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Helmut Frielinghaus: Fragen 1 Würdigungen Merton-Preis 2007 an Eva Moldenhauer und Grete Osterwald Hans-Martin Gauger: Laudatio 1 Preis der Leipziger Buchmesse 2008 an Fritz Vogelgsang 3 Goethe-Medaille 2008 – Jan Philipp Reemtsma: Laudatio 3 John E. Woods: Dank 4 Europäischer Übersetzerpreis Offenburg 2008 für Anne Weber: Rede auf den Förderpreisträger Holger Fock 5 Veranstaltungen Lektoren sind nicht auf der Welt, um Fehler zu machen. Zur Seite gesprungen in Berlin 6 Nachwuchsübersetzer aus Deutschland, Polen und Tschechien in Leipzig 6 Übersetzer Packen Aus in Hamburg 7 Übersetzer und ihre Mörder in München 8 »Rotes Kornfeld« in Frankfurt 9 Interview: Deutsch-chinesische Übersetzerwerkstatt 9 100 Jahre Rowohlt Verlag Heinrich-Maria Ledig-Rowohlt und seine Übersetzungsabteilung 10 Rezensionen Regina Peeters: Eine Bibliothek für Babel 12 In Ketten tanzen. Übersetzen als interpretierende Kunst 12 42. Jahrgang, Januar – Juli 2008 01/08

01/08 - Übersetzen · 2016. 10. 10. · Europäischer Übersetzerpreis Offenburg 2008 für Anne Weber: Rede auf den Förderpreisträger Holger Fock 5 ... Eine Bibliothek für Babel

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Helmut Frielinghaus: Fragen 1

WürdigungenMerton-Preis 2007 an Eva Moldenhauer und Grete OsterwaldHans-Martin Gauger: Laudatio 1Preis der Leipziger Buchmesse 2008 an Fritz Vogelgsang 3Goethe-Medaille 2008 – Jan Philipp Reemtsma: Laudatio 3John E. Woods: Dank 4Europäischer Übersetzerpreis Offenburg 2008 für Anne Weber: Rede auf den Förderpreisträger Holger Fock 5

VeranstaltungenLektoren sind nicht auf der Welt, um Fehler zu machen. Zur Seite gesprungen in Berlin 6Nachwuchsübersetzer aus Deutschland, Polen und Tschechien in Leipzig 6Übersetzer Packen Aus in Hamburg 7Übersetzer und ihre Mörder in München 8»Rotes Kornfeld« in Frankfurt 9Interview: Deutsch-chinesische Übersetzerwerkstatt 9

100 Jahre Rowohlt VerlagHeinrich-Maria Ledig-Rowohlt und seine Übersetzungsabteilung 10

RezensionenRegina Peeters: Eine Bibliothek für Babel 12In Ketten tanzen. Übersetzen als interpretierende Kunst 12

42. Jahrgang, Januar – Juli 2008

Impressum

Übersetzen (ehemals »Der Übersetzer«) erscheint halbjährlich.

Herausgeber: Verband deutschsprachiger Übersetzer

literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V. (VdÜ)

in Zusammenarbeit mit der Bundessparte Übersetzer

des VS in ver.di, Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin.

Bankverbindung: SEB AG Bank Berlin, Konto 1619848500,

BLZ 10010111.

Redaktion (verantwortlich): Dr. Sabine Baumann, Obermainanlage 21,

60314 Frankfurt am Main

Rezensionen: Anke Burger, 4646 Rue de la Roche,

Montréal QC H2J 3J6, Kanada

Abonnements: Maike Dörries, Stresemannstr. 19, 6 8165 Mannheim

Layout: Christoph Morlok, Heidelberg

Druck: Druckkollektiv Gießen

Für unverlangte Manuskripte keine Haftung. Nachdruck nur

mit Genehmigung der Redaktion und mit Quellenangabe.

Übersetzen hat eine neue Redaktion

Die »Neuen« danken Kathrin Razum für über ein Jahrzehnt

redaktioneller Arbeit!

Sabine Baumann wurde 1966 geboren und hat

Amerikanistik in Frankfurt am Main, Bloo mington

Indiana und New York studiert. Seit Mitte der 90er

Jahre übersetzt sie aus dem Russischen und dem

Englischen.

Ihr wichtigster Autor ist Vladimir Nabokov, über

den sie auch mit einer Arbeit über die Erinnerung

promoviert hat; übersetzt hat sie für die Rowohlt-

Werkausgabe seinen Roman »Camera obscura« und das Drama

»Die Tragödie des Herrn Morn«. Ihre Übersetzung seines legen dären

Puschkin-Kommentars samt Neuübersetzung des Vers romans erscheint

Ende 2008 bei Stroemfeld. Teils zusammen mit Bernd Rullkötter hat

sie auch englische Sachbücher zur russischen Kultur geschichte übersetzt

und lektoriert. Journalistisch arbeitet sie seit 2002 mit einer Vor liebe für

Interviews mit Schriftstellern oder anderen Kulturschaffenden.

Für »Übersetzen« hofft sie, selbst auch einmal das eine oder andere

Portrait über Kollegen schreiben zu können, und würde sich freuen, wenn

andere ebenfalls zahlreiche Texte für »Übersetzen« beisteuern würden:

[email protected].

Anke Burger, geboren 1964 in Darmstadt, hat in

Berlin und Austin, Texas, Amerikanistik, Germanistik

und Filmtheorie studiert.

Sie übersetzt seit 1992 zeitgenössische Romane,

Unterhaltungs literatur und Bildbände, anfangs vor-

wiegend aus dem amerikanischen, mittlerweile gern

auch aus dem britischen und in Asien geschriebenen

Englisch. 2003 wurde ihr für die Übersetzung des

Kriminalromans »Manila Bay« von William Marshall der Wielandpreis

verliehen. Sie lebt derzeit in Montréal, Quebec, wo sie eifrig kanadisches

Französisch lernt, und in Berlin-Kreuzberg.

Sie betreut für diese Zeitschrift ab sofort die Rubrik »Rezensionen«; wer

ein für das Übersetzen relevantes Buch besprechen möchte, möge sich

damit gern an [email protected] wenden.

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Übersetzen 1/2008 1

Helmut Frielinghaus

FRAGEN

Große Momente des VdÜ

In der Geschichte des VdÜ gab es große Momente. Helmut M.Braem und seine Freunde hatten die Idee der »Esslinger Ge-spräche«, die noch heute stattfinden – nur dass sie heute Wol-fenbütteler Gespräche heißen. Elmar Tophoven, der in ParisBeckett übersetzte, träumte von einer neuen »Schule von To-ledo« – und trug handfest und großzügig (mit einem eigenenHaus, das er zur Verfügung stellte) zur Gründung des Europäi-schen Übersetzer-Kollegiums in Straelen bei, wo Übersetzerarbeiten können oder sich zu Fortbildungsseminaren treffen.Klaus Birkenhauer, Braems Nachfolger als Vorsitzender desVdÜ und langjähriger Leiter des EÜK, erkannte als erster dieBedeutung des Computers für Übersetzer, kaufte Geräte undgab Einführungskurse. Rosemarie Tietze hatte die Idee desÜbersetzerfonds: daraus hat sich nach mühseligen Verhand-lungen schließlich eine heute gut funktionierende Institutionentwickelt, die Stipendien vergibt und Seminare finanziert.Eine großartige Idee war der 1965 vom VdÜ veranstalteteKongress in Hamburg, an dem auch Autoren, Kritiker, Lektorenund Verleger teilnahmen: man sprach, diskutierte miteinander.Ein Ereignis, das auf die Arbeit der Übersetzer aufmerksammachte – und nachhaltige Folgen hatte: man mag darüber lä-cheln, aber damals bedeutete es Übersetzern etwas, dass ihrName von nun an auf der Titelseite stand und die ersten Ver-lage anfingen, den Übersetzern etwas von ihren Erlösen ausder Verwertung der Nebenrechte abzugeben. Lektoren (wieich) wurden damals Mitglieder des VdÜ – angeworben vonUrsula Brackmann, die wusste, wie wichtig das Gespräch zwi-schen Übersetzern und Verlagen war.

Ohne diese und andere Ideen, die aus dem VdÜ kamen,gäbe es viele Übersetzerpreise nicht, gäbe es den Freundes-kreis nicht, der Stipendien und zwei angesehene Übersetzer-Preise, den Braem-Preis und den Wieland-Preis, vergibt. Esgäbe wohl auch nicht die Übersetzerprogramme des Literari-schen Colloquiums Berlin, darunter die begehrte Übersetzer-werkstatt, nicht die beispielhafte Übersetzerförderung in Zug,nicht das Schweizer Looren und nicht das zukünftige österrei-chische Übersetzerhaus.

Was ist aus dem VdÜ geworden?

Was ist aus dem VdÜ geworden, dieser einst lebendigen Ge-meinschaft, in der Übersetzer wie Braem und Tophoven, wieBirkenhauer und Hildegard Grosche und viele nach ihnen ihrePhantasie entfalten und kühne Ideen zu Austausch, Selbsthil-fe, Öffentlichkeitsarbeit entwickeln konnten? Warum fühlensich ältere Mitglieder, die einst engagiert mitgemacht und denVdÜ mitgeprägt haben, vom gegenwärtigen VdÜ nicht vertre-ten? Schlimmer noch: Warum verabschieden sich der Reihenach drei gewählte (jüngere!) Mitglieder des Vorstands, diesich vorwiegend um Inhaltliches gekümmert haben? Drei, diesich auf vielfältige Art um die Sache der Übersetzer verdientgemacht haben. Wer das von außen beobachtet wie ich, fragtsich erschrocken: Was ist da los? Warum schreit keiner lautauf? Können der Restvorstand und die Mitglieder des VdÜ das»einfach so« hinnehmen? Und, da es doch um das gemeinsa-me Gespräch geht: Wieso brauchen Übersetzer neuerdingszwei Foren? Warum der gereizte, arrogante, bissige Ton im ei-nen, der offenbar viele, nicht etwa nur eine Handvoll, abgesto-ßen, vertrieben hat? Warum der Mangel an Offenheit, warumdas Misstrauen?

