemlich viele Fremd-wörter beinhaltet.

Im Folgenden eine Übersicht über die lexikalischen Textschwierigkeiten in den ersten beiden Absätzen – die Fremdwörter:

�� Monitoring-Projekt�� Ornithologe�� koordiniert�� Priorität�� potenziell gefährdet

Zudem ist der Text auch in seiner Syntax relativ komplex. Dazu ein Beispiel aus dem zweiten Absatz mit einem längeren Attribut:

„Für die vom Ornithologen Gernot Haslinger (66) koordinierte Eulenschutzgruppe des Landes [...]“

Schwierigkeit von Texten und Leseaufgaben 57

Die Textanpassung bzw. -vereinfachung dieser Passage könnte demnach etwa lauten:

„[...] Deshalb wurde in Oberösterreich mit einem Überwachungsprojekt für den Uhu, die größte Eule Europas, begonnen. Die Eulenschutzgruppe des Landes, die vom Vogelkundler Gernot Haslinger (66) geleitet wird, stellt daher den König der Nacht in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten. Der Uhu steht bei uns unter Naturschutz, weil er vom Aussterben bedroht ist.“

Natürlich ist diese Art der Textanpassung auch eine vorweggenommene inhaltliche Deutung. Wenn wir aber diesen Text in einer Klasse einsetzen wollen, obwohl wir wissen, dass Schü-ler/innen damit vermutlich größere Verständnisschwierigkeiten haben werden, wird es ratsam sein, eine derartige Textanpassung vorzunehmen, bevor wir die Leseaufgaben zum Text kon-zipieren.

4 Aufgaben im Schwierigkeitsgrad variieren

Nicht immer sind es die Texte, die Schüler/innen bei Leseaufgaben scheitern lassen – oft sind es auch die Aufgabenstellungen, an denen die Lösung scheitert, obwohl ein Text verstanden wird.

Dazu ein Beispiel für eine komplexe Aufgabenstellung mit hohem Anspruchsniveau:

Aufgabe:

Lies den Abschnitt A Altersspezifische Unterschiede im Freizeitverhalten genau. Studiere die Tabelle und entscheide dich im Text unter der Tabelle für die richtige Antwort. Streiche die falschen Antworten durch.

A. Altersspezifische Unterschiede im Freizeitverhalten

„Geben Sie bitte an, ob Sie das in ihrer Freizeit sehr häufig oder zumindest häufig tun.“

Aktivität Alter 14/15 Alter 18/19 Alter 22/23

Videospiele 34 14 10

Selbst Sport betreiben 65 52 47

Leute kennen lernen 57 59 50

Mit Freunden diskutieren 64 65 78

Eltern 51 25 24

Kino 47 38 34

Fernsehen/Videofilme 83 72 69

Diskotheken besuchen 17 61 30

Auf Partys gehen 40 59 41

Besuch von Lokalen 44 76 73

Tabelle Altersspezifische Unterschiede im Freizeitverhalten (n = 2.000, Angaben in Prozent). Zitiert und verän-

dert nach Fessel-GfK – Institut für Marktforschung (1997)

Die Art und Weise der Freizeitgestaltung ändert sich im Laufe der Jugendzeit kaum / öfter. Nach einer Phase der hauptsächlich familiären Gestaltung der Freizeit tritt anschließend die geringere / größere Bedeutung des Freundeskreises heraus und

58 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

wird schließlich durch gänzlich geänderte Formen der Freizeitaktivitäten im jungen Erwachsenenalter abgelöst. So nimmt der Besuch von Partys / die Beschäftigung mit Videospielen mit zunehmendem Alter stetig ab. Der Besuch von Lokalen ist inte-ressanterweise im Alter zwischen 18 und 19 / 22 und 23 am verbreitetsten. Dies gilt auch für den Besuch von Partys / Kinovorstellungen. Die Ausübung von Sport nimmt mit wachsendem Alter kontinuierlich zu / ab.

Die Leseaufgabe zum obigen Text besteht aus mehreren Schritten, die nacheinander ge-setzt werden müssen, um zur gewünschten Lösung zu kommen. Diese Komplexität ergibt ein hohes Anspruchsniveau. Die Schritte, die zur Lösung führen, sollen nun der Reihe nach aufgeführt werden:

1. Genaues Lesen der Tabelle mit den Prozentzahlen 2. Genaues Lesen des zusammenfassenden Textes unter der Tabelle 3. Vergleichen der Informationen in beiden Texten 4. Vergleichen der Benennungen in der Tabelle mit den Phrasierungen im zusammenfas-

senden Kommentar 5. Ständiges Hin- und Herspringen in der Tabelle auf Grund der unterschiedlichen Textrei-

henfolge im Kommentar 6. Entscheidung für jeweils eine der angegebenen Lösungsmöglichkeiten

Es gibt mehrere Möglichkeiten zur Adaptierung dieser schwierigen Aufgabe, die im Folgen-den kurz skizziert werden (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

1. Der zusammenfassende Kommentar bezeichnet höhere oder niedrigere Prozentwerte in der Tabelle oberhalb mit immer derselben Phrasierung, z. B. „Der Prozentsatz der Jugendlichen steigt/fällt“.

2. Im zusammenfassenden Kommentar werden die Benennungen aus der Tabelle wortwörtlich übernommen und nicht paraphrasiert, z. B. „Videospiele und Auf-Partys-Gehen“ statt „Der Besuch von Partys und die Beschäftigung mit Videospielen“.

3. Kommentierungen zu den einzelnen Punkten werden in derselben Reihenfolge abgege-ben, wie sie in der Tabelle aufscheinen.

4. Die Kommentierung wird auf einige Elemente beschränkt, d. h., der Kommentartext wird gekürzt, um das Auffinden der Details in der Tabelle zu erleichtern.

5 Anpassung von Text und Leseaufgabe

Weitere Möglichkeiten der Adaptierung beschränken sich nicht nur auf die Veränderung der Aufgabe, sondern zusätzlich auch auf eine (parallel dazu durchgeführte) Veränderung des Ausgangstextes.

Wiederum beispielhaft (und unvollständig) dazu einige Vorschläge:

1. Weniger Elemente, d. h. nur jene Elemente in der Tabelle anführen, die im Text darunter auch kommentiert werden. 2. In der Tabelle nur Elemente angeben, die sich durch eine klare Steigerung oder Verringe- rung der Prozentsätze (mit zunehmendem Alter) auszeichnen. 3. Die Tabelle auf zwei Altersgruppen reduzieren.

Schwierigkeit von Texten und Leseaufgaben 59

Zusammenfassend eine systematische Darstellung einiger Möglichkeiten zur Text- und Auf-gabenadaptierung (beispielhaft, ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Schwierigkeiten von Texten

Anpassungen von Texten

Schwierigkeiten von Aufgaben

Anpassungen von Aufgaben

längerer ungegliederter Text

Text in Absätze/Paragraphen auf-teilen, eventuell Zwischenüber-schriften einfügen

syntaktisch komplizierte Arbeitsanweisung

Formulierung der Aufgabe in Haupt-satzform

unbekannte Wörter/Fremd-wörter

Wörter ersetzen, nachschlagen (lassen), Synonym an den Rand schreiben

Aufgabe umfasst mehrere Arbeits-schritte

für jeden Arbeitsschritt einen Anweisungssatz formulieren, Anweisungen durchnummerieren

komplizierte Satzglieder

lange Attributekürzen, vereinfachen, entfernen

Aufgabe umfasst die Bearbeitung mehrerer Ausgangstexte

in den Anweisun-gen die einzelnen Arbeitsschritte, die zur Bearbeitung der jeweiligen Texte notwendig sind, detailliert auf-führen (syntaktisch möglichst einfach)

komplexe Satzstrukturen

Sätze kürzen, Gliedsätze auflö-sen

Aufgabe sokomplex, dass die Anweisung nicht wirklich einfach formuliert werden kann

Anweisung sehr kurz halten – die erste Antwort zur Aufgabe als Modell beispielhaft anführen

Abschließend soll noch festgehalten werden, dass die vorgestellten Maßnahmen zur Text- und Aufgabenanpassung selbstverständlich auch dafür geeignet sind, Texte und Auf-gabenstellungen aus in einer Schulklasse verwendeten Sprach- und Übungsbüchern für eine spezifische Gruppe von Schülerinnen und Schülern maßgeschneidert und individuell auf-zubereiten.

Übersicht

60 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

6 Literatur

Bachmann, C. (2009). Die Flesch-Formel. Verfügbar unter http://www.leichtlesbar.ch/html/fleschformel.html [25.02.2011].

Der Standard. Tageszeitung. 16. März 2007. Wien.

Kafka, F. (1920/1977). Kleine Fabel. Verfügbar unter http://gutenberg.spiegel.de/archiv/ kafka/fabeln/kleinefb.xml [25.02.2011].

Klein, H. (2002). Lesbarkeit und Verständlichkeit von Texten (Teil 1). Verfügbar unter http://www.doku.net/artikel/lesbarkeit.htm [25.02.2011].

Köster, J. (2005). Wodurch wird ein Text schwierig? Ein Test für die Fachkonferenz. In Deutsch-unterricht 5. S. 34–39. Verfügbar unter http://bildungsstandards.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/bss.bildung-rp.de/studmat/Deutsch/Artikel_zu_5a_Wodurchwird_Koester.pdf [25.05.2011].

Lessing, G. E. (1759/1965). Der Rabe und der Fuchs. Verfügbar unter http://gutenberg. spiegel.de/buch/1184/41 [31.03.2011].

Oberösterreichische Nachrichten. 11. Oktober 2004. Linz.

Stellwerk. Weichen stellen für die Zukunft. Verfügbar unter http://www.stellwerk-check.ch [25.02.2011].

Topic. Das junge Magazin. Heft 179. 11/2006.

Willenberg, H. (2005). Ein handhabbares System, um Textschwierigkeiten einzuschätzen. Vorschläge für eine Textdatenbank von Sachtexten. In Fix, M. & Jost, R. (Hrsg.). Sachtexte im Deutschunterricht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. S. 95–106.

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 61

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz

1 Lesestrategien und Leseprozess

Textverständnis basiert auf einem Zusammenwirken von Leserin/Leser, Text und Kontext. Sinnerfassendes Lesen ist in diesem Prozess einerseits lesergeleitet und andererseits text-geleitet.

Lesergeleitetes Lesen (Hineinlesen) bedeutet, dass Leser/innen den Sinn eines Textes kon-struieren, indem sie auf ihr im Gedächtnis bereits vorhandenes Wissen zurückgreifen, und zwar auf Wissen über Textsorten, auf Welt- und Fachwissen und auf sprachliches Wissen wie Wort- und Satzidentifikation, Sprachverwendung und Mittel der Textkohärenz.

Textgeleitetes Lesen (Herauslesen) bedeutet, dass Leser/innen die im Text steckenden Po-tenziale und Informationen erkennen und ausschöpfen können. Insbesondere die Standards 19 und 20 zielen auf diese Kompetenzen ab.

Kompetenzbereich Lesen

Explizite Informa-tionen ermitteln

19. Schüler/innen können zentrale und detaillierte Informationen in unterschiedlichen Texten und Textabschnitten finden

20. Schüler/innen können Informationen aus Grafiken, Tabellen, Schaubildern und Bild-Text-Kombinationen ermitteln

Es geht im Leseprozess also um „Konstruktion der Bedeutung“ ebenso wie um „Bedeu-tungsentnahme“, keinesfalls sind die beiden Modelle „unverträglich“ (Bremerich-Vos & Wieler, 2003, S. 15).

Natürlich ist die Frage „Gibt es überhaupt lesespezifische Fähigkeiten, die sich von inhalt-lichem Vorwissen säuberlich trennen lassen und die folglich auch separat geschult werden können?“ (ebd., S. 22) völlig berechtigt, doch muss sie klar verneint werden. Je größer das auf einen Text bezogene Vorwissen ist, desto leichter fallen Identifikation und Einordnung von Detailinformationen, Bildung von Inferenzen (d. h. die Überbrückung von Leerstellen) und Erarbeitung von unbekannten Wörtern und Phrasen. Nur mit einem entsprechenden inhaltli-chen Vorwissen kann brauchbares Textverständnis erzielt werden (vgl. Richter & Christmann, 2002, S. 48). Dies ist ein weiteres Argument für die verstärkte Beachtung der Entwicklung der Lesekompetenz im Fachunterricht. Es ist ebenso ein starkes Argument dafür, im Deutschun-terricht themenzentriert und fächerübergreifend zu arbeiten.

Trotzdem kann keinesfalls auf die Erarbeitung von Methodenkompetenz verzichtet werden. Auch wäre es ein Irrglaube, „durch universell einsetzbare Strategien bereichsspezifische Wis-sensbestände ersetzen zu können“ (Köster, 2003, S. 98), es geht vielmehr darum, die Er-kenntnisse über den Leseprozess für den Aufbau brauchbarer Texterschließungsmethoden zu nützen.

Herbert Staud

lesergeleitetes und textgeleitetes Lesen

62 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Abb. 1: Determinanten der Lesekompetenz (nach Bundesministerium für Bildung und Forschung [BMBF], 2007, S. 12): Lesestrategien gehören zur aktiven Selbstüberwachung der Leserin/des Lesers

2 Lesestrategien und Förderung des Lese­verstehens

Für den Unterricht ergeben sich aus den Erkenntnissen über den Leseprozess folgende Kon-sequenzen für den Umgang mit Texten:

� Den Schülerinnen und Schülern muss schon vor dem (informatorischen) Lesen bzw. im Zusammenhang mit der Aufgabe, für die sie Text(e) lesen, klar werden, was für Ziele mit einem Text verfolgt werden. Dem Leseziel entsprechend muss die Lesetechnik gewählt werden: orientierendes (= überfliegendes oder kursorisches) Lesen, suchendes (= selek-tives) Lesen, genaues Lesen oder navigierendes Lesen. Wenn Texte in einem größeren Themenzusammenhang eingebettet sind, sollten die Schüler/innen nach und nach ler-nen, die passende Lesetechnik auszuwählen. Wenn das Leseziel nicht explizites Thema des Unterrichts ist oder nicht aus dem unterrichtlichen Zusammenhang hervorgeht, sollte von den Unterrichtenden klargestellt werden, welche Absicht mit der Lektüre eines Textes verfolgt wird. Es ist nicht sinnvoll, Schüler/innen einen Text ohne Notwendigkeit vollstän-dig lesen zu lassen. Umgekehrt hat es keinen Sinn, es beim überfliegenden Lesen zu belassen, wenn es um das Herausarbeiten von wesentlichen Inhalten oder um das Ge-samtverständnis eines Textes geht. Eine adäquate Lesetechnik zu wählen bzw. sich eine solche zu überlegen, gehört daher auch zu den Lesestrategien.

→ Im Unterricht sind also „Herangehensweisen an das Lesen“ (Baurmann & Müller, 2005, S. 12) zu thematisieren.

� Vor der Detailarbeit an einem Text sollten grundlegende Fragen erarbeitet werden: � Handelt es sich um einen fiktionalen oder nichtfiktionalen Text? � Welchem Medium ist der Text zuzuordnen? � Handelt es sich um einen linearen Text oder einen nichtlinearen Text? � Welchem Fachgebiet ist ein Sachtext zuzuordnen? � Welches Hauptthema behandelt der Text?

Merkmale des Lesers/der LeserinVorwissen, lexikalischer Zugriff, Wortschatz,

Motivation, EinstellungenKenntnis von Textmerkmalen

Lernstrategiewissen

Beschaffenheit des TextesInhaltsorganisation und Strukturierung

(Kohärenz, Bilder/Diagramme,sequenzielles Arrangieren,

Vorwissenaktivierung)

LeseanforderungVerstehendes Lesen

Kritisches LesenReflexives LesenInvolviertes Lesen

Aktivitäten des Lesers/der Leserin

Adaptiver Einsatzvon Lesetrategien,

VerstehensüberwachungSelbstregulation

Leseziel und Lesetechnik

Entwicklung einer Gesamtvorstellung

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 63

Die Klärung dieser Fragen gehört zu den Lesestrategien; die Antwort auf diese Fragen bedingt wiederum den Einsatz ganz spezifischer Lesestrategien.

→ Um ein vertieftes Textverständnis anzubahnen, ist es notwendig, eine Vorstellung über die Gesamtbedeutung, das Hauptthema des Textes, zu entwickeln.

� Vor, mit und nach der Lektüre sollen die Schüler/innen ihr Vorwissen aktivieren. Mit Hilfe von zusätzlichen Verstehensimpulsen wie Textüberschrift, Zwischenüberschriften, Einlei-tung, zusammenfassendem (erstem oder letztem) Absatz, Nummerierung und Aufzäh-lungszeichen, typografischen Hervorhebungen (Schrifttypen, Schriftgröße, Schriftart), Illus trationen, Grafiken usw. soll eine Texterwartung aufgebaut und die Entwicklung eines mentalen Modells gefördert werden. Lesestrategien können das Vorwissen nicht erset-zen, sie können aber das Abrufen erleichtern, indem sie helfen, jene Signale im Text zu verstehen, die kundtun, welches Vorwissen gebraucht wird.

→ Sämtliche Textsignale sollten für das Leseverständnis aktiviert werden.

� Ideal ist es, von Bekanntem und Verstandenem auszugehen. Unbekannte Wörter und Phrasen sollten zunächst aus dem Kontext abgeleitet werden, bevor sie in weiterer Folge mittels Nachschlagewerken geklärt werden. Gerade diese Anforderungen können mit Lese strategien befördert werden.

→ Die Herangehensweise an einen Text sollte in erster Linie auf das Verstandene und nicht auf das Unverstandene abzielen.

� In weiterer Folge geht es um die Herausarbeitung von zentralen Aussagen des Textes, um das Auffinden von Einzelinformationen im Text und um das Verständnis der Verknüpfung dieser Informationen. Dazu gibt es eine Reihe von Lesestrategien, die die Schüler/innen im Lauf der Zeit erlernen sollen.

→ Die Methodenkompetenz zum informatorischen Lesen sollte kontinuierlich und nachhaltig gestärkt werden.

� Aufgaben und Übungen zum Erschließen von Sachtexten müssen sowohl von lesergelei-teten wie von textgeleiteten Zugängen getragen sein. Dies garantiert ein Textverständnis, das Informationsentnahme, Interpretation, Reflexion und Wertung umfasst. Lesestrate-gien sind eine Aktivität der Leser/innen.

→ Beim Verstehensprozess geht es um ein Wechselspiel von Konstruktion der Bedeutung und Bedeutungsentnahme. Die automatisierte, aber dennoch bewusste Selbstregulation der Leser/innen fördert die Sinnstiftung.

3 Lesestrategien und Verstehensüberwachung

In der aktuellen Forschung geht man davon aus, dass Lesestrategien konkrete Techniken darstellen, die das Verstehen und Behalten von Textinhalten erleichtern und dabei zielfüh-rend und flexibel vom Leser/von der Leserin eingesetzt werden können, zunehmend au-tomatisiert ablaufen, aber dennoch bewusstseinsfähig bleiben […]. (BMBF, 2007, S. 29)

Mit Lesestrategien sollen Schüler/innen über einen „mentalen Werkzeugkasten“ verfügen, aus dem sie je nach Lesesituation zunehmend automatisch das passende Instrument wählen und routinisiert anwenden. „Bei Bedarf können die Strategien aber wieder ins Bewusstsein gerückt und auf Nachfrage verbalisiert werden.“ (Rosebrock & Nix, 2008, S. 60)

Vorwissen

mentaler Werkzeugkasten

64 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Lesestrategien gehören damit zu den metakognitiven Strategien, die zur Verstehensüberwa-chung und Selbstregulation eingesetzt werden. Sie umfassen drei Komponenten (vgl. BMBF, 2007, S. 30):

1. Planung (Setzen von Lesezielen, Stellen von Fragen an den Text, Klärung von Verste-hensanforderungen eines Textes, Aktivierung des Vorwissens)

2. Überwachung (Kontrolle des eigenen Lesevorgangs, Selbstüberprüfung des Textver-ständnisses)

3. Regulation (Setzen von Maßnahmen, z. B. bewusster Einsatz von Lesestrategien, Anpassen von Lesegeschwindigkeit, um auftretende Probleme zu bewältigen)

Lesestrategien sollen von Schülerinnen und Schülern „bewusst gelernt und beim Lesen neuer Texte eigenständig angewendet werden“ (Frey, 2007, S. 188). „Sie sind bei guten Leser(inne)n weitgehend automatisiert und routinisiert, d. h. sie werden meist unbewusst und in der bestimmten Situation regelmäßig angewendet. Bei Bedarf können die Strategien aber wieder ins Bewusstsein gerückt und auf Nachfrage verbalisiert werden.“ (Rosebrock & Nix, 2008, S. 60) Gute Leser/innen zeichnen sich gerade auch durch den „Grad der Bewusstheit und Regulation des eigenen Leseprozesses“ (Frey, 2007, S. 189) aus.

Die Lesestrategien können folgendermaßen systematisiert werden (vgl. u. a. Baurmann, 2009, Rosebrock & Nix, 2008):

� Ordnende/reduktive Strategien: Der Text wird mittels Überschriften, Kernaussagen, Unterstreichungen, Markierungen, Marginalien etc. auf seine Kernaussagen reduziert, seine Struktur wird durch grafische Verfahren oder durch Kenntlichmachung sprachlicher Muster nachvollzogen.

� Elaborierende Strategien: Der Text wird mittels Erklärungen, Reformulierungen, Textde-signelementen, Recherchen, Textvergleichen etc. angereichert.

� Wiederholende Strategien: Der Text wird mittels erneuter Befassung, z. B. durch wie-derholte Lektüre (auch einzelner Passagen), Memorieren, Abschreiben etc., vertieft.

4 Lesestrategien und Aufgaben

Die folgende Aufstellung gibt einen Überblick über die gängigen Lesestrategien. Ziel ist es, dass die Schüler/innen mit der Zeit ein Repertoire an Methoden erwerben, auf das sie selbst-ständig zurückgreifen können. Selbstverständlich geht es nicht darum, für jeden Text mög-lichst viele Strategien einzusetzen, sondern es müssen die für jeden Text geeigneten gewählt werden. Die Überwachung des eigenen Leseprozesses erfordert dann Antwort auf die Frage „Welches ist die beste Lesestrategie für diesen Text und warum ist sie die beste Strategie?“ (Studienseminar Koblenz, 2009, S. 93).

Steigende Methodenkompetenz soll dazu beitragen, die von den Standards geforderte Lese-kompetenz nachhaltig aufzubauen.

Für den Einsatz im Unterricht verknüpft die folgende Übersicht die jeweiligen Lesestrategien mit den entsprechenden (Lese-)Standards.

Orientierendes Lesen

Lesestrategie Standard

Beachte die Überschrift und notiere, was dich wahrscheinlich in einem Text mit dieser Überschrift erwartet.

16

metakognitive Strategien

Systematik der Lese strategien

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 65

Diese Form des antizipierenden Lesens ist sowohl bei der Erschließung von Sachtexten als auch literarischen Texten möglich.

Insbesondere beim Recherchieren und Suchen sollte auf Grund der Überschrift und einiger folgender Stichwörter bzw. des Textanfanges relativ schnell eine Vorstellung des möglichen Textinhaltes aufgebaut werden.

Beispiel:

Aufgabe 1

Du möchtest im Internet für ein Referat über die „Geschichte des Pferdes“ recher-chieren. Dazu gibst du in eine Internetsuchmaschine den Begriff „Geschichte des Pferdes“ ein. Du erhältst folgende unten stehende Treffer. Lies dir die Trefferangaben möglichst rasch durch und kreuze an, ob der jeweilige Treffer für dich sehr brauchbar (b), weniger brauchbar (w) oder nicht brauchbar (n) erscheint.

Nr. Link b w n 1. Geschichte des Pferdes| Informationen zum Pferd

www.zentaurin.de/sites/Geschichte_des_Pferdes.html - Im Cache Geschichte des Pferdes, Informationen über Entstehung, Größe, Verhalten, Pferderassen etc., sowie die Mythologie und Geschichte des Pferdes finden Sie ...

2. Die Geschichte des Pferdes - Happy Horses RC Langenau eV www.happyhorseslangenau.de/geschichte.html - Im CacheDie Geschichte des Pferdes. Unser modernes Pferd stammt von dem sogenannten Eohippus, was "Pferd der Morgenröte" bedeutet, ab. Im Jahre1867 fand man ein ...

3. Hauspferd – Wikipedia de.wikipedia.org/wiki/Hauspferd - Im CacheDie enge Beziehung des Menschen zum Pferd hat dazu geführt, dass es in der Mythologie vieler ...

4. Geschichte des Pferdes, Urpferd, Przewalski-Pferde www.pferdetipps-fuer-kids.de/seite2.html - Im CacheDie Geschichte des Pferdes. ... willkommen. linie. Geschichte des Pferdes Körperbau + Sinnesorgane Verständigung Pferdetypen Pferderassen ...

5. Die geschichte eines pferdes... - YouTube www.youtube.com/watch?v=f16IMnWJTc06 Min. - 16. Juli 2009 - Hochgeladen von Rasoulmaiiengel BITTTE LESEN das erste lied heist 'Hope - Who am i to say';) und das 2 Yiruma - A River Flows In You # bevor ich wieder ...

6. die geschichte eines pferdes - YouTube www.youtube.com/watch?v=z1o837blFLk4 Min. - 2. Jan. 2011 - Hochgeladen von KLiiNGEL BITTE LESEN das ist eine wahre geschichte ich habe das pferd eingeritten (das auf dem ersten bild) und es hat wirklich immer alles ...

7. Pferde und Pferderassen - Evolution und Geschichte des Pferdes www.pferde-pferderassen.de/pferde-geschichte.php - Im CachePferde und Pferderassen - Die Evolution und die Geschichte der Pferde bis heute.

