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Ausgabe 01 | 2016 Schutzgebühr: 12,00 €

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LEIDENSCHAFT MOTIVIERT:3000 HÖHENMETER80 CM NEUSCHNEE24 GRAD UNTER NULL1 PERFEKTE ABFAHRT!

EDITORIAL

Liebe Marketers und Freunde/Innen der nachhaltigen Marktbearbeitung,

es gibt nur wenige Phrasen, die jemals so gestimmt haben wie folgen-de: „Handel ist Wandel,“ nie war dieser Satz so zutreffend wie heute! Der Mega-Trend der Retail Revolution ist voll im Gange, nach der Refor-mierung der Musikindustrie durch Digitalisierung ist seit 10 Jahren der Retail-Bereich an der Reihe.

In dieser Ausgabe wollen wir Ihnen nicht nur einen Überblick über die allgemeine Situation geben, sondern auch Lösungswege für eine er-folgreiche Zukunft beleuchten. Dabei steht eines im Mittelpunkt: Der Mensch! Der Handel steht an der Schwelle von der Kundenzentrierung hin zur Menschenzentrierung. Wie begeistere ich in Zukunft den Shop-per von meinem Sortiment, wie aktiviere ich Menschen und verstehe die Handlungs- und Entscheidungsmuster? Was sind die zukünftigen Aufgaben der Branche in einem sich immer schneller verändernden Umfeld?

Aus unserer Verbandssicht ergeben sich viele Chancen für unsere Bran-che. Nicht das Angebot steht zukünftig im Vordergrund, sondern viel-mehr die Aufgabe, in das Aufmerksamkeitsfeld der Shopper im Zeitalter der digitalen Ablenkung vorzudringen. Und genau darin liegen neue Möglichkeiten für Unternehmen aus den Bereichen Medien und Marke-ting. Jetzt heißt es, sich gemeinsam mit dem Handel zu engagieren und die Branche weiter zu entwickeln.

Ich wünsche Ihnen eine spannende und interessante Zeit beim Lesen der Lektüre. Und denken Sie dran, wenn Sie in Zukunftsprojekte einstei-gen: Das größte Risiko ist kein Risiko einzugehen!

Herzlichst

Liebe Freunde, liebe Leserin und lieber Leser,

sie spüren es doch längst: Die digitalen Medien haben die Art und Weise unseres Konsums verändert. Nicht nur, dass auf der einen Seite Konsu-menten mit Hilfe des Smartphones und Tablets immer mehr Informa-tionen zu Waren und Dienstleistungen besitzen, sie ordern sie immer öfter zeitnah und mobil. Und auf der anderen Seite stehen Produzenten wie Händler selbst nach 20 Jahren World-Wide-Web vor eben diesen Herausforderungen, passende Geschäftsmodelle, Prozesse und Struk-turen zu entwickeln.

Die einen haben die Herausforderungen bereits früh erkannt und sich zu e-Commerce-Profis gemausert. Die anderen beginnen gerade. Schließ-lich scheut sich noch jedes zweite Unternehmen vor der „Digitalen Trans-formation“. Die Aufgabe unseres Fachverbandes ist es, Ihnen abseits von Lobbyarbeit und Vertriebsdruck objektive und handlungsorientierte Per-spektiven aufzuzeigen.

Dieses Magazin lädt Sie herzlich zur Reflexion des „Digitalen Handels“ ein. Wir bieten Ihnen darüber hinaus den persönlichen und digitalen Austausch an. Das „Plus-Magazin“ wird zugleich flankiert von den „Plus-Talks“ und digital dem „Plus-Content“.

Lernen Sie in unseren „Plus-Talks“ unsere Experten kennen. In unseren Abendveranstaltungen treffen sich Menschen, allesamt Experten der Branchen, die das Wesentliche diskutieren und schnell auf den Punkt kommen. Die Teilnahme ist kostenlos.

Darüber hinaus bieten wir für das Jahr 2017 zeitlich beschränkt eine kostenfreie sechsmonatige Mitgliedschaft an. Kommen Sie mit uns ins Gespräch und prüfen Sie, ob unser Verband für Sie eine Heimat sein kann. Hier helfen sich Menschen gegenseitig, unterstützen sich und fin-den Kooperationen und immer wieder neue Kunden.

Ich freue mich auf Sie!

Frank RehmeVorstand Innovation [email protected]

Prof. Dr. Gerald LembkeGründer und Präsident BVMM e. V. [email protected]

IHRE PARTNER FÜR MARKENKOMMUNIKATION.Donner & Doria Werbeagentur Mannheim|Donner & Doria Public Relations [email protected]|www.donner-doria.de

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INHALTDAS DIGITALE BLITZLICHT

DIE GIER NACH AUFMERKSAMKEIT

Der digitale Handel mit Gütern und Dienstleistungen hat sich zu einem Handel über mobile Endgeräte entwickelt. In über 80 Prozent der deut-schen Haushalte gibt es ein Smartphone. Die Menschen veranstalten auf ihren mobilen Geräten Wischweltmeisterschaften von bis zu vier Stunden am Tag. Trotz dieser ansteigenden Nutzungszeit wird es für An-bieter von Produkten und Dienstleistungen immer schwieriger, sie mit Werbung zu erreichen und auf ihre Online-Shops hinzuweisen. Die Frag-mentierung der Aufmerksamkeit auf immer mehr Medienkanälen führt zu einem Kampf um die Aufmerksamkeit der mobilen Nutzer.

Native-Advertising-Formate oder Influencer-Marketing sollen Lösungen sein. Direkte Werbung wird in Form von Texten und Videobotschaften versteckt und wirken indirekt. „Gamification“-Elemente triggern Spiel, Spaß und Unterhaltung an – ein förderlicher Nährboden für den Klick auf den Kauf-Button. Dem Nutzer fällt es hingegen immer schwerer, Werbung von objektiven Informationen zu unterscheiden. Ist der Text-beitrag in einer Zeitschrift nun eine gesponserte Anzeige oder ein neu-traler Fachbeitrag? Hat die kleine Spielanwendung wirklich keine Ver-kaufsabsichten? Egal in welcher Form Information, Wissen und Aufklärung mit ökono-mischen Interessen vermischt werden, die Aufmerksamt fragmentiert und wird bewusst getäuscht. Der Wolf schleicht sich auf immer mehr mobilen Geräten im Schafspelz an. Die durch einfache Handhabung schöne neue Welt des mobile Commerce droht zu einer trügerischen Virtualität zu werden, in der Nutzer wie in der klassischen Werbung als Kaufobjekte getrackt werden, die sich lediglich durch ihre Verhalten-sprofile unterscheiden.

Auch wenn sich kurzfristige Verkaufserfolge erzielen lassen, stellt sich die Frage nach der Langfristigkeit der Kundenbindung und dem Erfolg der eigenen Marke. Wenn aber die Kurzfristigkeit des Erfolges durch ver-deckte Werbung über die Markenentwicklung gestellt wird, heizt dieses Öl das Feuer zunehmender Verunsicherung an. Sie folgt keiner Strate-gie, sondern der Gier kurzfristigen Profitstrebens. Darüber sollten Wer-ber, Agenturen und Einkäufer auch einmal nachdenken.

Gerald Lembke

2016: DIE ZEIT DES HANDEL(N)S: DER SINNESWANDEL ZUM SINNESHANDEL

ZURÜCK ZUR EINFACHHEITmit multisensorischem Marketing zu einer harmonischen und auf die Marke abgestimmten Ladengestaltung

MIT DIGITALER MARKTFORSCHUNG ZU EXZELLENZ AM POINT OF SALE Crowd-Sourcing liefert Echtzeit-Informationen zu Kaufver- halten und Verbraucherwahrnehmung im stationären Handel

FUTURE CITY LANGENFELD:ZUKUNFTSPROJEKTE FÜR HANDEL UND DIENSTLEISTUNG

CUSTOMER JOURNEY 2.0 – WIE ANALYTICS DEN HANDEL BEEINFLUSSEN UND VER-BESSERN KANN

INTERVIEW: IM GESPRÄCH MIT KLAUS BRÖHL

VIRTUAL REALITY – DAS NÄCHSTE GROSSE DING!

E-COMMERCE – EIN BISSCHEN MEHR GEHT IMMER

SAVE THE DATE: BVMM +PLUS-TALK

HIER WIRD MIT EINEM AUSGEWÄHLTEN THEMA BEWUSST PROVOZIERT

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Inhalt Kolumne

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2016: DIE ZEIT DES HANDEL(N)S: DER SINNESWANDEL ZUM SINNESHANDEL

Nie hatte der Satz vom Wandel im Handel mehr Bedeutung als in der heutigen Zeit. Die Branche unterliegt zwar seit jeher ständigen Veränderungen, aber nie waren sie so einschneidend wie jetzt.

Ein Rückblick: Im Grunde genommen gilt der Handel als das wirklich älteste Gewerbe der Welt. Bereits in der Jungsteinzeit verband die Feuersteinstraße Böhmen und Bayern im Austausch dieses wertvollen Gesteins. Die ersten Völkerverbindungen, speziell zwischen Asien und Europa, basierten auf dem Handel, somit diente dieser von Anfang an auch der Völkerverständigung.

Über die Jahre hat sich der Handel sehr verändert, besonders in den letzten 70 Jahren hat sich die Entwicklung massiv beschleunigt. Von Tante Emma Läden zu Supermärkten, vom Damenoberbekleidungs-geschäft zum Kaufhaus und schließlich der Weg in das längste Regal des Universums: Das Internet.

Mittlerweile hat sich das Internetgeschäft im Jahre 2015 11,7 Prozent des Gesamtumsatzes im deutschen Einzel handels einverleibt.

Diese Zahl wird sicherlich noch steigen, allerdings nicht in dem Aus-maß, wie es von manchen eCommerce Analysten prognostiziert wird. Teilweise wird sogar das totale Aussterben des stationären Handels vorausgesagt, eine Perspektive, die den Shopper vollkommen ignoriert. Menschen sind eben multisensorisch und wollen mit allen Sinnen ange-sprochen werden. Das ist nur im realen Leben möglich. Eines bleibt aber richtig: Der stationäre Handel wird sich massiv verändern, er bleibt nicht länger das Lagerhaus zur Versorgung der Bevölkerung. Er bekommt neue Aufgaben zugeteilt, andere wird er verlieren. Das Einkaufserlebnis wird zunehmen müssen, Einkaufen wird immer mehr zur Freizeitgestaltung.