Andere Aufgaben und Möglichkeiten

Die Honorarverhandlungen der letzten Jahre sind auch anüberzogenen Forderungen und dem Mangel an Kompromiss-

bereitschaft auf Seiten der Übersetzer gescheitert. Man hältan den alten Tabus fest: Nicht geredet werden darf über dieFrage der Qualität – über die unbestreitbare Tatsache, dassviele Übersetzungen unzureichend oder sogar schlecht sindund gründlicher Bearbeitung bedürfen. Oder dass es – fürÜbersetzer wie Verleger – wahrscheinlich unmöglich ist, je-mals einen gerechten und vernünftigen Beteiligungsmodus zufinden. Oder dass es – nach dem Muster anderer Berufsspar-ten – gewerkschaftlich ausgehandelte Arbeits- und Honorar-bedingungen, also Tarifvereinbarungen für Übersetzer nichtgeben kann.

Manchmal sieht es so aus, als gäbe die gegenwärtige Ent-wicklung den Bedenken derer Recht, die einst zögernd demAnschluss des VdÜ an die Gewerkschaft zugestimmt haben.Als geriete in Vergessenheit, dass der VdÜ nach den Vorstel-lungen der Gründer noch andere Aufgaben und Möglichkeitenhat. Die Stärke des VdÜ ist immer die Solidarität seiner Mit-glieder gewesen. Dazu gehörte die Offenheit, mit der mansich austauschte und zusammenarbeitete, ohne danach zufragen, in welchem Lager der andere steht. Es gab nur ein La-ger. Dazu gehörte eine selbstverständliche, umfassende Soli-darität und Gemeinsamkeit, wie man sie unter den sich eherals Rivalen sehenden Schriftstellern selten antrifft.

Sollte man sich nicht, ehe es zu spät ist, auf dem gemein-samen Boden (wieder) zusammentun, um der sich abzeich-nenden – oder schon »passierten«(?) – Spaltung entgegenzu-wirken? Aufbrüche, mutige Neuanfänge, bei denen man sichauf die Geschichte und auf das, worum es heute und in Zu-kunft geht, besinnt, sind in der Regel erfrischend und heilsam.

WÜRDIGUNGEN

Hans-Martin Gauger

LAUDATIO AUF EVA MOLDENHAUERUND GRETE OSTERWALDAnlässlich der Verleihung des Merton-Preisesam 4. Dezember 2007

Er »betreute«, lesen wir, »die Übertragung mit viel Gewissen-haftigkeit, Stilgefühl und Geschmack, bis zur Versessenheitbemüht um die Genauigkeit der Wiedergabe, das Sichdeckendes sprachlichen Ausdrucks ...«. Übrigens wohnt dieser Über-setzer in Schwabing, gleich hinter der Universität: »dort«, le-sen wir weiter, »saß er ..., ausnehmend luftbedürftig von Natur,den ganzen Winter bei offenem Fenster, in Mantel und Plaidgehüllt, an seinem Tisch und rang, halb hasserfüllt und halb inleidenschaftlicher Verfallenheit, von Schwierigkeiten umgebenund Zigaretten verdampfend, um den genauen Gegenwert fürenglische Wörter, Phrasen und Rhythmen«. Von wem ist dieRede? Nun, von Rüdiger Schildknapp, so wie er portraitiertwird von Serenus Zeitblom, also dem fiktiven Erzähler in Tho-mas Manns »Doktor Faustus«, der 1947 erschien. ThomasMann nahm als Vorlage für seine Figur seinen Freund, denSchriftsteller und großen Übersetzer aus dem Englischen HansReisiger. Er, ›Reisi‹, gehörte zu den (wahrlich nicht zahlreichen)›Intimen‹. Nie, erinnerte sich Golo Mann, freuten sich die Kin-der so sehr, wie wenn ›Reisi‹ kam, denn dann wurde es lustigim Haus. Rüdiger Schildknapp ist, soweit ich sehe der einzigeFall, dass ein Übersetzer als literarische Figur erscheint.

Thomas Mann schildert in Schildknapp einen Übersetzer,der sich zum Schriftsteller berufen fühlt, sich aber mehr undmehr aufs Übersetzen verlegt. Übersetzer, um an Schildknappanzuknüpfen, sind auch Schriftsteller. Freilich eine sehr be-sondere Art. Schriftsteller oder auch Dichter haben zwarschon eine mehr oder weniger genaue Vorstellung von demText, den sie zu schreiben beginnen. Übersetzer jedoch sind

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Übersetzen 1/20082

Schriftsteller, die, bevor sie beginnen, ›ihren‹ Text schon ganzund gar fertig vor sich haben – sie müssen ihn ›bloß noch‹übersetzen. Aber – wie viele Probleme, wie viele Nöte undgewiss auch Augenblicke prekären Glücks, stecken in diesem

»bloß«: »bloß noch über-setzen«! Schließlich je-doch ist der Text, wennsie ihn übersetzt haben,aber auch wieder ganzihrer, denn in der Tat:kein anderer Übersetzerhätte ihn genau so ge-macht.

Due padrone serve

Ich kann Eva Molden-hauer und Grete Osterwald hier kaum im Einzelnen loben. Bei-de zeichnen sich aus nicht nur durch Gewissenhaftigkeit, Be-harrlichkeit und Fleiß, sondern auch durch »Stilgefühl« und»Geschmack« (um erneut Serenus Zeitblom zu zitieren).»Schildknapp« nannte Thomas Mann seinen Übersetzer – mitBedacht. In der Tat ist ein Übersetzer etwas wie ein Knappe,ein Diener, so anstößig das Wort heute klingen mag. Unserebeiden Übersetzerinnen jedenfalls verstehen es, sich selbstzurückzunehmen. Denn so herrscherlich der Übersetzer in sei-nem Geschäft mit seiner Sprache verfährt, verfahren darf undmuss, so sehr muss er andererseits sein Herrschen in denDienst seiner Vorlage stellen. Wir haben also vor uns heutezwei Herrinnen, die sich als solche – ihren Autoren und ihrenLesern dienend – zurücknehmen: due padrone serve. Sie su-chen nicht, sich selbst zu verwirklichen in ihrem Übersetzen(obwohl sie dies auf irgendeine Weise doch auch tun), son-dern sie verwirklichen, rekonstruieren so radikal es geht, imDeutschen ihre französischen Texte.

Äußerst prominente Namen

Eva Moldenhauer übersetzt seit über vierzig Jahren! Sie hatvier Jahre in Frankreich gelebt. Französisch hat sie nicht ein-mal studiert, sondern vielmehr Germanistik, Philosophie undKunstgeschichte. Zwei Preise hat sie sehr zu Recht schon er-halten: den »Helmut M. Braem-Preis« und den »Celan-Preis«.Eva Moldenhauer hat sehr viel übersetzt: Sage und schreibe121 Titel – Bücher also, et ça continue! Sie hat so genannte»schöne Literatur« übersetzt, hier vor allem elf Werke vonClaude Simon, der 1985 den Nobelpreis bekam, dann etwaJorge Semprun (sechs Bücher), fünf Titel von RachidBoudjedra, Agota Kristof, Julien Green, den wunderschönenBriefwechsel zwischen Turgenjew und Flaubert und den be-wegenden Brief des alten André Gorz an seine alte Frau. Dannanthropologisch-ethnologische Werke: vier Titel von ClaudeLévi-Strauss, fünf von Mircea Eliade, dem französisch schrei-benden Rumänen, philosophische, soziologische, historische,politische und psychoanalytische Werke: Maurice Merleau-Ponty, Alain Touraine, Pierre Bourdieu, Roland Barthes, Ema-nuel Lévinas, Georges Dumézil, Jean-Paul Sartre, Paul Ricœur,Jean-Baptiste Pontalis und Françoise Dolto. Äußerst promi-nente Namen also, und Sie sehen: es hat nicht den geringstenSinn, die Aufzählung fortzusetzen.

Ein Großverdienst

Frau Osterwald hat nicht nur aus dem Französischen, sondernauch aus dem Englischen übersetzt und auch da Belletristi-sches: Adam Langer etwa, »Crossing California« oder »Die Ge-schichte der Liebe« von Nicole Krauss. Aus dem Französi-schen nenne ich an Belletristischem nur Paul Gardenne undAlfred Jarry. Dann hat Grete Osterwald besonders (und dies istein Großverdienst) die so wichtigen ›neuen‹ französischen Hi-storiker übersetzt. An erster Stelle ist da sicher Fernand

Braudels großes und berühmtes Werk »Das Mittelmeer unddie mediterrane Welt Philipps II.« zu nennen, zwei Bände. DasWerk erschien schon 1949, Osterwalds Übersetzung kam abererst 1990, also über vierzig Jahre später. Und das ist ein nichtganz kleiner Skandal für die deutsche Geschichtswissen-schaft, die denn auch zunächst gegen diese Art von Ge-schichtsschreibung war. Dann Lucien Febvre, »Michelet unddie Renaissance«, wo Febvre uns zeigt, dass Renaissancenicht nur, wie wir von Burckhardt her glaubten, Italien ist, son-dern auch Frankreich. Lucien Febvre gründete mit Marc Bloch1929 die berühmten »Annalen der Wirtschafts- und Sozial-geschichte«. Von Febvre übersetzte Grete Osterwald zwei Bü-cher, und über das erste, »Michelet und die Renaissance«,hieß es in einer Rezension: »Jetzt liegt eine bestrickend lesba-re deutsche Übersetzung vor«. Grete Osterwald hat auch AlainCorbins wunderschönes Buch »Pesthauch und Blütenduft«,»Le miasme et la jonquille«, übersetzt. Es erschien französisch1982, und drei Jahre später, 1985, erschien »Das Parfum« –Patrick Süsskinds Welterfolg ist ohne Corbin nicht denkbar.Dann sieben Bücher des großen Georges Duby. Sie übersetztedie herrliche Biographie »Ludwig der Heilige« von Jacques LeGoff, auch einer der großen, dann auch dessen Buch »Die Ge-burt Europas im Mittelalter«. Aber Frau Osterwald hat auchsehr gewichtige und schwierige Sachbücher aus anderen Ge-bieten übersetzt. So von Simone de Beauvoir »Das andere Ge-schlecht«, französisch doch wohl besser: »Le deuxième sexe«.Grete Osterwald hat den zweiten Band des Opus magnumdieser bedeutenden und hoch gelehrten Schriftstellerin über-setzt. Aber dieses Buch ist nur ein Beispiel von insgesamt sie-ben, die, neben den sechzehn historischen Werken, auf der Li-ste der übersetzerischen Eroberungen von Grete Osterwaldstehen.