8. [PDF] Die Geschichte des Pferdes www.uni-koblenz-landau.de/ipz/doktorino2008/.../plura_saskia.pdfDateiformat: PDF/Adobe Acrobat - Schnellansicht 14. März 2008. Vorname: Saskia. Adresse: Herrenheeg 7. 56249 Herschbach. Universität Koblenz-Landau. Die Geschichte des Pferdes ...

9. [PDF] Die Geschichte des Pferdes www.lehrerweb.at/materials/gs/.../webs/pferdeweb/.../lesetextgeschichte.pdf Dateiformat: PDF/Adobe Acrobat - Schnellansicht Die Geschichte des Pferdes. Vor sehr langer Zeit, etwa 60 Millionen Jahren, lebte der Mensch noch lange nicht. Im. Unterholz der Urwälder lebte damals schon ...

10. Geschichte des Pferdes auf Pferdebriefmarken horstbison.de/ - Im CacheDarstellung der Geschichte des Pferdes in seiner vielfaeltigen Verwendung und philatelistische Umsetzung dieses Themas.

antizipierendes Lesen

66 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Aufgabe 2

Überlege, welche Inhalte dich wahrscheinlich auf der jeweiligen Internetseite erwarten und wer eventuell angesprochen werden soll (Zielgruppe).

Nr. Wahrscheinlicher Inhalt Mögliche Zielgruppe...

8 Universitätsarbeit aus Biologie? Veterinärmedizin? Studierende?...

Lesestrategie Standard

Überlege, was du zu dem Thema des Textes bereits weißt (z. B. durch ein Cluster).

14

Zur Übung kann man auch mit gezielten Fragen oder Multiple-Choice-Aufgaben das Vorwis-sen anwärmen (vgl. z. B. Egger, Habringer, Staud et al., 2007, S. 23).

Lesestrategie Standard

„Überfliege“ den Text und verschaffe dir einen ersten Überblick über seinen Inhalt, indem du dich auf Zwischenüberschriften und hervorgehobene Wör-ter/Phrasen und eventuell hervorgehobene Absätze konzentrierst.

14, 15, 16, 17, 18

Formuliere, was du bisher verstanden hast. 14

Hier gibt es die Methode, mit dem Bleistift zu lesen. Man fährt am Rand des Textes all jene Passagen nach, die man beim ersten Lesen zu verstehen glaubt.

Beispiel einer Aufgabenstellung:

� Nimm einen Bleistift in die Hand und lies den Text genau durch. � Streiche mit senkrechtem Strich am Rand die Stellen an, die du gut verstehst. � Wenn dein Text nach dem ersten genauen Lesen keinen vollständigen Bleistift-

rand hat, gibt es Stellen, die dir nicht ganz klar sind. � Lies diese unklaren Stellen ein zweites Mal – und zwar langsam und genau. Beim

zweiten Lesen versteht man meistens mehr!

(Bertschi-Kaufmann et al., 2007, S. 18)

Nr. Link b w n 1. Geschichte des Pferdes| Informationen zum Pferd

www.zentaurin.de/sites/Geschichte_des_Pferdes.html - Im Cache Geschichte des Pferdes, Informationen über Entstehung, Größe, Verhalten, Pferderassen etc., sowie die Mythologie und Geschichte des Pferdes finden Sie ...

2. Die Geschichte des Pferdes - Happy Horses RC Langenau eV www.happyhorseslangenau.de/geschichte.html - Im CacheDie Geschichte des Pferdes. Unser modernes Pferd stammt von dem sogenannten Eohippus, was "Pferd der Morgenröte" bedeutet, ab. Im Jahre1867 fand man ein ...

3. Hauspferd – Wikipedia de.wikipedia.org/wiki/Hauspferd - Im CacheDie enge Beziehung des Menschen zum Pferd hat dazu geführt, dass es in der Mythologie vieler ...

4. Geschichte des Pferdes, Urpferd, Przewalski-Pferde www.pferdetipps-fuer-kids.de/seite2.html - Im CacheDie Geschichte des Pferdes. ... willkommen. linie. Geschichte des Pferdes Körperbau + Sinnesorgane Verständigung Pferdetypen Pferderassen ...

5. Die geschichte eines pferdes... - YouTube www.youtube.com/watch?v=f16IMnWJTc06 Min. - 16. Juli 2009 - Hochgeladen von Rasoulmaiiengel BITTTE LESEN das erste lied heist 'Hope - Who am i to say';) und das 2 Yiruma - A River Flows In You # bevor ich wieder ...

6. die geschichte eines pferdes - YouTube www.youtube.com/watch?v=z1o837blFLk4 Min. - 2. Jan. 2011 - Hochgeladen von KLiiNGEL BITTE LESEN das ist eine wahre geschichte ich habe das pferd eingeritten (das auf dem ersten bild) und es hat wirklich immer alles ...

7. Pferde und Pferderassen - Evolution und Geschichte des Pferdes www.pferde-pferderassen.de/pferde-geschichte.php - Im CachePferde und Pferderassen - Die Evolution und die Geschichte der Pferde bis heute.

8. [PDF] Die Geschichte des Pferdes www.uni-koblenz-landau.de/ipz/doktorino2008/.../plura_saskia.pdfDateiformat: PDF/Adobe Acrobat - Schnellansicht 14. März 2008. Vorname: Saskia. Adresse: Herrenheeg 7. 56249 Herschbach. Universität Koblenz-Landau. Die Geschichte des Pferdes ...

9. [PDF] Die Geschichte des Pferdes www.lehrerweb.at/materials/gs/.../webs/pferdeweb/.../lesetextgeschichte.pdf Dateiformat: PDF/Adobe Acrobat - Schnellansicht Die Geschichte des Pferdes. Vor sehr langer Zeit, etwa 60 Millionen Jahren, lebte der Mensch noch lange nicht. Im. Unterholz der Urwälder lebte damals schon ...

10. Geschichte des Pferdes auf Pferdebriefmarken horstbison.de/ - Im CacheDarstellung der Geschichte des Pferdes in seiner vielfaeltigen Verwendung und philatelistische Umsetzung dieses Themas.

Erstverständnis

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 67

Wortverständnis im Kontext

Genaues Lesen, Unterstreichen, Markieren

Lesestrategie Standard

Lies den Text Absatz für Absatz gründlich durch und formuliere nach jedem Absatz Vermutungen, wie der Text im nächsten Absatz weitergehen könnte.

14, 16

Versuche die Bedeutung nicht verstandener Stellen (Wörter oder Wortgrup-pen) zu klären, indem du die vorangegangenen und die folgenden Sätze genau durchliest.

24

Folgende Handlungen können im Umgang mit unbekannten oder fremden Wörtern und Phrasen gesetzt werden:

� Stolpert man über unbekannte Wörter und Phrasen, wird der Text erst einmal weitergele-sen. Mitunter folgt noch eine Erklärung oder die Wiederaufnahme des Begriffs durch ein Synonym oder Umschreibungen. Oft finden sich solche Ersatzformen und Umschreibun-gen auch schon vor der Nennung des unverständlichen Begriffs. Daher sollte auch der Absatz davor noch einmal gelesen werden. Manchmal hilft auch die Suche nach Antony-men.

� Zur Unterstützung dient die Aufgabe, jene Stellen im Text zu suchen und zu markieren, durch die sich unklare Wörter möglicherweise erklären lassen. (Wie das Vor- und Zurück-lesen bei der Sinnkonstruktion eines Textes hilft, zeigt die Übung „Welche Wörter fehlen?“ (Rudolph & Menzel, 2000, S. 45).)

� Hilfreich kann es sein, eine Art Paralleltext zum selben Thema zu lesen, vielleicht sind darin die Begriffe erklärt oder werden durch zusätzliche Informationen klarer.

� Manchmal können unbekannte Begriffe aus ähnlichen Begriffen abgeleitet werden. � Bei Komposita hilft oft die Zerlegung in die Einzelwörter. � Weiters kann jemand gefragt werden, was ein unbekannter Begriff bedeutet. Hier eignet

sich die Anschlusskommunikation über einen Text in der Gruppe. Bei der Aushandlung des Verständnisses eines Textes können Wortbedeutungen (mit)verhandelt werden.

Das folgende Beispiel macht deutlich, dass der Begriff Insektizide im Verlauf des Textes mehr-mals „übersetzt“ wird. Hier sind auch Markierungstechniken möglich. So kann alles, was zum Wortfeld Verzicht gehört, und das jeweils zugehörige Nomen markiert werden. Auch nach Antonymen bzw. Gegensätzen (hier: „biologische Schädlingsbekämpfung“) kann gesucht werden.

Verzicht auf Insektizide im Garten

Um dem Nahrungsmangel entgegenzuwirken, der alle Fledermäuse bedroht, ist es sehr wichtig, dass auf die Anwendung von Spritzmitteln insbesondere im Garten ver-zichtet wird.Im Garten sind Gifte unnötig und überaus gefährlich, denn sie töten nicht nur die „Schädlinge“, sondern auch sehr viele nützliche Tiere, unter anderem auch die Fle-dermäuse.Sie sollten stattdessen lieber die natürliche „biologische Schädlingsbekämpfung“ zum Einsatz kommen lassen.Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung wäre auch ein naturnah gestalteter Gar-ten oder zumindest einige Gartenbereiche mit Wildkräutern, einheimischen Hecken-pflanzen und kleinem Tümpel.Dies kommt natürlich auch unzähligen anderen Pflanzen und Tieren zugute. In einem solchen Garten wird der Einsatz von Spritzmitteln gänzlich überflüssig, denn die Natur reguliert sich selbst.

68 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Der Gifteinsatz in der Land- und Forstwirtschaft muss auf ein Minimum begrenzt wer-den. Es ist zu überlegen, inwieweit nicht auch hier der Gebrauch von Insektiziden unnötig ist.

Quelle: http://www.fledermausschutz.de/index_277.html [17.08.2011], gekürzt

Aufgabe

� Erschließe die markierten Wörter aus dem Textzusammenhang. Markiere zusätz-lich jene Stellen, durch die sich diese Wörter erklären lassen.

� Schlage die unterstrichenen Wörter, die dir nicht bekannt sind, im Wörterbuch, Lexikon oder Internet nach und kläre ihre Bedeutung.

� Schlage zuerst das Wort fossil nach. Kannst du erklären, was „Fossilienfunde“ sind?

� Was ist mit dem Ausdruck auf der Bildfläche erscheinen im letzten Satz gemeint?

Peter Roberts: Die Entwicklung des Pferdes (Ausschnitt, gekürzt und leicht ver-ändert)

Die Geschichte des Pferdes beginnt Millionen von Jahren vor dem ersten Auftreten des Menschen. Eine Vielfalt fossiler Reste hat es den Paläontologen ermöglicht, das Pferd bis ins Eozän zurückzuverfolgen, also bis vor rund 60 Millionen Jahren. In dem feuchtwarmen Klima dieses erdgeschichtlichen Abschnitts entstand eine reichhaltige Tier- und Pflanzenwelt. Mitten in dieser üppigen Fauna und Flora trat der erste Vorfah-re der heutigen Pferde und Ponys auf.Dieser Vorfahre, Eohippus genannt, was so viel wie „Pferd der Morgenröte“ bedeutet, ähnelte von Größe und Gestalt her wahrscheinlich eher einem großen Hund. Bis zum Widerrist war es etwa 37 cm hoch, an seinem kleinen Kopf saßen kurze Ohren und eine spitze Schnauze. Der Rücken war rund und geschwungen, der Schwanz lang, dünn und knochig, an den Hinterbeinen hatte das Tier drei Zehen, an den Vorderbei-nen vier. Zum Unterschied vom Hund war es allerdings ein Pflanzenfresser, doch selbst darin unterschied es sich insofern vom heutigen Pferd, als es sein Futter eher zerquetschte als zermalmte. Die Form seiner Zähne deutet darauf hin, dass es sich vom saftigen Blattwerk der tropischen Vegetation nährte, nicht vom harten, zähen Gras der Step-pen. Eohippus bewohnte die Landmassen Nordamerikas, von dort stammen auch die er-giebigsten Fossilienfunde. Da aber jene Gebiete, die später zu Europa und Asien (Eurasien) wurden, damals noch mit Nord- und Südamerika zusammenhingen, konn-te Eohippus herüberwandern und sich auch hier ausbreiten. Eohippus ist also das erste Lebewesen, in dem Biologen den Vorfahren des Pferdes erkennen; es musste allerdings noch viele andere Glieder in der Entwicklung geben, bevor das Pferd in seiner heutigen Gestalt auf der Bildfläche erscheinen konnte.

Lesestrategie Standard

Sind dir bestimmte Begriffe danach noch immer unklar, schlage sie im Wörter buch oder Lexikon nach.

21, 22

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 69

Markierungstechnik

Schlüsselwörter

Erst wenn die vorhin genannten Strategien nicht zum Ziel führen, werden die unbekannten Begriffe im Wörterbuch, im (digitalen) Lexikon oder im Internet nachgeschlagen und recher-chiert. Der Unterschied zwischen diesen Nachschlagewerken sollte den Schülerinnen und Schülern bekannt sein oder gemacht werden. (Zum Einsatz des Wörterbuchs im Unterricht vgl. Wurzinger (2010).)

Lesestrategie Standard

Unterstreiche zuerst, was dir in jedem Absatz wichtig erscheint; markiere dann, welche der unterstrichenen Informationen dir im gesamten Text am wichtigsten erscheinen.

14, 19

Damit wird eine zusätzliche Reduktion erreicht.

Folgende Tipps sollten Schüler/innen unbedingt beachten, wenn sie den Text nicht nur „be-malen“, sondern sinnvoll markieren wollen:

� Nur einzelne Wörter oder Wortgruppen markieren, nie ganze Sätze oder gar vollständige Abschnitte.

� Um ganze Abschnitte hervorzuheben, reichen Markierungen am Rand.

Lesestrategie Standard

Markiere die Schlüsselwörter in jedem Absatz. 14, 19

Markiere zusammengehörige Schlüsselwörter mit derselben Farbe und ver-binde sie durch Linien miteinander; schreibe dann einen Oberbegriff für jedes Wortfeld an den Rand.

14, 19

Zum Thema Schlüsselwörter muss klargestellt werden, dass die Anweisung an Schüler/in-nen, die Schlüsselwörter eines Textes zu markieren, allein zu wenig ist und kaum eine Hilfe bietet, die wesentliche Aussage eines Textes zu eruieren. Hilfreich ist aber folgender Hinweis:

Über das Thema Schlüsselwörter existieren ziemlich vage Vorstellungen – viele didakti-sche Autoren benennen diejenigen Wörter so, die sie in einem Text selber angestrichen hätten. Linguistisch gesehen ist ein Schlüsselwort dasjenige Wort in einem Absatz (übli-cherweise im ersten oder zweiten Satz), auf das im Text am meisten Bezug genommen wird. Mit dieser Definition kann man leicht und zuverlässig die innere Kohärenz eines Textes erfassen. (Willenberg, 2005, S. 98)

Beispiel:

� Markiere im folgenden Text alle Wörter, die sich auf die Nomen im Einleitungssatz beziehen. (= Markiere die Schlüsselwörter.)

� Gib dem Text dann eine Überschrift. Die Überschrift soll das Thema des Textes wiedergeben.

(Das) Malen mit Wasserfarben

Das Malen mit Wasserfarben ist gar nicht so schwer. Bevor man mit dem Malen beginnt, zeichnet man mit Bleistift eine Skizze mit dünnen Linien auf das Blatt. Dann trägt man mit dem Pinsel zuerst die hellen Farben auf. Mit etwas Übung lassen sich Pinselstriche unterschiedlicher Stärke erreichen. Am besten trägt man zuerst die hel-leren Farbtöne auf, anschließend die dunkleren. Damit die Farben frisch und klar blei-

70 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Kennzeichnung von Zusammenhängen

ben, sollte das Wasser häufig erneuert werden. Nach dem Malen wäscht man Pinsel und Wasserschälchen gründlich aus, damit keine Farben antrocknen.

Quelle: http://www.alf-hannover.de/files/Lesestrategien.pdf [05.10.2011]

Lesestrategie Standard

Verbinde zusammengehörige und/oder wiederholte Informationen. 19

Sachtexte und Medientexte weisen oft so genannte advance organizer auf. Übungen können darauf abzielen, dass die Informationen in einem solchen Absatz mit den Inhalten des Ge-samttextes verbunden werden.

Beispiel:

Markiere jeden der (in diesem Fall drei) Sätze in der Einleitung/im Vorspann/im lead/im ersten Absatz mit einer anderen Farbe. Markiere nun alle anderen Teile des folgenden Textes mit jener Farbe, die zu einem der (drei) Einleitungssätze gehören.

Wenn Absätze/Sätze überbleiben, schreibe dafür einen weiteren Einleitungssatz.

Harry Potter zaubert im Internet

J.K. Rowling lässt ihren Zauberlehrling online gehen. Seine Fans können sich ab so-fort auf pottermore.com anmelden. Die Plattform wird alles zu Harry Potter anbieten, sogar neues Textmaterial.

London/Wien – Der Zauberlehrling Harry Potter machte Joane K. Rowling zu einer der erfolgreichsten Autorinnen der Gegenwart. Bisher galt sie als Verteidigerin des gedruckten Buches. Aber vor kurzem hat sie sich ihr erstes E-Book heruntergeladen, und letzte Woche gab sie bekannt, dass sie ihren Helden in die Online-Welt schicken will. Auf pottermore.com sollen die Fans auf den Hogwarts-Schüler treffen.Im Oktober soll die Plattform für die Potter-Anhänger zugänglich sein. Aber für eine Million Fans, die sich mittels eines Spiels qualifizieren können, öffnen sich die Tore bereits am 31. Juli, Harry Potters Geburtstag. Ab sofort können sich alle Interessierten auf der Seite registrieren. Vorerst dreht sich alles um den ersten Band „Harry Potter und der Stein der Weisen“. Jahr für Jahr sollen dann die weiteren Bände folgen.Pottermore nutzt Elemente sozialer Netzwerke wie Facebook und von Computer-spielen. Die User können Kommentare zu Texten abgeben und Ideen und Bilder hochladen. Über das eigene Profil kann man Zaubertränke mixen und sich mit ande-ren in virtuelle Abenteuer stürzen. J. K. Rowling wird zwar keinen neuen Harry-Potter-Roman mehr schreiben, aber neues Material online stellen. Die bisherigen Romane können als E-Book bezogen werden. Mit der Plattform wächst auch die Harry-Potter-Merchandising-Welt, mit der die Autorin zur Milliardärin wurde.

(basierend auf einem Bericht im Standard vom 24. Juni 2011; gekürzt und verändert)

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 71

Verstehenshorizonte nutzen

stilles Gespräch

Lesestrategie Standard

Bringe Gliederungszeichen am Rand an (1. 2. 3. oder • • •). 16, 19

Bringe neben dem Text Randzeichen an, z. B. ! Das finde ich interessantü Das kannte ich schon? Das möchte ich fragen?? Das verstehe ich nichtJ Darüber möchte ich sprechenû Das halte ich nicht für richtig

14, 19

Astrid Müller (vgl. Müller, 2004, S. 32 und S. 34) schlägt für die Erstbegegnung mit einem Text fünf Impulse vor, die „Verstehenshorizonte nutzen“ sollen:

1. Das war neu für mich (ermöglicht eigene, auch emotionale Beteiligung)2. Das wusste ich schon (erleichtert Verbindung zum eigenen Vorwissen)3. Das verstehe ich nicht (relativiert das eigene Nichtverstehen und aktiviert zusammen mit

Punkt 2. die Überwachung des eigenen Leseverständnisses)4. Das möchte ich fragen (bahnt die Vertiefung des Verständnisses an)5. Darüber möchte ich sprechen (eröffnet Anschlusskommunikation)

Dazu erhalten alle Schüler/innen fünf verschiedenfärbige Blätter in DIN A 5 mit der jeweiligen Impulsbezeichnung. Auf ihnen werden die Resultate zu jedem Impuls schriftlich festgehalten. Das Verfahren kann in unterschiedlichen Sozialformen abgewickelt werden. Die Ergebnisse werden präsentiert.

Fragen an den Text stellen und Antworten geben

Lesestrategie Standard

Stelle die W-Fragen (Wer? Wann? Wo? Warum? Was? Wozu? Wie?) an den Text und beantworte sie.

14, 17, 19, 25, 26

Stelle insbesondere die Frage „Wozu dient der Text?“. Will er appellieren, werten, informieren …?

17, 25, 26

Stelle Fragen, die dich zum Thema des Textes interessieren, und überprüfe, auf welche deiner Fragen der Text Antwort gibt.

14, 17, 19, 25, 26

Während man den Text genau liest, führt man am besten ein „stilles Gespräch“ mit ihm. Das heißt, man stellt Fragen an den Text, erinnert sich an schon Bekanntes, ruft sich Ähnliches in Erinnerung, gibt Kommentare ab und beantwortet seine eigenen Fragen.

Hier ein Beispiel:

SCHUTZ FÜR FLEDERMÄUSE Geht es um bestehende Schutzmaßnahmen? Oder darum, was man machen müsste?

Alle heimischen Fledermausarten sind auf der „Roten Liste“ der gefähr­deten Tierarten zu finden.

Wie viele Arten gibt es? Wodurch unterschei-den sie sich? Wer stellt so eine Liste auf?

Warum heißt die Liste „Rote Liste“?

Die Hauptursachen für den rasanten Rückgang der Fledermäuse in Mittel-

Kommt das Wort von „rasen“? Heißt es „sehr schnell“?

72 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

europa sind der Verlust der geeigneten Lebensräume und die Nahrungsver-knappung durch das Zurückgehen reich strukturierter Naturlandschaften. Sie können Fledermäusen helfen zu überleben.

Wo leben Fledermäuse eigentlich genau?Was ist mit „reich strukturierter“ gemeint?Wer ist mit „Sie“ gemeint – die Naturland-

schaften? Oder werde ich hier als Leser bzw. Leserin angesprochen?

Gesundes Wohnen für Fledermäuse

Erhalten Sie bestehende Fledermaus-quartiere in Dachböden, alten Bäumen und Höhlen und sorgen Sie für offene Einfluglöcher. Machen Sie größere Löcher für Tauben oder Siebenschläfer unpassierbar, indem Sie die Öffnungen mit Maschendraht oder Mörtel teilweise verschließen. Sind keine natürlichen Quartiere mehr vorhanden, akzeptie-ren Fledermäuse auch gerne spezielle Nistkästen (die Einflugöffnung ist bei solchen Kästen am unteren Ende).

Ach ja, also die Leserin/der Leser wird angesprochen!

Da ist ja die Antwort auf die Frage, wo Fledermäuse leben!

Die Tauben und Siebenschläfer sollen wohl nicht reinkommen, damit die Fledermäuse

nicht gestört werden. Oder sind die aggressiv?Den Begriff „akzeptieren“ habe ich schon ein-mal gehört. Aber was heißt er genau? Soll ich

im Wörterbuch/Lexikon nachschlagen?Das heißt, ich kann für Fledermäuse etwas

tun!

Quelle: http://www.wwf.at/Naturschutztipps/test/testartice/index.html [20.04.2007]

Beispiel:

� Überfliege den Text, so dass du im Großen und Ganzen weißt, worum es in dem Text geht.

� Lies ihn dann genau und wende die Methode des „stillen Gesprächs“ an. Halte dich an obiges Beispiel.

� Markiere die Textstellen, auf die du dich beziehst, und formuliere deine Fragen, Antworten und Kommentare in der rechten Leiste.

� Kläre abschließend die offengebliebenen Fragen und schlage die unbekannten Begriffe nach!

BRINGEN WIR FÜRS ESSEN UNSEREN PLANETEN UM?

Was wir essen, wirkt sich auf die Um­welt – zwar versteckt, aber direkt – aus.

Wir haben uns daran gewöhnt, das ganze Jahr über eine riesige Palette an Nahrungs-mitteln zur Verfügung zu haben:

[…]

Quelle: http://www.wwf.at/Naturschutztipps/einkaufen/natureprotection183/index.html [20.04.2007]

Ein Problem ergibt sich daraus, dass vor allem schwache Leser/innen Mühe haben, ange-messene und weiterführende Fragen zu stellen und sie daher erst hingeführt werden müssen. Hier hilft das Lesen und Verstehen von Sachtexten durch wechselseitiges Lehren und Lernen zwischen versierten und übenden Lesenden. Palincsar und Brown (1984) haben diese Lese-kooperation anhand von vier Handlungen festgemacht: Fragen, Zusammenfassen, Klären,

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 73

Vorhersagen/Antizipieren (Baurmann & Müller, 2002, S. 45). Das Fragen dient dazu, beim Lesen Vorstellungen zu entwickeln und Verstehen zu überprüfen; das Zusammen fassen för-dert das inhaltliche Gesamtverständnis des Textes; das Klären hilft bei der kritischen Bewer-tung und das Vorhersagen/Antizipieren lenkt den Blick auf mögliche Annahmen und Schluss-folgerungen. Der Aufbau dieser Lesestrategie erfolgt in drei Phasen (ebd.):

Phase Aufgabe des Lerners Aufgabe des Experten(Lehrer, versierter Mitschüler)

1 Der Lerner ist Beobachter und nur für einen kleinen Teil der Aktivitäten verantwortlich.

Der Experte führt die Handlungen vor, er leitet insgesamt die notwendige geistige Tätigkeit.

2 Der Lerner übernimmt einzelne Tätig-keiten und wiederholt sie auch.

Der Experte tritt die Verantwortung an den Lerner ab, teilt mit ihm die kogni-tive Tätigkeit, führt und korrigiert noch, wo der Lerner strauchelt.

3 Der Lerner nimmt den Prozess zuneh-mend selbst in die Hand, einschließlich des Befragens; er verinnerlicht und reflektiert den gesamten Lernprozess.

Der Experte tritt als Helfer in den Hin-tergrund und beschränkt sich zuneh-mend auf die Rolle des interessierten Zuschauers/Zuhörers.