Eine Studie des Kölner Forschungsinstitutes EHI hat einen Rückgang der Anzahl der Ladengeschäfte um 43.000 bis zum Jahre 2020 prognos-tiziert. Diese Zahl ist erst einmal erschreckend. Sie hilft dem Handel aber nicht weiter, denn ihn interessiert primär folgende Frage: Welche Rezepte gelten zukünftig für ein erfolgreiches Retail Business? Was muss ich tun, um meine Kunden auch zukünftig von meinem Angebot zu begeistern?

WAS PASSIERT, KANN JEDER BEOBACHTEN

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich nun mit Innovationen im Handel. In bisher keiner Tätigkeit habe ich mehr über Menschen gelernt als hier, denn Handel ist ein reines People to People Business und darüber hi-naus sehr spannend. Menschen lieben Menschen, und das wird auch immer so bleiben. Menschen denken nicht in Geschäftsmodellen oder in strategischen Ausrichtungen. Menschen denken in Erlebnissen, in Kontexten. Und: Sie verhalten sich in Abhängigkeit zu diesen.

Hier geht es erst einmal darum zu verstehen, was in einer Zeit des scheinbar immer volatileren Kundenverhaltens das Erfolgskonzept des stationären Handels ist. Ja, Sie haben richtig gehört: stationärer Handel! So ein richtiger Laden mit Menschen, vielen Artikeln und natürlich Service, in dem noch heute über 88 Prozent des gesamten Handelsumsatzes gemacht wird. Ich bezeichne diese Art der Händler in meinen weiteren Ausführungen der Einfachheit halber als „Offliner“.

In vielen Artikeln liest man, dass der Grund für das Sterben des Händ-lers um die Ecke die jährliche Zunahme des Onlineumsatzes ist. Oliver Samwer, Kopf der drei Samwer-Brüder, CEO der Firma Rocket Internet und millionenschwerer Investor, hat viel Wagniskapital eingesammelt und investiert in neue Online-Geschäftsmodelle. Mit diesen Beträgen „wettet“ er Jahr für Jahr gegen den stationären Handel. Daraus erwach- sen Unternehmen wie z.B. Zalando, HelloFresh und Home24, die massenhaft Umsätze in den Onlinebereich verschieben. Der Trend ist nachhaltig und schmerzt, denn diese Umsätze werden allesamt im Offlinebereich „gekidnapped“. Dort beklagt man das Ganze, verfolgt halbherzig eigene Onlinestrategien und organisiert sich auf ganzer Linie um. Der Druck scheint für die Offliner aber immer noch nicht ausrei-chend groß zu sein. Denn ich beobachte, dass viele Händler einfach nicht erkannt haben, endlich einmal ihre größte Stärke auszuspielen: Die Präsenz vor Ort! Vielen Kunden reicht das schon. Und genau darauf möchte ich eingehen.

In meiner langen Handels-Praxis habe ich beobachten können, dass sich in der Branche ein kollektives Gedächtnis aufgebaut hat. Viele alte „Weisheiten“ haben sich in die DNA der Manager fest etabliert, hier ein paar Beispiele: Der Shopper will keinen Einpackservice, ebenso auch keine Beratung, zugleich heißt es auch, „keine Renner ohne Penner“. So gibt es hunderte weitere „Erkenntnisse“, die sich in die Gehirne vieler Handelsmanager eingegraben haben, ohne dass jemand diese in Frage stellt. Diese Erkenntnisse basieren auf Misserfolgen oder sogar Pleiten,

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Leitartikel Leitartikel

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die schwerwiegende personelle Konsequenzen zur Folge hatten. So hat ein Handelskonzern Ende der 90er erfolglos (weil zu früh) versucht, Lebensmittel online zu verkaufen. Nach einem Jahr wurde das Projekt gestoppt und die Verantwortlichen entlassen. Genau diese personellen Schicksale werden in der Erinnerung mit den auslösenden Ereignissen verbunden, die es zukünftig zu meiden gilt. Zwei Manager Perioden wurde das Thema eCommerce dann nicht mehr angefasst. Egal, ob die Welt sich zwischenzeitlich weitergedreht hat, oder nicht. So werden ge-rade erfolgversprechende Konzepte, die auf Grund des falschen Einfüh-rungszeitpunktes gescheitert sind, nie wieder aufgegriffen. Auch nicht dann, wenn die Sterne um sie herum in idealer Konstellation stehen. Hängengeblieben ist: Lass es, es schmerzt!

Eigentlich ist die Formel für Handel ja recht einfach: Erschaffe einen Ort, an dem du Ware vorhältst, und die Menschen kommen und kaufen. Einfache Formeln funktionieren im Handel übrigens sehr gut, wie wir noch sehen werden. Seit 15 Jahren ist dieser Ort allerdings virtualisiert, jederzeit zugreifbar und Dank der Smartphones auch von jedem Ort aus zugänglich. Aus Internet wird Evernet, aus Kunden werden „Target Groups“, die in einer „Omni-Channel Strategie“ aktiviert werden müssen. Das ganze natürlich über „Seamless Customer Touchpoints“, alles natür- lich SEO-optimiert mit entsprechendem „Conversion Uplift“ als Ziel. Der Mensch im Mittelpunkt geht allerdings hoffnungslos unter.

Die bisherige Antwort des althergebrachten Handels ist einfach: Nehme die Mittel, die in der Vergangenheit erfolgreich waren und intensiviere diese bis zum Exzess. Noch vollere Regale (Alte Regel: „Warendruck er-zeugt Umsatz“), noch mehr Sonderangebote und dadurch noch mehr Druck auf die Konsumgüterindustrie durch den Einkauf. Das funktioniert aber nur noch bedingt. Die Folgen davon sind noch frustriertere Kunden, Händler und zuletzt Investoren, die auf ihren Kapitalkosten sitzen blei-ben. Die Kette zieht sich durch viele Branchen, dabei gerät die Besin-nung auf das wirklich Wichtige zunehmend unter die Räder: Der Mensch im Zentrum des Handelns!

DIE NOTWENDIGKEIT FÜR DEN SINNESWANDEL ZUM SINNESHANDEL

In vielen Gesprächen und Beobachtungen habe ich versucht herauszu-finden, wie man der Kundenabwanderung aktiv begegnen kann. Was sorgt dafür, dass sich Kunden fast ausschließlich auf den Preis einer Ware fokussieren und der gesamte Kontext des Kaufprozesses sich massiv verändert? Die „Convenience“ von Onlinekäufen bekommt den Vorzug vor dem persönlichen Kontakt mit dem Produkt und dem Händler. Ein Grund ist sicherlich, dass der Handel sich von seinem Kunden in den letzten Jahrzehnten Stück für Stück entfernt hat. Das Zuhören hat man Marktforschern überlassen. Mit hochwissenschaftlichen Statistikmodel-len versuchen diese, Informationen aus einer heterogenen Kundenschar zu bekommen, die die vorher gemachten Thesen entweder bestätigen oder entkräften. Wer jemals eine vor-Ort-Umfrage beobachtet, oder eine Target Group begleitet hat weiß, dass man mit kleinsten Fehlern die Ergebnisse entwerten kann. Verbraucher Panel sollen die Käufer über einen Zeitraum begleiten und verändern durch ihre nackte Existenz schon dessen Verhalten. Zielgruppedefinitionen schwenken von demo- grafischer Betrachtung zur verhaltensabhängigen Einstufung. Wer also beschäftigt sich in dieser statistischen Welt noch direkt mit den Kunden?

Das Binden der Kunden wurde freiwillig (warum verstehe ich bis heute nicht) in die Hände von Loyalty-Programmanbietern gegeben. Riesige Datenmengen über die Kunden, liegen in den Händen Dritter, die damit einen erstaunlichen Überblick über das Konsumverhalten der Bevölke-rung bekommen. Diese Daten sind Gold wert, deshalb müssen Händler auch dafür zahlen, wenn man sie ausgewertet zurück haben will. Ohne Not wurde das, was für jedes Unternehmen einen Goldschatz darstellt, aus der Hand gegeben: Das Wissen über die Lebensgrundlage des Han-dels. Ohne dass es je geplant war, haben sich zwischen Handel und Kunde Türsteher etabliert, die fröhlich ins Haus gelassen wurden. Und das sind nicht die Letzten: Die GAFA´s dieser Welt (Google, Apple, Face-book, Amazon) stehen bereit, durch ihre virtuellen Dienste den Kunden komplett zu übernehmen.

Der Kunde wird von cleveren Markt- und Markenstrategen unterteilt in „Shopper“ und „Consumer“. Der Mensch wird auf sein Verhalten in ver-schiedenen Kanälen reduziert. Es ist verständlich, dass Kunden sich verloren fühlen, gibt man ihnen das Gefühl, dass man sich nur für ihr Verhalten, aber nicht für ihre Person interessiert. Ein fataler Fehler, der sich bitter rächt. Die Reduzierung auf das Verhalten kann jeder Online-shop besser auswerten und steuern als jeder Offliner. Man erkennt durch das Klick- und Surfverhalten jede Schwachstelle seines Shops und kann sie gezielt ausmerzen. Das ist sehr effektiv und wird in Profi-Webshops mit großem Erfolg optimiert. Was aber kein Onliner kann: Sich auf die Persönlichkeit des Kunden ausrichten – und das ist wesentlich anspre-chender als die reine Verhaltensansprache. Kein Webshop dieser Welt erkennt Mimik, kann mit Gerüchen oder Haptik in Kontakt mit dem Men-schen treten. Man kann ihn das, was er sich aussucht, auch schmecken lassen. Multisensorik ist das Zauberwort. Multisensorik macht es mög-lich, mit dem Kunden in seiner Gesamtheit zu kommunizieren.