Zwei bescheidene Forderungen

Ich will bei dieser Gelegenheit zwei bescheidene Forderungenanfügen. Zum einen die Verpflichtung für Rezensenten, immerauch etwas zur Übersetzung zu sagen. Das ist keine Ein-schränkung der Freiheit der Rezensenten, natürlich nicht,denn sie dürfen ja zur Übersetzung sagen, was sie wollen. Siesollten nur nicht nichts darüber sagen dürfen! Genauso wiesie zu dem Werk, das sie rezensieren, nicht nichts sagen dür-fen – auch da endet ihre Freiheit! Die andere Forderung gehtan die Verlage. Früher wurden die Übersetzer nur auf derRückseite des Titelblatts genannt. Heute stehen die Namender Übersetzer meist innen auf dem Titelblatt. Meine Forde-rung ist, diese Namen auch auf den Einbandtitel und auf denUmschlag zu setzen.

Eva Moldenhauer und Grete Osterwald haben mit demReichtum der zwei oder drei großen Sprachen, die bei ihnenim Spiel sind, dem Deutschen, dem Französischen, auch demEnglischen, einen guten Kampf gekämpft. Und sie kämpfenihn weiter – »von Schwierigkeiten umgeben«, kämpfen ihn mitjener heiter beharrlichen, aber leicht irren »Versessenheit«,die zu diesem Geschäft gehört und freuen sich ähnlich irrüber jeden glücklichen Fund. Heute dürfen sie mit uns inne-halten, sich von uns, den bewundernd Dankenden, feiern las-sen, ehe es morgen oder übermorgen weitergeht mit ihremherrscherlich dienenden Ringen. Herzlich stimmt der trockenprofessorale Laudator mit ein in den Chor der Gratulanten: Jevous félicite donc, Mesdames, et je suis très heureux du grandhonneur que j’ai eu d’avoir pu contribuer, modestement parailleurs, à la belle cérémonie liée a ce grand prix de latraduction! Et je vous remercie, vous tous, Mesdames et Mes-sieurs, de votre patience qui a été, j’en suis parfaitementconscient, remarquable.

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Jan Philipp Reemtsma

LAUDATIO AUF JOHN E. WOODSanlässlich der Verleihung der Goethe-Medailleam 26. März 2008 in Weimar

Ich bin mit John Woods in – indirekten – Kontakt nach demTod Arno Schmidts gekommen. Alice Schmidt berichtete mirvon dem Projekt der Übersetzung von Abend mit Goldrandund von dem Umstand, dass Arno Schmidt mit dem gewähl-ten Titel »Evening Edged in Gold« unzufrieden sei, er gebe dieweiche Vokalisation des deutschen Titels nicht wieder. Erschlug – so war auf einem Notizzettel zu lesen – »EveningGold-Rimmed« vor. Den durch den damaligen für ArnoSchmidt zuständigen Lektor des Fischer-Verlages ErnstKrawehl übermittelten Einwand von John Woods, »EveningEdged in Gold« spreche sich weit weniger scharf als speziellAlice Schmidt meinte, die das »edged« aussprach, als sei derFluss aus der ersten Strophe des Deutschlandliedes gemeint,ließ sie nicht gelten – schließlich gab es den Titelvorschlag desAutors.

»Evening Edged in Gold« der richtige Titel

Ich habe mich dann – wenn auch mit ein wenig schlechtemGewissen, denn kompetent war ich in dieser Sache nun wirk-lich nicht – mit dem Thema befasst und Argumente zusam-mengetragen, die den Vorschlag Schmidts stützen konnten.Unter anderem hatte ich auf eine Übersetzung eines Gedichtsvon Edgar Allan Poe durch Arno Schmidt verwiesen, in dervon einem »Goldrandwesen« die Rede ist, und das Äquivalentdes Originals hatte das Wort »rim«. Später habe ich dann vonJohn Woods erfahren, dass das betreffende Wort einen dra-stisch obszönen Nebensinn hätte, der dem amerikanischenLeser sofort in den Sinn kommen und die eigentliche Titel-bedeutung überlagern werde. Ich habe mich belehren lassen.Allerdings habe ich, dieses niederschreibend, den »Partridge«konsultiert, in dem sich Schmidt, wie wir aus Zettel’s Traumwissen, ziemlich gut auskannte, und dort findet sich eine an-dere obszöne Nebenbedeutung, die Schmidt eventuell anvi-siert haben könnte. Allerdings hätte sie mit dem deutschen Ti-tel nichts zu tun gehabt. Also war die Titelwahl »EveningEdged in Gold« die richtige.

Kunststück vollbracht

John Woods hat Abend mit Goldrand nicht nur grandios über-setzt – was in der englischen und amerikanischen Literaturkri-tik auch sofort bemerkt worden ist –, sondern er hat auchnoch ein Kunststück vollbracht, das normalerweise nicht zumÜbersetzerhandwerk gehört. Abend mit Goldrand existiertedamals nur in der Form des gedruckten Typoskripts mit allendazugehörigen Eigenheiten wie Schwärzungen, Überschrei-bungen etc. Dies alles hat John Woods in seine Übersetzungintegriert, so dass der englischsprachige Leser nun tatsächlichetwas wie ein Original in der Hand hielt.

Das war nicht nur eine erstaunende Leistung – zumal, manglaubt es kaum, für einen Erstling –, es war auch ein Werk, fürdas ihm auch darum nicht genug zu danken ist, weil mit ihmSchmidt in den Blick der angelsächsischen literarischen Öf-fentlichkeit geriet, die sich vorher, weil es eben keine Überset-zungen gab, für diesen Autor nicht interessiert hatte. Das än-derte sich sozusagen von einem Tag auf den anderen undSchmidt wurde als das erkannt, was er war: der bedeutendstedeutsche Autor der zweiten Jahrhunderthälfte.

Am liebsten das gesamte erzählerische Werk

Und dann, eines Tages, erschien John Woods am Stand derArno Schmidt Stiftung auf der Frankfurter Buchmesse undsagte, er wolle gerne weiter Bücher von Arno Schmidt über-

PREIS DER LEIPZIGER BUCHMESSEIN DER KATEGORIE ÜBERSETZUNG13. MÄRZ 2008

Wolfgang Marzin

»Der Preis der Leipziger Buchmesse geht in der KategorieÜbersetzung an Fritz Vogelgsang für seine Übertragung undEdition von Joannot Martorells »Roman vom Weißen RitterTirant lo Blanc«.

Fritz Vogelgsang

»Es ist für mich eine große Ehre, unter solch feinen, hochkarä-tigen Kollegen erwählt zu sein. Ich bin glücklich. Vielen Dank!«

Laudatio Kristina Maidt-Zinke

Feuilleton-Autorin der Süddeutschen Zeitung

»Ausgezeichnet wird mit dem Preis Fritz Vogelgsangs jahr-zehntelanger Einsatz für ein Werk, das in der altkatalanischenSprache des Königreichs Valencia 1490 erschien und nun erst-mals vollständig dem deutschsprachigen Leser vorliegt. DasGroßepos, das auf 1.600 Seiten die abenteuerliche Reise desweißen Ritters und seinen Kampf für die Befreiung Konstanti-nopels schildert, bezeichnete Cervantes »als, aufgrund seinesStils, besten Roman der Welt«. Vogelgsang hat Martorells Alt-katalanisch in eine elegante und mustergültig moderne deut-sche Sprachform gebracht. In seinem Text kommt das Farbige,Unterhaltsame, Spannende dieses wohl ersten realistischenRomans perfekt zur Geltung.

Fritz Vogelgsangs Übersetzung und auch seine brillantenEssays, die die Ausgabe begleiten, lassen eine entschwunde-ne Epoche auferstehen und machen sie dem heutigen Leserauf höchst anregende Weise zugänglich, als eine Welt vollsprudelndem wundersam frisch erhaltenen Lebens.

Herzlichen Glückwunsch!«

Foto: Leipziger Messe

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setzen, aber sich nicht von Buch zu Buch und von Vertrag zuVertrag hangeln, sondern am liebsten wäre ihm, einen Auftragzu erhalten, das gesamte erzählerische Werk, oder wenig-stens den größten Teil davon, zu übersetzen. Meine Frage, obnicht der Zeitpunkt absehbar sei, an dem ihm diese Arbeitzum Überdruss geraten würde, beantwortete John Woods: Erkönne sich nichts Schöneres vorstellen, als morgens aufzuste-hen und Arno Schmidt zu übersetzen. So haben wir dann ei-nen Vertrag gemacht, und ich habe ihn nie bereut, und ichglaube, John Woods auch nicht, denn wir haben noch weitereVerträge gemacht: über eine Auswahl aus Schmidts Funk-dialogen und schließlich über Zettel’s Traum.

Die grandiose Übersetzung einer Passage aus einer Vers-erzählung Christoph Martin Wielands – Klelia und Sinibald –in Schmidts Funkdialog über Wieland hat mich dann auf dieIdee gebracht, ihn um eine Übersetzung des Gedichts DerVogelsang zu bitten. Die Übersetzung diente privaten Zwek-ken – ich erwähne sie, um mich noch einmal, und dies öffent-lich, dafür zu bedanken.

John Woods hat noch Werke anderer Autoren übertragen,darunter Thomas Mann, und ist nach seinem furiosen Startmit Abend mit Goldrand zu einem der führenden, vielleichtdem führenden Übersetzer deutscher Literatur ins Englischegeworden. Wir haben ihm viel zu danken. Ich freue mich mitihm für die Ehrung, die er mit der Verleihung der Goethe-Medaille erhält.

Und damals bin ich, wie viele meiner Kollegen, in die Über-setzerei gestolpert. Schon bei den ersten tolpatschigen Schrit-ten aber war es mir klar, dass ich von einer Schar von Men-schen, die mich als freischaffender Übersetzer mehr als drei-ßig Jahre begleitet haben, geradezu umwimmelt bin. Vereinsa-mung, von wegen. Und jetzt möchte ich diesen mir teurenMenschen danken.