Lesestrategie Standard

Wenn Fragen unter dem Text stehen, beantworte sie. Markiere jene Stellen im Text, die Antwort auf die Fragen geben, oder schreibe zu den Antworten die Nummern jener Zeilen, in der die geforderten Informationen zu finden sind.

19

Festhalten von Leseergebnissen

Lesestrategie Standard

Verfasse für jeden Absatz eine Zwischenüberschrift. 14, 19

Schreibe für jeden Absatz eine Zusammenfassung an den Seitenrand. 14

Ein klar strukturierter Text wird vorgelegt, für jeden Absatz muss eine Zwischenüberschrift gefunden werden. Diese textreduktive Methode eignet sich auch für Differenzierung (vgl. Menzel, 2002, S. 35):

� Alle Überschriften werden vorgegeben und müssen vor den jeweiligen Absatz platziert werden. � Nur ein Teil der Überschriften wird vorgegeben, die anderen müssen nach diesem Muster

gestaltet werden. � Alle Überschriften müssen selbstständig erarbeitet werden (hier erweist es sich dennoch

als günstig, zumindest die erste Überschrift so vorzugeben, damit den Schülerinnen und Schülern klar wird, wie sie inhaltlich und sprachlich vorgehen sollen).

� Die Überschriften sind vertauscht und ihre Ordnung muss wieder hergestellt werden. � Es werden eine oder mehrere Überschriften zu viel angeboten.

kooperatives Lesen und Verstehen

Zwischenüberschriften

74 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Beispiel:

� Schreibe die folgenden Zwischenüberschriften über die dazu passenden Absätze. � Eine Zwischenüberschrift musst du selbst verfassen. � Eine vorgegebene Zwischenüberschrift musst du streichen.

Heimisch erzeugte Lebensmittel sind die bessere Lösung!Bio­logisch!Bionahrung verlängert unser Leben!Saisonale Lebensmittel schmecken besser!

Nr. 1: __________________________________________Das macht sich auch beim Einkaufspreis bemerkbar – aber nicht nur. Obst und Ge-müse, das zu „seiner Zeit“ geerntet wird, ist eben besonders frisch und vitaminreich – und das schmeckt man dann auch! Zusätzlich bedingen Lebensmittel, die der Natur zu ungeeigneten Jahreszeiten abgerungen werden, natürlich auch einen höheren Chemikalieneinsatz.

Nr. 2: __________________________________________Wer zu regional produzierten Produkten greift, die lange Transportwege und beheizte Glashäuser unnötig machen, schont die Umwelt. Österreichs Landwirtschaft arbeitet mit hohen Qualitätsstandards, die strengen Kontrollen unterliegt. Gütesiegel garantie-ren, dass hohe und gentechnikfreie Qualität im Einkaufskorb landet.

Nr. 3: ___________________________________________Biologisch erzeugte Lebensmittel, die die CO2-Erzeugung und Abwasserverschmut-zung durch die Landwirtschaft reduzieren, sind immer mehr im Vormarsch. Die hö-here Nachfrage lässt die Produkte auch für kleinere Geldbörsen leistbar werden und trägt zur Existenzsicherung von BioproduzentInnen und HändlerInnen bei. Außerdem werden Umwelt und KonsumentInnen von den „Nebenwirkungen“ des konventionel-len Landbaus verschont: Kein Gifteinsatz, keine Monokulturen – dafür ein Ökosystem im Gleichgewicht. Bio schmeckt einfach besser!

Nr. 4: ___________________________________________Mit gutem Gewissen fair zu essen bedeutet beispielsweise, bei Lebens- und Genuss-mitteln wie Kaffee oder Kakao, Reis oder Gewürzen zu Produkten aus fairem Handel zu greifen. Fair trade-Produkte garantieren, dass die Menschen, die sie herstellen, nicht mit Hungerlöhnen abgespeist werden, sondern eben faire Preise für ihre Arbeit erhalten, die die Existenz ihrer Familien sichert.

Quelle: http://www.wwf.at/de/menu163/artikel151/ [20.04.2007], gekürzt

Als ideales Übungsmaterial bieten sich die jeweils in der Samstag-Ausgabe des Standard veröffentlichten Texte der Ö1-Kinderuni an.

Lesestrategie Standard

Fertige eine Skizze, eine Grafik, ein Schaubild zum Text an. 14, 20, 22

Fertige eine Tabelle oder Mind-Map an. 14, 15, 19

Die Struktur von Sachtexten hängt mit dem jeweiligen Sachtexttypus zusammen. Gerade bei Aufgaben zur Erstellung von Mind-Maps, Strukturbäumen, tabellarischen Übersichten etc.

Strukturen nachvollziehen

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 75

lässt sich gut differenzieren – je nachdem, wie viel von der Struktur bzw. von den Begriffen man vorgibt.

Beispiel Mind-Map: Varianten zur Differenzierung:

� ohne Vorgaben � mit einer Vorgabe (auf einer bestimmten Abstraktionsebene) � Anzahl der Oberbegriffe vorgeben � einzelne/alle Oberbegriffe vorgeben � Begriffsliste ordnen � …

Eine Übersicht zum Thema Textstrukturen als Schritt zum Textverstehen findet sich im Band 1 des Praxishandbuchs (Staud, 2010).

Lesestrategie Standard

Wende die Wegstreich-Methode an. 14, 19

Um sich einen Überblick über das Wesentliche zu verschaffen und die Fähigkeit zu trainie-ren, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden, streichen Schüler/innen die Sätze/Satz teile, die für das Verständnis des zentralen Aussagewertes des Textes entbehrlich sind, einfach weg (textreduktive Methode). Auf diese Weise reduzieren sie den Text so weit, bis nur noch die zentralen Aussagen übrig sind.

Lesestrategie Standard

Wende die Siegerpodest-Methode (Treppchenmethode) für den gesamten Text an.

14, 19

Wende die Siegerpodest-(Treppchen-)Methode für (lange/wichtige) Absätze an.

14, 19

Die Methode ist vor allem für klar gegliederte Sachtexte gut durchführbar. So wie Sport-ler/innen bei der Siegerehrung auf dem Stockerl (dem Siegerpodest) stehen, so wird an Aus-sagen eines Textes bzw. Absatzes die Gold-, Silber- und Bronzemedaille verliehen. In jedem Absatz wird jener Satz gesucht/markiert, der mehr oder minder die übergeordnete Aussage des Absatzes repräsentiert (Platz 1, Gold). Dann kommt jener Satz, der diese Aussage spe-zifiziert, anreichert, ausführt (Platz 2, Silber), und schließlich jener Satz, der ein Beispiel gibt, genau erklärt usw. (Platz 3, Bronze).

Beispiel:

Die Medien vermitteln ein Frauenbild, dessen wichtigstes Schönheitsattribut Schlankheit ist.

Frauen in den Medien (Fernsehschauspielerinnen, Covergirls, Schönheitsköniginnen) sind oft extrem dünn.

Manche wiegen bis zu 15 Prozent und mehr unter ihrem Normalgewicht, was als eines der Symptome für Magersucht gilt.

(Egger, Habringer, Staud et al., 2007, S. 19–20)

Textreduktion als Methode

76 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Zuerst kommt die übergeordnete Aussage des Absatzes (das Frauenbild), dann wird der Grund dafür genannt (Frauen in den Medien), dann erfolgt ein Beispiel für das Gewicht dieser Frauen (15 % und mehr unter Normalgewicht).

Lesestrategie Standard

Lege einen Stichwortzettel an, den du fürs Lernen oder für ein Referat verwenden könntest, oder schreibe einen „Schummelzettel“.

14, 19

Eine weitere textreduktionistische Aufgabe besteht im Anlegen von Stichwortkärtchen. Auch hier sind Differenzierungen möglich, indem z. B. die Anzahl der Kärtchen vorgegeben wird. Auf einem, mehreren, allen Kärtchen kann das Hauptthema angeführt werden. Auch hier ist es günstig, als Einstieg ein Kärtchen vorzugeben.

Beispiel:

Manfred Mai: Die ersten Menschen (Ausschnitt)

Schon vor fünf Millionen Jahren dürften die ersten „Vormenschen“ den aufrechten Gang angenommen haben. Damit waren ihre vorderen Gliedmaßen frei und konnten sich zu Händen entwickeln. Aus den „Vor-“ wurden „Frühmenschen“. Sie waren in der Lage, Steine und Holz als Werkzeuge zu benutzen. Weil der wichtigste Werkstoff der Frühmenschen Stein war, nennt man die ersten 500 000 Jahre der Menschheitsge-schichte Steinzeit. Die ersten Menschen lebten als Jäger und Sammler in Gruppen – „Horden“ – von 20 bis 50 Mitgliedern. Ihre Behausungen waren Höhlen, einfache Hütten aus Zweigen oder Zelte aus Tierhäuten. Darin lebten sie aber nicht ständig; als Nomaden folgten sie den mit den Jahreszeiten wandernden Tierherden, die ihnen Nahrung und Klei-dung lieferten. Sie waren intelligenter als die Frühmenschen und jagten geschickter: Sie erfanden den Speer und Pfeil und Bogen, legten Fallgruben an und fingen Wild in Schlingen. Mit immer besseren Werkzeugen höhlten sie Baumstämme aus und benutzten sie als Boote. Bald lernten sie mit Speeren und ersten Netzen auch Fische zu fangen. Da sie schon die Kunst des Feuermachens beherrschten, konnten sie Fleisch und Fisch braten und so genießbarer machen. […]

Aufgabe:

� Stell dir vor, du musst ein Kurzreferat zum Thema des Textes „Die ersten Men-schen“ halten. Dazu fertigst du Stichwortkärtchen an.

� Überfliege den Text zuerst. Lies dann genau und gib jedem Absatz eine Zwischen-überschrift. Schreibe sie auf die Kärtchen.

� Unterstreiche dann in jedem Absatz Wörter und Wendungen, die mit dieser Zwi-schenüberschrift zusammenhängen. Verwende sie zur Ausfertigung der Kärtchen.

(Das erste Kärtchen ist als Beispiel schon ausgefüllt und das zweite angefangen.)

1. Vom Vormenschen zum Frühmenschen

– aufrechter Gang vor 5 Mio. Jahren – Hände frei– Werkzeugbenutzung möglich– Steinwerkzeuge Steinzeit

3.

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 77

2. Leben

– Zusammenleben in Horden (15–20)– ...–

4.

Lesestrategie Standard

Schreibe ein Précis, das ist eine Kurzfassung von einem Drittel der Länge des Textes.

[37]

Hier muss darauf geachtet werden, dass bei Übungen geklärt ist, welche Kompetenzen beim Lesen verlangt werden und welche für das Schreiben erforderlich sind.

Lesestrategie Standard

Vergleiche den Text mit einem zweiten Text zu diesem Thema und halte die Übereinstimmungen und die Unterschiede (z. B. in einer Tabelle) fest.

22, 23

Wiedergabe eines Textes

Lesestrategie Standard

Lies den Text so vor, dass Zuhörende dem Inhalt aufmerksam und mög-lichst gut folgen können.

[10], [11], [13]

Erzähle jemandem, was dir an dem Text alles wichtig erscheint. 14, 16, 19

Fasse den Text mit eigenen Worten zusammen. [11], 19, [33], [37]

Erkläre, was in dem Text für dich neu und was dir bekannt war. 14, 19

Nenne zu den Informationen des Textes weitere Beispiele oder Gegenbei-spiele, die dir einfallen.

19, 23

Wende ein „produktives Verfahren“ an. alle

Analog zum sogenannten „produktionsorientierten Literaturunterricht“ können produktive Verfahren bei Sachtexten angewendet werden. Dazu einige Beispiele:

� Text wieder in die richtige Abfolge bringen � zwei ineinander geschobene Texte entflechten � syntaktische Struktur vereinheitlichen � ausgelassene Wörter/Sätze einfügen oder aus vorgegebenen Varianten auswählen � Fortsetzung oder Schluss schreiben � Paralleltexte oder Gegentexte verfassen � einen Text in einen anderen Stil, eine andere Textsorte, eine andere Sprachvarietät trans-

formieren (z. B. Transformation eines Sachtextes in ein Interview) � Bemerkungen, Kommentare, Gedanken etc. in einen Text einfügen � einen Text illustrieren: Fotos aufnehmen oder im Internet suchen, Zeichnungen, Skizzen

etc. anfertigen � Arbeiten mit Textdesign (vgl. Staud, 2010, S. 76–81)

Lesen und Schreiben

Produktionsorientierung

78 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

5 Strategien zum Umgang mit nichtlinearen Texten

Zunehmend beinhalten Sachtexte Informationen, die auf bildlichem bzw. grafischem Weg verstärkt oder zusätzlich mitgeteilt werden. Unterschieden werden kann zwischen „realen“ Bildern wie Fotos und illustrativen Zeichnungen und „logischen“ Bildern wie Karten, Tabellen, Grafiken oder Diagrammen (vgl. Becker-Mrotzek & Kusch, 2007, S. 32). Sogenannte Infogra-fiken stehen in Medien und Sachbüchern aber auch oft für sich allein (vgl. die Infografiken in der Zeit, abrufbar unter http://www.zeit.de/serie/wissen-in-bildern [09.09.2011]).

Von der Darstellungsform kann zwischen der Darlegung � von Sachverhalten (Strukturdiagramme, Organigramme), � von Abläufen (Prozessdiagramme, Verlaufsdiagramme) und � von Mengen und ihren Beziehungen zueinander (Mengendiagramme unter Verwendung

von Balken-, Säulen-, Kreis- oder Kurvendiagrammen) unterschieden werden.

In Infografiken werden meist Sachverhalte geliefert, die in erster Linie dem Erwerb fachspezi-fischen Sachwissens dienen. In den Sachfächern werden die Schaubilder daher hauptsäch-lich unter dem Aspekt des Wissensvermittelns eingesetzt. Für nonlineare Texte muss jedoch dieselbe Maxime wie für lineare Sachtexte gelten: Inhalte können zum Wissenserwerb nur dann beitragen, wenn das Leseverständnis garantiert ist. Es ist also auch der bewusste Um-gang mit nichtkontinuierlichen Texten in allen Fächern zu thematisieren. Der genuine Beitrag des Deutschunterrichts besteht in der Bewusstmachung des Textformates selbst wie in der Einübung von Strategien, um das Leseziel zu erreichen.

Infografiken sind zumeist aus den drei Bestandteilen Grafik, Text und Bild zusammengesetzt. Es geht daher nicht allein darum, das Zahlenmaterial richtig zu lesen, sondern es gilt auch, die Wechselbeziehungen zwischen Daten, den (mit ihnen korrespondierenden) visuellen Ein-drücken und verbalen Signalen aufzuzeigen.

Abb. 2: Altpapiersammlung 2006 (Quelle: http://www.presseanzeiger.de/media/bilder/231158-1.php [07.09.2011])

nonlineare Texte im Fach- und im Deutsch-unterricht

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 79

Das Schaubild „Altpapiersammlung“ zeigt einfache Größenverhältnisse, die Zeichnung ist völlig neutral gehalten. Geübt werden kann als Einstieg dennoch, was die Mengenangaben bedeuten und welche Referenzen (österreichische Bundesländer) in welche Ordnung (ab-steigend nach Pro-Kopf-Sammelmenge) gebracht wurden. Kontrollfragen (z. B. „In welchem Bundesland entspricht die Sammelmenge am genauesten dem österreichischen Durch-schnitt?“) sind möglich. Allenfalls kann noch über die Farbgebung (Altpapier: gelb; Recycling-container: (umwelt-)grün) gesprochen werden. Zwecks Anschlusskommunikation kann man der Frage nachgehen, wie diese ungleiche Verteilung zustande kommt.

Aus welch unterschiedlichen Elementen eine komplexere Infografik bestehen kann, zeigt fol-gendes Schaubild:

Abb. 3: Woher die Treibhausgase stammen(Quelle: http://www.bpb.de/popup/popup_bild.html?guid=94WR78&x=700&y=533 [07.09.2011])

Wie in linearen Texten gilt es auch in diesen Texten, die Einzelinformationen aufeinander zu beziehen, sie mit dem Vorwissen zu verknüpfen und zu einer Gesamtvorstellung zusammen-zusetzen, damit ein kognitiver Text entsteht. Eine zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich jedoch dadurch, dass die Leserichtung in nonlinearen Texten nicht vorgezeichnet ist. Sie weisen eine geringe bis keine „lineare thematische Entfaltung“ (Müller, 2010, S. 237) auf.

Der grundsätzliche Zugang zu linearen Texten gilt im Prinzip auch für nichtlineare Texte, viele der Lesestrategien sind übertragbar. Im Speziellen können noch folgende Handlungsschritte genannt werden:

� Das Vorwissen zu bestimmten Darstellungsformen abrufen („Mit einem Kreisdiagramm kann man Einzelteile im Vergleich zum Ganzen gut darstellen.“)

� Elemente einer Infografik benennen und die Funktion dieser Elemente erklären („Die Zeichnung setzt Elemente des Kreisdiagramms bildlich um.“)

� Überlegen, welche Vorzüge eine bestimmte Infografik gegenüber einem möglichen linea-ren Text zum selben Thema aufweist („Die Entwicklung der CO2-Emissionen wird an-schaulicher.“)

� Das Verständnis überprüfen, indem man versucht, Einzelaussagen zu treffen („Im Jahr 1970 haben die Industrieländer pro Einwohner 12 Tonnen Kohlendioxid freigesetzt.“)

Handlungsschritte für Infografiken

80 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

� Wertende Elemente benennen und damit verknüpfte Intention herausarbeiten („Die Zeich-nung ist in Grautönen gehalten, um die Verschmutzung und die düstere Prognose zu verdeutlichen.“)

� Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Diagrammen in einer Grafik aufzeigen („Das Thema wird von zwei Seiten betrachtet: Verursacherbranchen und Verursacherländer.“)

Wenn der nonlineare Text Bestandteil eines linearen Textes ist: � Untersuchen, ob das Thema der Grafik dem Hauptthema des Textes oder nur einem

Unterthema entspricht � Feststellen, ob ein zusätzliches Thema zum Text eröffnet wird; analysieren, wie das The-

ma der Grafik mit dem des Textes zusammenhängt � Im Text jene Informationen/Aussagen markieren, die in der Grafik veranschaulicht werden � Den Text zum Verständnis der Grafik nutzen – die Grafik zum Verständnis des Textes

nutzen

Anregungen zur Anschlusskommunikation: � Die Daten nachprüfen � Die mögliche Intention der Grafik diskutieren � Die Gründe für aufgezeigte Verhältnisse diskutieren � Mögliche alternative Darstellungsformen überlegen

Produktionsorientierte Aufgaben: � Die Daten/die Grafik aktualisieren � Daten konkretisieren � Die Grafik in einen linearen Text übertragen � Einen geeigneten Text in eine Infografik übertragen (vgl. z. B. Lischeid, 2007)

Anregungen zum Thema Infografik finden sich auf der Website der Deutschen Presseagentur (http://www.dpa.de/dpa-Schule.739.0.html [07.09.2011]).

6 Lesestrategien und Kompetenzaufbau

Auf die oben angeführten Methoden sollen die Schüler/innen in ihrer Textarbeit immer wieder zurückgreifen, und zwar in allen Fächern. Die Methoden müssen daher von Anfang an geübt, in allen Fächern angewendet und immer wieder erneuert und erweitert werden und die Schü-ler/innen sollen regelmäßig damit konfrontiert werden. Der Aufbau der Methodenkompetenz kann in drei Phasen erfolgen (nach Rosebrock & Nix, 2008, S. 68–71):

1) Lesestrategien werden als deklaratives Wissen bei den Schülerinnen/Schülern verankert

Zu Beginn wird ein „Katalog von Primärstrategien“ (ebd., S. 68) erarbeitet. Dies kann in unter-schiedlicher Weise geschehen. In der Klasse kann beispielsweise an prominenter, für alle ein-sehbarer Stelle im Klassenraum ein Poster mit der 5-Gang-Lesetechnik angebracht werden. Das Poster erarbeitet man am besten mit der Klasse, es kann je nach Anforderung verändert oder erweitert werden.

Kompetenzaufbau in drei Phasen

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 81

Abb. 4: 5-Gang-Lesetechnik (Realschule Enger, 2003, CD-ROM)

Für „Leseposter“ mit höheren Anforderungen siehe Deutschunterricht 4/2007 (beiliegendes A2-Poster) sowie Willenberg (2004, S. 10).

Für die Erarbeitung von Primärstrategien gilt folgende Vorgangsweise (vgl. Willenberg, 2004, S. 13–14):

� Man beginnt mit einer Auswahl und mit einfachen Strategien und geht darauf aufbauend zu komplexeren Strategien über.

� Die Schüler/innen suchen eigene Definitionen und Beispiele und mitunter auch eigene Texte.

� Die Schüler/innen erstellen nach Möglichkeit die Poster, Lesezeichen, Anleitungen etc. selbst.

� Wie immer gilt es auch hier, eine geeignete Mischung zwischen lehrergesteuerten und schülerdominierten Unterrichtsphasen zu finden.

Primärstrategien

82 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

2) Die Schüler/innen wenden die gelernten Lesestrategien regelmäßig und immer routinierter an

Zur Förderung der Routine werden die erarbeiteten Strategien auf Lesezeichen, Symbol-karten, Übersichtsblättern, Beobachtungsfächer (Senn & Widmer, 2005) o. Ä. festgehalten. Diese Übersichten haben die Schüler/innen als Vademecum (lat. vade mecum ‚geh mit mir‘) immer zur Hand und entscheiden zunehmend selbstständig, welche der erarbeiteten Stra-tegien sie bei der Bearbeitung eines Textes anwenden. Eine Möglichkeit bietet der Kurs „Wir werden Textdetektive“ (Gold, Mokhlesgerami, Rühl et al., 2006). In einem Kursus werden sie-ben Textdetektiv-Methoden – sieben Schritte der Lesetechnik – erarbeitet. Die Schüler/innen führen dann für jede Textarbeit ein „Textdetektiv-Lesezeichen“ mit sich, und sie müssen sich entscheiden, welche Techniken für sie bei welchem Text zum Erfolg führen.

Abb. 5: „Textdetektiv-Lesezeichen“ (Gold, Mokhlesgerami, Rühl et al., 2006, S. 100)

Beispiele für weitere Routineprogramme sind „SQ3R“, „PQ4R“, „Wir werden Textdetektive“, „Reziprokes Lernen“ und „Lesen. Das Training“ (vgl. Rosebrock & Nix, 2008, S. 61–72).

3) Die Schüler/innen erlernen den eigenkontrollierten Umgang mit Lesestrategien

Ziel auf dieser Stufe ist es, dass die Schüler/innen erkennen können, wo sie beim Lese-prozess welche Probleme haben, und das notwendige Instrument aus dem „mentalen Werk-zeugkasten“ einsetzen.

Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, „dass Lesestrategien und Arbeitstechniken integriert vermittelt werden sollten, also im Rahmen konkreter Textgebrauchssituationen“ (Spinner, 2006, S. 121).

� Texte, mit denen Lesestrategien erarbeitet werden, sollen thematisch zentriert sein. Da-durch kann Vorwissen von einem Text zum nächsten leichter aufgebaut und bewusster aktiviert werden.

� Ideal ist es, wenn die Texte in einem für die Schüler/innen ersichtlichen unterrichtlichen und situativen Kontext stehen. Dies fördert erstens die Lesemotivation und ermöglicht zweitens eine bessere Verknüpfung mit dem bereits vorhandenen Welt- und Sachwissen.

� Geübt werden sollen die Strategien auch im fächerübergreifenden Unterricht und zuneh-mend an Texten in den Sachfächern. „Aus diesem Grund sollte sich im besten Fall das Kollegium einer Schulklasse für ein einheitliches Set von Lesestrategien entscheiden, die-ses in Form eines entsprechenden ‚Vademecum’ festhalten und dann regelmäßig im je-weiligen Fachunterricht anwenden.“ (Rosebrock & Nix, 2008, S. 71)

Allgemein gilt, „dass es beim sinnzuschreibenden Lesen grundsätzlich keinen Unterschied zwischen dem Leseprozess von Leseanfängern und von kompetenten Lesern gibt. Die kon-zeptgeleitete Sinnzuschreibung als grundlegende Verstehensprozedur des Lesens gilt von

Vademecum

situative Erarbeitung

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 83

Anfang an. Gerade die Schülerinnen und Schüler, die beim datengeleiteten Lesen Probleme haben (z . B. Migrantenkinder), können über das konzeptgeleitete Lesen Verstehensdefizite wettmachen und schneller ausgleichen“ (Kühn & Reding, 2004, S. 15). Das bedeutet, dass das Gesamtziel der Bildungsstandards zum Kompetenzbereich Lesen von Anfang an verfolgt werden muss, das da lautet: „Ausgehend von grundlegenden Lesefertigkeiten literarische Texte, Sachtexte, nichtlineare Texte (Tabellen, Diagramme) und Bild-Text-Kombinationen in unterschiedlicher medialer Form inhaltlich und formal erfassen und reflektieren.“ (Anlage zur Verordnung, 2009, S. 8) Das heißt, der Leseprozess ist unteilbar, und es ist nicht möglich, z. B. in der ersten Klasse das Auffinden von zentralen Aussagen zu erwerben, in der zweiten das Entnehmen von Einzelinformationen zu üben, in der dritten Verknüpfungen zu erkennen und in der vierten die Textinformationen einzuschätzen. Vielmehr geht es immer um den Gesamtprozess des Leseverstehens, auch wenn im konkreten Unterricht, in einer konkreten Unterrichtsstunde unterschiedliche Teilziele im Vordergrund stehen (müssen).