Diese Erkenntnisse erfordern eine konsequente Konzentration auf das Wichtigste in der Wertschöpfungskette: Den Menschen. Damit meine ich ausdrücklich alle Menschen: Kunden(innen), Verkäufer(innen), Kas-sierer(innen), Einkäufer(innen) – diese und noch viele andere, die daran beteiligt sind. Wenn man sich intensiv mit dieser Strategie beschäftigt, kommt man automatisch zu dem Ergebnis, dass alles eigentlich ganz einfach ist. Man muss es nur einfach machen und auf den Punkt bringen. Alle Personen und Prozesse im Handel haben sich einfach nur einem Ziel zu unterwerfen: Im Gehirn des Kunden einen Greifreflex in die Regale auszulösen. Mehr nicht, der Rest ergibt sich.

Frank RehmeMehr als 35 Jahre Berufserfahrung in Handel und Industrie, die ständige Begegnung mit Veränderungen und über 25 Jahre Führungserfahrung haben Frank Rehmes Erfahrungsprofil nachhaltig bereichert. Erfahrung mit der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen mit konsequentem Anwenderfokus und seine langjährige Tätigkeit als Innovationsmana-ger der METRO Group bilden die Grundlage für seine Beschäftigung mit den Szenarien von morgen.

In seinem Unternehmen „gmvteam GmbH“ stellt er sich mit neuen In-novationen und Konzepten den Herausforderungen der Branche im 21. Jahrhundert. Trends und Veränderungen in der Gesellschaft sind sein Fokus. Angereichert mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen wer-den so ganzheitliche Ansätze in neue Ergebnisse umgewandelt.

ÜBER DEN AUTOR

Handel wird zukünftig den Weg von der „Customer Centricity“ zur „Human Centricity“ gehen. Menschen entscheiden immer schneller in einer immer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne. Daher muss der Handel lernen, dass zukünftig vor den klassischen Kennzahlen wie z.B. Umsatz, Flächenren-tabilität oder Konversion, eine neue zu erfüllen ist: Aufmerksamkeit! In einer Zeit, in der jeder eigentlich alles hat und durch die Digitalisierung unendliche Möglichkeiten der Ablenkung genießt, muss ich als Händler mit meinem Angebot erst einmal in den Aufmerksamkeitsbereich der Kunden kommen! Wir sehen, wie wichtig Unternehmen geworden sind, welche die Aufmerksamkeit von Menschen auf sich ziehen und somit Kundenzugänge besitzen. Whatsapp war 19 Milliarden US$ wert und Alphabet, die Mutter von Google, ist das wertvollste Unternehmen der Welt. Alles Unternehmen, die die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich und ihre attraktiven Angebote ziehen. Konkret: Der Wettbewerb für den Handel heißt zukünftig Youtube, Pokémon Go oder eine Chat-Plattform. Dort muss ich mich in das Aufmerksamkeitsfeld der Menschen bringen, aber nicht mit platter Bannerwerbung, sondern mit Aktionen, die den Menschen inspirieren oder verblüffen. Es bleibt spannend!

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Leitartikel Leitartikel

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ZURÜCK ZUR EINFACHHEITmit multisensorischem Marketing zu einer harmonischen und auf die Marke abgestimmten Ladengestaltung

DAS KISS-PRINZIP

„Keep it simple, stupid“ – nach diesem Prinzip führt Richard Branson seit Jahren sein Unternehmen VIRGIN. Die Kunst liegt darin, selbst die komplexesten Sachverhalte einfach und verständlich aufzubereiten. Kurz und bündig steigert die Effektivität, beschleunigt Prozesse und vereinfacht die Kommunikation. Das KISS-Prinzip ist vor allem hilfreich, wenn es darum geht andere in kurzer Zeit zu begeistern, zu überzeugen oder neugierig zu machen. Dieses Prinzip scheint aber in vielen Marke-tingstrategien, Werbebotschaften und vor allem in der POS-Gestaltung noch nicht zur Anwendung zu kommen.

Dass Emotionen der entscheidende Faktor für Kaufakte und motiviertes Handeln sind, braucht hier nicht näher behandelt zu werden, was hin-länglich bekannt. Ist eine Entscheidung einmal gefallen, wird sie oft erst

im Nachhinein rational begründet. Der Mandelkern in unserem Gehirn fischt Eindrücke mit einem hohen Emotionsfaktor aus der Masse der Informationen und markiert sie. Erst danach unterscheidet das Gehirn „wichtig“ von „unwichtig“ und parkt die entsprechenden Informationen im Langzeitgedächtnis.

Dass diesen Erkenntnissen in der Realität kaum entsprochen wird, ist offensichtlich, wenn man diverse Kommunikationsstrategien analy-siert. Diese sind gekennzeichnet durch starke Informationsüberlastung, starke werbliche Konkurrenz, versagen der informativen Kommunikation und die Dominanz der Bild-/Schriftkommunikation.

Die Krux der optimalen Kundenansprache liegt darin, so einfach und rasch wie möglich, maximale positive Emotionen zu erzeugen.

Nach Analyse aller 5 Sinne ergibt sich folgende Reihung physiologischer Faktoren:

BEISPIEL SEHSINN – WAS WIR SEHEN

Um den Zusammenhang näher zu veranschaulichen, greifen wir als Bei-spiel unseren optischen Sinn heraus. Unterbewusst und auch mit sehr geringer Aufmerksamkeit sehen wir Farben und Licht. Erst danach, wenn wir aufmerksamer werden, sehen wir Formen und Kontraste. Und als letzte Ebene beziehen wir Informationen aus Bewegung und Tiefe.

In der herkömmlichen Schrift- und Bildkommunikation wird nach wie vor auf ein buntes Farbenspektrum und eine Flut von Bildern gesetzt. Dazu kommt oft jede Menge unleserlicher Text. Larry Page, CEO von Google, stellte intern eine Kommunikationsregel auf: eine Nachricht an ihn darf nicht länger als ein Tweet (140 Zeichen) sein, sonst wird sie von ihm nicht gelesen. Auch er ist ein Verfechter des KISS-Prinzips.

Zu einem klar verständlichen Text kommt noch die farblich richtige Gestaltung, um einen Text lesbarer zu machen. Die Farbpsychologin Eva Heller hat sich in ihrem Buch „Wie Farben auf Gefühl und Verstand wir-ken“ eingehend mit Farbkombinationen und der Lesbarkeit von Schriften auseinandergesetzt. Nachstehende Darstellung zeigt, wie sich Kontraste und Farbkombinationen auf die Lesbarkeit auswirken.

Erst nach Farbe, Licht, Form und Kontrast beschäftigt sich unser Gehirn mit bewegten Bildern. Dieser Umstand ist vor allem dann zu beachten, wenn neue Kommunikationstechnologien zum Einsatz kommen. Eine Studie der Hochschule Luzern in Handelsbetrieben in Wien zum Thema

DIE BEDEUTUNG DER SINNESPHYSIOLOGIE

Zusätzlich zur Psychologie und den Emotionen spielt eine andere Wissen-schaft eine wesentliche Rolle bei der Wahrnehmung: die Sinnesphysiologie. Wirft man einen Blick auf die vier Kernfaktoren der Wahrnehmung (Aufnah-mekapazität, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Erreichbarkeit und Emotions-auslösung) und legt man eine Nutzwertanalyse darüber, wird mancher überrascht sein über die Reihung der Bedeutung der einzelnen Sinne für die Entscheidungsfindung. Unser Auge hat zwar die größte Aufnahmekapazität (10 Mio Bits/Sek.), ist aber bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit an letzter Stelle (200-400 ms). Zudem ist die Erreichbarkeit durch das Gesichtsfeld eingeschränkt und auch beim Auslösen von Emotionen ist der Geruchsinn durch seine Unmittelbarkeit schneller.

Beschäftigt man sich weiter mit der Informationsverarbeitung in unse-rem Gehirn und dem Unterbewusstsein, wird eine zusätzliche Ebene hinzugeführt. Nur 0,0004 Prozent aller Informationen aus der Außen-welt erreichen unser Bewusstsein. Da unser Körper auf Energiesparmo-dus läuft, verarbeitet er die meisten Informationen unterbewusst. Das bedeutet in Kombination mit der Sinnesphysiologie wiederum, dass ein starker Zusammenhang besteht zwischen Wahrnehmung, Bewusst-sein und Aufmerksamkeit.

24 % Hören

29 %Riechen

24 % Fühlen (Tasten)

17 % Sehen

6 %Schmecken

LICHT & FARBE

FORM & KONTRAST

BEWEGUNG & TIEFE

Licht

4 Qulitäten

negative Gerüche

positive Gerüche

FormRaum-wahrnehmung

Rhythmus

Klänge

Bewegung

Tiefe

Gestalt

Kontrast

Form

Luft- qualität

Frequenz

Lautheit

Temperatur

VibrationDruckTonhöhe

Farbe

KundenwahnehmungEmotionen am POS

© by Sensarama consulting GmbH

gerin

ges B

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geringe Aufmerksamkeit hohe Aufmerksamkeit

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Neuromarketing Neuromarketing

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Schwarz auf Gelb hat die beste FernwirkungOpitmale Fernwirkung erfordert große Schrift, kurzen Text und bekannte Symbole.

Schwarz auf Weiß hat die beste NahwirkungLängere Texte, unbekannte Inhalte erfordern Zeitzum Verständnis. Sie werden aus der Nähe gelesen dabei wirken Farben störend. Schwarz auf Weiß ist auch noch in kleiner schrift gut lesbar

Weiß auf Schwarz, also in Negativschrift, wirken Texte unwichtiger, weil sie schlechter lesbar sind.

Je farbiger ein Text, desto schwieriger ist er zulesen, desto unwichtiger erscheint die Information.

Negativschrift auf rotem Grund ist häufig überhaupt nicht mehr lesbar

Je geringer der Helligkeitskontrast von Schrift und Untergrund, desto geringer die Lesbarkeit.