Von Menschen umwimmelt

Die Namen der übersetzten Autoren werde ich hier nicht auf-listen. Die sind aber immer bei mir, und ohne sie wäre dieseEhre nie auf mich gekommen.

Aber die anderen, ja. Das wäre zuerst meine Deutschleh-rerin am Goethe-Institut, Dr. Ulrike Dorda, die dann meineFrau wurde. Auch eine ihrer Kolleginnen in Schwäbisch Hall,Else Sticken, die mir Arno Schmidts Aus dem Leben einesFauns in die Hand gedrückt hat, mit dem Hinweis, dass hierein Deutsch war, das ich bis dahin nie gelesen hatte. Und eineWelt tat sich mir auf.

Und dann kommen Namen von Menschen, die viele hierkennen und sicher auch schätzen. Helen Wolff, die das Un-mögliche möglich machte, und gegen jede verlegerische Ver-nunft Schmidts Evening Edged in Gold herausbrachte. CarolJaneway bei Alfred A. Knopf in New York, die mir die Gelegen-heit gab, Patrick Süskinds Parfum zu übersetzen, und seit-dem meinem Schaffen treu geblieben ist und mich auf dieMann’sche, wenn nicht sogar manische, Tour gesetzt hat.Dr. Jan Philipp Reemtsma, der das Projekt Arno Schmidt überJahre unterstützt hat. Er ist der Wind unter meinen zweispra-chigen Flügeln. Ja, und auch die Arno Schmidt Stiftung – einemir sehr liebe Gruppe von Menschen, die jede Vereinsamungunmöglich machen. Hier sei im besonderen Hans Wollschlägererwähnt, mit dem ich jedes Jahr ein paar Wochen in Bargfeldbeim intensivsten Ringen mit Texten verbrachte. Und, um denKreis zu schließen, noch andere, spätere Freunde beim Goe-the-Institut in Chicago, Manfred Heid und Rüdiger van denBoom, die so viel für die deutsche Literatur in englischer Über-setzung geleistet haben.

Die Sprache ist der menschlichste Zug, den wir unter unsals Menschen teilen. Sie bringt uns näher, eins zu eins, trotzunseres angeborenen trennenden Egoismus, und auch vonKultur zur Kultur, trotz eines Unterschieds von Welten, der im-mer wieder vor den Füßen des Übersetzers aufklafft. Zwei vondiesen Sprachen trage ich immer mit mir im Kopf herum. Zweiwunderschöne Sprachen, und Menschen, die sie sprechenund schreiben, haben diesen Tag ermöglicht. Es ist mir eineEhre, diese Menschen, auch die unerwähnten, bei mir stehenzu wissen und mich von Herzen bei ihnen zu bedanken.

John E. Woods

DANK

Die meisten Mitglieder meiner Zunft würden wohl mit mirübereinstimmen, dass es, unter anderem, zwei wichtige Merk-male unseres Treibens gibt: es ist vereinsamend, es ist un-möglich. Obwohl ich solche Autoren wie Thomas Mann undArno Schmidt übersetzt habe, möchte ich mich heute kurzfassen, und deshalb gehe ich jetzt überhaupt nicht auf die Un-möglichkeit des Übersetzens ein.

Zeitalter vor Xerox

Vereinsamend, ja sicher. Da sitzt man mit einem Text, mit zweisich bekämpfenden Sprachen im Kopf – hoppla, da ist wiederdie Sache mit der Unmöglichkeit – einem Bildschirm, einer Ta-statur, einer Reihe Lexika, und neuerdings dem lieben Google.Sie sehen es schon an meinen grauen Haaren, aber ich darfauch erwähnen, dass meine übersetzerische Vereinsamungzurück reicht bis zu anderen Zeiten, die der manuellenSchreibmaschine und des Kohlenpapiers. Ja, sogar bis zu demZeitalter v. X., vor Xerox.

Copyright: Goethe-InstitutFotos: Maik Schuch

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EUROPÄISCHER ÜBERSETZERPREISOFFENBURG 2008 FÜR ANNE WEBERRede und Laudatio auf den Förderpreisträger Holger Fockvon der Hauptpreisträgerin am 27. April 2008

Für einen, der schreibt, kann das Übersetzen eine Flucht sein:ein Ausweichen auf den leichteren Weg. Das leere Blatt hatschon ein anderer geschwärzt, und dieser Fleißige hat sichnicht mit einem Blatt begnügt, sondern Hunderte von Seitenvollgeschrieben.

Auf Knien entlanggekrochen

Das Übersetzen von Pierre Michons »Vies minuscules« warein leichterer, aber doch ein ziemlich ungangbarer Weg. Dafür,daß ich ihn trotzdem gegangen oder hochgeklettert oder aufKnien entlanggekrochen bin, bekomme ichheute einen Preis. Einen Preis, der die schö-ne Pflicht oder Aufgabe mit sich bringt, mei-nerseits einen Preiswürdigen zu bestim-men, auch einmal (wenn auch mit fremdemGeld) Wohltäterin, Mäzenin spielen, einenanderen auszeichnen zu dürfen. Bevor ichversuche, über den von mir Auserwählten,den Übersetzer Holger Fock, und den vonihm übersetzten Autor Antoine Volodine einpaar Worte zu sagen, möchte ich etwasnachholen, was mir, als ich im Novemberletzten Jahres von diesem Preis erfuhr, zu-nächst einmal schwerfiel: ich möchte michbedanken.

Zürnender Wohltäter

Selten hat wohl ein Preisträger auf eigen-artigere Weise von seinem Glück erfahren. Eines Abends imNovember ging über mich, die ich gewiß nicht unschuldig,aber völlig unvorbereitet war, eine Standpauke? nein, das trifftes nicht und wäre zu wenig gesagt, ein gewaltiges Gewitternieder. Wir hatten gegessen, getrunken und geredet. Das Ge-spräch war lebhaft gewesen, ich hatte so etwas wie eine»Meinung« vertreten, und natürlich hielt ich sie für richtig. Mitdieser Meinung oder vielleicht mit meiner Haltung schlechthinhatte ich im Laufe dieses Gesprächs Peter Handkes Unwillenauf mich gezogen. Das Gewitter verzog sich nicht so schnellwie es gekommen war. Als der Wetternde schließlich aufstandund ging, strich er mir noch schnell übers Haar und schob mir,schon im Weggehen, ein zusammengefaltetes Blatt Papier zu.Aus diesem Blatt Papier, das ich erst später auffaltete, ginghervor, daß ich den mit 15000 Euro dotierten EuropäischenÜbersetzerpreis bekommen sollte.

Einige Monate nach diesem kreislaufanregenden Wechsel-bad frage ich mich, ob es mir nicht gut getan hat, einmal or-dentlich den Kopf gewaschen zu bekommen. Hatte ich es ver-dient? Habe ich heute diesen Preis verdient? Die Antwortmüßte wahrscheinlich auf beide Fragen gleich ausfallen. Andiesem Tag der Freude scheint mir, als habe damals im No-vember ein Gott mit mir gezürnt. Ein ungerechter (aus mensch-licher Sicht ungerechter), strenger – und zugleich ein gütiger,wohlmeinender. Dem zürnenden Wohltäter gehört heute meinherzlicher Dank, für den Preis und für die Worte, die er soebenfür meine Übersetzerarbeit fand. Und mein Dank gilt auchden Spendern des Preisgeldes: der Stadt Offenburg und derHubert-Burda-Stifung.

Holger Fock hatte das Glück, ganz ohne vorherige Stand-pauke von seinem Preis zu erfahren. Holger Fock ist der Über-setzer, den ein besonderer, seltsamer, nicht unbedingt leichtzugänglicher Autor wie Volodine braucht, um die Grenzen deseigenen Landes oder der eigenen Sprachländer zu überschrei-ten. Im Grunde braucht er einen Holger Fock in verschiedenen

Ländern der Welt. Einen, der begeistert ist. Der von Anfang andabei ist und nie locker läßt. Der übersetzt (wenigstens im FallVolodine – in anderen Fällen mag diese Arbeit auch einmalzum größeren Teil ein Geldbeschaffen sein), der übersetzt alsoaus reinem Enthusiasmus, aus barer Bewunderung, aus demBedürfnis heraus, dieses Buch und dieses und noch dieses an-dere des Autors für seine Freunde, für die Leser im eigenenLand lesbar zu machen.

Holger Fock hat 1992 zum ersten Mal ein Buch von An-toine Volodine in die deutsche Sprache gebracht; »Alto solo«ist damals beim Rotbuch Verlag erschienen und längst nichtmehr erhältlich. Schon den zweiten von ihm übersetztenVolodine-Roman, »Lisbonne dernière marge«, hat der RotbuchVerlag nicht mehr publiziert, und Holger Fock blieb auf seinerfertigen Übersetzung sitzen – bis heute. Seit der Rotbuch Ver-lag damals wieder absprang, hat Holger Fock jahre-, ja, jahr-

zehntelang unermüdlich weiter nach einemVerlag für seinen geliebten, für den ihn be-geisternden Autor gesucht, er hat an dieverschiedensten Türen geklopft, hier- unddorthin geschrieben – ohne Erfolg, bis esuns dann 2004 mit gemeinsamen Kräftengelang, den Suhrkamp Verlag von der Ein-zigartigkeit dieses Schriftstellers zu über-zeugen.

Eine Art Planetensystem

Diese Hartnäckigkeit war und ist umsowichtiger, als das Werk Volodines ein durch-dachtes und durchlebtes Ganzes ist, eineArt Planetensystem, das in seinem Kopfschon lange vollständig und in Bewegungist. Wer nur ein einzelnes Buchgestirnkennt, erfaßt nicht unbedingt seine Lauf-

bahn, die Anziehungskräfte, denen es unterworfen ist. Der Le-ser, der nur einen einzelnen Volodine-Roman kennt, fühlt sichwomöglich erst einmal von der Fremdartigkeit dieser Prosaabgestoßen und ist ratlos. Erst allmählich wird diese imagi-nierte Gegend, dieses Volodine-Land in ihm lebendig, in demsüdostasiatische, tropisch-feuchte und von Fäulnisgeruchübersättigte Regionen verschmelzen mit der einstigen Sowjet-union und dem postkommunistischem Rußland, mit Lagernund Gulags aller Art, aber auch und vor allem mit dem Bardoaus dem tibetischen Totenbuch, also mit jenem Zwischen-zustand, der das Sterben von der Wiedergeburt trennt, jenemNiemands- oder Toten- (Noch-Toten-) Land, in dem Geist-Wesen umherirren und ihrer Befreiung harren. Aus all diesenElementen, aus Sibirien, Malaysien, Makao, Mongolei, aus Re-volution, Konterrevolution, Bardo und Schmanismus erschafftVolodine sein ureigenes Traum- oder vielmehr Alptraumreich,das ein Abbild, oder ein Zerrbild, jedenfalls ein Schreckensbilddarstellt unserer Lebenswirklichkeit.