Von Anfang an sind demgemäß alle Teilkompetenzen im Auge zu behalten. Die Kumulativi-tät, also der nachhaltige Zuwachs an Kompetenz, kann durch folgende Faktoren befördert werden:

� Einsatz vielfältiger und zunehmend differenzierterer Textsorten aus unterschiedlichen Medien

� steigender Schwierigkeitsgrad des Inhalts � Komplexität der Sprache: Satzlänge, Satzbau, Wortschatz, Bildhaftigkeit … � zunehmend komplexere formale Gestaltung der Texte � zunehmende Komplexität der Informationen � Aufgabenstellungen, die eine komplexere Erfassung von Texten verlangen

Die folgende Tabelle soll helfen, Arbeitsaufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad zur Erfassung von Sachtexten zu erstellen:

basal elaboriert

den Text aus vorgegebenen Angeboten dem richtigen Fachgebiet zuordnen können

den Text selbstständig dem richtigen Fach-gebiet zuordnen können

grundlegende Information aus der Text-oberfläche entnehmen

alle Informationen, die sich auf das Thema beziehen, nennen können

die Wiederholung einer Information nennen können (z. B. Überschrift – Text)

Wiederholungen von Informationen auch in anderer Gestalt im Binnentext erkennen

Informationen in ihrer zeitlichen Abfolge anführen können

Kausalität zwischen Informationen herstel-len können

explizite Ausschließungen von Informatio-nen erkennen können

implizite Ausschließungen von Informatio-nen erkennen können

eine Information auf Grund einer Frage-stellung bzw. Arbeitsanweisung zum Text finden

eine Information auf Grund eines expliziten Rück- oder Vorverweises im Text finden

äußere Gliederung beim Aufsuchen der Informationen zu Hilfe nehmen können

neben der äußeren Gliederung die gedank-liche Gliederung im Wesentlichen erfassen können

das Thema in Form einer Überschrift nennen können

zusätzlich die Hauptaussagen in einem Einleitungssatz, abstract … formulieren können

Komplexität

Kumulativität

84 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

in einer Skizze die entscheidenden Elemen-te/Symbole bezeichnen können

in einer Skizze die Elemente/Symbole sowie ihre Funktion benennen können

zwischen wichtigen und unwichtigen Infor-mationen im Wesentlichen unterscheiden können

eine begründete Rangfolge zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen erstellen können

Viele der von der Arbeitsgruppe Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe erarbeiteten Auf-gabenbeispiele zur Konkretisierung der Standards D8 eignen sich selbstverständlich auch zur Erarbeitung, Übung und Überprüfung von Lesestrategien. Sie sind im Internet unter https://www.bifie.at im Downloadbereich zugänglich.

Zum Schluss sei noch einmal betont, dass Lesestrategien keinen Selbstzweck darstellen, sondern die Arbeit mit den Textinhalten befördern helfen und damit die Grundlagen für die Anschlusskommunikation, also die Einbettung von Texten in Kontexte, schaffen.

Der unterrichtliche Umgang mit Sachtexten und -büchern sollte nicht beim „Methoden-lernen“ stehen bleiben, sondern die Weiterarbeit mit den Rezeptionsergebnissen anstre-ben, ein Problembewusstsein für Texte und Aufgaben sowie einen Fragehorizont entwi-ckeln helfen, ebenso ästhetische Qualitäten von Sachbüchern einbeziehen und produktiv nutzen, Recherchemöglichkeiten eröffnen und Zeit und Räume zum Lesen schaffen. (Baurmann & Müller, 2005, S. 11)

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 85

7 Literatur

Anlage zur Verordnung der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur über Bildungs-standards im Schulwesen (2009). In BGBl. II Nr. 1/2009. Verfügbar unter http://www.bmukk.gv.at/medienpool/17534/bgbl_ii_nr_1_2009_anlage.pdf [01.08.2011].

Baurmann, J. (2009). Sachtexte lesen und verstehen. Grundlagen – Ergebnisse – Vorschläge für einen kompetenzfördernden Unterricht. Seelze: Friedrich.

Baurmann, J. & Müller, A. (2002). Experten und Anfänger lernen gemeinsam. Lesen und Verstehen von Sachtexten durch wechselseitiges Lehren und Lernen. In Praxis Deutsch 176. S. 44–48.

Baurmann, J. & Müller, A. (2005). Sachbücher und Sachtexte lesen. In Praxis Deutsch 189. S. 6–13.

Becker-Mrotzek, M. & Kusch, E. (2007). Sachtexte lesen und verstehen. In Der Deutsch-unterricht 1. S. 31–38.

Bertschi-Kaufmann, A. (Hrsg.) (2007). Lesekompetenz – Leseleistung – Leseförderung. Grund lagen, Modelle und Materialien. Zug: Klett und Balmer.

Bertschi-Kaufmann, A. et al. (2007). Lesen. Das Training. Stufe 1. Lesefertigkeiten, Lesege-läufigkeit, Lesestrategien. Seelze: Friedrich.

Bremerich-Vos, A. & Wieler, P. (2003). Wissenschaftstheoretische Prämissen und Lese-kompetenz-Begriff: Zur Einführung. In Abraham, U., Bremerich-Vos, A., Frederking, V. et al. (Hrsg.). Deutschdidaktik und Deutschunterricht nach PISA. Freiburg im Breisgau: Fillibach. S. 13–25.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg.) (2007). Förderung von Lese-kompetenz – Expertise. Bildungsforschung 17. Bonn. Verfügbar unter http://www.bmbf.de/pub/bildungsreform_band_siebzehn.pdf [07.09.2011].

Deutschunterricht 4 (2007). Mit Sachtexten umgehen.

Egger, M., Habringer, G., Staud, H. et al. (2007). Standard-Training, 8. Schulstufe: Deutsch – Lesen. Wien: öbv.

Frey, H. (2007). Kann eine Vermittlung von Lesestrategien die Lesekompetenz verbessern? In Willenberg, H. (Hrsg.). Kompetenzhandbuch für den Deutschunterricht. Auf der empirischen Basis des DESI-Projekts. Baltmannsweiler. Schneider Verlag Hohengehren. S. 188–198.

Gerstenmaier W. & Grimm S. (2004). Praxishandbuch Deutsch. Sprechen – Schreiben – Le-sen. Berlin: Cornelsen.

Gold, A., Mokhlesgerami, J., Rühl, K. et al. (2006). Wir werden Textdetektive. Lehrer manual. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.

Klute, W. (2006). Sachtexte erschließen. Grundlagen, Texte und Arbeitshilfen für den Deutsch-Unterricht der Sekundarstufe I. Berlin: Cornelsen.

86 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Köster, J. (2003). Die Bedeutung des Vorwissens für die Lesekompetenz. In Abraham, U., Bremerich-Vos, A., Frederking, V. et al. (Hrsg.). Deutschdidaktik und Deutschunterricht nach PISA. Freiburg im Breisgau: Fillibach. S. 90–105.

Kühn, P. & Reding, P. (2004). Lesekompetenz-Tests für die Klassen 5 und 6. Donauwörth: Auer.

Lischeid, T. (2004). Lesen nonlinear – Infografiken im Deutschunterricht. In Der Deutschun-terricht 4. S. 26–29.

Menzel, W. (2002). Texte lesen, Texte verstehen. Arbeitsheft zum übenden Lesen 4.–6. Schul-jahr. In Praxis Deutsch 176. S. 25–40.

Müller, A. (2004). Verstehenshorizonte nutzen. In Praxis Deutsch 187. S. 32–35.

Müller, A. (2010). Zum Umgang mit Sachtexten im Deutschunterricht: thematisch und integ-rativ. In Kämper-van den Boogaart, M. & Spinner, K. H. (Hrsg.). Lese- und Literaturunterricht. Teil 3. Deutschunterricht in Theorie und Praxis XI/3. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Ho-hengehren. S. 236–254.

Palincsar, A. S. & Brown, A. L. (1984). Reciprocal Teaching of Comprehension – Fostering and Comprehension – Monitoring Activities. In Cognition and Construction 1 (2). S. 117–175. Verfügbar unter http://people.ucsc.edu/~gwells/Files/Courses_Folder/ED%20261%20Pa-pers/Palincsar%20Reciprocal%20Teaching.pdf [07.09.2011].

Realschule Enger (2003). Lernkompetenz: Deutsch. Bausteine für das 5. bis 10. Schuljahr. Mit CD-ROM. Berlin: Cornelsen Scriptor.

Richter, T. & Christmann, U. (2002). Lesekompetenz: Prozessebenen und interindividuelle Unterschiede. In Groeben N. & Hurrelmann B. (Hrsg.). Lesekompetenz. Bedingungen, Di-mensionen, Funktionen. Weinheim: Juventa. S. 25–58.

Rosebrock, C. & Nix D. (2008). Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen schuli-schen Leseförderung. 2. Auflage. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Rudolph, G. & Menzel, W. (2000). Was sind die wichtigsten Informationen? Sachtexte erar-beiten. In Praxis Deutsch 164. S. 40–47.

Senn, W. & Widmer P. (2005). Der Beobachtungsfächer. Informationen aus Sachtexten zum Thema „Mobbing in der Schule“ verarbeiten. In Praxis Deutsch 194. S. 38–43.

Spinner, K. H. (2006). Vermittlung von Lesekompetenz als Aufgabe aller Fächer. In Gaiser, G. & Münchenbach, S. (Hrsg.). Leselust dank Lesekompetenz. Leseerziehung als fächerüber-greifende Aufgabe. Donauwörth: Auer. S. 120–127.

Staud, H. (2010). Lesekompetenz durch Textwissen aufbauen. In BIFIE (Hrsg.). Praxishand-buch für „Deutsch“ 5.–8. Schulstufe. Band 1. Graz: Leykam. S. 62–84.

Studienseminar Koblenz (Hrsg.) (2009). Sachtexte lesen im Fachunterricht der Sekundar-stufe. Seelze: Friedrich.

Willenberg, H. (2004). Lesestrategien. Vermittlung zwischen Eigenständigkeit und Wissen. In Praxis Deutsch 187. S. 6–15.

Lesestrategien zur Förderung nachhaltiger Lesekompetenz 87

Willenberg, H. (2005). Ein handhabbares System, um Textschwierigkeiten einzuschätzen. Vorschläge für eine Textdatenbank von Sachtexten. In Fix, M. & Jost, R. (Hrsg.). Sachtexte im Deutschunterricht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. S. 94–106. 

Wurzinger, W. (2010). Einsatz des Wörterbuches im Unterricht. In BIFIE (Hrsg.). Praxishand-buch für „Deutsch“ 5.–8. Schulstufe. Band 1. Graz: Leykam. S. 92–102.

88 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Grundzüge einer kompetenzorientierten Schreibdidaktik

1 Begriffsklärung

Wer die beiden im Beitragstitel genannten Schlüsselbegriffe zu erklären versucht, hat es in einem Fall wesentlich leichter als im anderen:

Schreiben stellt eine Form der Kommunikation dar, die sich vom Sprechen dadurch unter-scheidet, dass sich Schreiber/in und Leser/in nicht am selben Ort befinden. Die/der Schrei-bende muss daher den Text so formulieren, dass dieser ohne Zusatzinformation verständlich ist, denn sie/er bekommt keine unmittelbare Rückmeldung der Kommunikationspartnerin/des Kommunikationspartners.

Mit dem Begriff Kompetenz hat die einschlägige Forschung wesentlich mehr Schwierigkeiten. Eine Definition ist zwar schnell gefunden – „Kompetenzen geben Auskunft über das, was jemand kann, und zwar in dreifacher Hinsicht: im Blick auf seine Kenntnisse, seine Fähig-keit, damit umzugehen, und seine Bereitschaft, zu den Sachen und Fertigkeiten eine eigene Beziehung einzugehen“ (Ziener, 2008, S. 20), doch ein allgemein anerkanntes Kompetenz-modell gibt es weder für den Teilbereich des Schreibens noch für das Gesamtfach Deutsch.

Um sich nicht im Gewirr der theoretischen Diskussion zu verlieren, orientieren sich die vorlie-genden Überlegungen an jener Einteilung der Kompetenzen, die seit dem 1. Jänner 2009 in Österreich Gesetzeskraft hat.1 Sie sieht vier Kompetenzbereiche für den Unterrichtsgegen-stand Deutsch vor: Zuhören und Sprechen, Lesen, Schreiben sowie Sprachbewusstsein.

Schüler/innen, die schreiben können, nichts anderes meint das Adjektiv kompetent, sollen demnach am Ende der achten Schulstufe in der Lage sein, Texte sowohl zu planen als auch zu verfassen und zu überarbeiten. Genauer betrachtet sollen sie dem Gegenstand des Tex-tes, seinem Zweck, der Empfängerin/dem Empfänger und den Anforderungen, die die je-weilige Textsorte mit sich bringt, gerecht werden. Die eingesetzten sprach lichen Mittel sollen angemessen und der Text soll sprachrichtig sein.

Diese Schreibkompetenz bildet sich weder nach einem starren Schema aus noch ist sie in dem Sinn an ein biologisches Alter geknüpft, dass bestimmte Fertigkeiten nur in einem be-stimmten Alter erworben werden können. Viel wichtiger ist die Schreiberfahrung.

Etwas anderes gilt es in diesem Zusammenhang ebenfalls zu beachten: Der Grad der Text-sortenkompetenz kann je nach Textsorte bei der einzelnen Schülerin/beim einzelnen Schüler unterschiedlich ausgeprägt sein (vgl. Augst, Disselhoff, Henrich et al., 2007, S. 347). Eine gute Erzählerin/ein guter Erzähler zu sein bedeutet daher noch lange nicht, dasselbe Niveau beim Argumentieren zu erreichen.

2 Aspekte eines kompetenzorientierten SchreibunterrichtsSelbstverständlich sind die im Folgenden erläuterten Merkmale in ihrer Sinnhaftigkeit nicht nur mit dem Kompetenzbegriff begründbar, denn es handelt sich teilweise um Grundanliegen eines modernen Schreibunterrichts.

Die Überlegungen sind auch nicht so zu verstehen, dass nur von einem „kompetenz-orientierten Schreibunterricht“ gesprochen werden kann, wenn alle Empfehlungen auf ein -mal umgesetzt werden. Auswahl und Konzentration sind notwendig.

1 Der Gesetzestext ist abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2009_II_1/COO_ 2026_100_2_502843.rtf [11.03.2011].

WolfgangTaubinger

Schreibkompetenz

Expertinnen und Experten wissen, was sie tun

Kompetenz Schreiben

Grundzüge einer kompetenzorientierten Schreibdidaktik 89

1. Es muss nicht immer das Erzählen sein

Im Schreibunterricht der Sekundarstufe I sollte vor allem in der fünften und sechsten Schul-stufe der Stellenwert des Erzählens etwas reduziert werden, damit die anderen Schreibhand-lungen (das Berichten, Beschreiben usw.) zu ihrem Recht kommen. Hinter dieser Forderung steckt der Abschied von der Vorstellung, auf Grund entwicklungspsychologischer Gegeben-heiten sei die Kompetenz, bestimmte Textsorten zu verfassen, an ein konkretes Alter der Schüler/innen gekoppelt.

2. Das Lernen am Muster hat seinen Platz – aber nur als Orientierung

Gleichfalls darf sich ein solcher Schreibunterricht nicht auf das „Nachgestalten vorgegebener Aufsatzformen“ (Becker-Mrotzek & Böttcher, 2003, S. 22) reduzieren. Eine solche Vorgangs-weise läuft Gefahr, den Schreibunterricht auf die nachahmende Herstellung von Texten zu beschränken, die in dieser Form nur in der Schule ihren Platz haben. Das bedeutet keinesfalls die Verbannung des Lernens am Modell aus dem Schreibunterricht, sondern reduziert die beispielhaften Texte bloß auf den Wert einer „Orientierungshilfe“ (Fix, 2006, S. 92).

3. Förderung und Forderung

Ein kompetenzorientierter Schreibunterricht arbeitet einerseits – vor allem als Entlastung der schreibschwächeren Schüler/innen – lehrgangsorientiert. Das bedeutet didaktisch-metho-disch die Aufteilung „eines komplexen Lernvorhabens in kleine (kleinste) Einzelschritte sowie die überlegte (begründete) Anordnung der Teilschritte innerhalb eines Zeitrahmens“ (Beisbart & Marenbach, 2006, S. 248) und die Rücksichtnahme auf das Vorwissen der Schüler/innen.

Andererseits plant kompetenzorientierter Schreibunterricht umfangreichere Schreibvor-haben, für die sich vor allem offene Unterrichtsformen eignen. Damit wird sichergestellt, dass die Schüler/innen mit Hilfe der erworbenen Teilkompetenzen längere Schreibvorhaben pla-nen, umfangreichere Texte herstellen, sie in Projekte einbetten, die Ergebnisse präsentieren und damit auch wesentlich mehr Verantwortung für ihre Texte übernehmen. Auf diese Weise werden nicht nur bereits erworbene Teilkompetenzen vertieft und gesichert, sondern künftige angebahnt (vgl. Baurmann & Pohl, 2009, S. 85).

4. Kein erfolgreiches Schreiben ohne Sachkompetenz

„Erfolgreiches Schreiben verlangt immer auch Sachkompetenz“ (Becker-Mrotzek & Böttcher, 2006, S. 59) – diese Behauptung thematisiert eine Schwierigkeit, in die (nicht nur) ein kom-petenzorientierter Schreibunterricht gerät: Wer Schülertexte möglichst korrekt bewerten und beurteilen will, sollte sich an Vorgaben halten (Lehrplan, Leistungsbeurteilungsver ordnung, Empfehlungen der Wissenschaft), die teilweise normativen Charakter haben. Gleichzeitig setzen die Ziele, deren Erreichung mit den Schülertexten bewertet werden soll, häufig ein Wissen voraus, das die Schüler/innen nicht (nur) in der Schule erwerben können.

5. Realistische Schreibanlässe schaffen

Kompetenzorientierter Schreibunterricht bietet möglichst viele einigermaßen wirklichkeitsnahe Schreibanlässe an, die es den Schülerinnen und Schülern einsichtig erscheinen lassen, einen Text für eine Empfängerin/einen Empfänger zu verfassen, die/der ihnen bekannt ist. Wenn sie

90 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

z. B. in die Neufassung (eines Teils) der Hausordnung einer Schule eingebunden werden, als Vorbereitung dafür moderierte Diskussionen miteinander, mit Mitgliedern des Lehrkörpers, eventuell auch mit Eltern zu diesem Thema führen, die Ergebnisse ihrer Gespräche fixieren und diese bei der Endredaktion der Hausordnung berücksichtigt werden, so steigert das ihre Schreibmotivation.

6. Über Schülertexte sprechen

In einem kompetenzfördernden Schreibunterricht wird nicht nur viel geschrieben („Schreiben lernt man nur durch Schreiben“), die Texte werden auch häufig zum Gegenstand von Gesprä-chen, damit die Schüler/innen die „Arbeit am Text als etwas Natürliches und Selbstverständ-liches erleben, das dem schriftsprachlichen Prozess zu eigen ist“ (Augst, Disselhoff, Henrich et al., 2007, S. 359). Diese Gespräche sollten möglichst oft zwischen den Jugendlichen statt-finden, weil die Rückmeldungen Gleichaltriger (möglicherweise) auf mehr Akzeptanz stoßen als jene der Lehrkraft.

7. Differenzierung versuchen

Kompetenzorientierter Schreibunterricht ist ein „schreiber-differenzierter [!] Unterricht“ (Baur-mann, 2002, S. 81), der die Schüler/innen möglichst auf ihrem Entwicklungsniveau zu fördern versucht und „nicht ‚im Gleichschritt’ vollzogen wird (gleiches Thema, gleiche Ziele, gleiche Hilfen, gleicher Ort, gleiche Zeit), sondern auf vielfältige Weise zum Schreiben ermutigt, an-spornt und schriftsprachliche Leistungen einfordert“ (ebd.).

8. In der Korrektur das Positive festhalten

Das Problem der Bewertung und Beurteilung gehört zu den größten Herausforderungen des Schreibunterrichts. Grundsätzlich sollte es vor allem darum gehen, in jeder Arbeit zunächst das Gelungene festzuhalten. Diese Haltung drückt sich in der schriftlichen Kommentierung der Arbeit aus. Damit erhält die Schülerin/der Schüler nicht nur eine positive Rückmeldung, sondern auch Hinweise, inwiefern der korrigierte Text Verständnisschwierigkeiten bereitet und wo er Schwächen aufweist. Solche Rückmeldungen gewinnen an Transparenz, wenn die Anmerkungen (zumindest) in Form von allgemein bekannten Abkürzungen erfolgen. Im Idealfall verwenden alle Lehrkräfte einer Schule dieselben Abkürzungen (und verstehen das-selbe darunter – siehe Baustein 5 auf Seite 100).

9. Kompetenzorientierung und kreatives Schreiben

Bei dieser Methode des Schreibunterrichts sollen die Schüler/innen ebenfalls nachweisen, was sie können, wie kompetent sie also sind. Sinnvollerweise wird das dort geschehen, wo sie Texte in Anlehnung an eine (literarische) Textvorlage verfassen. Der Vergleich ihrer Endfas-sungen mit dem „Original“ macht ihre Leistung deutlich.

10. Von der Produktfixierung zur Prozessorientierung

Da der Lehrplan das Überarbeiten als ein Aufgabengebiet des Schreibunterrichts nennt, sollte diese Kompetenz zumindest gelegentlich in den Mittelpunkt des Unterrichts gestellt und bewertet werden.

Grundzüge einer kompetenzorientierten Schreibdidaktik 91

3 Umsetzungen dieser Grundanliegen in die Praxis

Den folgenden Materialien und konkreten Hilfestellungen zu den theoretischen Überlegungen des ersten Abschnittes gilt es einige Bemerkungen voranzustellen:

�� Die einzelnen „Bausteine“ beziehen sich auf die Planung, Formulierung und Überarbei-tung von Texten.

�� Die Schreibhandlungen des Erzählens und Argumentierens wurden ausgewählt, weil das Erzählen in seinen verschiedenen Ausprägungen im Schreibunterricht der Sekundar-stufe  I wahrscheinlich noch immer den höchsten Stellenwert einnimmt. Argumentieren kann in einer demokratisch verfassten Gesellschaft gar nicht oft genug geübt werden, um die Schüler/innen zu einer Teilhabe am politischen Leben zu befähigen.

�� Die Bausteine 1 und 2 sind für die siebente bzw. achte Schulstufe gedacht. Sie bieten allerdings nicht nur im Unterricht unmittelbar einsetzbare Materialien für eine bestimmte Zielgruppe, sondern sind auch als Modelle zu verstehen, die in allen Schulstufen auf an-dere Schreibhandlungen übertragen werden können:

�� Schritt 1: Das Vorwissen der Schüler/innen zu einer bestimmten Textsorte wird aktiviert. �� Schritt 2: Die Schüler/innen erarbeiten anhand fremder (und eventuell eigener) Texte

Kriterien, die als typisch für eine Textsorte angesehen werden können. �� Schritt 3: Die Schüler/innen produzieren einen Text.

Dieses Vorgehen folgt dem methodischen Dreischritt Rezeption – Analyse – Produktion.

Baustein 1: Thema Spannendes Erzählen (Aspekte 2, 3, 6, 7, 10)

1. Schritt

In einem ersten Schritt sammelt die Lehrkraft Äußerungen der Schüler/innen zum Begriff Spannung. Dies kann in einem Gespräch oder in Form eines Brainstormings erfolgen. Erfahrungsgemäß erblicken viele Schüler/innen die entscheidende Qualität der Spannung darin, dass sie in der Leserin/im Leser die Neugier entfacht, wissen zu wollen, wie die Hand-lung weitergeht.

2. Schritt

In einem nächsten Schritt unterstreichen die Schüler/innen in einem geeigneten Text Wörter und Wendungen, die ihrer Meinung nach Spannung erzeugen.

Beispiel:

Rick Hautala: Das Klopfen (Auszug)

Als Martin zum Fenster im Oberstock hinaussah, konnte er in der Ferne von Feuer beleuchtete Gebäude sehen und Musik und Geschrei hören, Gelächter und hem-mungsloses Gebrüll.„Herrgott, so zu feiern“, murmelte er.Er war gewohnt, mit sich selbst zu sprechen, da er die letzten acht Jahre seit dem Tod seiner Mutter allein gelebt hatte. Er hatte seinen Vater nie gekannt, der, wie seine Mutter immer wieder erzählte, die Familie verlassen hatte, als Martin erst ein Jahr alt

schrittweiser Aufbau von Schreibkompetenz

92 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

war. Wie eine Menge Männer, die sich in einer wirtschaftlichen Notlage befanden, war er eines Tages einfach weggegangen, um sich aus dem Laden an der Ecke Zigaretten zu holen, und nie wieder zurückgekommen.Ein eisiger winterlicher Hauch lag in der Luft, und deshalb beschloß Martin, nachdem er den Feiernden in der Ferne eine Weile zugehört hatte, daß es ausreichend sicher sei, das Fenster jetzt zu schließen und sich schlafen zu legen. Weil im Haus nicht ge-heizt war – selbst wenn Elektrizität da gewesen wäre, um den Brenner zu betreiben, seit Wochen hatte es keine Öllieferungen mehr gegeben –, war seine Matratze mit Decken und Kissen überhäuft. Sein Atem erzeugte weiße Wölkchen, als er sich in der Finsternis hinlegte und dem stumpfen, orangefarbenen Flackern der Flammen vor der Skyline der Stadt zusah.Er war gerade eingeschlafen, als er plötzlich wieder aufschrak. Einen angsterfüllten Augenblick lang war sich Martin nicht sicher, was ihn geweckt hatte. Die Geräusche der Feiernden waren immer noch weit entfernt. Besorgt sah er sich in dem dunklen Schlafzimmer um, war sich sicher, daß er etwas – aber was? – gehört hatte.Da. Klopfen.Konnte es sein, daß da jemand im Haus war? Er verspürte eine prickelnde Aufwallung von Unruhe. Es war unmöglich hereinzukommen, und er konnte sich zudem nicht vorstellen, wie jemand das geschafft haben sollte, ohne soviel Lärm zu machen, daß er schon früher wach geworden wäre. Mit langsamen Bewegungen, um möglichst wenig Geräusche zu erzeugen, setzte Martin sich auf und griff neben sein Bett, wo die Schrotflinte an der Wand lehnte. Er fühlte sich sicherer, sobald er sie in der Hand hatte. Er schob die Bettdecke beiseite und schwang die Füße auf den Boden. Ein betäubendes Kältegefühl schoß an seinen Beinen in die Höhe, als seine nackten Füße die eisigen Fußbodenbretter berührten.In Verteidigungshaltung kauernd, versuchte er, das Zähneklappern zu stoppen, wäh-rend er darauf wartete, daß irgend etwas zu hören war.Schauder tanzten ihm über den Rücken wie knochige Fingerspitzen, die auf seiner Wirbelsäule Xylophon spielten. Seine Nackenhärchen prickelten, von Vorahnungen erfüllt, bis er – ganz schwach – ein Geräusch hörte. Es war das Geräusch von jeman-dem, der klopfte.... an die Eingangstür klopfte.Martin schlug das Herz schwer in der Brust, als er den Hahn seiner Schrotflinte zu-rückzog und ein paar vorsichtige Schritte ging. Sein Atem ging schnell und hinterließ über seinen Schultern einen frostigen Hauch wie einen wirren Schal.Ehe er zu dem jetzt türlosen Eingang seines Schlafzimmers ging, ertönte das Klopfen erneut, diesmal lauter. Es hallte durch das kalte, dunkle Haus, und das Echo klang so, als befände man sich im Inneren einer riesigen Kesseltrommel.Martin fröstelte heftig, als er in den Flur hinaustrat und dann dort stehen blieb, um über das Geländer zu sehen. Seine Augen schienen zu lang zu brauchen, um sich an die Dunkelheit anzupassen. Er starrte auf die Haustür und war, als das Klopfen wieder ertönte, davon überzeugt, sehen zu können, wie sie sich bei jedem Schlag nach innen bog. [...]