Viele glauben immer noch, rote Schrift erziele höhere Aufmerksamkeit, aber Rotgedrucktes wird weniger ge-lesen, weil es schlechter lesbar ist. Zusätzlich erweckt rote Schrift den Eindruck unseriöser Reklame

Will man Informationen über Text und Bild effektiv transportieren, gelten folgende Grundsätze:

• Richtige Emotionen definieren und diese durch passende Codes anregen• Kurze und verständliche Texte• Kontraste beachten• Farbe bricht Form• Farbe steht vor Zeichen und Symbolen • Bewegte Bilder erfordern höchste Konzentration und Aufmerksamkeit

Mag. Dr. iur. Elke TrobosGeboren 1968 hat sie 1995 das Studium der Rechtswissenschaf-ten an der Universität Graz mit der Promotion zum Doktor der Rechtswissenschaften abgeschlossen. Nach diversen Erfahrun-gen im öffentlichen und privatwirtschaftlichen Bereich folgte 1999 die Selbständigkeit als Unternehmensberaterin. Seit 2002 ist sie auch Geschäftsführerin der Sensarama consulting GmbH. Sie hat jahrelange Erfahrung in Marketingconsulting, Organisationsent-wicklung und Projektmanagement. Ihre spezielle Vorliebe gilt dem multisensorischen Marketing, im Besonderen der Umsetzung ganzheitlicher Gestaltungskonzepte für den Point of Sale.

„Die Wirkung von Info-Bildschirmen am POS“ hat ergeben, dass 99 Pro- zent der Probanden bei ungestützter Befragung angaben, die Bildschir-me nicht bemerkt zu haben. Des Weiteren hat die Untersuchung ergeben, dass die Wahrnehmung der Bildschirme bei den unter 20-Jährigen am höchsten ist und mit steigendem Alter abnimmt und, dass Männer die Info-Bildschirme am POS eher wahrnehmen als Frauen.

Prof. Dr. Sarah Spiekermann von der WU-Wien weist darauf hin, dass TVWerbeformate am POS generell als störend erlebt werden. Sie kri- tisiert vor allem, dass das immer noch dominierende „NTV-Format“ dem Medium nicht gerecht wird, da es weder kontextspezifisch, noch personalisiert ist.

ÜBER DIE AUTORIN

MULTISENSORISCHES MARKETING

Obwohl wir 80 Prozent aller Informationen über das Auge aufneh-men, ist der Sehsinn für die multisensorische Gesamtbeurteilung nur an vierter Stelle unserer Sinneswahrnehmungen. Auch wenn in vielen Befragungen unter Probanden der Geruchsinn subjektiv als wenig be-deutend eingestuft wird, hat er objektiv aufgrund seiner Unmittelbar-keit die stärkste Auswirkung auf unsere Wahrnehmung. Anhand dieser Erkenntnisse sollten Millionen Euro in Marketingbudgets, die für die optische Kommunikation (Werbung, POS, Events, usw.) bereitgestellt werden, auf ihre Sinnhaftigkeit hinterfragt werden.

POSUMSETZUNG

SHOPPERWAHRNEHMUNG

POS EXZELLENZ

Für eine maximale Exzellenz am POS müssen beide Disziplinen – die Umsetzung am POS sowie die Shopper Wahrnehmung – berück-sichtigt und optimiert werden.

MIT DIGITALER MARKT- FORSCHUNG ZU EXZELLENZ AM POINT OF SALECrowd-Sourcing liefert Echtzeit-Informationen zu Kaufverhalten und Verbraucherwahrnehmung im stationären Handel

Obwohl 70 Prozent aller Kaufentscheidungen am Point of Sale (POS) fallen, stellt dieser „First Moment of Truth“ für Händler und Hersteller nach wie vor eine Blackbox dar. Mithilfe digitaler Marktforschung können innerhalb kürzester Zeit Optimierungspotenziale aufgezeigt und so Ex-zellenz am POS erzielt werden.

Der Erfolg im entscheidenden Moment der Kaufentscheidung hängt im stationären Handel im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Der Um-setzung am POS sowie der Konsumentenwahrnehmung. Woran viele Hersteller und Händler bereits im Vorfeld scheitern, ist die Diskrepanz zwischen beabsichtigter und tatsächlicher Produktpräsentation. So zeigt eine Untersuchung, dass Promotions in 70 Prozent der Fälle nicht richtig umgesetzt sind.1 Dies mag an der ungeeigneten Platzierung im Markt, dem Fehlen von Werbematerialien oder ganz einfach an der Nichtverfügbarkeit des Artikels liegen. Gleiches gilt für Dienstleistungen. Ein klassisches Beispiel hierfür sind fehlende Kenntnisse des Verkaufs-personals zu einer bestimmten Verkaufsaktion.

Liegt eine optimale Umsetzung am POS vor, ist die erste Hürde gemeis-tert. Allerdings muss das durch den Hersteller und Händler definier-te Ideal nicht zwangsweise auch den Verbrauchern gefallen. Häufig gehen Konsumentenwahrnehmung und Zielumsetzung sogar weit

1POSpulse (2014): Pressemitteilung: 70 Prozent aller Sales Promotions am POS sind fehlerhaft - http://www.pospulse.com/files/presse/pm-2014-10-09-siebzig-prozent-aller-sales-promotions-am-pos-fehlerhaft.pdf

auseinander. Typische Fehler sind Produktplatzierungen an Orten im Markt, an denen Konsumenten normalerweise nie suchen würden. Zusätzlich werden Verkaufsaktionen von Konsumenten oft nicht ver-standen, da viele komplexe Mechaniken wie z.B. Coupons oder das Einsenden von Kassenbons kombiniert werden. Nur wenn auch die Konsumentenwahrnehmung positiv ausfällt, kann eine Exzellenz beim „First Moment of Truth“ im Einzelhandel erreicht werden.

Obwohl 70 Prozent aller Kaufentscheidungen am Point of Sale (POS) fallen, stellt dieser „First Moment of Truth“ für Händler und Hersteller nach wie vor eine Blackbox dar. Mithilfe digitaler Marktforschung können innerhalb kürzester Zeit Optimierungspotenziale aufgezeigt und so Ex-zellenz am POS erzielt werden.

Der Erfolg im entscheidenden Moment der Kaufentscheidung hängt im stationären Handel im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Der Um-setzung am POS sowie der Konsumentenwahrnehmung. Woran viele Hersteller und Händler bereits im Vorfeld scheitern, ist die Diskrepanz zwischen beabsichtigter und tatsächlicher Produktpräsentation. So zeigt eine Untersuchung, dass Promotions in 70 Prozent der Fälle nicht richtig umgesetzt sind.1 Dies mag an der ungeeigneten Platzierung im Markt, dem Fehlen von Werbematerialien oder ganz einfach an der

© Eva Heller, Wie Farben auf Gefühl und Verstand wirken, S 208

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Neuromarketing Retail Analytics

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Dominic Blankist Gründer und Geschäftsführer von POSpulse, einem Retail-Intelli-gence-Unternehmen, das Herstel-lern und Händlern mithilfe eines Panels von 40.000 Shoppern Opti-mierungspotenziale am POS auf-zeigt. Vor POSpulse schloss Blank sein MBA Studium an der Univer-sity of Illinois at Chicago mit Fokus auf Unternehmertum ab. Während seiner Zeit in den USA durchlief er verschiedene Lean-Startup- und Design-Thinking-Programme und war an mehreren Startup-Gründungen beteiligt. Dominic Blank be-gann seine Karriere als Account Manager bei der Siemens AG.

Langenfeld

FUTURE CITY LANGENFELD:ZUKUNFTSPROJEKTE FÜR HANDEL UND DIENSTLEISTUNG

Mit der Zielsetzung, Langenfeld zur Modellstadt für die innovative Zukunft des Han-dels und des Erlebnisraumes Innenstadt weiterzuentwickeln, wurde bereits im vergan- genen Jahr ein Konzept unter dem Titel „Future City Langenfeld“ gestartet. Wie kam es dazu:

In vielen Wirtschaftszweigen ist es vollkommen normal, dass man zur Entwicklung neuer Modelle und Produkte einen Ort hat, an dem neue Entwicklungen unter realen Bedingun-gen getestet werden können. Bis 2013 hatte der Future Store der Metro Group häufig diese Aufgabe für den Handel übernommen: Auf 9.400 Quadratmetern und mit 65.000 Artikeln wurden neue Konzepte zusammen mit täglich bis zu 5.000 Kunden getestet und weiter-entwickelt. Viele Unternehmen, die innovative Lösungen für die Branche entwickelt hatten, nutzten diesen Markt, um in einer realen Umgebung ihre Lösungen zu testen. So wurden dort bereits 2008 fünf verschiedene Checkout Szenarien, biometrisches Bezahlen und die erste Self-Scanning-Lösung mit dem Mobiltelefon umgesetzt. Dieser Testraum hatte einen Vorteil: Neue Lösungen konnten in einer bestehenden Wertschöpfungskette mit entspre-chenden Aussagen über eine Roll-Out Fähigkeit getestet werden.

Leider fehlt der Branche derzeit diese Möglichkeit – mit der Konsequenz, dass die Wert-schöpfungskette des Handels über die Republik verteilt getestet wird. Gerade in der Zeit, in der der Handel die größten Veränderungen durchlebt, braucht er wieder einen Ort, an dem Retail-Kompetenzen gebündelt an den Zukunftsszenarien der Branche arbeiten.

Diese Problematik hat die Stadt Langenfeld zusammen mit gmvteam erkannt und ein Kon-zept entwickelt, das zukünftigen Anforderungen an Handel und Stadtentwicklung einen Te-straum bieten soll. In Langenfeld, einer Stadt im Rheinland mit über 60.000 Einwohnern, ar-beiten Händler, Konsumenten, Politik und Verwaltung mit Lösungsanbietern, Hochschulen und Start-ups an den Themen der Zukunft. Über alle Kanäle hinweg werden darüber hinaus Infrastrukturprojekte wie moderne Stadtentwicklung, Mobilitäts- und Smart City Konzepte mit einbezogen.

Future City

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Retail Innovation

Hier setzt die App-basierte Marktforschung an. Sie nutzt bestehende Infrastrukturen und bezieht reale Verbraucher als Marktforscher mit ein. Diese, oft auch als „Crowd-Sourcing“ bezeichnete Methode, lagert Einzelaufgaben über digitale Geräte an eine Personengruppe – die Crowd – aus. Im Falle der Marktforschung am POS dient das Smart-phone als Schnittstelle. Per App erhalten Verbraucher verschiedene Marktforschungsaufträge, die sie mobil noch während ihres Einkaufs, der Shopper Journey, bearbeiten und dadurch elementare Informati-onen direkt aus dem stationären Handel übermitteln.