Holger Fock hat sich in diese Nebenwelt hineingeträumt,hat diesem französisch erträumten und erzählten Land sozu-sagen eine deutschsprachige Provinz angegliedert. Jahrzehn-telang hat er sich mit den Volodineschen Fantasmagorien be-schäftigt, hat sie sich angeeignet. Er ist ein Volodine-Spezia-list, vielleicht gar der einzige Deutschlands geworden. Ichhabe hier nicht die Muße, um auf Einzelheiten in Holger FocksÜbersetzungen einzugehen, weshalb ich vielleicht den fal-schen Eindruck entstehen lasse, der Übersetzer sei eine ArtImpresario des Autors. Tatsächlich ist er das mitunter auch.Aber die längste Zeit ist er natürlich nicht mit der Verbreitungdes Autors in der Welt, sondern in der Stille mit seinen Sätzen,mit einer langen Abfolge von Sätzen beschäftigt. Von meinenwenigen Segelausflügen in der Bretagne ist mir in Erinnerung,daß es ein Segel gibt mit Namen Fock, im Französischen »lefoc«, im Deutschen »die Fock«. Durch seine aerodynamischeForm gelingt es ihm besonders gut, den Wind einzufangen.Holger Fock, scheint mir, trägt einen passenden Namen.

Peter Handke und Anne Weber

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Übersetzen 1/20086

VERANSTALTUNGEN

Miriam Mandelkow

LEKTOREN SIND NICHT AUF DER WELT,UM FEHLER ZU MACHENZur Seite gesprungen

Seminar für Literaturübersetzer und Lektoren29. November bis 2. Dezember 2007im Literarischen Colloquium Berlin

Leitung: Thomas Brovot (Übersetzer) undJürgen Dormagen (Lektor, Suhrkamp)

Weil Lektoren entgegen anders-lautenden Gerüchten am Anfangauch Anfänger sind, haben Tho-mas Brovot und Jürgen Dorma-gen zu ihrem jährlich stattfin-denden Seminar für Literatur-übersetzer im vergangenen Win-ter erstmals auch Lektoren ein-geladen. Ein Experiment, undzwar ein ziemlich geglücktes.Sechs Übersetzer, vier Verlags-lektoren und drei Außenlektorenwidmeten sich von Donnerstag-mittag bis Sonntagmittag dergemeinsamen Textarbeit auf derGrundlage vorab verteilter Über-setzungen und (anonymisierter)

Übersetzungsredaktionen. Ob Übersetzer und Lektoren dennnun unterschiedlich an literarische Texte herangehen, kannich seitdem noch weniger beantworten, aber das war viel-leicht gerade Sinn der ganzen Unternehmung: nicht die Unter-schiede herauszustellen, sondern das gemeinsame Interesseam Text.

Das gemeinsame Interesse am Text

Auch wenn Übersetzer und Lektoren am ersten Abend nochan getrennten Tischen aßen – purer, doch putziger Zufall –,war von Anfang an deutlich, daß hier eine Gruppe gemeinsamdiskutiert. Besonders die nicht eben seminarverwöhntenLektoren empfanden es als ungeheuren Luxus, sich im ge-schützten Raum ausführlich über Texte austauschen zu kön-nen (O-Ton beim inzwischen interdisziplinären Abendessen:»Das glaubt mir im Verlag kein Mensch, daß ich mich hier vierTage lang über Verben unterhalte«), aber auch den anwesen-den Übersetzern stellvertretend ihre Zwänge zu schildern undihre Frustrationen: über sogenannte mittelmäßige Überset-zungen, überzogene Abgabetermine und – man staune – Des-interesse und Gesprächsverweigerung. Auf der anderen Seitemöchte man als Übersetzerin nur bedingt bestätigt bekom-men, daß in vielen Verlagen eine reibungslose Abwicklungwichtiger ist als die Qualität der Übersetzung: rechtzeitig ab-geben und nicht mucken.

Je nach Redaktionsvorlage ging es bei der Textarbeit auchum die Optimierung von Arbeitsabläufen, den Umgang mitKonflikten, Unterschiede zwischen Verlagslektoren, die sichihre Übersetzer in der Regel selbst aussuchen und für die Titelrundum verantwortlich sind, und Außenlektoren, die häufigangeheuert werden, um gegen Geringsthonorar Katastrophenauszubügeln, wobei sich hier wiederholt die Frage stellte:Wann schicke ich ein Manuskript als unredigierbar zurück? Er-ziehe ich damit den Verlag, bessere Übersetzer zu beauftra-gen? Hochinteressant die unterschiedlichen Herangehens-weisen der Lektoren: Es gab durchredigierte Manuskripte mitund ohne Kommentar, Unterkringelungen, Rückfragen, zaghaf-te und beherzte Eingriffe, bloße Vorschläge und entschiedene

Korrekturen. Einig waren wir uns darüber, daß dies nur der er-ste Schritt im Redaktionsablauf sein kann, eine Besprechungmuß folgen (die in vielen Verlagshäusern nicht praktiziert wird,das ist bekannt – und wie absurd das ist, haben nicht zuletztdie lebhaften Diskussionen im Seminar gezeigt). Außerdem istjede Redaktionsbesprechung zugleich eine Art Fortbildung,und zwar für beide Seiten.

Redaktionsbesprechung als Fortbildung für beide Seiten

Da kein Lektorenalltag so viel Feinarbeit zuläßt wie ein Semi-nar, greift der Lektor im richtigen Leben nur dort ein, wo erstolpert (auch dies natürlich eine unzulässige Verallgemeine-rung). »Stolpern« ist ein beliebtes … Argument?, das in Dis-kussionen über Texte gern ins Feld geführt wird; in diesem Se-minar ging es, vor allem bei der Arbeit an den eingereichtenÜbersetzungen, in erster Linie darum, dem Text die je eigenenNuancen des Tons, der Erzählhaltung und Stilfärbung abzulau-schen, denn der Text, wie Jürgen Dormagen nicht müde wur-de zu betonen, erzählt uns, was er braucht. Bevor man sichdas angehört hat, kann man auch nicht stolpern. Zwar ging esin den Diskussionen eher darum, Stolpersteine zu erkennen,als sie an Ort und Stelle aus dem Weg zu räumen, aber es gabauch ganz erstaunliche Lösungen, Ideen und Erkenntnisse.Thomas Brovot führte uns immer wieder vor, daß die Spielräu-me im Deutschen oft größer sind, als man meint – wenn wirdie Fragen anders stellen (nicht, ob das Deutsche den Tempus-wechsel verkraftet, sondern welche Syntax, welche Partikelusw. das Deutsche für diesen Tempuswechsel braucht), wäh-rend Jürgen Dormagen in nur scheinbarem Widerspruch dazumahnte, daß die Spielräume oft enger sind, als viele meinen –wenn wir den Text ernstnehmen (und ihn nicht etwa eine Stil-ebene »hochfahren« oder »runterfahren«; man kann nur »et-was tun, was der Text tut«), wenn wir, mit anderen Worten,den Text verstehen.

Zusammengefaßt soll das alles heißen: viel Stoff, kurzePausen, rauchende Köpfe, jede Menge Anregung nebst unver-meidlicher Verunsicherung bei gutem Essen und bester Be-treuung (dank Jürgen Jakob Becker) an einem kalten, verreg-neten Wannsee. Oder noch knapper: dringend empfohlen!

Jürgen Dormagen

Ralf Pannowitsch

DAS PERFEKTE WORT VON ALLEN SEITENEINKREISENNachwuchsübersetzer aus Deutschland, Polen undTschechien trafen sich in Leipzig 28. März bis 3. April 2008

Die gläserne Außenhaut des Seminarraums lädt dazu ein, dieBlicke über die Säulen, Simse und Statuen der Leipziger Uni-versitätsbibliothek schweifen zu lassen. Vielleicht wird man indem gründerzeitlichen Bücherpalast bald die Früchte der Ar-beit jener jungen Übersetzer finden, die sich heute in die Fein-heiten der fremdsprachigen Erzähltexte und die Abgründe dereigenen Sprache versenken. 24 Nachwuchsübersetzer ausDeutschland, Polen und Tschechien haben sich im Vorfrühlingzu einer – von der Robert-Bosch-Stiftung großzügig unter-stützten – Werkstatt versammelt. Unter Anleitung der gestan-denen Übersetzer Radovan Charvát, Jakub Ekier, KristinaKallert und Hans-Christian Trepte ringen sie in Ateliers ge-meinsam um die perfekte Entsprechung für einen raren Be-griff oder die annähernd adäquate Nachbildung eines Satz-ungeheuers. Ein einziges Wort läßt augenblicklich feineAssoziationsdrähte in alle Richtungen erzittern, das stilisti-sche Feingefühl wird geschult, die Demut des kreativenDienstleisters am Text, manchmal vielleicht auch die Fähigkeitzum halb resignierten Verzicht. Doch auch über die Ateliershinaus hat die Werkstattwoche den Teilnehmern einiges zubieten:

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Bei Stadtführungen können sie sich nicht nur über den er-neuerten Glanz, die verborgenen Kuriositäten und die Dauer-baustellen des Leipziger Stadtzentrums wundern, sondernauch wenig bekannte polnische Erinnerungsorte besichtigen.Auf einer öffentlichen Abendveranstaltung im Haus des Bu-ches erleben sie die tschechische Lyrikerin Viola Fischerováund die polnische Erzählerin Anna Bolecka.

Leidenschaftliche Arbeit am kulturellen Austausch

Schließlich gibt es auch ein Seminar zur Berufskunde, in demman jäh in die materiellen Niederungen des Übersetzeralltagsgezogen wird: Wie kommt man zu Aufträgen? Wo liegt dasmarktübliche Honorar für eine Normseite? Ist es vernünftig,sich auf die ungewisse Laufbahn eines freiberuflichen Litera-turübersetzers einzulassen? Und muß man eigentlich alle Ein-griffe des Lektors schlucken? Hier sprengen die zahlreichenFragen der jungen Übersetzer schnell den Zeitrahmen.