(Hautala, o. J., S. 197–198; der Text ist in der alten Rechtschreibung verfasst)

Grundzüge einer kompetenzorientierten Schreibdidaktik 93

3. Schritt

Als vorläufige Zwischenbilanz sammelt die Lehrkraft das anhand dieser Geschichte und ähn-licher „Mustertexte“ Erarbeitete, sodass schließlich eine Checkliste für „Mittel zur Spannungs-erzeugung“ vorliegt, die Folgendes leistet: �� Wichtige Lernergebnisse werden dokumentiert und sind verfügbar. Damit können die

Schüler/innen später im Rahmen bestimmter Methoden einander Rückmeldung über Textqualitäten geben (siehe z. B. „Textlupe“ auf Seite 98).

�� Diese Zusammenfassung bildet sowohl das Kernstück der Information über den Schul-arbeitsstoff als auch die Grundlage für ihre Beurteilung.

�� Die Lehrkraft kann sich bei der Korrektur darauf beziehen.�� Die Schüler/innen können damit die eigenen Teilkompetenzen einschätzen.�� Die Überarbeitung einer Arbeit erleichtert eine solche Checkliste ebenfalls, weil sie Hilfe-

stellungen anbietet.

Checkliste: Bausteine spannenden Erzählens (vgl. Menzel, 2007, S. 32)

Wichtig: Diese Kriterien sind sowohl schulstufen- als auch leistungsabhängig.

Kannst du etwas bereits sehr gut � J JKannst du etwas durchschnittlich gut� JMusst du etwas noch üben � K

Trage das Symbol in das entsprechende Kästchen ein! J J J K

Überschrift, die zum Lesen anreizt

Fragen an die Leserin/den Leser

Wörter/Wortgruppen, die die Leserin/den Leser gefühlsmäßig beson-ders ansprechen

Vorausdeutungen

Rückblenden

Ausgestaltung wichtiger Erzählschritte durch ausführliche Schilderungen

Wechsel der Zeitform (Präteritum � Präsens)

Betonung wichtiger Sachverhalte durch Änderung der Wortstellung � Besetzung des sprachlichen Vorfeldes (= alles, was links von der Personalform steht)

Wörtliche Reden

4. Schritt

Damit das Thema nicht nur auf den Bereich des Schreibens begrenzt bleibt, sondern über mehrere Kanäle gelernt wird, können in einem nächsten Lernschritt geeignete Texte – etwa Balladen – spannend vorgelesen werden.

5. Schritt

Eine Steigerung der Anforderungen wird erreicht, indem die Schüler/innen anschließend einen erzählenden Text vorgelegt bekommen, der einige Lücken aufweist. In diese Leerstellen gilt es jene Mittel der Spannungssteigerung einzutragen, die am Ende des Textes aufgelistet (nicht in der korrekten Reihenfolge!) und mit einem Buchstaben versehen sind.

Muster als Orientierungshilfe

vom Textbaustein zum Gesamttext

94 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Beispiel:

Füge die mit den Buchstaben A, B und C bezeichneten Stellen in den Text zwischen die leeren Klammern ein. Überlege, um welche Bausteine spannenden Erzählens es sich handelt!

Langsam näherte er sich der Grenze. Die angenehme Wärme im Auto stand in deut-lichem Gegensatz zu seiner inneren Anspannung. ( ) In der Zollstation saßen zwei Beamte. Einer blickte auf seinen Computerbildschirm, der andere telefonierte. Zwei Beamte standen beim Grenzbalken. Drei Autos noch, dann würde es sich zeigen, ob die Männer, die ihn gezwungen hatten, diese Fahrt zu übernehmen, das Päckchen gut versteckt hatten. ( ) Der Beamte trat einen Schritt vor. Mit einer knappen Bewe-gung führte er als Gruß die Hand an die Kappe. ( ) Die Antwort will ihm nicht über die Lippen kommen.

C: Warum hatte er sich darauf eingelassen?� Fragen an die Leserin/den Leser

B: Der Balken ging hoch und das Auto vor ihm passierte die Grenze. Er legte den Gang ein. Langsam rollte das Auto vor. Er kurbelte das Fenster hinunter, zog den Pass aus der Innentasche der Jacke und legte ihn auf den Beifahrersitz. Schneller, als er gedacht hatte, breitete sich die Kälte im Auto aus. Oder war es nur seine Angst, die ihm dieses Gefühl vermittelte? Jetzt war es so weit.� Ausgestaltung wichtiger Erzählschritte durch ausführliche Schilderungen

A: „Haben Sie etwas zu verzollen?“, fragt er.� Wechsel der Zeitform (Präteritum � Präsens)

6. Schritt

Die bisher praktizierte kleinschrittige Vorgangsweise mündet in die Produktion eines Gesamt-textes. Je nach Kompetenz der Schreiber/innen bieten sich offene und geschlossene(re) Auf-gabenstellungen an (beide Anregungen nach Menzel, 2007, S. 27):

Beispiel einer eher geschlossenen Aufgabenstellung:

Gestalte die vorgegebenen Wörter und Wendungen zu einer spannenden Geschichte aus. Verwende dabei etliche jener Bausteine spannenden Erzählens, die du in den letzten Stunden kennen gelernt hast!

Herr XX aus YY – will Sohn mit dem Auto von der Schule abholen – Stadtrand – Ge-genstände stehen an der Straße – Autofahrer denkt an Sperrmüll – fährt langsamer – hält einige Male an – hält Ausschau nach Brauchbarem – lädt auffällige Holzkiste ein – stellt sie auf Rückbank – Sohn öffnet Kiste – Schlange kriecht heraus – Sohn gerät in Panik – Vater rast zur Polizei – Polizei verständigt Tierrettung – Vater und Sohn erleiden Schock

Grundzüge einer kompetenzorientierten Schreibdidaktik 95

Beispiel einer eher offenen Aufgabenstellung:

Erzähle eine spannende Geschichte! Du kannst darüber schreiben, wie du dich aus einer ausweglosen Situation befreit, eine Angst überwunden, jemanden aus einem Konflikt herausgeholfen, eine schwierige Aufgabe gelöst hast usw.

Ein Basis-Kriterienkatalog für die Bewertung eines solchen Textes könnte folgendermaßen aussehen:

Name Kriterium Kompetenzniveau*

Inhalt Die Überschrift passt zur Geschichte.

Ein Erzählschritt entwickelt sich folgerichtig aus dem anderen.

Der Text fesselt die Leserin/den Leser (wörtliche Reden/Gedanken und Gefühle der Figuren/Beto-nung des Unerwarteten).

Die Erzählung lässt eine klare Absicht erkennen.

Gliederung Der Text enthält die notwendigen Bausteine, die in einer sinnvollen Reihenfolge angeordnet sind.

Absätze unterstützen die Leserin/den Leser.

Ausdruck Die Ausdrucksweise ist klar und anschaulich.

Satzlänge und Satzbau passen zur Erzählabsicht.

Rechtschreibung Gewichtung je nach Beurteilungsmodell

Sprachrichtigkeit Gewichtung je nach Beurteilungsmodell

* Kompetenzniveau meint die Qualitätsstufe, die eine Schülerin/ein Schüler bei der Umset-zung einer Teilkompetenz innerhalb eines Textes erlangt. Wie viele solcher Kompetenzniveaus (= Kompetenzstufen) definiert werden, ist eine Sache der Übereinkunft. In den Kriterien-katalogen, die in der Fachliteratur in der letzten Zeit veröffentlicht worden sind, findet man meistens drei (erfüllt – teilweise erfüllt – nicht oder kaum erfüllt) oder vier Stufen (übererfüllt – erfüllt – teilweise erfüllt – nicht oder kaum erfüllt).

Baustein 2: Einen Leserbrief verfassen – Argumente formulieren (Aspekte 2, 3, 4, 5, 6, 7, 10)

Als realistischer Schreibanlass eignet sich die folgende Situation: Während der Unterrichtszeit werden in den Pausen immer wieder telefonierende Schüler/innen auf dem Gang angetroffen, obwohl die Hausordnung das verbietet.

1. Schritt

Das Meinungsbild in der Klasse zu diesem Thema („Soll es den Schülerinnen und Schülern erlaubt sein, während der Unterrichtszeit in den Pausen zu telefonieren?“) wird mittels Punkte- abfrage erhoben: Punkte unterschiedlicher Farbe für den Ja-/Nein-Standpunkt werden an die Tafel geklebt. Anhand der Verteilung kann ein Meinungsbild erhoben werden.

Kriterienkataloge betonen das Positive des Texts

Argumentieren als Voraussetzung zur Teilhabe am politischen Leben

96 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

2. Schritt

Die anschließende Diskussion thematisiert diese Frage. Die Diskussion kann auch mit be-stimmten Rollen geführt werden. Die Schüler/innen erhalten dazu Rollenkärtchen mit Vorga-ben: Sie schlüpfen z. B. in die Rolle der Schulsprecherin/des Schulsprechers, der Schullei-tung, eines Mitglieds des Elternvereins usw.

Die wesentlichen Argumente werden an der Tafel festgehalten, womit eine erste Stoffsamm-lung entsteht. Sie dient dazu, den unterschiedlichen (Sach-)Wissensstand der Schüler/innen auszugleichen.

3. Schritt

Die Schüler/innen bekommen Leserbriefe zu dem Thema vorgelegt (Internet bzw. von der Lehrkraft verfasst).

Beispiel (nachempfundener Schülertext):

Sehr geehrtes Redaktionsteam,

ich denke, dass es Schülern erlaubt sein sollte ihre Handys in den Unterrichtsraum mitzunehmen. Ich habe gute Gründe dafür:

Wenn sich ein Schüler verletzt während sich keine Lehrperson in der Nähe befindet, könnten sie mit dem Handy die Lehrer bzw. die Rettung bescheid geben. Man sollte Handys erlauben, denn wenn familiäre Gründe (Autounfall) oder gesundheitliche Gründe (Verletzung) auftreten sollte man Schüler informieren können. Was halten Sie von meiner Meinung? Man könnte einen Kompromiss schließen, die Schüler könnte n ihre Handys eingeschaltet haben, jedoch auf Vibrationsalarm, so stören sie nicht den Unterr icht sind aber doch für die Schüler bemerkbar. Ich hoffe, Sie teilen meine Meinung.

Mit freundlichen Grüßen

Peter, 3C-Klasse

4. Schritt

Die Schüler/innen untersuchen den Brief: Was hat die Verfasserin/der Verfasser gut gemacht? Was ist ihr/ihm nicht so gut gelungen?

Grundzüge einer kompetenzorientierten Schreibdidaktik 97

5. Schritt

Die Äußerungen der Schüler/innen zum Text werden an der Tafel festgehalten. Daraus ent-steht eine Checkliste (nach Spinner, 2007, S. 23), die festhält, worauf beim Verfassen von Leserbriefen zu achten ist:

Sehr gut � J JDurchschnittlich gut � JÜbungsbedarf � K

J J J K

Sich eine Meinung zum angesprochenen Problem bilden

Argumente für die eigene Position besitzen

Die Argumente in eine sinnvolle Reihenfolge bringen

Die Argumente sinnvoll miteinander verknüpfen

Die Argumente durch Beispiele absichern

Die Argumentation abschließend zusammenfassen

Gegenargumente in die Argumentation einbauen

Den Sachverhalt verständlich darlegen

Der Leserin/dem Leser durch Verknüpfungswörter Verständnishilfen geben

Der Leserin/dem Leser durch Absätze Verständnishilfen geben

6. Schritt

Die Schüler/innen überarbeiten den Leserbrief, zu dem sie sich bereits geäußert haben (vgl. Schritt 3). Anschließend schätzen sie mit Hilfe der zuvor erstellten Checkliste ihre Teilkom-petenzen für das Verfassen von Leserbriefen ein. Die Auswertung kann die Notwendigkeit vertiefender Übungen signalisieren.

Sollten die Texte von der Lehrkraft bewertet werden, kann im Einzelfall ein deutlicher Unter-schied zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung Anlass für ein Gespräch über die Qualität des Textes sein.

7. Schritt

Als Abschluss wird – von den leistungsstärkeren Schreiberinnen und Schreibern – ein Leser-brief ohne Hilfestellungen zu dem Thema verfasst. (Öffentlichkeit für die Texte kann herge-stellt werden, indem sie etwa in einem Diskussionsforum auf der Schulwebsite veröffentlicht werden.)

Differenzierung

98 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Baustein 3: Verschiedene Methoden zur Überarbeitung von Texten (Aspekte 6, 10)

Texte mit Hilfe von Fragelawinen überarbeiten

Die Lehrkraft verfasst einen Text, der verschiedene Arten von Auffälligkeiten enthält: Sie können inhaltlicher, struktureller und sprachlicher Natur sein. Er kann auf Texten der Schü - ler/innen basieren und wird anschließend in Kleingruppen von ihnen bearbeitet.

Die Schüler/innen erhalten den Auftrag, sich den Text genau durchzulesen und am Rand jeweils dort Fragen und Anmerkungen zu notieren, wo sie Auffälligkeiten oder Unklar heiten entdecken. In einem weiteren Schritt können dazu Antworten formuliert werden. Zum Schluss lesen sich die Schüler/innen den Text noch einmal durch, um zu klären, ob die Veränderun-gen ihn verbessert haben (vgl. Baurmann & Stengel-Kühl, 2007).

Textlupe

Bei diesem Verfahren arbeiten drei bis fünf Schüler/innen in einer Gruppe. Jedes Gruppen-mitglied gibt seinen Text reihum weiter. Dem Text ist ein A4-formatiges Blatt beigelegt, auf dem drei Spalten vorgegeben sind:

1. Das hat mir besonders gut gefallen!2. Hier fällt mit etwas auf!3. Hier habe ich noch Fragen!

Die Gruppenmitglieder halten darauf fest, was ihnen auffällt. Jeder Text wird in der Runde so lange weitergegeben, bis mindestens drei Schüler/innen ihre Anmerkungen eingetragen haben. Anschließend hat die Autorin/der Autor des Ausgangstextes die Möglichkeit, zu den Verbesserungsvorschlägen Stellung zu nehmen und sie einzuarbeiten. Die Verpflichtung dazu gibt es nicht!

Wichtig bei dieser Methode ist, dass die Schüler/innen einander in konstruktiver Weise Feed-back geben. Ein Tipp: Damit durch das Zeilenzählen keine Zeit verloren geht, empfiehlt es sich, die zu besprechenden Texte im Abstand von fünf Zeilen nummerieren zu lassen.

Schreibkonferenz

Die Schüler/innen besprechen in kleineren Gruppen ihre Texte. Bestimmte Vorgaben – etwa in Form einer Checkliste – erleichtern die Arbeit. Die überarbeitete Fassung wird von der Lehrkraft korrigiert.

Team von Expertinnen und Experten

Eine Expertengruppe – jede/jeder ist für einen Bereich zuständig, etwa für den Inhalt, die Wortwahl, die Sprachrichtigkeit – sitzt um einen Tisch, liest einander Texte vor und bewertet diese. Jede Teilnehmerin/jeder Teilnehmer hat dazu einen Katalog von Fragen zur Verfügung, die auf einer Karte stehen. Zu diesen Fragen kommt man zum Beispiel, indem die Wortgrup-pen einer früher erarbeiteten Checkliste entsprechend umformuliert werden. Verschiedene Kartenfarben kennzeichnen die einzelnen Bereiche.

das Überarbeiten von Texten üben

Grundzüge einer kompetenzorientierten Schreibdidaktik 99

Stationenbetrieb

In der Klasse liegen in mehreren Lernstationen Materialien für die Schüler/innen bereit. Mit ihrer Hilfe können die Schreib- und die Überarbeitungskompetenz geschult werden. Wichtige Voraussetzung dafür sind Texte, die durch jeweils ein Merkmal auffallen.

Wenn in einer sechsten Schulstufe das Verfassen von Spielanleitungen Thema des Schreib-unterrichts ist, können das Texte sein, die�� die Voraussetzungen für die Durchführung des Spiels nicht nennen,�� inhaltlich mangelhaft gegliedert sind,�� die sprachliche Form andauernd wechseln (Imperativ, Du-Form, unpersönliche Form),�� notwendige und geläufige Fachausdrücke holprig umschreiben,�� eine falsche Zeitform aufweisen usw.

Die Texte stammen entweder von den Schülerinnen und Schülern oder sind von der Lehrkraft verfasst worden.

Wichtig: Der Stationenbetrieb ist sehr zeitaufwändig (das gilt es bei der Vorbereitung zu be-achten), ermöglicht aber ein individuelles Eingehen auf die Schüler/innen.

Baustein 4: Texte überarbeiten – Überarbeitungskompetenz bewerten (Aspekte 6, 8)

Wenn Texte überarbeitet werden sollen, bieten sich folgende Aspekte dafür an:

�� Länge�� Inhalt �� Aufbau�� Satzbau

�� Wortwahl�� Rechtschreibung�� Grammatik�� Zeichensetzung

Die einzelnen Punkte werden je nach Übungsschwerpunkt präzisiert, damit die Schüler/innen etwa wissen, unter welchen Voraussetzungen die Gliederung einer Spielanleitung (nicht) gelungen ist.

Die Änderungen zwischen den Textfassungen machen sich hauptsächlich als Ergänzung, Ersatz oder Weglassung bemerkbar. Sie gelingen, gelingen teilweise oder gelingen nicht.

Mit Hilfe dieser Vorgaben kann ein Bewertungsblatt (vgl. Fix, 2006, S. 168) erstellt werden:

Länge vorher/nachher

gelungenteilweise gelungen

nicht gelungen

InhaltAufbauAusdruck: WortwahlAusdruck: SatzbauRechtschreibungGrammatikZeichensetzungErgänzungenErsatzWeglassungenGesamteindruck

Wichtig: Bei der Überarbeitung empfiehlt sich die Konzentration auf drei bis fünf Aspekte.

100 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Baustein 5: Eindeutige Bezeichnung der Korrekturanmerkungen als Voraussetzung für sinnvolle Überarbeitungsversuche (Aspekte 6, 8, 10)

Eine kompetenzorientierte Schreibdidaktik betont die Wichtigkeit der Überarbeitung von Texten. Eine Voraussetzung dafür sind lesbare und für die Schüler/innen verständliche Korrekturanmerkungen. Mit ihrer Hilfe erhalten sie Rückmeldungen, inwiefern der korrigierte Text eventuell Verständnisschwierigkeiten bereitet, wo er Schwächen aufweist und wie die Schüler/innen ihre Schreibfähigkeiten verbessern können.

Folgende Fehlerkategorien sollten auf jeden Fall unterschieden werden: Inhaltsfehler, Recht-schreib- und Grammatikfehler, Ausdrucksfehler und Satzzeichenfehler.

Wichtig: Die Rückmeldungen sollten nicht nur Fehler herausstreichen, sondern auch Positi-ves festhalten.

Vorschläge für Korrekturkennzeichnungen

Abkürzungen

A Ausdrucksfehler (unklar, ungeschickt, falsch, überflüssig, umgangssprachlich)Bz Bezug (falsch, fehlt, unklar)Inh InhaltsfehlerR Verstoß gegen die RechtschreibungGr Verstoß gegen die Grammatikalität (Genus, Numerus, Kasus, Modus, Kongruenz)SGr Verstoß gegen die Satzgrammatik (Satzbau, Wortstellung, Satzglieder) TGr Verstoß gegen die Textgrammatik (Bezug, Verweis, Anschluss)Z TempusfehlerSz Satzzeichen (Beistrich, Punkt etc.)W unnötige Wiederholung (Wort, Ausdruck, Formulierung)(w) ein mehrfach auftretender Fehler, der nur einmal gewertet wirdZh fehlender oder unklarer Zusammenhang Zeichen schwere Fehler leichte Fehler