Ein Beispiel: Ein Hersteller möchte wissen, wie sein neues Produkt platziert und wahrgenommen wird. Gemeinsam mit dem Auftraggeber werden Zielgruppe und die zu überprüfenden Händler und Filialen fest-gelegt. Je nachdem, welche Aspekte des Einkaufs den Kunden interes-sieren, werden die Fragen und Aufgaben als mobiler Marktforschungs-auftrag programmiert und für die Crowd zur Durchführung freigegeben. Mithilfe von GPS wird dabei sichergestellt, dass sich der Konsument im richtigen Geschäft befindet. Sobald dieser am POS „eingecheckt“ hat, wird er über eine App Schritt für Schritt durch die verschiedenen Aufga-ben gelotst. Er beantwortet Fragen zum Produkt und der Platzierung, macht Bilder oder lässt sich probeweise beraten. Je nach Auftragslänge und Anbieter erhalten die Teilnehmer dafür eine Vergütung – in der Regel ein Betrag zwischen 1 und 20 Euro.

POINT-OF-SALE-ANALYTICS FÜR EIN BESSERES SHOPPER VERSTÄNDNIS

Die Angaben der Konsumenten liefern Auftraggebern wiederum Antwor-ten zu Fragen rund um Platzierung, Promotions, Wettbewerbsaktionen und der Konsumentenwahrnehmung: Ist das Produkt am POS so plat-ziert, dass es vom Verbraucher leicht gefunden werden kann? Wie wird der Service wahrgenommen und bewertet? Welche weiteren Produktin-formationen wünschen sich Konsumenten? Die erhobenen Daten zeigen schnell auf, wo bei der Produktplatzierung oder beim Produkt selbst nachjustiert werden muss.

Diese quantitativen und qualitativen Daten werden mithilfe von Analy-sesoftware in einzelne Parameter wie Verkaufskanal, Vertriebsgebiet oder geografischen und soziodemographischen Variablen der Konsumenten aufgeschlüsselt und ausgewertet. Neben dem reinen Rohdatenexport können Datensätze mithilfe eines Dashboards in Diagramme umgewan-delt und Erkenntnisse direkt abgeleitet werden. Die Verbraucherfotos zei-gen die Realität am POS zusätzlich aus Shopper Perspektive.

Um die Exzellenz am POS kontinuierlich zu verbessern, empfiehlt es sich, mehrere Erhebungen durchzuführen. Die erste Untersuchung stellt zu-nächst die Ist-Situation dar. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wer-den im Anschluss Optimierungspotenziale und konkrete Lösungsansätze identifiziert. Die getroffenen Maßnahmen gilt es, in der nächsten Phase erneut durch die mobile Crowd auf die Probe zu stellen und Umsetzung sowie Shopper-Wahrnehmung am POS zu kontrollieren. Mithilfe eines solchen Point-of-Sale-Analytics-Ansatzes können Hersteller und Händler sukzessive zu Exzellenz am POS gelangen und das Geheimnis Blackbox POS für sich lüften.

Nichtverfügbarkeit des Artikels liegen. Gleiches gilt für Dienstleistungen. Ein klassisches Beispiel hierfür sind fehlende Kenntnisse des Verkaufs-personals zu einer bestimmten Verkaufsaktion.

Liegt eine optimale Umsetzung am POS vor, ist die erste Hürde gemeis-tert. Allerdings muss das durch den Hersteller und Händler definier-te Ideal nicht zwangsweise auch den Verbrauchern gefallen. Häufig gehen Konsumentenwahrnehmung und Zielumsetzung sogar weit auseinander. Typische Fehler sind Produktplatzierungen an Orten im Markt, an denen Konsumenten normalerweise nie suchen würden. Zusätzlich werden Verkaufsaktionen von Konsumenten oft nicht ver-standen, da viele komplexe Mechaniken wie z.B. Coupons oder das Einsenden von Kassenbons kombiniert werden. Nur wenn auch die Konsumentenwahrnehmung positiv ausfällt, kann eine Exzellenz beim „First Moment of Truth“ im Einzelhandel erreicht werden.

SOURCING ZUM MOBILEN MARKTFORSCHER

Zur besseren Potenzialausschöpfung am POS reichen traditionelle Da-tenquellen nicht aus. Handels- und Haushaltspanel großer Institute wie zum Beispiel Nielsen oder GfK erfassen zwar quantitative Daten in Form von Absatz- und Umsatzzahlen oder sogar Kaufgewohnheiten. Diese bil-den jedoch die Vergangenheit ab und klären nicht das „Warum“ hinter der Kaufentscheidung. Auch der Außendienst kann aufgrund von räum-lichen und zeitlichen Restriktionen nur stichprobenartige Kontrollen am POS vornehmen. Zudem fehlt es ihm mitunter an Objektivität, wenn es um Wettbewerbsprodukte oder die eigene Produktpräsentation geht.

ÜBER DEN AUTOR

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Retail Analytics

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Langenfeld

GROSSES POTENZIAL FÜR BVMM MITGLIEDSUNTERNEHMEN

Sie arbeiten an Innovationen im Bereich Retail, Digitalisierung und Smart City? Sie suchen neue Geschäftsmodelle in diesen Bereichen und möchten Teil eines einmaligen Entwicklungsprojektes in Europa wer-den? Dann können sie diese Ziele in der Future City Initiative Langen-feld verwirklichen, ein Zusammenschluss von Unternehmen, die aktiv die Zukunft gestalten. Der BVMM als Mitinitiator des Projekts freut sich, diese Möglichkeit seinen Mitgliedern bevorzugt anbieten zu können. Weitere Informationen auf www.futurecitylangenfeld.org oder direkt bei unserem Vorstandsmitglied Frank Rehme ([email protected])

Damit wurde ein europaweit einmaliger Hotspot für die Zukunft des Han-dels und der Innenstadtentwicklung geschaffen. Langenfeld bietet dabei ideale Voraussetzungen: Als typische Mittelstadt zwischen den Oberzen-tren Köln und Düsseldorf bildet es den Durchschnitt der Städte ab, die in den nächsten Jahren die größten Herausforderungen haben werden. Die Politik hat erkannt, dass die derzeit gesunde Innenstadt mit einer attrak-tiven Handelsstruktur nicht für die Ewigkeit gilt. Der Wettbewerb besteht heute nicht mehr nur mit dem stationären Handel anderer Städte, son-dern im Bereich der Versorgung auch digital und im Bereich des Erlebens mit allen andern Freizeitaktivitäten. Deshalb müssen Mittelstädte ihre Angebotsnische finden, um mit der disruptiven Weiterentwicklung im Handel umzugehen. Langenfeld soll ein Innovationshub werden, in dem neue Rezepte erarbeitet und angewendet werden können.

Dabei geht es primär darum, das Shoppen mit Erlebnis und Freizeitwert zu verknüpfen. Zukünftig muss man dem Konsumenten gute Gründe liefern, warum er seine Freizeit in der Innenstadt verbringen sollte. Die ersten Projekte sind in Langenfeld derzeit in der Umsetzung und beschäf-tigen sich mit dem Abbau von Zutrittshürden zur Innenstadt und zum stationären Handel.

Zuerst wird eine Plattform geschaffen, die der kompletten Wirtschaft der Stadt ein Gesicht im virtuellen Raum gibt. Dazu wird zusammen mit ei-nem Start-up eine vollkommen neue Art einer lokalen Onlineplattform entwickelt, in der die Leistungsfähigkeit von Handel, Dienstleistung und Handwerk einen Raum findet. Dabei geht es nicht allein darum, Produkte im Internet zu verkaufen, sondern einen Magneten zu etablieren, der die Menschen in die Innenstadt zieht. Research online-Purchase offline ist das Zauberwort, immer mehr Konsumenten bereiten ihren stationären Einkauf im Internet vor. Zudem müssen darüber hinaus für Click & Collect Szenarien Echtzeitbestände ebenso vorgehalten werden wie erlebnisver-sprechende Darstellungen der einzelnen Formate.

Das zweite Projekt macht gerade inhabergeführte Stores, die aus Res-sourcengründen nicht zehn Stunden geöffnet haben können, unabhän-gig von Öffnungszeiten. Dazu wird ein Screen im Schaufenster installiert, auf dem z.B. Laufstegvideos gezeigt werden. Durch scannen eines Bar-codes kann sich der Shopper mit dem Screen verbinden und die gezeig-ten Artikel auf seinem Smartphone ansehen und kaufen.

Das dritte Projekt beschäftigt sich mit der Zutrittshürde des Parkens. Parkraummanagement und -preisgestaltung sind ein wichtiger Wettbe-werbsvorteil, daher wird bewusst mit der Eliminierung speziell dieser Bar-riere begonnen. Im Future City Langenfeld Projekt wird das Parkproblem mit dem Thema City-Loyalty verbunden. Zugrundeliegende These: Alle, die vom Standort Innenstadt profitieren, sind an einer hohen Besucher-frequenz interessiert. Den Stadtakteuren ist bekannt, dass eine längere Aufenthaltsdauer mit steigendem Umsatz korreliert. Folglich schließen sich genau diese Interessengruppen in einer gemeinsamen Loyalty-Ko-operation zusammen: Handel, Dienstleistung, Gastronomie, Ärzte und Rechtsanwälte. Dazu wurde der sog. Stadtschlüssel ins Leben gerufen: Ein Schlüsselanhänger mit NFC-Funktechnologie, verknüpft mit einem Kundenkonto. Für jede Innenstadttransaktion bekommt der Shopper einen Bonus gutgeschrieben, der die Parkgebühren kompensiert. So ist allen geholfen: Der Shopper hat keine Parkgebühren, die Händler eine höhere Frequenz und Aufenthaltsdauer, die Stadt behält den Haushalts-posten der Parkgebühren.

Eine äußerst engagierte Bürger- und Händlerschaft in Kombination mit einer zukunftsorientierten Politik sind eine ideale Basis für ein Projekt, das auf mehrere Jahre hin ausgelegt ist. Diese Konstellation ist u.a. ein Grund, warum Langenfeld von der NRW Landesregierung zur „Stadt des Fortschritts 2015“ gekürt wurde.