Am Ende der Werkstattwoche ist manchem Teilnehmerleichte Erschöpfung anzumerken, aber vom Enthusiasmus beider aneignenden Verwandlung der Literatur des Nachbarn istnichts abgebröckelt. Man konstatiert mit Erleichterung, wiefernab aller politischen Aufgeregtheiten eine konstruktive undleidenschaftliche Arbeit am kulturellen Austausch zwischenPolen, Tschechen und Deutschen möglich ist. Es wäre großar-tig, wenn auf den Fundamenten, die hier geschaffen wurden,weitere gemeinsame Projekte entstehen könnten. Und viel-leicht sollte man gleich noch ein Seminar für deutsche Ver-lagslektoren dranhängen, auf dem über die ungehobenenSchätze der polnischen und tschechischen Gegenwartslitera-tur informiert und zu mehr Wagemut bei der Programmgestal-tung ermuntert wird?

Susanne Höbel

ÜBERSETZER PACKEN AUS2. April 2008 in Hamburg

So kann es gehen: Einer hat eine gute Idee, die anderen hel-fen, sie auszuarbeiten und umzusetzen, und unversehens istder Zeitpunkt gekommen, wo man auf zehn Jahre Veranstal-tungsgeschichte zurückblickt. Die Hamburger Reihe »Überset-zer packen aus« – inzwischen in mehreren deutschen Städtenkopiert, imitiert, reproduziert – gibt es tatsächlich schon seitzehn Jahren. Sie bietet Übersetzern die Möglichkeit, sich undihre übersetzten Werke einem nicht-literarischen Publikumvorzustellen und über ihre Arbeit zu berichten.

Zehn Jahre Veranstaltungsgeschichte

War der Veranstaltungsort in den ersten acht Jahren dasLiteraturhaus Hamburg, so haben wir in den letzten beidenJahren neue Orte gesucht und gefunden. »Übersetzer schwär-men aus« wurde es auch schon genannt. Die meisten Buch-handlungen sind, so haben wir festgestellt, gern bereit, denÜbersetzern ihren Raum für das Auspacken zur Verfügung zustellen. Die Buchhandlung Christiansen in Ottensen, einemStadtteil von Hamburg, war am 2. April zum zweiten Mal Gast-geber der Veranstaltung, bei der zwei Übersetzerinnen, IsabelBogdan und Miriam Mandelkow, geführt von Annette Kopetzkials Moderatorin, neue Bücher vorstellten.

Immer wird versucht – woran Birgit Schmitz, seit zwei Jah-ren mit der Organisation und Vorbereitung der Veranstaltun-gen betraut, großen Anteil hat – ein übergreifendes Thema fürden Abend zu finden. Diesmal sprachen die Übersetzerinnenunter dem überaus anschaulichen Titel »Im Anfang war Tohu-wabohu« über zwei Romane von jungen britischen Autorinnen,beides Jüdinnen, in denen das Judentum, Gott und die Schrift,sowie das Leben in der jüdischen Gemeinschaft behandeltwird. Nachdem Miriam in einer kurzen literaturgeschichtlichenEinführung erläutert hatte, dass zwar die amerikanische Lite-ratur mit Autoren wie Philip Roth, Saul Bellow und vielen an-deren stark von jüdischer Thematik geprägt ist, das Themaaber in der englischen Literatur bisher weitgehend unbeach-tet war, so dass diese beiden Bücher etwas Besonderes dar-stellten, folgte das Publikum – übrigens in der Überzahl »nor-male« Leser und keine Kollegen – mit großer Aufmerksamkeitden Ausführungen und Lesungen der beiden Übersetzerinnen.

Das Judentum bei jungen britischen Autorinnen

In dem Roman von Naomi Alderman (Ungehorsam, übersetztvon Miriam Mandelkow und Christiane Buchner) wird die jü-disch-orthodoxe Welt von Hendon, einem Stadtteil Londons,durch die Rückkehr einer »Abtrünnigen« erschüttert. Das Auf-einanderprallen gegensätzlicher Welten – durch zwei Erzähl-stimmen im Original sinnlich erfahrbar und im Deutschendurch die Zuordnung dieser Stimmen zu zwei Übersetzerinnennachvollziehbar – führt dazu, dass starre Regeln hinterfragtund Überlieferungen neu gedeutet werden.

In Tamar Yellins Roman (Das Vermächtnis des ShalomShepher, übersetzt von Isabel Bogdan) nimmt die Protagonistin– auch sie eine Rückkehrerin nach zwanzigjähriger Abwesen-heit – den Fund einer wertvollen Bibelhandschrift zum Anlass,sich mit der Geschichte ihrer Familie bis zurück ins 19. Jahr-hundert, mit der ihres Volkes und ihrer Kultur zu beschäftigen.

Einblicke in unsere Arbeit

Annette Kopetzki, erprobte und bewährte Moderatorin, hatteden roten Faden in der Hand, an dem sie das Gespräch ent-rollte, während Miriam Mandelkow und Isabel Bogdan sichwechselseitig mit tänzerischer Gewandtheit in ihrem Vortragablösten. Längere Textpassagen vermittelten lebhafte Eindrücke

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von Stil und Thema der Bücher, und durch die Erläuterungenzu den Texten und zu der Arbeit der Übersetzerinnen – wiesprechen sich zwei Übersetzerinnen ab, die am selben Bucharbeiten, wer gibt Antworten auf Recherchefragen, wie findetman eine angemessene Sprachebene? – erhielt das PublikumEinblicke in unsere Arbeit, wie nur wir selbst sie geben kön-nen.

Auch diesmal war so viel zu erzählen, dass am Schlusswenig Zeit für Fragen blieb, aber als Annette nach fast zweiStunden das Schlusswort sprach, bezeigte das Publikum, dasbis zuletzt interessiert zugehört hatte, in lebhaftem Applausseine Dankbarkeit für den vollen, runden Abend.

Martina Tichy

ÜBERSETZER UND IHRE MÖRDERTatort: Literaturhaus MünchenTatzeit: 10. April 2008, zwischen 20 und 22 Uhr

Die »fast schon Kult gewordenen ›-isch-Veranstaltungen‹(O-Ton Regina Rawlinson, MÜF-Vorsitzende) des MünchnerÜbersetzerforums sind nicht etwa Zusammenkünfte exilierterRheinländer auf dem Ego-Trip, sondern bunte Leseabende un-ter wechselnden Vorzeichen. Es begann 2003 mit »Tierischliterarisch«, etwa im Jahresabstand gefolgt von »Narrisch/Erotisch/Kulinarisch literarisch«. In diesem Jahr stellten nun,unter dem Motto »Mörderisch literarisch«, acht MünchnerÜbersetzerinnen und Übersetzer ihre interessantesten,bizarrsten und verrücktesten Morde vor.

»kult-isch«

Die Genres waren so vielfältig wie die Methoden, ungeliebteZeitgenossen ein für allemal aus dem Weg zu räumen: Vomklassischen amerikanischen Whodunnit über schräge Kurzge-schichte, Schauerroman, Neuübersetzung eines D.H.Lawrence-Klassikers, Psychothriller, einem Nuttenmord aus der Sichtvon acht Frauen, bis hin zu einem Nicht-Maigret-Simenon warnahezu alles geboten. Dazu Fragen über Fragen: Warum ist dietote Journalistin noch mit einer Strumpfhose ans Bett gefes-selt, die Würgschnur um ihren Hals jedoch verschwunden?Wer pfählte und enthauptete den Vampir beim Liebesakt?Wird Gerald tatsächlich im Schnee ermordet? Mussten diebeiden mit durchschnittener Kehle aufgefundenen kleinenMädchen bestimmt nicht leiden? Was hat die Karnickeldamemit der Nutte zu tun, die stranguliert im Graben liegt? Wieschafft es Madame ***, ihren nach einem epileptischen Anfallbewusstlosen Schwiegersohn aus dem Fenster des Kornspei-chers zu stürzen? Was bewog das ungleiche lesbische Pär-chen, die Köpfe zweier peruanischer Seeleute säuberlich aus-zuhöhlen? Und wer steckt hinter dem Kissenmord, der buch-stäblich um ein Haar unentdeckt bleibt?

Vor zahlreichem Publikum, in dem auch etliche nicht zurZunft Gehörige auszumachen waren, lasen Susanne Äckerle(Cynthia Harrod-Eagles), Rudolf Hermstein (Barry Gifford), Mar-garete Längsfeld (Jacquelin Mitchard), Heinz Tophinke (Shan-non Drake), Petra Susanne Räbel (D. H. Lawrence), MartinaTichy (Adrian Mathews), Luis Ruby (Carlo Fruttero) und JosefWiniger (George Simenon). Für die musikalischen Einlagen,sehr stimmungsvolle Tangos und Milongas, sorgte als Sängerund Gitarrist Peter Buttner (Gatte einer Münchner Kollegin),und für zwerchfellerschütternde Unterhaltung der ModeratorThomas Merk, ein bekennender Anhänger der Maschinenlyrik.

»computer-isch«

Er demonstrierte an verschiedenen Fallbeispielen, was ge-schieht, wenn man den Text des »Kriminaltango« mithilfe ei-

nes Computerübersetzungsprogramms beispielsweise zu-nächst ins Englische, von dort ins Italienische und auf demgleichen Weg zurück wieder ins Deutsche übersetzen lässt.Aus den Zeilen »Kriminal-Tango in der Taverne / Dunkle Ge-stalten, rote Laterne / Abend für Abend lodert die Lunte /sprühende Spannung liegt in der Luft« wird hierbei: »KriminalTango im Gasthaus. Scurisca die Abbildungen, rote Spinne. DerAbend für den Abend brennt die Sprühspannkraft mit demLunte wird aufgestellt in einer Luft.« Und die »Kripo« verwan-delt sich nach Transkription ins Russische und zurück in einen»verbrecherischen Forschungsdienst«.

Fazit: Mutmaßlich werden wir auch weiterhin unsere Über-setzungen selbst verbrechen müssen.