Absatz, neue Zeile Wortfolge umdrehen

~~~ ungenauer, missverständlicher Ausdruck

Beistrich 1 2 3 4 5 Wortreihenfolge

Wer mit den Korrekturzeichen noch genauere Rückmeldungen geben will, kann Untergrup-pen von Fehlern schaffen.Die Abkürzung „R1“ etwa meldet zurück, dass ein Rechtschreibfehler aus dem Bereich der Groß-/Kleinschreibung vorliegt, wenn die Groß-/Kleinschreibung als erste Fehlerkategorie eingestuft wurde (das bedeutet nur eine Reihenfolge, keine Wertung).

Wichtig: Solche Fehlerkategorien (siehe unten) müssen den Schülerinnen und Schülern bekannt und mit ihnen auch geübt worden sein.

einheitliche Rückmeldung

Grundzüge einer kompetenzorientierten Schreibdidaktik 101

Mögliche Fehlerkategorien:

1 ... Groß-/Kleinschreibung2 ... Gravierende Verstöße gegen die Getrennt-/Zusammenschreibung3 ... Schreibung der Doppelkonsonanten nach Kurzvokal (= Kürzemarkierung oder Schärfung)4 ... Dehnung 5 ... s-Schreibung 6 ... Schreibung der Umlaute und Diphthonge 7 ... Konsonanten-Vertauschungen 8 ... Weitere Fehler im Konsonantenbereich (Weglassungen, Hinzufügungen)9 ... Fremdwortfehler

Baustein 6: Literarische Texte nach Vorlagen verfassen (Aspekte 2, 9)

Bestimmte epische und lyrische Formen eignen sich sehr gut als Vorlagen für Schülertexte:

�� Gedichte generell laden zu Gegentexten ein, für gebundene Formen wie Elfchen, Rondell und Haiku gilt das ganz besonders.

�� Unter den epischen Formen erfreuen sich Märchen, Sagen, Fabeln, Kurz- und Kürzest-geschichten in den Schulbüchern großer Beliebtheit.

�� Ausschnitte aus erzählenden Texten mit besonderen sprachlichen Merkmalen dienen oft als Vorlage (Heftchenromane, Texte der Gegenwartsliteratur).

Folgende Fragen können der qualitativen Bewertung der Schülertexte zugrunde gelegt werden:

�� Steht der Text in einem sinnvollen Verhältnis zu seiner literarischen Grundlage?�� Passen die Details zueinander? Lassen sie sich in eine Gesamtkomposition einfügen?�� Weist der Text eine klare Gedankenführung und einen klaren Aufbau auf?�� Ist die Sprache der Textsorte angemessen?�� Werden die Sprachnormen beachtet? �� Finden sich kreative Einfälle in dem Text?

Baustein 7: Möglichkeiten der Individualisierung im Schreibunterricht (Aspekt 7)

Ein Gespräch zwischen der Lehrkraft und den Schülerinnen und Schülern über die Ziele des jeweiligen Schreibauftrags wirkt klärend und beugt einer Themenverfehlung vor. Bereits vor-handene Checklisten können dabei eingesetzt werden.

Die Aufgabenstellungen selbst können ebenfalls den Leistungsunterschieden innerhalb einer Klasse Rechnung tragen:

Schreibschwächere Schüler/innen

�� verfassen z. B. Argumente nur für oder gegen einen Sachverhalt, während die leistungs-stärkeren Schüler/innen für beide Standpunkte Argumente suchen,

�� beantworten Fragen zu einzelnen Aspekten eines Textes (mit Hilfestellungen in Form von Leitfragen), während die leistungsstärkeren Schüler/innen darüber hinaus zu dem im Text angesprochenen Problem Stellung nehmen,

fördern und fordern

Einflussfaktoren auf die Textverständlichkeit

102 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

�� verfassen kürzere Arbeiten (das bedeutet etwa bei einer Bildgeschichte weniger Bilder als Grundlage).

Inhaltliche Hilfestellungen können in einem Gespräch der Lehrkraft mit den Schülerinnen und Schülern erfolgen. Auf diese Weise entsteht eine gemeinsame Stoffsammlung. Die Ideen-findung ist ebenso mittels assoziativer Methoden wie Brainstorming und Clustering (vgl. Beste, 2007, S. 57–60) möglich.

Formulierungshilfen in der Form von Wörterlisten und Textbausteinen unterstützen die schwä-cheren Schüler/innen.

Die Rückmeldung zur Qualität der ersten Schreibversuche kann leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern gegenüber detaillierter und intensiver ausfallen: Soll sie münd-lich erfolgen, eignet sich über die Hilfestellungen seitens der Lehrkraft hinaus der Weg der Schreibberatung durch die Mitschüler/innen, während Checklisten sich dann anbieten, wenn die unterstützenden Bemerkungen schriftlich vorliegen sollen (vgl. Baurmann, 2002, S. 220).

Grundzüge einer kompetenzorientierten Schreibdidaktik 103

4 Literatur

Augst, G., Disselhoff, K., Henrich, A. et al. (2007). Text-Sorten-Kompetenz. Eine echte Lon-gitudinalstudie zur Entwicklung der Textkompetenz im Grundschulalter. Frankfurt/M.: Peter Lang.

Baurmann, J. (2002). Schreiben – Überarbeiten – Beurteilen. Ein Arbeitsbuch zur Schreib-didaktik. Seelze: Kallmeyer.

Baurmann, J. & Pohl, T. (2009). Schreiben – Texte verfassen. In Bremerich-Vos, A., Granzer, D., Behrens, U. et al. (Hrsg.). Bildungsstandards für die Grundschule. Deutsch konkret. Ber-lin: Cornelsen Scriptor.

Baurmann, J. & Stengel-Kühl, K. (2007). Hin zur Fragelawine und darüber hinaus. In Praxis Deutsch 203. S. 16–20.

Becker-Mrotzek, M. & Böttcher, I. (2003). Texte bearbeiten, bewerten und benoten. Berlin: Cornelsen Scriptor.

Becker-Mrotzek, M. & Böttcher, I. (2006). Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen. Berlin: Cornelsen Scriptor.

Beisbart, O. & Marenbach, D. (2006). Bausteine der Deutschdidaktik. Donauwörth: Auer.

Beste, G. (Hrsg.) (2007). Deutsch Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen Scriptor.

Fix, M. (2006). Texte schreiben. Schreibprozesse im Deutschunterricht. Paderborn: Schö-ningh.

Hautala, R. (o. J.). Das Klopfen. In Doppelklick 6. S. 197–211.

Kuhl, H. (2009). Probleme der Aufsatzkorrektur – und wie man sie lösen kann. Paderborn: Schöningh.

Menzel, W. (2007). „Eines Nachts ist etwas Aufregendes passiert ...“. In Praxis Deutsch 203. S. 25–32.

Spinner, K. H. (2007). Was gehört zu einer guten Argumentation? Von fremden Texten zum eigenen Schreiben. In Praxis Deutsch 203. S. 21–24.

Ziener, G. (2008). Bildungsstandards in der Praxis. Kompetenzorientiert unterrichten. Seelze: Kallmeyer.

104 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Der Kompetenzbereich Sprachbewusst-sein: Aspekte seiner Vermittlung

1 Die Bedeutung der Entwicklung von Sprach­ bewusstsein für ein soziales System

Moderne Gesellschaften sind sprachlich multiaktiv

Die geografischen Grenzen Europas wurden im Laufe der Geschichte immer wieder neu ge-zeichnet, in der jüngeren Zeit beispielsweise durch den Fall der Mauer in Berlin, die Gründung der Nachfolgestaaten Jugoslawiens oder den Zerfall der Sowjetunion. Somit mussten sich langjährig gewachsene soziale Systeme mit ihrer erprobten, sprachlich geformten Interaktion plötzlich neu definieren: „Die Kommunikation und damit ein Teil der Identität, die sich im Laufe der Genese und Geschichte […] zu bestimmten Strukturen, Prozessen und Regeln“ verdich-teten, musste reorganisiert werden (Willke, 2007, S. 8).

Zeitgleich wuchs Europa zusammen; die wirtschaftspolitischen Bestimmungen erleichtern white and blue working employees gleichermaßen einen Jobwechsel in ein Land ihrer Wahl. Nur Realitätsverweigerer denken noch national; ereignisorientierte Entscheidungsträger/in-nen wissen, dass die geschaffenen Voraussetzungen für den spezifischen Einsatz von Know-how und Arbeitskraft in anderen Ländern sowohl zum einen eine ungemein große Ressource, zum anderen eine ungemein große Herausforderung sind:

Bildungspolitische Herausforderungen müssen stets im breiteren Kontext der Wahrung des sozialen Zusammenhalts gesehen werden – jedes Scheitern der schulischen Inte-gration von Migrantenschülern kann zum Scheitern der sozialen Integration beitragen. Geringes Bildungsniveau, keine abgeschlossene Schulausbildung und frühzeitiges Aus-scheiden aus dem Schulsystem schmälern die späteren Chancen junger Migranten auf eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt. Die fehlende schulische Integration kann auch die Entstehung positiver sozialer Bindungen und Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Gruppen beeinträchtigen, die für eine integrative Gesellschaft erforderlich sind. (Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2008, S. 9)

Die Basis für funktionierende Integration in einem der Länder Europas ist und bleibt der ad-äquate Sprachgebrauch der Landessprache und daher auch ein ausgeprägtes Sprachbe-wusstsein für diese „neue“ Sprache. Sozialer Aufstieg gelingt oftmals nur über gelungene mündliche und schriftliche Kommunikation. Daher stehen die Bildungsinstitutionen aller Län-der vor der gleichen Herausforderung: Schüler/innen, Fach- und Hilfskräften mit einer an-deren Muttersprache effizient und effektiv einen Einblick in die Struktur, Norm und Funktion der jeweiligen Landessprache zu geben sowie ihnen möglichst rasch Sprachbewusstsein zu vermitteln, um ein gedeihliches Zusammenleben und -arbeiten zu ermöglichen.

Moderne Gesellschaften sind systemisch

Helmut Willke (2007) zeigt unter Berufung auf Luhmann auf, dass das jeweils Systemische der unterschiedlichsten sozialen Systeme auf Kommunikation beruht: „Kommunikation schafft Welten jenseits der Ebene des konkreten Menschen – Welten, die aus Mustern und Ordnungen von Symbolen bestehen und genau darin über den Menschen als Organismus hinausreichend und in diesem Sinne ‚transpersonale‘ oder systemische Qualität aufweisen.“ (Willke, 2007, S. 9) Sprache als grundlegendes symbolisches System kann somit in einem pluralistischen Europa als jene Konstante betrachtet werden, die „kommunikative Realitäten und überdauernde Kontexte erzeugen kann“ (ebd.), die Strukturen, Prozesse und Regeln forciert.

Die Entwicklung von Sprachbewusstsein in der Muttersprache ist demnach von großer Be-deutung für die Entwicklung von Sprachbewusstsein für die Sprache des jeweiligen Zuwan-

Doris Astleitner & Gabriele Kulhanek-Wehlend

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ (Ludwig Wittgenstein)

Visitenkarte: qualifizierter Sprachgebrauch

Der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein: Aspekte seiner Vermittlung 105

derungslandes. Demnach kann die in Regeln festgehaltene Ordnung der Zeichensymbole sowohl als Ausgangspunkt als auch als Bindeglied (je nach Vorwissen) von menschlichen Denkinhalten fungieren.

Das System und die Struktur der Muttersprache zu verstehen sind daher die Grundvorausset-zungen für die Entwicklung von Sprachbewusstsein, da die Regelhaftigkeit des symbolischen Zeichensystems situationsadäquate, schriftliche und mündliche Kommunikation unterstützt. Erst dadurch können unterschiedliche soziale Systeme in Wechselbeziehung treten, können soziale Beziehungen wachsen. „Nicht die Referenz, sondern der ‚etablierte Gebrauch‘ bestim-me den ‚sozialen Gegenwert‘ des sprachlichen Zeichens.“ (Schmidt, 1994, S. 145)

2 Theoretischer Bezugsrahmen

Für Menschen ist Sprache genauso wichtig wie Wasser für Fische. Allerdings wird uns das im alltäglichen Leben offensichtlich ebenso wenig bewusst wie dem Fisch die Tat-sache, dass er ohne Wasser nicht leben kann. (Rieder, 2001, S. 116)

Vor 50 Jahren gehörten Rechtschreiben und Grammatik im Deutschunterricht nicht gera-de zu den Lieblingsbereichen von Schülerinnen und Schülern, ebenso gehörte der Recht-schreib- und Grammatikunterricht nicht zu den Lieblingsbereichen der Lehrer/innen. Vielfach resultierte das daraus,

� dass dieser Unterricht erlebt wurde als Merksätze schreiben, Ausnahmen lernen, Recht-schreibfall für Rechtschreibfall, Grammatikfall für Grammatikfall abarbeiten;

� dass Curricula und Lehrbücher in einer strikten Abfolge Rechtschreibfall für Rechtschreib-fall, Grammatikfall für Grammatikfall vorgaben.

Der Paradigmenwechsel – vom Rechtschreib- und Grammatikunterricht hin zu einem Un-terricht, der den Kompetenzbereich Sprachbewusstsein umsetzt – ist besonders durch die Einführung der Bildungsstandards vollzogen und gesetzlich festgelegt. Im Zentrum des Un-terrichts steht die Aufgabe, Sprachbewusstsein aufzubauen, um Lesen, Zuhören, Sprechen und Schreiben zu unterstützen. Durch eine intensive und gute Vermittlung von Wissen über Sprache sollen sprachliche Kompetenzen geschult bzw. verbessert werden. Gerade im Um-gang mit Mehrsprachigkeit ist der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein besonders wich-tig, geht es doch darum,

� das Wesen einer Sprache zu verstehen und deren Charakteristika aufzunehmen, � das System und die Struktur von Sprache, wie Aussprache, Wortschatz, Grammatik,

Bedeutung und Schreiben, nachzuvollziehen, � sich der eigenen Sprachlichkeit bewusst zu werden, � Sprachfertigkeit sowie ein bewusstes Sprachverhalten zu fördern, � sprachliche Phänomene zu beschreiben und zu hinterfragen und � für Sprache zu sensibilisieren und kognitive Einsichten in Sprache anzubahnen.

Die sprachlichen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern einer Lerngruppe sind nicht gleich, der sprachliche Erfahrungsbereich unterscheidet sich unter anderem hinsichtlich des Vorwissens, des sprachlichen Entwicklungsstandes, der Herangehensweisen an Aufgaben-stellungen und der Selbstständigkeit im Umgang mit Sprache. Da das individuelle Leistungs-potenzial gefördert und gefordert werden soll, sind Differenzierung und Individualisierung als Prinzipien einer qualitätsvollen Umsetzung des Kompetenzbereichs Sprachbewusstsein nicht Schlagworte, sondern Eckpfeiler eines didaktisch-methodischen Konzepts der Lehre-rin/des Lehrers.

Heterogene Sprachstände sind für die Umsetzung des Kompetenzbereichs Sprachbewusst-sein andererseits sehr bereichernd; dass alle Schüler/innen – so wie früher vorausgesetzt –

bedürfnisorientierte Änderung des didak tisch-methodischen Blick-winkels

106 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Kompetenzen in der deutschen Sprache mitbringen, ist nicht mehr die Regel. Für den Un-terricht erhält die Lehrerin/der Lehrer positive Impulse durch den Blick „von außen“ auf die deutsche Sprache von Schüler/innen, die mehrsprachig sind bzw. aufwachsen. Sie können beispielsweise entscheidende Impulse im Bereich Sprachbetrachtung liefern, Ausdrucks-möglichkeiten vergleichen und das System und die Struktur einer Sprache im Vergleich trans-parent machen.

Mit den verschiedenen Variationsmöglichkeiten der Differenzierung beschäftigt sich vor allem die Differenzielle Didaktik. Das ist ein Konzept, welches die individuellen Unterschiede zwi-schen den Jugendlichen im Hinblick auf Interessen, Fähigkeiten und Erfahrungen im Unter-richt besonders zu berücksichtigen sucht. Hauptanliegen ist es, die Unterrichtsziele, -inhalte und -methoden den Interessen, Fähigkeiten und Lernvoraussetzungen der einzelnen Schü-lerin/des einzelnen Schülers möglichst anzupassen, differenzierte Lernangebote zu machen und die individuellen Zugänge zu ermöglichen. Sprachlich begabte Schüler/innen werden gefordert, lernschwächere gefördert. Man kommt der Schülerin/dem Schüler entgegen und holt sie/ihn bei ihrem/seinem derzeitigen Wissensstand ab. Differenzierende und individuali-sierende Arbeitsweisen, gezieltes Üben und längeres Verweilen bei Inhalten ermöglichen es, unterschiedliche sprachliche Ausgangssituationen in der Sekundarstufe I zu entlasten und allen Schülerinnen und Schülern Erfolgserlebnisse zu verschaffen.

Individualisierung und Differenzierung erfordern einerseits eine hohe pädagogisch-soziale Kompetenz, andererseits eine umfassende organisatorische und methodische Vorbereitung von der Lehrerin/vom Lehrer. Entscheidend ist es aber, auch die Schüler/innen in die Verant-wortung für einen erfolgreichen an Standards orientierten Unterricht einzubeziehen. Es soll ihnen bewusst sein, an welchen Zielen sie im Unterricht arbeiten und was sie am Ende der Sequenz wissen und können sollten.

Die Transparenz der Standards versetzt sie in die Lage, eigene Lernwege reflektieren und Lernerfolge ansteuern zu können. Vorrangig geht es um die Sprachverwendung, sie geht der Reflexion über Sprache voraus. Wann und ob der Schritt von der Anwendung zur Reflexion gemacht werden kann, wird von der Leistungsfähigkeit bestimmt und kann innerhalb einer Jahrgangsklasse sehr unterschiedlich sein.

Lehrer/innen machen sehr häufig die Erfahrung, dass gerade bei der Umsetzung des Kom-petenzbereichs Sprachbewusstsein bereits Erarbeitetes sehr schnell wieder vergessen wird und bei einer Weiterführung und Erweiterung der Thematik nicht mehr präsent ist. Hier ist es besonders wichtig, Unterricht mit besonderem Nachdruck auf Nachhaltigkeit zu gestalten und durch permanentes Anwenden und Aufgreifen bereits bestehender Kenntnisse und Fer-tigkeiten diese zu festigen und zu vertiefen, vor allem mit dem Fokus auf ein Zusammenspiel der Kompetenzbereiche Zuhören und Sprechen, Lesen und Schreiben.

3 Überlegungen zur didaktisch­methodischen Umsetzung des Kompetenzbereichs Sprach­bewusstsein

Im Folgenden sollen der Lehrerin/dem Lehrer einige didaktisch-methodische Überlegungen zur Unterstützung für die Umsetzung des Kompetenzbereichs Sprachbewusstsein im Un-terricht angeboten werden. Es handelt sich dabei nicht um vollständig durchkonzipierte Un-terrichtseinheiten, sondern um Bausteine zur Schulung des Sprachbewusstseins, die der Vermittlung, Förderung und Unterstützung erwünschter Fertigkeiten und Fähigkeiten bei der Schülerin/beim Schüler dienen.

kreative, individuelle Vermittlung

Der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein: Aspekte seiner Vermittlung 107

3.1 Das Lego­Baustein­Prinzip: Visualisierungsversuch der Struktur der Sprache

Was hast du vor dir, wenn du ein Buch aufschlägst? Kleine, schwarze Zeichen auf hellem Grunde [...], deren nur eine so geringe Anzahl ist, daß jedes einzelne von ihnen alle Augenbli-cke wieder erscheinen muß, wenn ein Ganzes gebildet werden soll, die sich selbst nie, son-dern nur ihre Stellung zu der ihrer Kameraden verändern! (Ebner-Eschenbach, 1912, S. 327)

Der zitierte Text Lesen ist ein Wunder von Ebner-Eschenbach verbalisiert nicht nur sehr po-etisch, was die Leistungen des Lesevorgangs betrifft, sondern hat auch für Lernende eine ungeheuer tröstliche Komponente am Beginn des „Grammatikunterrichts“: Es gibt nur 26 kleine Schriftzeichen, die sie erkennen müssen.

Je nach Vorwissen der Lerner/innen können diese Zeichen im Laufe der Jahre zu immer komplexeren Gebilden zusammenwachsen; es erklären sich plötzlich Zeichenkombinatio-nen, deren Semantik man vorher nicht kannte. Die Grundlage für den Aufbau eines diffe­renzierten Wortschatzes ist somit gelegt. Um Sprache aber situationsgerecht anwenden zu können, bedarf es in weiterer Folge gezielt gesetzter syntaktischer Interventionen seitens der Lehrer/innen, um den Lernenden die Erkenntnis und daraus resultierend die Nutzung von Wort­, Satz­ bzw. Textstrukturen zu ermöglichen.

Die Struktureigenschaften von Wortarten, Satzgliedern bzw. Satz- und Textarten und deren Verknüpfungsregeln müssen als normierte Signale erkannt und schematisiert werden, um in einem sozialen System Denkinhalte kommunizieren zu können.

Abb. 1: Das Lego-Baustein-Prinzip (Astleitner, Krassnig & Wehlend, 2000, S. 91)

Die Idee, das Scrabble-Spiel in den Unterricht mitzubringen, ist wahrscheinlich nicht neu: Buchstaben können zu immer neuen Wörtern kombiniert werden; dadurch ist es möglich, den Wortschatz spielerisch zu erweitern. Die Idee, dreidimensionale Lego-Bausteine als Hilfsmittel für die Visualisierung des hierarchischen Aufbaus der Sprache zu verwenden, ist wahrscheinlich weniger üblich. Die räumliche Wahrnehmung der Ebenen verbunden mit den haptischen Erfahrungen erleichtert den Lernenden das Erkennen der Hierarchie semanti-scher Entitäten. Der Aufbau der Sprache wird mit Hilfe der Bausteine in wenigen Sätzen grob umrissen: Buchstaben (Einser-Legosteine) können zu Silben zusammengesetzt werden, die wiederum zu Wörtern. Auf Grund der unterschiedlichen Funktionen der Wörter können wir sie kategorisieren (Wortarten). Sie werden je nach ihrer Leistung, nach ihrer Aussagekraft zu Satzbauelementen (Satzglieder, Hauptsatz, Gliedsatz), die auf Grund ihres Informationsge-haltes ebenfalls kategorisiert werden können. Eine zusammenhängende Abfolge von Sätzen, die unter einem bestimmten Thema stehen und durch Verweiswörter einen Zusammenhang bilden, nennt man Text.

Sprache „begreifen“ und schrittweise Sprachver-ständnis „aufbauen“

108 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

3.2 Wörterbuch, Kartei und Co.

Rechtschreiben und Grammatik sind Partner. Ein Rechtschreibunterricht, in dem Schü ler/in -nen miteinander und mit der Lehrerin/dem Lehrer über Strukturen, Regelungen und Beson-derheiten nachdenken, Wörter sammeln und Schreibweisen begründen, untersucht Sprache und braucht daher auch die Grammatik, bietet aber des Weiteren unzählige Anregungen für das Gehirn. Das Verfassen eigener Texte ist für Schüler/innen auch der wichtigste Grund, das richtige Schreiben zu üben. Anhand eigener Texte gelingt das Nachdenken über Sprache weit besser. Annegret von Wedel-Wolf (2003) fasst zusammen, wie die Lehrerin/der Lehrer effektives Üben unterstützen kann:

� permanente Motivation zum Üben � Erfolgserlebnisse � eigenständiges Üben von Aufgaben als Ziel � Beherrschen grundlegender Arbeitstechniken � Individualisierung � spielerisches Üben unter Beteiligung möglichst vieler Sinne

Abschreiben

Das Abschreiben ist eine wichtige und elementare Arbeitstechnik, die in fast allen Unter-richtsgegenständen eine große Rolle spielt. Schüler/innen, die richtig abschreiben, können Wörterbuch, Kartei etc. gut einsetzen und gewinnen an Sicherheit.

Präge dir zuerst das Wort ein!Lies es genau!Mach die Augen zu und stelle dir das Wort vor!Schreibe es erst dann auf!Kontrolliere, ob jeder Buchstaberichtig ist!

Abb. 2: Abschreiben (Astleitner, Krassnig & Wehlend, 1999, S. 7)

Eine Alternative ist auch das Abdecken des Wortes in der Vorlage; so wird das be-wusste Einprägen eines Wortbildes nötig, um es aufschreiben zu können.

Kartei: Sammeln – Strukturieren – Forschen

Wörter zum gleichen Rechtschreibfall werden in unterschiedlichster Form (Plakat, Klebe-zettel, Heft, Overhead-Folie, Liste am PC im Word-Format erstellen) gesammelt. Dadurch wird das Gehirn unterstützt, der „Fall“ durch den Reiheneffekt verankert.

Komplizierte Stellen in Wörtern werden mit einem Textmarker gekennzeichnet und sollen in der Gruppe Anlass für ein Gespräch sein. Wörter werden strukturiert und verglichen („Warum schreibt man ...?“, in der Gruppe nach Begründungen für eine Schreibweise forschen).Parallel zum Unterrichtsgeschehen wird von den Schülerinnen und Schülern ebenso nach den Kriterien Sammeln, Nachdenken und Forschen eine Kartei zur Förderung des Sprach-

Skill-Training

Der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein: Aspekte seiner Vermittlung 109

bewusstseins geführt, die stetig erweitert wird. Dabei werden nicht nur einzelne Lernwörter auf unterschiedlichste Art und Weise geschrieben und bearbeitet, sondern jede Karteikarte beinhaltet eine Aufgabe zum Sammeln, Nachdenken und Forschen. Anfänglich gestaltet die Lehrerin/der Lehrer diese Karten, dann können auch von Schülerinnen und Schülern welche erarbeitet werden.

Abb. 3: Karteikarten

Wörterbuch

Das Wörterbuch soll ein lebenslanger Begleiter bei Zweifeln hinsichtlich der Rechtschreibung sein. Dazu ist es nötig, permanent seine Verwendung zu trainieren, Geduld, Ausdauer und methodisches Geschick der Lehrerin/des Lehrers vorausgesetzt. Ziel ist es, dass Schü ler/in-nen begreifen, dass jedes Wort nicht alleine für sich steht, sondern mit anderen Wörtern vernetzt ist und sich so etwas über die Schreibweise eruieren lässt (vgl. Wurzinger, 2010).

Lernspiele mit Selbstkontrolle

Lernspiele wie LÜK-Kasten, Klammerkarte, Stöpselspiel etc. sind mögliche Übungsformen, die eine Selbstkontrolle enthalten, sodass Schüler/innen das Ergebnis der Arbeit mit Hilfe der Lösung sofort selbst evaluieren können. So erhält die einzelne Schülerin/der einzelne Schüler unmittelbar Rückmeldung und kann in der Folge auch Korrekturen vornehmen. Das kreativ-spielerische Element, das beim Einsatz der Lernspiele mit Selbstkontrolle zum Tra-gen kommt, ist ein großer Anreiz, sich intensiv und konzentriert der Aufgabenstellung zu widmen. Die eingebaute Selbstkontrolle ist einerseits ein weiterer Schritt zur Erziehung zur Selbstständigkeit und bedeutet andererseits für die Lehrerin/den Lehrer mehr Freiraum, um Schü ler/in nen einzeln oder gruppenweise zu betreuen und auf spezifische Fragestellungen und Probleme einzugehen. So wird eine individuelle Begabungsförderung ermöglicht.