Heike Schönfelder, 59Leiterin der städtischen Wirtschaftsförderin. Sie ist erste Ansprechpartnerin für ansiedlungsinteres-sierte und ortsansässige Bestandsunternehmen und kümmert ich mit ihrem Team um alle Fragen der Wirtschaftsförderung. Außerdem ist die Diplom Ökonomin Koordinatorin für Verwaltungsverfahren im Liegenschaftsmanagement der Stadt Langen-feld.

Jan Christoph Zimmermann, 39Der Citymanager bezeichnet sich selbst gerne als „Festmacher“ für seine Stadt: zum einen, um neue Einzelhandelsbetriebe für seine Stadt zu gewinnen und anzusiedeln. Zum anderen will er über ein ak-tives Eventmarketing den Kunden und Besuchern der eigenen Stadt schöne Erlebnisse ermöglichen und damit die Attraktivität und Frequentierung der eigenen Innenstadt zu steigern. Um eine funk-tionierende Innenstadt zu schaffen arbeitet der Di-plom-Sozialwissenschaftler mit den wesentlichen Innenstadtakteuren aus Handel, Kultur, Gastrono-mie usw. eng zusammen.

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Retail Innovation Retail Innovation

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Daher haben es sich weltweit Technologie-Unternehmen zur Aufgabe gemacht, die Customer Journey, sowohl für Shopper als auch für Be-treiber, mitzugestalten und clevere Technologie zur Verbesserung der User Experience voranzutreiben. Dabei gilt es, dem Retail ein funktionie-rendes und innovatives Gesamtkonzept zu bieten, das das qualitative Einkaufserlebnis und die Marketingaktivitäten erheblich optimiert.

Vielfach Anwendung finden hierbei insbesondere Analytictools – smarte, WLAN-basierte Mehrwertlösungen, die bereits in vielen Malls und Han-delsketten Einzug gefunden haben. Analytictools erlauben es dem Be-treiber, relevante Daten, unter Berücksichtigung gültiger Datenschutz-gesetze, anonym von Besuchern und Shoppern zu erheben, die wichtige Erkenntnisse über das Einkaufsverhalten offenbaren. So stehen diverse Features zur Verfügung, die Aufschluss über Verweildauern am Ort oder in definierten Zonen, oder auch Laufwege von Kunden geben. Durch diese aufbereiteten Daten, die in benutzerfreundlichen Cockpits über-sichtlich zusammengefasst werden, lassen sich etwa Promotionstände oder Aufsteller zur Optimierung der Laufwege kundenfreundlicher und vor allem effektiver platzieren. In diesem Zusammenhang stehen dem Betreiber zudem marketingrelevante Tools zur Verfügung, wie das direk-te Ausspielen von Vouchern oder Rabattcoupons sowie das Verwalten eines Eventkalenders und damit einhergehende Aktionen – sogar defi-nier- und auswertbar über ausgewählte Zonen (z.B. bestimmte Shops oder Gastronomiebereiche). Statistiken über Besucherzahlen, wobei zwischen neuen und wiederkehrenden Besucher unterschieden werden kann, erlauben in diesem Zusammenhang sowohl wichtige Ableitungen über frequenzstarke Tage und Zeiten, als auch zusätzliche Effektivi-täts-Resonanz zu Werbeaktionen.

Ein weiteres Highlight hierbei stellen in Echtzeit dargestellte Auswer-tungsanimationen und Grafiken dar; sogenannte Heatmaps und Live Views. Diese visualisieren live das aktuelle – oder auch zeitlich rück-wirkende – frequentielle Aufkommen innerhalb der Lokation, sodass Brennpunkte oder niedrig frequentierte Spots schnell ausgemacht werden können. Damit einhergehend kann durch diese Daten auf die Situation innerhalb der Lokation sofort reagiert werden, z.B. durch die Aufstockung von Sicherheits- oder Servicepersonal bei Bildung eines hohen Personenaufkommens. Aber auch die Mietpreise innerhalb der Lokation lassen hierdurch fairer justieren und nach Attraktivität der Lage genau anpassen. Mieter haben zudem für eigene Optimierungs-maßnahmen die Möglichkeit, die analytische erworbenen Daten vom Betreiber zu erwerben und sogar Marketingtools für Werbekampagnen kostenpflichtig mit zu nutzen. Der erhebliche Return on Invest für den

Betreiber steigert sich zusätzlich noch durch Sponsorings und Koope-ration – so können Logos und Werbebanner von Förderern in smarte Microsite, sogenannte „Walled Gardens“, integriert werden. Diese „Wal-led Gardens“ stellen hierbei das Fokuselement für den Endnutzer dar. Es handelt sich um digitale Service-Plattform mit gebündelten Infor-mationen, auf die der Nutzer nach erfolgreicher Verbindung mit dem vom Betreiber bereitgestellten WLAN automatisch geleitet wird. Diese Plattformen sind vom Betreiber kontrollierbare Ökosysteme, die di-verse Funktionen (3D-Indoornavigation, Eventkalender, Lagepläne, Feedbackformulare u.v.m) und Informationen zur Lokation (Stores, Öff-nungszeiten, Aktionen, News u.v.m.) exklusiv bereithalten. Zusätzlich zu dieser digitalen Service-Allzweckwaffe, kann der Enduser sich bequem via SMS, Mail, Social Media oder 1-Click-Verfahren einloggen um, als zusätzlichen Mehrwert, das freie Internet unbegrenzt oder für einen festgelegten Zeitraum kostenlos zu nutzen – etwa um Preise zu verglei-chen. Der „Walled Garden“ deckt somit die Bedürfnisse des modernen Shoppers kanalübergreifend ab und sorgt für eine nahtlose Einkaufser-fahrung, indem die erlebte Offline-Welt vor Ort mit der angebotenen, zusätzlichen Online-Welt auf dem Smartphone oder Tablet abrundend kombiniert wird.

Die Verknüpfung eben dieser beiden Welten wird sich in Zukunft noch stärker auf den Retail-Handel legen und schließlich wohl alle verfüg-baren Kanäle nutzen – ob Wearables, Smart TVs oder Connected Cars. Der Kunde in zehn Jahren will digital recherchieren, vergleichen und bequem einkaufen. Für Betreiber und Unternehmen bedeutet dies im Umkehrschluss, dass es gilt, sich den Kundenansprüchen rechtzeitig anzupassen und in entsprechende Technologien zu investieren, um für die Interaktion mit Konsumenten interessant zu bleiben. Das technolo-gische Aufrüsten beginnt hierfür bereits jetzt.

CUSTOMER JOURNEY 2.0 – WIE ANALYTICS DEN HANDEL BEEINFLUSSEN UND VERBESSERN KANN

ÜBER DEN AUTOR

Simon Marg ist spezialisiert auf Absatzför- derung in Kombination mit IT. Schon als Jugendlicher hatte er eine hohe Affinität für IT-, Marke- ting- und Wertschöpfungs-Ergeb- nisse am POS & POI und sieht sich selbst als globalen Bot- schafter zwischen Werbung und IT. Nach einigen Jahren im Marke- ting gründete er 2010 die ituma Gesellschaft für Informations-

Der heutige Shopper erwartet mehr und mehr ständige Verfügbarkeit, einen aktiven und modernen Service sowie eine übergreifende Einkaufserfahrung über alle Kanäle hinweg. Die Shopping Journey wandelt sich zunehmend zu einer Freizeitaktivität, bei der die Shopper nicht bloß Produkte kaufen, sondern ein authen- tisches Shoppingerlebnis mit Erlebnis-Charakter erleben möchten. Dabei gilt: „Mobile First“ – sei es durch per-sonalisierte und individuelle Angebote direkt auf das Smartphone oder hochwertige und flexible Informations- services via Digital Signage.

technologie und Marketing mbH, um seine Vision von modernen Geschäfts- und Endkunden-Lösungen zu realisieren. Sein Fokus liegt auf mobilen Lösungen für Smartphones und Tablets, die als geräteunabhängige „WiFi-Apps“ auf existierenden WiFi Infrastruk- turen von z.B. Cisco oder Telekommunikationsanbietern konzipiert sind. Die standortbasierten Services können durch zentralisierte und dezentralisierte Lösungen ausgeweitet werden, um einen echten Mehrwert insbesondere im Handel und der zielgerichteten Kundenansprache zu schaffen.

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Mobile Commerce Mobile Commerce

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VIRTUAL REALITY – DAS NÄCHSTE GROSSE DING!

Wieder nur ein Technologie-Hype oder nachhaltige Veränderung unserer Welt, Kommunikation und Wahrnehmung?

Hieß es vor Jahren „ich bin drin“ gemeint war das Internet á la Boris Be-cker, so heißt es heute „ich bin dann mal weg“ und zwar weg auf einer Tour in der virtuellen Welt. Was in der 1. Hälfte des letzten Jahrhunderts als Science Fiction begonnen hat, ist heute Wirklichkeit, ja alltäglich geworden. Wir ziehen eine VR-Brille an, laden eine App herunter und können spontan in andere Welten abtauchen, z.B. Achterbahn-Fahren, Urlaubsorte mal eben besichtigen, bei Musikkonzerten auf der Bühne ne-ben dem Haupt-Act sein, die Anwendungsfelder sind nahezu grenzenlos.

VR ist in der Medien- und Geschäftswelt angekommen. Weder Hype, noch kurzfristiger Trend, VR wird Marketing-Kommunikation und Produktmar-keting, die Art und Weise wie wir was erleben und kommunizieren nach-haltig verändern.

DIE FAKTEN:

■ Virtual Reality, sprich virtuelle Realität, ist im engeren Sinne die Wahrnehmung von computergenerierten, interaktiven, virtuellen Umgebungen

■ Marktgröße: ca. 30 Mrd. $ bis 2020 (Quelle: Digi Capital San Francisco 2015)

■ Wertschöpfung liegt im Marketing (Konzept und Kommuni- kation) und in der Contentproduktion

■ VR-Brillen: Samsung Gear, Oculus Rift, HTC Vive, Sony, Microsoft HoloLense, Google Cardboard (Einstiegsmodell aus Pappe für ca.10 €)

■ rasant wachsende globale Community: Applikation, Content- produktion, Grafik-Design

■ VR wird bereits heute als die nächste „social platform“ gehandelt (Mark Zuckerberg)

Virtual Reality als visuelle Kommunikationsform schafft neue Erlebnis-räume und wird die Art und Weise der Marketing-Kommunikation nach-haltig verändern. Und natürlich: VR ist aus der Gaming-Ecke raus, so viel steht fest.