Margarete Längsfeld

Thomas Merk

Josef Winiger

Susanne Äckerle

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Antje te-Brake

»ROTES KORNFELD«ÜBERSETZER-PITCH IN FRANKFURT

China wird 2009 Ehrengast der Frankfurter Buchmesse sein,die in Vorbereitung auf diesen Auftritt am 29. April 2008 einenÜbersetzer-Pitch im Haus des Börsenvereins des DeutschenBuchhandels veranstaltete. Elf Übersetzer aus dem Chinesi-schen stellten in Form von Kurzpräsentationen insgesamt 18Titel vor, die sie für eine Veröffentlichung hierzulande drin-gend empfehlen. Ebenfalls elf Lektoren teils namhafterdeutschsprachiger Verlage wie S. Fischer und Suhrkamp nah-men an der ganztägigen Fachveranstaltung teil, um einen Ein-blick in den chinesischen Markt zu bekommen.

Hintergrund der Veranstaltung war die Tatsache, dass derLizenzhandel zwischen Deutschland und China bisher ehereinseitig verläuft: Während China zu den zehn wichtigsten Ab-nehmern deutscher Lizenzen gehört, ist die Zahl der aus demChinesischen ins Deutsche übersetzten Titel auffallend gering.Dieses Ungleichgewicht ist zum Großteil auf die schwierigeSituation beim Einkauf chinesischer Titel zurückzuführen: Diewenigsten deutschen Lektoren verstehen Chinesisch und ha-ben damit Zugang zur chinesischen Literatur. Sie sind also aufVermittler angewiesen, und wer könnte hier besser vermittelnals die Übersetzer, die ja im Allgemeinen ausgewiesene Ken-ner (nicht nur) der jeweiligen Sprache und Literatur sind.

Auf Vermittler angewiesen

Die Bandbreite der vorgestellten Bücher reichte von Gedich-ten aus der Tang-Dynastie bis zu moderner Popliteratur, voneinem Roman des bedeutenden Schriftstellers Mo Yan bis zueiner Fantasy-Trilogie des in Düsseldorf lebenden Gao Yi, vonder bisher nur der zweite und dritte Band auf Chinesisch er-schienen sind. Für den ersten Band fand der Autor bishernoch keinen Verlag – womöglich, weil der Roman in Tibetspiele und Sexszenen enthielte, so die Übersetzerin KarinHasselblatt.

Allen Präsentationen war anzumerken, dass die Bücherden Übersetzern wirklich am Herzen liegen. Trotzdem warensie nicht nur ein Appell für das jeweilige Buch, sondern auchreich an interessanten Hintergrundinformationen. So erfuhrendie deutschen Lektoren beispielsweise, dass der chinesischeBuchmarkt ganz anders funktioniert als der deutsche unddass die Veröffentlichung von Werken im Internet keineswegsals Konkurrenz zum gedruckten Buch empfunden wird: Man-che Titel werden gerade deshalb gedruckt, weil sie zuvor imInternet besonders viele ›Klicks‹ zu verzeichnen hatten.

Der Pitch kam sowohl bei den Übersetzern als auch beiden Lektoren gut an. Die vielen Nachfragen im Anschluss zeig-ten das starke Interesse und den großen Informationsbedarfauf Seiten der Verlage; einige Teilnehmer äußerten sogar kon-kret Interesse an Titeln für den Lizenzeinkauf.

ÜBERSETZEN: Herr Kautz, Sie organisieren zusammen mitProfessor Yalin Feng von der FremdsprachenhochschuleSichuan in Chongqing in der Zeit vom 7. bis 14. Juli 2008 imKünstlerhaus Edenkoben eine von der Robert-Bosch-Stiftunggeförderte deutsch-chinesische Übersetzerwerkstatt. Wie kamdas Projekt zustande? Was ist Frau Fengs und Ihr eigener Hin-tergrund, Ihrer beider Rolle bei der Organisation?

ULRICH KAUTZ: Frau Feng ist von Haus aus Germanistin, ar-beitet zur Zeit als Dekanin der Deutsch-Abteilung ihrer Univer-sität und beschäftigt sich seit langem mit Übersetzen undÜbersetzungsunterricht, übersetzt auch selbst sehr erfolg-reich deutsche Belletristik ins Chinesische, u. a. Werke vonGünter Grass. Frau Feng wird als Ko-Seminarleiterin speziellfür die Textarbeit mit den chinesischen TeilnehmerInnen desSeminars zuständig sein und darüber hinaus zur Stellung derdeutschen Literatur in China sowie zu aktuellen Tendenzen inder chinesischen Literaturszene referieren. Weiter obliegt ihrauch die Auswahl der letztlich zum Seminar einzuladendenchinesischen KandidatInnen (es sind 37, und eigentlich kämenweit mehr als die letztendlich maximal acht möglichen Perso-nen für den Workshop in Frage).

Was mich selbst betrifft, so bin ich Diplom-Übersetzer und-Dolmetscher für Chinesisch und Englisch und habe mich wäh-rend meiner Berufsjahre – teils praktisch als Übersetzer undDolmetscher, teils lehrend und forschend als Universitäts-lehrer – mein Leben lang auch aktiv mit literarischer Überset-zung aus dem Chinesischen beschäftigt. Für die Leitung einersolchen Veranstaltung bin ich m. E. vor allem deshalb ausge-wählt worden, weil ich nicht nur aktiv übersetze, sondernmich auch mit der wissenschaftlichen Erforschung und Lehredes Übersetzens befasse (u. a. habe ich ein sehr umfangrei-ches »Handbuch Didaktik des Übersetzens und Dolmet-schens« verfasst).

ÜBERSETZEN: Hat es solch einen deutsch-chinesischen Aus-tausch schon einmal gegeben?

ULRICH KAUTZ: Ich habe eine ähnliche Veranstaltung 2005schon einmal im Literaturhaus München geleitet. Sie wurdedamals von Litrix und dem Literaturhaus München gemeinsamveranstaltet und wurde allgemein als höchst erfolgreich ein-geschätzt. Auch dort waren sechs deutsche und sechs chine-sische TeilnehmerInnen eine Woche lang zusammen.

ÜBERSETZEN: Auf deutscher Seite werden Sie ja von der Ro-bert-Bosch-Stiftung unterstützt. Welche Institution steht aufchinesischer Seite dahinter?

ULRICH KAUTZ: Von chinesischer Seite steht keine Institutionhinter derartigen Veranstaltungen – bisher jedenfalls. Die Teil-nehmerInnen aus China bewerben sich sozusagen als Privat-leute.

DEUTSCH-CHINESISCHEÜBERSETZERWERKSTATT

Interview mit Ulrich Kautz

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ÜBERSETZEN: Was ist in der Werkstatt geplant?

ULRICH KAUTZ: Auf dem Programm steht neben der Beschäfti-gung mit dem deutschen und chinesischen Buch- und Litera-turmarkt vor allem die konkrete Arbeit an Texten im Vorder-grund, weil dadurch die »handwerklichen« Fähigkeiten undFertigkeiten der TeilnehmerInnen am sinnvollsten weiterent-wickelt werden können. Es geht also um konkrete Über-setzungsprobleme und die entsprechenden Verfahren zu ihrerLösung. Darüber hinaus werden berufspraktische Fragen(Auftragsakquirierung, Honorare, Kontakte mit Verlagen undAgenten, Weiterbildungsmöglichkeiten usw.) sowie berufs-ethische Fragen einen breiten Raum einnehmen. Hierzu ge-hört auch die Prüfung von Möglichkeiten für das Teamworkvon Chinesen und Deutschen – die »gemischte« Besetzungdes Workshops bietet ja ideale Voraussetzungen dafür.

ÜBERSETZEN: Wird Ihr Treffen von den aktuellen Ereignissen inChina in irgendeiner Weise überschattet?

ULRICH KAUTZ: Man kann sicher nicht sagen, dass auf die ge-plante Werkstatt zum Übersetzen chinesischer Belletristikdurch die aktuellen Ereignisse, etwa die Auseinandersetzungmit Tibet, ein »Schatten geworfen« wird. Es wäre allenfallsdenkbar, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Literatur ausChina dadurch in der einen oder anderen Weise beeinflusstwird, so wie wir es ja nach den Ereignissen des 4. Juni 1989auf dem Platz des Himmlischen Friedens erlebt haben. Da-mals ging das Interesse der Verlage und der Leser in Deutsch-land an Literatur aus China bekanntlich schlagartig zurück.

Frau Prof. Feng, die ja in Chongqing – ganz in der Nähe desEpizentrums des verheerenden Erdbebens in China – lebt undarbeitet, hat mir in der Antwort auf meine besorgte Mail ansie nur ganz kurz mitgeteilt, ihr selbst und ihrer Universität seinichts Schlimmes passiert. Sie würde sich melden, sobald siewieder etwas zur Ruhe gekommen sei. Natürlich bin ich, sindwir alle, mit unseren Gedanken heute mehr denn je bei unse-ren Freunden in der betroffenen Region.

ÜBERSETZEN: Woher kommen die Teilnehmer aus China imEinzelnen?

ULRICH KAUTZ: Die Teilnehmer aus China kommen von ver-schiedenen Universitäten, wo sie meist als ProfessorInnen ar-beiten, doch sind auch eine Taiwanerin und ein volksrepubli-kanischer Bewerber dabei, die mehr oder minder freiberuflichals Übersetzer arbeiten.

ÜBERSETZEN: Wie wird und wie arbeitet man in China alsÜbersetzer?

ULRICH KAUTZ: Alle BewerberInnen haben ein Germanistik-studium in ihrem Heimatland absolviert und mehr oder min-der lange auch in Deutschland gelebt (Studium, Weiterbildungusw.). Das Übersetzen spielte und spielt für alle eine großeRolle, doch davon leben können die wenigsten.

ÜBERSETZEN: Welche Erfahrungen haben die deutschen Chi-nesisch-Übersetzer der Werkstatt mit der chinesischen Kulturgemacht?

ULRICH KAUTZ: Das ist jetzt noch nicht so ganz eindeutig zubeantworten, weil das Seminar ja noch aussteht, ich dieTeilnehmerInnen also noch nicht so gut kenne. Aus den Be-werbungsunterlagen geht aber hervor, dass alle ein abge-schlossenes Sinologie- oder Übersetzerstudium mit Chine-sisch als Hauptsprache hinter sich haben und in der Regelauch einen mehr oder minder langen China-Aufenthalt.