3.3 Textarbeit

Schüler/innen sind tagtäglich im Unterricht mit Texten konfrontiert, besonders mit jenen in Schulbüchern. Man sollte eigentlich davon ausgehen, dass diese zielgruppengerecht sind. Rosebrock (2007) beweist hingegen nach der Analyse die „enorme Komplexität der heu­te typischen Doppelseiten in Schulbüchern. Durch den Mix aus Überschriften verschie-dener Hierarchien, Symbole, Kästen, Bilder, Textstückchen, Tabellen usw. entstehen hohe

NachdeNkeN

das Bad – die Bäder

Aus a wird ä. Finde weitere Wörter, die das zeigen.

SammelN

erfahren

Schreibe möglichst viele verwandte Wörter auf.

ForScheN

wieder oder wider?

Erforsche den Unterschied.

110 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Anforderungen.“ (Rosebrock, 2007, S. 50) Die Arbeit mit Texten ist daher eminent wichtig. Ausgehend vom Text sollte die Lehrerin/der Lehrer eine Reihe an Sprachlernaktivitäten er-möglichen, um beispielsweise

� Eigenheiten/Funktionen bestimmter Textsorten kennenzulernen, � Grundmuster zu durchschauen (vgl. Staud, 2010), � Bezüge innerhalb eines Textes zu erfassen und � Kohärenzmerkmale zu erkennen.

3.3.1 Methodische Bausteine für die Arbeit mit Texten

Textbeurteilung

Die Schüler/innen arbeiten mit zwei oder drei Varianten von Texten, die die idente Funktion, z. B. Argumentieren, haben, paarweise oder in der Gruppe. In der Diskussion sollen sprach-liche Elemente in Bezug auf die Funktion erarbeitet werden.

� Welcher Text erfüllt seine Funktion am besten? � Woran erkennt man im Text, dass argumentiert, behauptet, widersprochen wird …? � Welche Satzteile, Schlüsselwörter untermauern mein Argument?

Voraussetzung ist, dass Grammatikwissen, z. B. in Bezug auf Satzarten, Zeiten, logische Verknüpfungen usw., präsent ist.

Dialogisches Lernen nach Ruf und Gallin

Die Schweizer Didaktiker Urs Ruf und Peter Gallin gehen von der Annahme aus, dass Schü-ler/innen in der Schule sehr viel und oft vorgefertigtes Wissen und Lösungen vorgesetzt be-kommen, sie setzen sich selbstständig zu wenig mit Fragestellungen auseinander, müssen Antworten nicht selbst suchen. Motivation und Interesse sind daher nur in geringem Ausmaß vorhanden. Gerade im Bereich Schulung von Sprachbewusstsein werden zu Grammatik- und Rechtschreibproblemen die Fragen und Lösungen in kleinen Portionen verabreicht, ohne zu erproben, zu versuchen etc.

Dialogisches Lernen gibt der Schülerin/dem Schüler die Chance, einen persönlichen Dialog mit der Sache aufzunehmen und sich in seinem Kreis so zu verhalten wie die Fachleute beim Forschen (vgl. Kollosche, 2009). Auf eine Fragestellung wie beispielsweise „Welche Funktion haben die Nomen in diesem Text?“, eine „Kernidee“, folgt ein Arbeitsauftrag der Lehrerin/des Lehrers. Die Schüler/innen arbeiten, jede/jeder so gut wie sie/er kann. Die Lehrerin/der Leh-rer begleitet den Prozess. Fehler zu machen ist kein Problem, die Arbeit wird schrittweise in einem Lernjournal, als „Herausforderung zum Rezipieren“ (Arbeitsgruppe, o. J.), festgehalten, das die persönliche Begegnung mit der Kernidee im Sinne eines Lernens durch Erzählen (vgl. Kollosche, 2009) dokumentiert. „Die Sprache hat in all diesen Fällen die Aufgabe, den Prozess des Verstehens zu aktivieren und die gewonnenen Einsichten zu festigen. Auf diese Weise nimmt mit der Sachkompetenz auch die Sprachkompetenz zu.“ (Gallin & Ruf, 1998, S. 33)

Kooperatives Lernen: „Think – Pair – Share“

Die drei Schritte1. „DENKEN“ – in der Einzelarbeit2. „AUSTAUSCHEN“ – in der Gruppe3. „VORSTELLEN“ – allen Schülerinnen und Schülern

Der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein: Aspekte seiner Vermittlung 111

ermöglichen eine intensive Auseinandersetzung mit einem Text. Zur Visualisierung kann das Placemat verwendet werden. „Placemats sind sehr vielseitig einsetzbare grafische Elemen-te, mit denen Arbeitsergebnisse wirkungsvoll dokumentiert werden können.“ (Tetling, 2007, S. 52) Sie sollten mindestens DIN-A3-groß sein, in den äußeren Feldern stehen die Überle-gungen des Einzelnen, die weiterführenden und aufbauenden Überlegungen der Gruppe in der Mitte. Durch die Größe können einzelne Schüler/innen gleichzeitig daran arbeiten, das Placemat kann auch gedreht werden.

Abb. 4: Placemat (Tetling, 2007, S. 55)

Textpuzzles

Textpuzzles sind sehr einfach – sowohl aus literarischen als auch sachbezogenen Texten – herzustellen und haben

� Textbeobachtung und -reflexion, � Schulung der Lesefähigkeit, � Verbesserung des Textgefühls und � Anwendung der Grammatik

zum Ziel. Dabei geht es in allererster Linie nicht um das richtige Zusammenfinden der Text-teile, sondern um eine genaue Begründung der richtigen Reihenfolge. Besteht das Puzzle gar nur aus einzelnen Sätzen, dann ergibt sich zwangsläufig ein grammatikorientierter Zugang, da die Schüler/innen zu ihren Kriterien, nach denen eine Reihung erfolgte, Stellung nehmen.

Mögliche Arbeitsanweisungen können sein:

� Der Text ist durcheinandergeraten. Bringe die Sätze in die richtige Reihenfolge. Erkläre: Nach welchen Hinweisen hast du dich beim Ordnen gerichtet?

� Schneide die Abschnitte aus und ordne sie. Finde zum Text einen aussagekräfti-gen Titel. Markiere die Hinweiswörter, die dir beim Ordnen geholfen haben.

� Ordne die Abschnitte. Der Titel des Textes unterstützt dich dabei.

Hier steht dasGruppenarbeits-

ergebnis

ErgebnisseSchüler/in 3

ErgebnisseSchüler/in 2

ErgebnisseSchüler/in 1

ErgebnisseSchüler/in 4

112 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

4 Beispiele

Im Folgenden werden der Lehrerin/dem Lehrer Erarbeitungsvorschläge für die einzelnen Deskriptoren des Kompetenzbereichs Sprachbewusstsein angeboten. Sämtliche Übungen wurden den themenorientierten Sprachlehrgängen Sprungbrett Sprache 1 (Astleitner, Krass-nig & Wehlend, 1999) und Sprungbrett Sprache 2 (Astleitner, Krassnig & Wehlend, 2000) entnommen.

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Text- und Satz-strukturen kennen und anwenden

41. Schüler/innen erkennen die sprachlichen Mittel für den Text- zusammenhang (Binde-, Ersatz- und Verweiswörter) und ihre Funktion

Abb. 5: Textzusammenhänge erfassen

Der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein: Aspekte seiner Vermittlung 113

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Text- und Satz-strukturen kennen und anwenden

42. Schüler/innen erkennen und variieren Satzbau und Satzbau-elemente: Hauptsatz, Gliedsatz, Satzglied, Satzgliedteil

Abb. 6: Wissen über Sprache erwerben

114 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Text- und Satz-strukturen kennen und anwenden

43. Schüler/innen können Sätze durch Satzzeichen strukturieren

Abb. 7: Leistung der Satzschlusszeichen

Der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein: Aspekte seiner Vermittlung 115

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Text- und Satz-strukturen kennen und anwenden

44. Schüler/innen erkennen Verbformen und können sie funktional anwenden

Abb. 8: Zeitstufen unterscheiden

116 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Wortarten und Wortstrukturen ken-nen und anwenden

45. Schüler/innen können Wortarten und ihre wesentlichen Funktio-nen erkennen und benennen

Abb. 9: Namenwort

Der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein: Aspekte seiner Vermittlung 117

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Wortarten und Wortstrukturen ken-nen und anwenden

46. Schüler/innen können Grundregeln der Wortbildung (Ableitung und Zusammensetzung) anwenden

Abb. 10: Neue Wörter bilden

118 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Über einen diffe-renzierten Wort-schatz verfügen und sprachliche Ausdrucksmittel situationsgerecht anwenden

47. Schüler/innen kennen Bedeutungsunterschiede von Wörtern: Wortfelder, Wortfamilien, Synonyme, Antonyme, Ober- und Unterbegriffe

Abb. 11: Wortschatz erweitern

Der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein: Aspekte seiner Vermittlung 119

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Über einen diffe-renzierten Wort-schatz verfügen und sprachliche Ausdrucksmittel situationsgerecht anwenden

48. Schüler/innen kennen die Bedeutung von grundlegenden idio-matischen Wendungen (insbesondere von verbalen Phrasen)

Abb. 12: Bedeutungsumfang von Wörtern erfahren

120 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Über einen diffe-renzierten Wort-schatz verfügen und sprachliche Ausdrucksmittel situationsgerecht anwenden

49. Schüler/innen können Sprachebenen unterscheiden (z. B. gesprochene und geschriebene Sprache, Dialekt, Umgangs-sprache, Standardsprache) und an die kommunikative Situation anpassen

Abb. 13: Wirkung der Wörter wahrnehmen

Der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein: Aspekte seiner Vermittlung 121

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Über Rechtschreib-bewusstsein verfügen

50. Schüler/innen beherrschen grundlegende Regeln der Dehnung, der Schärfung, des Stammprinzips, der Groß- und Kleinschrei-bung und können diese beim Schreiben anwenden

Abb. 14: Neue Notiztechniken kennenlernen

122 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Über Rechtschreib-bewusstsein verfügen

51. Schüler/innen beherrschen die Rechtschreibung des Ge-brauchswortschatzes einschließlich gängiger Fremdwörter

Abb. 15: Fehler erkennen und anzeichnen

Der Kompetenzbereich Sprachbewusstsein: Aspekte seiner Vermittlung 123

Kompetenzbereich Sprachbewusstsein

Über Rechtschreib-bewusstsein verfügen

52. Schüler/innen können Arbeitshilfen zur Rechtschreibung (z. B. Wörterbuch) einsetzen

Abb. 16: Mit dem Wörterbuch arbeiten

124 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

5 Literatur

Arbeitsgruppe Dialogischer Mathematikunterricht (o. J.). Der Kreislauf des Lernens. Verfüg-bar unter http://www.dialogischer-mathematikunterricht.de/kreislauf.html [29.06.2011].

Astleitner, D., Krassnig, E. & Wehlend, G. (1999). Sprungbrett Sprache 1. Wien: öbv&hpt.

Astleitner, D., Krassnig, E. & Wehlend, G. (2000). Sprungbrett Sprache 2. Wien: öbv&hpt.

Ebner-Eschenbach, M. von (1912). Sämtliche Werke. Band 4. Berlin: Paetel.

Gallin, P. & Ruf, U. (1998). Sprache und Mathematik in der Schule: Auf eigenen Wegen zur Fachkompetenz. Seelze: Kallmeyer.

Grundschulmagazin 1 (2009). Schwerpunkt Grammatik – richtig schreiben.

Kollosche, D. (2009). Dialogisches Lernen nach Urs Ruf und Peter Gallin. Verfügbar unter www.math.uni-potsdam.de/prof/o_didaktik/af/0910_einf/dialog.pdf [18.08.2011].

Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.) (2008). Grünbuch Migration & Mobi-lität: Chancen und Herausforderungen für die EU-Bildungssysteme. Brüssel. Verfügbar unter http://ec.europa.eu/education/school21/com423_de.pdf [18.08.2011].

Rieder, K. (2001). Sprachbewusstsein entwickeln. In Hofmann, D. M., Furch, E. & Winge, M. (Hrsg.). Grenzen – Borders. Kontakt und Konflikt in der Kulturbegegnung. St. Pölten: Sozaktiv.

Rosebrock, C. (2007). Anforderungen von Sach- und Informationstexten, Anforderungen literarischer Texte. In Bertschi-Kaufmann, A. (Hrsg.). Lesekompetenz – Leseleistung – Lese-förderung. Grundlagen, Modelle und Materialien. Seelze: Kallmeyer. S. 50–65.

Schmidt, S. J. (1994). Kognitive Autonomie und soziale Orientierung. Frankfurt/M.: Suhr-kamp.

Staud, H. (2010). Lesekompetenz durch Textwissen aufbauen. In BIFIE (Hrsg.). Praxishand-buch für „Deutsch“ 5.–8. Schulstufe. Band 1. Graz: Leykam. S. 62–84.

Tetling, K. (2007). Formt die Grammatik den Gedanken? Mit kooperativen Verfahren das Ver-ständnis anspruchsvoller Sachtexte erleichtern. In Praxis Deutsch 205. S. 50–60.

Wedel-Wolf, A. von (2003). Üben im Rechtschreibunterricht. Systematische Vorschläge für die Klasse 2 bis 4. Braunschweig: Westermann.

Willke, H. (2007). Einführung in das systemische Wissensmanagement. Heidelberg: Carl-Auer.

Wurzinger, W. (2010). Einsatz des Wörterbuchs im Unterricht. In BIFIE (Hrsg.). Praxishand-buch für „Deutsch“ 5.–8. Schulstufe. Band 1. Graz: Leykam. S. 92–102.

„Schaut im Internet nach!“ 125

1 Einleitung

Medienkompetenz stellt eine zentrale Qualifikation dar, die im Sinne des lebenslangen Ler-nens bei zukünftigen Erfordernissen des Alltags, der Ausbildung und des Berufslebens eine Rolle spielt. Ihre Bedeutung spiegelt sich in den Lehrplänen (Allgemeines Bildungsziel, Allgemeine didaktische Grundsätze, Fachlehrplan Deutsch), im „Medienerlass“, aber auch in den Bildungsstandards wider. Durch die Einführung einer „Vorwissenschaftlichen Arbeit“ im Rahmen der standardisierten kompetenzorientierten Reifeprüfung rücken Kompetenzen im Umgang mit unterschiedlichen Medien noch stärker in den Mittelpunkt.

Der folgende Artikel geht der Frage nach, wie Kompetenzen im Zusammenhang mit der Informationssuche im Internet nachhaltig erworben werden können. Er zielt konkret auf die Erarbeitung der Kompetenzfelder Explizite Informationen ermitteln und Inhalte mündlich prä-sentieren ab.

2 Didaktische Überlegungen zur Internetrecherche

Lernziel des Interneteinsatzes in der 5. bis 8. Schulstufe ist es, die Schüler/innen zu befähigen, Informationen effektiv zu suchen, auszuwählen, in vorhandene Wissensstrukturen einzu-ordnen, adressatenbezogen aufzubereiten und sich mit anderen darüber auszutauschen. Ab der 9. Schulstufe gilt als zusätzliches Ziel, die Glaubwürdigkeit und Qualität von Fundstellen einzuschätzen und die Informationen einer zunehmend kritischen Wertung zu unterziehen (Blatt, 2000, S. 133 und S. 138). Gleichzeitig muss das Internet selbst immer wieder als Unter- richtsinhalt (Gefahren im Internet, Jugendschutz etc.) thematisiert und hinterfragt werden.

„Schaut im Internet nach!“ reicht als Arbeitsanweisung bei Weitem nicht aus und kann bei den Schülerinnen und Schülern rasch zu Überforderung und Frust durch Leerläufe führen. Vielmehr macht die besondere Beschaffenheit des Internets im Unterricht eine strukturierte Aufbauarbeit notwendig, die dem Motto „vom sehr Einfachen zum allmählich Komplexeren“ folgt.1 Sie geht von den Vorerfahrungen der Schüler/innen aus, erfolgt in kleinen Schritten und ist mit ausgedehnten Übungsphasen verbunden. Im Normalfall sind dabei bis zur 8. Schul-stufe klare inhaltliche und zeitliche Vorgaben sowie eine gezielte Lenkung notwendig.

Die Aktivitäten im Internet dürfen niemals Selbstzweck sein, sondern sind stets mit weiteren Methoden handlungsorientierten Unterrichts zu verknüpfen. In jedem Fall sollten die Recherche ergebnisse für die Mitschüler/innen aufbereitet, präsentiert und besprochen werden. Idealerweise fließen sie in unterschiedliche Formen von altersgemäßen schriftlichen Schülerprodukten (Handout, Flugblatt, Steckbrief, Wandzeitung, Vorgangsbeschreibung, Mindmap, Broschüre, kommentierte Linkliste, Webtext für Schulwebsite etc.) ein und sind zunehmend mit unterschiedlichen Präsentationsformen verbunden. Zur Unterstützung einer effizienten Schülerarbeit empfiehlt sich dabei die Vorgabe inhaltlicher und gestalterischer Pa-rameter.

Die Erstellung solcher Produkte ist häufig ein wesentlicher Motivationsfaktor für Schüler/in-nen zur sorgfältigen Arbeit. Das „Sich-etwas-Erarbeiten“ stellt für sie per se einen Wert dar. Durch die Perspektive einer (öffentlichen) Präsentation erhöht sich die subjektiv empfundene Bedeutung der eigenen Arbeit noch weiter. Zu beachten ist dabei, dass bei jüngeren Schüle-rinnen und Schülern innerhalb einer Klasse nach wie vor mit einem großen Gefälle hinsichtlich der Vorkenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit dem Computer im Allgemeinen und mit Textverarbeitungs- und Präsentationsprogrammen sowie der Informationsbeschaffung und -verarbeitung im Speziellen zu rechnen ist.

1 Vgl. dazu Blatt, 2000, S. 138, Frenske, 2003, S. 9–10 sowie Koch & Neckel, 2001, S. 88–89.

„Schaut im Internet nach!“ Der schrittweise Kompetenzaufbau bei der Nutzung des Internets als Recherchemedium

WernerBajlicz

Medienkompetenz als zentrale Qualifikation

strukturierte Aufbauarbeit notwendig

Rechercheergebnisse fließen in unterschiedliche Schülerprodukte und Präsentationsformen ein

126 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

3 Phasen des Erwerbs von Internetkompetenz

Die für den Interneteinsatz im Unterricht erforderlichen Kenntnisse beschränken sich auf relativ wenige Routinen, die wiederkehrend eingeübt werden müssen, aber rasch erlernbar sind (Kührt, 2002, S. 55). Die konkrete pädagogische Umsetzung im Unterricht kann sich in drei Phasen vollziehen und richtet sich – unabhängig von Schulform und Schulstufe – einzig nach den Vorerfahrungen und Kenntnissen der Schüler/innen.

Phase 1: „Die stark gelenkte Internetrecherche“ – Arbeit ohne Suchmaschinen und mit vorgegebenen Internetadressen

Ziele:

�� den Aufbau von Internetadressen kennen�� sich in der Hyperlink-Struktur von Webseiten zurechtfinden�� die wichtigsten Browser-Funktionen beherrschen�� die Weiterverarbeitung von Grafiken und Textauszügen aus Internetseiten in einem Text-

verarbeitungsprogramm (z. B. Microsoft Word) beherrschen

Um Überforderung zu vermeiden, sollten die Internetaktivitäten der Schüler/innen in der ers-ten Phase auf einen schmalen Bereich beschränkt bleiben. Es ist zielführend, zunächst ein-zelne und im nächsten Schritt einige wenige Internetseiten vorzugeben, die thematisch zum Unterricht passen und angeleitet erarbeitet werden sollen.

Die Art der Fragestellung bedingt den Schwierigkeitsgrad der Rechercheaufgabe. Ist die Lö-sung eindeutig, so ist die entsprechende Information relativ einfach zu beschaffen. Schwie-riger ist es, Antworten auf (halb)offene Fragen zu finden. Zum einen sind mehrere Lösun-gen möglich, sodass die Schüler/innen auswählen müssen, welche Informationen sie bei der jeweiligen Aufgabe für relevant halten; zum anderen müssen die Rechercheergebnisse strukturiert und in eine inhaltlich und sprachlich passende Form gebracht werden (Schomer, 2005, S. 18).

Mögliche Aufgabenstellungen (von einfach bis zunehmend komplexer) sind:

�� Informationssuche an einem genau vorgegebenen Suchort�� Informationssuche unter Vorgabe einer Internetseite, wobei sich die Informationen nicht

auf der obersten Ebene der angegebenen Webseite befinden�� Informationssuche unter Vorgabe von mehreren Internetadressen

Schon am Ende dieser Phase sollten die Schüler/innen in der Lage sein, mit Hilfe von gezielt gesuchten Informationen, Bildern und Grafiken aus dem Internet eigene Arbeitsblätter, Folien, Informationsbroschüren und Ähnliches für ihre Mitschüler/innen anzufertigen (Kührt, 2002, S. 24). Diese sollten in weiterer Folge zunehmend effektiver und qualitativ hochwertiger aus-gestaltet werden, womit eine zunehmende Vertiefung der Fertigkeiten im Umgang mit einem Textverarbeitungsprogramm notwendig wird.

Unterrichtsanregungen:

�� Themenrecherche anhand einer weitläufigen Internetseite oder einer kleinen Auswahl an vorgegebenen Einstiegs-Links

�� thematische „Internet-Rallye“, z. B. zu Märchen

wenige Routinen wiederkehrend einüben

Internetaktivitäten auf einen schmalen Bereich beschränken

„Schaut im Internet nach!“ 127

Unterrichtsbeispiel: GORILLA­Webseite des Österreichischen Buchklubs

Aufgabe 1:Welche Kinder- und Jugendbücher auf der „GORILLA-Webseite des Österreichischen Buchklubs der Jugend“ sind dem Thema „Reisen und ferne Länder“ zuzuordnen?

Gestalte ein Flugblatt (eine A4-Seite) mit allen Buchtiteln und kurzen Inhaltsangaben zu den jeweiligen Büchern.

Besuche dazu die Internetseite des „Österreichischen Buchklubs der Jugend“ unter der Internetadresse http://www.buchklub.at. Klicke zuerst den Link „Buch-klub GORILLA“ und danach den Link „zur Buchklub GORILLA-CYBERTOUR“ oder „CYBER.TOURS“ an.

Aufgabe 2:Wähle auf der „GORILLA-Webseite des Österreichischen Buchklubs der Jugend“ das Buch „Die Rache der Videomonster“ (Bauer, Klement & Sklenitzka, 2007) aus. Beantworte die Fragen der „GORILLA.CYBER.RALLYE“ mit Hilfe der vorhandenen Informationen zu den neun Krimi- und Gruselgeschichten.

Abb. 1: GORILLA.CYBER.RALLYE (Ausschnitt aus dem unter http://www.buchklub.at/magazine/gorilla/videomonster/cyberrally_videomonster.pdf verfügbaren Online-Dokument)

128 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Unterrichtsbeispiel: Werbeprospekt „Tiergarten Schönbrunn“

Aufgabe:Gestalte einen Werbeprospekt (zwei A4-Seiten) für den Tiergarten Schönbrunn. Arbeite mit dem Computer und verwende dazu Word und das Internet.

Dein Prospekt soll enthalten:

�� eine Überschrift mit WordArt�� Slogans in Verbindung mit dem „Tiergarten Schönbrunn“, die sich vom übrigen

Text deutlich abheben�� Beschreibungen und wichtige Informationen, die zum Besuch verlocken�� Fotos, die zum Text passen�� eine Übersichtskarte des Tiergartens�� eine Aufforderung zum Besuch, zur Spende oder zum Beitritt zum Förderverein�� hervorgehobene Textstellen durch fett gedruckte, unterstrichene oder farbige

Wörter

Beschreibungen und Fotos zu den einzelnen Tieren und Anlagen findest du auf der Homepage des Tiergartens Schönbrunn. Gehe dabei folgendermaßen vor:

Öffne die Internetseite http://www.zoovienna.at. Klicke danach auf den Link „Tiere & Anlagen“. Wähle passende Fotos und Informationen aus und füge sie an sinnvoller Stelle in Word ein.

Weitere Ausdrücke, die du verwenden kannst: Erlebniswelt, Fenster zur Natur, Bot-schaft für die Tiere, Erholungsparadies, Zoo-Aktiv-Club.

Baue auch eigene Erfahrungen ein, die du selbst im Zoo gemacht hast.

„Schaut im Internet nach!“ 129

Phase 2: „Die zunehmend offenere Internetrecherche“ – Ver­wendung von Suchmaschinen mit genauer Eingabeanweisung

Ziele:

�� Suchmaschinen kennen und zunehmend gekonnt nutzen�� erste eigenständige Recherchen durchführen und dokumentieren (z. B. durch Anlegen

von eigenen kommentierten Linklisten in einem Textverarbeitungsprogramm)�� erweiterte Browser-Funktionen beherrschen (z. B. die Verwendung der „Favoriten“: Favo-

riten bearbeiten, Anlegen eigener Favoriten-Verzeichnisse) �� vertiefte Kenntnisse in der Weiterverarbeitung von Grafiken und Textauszügen aus Inter-

netseiten in einem Textverarbeitungsprogramm erwerben

Bei der Einführung von Suchmaschinen muss bewusst gemacht werden, dass die Auswahl von Suchwörtern eine der wesentlichen Aufgaben bei der Internetrecherche ist. Sie entschei-det darüber, ob man als Ergebnis mit irrelevanten Treffern überschüttet wird oder auf eine handhabbare Menge brauchbarer Informationsseiten zugreifen kann. Deshalb sollte vor der eigentlichen Internetaktivität die Erarbeitung eines inhaltlichen Backgrounds und von Schlüs-selbegriffen stehen.

Anfangs genügt es, eine einzelne Suchmaschine – z. B. http://www.google.at – zu verwen-den. Für die ersten Rechercheversuche bieten sich auch spezielle Suchmaschinen für Kinder (z. B. http://www.kidsweb.at, http://www.loopilino.de oder http://www.blinde-kuh.de) an. In jedem Fall sollten die ersten Übungen von der Lehrkraft angeleitet und die Suchergebnisse reflektiert werden (die Vielzahl unerwünschter Ergebnisse zeigen; gemeinsam mit den Schü-lerinnen und Schülern überlegen, wie man bessere Ergebnisse erhält).

In der Regel sind nach wie vor präzise Schritt-für-Schritt-Anweisungen und die Vorgabe von Suchbegriffen bzw. von Kombinationsmöglichkeiten dieser Begriffe sinnvoll. Um klare Erfolgs-erlebnisse zu gewährleisten, kann auch die Vorgabe von kommentierten Linklisten vorteilhaft sein, die mit konkreten Arbeits- und Rechercheaufträgen verbunden sind. Die Schüler/innen erhalten dadurch eine wichtige Orientierungshilfe und ein sicheres Grundgerüst, mit dem sie die Aufgaben bewältigen und von dem aus sie das Internet nach weiteren Quellen erforschen können, ohne fürchten zu müssen, elementare Informationen zu verpassen. Die Linklisten dürfen allerdings nicht zu lang sein, da sie die Schüler/innen sonst überfordern.