Stichwort Immersion: VR ermöglicht ein Eintauchen in virtuelle Umgebungen, in denen der Nutzer auch interagieren kann. In einer bisher nie dagewesenen Form können mittels VR-Technologie Produkte, Dienstleistungen und Unter-nehmen inszeniert und emotional erlebbar gemacht werden.

Stichwort Erlebnis: Der stationäre Einzelhandel steht in Zeiten der Digitalen Transformation, von e- und m-Commerce vor der Herausforderung durch neue POS-Kon-zepte auch in Zukunft attraktiv für alte wie neue Kunden zu bleiben. Der Wandel ist in vollem Gange, es gilt Kunden nicht nur Ware anzubieten, sondern vielmehr das Einkaufen einzubetten in Erlebniswelten. D.h. Er-lebnisräume zu schaffen, die den Kunden emotional begeistern, binden und zum regelmäßigen Besuch veranlassen – kurz gesagt, VR ist der Kom-munikations-Turbo für „Involvement“ und „AIDA“ beim Kunden.

In zunehmenden Maße ergänzt der klassische Lebensmitteleinzelhandel das gelernte Angebot um Gastronomie-Konzepte, dies ist als ein Schritt im Wandel vom POS zum Erlebnisraum zu sehen.

Sie werden sich fragen, was das mit Virtual Reality zu tun hat? Nun VR ermöglicht die Schaffung von Erlebniswelten und die emotionale Auf-ladung von ansonsten nüchternen Sachverhalten – kurz VR weckt Emo-tionen. Und VR ermöglicht den Wandel hin zum Digitalen Store, d.h. auf kleinen Ladenflächen können Produkte und Sortimente effektiv insze-niert und präsentiert werden.

Im digitalen Store der Zukunft ist die Inneneinrichtung komplett vir-tuell, d.h. jeder Kunde wird seinen eigenen Traumladen betreten kön-nen. Stimmt das Marketing- und Kommunikationskonzept, gelingt die Begeisterung des Kunden und zahlt ein in Markenwahrnehmung und letztlich in Umsatz.

Der Kontext? Digitale Stores auf Basis VR sind in Zeiten steigenden Ver-änderungsdrucks des sich „Neuzuerfindens“ und gleichzeitig steigen-den Ladenmieten und Personalkosten mehr als eine relevante Option.

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Virtual Reality Virtual Reality

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ANWENDUNGSFELDER:

VR bzw. VR-Anwendungen sind in allen vertikalen Märkten relevant. VR, sprich visuelle Kommunikation, bietet ein sehr breites Anwendungsspek-trum und vielfältige Einsatzmöglichkeiten jenseits von Gaming.

Die Zeit ist reif, VR ist als Salestool nicht nur relevant für recht komplizier-te und erklärungsbedürftige sowie für teure Produkte (z.B. Uhren, Möbel) und Dienstleistungen. Ohne eine Priorisierung vornehmen zu wollen sind folgende Einsatzgebiete für Virtual Reality relevant und zu nennen:

Marketingkommunikation: Produktmarketing, Image, Produktinformation, Personal Promotion, Unternehmensdarstellung

Personalbereich: Schulung von Mitarbeitern und Personalanwerbung

POS: Digitaler Store und Erlebnisraum (Digitaler Pop-up Store) sowie Produktinszenierungen

Architektur: 360-Grad-Begehung von: Wohnungen, Häusern, Gewerbeimmobilien und Store-Konzepten

Automotive: Salestool im Autoverkauf – Darstellung neuer Automodelle

Medien:Verlängerung und Ergänzung von Print, TV und Digital Signage

Öffentlicher Sektor: Ausstellungen.

Aber auch der Einsatz von VR-Brillen und Anwendungen im sozialen Bereich, Stichwort Integration sind aufzuführen.

VIRTUAL REALITY VERÄNDERT DIE WELT DER KOMMUNIKATION – DREI KONKRETE ANWEN-DUNGSBEISPIELE:

Media/TV:Mit der neuen HoloLens von Microsoft können Nutzer während der TV-Übertragung von Inhalten mit einer VR Brille Zusatz-Inhalte abrufen. Der Nutzer kann nicht nur wie bisher gewohnt ein Football-Spiel verfol-gen, sondern auch Spieler auswählen, die dann in der VR aus der aufbre-chenden Wohnzimmer-Wand hereinkommen.

Dienstleistung:Die Hotelkette Marriott ermöglicht es, frisch getraute Paare mit einer VR Brille schon mal in die Flitterwochen zu Traum-Destinationen zu reisen. Besonders die Reisebranche setzt auf VR. Reisebüros und Veranstalter ergänzen ihre visuellen Medien um Oculus und Co., um im Flagship Rei-sebüro oder an anderen Orten sehr emotional und überzeugend für Rei-seziele zu werben.

Außenwerbung – Digital out of Home Media (DOOH)Der Außenwerber JC Decaux bereits heute Virtual Reality, um seinen Kun-den alle Werbemöglichkeiten am Flughafen wie zum Beispiel in London Heathrow zu zeigen. Mittels VR-Technolgie können Werbekunden einen genauen Überblick über die Bereiche eines Flughafens gegeben werden, an denen Werbemedien wie Screens und Videowalls installiert sind und Werbung geschaltet werden kann.

Worum geht es hierbei? Es geht um Optimierung der Werbewirkung - die B2B-Kunden können so Bereiche wie Check-in, Abflug oder Ankunft vir-tuell nach Werbemöglichkeiten erkunden – um später noch besser ihre Zielgruppen aus den täglich über 200.000 Flughafen-besuchern anspre-chen zu können.

Letztlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis Kampagnen mit VR Unterstüt-zung an Flughäfen laufen werden.

FAZIT:

Virtual Reality bedeutet Transformation, sprich neue Realität und neues Geschäft für diejenigen, die es zulassen und diejenigen, die neue Wege beschreiten wollen aber auch müssen.

ÜBER DEN AUTOR

Michael LenkExperte für Digitale Transforma- tion, IT und Handel

Über 20 Jahre Branchenerfahr- ung im Handel, der Konsum- güter- und IT-Industrie und der Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle auf Ba- sis innovativer IT-Technologien.

Beratung und Umsetzung von disruptiven Geschäftsmodellen im Rahmen von digitalen Transformationsprojekten und Omni- channel Retailing.

Ausgewiesener Handels- und IT-Experte mit Schwerpunkt digitaler Transformation im Handel – Strategieberatung, Umsetzung und Projektmanagement sowie Entwicklung neuer, digitaler POS- Konzepte und Handelsformate entlang der Customer Journey.

[email protected]

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Virtual Reality Virtual Reality

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IM GESPRÄCH MIT KLAUS BRÖHL

Wann haben Sie das letzte Mal online oder offline gekauft?

Klaus Bröhl: Ich bin eigentlich kein typischer Onlinekäufer. Mein letzter Onlinekauf war ein Gartenhaus, weil ich, da es sich um ein technisches Produkt handelt, so gut Preise und das Serviceangebot vergleichen konnte.

Und wann haben Sie das letzte Mal im stationären Handel eingekauft?

Klaus Bröhl: Zuletzt erst vorgestern. Ich mag Einkaufen, ich mag es mich treiben zu lassen, ich mag es die Produkte anzufassen, und vor allem mag ich es, wenn die Verkäufer kompetent beraten und nett sind. Man kann gut ausprobieren und so ist für mich der Preis auch weniger relevant.

Welche Möglichkeiten haben inhabergeführte Läden, um den Kunden für sich zu begeistern?

Klaus Bröhl: Zunächst müssen diese erstmal ihren Job machen. Sie müssen gute Produkte bieten, ihre Waren gut präsentieren, freundliches Personal haben. Dann müssen sich Gedanken gemacht werden, wie man mich dazu bekommt sich mit ihnen zu beschäftigen. Er muss mich erreichen, es muss mir Spaß machen ihn zu besuchen und ich muss mich einfach bei ihm wohlfühlen. Erst dann sollte er darüber nachden-ken, wie er sein Konzept und seine Idee digital unterstützen kann. Aktu-ell sehe ich sehr oft, dass man versucht, digitale Konzepte, ohne diese Grundlagen geschaffen zu haben, einzuführen. Das kann nur scheitern.

Ein digitales Konzept muss weiter ganzheitlich aufgestellt sein und der Einzelhändler muss die unterschiedlichen Säulen immer als Teil seines Gesamtkonzeptes sehen. Dann wird er auch mit der richtigen Erwar-tungshaltung an den Erfolg seiner Einzelmaßnahmen in sein Projekt einsteigen.

Raten Sie dazu, mit einem Shop online vertreten zu sein?

Klaus Bröhl: Ein Onlineshop ist auf keinen Fall ein Muss, aber in irgend-einer Art und Weise Online vertreten zu sein, ist gut. Der Einzelhändler muss für sich entscheiden, was zu ihm passt und es passt sicherlich nicht für jeden.

Ist man als Händler ohne App der Depp?

Klaus Bröhl: Ich stelle mir dabei immer die Frage, warum ich mir eine App runterladen soll? Warum ich sie nicht sofort wieder löschen soll? Wenn da nichts interessantes, spannendes oder ein „Must Have“ zu fin-den ist, fliegt die App sofort wieder vom Handy – und so denken die meisten. Wenn ich also als Einzelhändler darauf keine Antworten habe, macht eine App auch keinen Sinn. Wenn ich jedoch weiß, wie man so eine App attraktiv gestaltet, z.B. durch Gamification, dann ist das ein ganz wichtiger Kanal, ich muss diesen Erlebnischarakter vermitteln. Es muss auch hier einfach passen. Der richtige Mix aus den Kanälen ist wichtig.

Was kann ich über das Technische hinaus noch tun?