Erst nach und nach werden die Schüler/innen durch klare, zunächst noch wenig komplexe Fragestellungen angehalten, selbstständig mit Suchmaschinen zu recherchieren.

Unterrichtsanregungen:

�� Suche nach Texten (Märchen, Sagen, Gedichte etc.) oder Informationen zu Jugend-büchern sowie Autorinnen und Autoren

�� Suche nach Informationen zu im Unterricht behandelten Sachthemen oder zu in Jugend-büchern angesprochenen Themen

�� Suche nach Materialien als Impuls für Schreibaufgaben �� Recherchen zur Vor- und Nachbereitung von Exkursionen, Theaterbesuchen etc. �� Einsatz sogenannter „WebQuests“2, worunter eine Art thematische „Schnitzeljagd“

durchs Internet verstanden wird, die in der Regel nach einer mehr oder weniger einheit-lichen Struktur vorgeht

2 Hierzu finden sich im Internet zahlreiche Muster, die mit Hilfe von Google unter „Webquest Beispiele“ einfach zu finden sind.

Auswahl von Suchwörtern ist wesentliche Aufgabe

Vorgabe von Suchbe-griffen und Linklisten als Orientierungshilfe zielführend

130 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Unterrichtsbeispiel: „Rolltreppe abwärts“

Aufgabe 1:Das Jugendbuch „Rolltreppe abwärts“ (Noack, 2009) handelt von einem Jungen, der mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Weißt du eigentlich, welche Rechte Jugendliche in deinem Alter haben? Was ist dir erlaubt, was verboten?

Recherchiere im Internet folgende Punkte des Jugendschutzgesetzes in deinem Bundes land:

�� Aufenthalt in Gaststätten und an allgemein zugänglichen Orten (Straßen, Parks, Busse etc.)

�� Besuch von Kinos und öffentlichen Veranstaltungen (Tanz, Konzerte, Sport etc.)�� Konsum von Alkohol, Tabak und Suchtmitteln�� „Ein Fall für den Staatsanwalt?“�� weitere Punkte, die dir wichtig erscheinen

Wähle dazu die Suchmaschine http://www.google.at aus und gib in die Suchmas-ke entweder „Jugendschutz“ oder „Jugendrechte“ ein. Klicke auf die Schaltfläche „Google-Suche“. Wähle danach eine passende Webseite aus und kopiere die ent-sprechenden Textstellen.

Erstelle in Word ein übersichtlich gegliedertes Informationsblatt im Umfang von einer A4-Seite. Führe zumindest zwei Adressen von Internetseiten an, die die wichtigsten Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes enthalten.

Für ungeübtere Schüler/innen könnte die Arbeitsanweisung für das Auffinden der In-formationen wie folgt lauten:

Besuche die Internetseite http://www.jugendinfo.at, klicke auf den Link „Jugend-schutz und Recht“ und informiere dich über folgende Punkte des Wiener Jugend-schutzgesetzes …

Weitere Informationen zum Thema findest du unter der Internetadresse http://www.help.gv.at bei „Themen von A bis Z …“ unter dem Stichwort „Jugendrechte“.

Aufgabe 2:Speichere die recherchierten Internetseiten als „Favoriten“ in einem eigenen Ordner mit der Bezeichnung „Jugendschutzgesetz“ ab. Gehe dabei folgendermaßen vor:

Rufe eine passende Internetseite auf. Klicke auf das Menü „Favoriten“, danach auf „Zu Favoriten hinzufügen“. Um einen entsprechenden neuen Ordner zu erstellen, kli-cke auf „Neuer Ordner“. Tippe die Bezeichnung des Ordners ein und klicke auf „OK“.

Aufgabe 3 (Zusatzaufgabe): Haben die Jugendlichen in allen Bundesländern die gleichen Rechte? Recherchiere die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes in anderen Bundesländern. Vergleiche sie mit den Rechten, die Jugendliche in deinem Bundesland haben.

„Schaut im Internet nach!“ 131

Kopiere die passenden Textstellen und erstelle in Word eine Tabelle, die die wichtigs-ten Bestimmungen von drei Bundesländern enthält. Folgendes Beispiel zeigt dir, wie die Tabelle aussehen könnte:

Die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes in Österreich

Wien Steiermark Tirol

Aufenthalt in Gaststätten ... ... ...

Konsum von Alkohol und Tabak ... ... ...

... ... ... ...

Phase 3: „Die freie Internetrecherche“ – freie Verwendung von bewährten Suchmaschinen

Ziele:

�� zunehmend offenere und komplexere Rechercheziele bewältigen�� auf fortgeschrittenem Level: Glaubwürdigkeit und Qualität von Fundstellen einschätzen

und Informationen zunehmend kritisch bewerten�� Umgang mit unterschiedlichen Präsentationsmedien zunehmend beherrschen

Wenn die Schüler/innen eine gewisse Sicherheit im Recherchieren erworben haben, können offenere Ziele vorgegeben werden. Voraussetzung für das Gelingen von freien Recherchen im Internet sind eine genaue Vorrecherche und die Begutachtung von potenziell in Frage kom-menden Internetseiten durch die Lehrkraft. Sie sollte wissen, was die Schüler/innen inhalt-lich und sprachlich dort erwartet. Spontane Rechercheversuche im Unterricht sind oftmals nervenaufreibend und nicht nur für Schüler/innen frustrierend. Daneben bedarf es im Vorfeld einer inhaltlichen Einführung, wobei das Vorwissen aktiviert wird, grundlegende Begrifflichkei-ten abgeklärt werden und ein Hintergrundverständnis für das Themengebiet geschaffen wird.

Es ist zunächst sinnvoll, alle Schüler/innen mit arbeitsgleichen Aufgaben zu betrauen. Das Ver gleichen von Suchergebnissen verschiedener Gruppen zur selben Aufgabenstellung er-möglicht es, die Vor- und Nachteile von unterschiedlichen Vorgehensweisen herauszuarbeiten. Über das jeweilige methodische Vorgehen sollte in jedem Fall gemeinsam reflektiert werden, wofür das Abfassen von Protokollen über Suchvorgänge und Suchergebnisse seitens der Schüler/innen zielführend ist.

Mein Recherche-Protokoll

Name: Thema der Recherche: Dauer der Suche:

Suchstrategie/

SuchmaschineStichworte URL

persönliche Bewertung (inhaltliche

Ergebnisse in Stichworten, Brauch-

barkeit, Stärken, Schwächen ...)

Reihung

genaue Vorrecherche durch Lehrerin/Lehrer notwendig

132 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Eine sinnvolle Variante themengleicher Gruppenarbeit ist, Rechercheergebnisse aus dem Internet nicht nur miteinander, sondern auch mit Darstellungen in anderen Medien (z. B. in Zeitungen, Magazinen oder Lehrbüchern) zu vergleichen. Dadurch wird immer wieder vor Augen geführt, dass das Internet bloß eine Informationsquelle unter vielen ist.

Unterrichtsbeispiel: Berufsorientierung

Aufgabe 1:Informiere dich im Internet über deinen Traumberuf (Berufsbeschreibung, Anforderun-gen etc.). Stichworte wie „Berufskunde“ helfen dir bei der Suche. Gestalte danach mit PowerPoint eine kurze Präsentation zu deinem Traumberuf. Berücksichtige die unten stehenden Tipps zur Gestaltung einer solchen Präsentation.

Tipps zur Gestaltung einer PowerPoint-Präsentation

Bei der Gestaltung der Folien ist zu beachten:

�� einheitliches Layout bei allen Folien (mit ruhigem Hintergrund) wählen�� maximal sechs Zeilen zu ca. sechs Wörtern je Folie schreiben�� keine vollständigen Sätze, sondern nur Schlagworte schreiben�� Gestaltungsmittel wie Farben, ClipArt, Bilder, WordArt, Animationen und

Soundeffekte bewusst, aber sparsam einsetzen�� „Weniger ist mehr.“

Bei der Auswahl der Schrift ist wichtig:

�� maximal zwei Schriftarten je Folie einsetzen�� gut lesbare Schrift wählen – gut geeignet sind weite, runde Schriftzüge

(z. B. Arial, Verdana, Tahoma)�� Schriftgrößen ab 20 pt verwenden�� kursiv gestellte Schriften und Unterstreichungen vermeiden�� ausreichenden Zeilenabstand wählen

Aufgabe 2:Suche im Internet nach Tipps für das Verfassen von Bewerbungsschreiben.Verfasse anschließend ein Bewerbungsschreiben für deinen Traumberuf.

In einer fortgeschritteneren Phase können komplexere Themenstellungen in arbeitsteiliger Gruppenarbeit bewältigt werden. Auch wenn die Rechercheziele möglichst überschaubar bleiben sollten, kann man die Schüler/innen mit umfangreicheren Arbeitsaufgaben und Pro-jekten konfrontieren, die auch Wertungen und Entscheidungen erfordern (Kührt, 2002, S. 25). Die Schüler/innen formulieren nun die Suchbegriffe selbstständig, recherchieren selbst-organisiert und protokollieren ihre Suchwege und Ergebnisse. Dies gibt ihnen die Möglich-keit, ihren individuellen Interessen zu folgen, gefundene Ressourcen autonom zu verwerten und auch Auswertung und Präsentation den definierten Projektzielen gemäß selbstständig zu gestalten. Zweifelsohne sind nun auch die Einführung alternativer Suchmaschinen und die erweiterte Suchabfrage mit logischen Verknüpfungen („und“/„oder“), Phrasensuche etc. sinnvoll.

Die Rechercheaufgaben sollten ab diesem Level stets mit einem „Medientraining“ im Sinne einer Auswahl geeigneter bzw. einer Gestaltung unterschiedlicher Präsentationsmedien ge-koppelt sein. Für die mediale Gestaltung von Präsentationen hat das Bundesministerium

Empfehlungen zur Gestaltung von Präsentationen

Rechercheergebnisse mit Darstellungen in anderen Medien vergleichen

„Schaut im Internet nach!“ 133

für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) in einer Handreichung zur „Vorwissenschaftlichen Arbeit“ folgende Empfehlungen ausgegeben (vgl. BMUKK, 2011, S. 27):

�� Visualisierung – Präsentationsmedien unterstützen den Vortrag, stehen aber nicht im Mittelpunkt

�� sparsamer Einsatz von Animationen und gestalterischen Mitteln eines Computer-programms

�� kein Fließtext im Bild �� möglichst kein Vorlesen des im Bild sichtbaren Texts �� Beispiele, Grafiken, Bilder können einen Sachverhalt unterstützend klären �� Farbe, Schrift und Layout – Grundregeln beachten

Das Grundmodell von Internetrecherchen kann beispielhaft wie folgt skizziert werden (vgl. Koch & Neckel, 2001, S. 89):

�� inhaltliche Einführung, Aktivierung von Vorwissen�� Formulierung des Fragen- und Aufgabenkatalogs für die Recherche �� Sammeln von Informationen �� Festhalten der Ergebnisse, Bewertung, Aufbereitung, Diskussion und Kritik�� Ausarbeitung von schriftlichen Beiträgen, Handlungsprodukten und Präsentationen

Die Beurteilung der inhaltlichen Qualität einer Internetseite fällt vielfach auch Erwachsenen schwer und erfordert viel Übung und entsprechendes Fachwissen. Doch einige Kriterien las-sen sich auch mit Schülerinnen und Schülern relativ einfach erarbeiten: Wer ist die Betrei-berin/der Betreiber, wer die Autorin/der Autor der Webseite? Welche Absichten verfolgt die Betreiberin/der Betreiber, welche die Autorin/der Autor? Ist die Webseite aktuell und objektiv? Wie ist die Webseite im Vergleich zu anderen Seiten zum gleichen Thema zu beurteilen? Verweisen andere Webseiten auf diese Seite? Lassen sich Aussagen durch Vergleichen be-stätigen? (Jantzen, 2004, S. 17)

Auch der richtige Umgang mit geistigem Eigentum durch eine nachvollziehbare Zitierweise kann nicht früh genug eingeübt werden. Eine ausführliche Quellenangabe von Webinhalten sollte die folgenden Angaben enthalten:

�� Name der Autorin/des Autors und Titel der Veröffentlichung (sofern vorhanden)�� Erscheinungsdatum oder Datum der letzten Überarbeitung�� URL (die gesamte Internetadresse)�� Zugriffsdatum

Gegebenenfalls genügt auch eine Kurzfassung der letzten beiden Angaben (vgl. Jantzen, 2004, S. 17 und Hummer & Egger, 2005, S. 134). Auch hierfür finden sich in der oben an-geführten Handreichung zur „Vorwissenschaftlichen Arbeit“ klare Empfehlungen (BMUKK, 2011, S. 16–17).

Grundmodell von Internetrecherchen

Kriterien zur Beurteilung von Internetseiten

Zitierregeln einüben

134 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

4 Anmerkungen zum Unterrichten im Computerraum

Das Unterrichten im Computerraum ist vor allem auf offenes, projektorientiertes und eigen-verantwortliches Arbeiten ausgerichtet. Die Lehrkraft steht im Unterricht lediglich in der An-fangsphase oder kurzzeitig zwischendurch im Zentrum, wenn sie (unter Einsatz eines Bea-mers) die Aufgabenstellung erläutert, neue Programmkomponenten und Methoden erklärt oder – wenn notwendig – zwischenzeitlich Anweisungen an die ganze Klasse gibt. Um sich dabei der Aufmerksamkeit aller Schüler/innen sicher zu sein, könnten die Bildschirme kurz-zeitig von den Lernenden abgeschaltet werden.

Während der Arbeitsphasen wird seitens der Schüler/innen ein hohes Maß an Eigentätigkeit und Selbstständigkeit gefordert. Die Lehrkraft übernimmt dabei – ähnlich wie in der Freiarbeit oder im offenen Lernen – die Rolle der Beraterin/des Beraters und der Impulsgeberin/des Impulsgebers und betreut die Lernenden individuell. Auf Grund der Klassenstärken und der Computerausstattung besteht meist die Notwendigkeit zur Partnerarbeit. Beim gemein-samen Lösen der Aufgaben ist Kooperation und Teamfähigkeit gefragt, wodurch sich der Computer einsatz positiv auf die Sozialkompetenz der Schüler/innen auswirkt.

Wesentlich erscheint, dass die Lernenden an bestimmte Arbeitsabläufe und Regeln gewöhnt sind. Um einen effizienten Arbeitsbeginn zu gewährleisten, sollten die Arbeitsanweisungen in schriftlicher Form aufliegen und von den Schülerinnen und Schülern über das Netzwerk von einem geläufigen Speicherort aus (Klassenordner auf bestimmtem Laufwerk) abrufbar sein. Die entsprechenden Arbeitsblätter sollten folgende Punkte berücksichtigen:

�� Die Fragestellungen und Arbeitsanleitungen sind detailliert ausformuliert, wodurch den Schülerinnen und Schülern eine Art „roter Faden“ vorgeben ist.

�� Die Internetadressen sind genau angeführt, wodurch der Surfstart direkt vom Arbeitsblatt aus erfolgen kann und das Eintippen falscher URLs vermieden wird.

�� Der zeitliche Rahmen der Recherche sowie Art und Umfang des zu erstellenden Produkts sind konkret angegeben.

Schnell arbeitende Schüler/innen können als Tutorinnen und Tutoren für die Mitschüler/innen fungieren. In jedem Fall empfiehlt es sich, thematisch passende Zusatzaufgaben zu formu-lieren, wodurch auch Möglichkeiten zur Binnendifferenzierung gegeben sind. Zur Selbst-kontrolle sind Muster- oder Beispiellösungen sinnvoll.

Selbstständigkeit der Schüler/innen gefordert

„Schaut im Internet nach!“ 135

5 Literatur

Bauer, G., Klement, R. & Sklenitzka, F. S. (2007). Die Rache der Videomonster und andere unheimliche Geschichten. Buchklub GORILLA Band 29. Wien: Buchklub-Verlag.

Blatt, I. (2000). Deutschunterricht als Kernfach in der Informationsgesellschaft. In Hendricks, W. (Hrsg.). Neue Medien in der Sekundarstufe I und II. Didaktik, Unterrichtspraxis. Berlin: Cornelsen Scriptor. S. 130–140.

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) (Hrsg.) (2011). 1. Säule: „Vor-wissenschaftliche Arbeit“. Eine Handreichung. Standardisierte, kompetenzorientierte Reife-prüfung an AHS. Schuljahr 2013/14. Wien. Verfügbar unter http://www.bmukk.gv.at/medien-pool/20130/reifepruefung_ahs_vwa.pdf [10.03.2011].

Fenske, U. (2003). Recherchieren mit Suchdiensten. In Breilmann, S., Grunow, C. & Scho-pen, M. (Hrsg.). Computer, Internet & Co im Deutschunterricht ab Klasse 5. Berlin: Cornelsen Scriptor. S. 9–14.

Hummer, E. & Egger, J. (2005). Option E-Learning. Neue Medien im Unterricht: Ein Praxisleit-faden. Band 1: Basics kennen lernen. Wien: Manz Verlag Schulbuch.

Jantzen, F.-T. (2004). Suchen, finden, auswerten und zitieren von Internetseiten. In Schlei-cher, Y. (Hrsg.). Computer, Internet & Co. im Erdkunde-Unterricht. Berlin: Cornelsen Scriptor. S. 16–17.

Koch, H. & Neckel, H. (2001). Unterrichten mit Internet & Co. Methodenhandbuch für die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen Scriptor.

Kührt, P. (2002). Computer, Internet & Co im Politik- und Sozialkunde-Unterricht. Berlin: Cor-nelsen Scriptor.

Noack, H.-G. (2009). Rolltreppe abwärts. Ravensburg: Ravensburger Buchverlag.

Schomer, M. (2005). Von Hyperlink zu Hyperlink. Sprachliche Lernziele (auch im Anfängerun-terricht) mit dem Internet verfolgen. In Fremdsprache Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts 33. S. 17–19.

136 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Anhang: Bildungsstandards für Deutsch 8. Schulstufe

Kompetenzbereich Zuhören und Sprechen

Kompetenzen = Deskriptoren

Altersgemäße mündliche Texte im direkten persönlichen Kontakt oder über Medien vermittelt verstehen

1. Schüler/innen können das Hauptthema gesprochener Texte erkennen2. Schüler/innen können die wesentlichen Informationen gesprochener Texte verstehen3. Schüler/innen können die grundlegenden Informationen gesprochener Texte mündlich

und schriftlich wiedergeben4. Schüler/innen können die Redeabsicht gesprochener Texte erkennen5. Schüler/innen können stimmliche (Lautstärke, Betonung, Pause, Sprechtempo,

Stimmführung) und körpersprachliche (Mimik, Gestik) Mittel der Kommunikation erkennen

Gespräche führen 6. Schüler/innen können grundlegende Gesprächsregeln einhalten7. Schüler/innen können in Gesprächen auf Äußerungen inhaltlich und partnergerecht

eingehen8. Schüler/innen können in standardisierten Kommunikationssituationen (Bitte, Be-

schwerde, Entschuldigung, Vorstellungsgespräch, Diskussion) zielorientiert sprechen9. Schüler/innen können die Sprechhaltungen Erzählen, Informieren, Argumentieren und

Appellieren einsetzen

Inhalte mündlich präsentieren 10. Schüler/innen können artikuliert sprechen und die Standardsprache benutzen11. Schüler/innen können stimmliche (Lautstärke, Betonung, Pause, Sprechtempo,

Stimmführung) und körpersprachliche (Mimik, Gestik) Mittel der Kommunikation in Gesprächen und Präsentationen angemessen anwenden

12. Schüler/innen können in freier Rede und gestützt auf Notizen Ergebnisse und Inhalte sach- und adressatengerecht vortragen

13. Schüler/innen können Medien zur Unterstützung für mündliche Präsentationen nutzen

Durch Zuhören gesprochene Texte (auch medial vermittelt) verstehen, an private und öffentliche Kom-munikationssituationen angepasste Gespräche führen und mündliche Präsentationen durchführen.

Anhang 137

Kompetenzbereich LesenAusgehend von grundlegenden Lesefertigkeiten literarische Texte, Sachtexte, nichtlineare Texte (Ta-bellen, Diagramme) und Bild-Text-Kombinationen in unterschiedlicher medialer Form inhaltlich und

Kompetenzen = Deskriptoren

Ein allgemeines Verständnis des Textes entwickeln

14. Schüler/innen können das Hauptthema eines Textes/eines Textabschnittes erkennen15. Schüler/innen können die Gliederung eines Textes erkennen16. Schüler/innen können Textsignale (Überschrift, Zwischenüberschriften, Fettdruck,

Hervorhebungen, Absätze, Einrückungen, Gliederungszeichen) zum Textverständnis nutzen

17. extsorten in unterschiedlicher medialer Form erkennen und ihre Textfunktion (Information, Nachricht, Meinung, An-leitung, Vorschrift, Appell, Unterhaltung) erfassen

18. Schüler/innen können epische, lyrische und dramatische Texte unterscheiden und grundlegende epische Kleinformen (Märchen, Sage, Fabel, Kurzgeschichte) und ihre wesentlichen Merkmale erkennen

Explizite Informationen ermitteln

19. Schüler/innen können zentrale und detaillierte Informationen in unterschiedlichen

20. abellen, Schaubildern und Bild-Text-Kombinationen ermitteln

21. Schüler/innen können Wortbedeutungen mit Hilfe von (elektronischen) Nachschlage-werken klären

22. Schüler/innen können gezielt Informationen in unterschiedlichen Medien aufsuchen und beherrschen, insbesondere die Internetrecherche und Benützung von Nachschla-gewerken

Eine textbezogene Interpreta-tion entwickeln

23. Schüler/innen können Informationen aus unterschiedlichen Texten und Medien vergleichen

24. Schüler/innen können durch das Herstellen von Bezügen zwischen Textstellen die Bedeutung von Wörtern und Phrasen aus dem Kontext ableiten

25. Schüler/innen können zwischen Information, Unterhaltung und Wertung in Printtexten und anderen Medien unterscheiden

Den Inhalt des Textes 26. Schüler/innen können Intentionen und vermutliche Wirkungen von Texten und Medi-

27. Schüler/innen können Eigenschaften, Verhaltensweisen und Handlungsmotive von

formal erfassen und reflektieren.

Schüler/innen können grundlegende nicht-fiktionale T

Texten und Textabschnitten findenSchüler/innen können Informationen aus Grafiken, T

reflektieren enangeboten reflektieren

Figuren in altersgemäßen literarischen Texten reflektieren

138 Praxishandbuch Bildungsstandards Deutsch 8. Schulstufe

Kompetenzen = Deskriptoren

Texte planen 28. Schüler/innen können Methoden der Stoffsammlung (z. B. Mindmap, Cluster) anwen-den

29. Schüler/innen können die Textstruktur in Hinblick auf Textsorte und Schreibhaltung festlegen

30. Schüler/innen können ihren sprachlichen Ausdruck an Schreibhaltung und Textsorte anpassen

31. Schüler/innen berücksichtigen Textadressaten und Schreibsituation

Texte verfassen 32. Schüler/innen können beim Schreiben eigener Texte die grundlegenden Mittel des

33. Schüler/innen können Sachverhalte und Inhalte nachvollziehbar, logisch richtig und zusammenhängend formulieren

34. Schüler/innen können altersgemäße und für ein Thema relevante Argumente und Gegenargumente formulieren und sie sprachlich verknüpfen bzw. gegenüberstellen

35. Schüler/innen können formalisierte lineare Texte/nicht-lineare Texte verfassen (z. B. Lebenslauf, Bewerbungsschreiben, Formulare ausfüllen)

36. Schüler/innen können unter Einhaltung wesentlicher Kommunikationsregeln an einer altersgemäßen medialen Kommunikation teilnehmen (z. B. E-Mail, Leserbrief ...)

37. Schüler/innen können das Schreiben als Hilfsmittel für ihr eigenes Lernen einsetzen (Zusammenfassung, Stichwortzettel ...)

Texte überarbeiten 38. Schüler/innen können fremde und eigene Texte nach vorgegebenen Kriterien inhaltlich optimieren

39. Schüler/innen können fremde und eigene Texte nach vorgegebenen Kriterien sprach-

40. Schüler/innen können fremde und eigene Texte im Hinblick auf Erfordernisse der Textsorte optimieren

Kompetenzbereich SchreibenUnterschiedliche Texte formal und inhaltlich richtig verfassen; Gehörtes, Gelesenes, Erfahrenes schriftlich umsetzen; elektronische Textmedien nutzen.

Erzählens (Orientierung, Konfliktaufbau, Konfliktlösung) anwenden

lich und orthografisch optimieren

Anhang 139

Kompetenzbereich SprachbewusstseinEinsicht gewinnen in Struktur, Normen und Funktion der Sprache als Voraussetzung für Textverste-hen, wirkungsvollen Sprachgebrauch und gelungene mündliche und schriftliche Kommunikation unter Berücksichtigung des Sprachstandes von Schülerinnen und Schülern mit einer anderen Mutterspra-che als Deutsch.(Dieser Bereich ist integraler Bestandteil aller anderen Kompetenzbereiche des Faches Deutsch.)

Kompetenzen = Deskriptoren

Text- und Satzstrukturen ken-nen und anwenden

41. Schüler/innen erkennen die sprachlichen Mittel für den Textzusammenhang (Binde-, Ersatz- und Verweiswörter) und ihre Funktion

42. Schüler/innen erkennen und variieren Satzbau und Satzbauelemente: Hauptsatz, Gliedsatz, Satzglied, Satzgliedteil

43. Schüler/innen können Sätze durch Satzzeichen strukturieren44. Schüler/innen erkennen Verbformen und können sie funktional anwenden

Wortarten und Wortstrukturen kennen und anwenden

45. Schüler/innen können Wortarten und ihre wesentlichen Funktionen erkennen und benennen

46. Schüler/innen können Grundregeln der Wortbildung (Ableitung und Zusammenset-zung) anwenden

Über einen differenzierten Wortschatz verfügen und sprachliche Ausdrucksmittel situationsgerecht anwenden

47. Schüler/innen kennen Bedeutungsunterschiede von Wörtern: Wortfelder, Wortfamili-en, Synonyme, Antonyme, Ober- und Unterbegriffe

48. Schüler/innen kennen die Bedeutung von grundlegenden idiomatischen Wendungen (insbesondere von verbalen Phrasen)

49. Schüler/innen können Sprachebenen unterscheiden (z. B. gesprochene und ge-schriebene Sprache, Dialekt, Umgangssprache, Standardsprache) und an die kom-munikative Situation anpassen

Über Rechtschreibbewusst-sein verfügen

50. Schüler/innen beherrschen grundlegende Regeln der Dehnung, der Schärfung, des Stammprinzips, der Groß- und Kleinschreibung und können diese beim Schreiben anwenden

51. Schüler/innen beherrschen die Rechtschreibung des Gebrauchswortschatzes ein-schließlich gängiger Fremdwörter

52. Schüler/innen können Arbeitshilfen zur Rechtschreibung (z. B. Wörterbuch) einsetzen

www.bifie.at

Leykam [email protected]

ISBN 978-3-7011-7782-0