Klaus Bröhl: Zum Beispiel meine Schaufenster attraktiv gestalten, meinen Showroom zu einem Erlebnisort umgestalten, mein Personal ausbilden (Kompetenz und Kundenansprache), mein Serviceangebot optimieren oder in Belohnungs- bzw. Loyalty Konzepte investieren. Als Einzelhändler muss ich die Rolle eines Event- und Kampagnen-Mana-gers einnehmen. Schließlich sollte mit anderen Einzelhändlern gemein-sam (sind wir stark) an Konzepten arbeiten. Bestes Beispiel sind die verkaufsoffenen Sonntage oder lange Einkaufsnächte oder der Aufbau digitaler Marktplätze, um doch noch einmal technisch zu werden.

Sie haben angesprochen, wie wichtig das Personal im stationären Handel ist. Glauben Sie, dass dieses heute richtig ausgebildet wird?

Klaus Bröhl: Wenn ich das bei uns sehe, dann haben wir da noch viel Nachholbedarf. Es erfordert einiges, um als Verkäufer mit Menschen umzugehen, die besser auf das Produkt vorbereitet sind, als man selbst. Wichtig ist es also, die Person nicht nur im kaufmännischen richtig aus-zubilden, sondern auch verstärkt auf den Umgang mit dem neuen Typus Kunden vorzubereiten.

Was ist Ihre nächste geplante Anschaffung?

Klaus Bröhl: Meine Kleidung für den Winter, also diverse Sportausrüs-tung kaufe ich mit Sicherheit online – das ist leicht zu vergleichen und unbeschwerter. Aber meine nächste größere Anschaffung, nämlich Mö-bel, werde ich auf jeden Fall im stationären Handel tätigen.

Klaus Bröhl ist Berater für mobile Technologien und digitale Marketingkonzepte sowie Gründer und Geschäftsführer der 1eEurope Deutschland GmbH und der IWOfurn Service GmbH. Er unterstützt mit seinen Unternehmen eine Vielzahl von Unternehmen aus Industrie und Handel in Europa. Seit Jahren beschäftigt er sich mit der Digitalisierung des Handels, mit mobilen Lösungen, Location Based Services und digitalen Marktplatzkonzepten

Aktuell sehe ich sehr oft, dass man versucht digitale Konzepte, ohne Grundlagen geschaffen zu haben, ein- zuführen. Das kann nur scheitern.

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Interview Interview

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455 Milliarden Euro Umsatz – das erwirtschaftete der Bereich E-Com-merce im Jahr 2015. Im Vergleich zum Vorjahr, so eine Studie der Ecom-merce Foundation, eine Umsatzsteigerung von über 13 Prozent. Der B2C-E-Commerce-Sektor, also Unternehmen zu Privatperson, hat in Europa bereits über 2,5 Millionen Jobs geschaffen. Dort wurden allein 2015 über 4,2 Milliarden Pakete verschickt. Online-Händler schufen hier- für auf dem gesamten Kontinent etwa 750.000 Webseiten – Tendenz steigend. Ein großer Markt, mit noch größerer Konkurrenz. Stellt sich die Frage: Was benötigt es, um gegen diese – wenn auch nur im Kleinen – bestehen zu können?

Die Basis für einen erfolgreichen Internetvertrieb sind eine integrierte EDV auf allen Unternehmensebenen, bestehende Erfahrung im Handel und starke Kundenorientierung. Viele Faktoren spielen eine Rolle. Die Herausforderung ist, alle Kommunikationsmedien sehr gezielt einzu-setzen, um durch den Mix verschiedener Kommunikationswege eine bestmögliche Wirkung beim Kunden zu erzielen.

CHANCEN VOR ALLEM FÜR NISCHENANBIETER

Wer sich ausschließlich auf das Online-Geschäft als Vertriebsweg kon-zentrieren möchte, muss zum einen viele Menschen erreichen und sich zum anderen im Internet zu jeder Zeit von allen Mitbewerbern und Konkurrenten abheben können. Dieser Wettbewerb wird täglich här-ter. Google-Rankings, Bewertungen anderer Nutzer und Sichtbarkeit in den sozialen Medien entscheiden über Erfolg und Misserfolg. Neben umfangreichem Know-how ist hier vor allem auch eine Menge Arbeit er-forderlich. Algorithmen, Trends und Ansprüche ändern sich nirgendwo schneller, als im Web. Unter Umständen müssen Unternehmen, die im Onlinegeschäft erfolgreich sein wollen, auf diesem Weg sehr viel mehr Zeit investieren, als sie sie es offline müssten.

Für Nischenanbieter ist der eigene Onlineshop trotzdem eine interes-sante Vertriebsmöglichkeit. Außerhalb der Reichweite der Platzhirsche können sie mit einer kreativen Vermarktungsstrategie die spezifischen Zielgruppen oftmals sogar besser ansprechen. Und auch das Wachstum ist in der Nische nicht unbedingt begrenzt. Die ständige Erweiterung des eigenen Sortiments kann ebenfalls zu einer höheren Reichweite beitragen.

E-COMMERCE – EIN BISSCHEN MEHR GEHT IMMER„3, 2, 1 meins“ ist längst zu einem geflügelten Ausdruck geworden. Bei Facebook reicht „Like“ bald nicht mehr aus – der „Want“-Button für persönliche Wunschlisten ist nur noch eine Frage der Zeit. Ganz klar: E-Commerce boomt. Und das nicht nur im Bereich Business-to-Consumer. Doch was braucht es für einen erfolgreichen Vertrieb im Web? Und was erwartet diesen Vertriebsweg in Zukunft?

POTENZIAL NOCH LANGE NICHT AUSGESCHÖPFT

Wie sieht der Onlinehandel in der Zukunft aus? Diese Frage stellen sich wohl alle Entscheider. Wirkliche Prognosen lassen sich kaum ab-geben. Viel zu komplex, viel zu schnelllebig und dynamisch hat sich der E-Commerce-Markt in den letzten Jahren entwickelt. Eine Entwicklung, die eher noch rasanter voranschreiten wird.

E-Commerce-Markt bietet ein riesiges Potenzial, das noch lange nicht ausgeschöpft ist. Die Branche boomt, das Ende der Fahnenstange hat sie noch lange nicht erreicht – insbesondere im Cross-Border-Geschäft. Knapp 65 Prozent der Online-Nutzer erledigen einen Teil ihrer Einkäufe bereits im Web. Sie shoppen in dem am stärksten globalisiertesten Markt der Welt: dem Internet. Doch sie schauen dabei kaum über die Grenze. Nur etwa 16 Prozent kaufen online auch im Ausland ein, nur etwa jeder achte deutsche Online-Shopper. Eine Menge ungenutztes Potenzial.

Im EU-Vergleich schwanken diese Werte stark. In Luxemburg, das selbst nur über einen kleinen eigenen Markt verfügt, kaufen 68 Prozent der Nutzer in ausländischen Online-Shops ein, in Österreich 44 Prozent. Dass Deutschland hierbei unter dem europäischen Durchschnitt liegt, liegt fast nahe. Deutsche Kaufwillige kommen einfach selten in die Verlegenheit, auf das Ausland ausweichen zu müssen. Das Angebot in Deutschland ist breit genug. Dennoch: Es gibt noch viel Luft nach oben.Um dieses Potenzial nachhaltig nutzbar zu machen, muss an verschie-denen Punkten angesetzt werden. Viele Händler, besonders kleine und mittelständische Unternehmen, scheuen die oftmals komplizierten und unbekannten Rechtssysteme und Steuerregelungen anderer Länder. Nutzer, die trotzdem versuchen auf ausländische Online-Shops zuzu-greifen scheitern häufig am Geoblocking. Letzte Hoffnung: EU-Kommis-sion. Diese hat sich Anfang des Jahres diesem Problem angenommen. Eine Lösung ist jedoch noch nicht in Sicht.

Trotzdem zeigt sich für die Zukunft: Das Feld des E-Commerce ist noch lange nicht abgeerntet. Auch für kleinere Anbieter ist mit der richtigen Strategie und einer Menge Hartnäckigkeit, besonders in Nischenmärk-ten, der Zug noch nicht abgefahren. Doch wer zu lange wartet, hat es umso schwieriger. Und im Internet ist „lange“ eine ziemlich kurze Zeit.

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E-Commerce E-Commerce

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Veranstaltungen

SAVE THE DATE: BVMM +PLUS-TALK

18. JANUAR 201719 UHRDÜSSELDORF

Das Bilden von Netzwerken und der unternehmensübergreifende Austausch sind in einer Zeit der Veränderung elementarer denn je. Oft stellt man fest, dass auf Konferenzen und Kongressen dieses nur bedingt funktioniert. Speziell im Bereich Marketing und Digitalisie-rung gilt oft die Form mehr als der Inhalt. Genau dieses Manko wollen wir mit der +PLUS-Talk Serie ausgleichen. Treffen Sie interessante Gesprächspartner an inspirierenden Orten, um Impulse zu setzen und Hintergründe zu beleuchten.

Die +PLUS-Talks sind ausnahmslos Abendveranstaltungen, die in 1 - 2 Impulsvorträgen Lösungen und Sichtweisen zu einem zeitgemäßen Thema beleuchten. Hier treffen sich Menschen, allesamt Experten der Branchen, die das Wesentliche diskutieren und schnell auf den Punkt kommen. Seien Sie dabei, die Teilnahme ist kostenlos.

Wo: denkubator, Rather Kirchplatz 11, 40472 DüsseldorfAnmeldungen an: [email protected]

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Ausgabe 01 | 2016Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten.

ISSN: 2199-5141

VORSCHAU NÄCHSTES MAGAZIN

Neue Technologien revolutionieren unser Leben. Nicht nur unsere Kommunikation passiert zunehmend online, auch im Bereich der Me-dizin ist die Digitalisierung auf dem Vormarsch. Health-Tracking-Apps überwachen unseren Blutdruck, Herzschlag und Stresslevel. In den Krankenhäusern hält die digitale Krankenakte Einzug und Roboter wer-den unterstützend bei Operationen eingesetzt. Die Möglichkeiten sind nicht nur für Patienten und Patientinnen sondern auch für das medizi-nische Fachpersonal beinahe unendlich. In der kommenden Ausgabe betrachten wir die Thematik, gemeinsam mit interessanten Gesprächs-partnern, aus verschiedenen Blickwinkeln.

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