ÜBERSETZEN: Wie schätzen die Teilnehmer die derzeitige

Wahrnehmung Chinas durch die deutschen Medien ein? Waserhoffen sich die Teilnehmer der Werkstatt vom bevorstehen-den Buchmessenschwerpunkt Chinas?

ULRICH KAUTZ: Das hoffe ich Ihnen nach Abschluss des Work-shops berichten zu können.

ÜBERSETZEN: Was ist das Ziel der Bosch-Stiftung hinsichtlichdieses Austauschs?

ULRICH KAUTZ: Die Bosch-Stiftung verspricht sich von diesemWorkshop, dass er einen weiteren Schritt auf dem Weg zu ei-nem engmaschigen deutsch-chinesischen Kultur-Network dar-stellen wird, das dem wachsenden Interesse der deutschenÖffentlichkeit an China sowie an seiner Kultur entsprechensoll. Ganz speziell soll das Seminar dazu dienen, die Qualitätder Übersetzungen aus dem Chinesischen und ins Chinesi-sche zu verbessern (sie lässt derzeit oft noch zu wünschenübrig!) und die Orientierung der in diesem Bereich Tätigenüber aktuelle Tendenzen und Entwicklungen, Namen undWerke zu verbessern.

ÜBERSETZEN: Dafür wünschen wir Ihnen, Frau Professor Fengund den Seminarteilnehmern gutes Gelingen und freuen unsauf Ihren anschließenden Bericht.

Die Fragen stellte Sabine Baumann.

100 JAHRE ROWOHLT VERLAG

Helmut Frielinghaus

HEINRICH-MARIA LEDIG-ROWOHLT UND SEINEÜBERSETZUNGSABTEILUNG

Ledig, der selbst in jungen Jahren amerikanische Romaneübersetzte und im Alter Updikes Gedichte und Harold PintersTheaterstücke ins Deutsche übertrug, hatte als Verleger eigenseine sogenannte Übersetzungsabteilung bei Rowohlt einge-richtet, die für die Vergabe der Übersetzungsaufträge zustän-dig war und dafür zu sorgen hatte, dass die Übersetzungensorgfältig redigiert und notfalls gründlich bearbeitet wurden.Er selbst stellte den Leiter der Abteilung ein. Das war drei Jah-re lang Hanns Grössel gewesen, mit dem er die Vorliebe fürschlesische Grüne Klöße teilte, dann, kommissarisch, BeateKusenberg, die Frau des Schriftstellers Kurt Kusenberg, dann,ab 1967, ich. Seit 1981 leitet Thomas Überhoff die inzwischenerweiterte Abteilung, das heutige belletristische Lektorat.

Arbeit »an der Front«

In fast jedem Programm gab es Bücher, auf deren Überset-zung Ledig selbst Einfluss nehmen wollte. In solchen Fällenzog er sich mit einem »Team« – dem Leiter der Übersetzungs-abteilung und dessen Assistentin, dem Übersetzer, wenn derdabei sein sollte, oder einem weiteren Lektor und seiner Frau,Jane – für drei, vier Tage, manchmal auch für eine ganze Wo-che in einen entlegenen Gasthof in Schleswig-Holstein oder inder Lüneburger Heide zurück, zur Arbeit »an der Front«, wie erden Geschäftsführern versicherte, wenn die über seine langenAbwesenheiten oder über die, wie sie fanden, überflüssigeGeldausgabe stöhnten.

Die Teamarbeit ging so vonstatten: die Assistentin, langeJahre Liselotte Hohlwein, verlas langsam, mit wohlklingenderStimme bei starkem hessischen Akzent, Satz für Satz den vomÜbersetzer abgelieferten Text. Alle anderen Anwesendenstarrten ins Original und meldeten sich, wenn sie einen Über-

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setzungsfehler entdeckten oder eine Änderung, eine stilisti-sche oder syntaktische Verbesserung vorschlagen wollten. Wasrelativ häufig geschah. Lady Jane, wie wir unter uns LedigsFrau nannten, stickte dabei, die Finger mit langen Fingernä-geln bewehrt, an einem Teppich, unterbrach aber ihre Arbeit,wenn sie, die Engländerin, merkte, dass wir alle auf dem Holz-weg waren. Es war immer derselbe Teppich, all die 15 Jahre,die ich an diesen Treffen teilgenommen habe. Tatsächlich aberhabe ich den fertigen Teppich, in den, unsichtbar, Sätze vonHenry Miller und Hubert Selby, John Updike und James Dickey,Emmanuelle Arsan und Eric Malpass eingestickt waren, einesTages mit eigenen Augen im Salon in Lavigny liegen sehen.

Respekt vor dem Werk der Autoren

Es waren drei Sorten von Büchern, deren Übersetzungen Le-dig sehen und notfalls mit uns bearbeiten wollte: Umsatz ver-sprechende Unterhaltungsromane, die im Verlag farm booksgenannt wurden, dann Bücher, in denen es auch oder haupt-sächlich um Sex ging, und literarische Bücher, die er beson-ders liebte. In den Übersetzungen der farm books sollte es,wie er fand, nicht eine Stolperstelle geben. Bei Büchern mitviel Sex wollte er, dass alles in einer eleganten Sprache pas-sierte. Die Übersetzungen literarischer Bücher sollten sprach-lich so lange gefeilt werden, bis sie dem anspruchsvollen Ori-ginal gerecht wurden. Kategorie zwei und drei überschnittensich zuweilen. Er war ein Verleger, der Respekt vor dem Werkder Autoren und vor Lesern, den Buchkäufern, hatte.

Ledig, der bei solchen Ausflügen die Verlagsgeschäfte voneiner Minute zur andern vergessen konnte, war bei den stun-denlangen Arbeitssitzungen entspannt und gut gelaunt. DieProzedur war zwar anstrengend, in der Regel aber ergiebig.Und das Redigieren ging so natürlich schneller, als wenn einersich allein mit einer schwierigen oder missglückten Überset-zung herumplagen musste. Lady Jane bestand darauf, dassnach dem Abendessen noch ein, zwei Stunden weitergearbei-tet wurde. Wenn Ledig, was vorkam, ein Buch nicht leidenkonnte, dann war er imstande, sich in wüsten Flüchen zu er-gehen, und in einem Fall spuckte er nach poetisch überzoge-nen Passagen, die er verabscheute, auf den Schutzumschlagdes Buches – auf das Abbild des armen Autors. Wenn wir aufeinen besonders vertrackt verschachtelten Satz stießen, dereinfach nur mit Geduld aufgedröselt werden musste, sagte Le-dig in süffisantem Ton: »So, das überlassen wir jetzt mal demlieben Frieli und machen uns eine kleine Pause.« Manchmalbestand er auf Kürzungen. Aus der Übersetzung eines derletzten Bücher von Eric Malpass warf er mit einem lustvollen»Weg!« so viele Absätze raus, dass wir hinterher Teile wiederreinflicken mussten, weil der Erzählung plötzlich das Fleischfehlte.

Stiftung eines Übersetzerpreises

Manchen Übersetzern machte es Spaß, dabei zu sein. HansWollschläger kam zur Durchsicht seiner Übersetzung von Ro-bert Govers Trip mit Kitten und unterhielt uns in Pausen mitKarl May und gruseligen Drogenerlebnissen. Maria Carlsson,die wunderbare Updike-Übersetzerin, fachsimpelte mit Ledigüber eine in dem Roman Ehepaare beschriebene komplizierte»Stellung«. Harry Rowohlt, damals schon berühmt, las uns sei-ne perfekte Übersetzung von Alexander S. Neills KinderbuchDie grüne Wolke vor. Kai Molvig, der Selby-Übersetzer, häkelteabends beim Rotwein zierliche weiße Topflappen. SusanneLepsius, eine enge Freundin von Ledig in jüngeren Jahren, kamaus England angereist mit reparaturbedürftigen Malpass-Über-setzungen. Ledig mochte seine Übersetzer, und er schätzteihre ihm so vertraute Arbeit. Deshalb beschloss er, lange Jahrevor seinem Tod, einen Übersetzerpreis zu stiften, der nun, un-ter seinem Namen, jedes Jahr während der Frankfurter Buch-messe verliehen wird.

Nabokov verstand jedes Wort

Alles war anders, wenn es um Nabokov ging. Dieter E. Zim-mers Übersetzungen wurden kurzerhand nach Montreux ge-schickt und kamen, von Véra Nabobov mit wenigen Anmer-kungen und freundlicher Zustimmung versehen, in den Verlagzurück. Aber mit Uwe Friesel und seiner Übersetzung von PaleFire, Fahles Feuer, reisten Ledig und ich, von Ledigs Fahrerund Butler Steen gefahren, nach Montreux, wo Vladimir undVéra Nabokov im Montreux Palace Hotel am Genfer See imobersten Stockwerk ihren festen Wohnsitz hatten. Sie erwar-teten uns in einem kleinen, kargen, eigens für diese Zusam-menkunft gemieteten Zimmer und ließen sich dort FrieselsÜbersetzung vorlesen. Nabokov behauptete zwar, er könnekein Deutsch, aber er verstand jedes Wort, und man sah ihman, wenn ihm die gelungene deutsche Übersetzung eines sei-ner Sätze besonders gut gefiel – der empfindsame Ledig hatgesehen, wie ihm einmal die Tränen kamen. Nabokovs Frausprach fließend Deutsch und schlug hier und da kleine Korrek-turen vor. Nabokov hörte aufmerksam zu, merkte hellhörigauf, wenn die Namen von Schmetterlingen fielen, verbesserte,breitete genüsslich seine lepidopterologischen Kenntnisse voruns aus.

Anfangs war die Atmosphäre angespannt. Wir durftennicht rauchen. Beide Nabokovs reagierten äußerst ver-schnupft, als wir einmal morgens ein paar Minuten zu spät ka-men. Mittags zogen sie sich zurück, wir aßen in der Bahnhofs-wirtschaft, immer das gleiche, und betrachteten anschließendalte Uhren – eine von Ledigs Leidenschaften. Abends gingenwir, von den Sitzungen erschöpft, zwecks Auflockerung aufzwei, drei Drinks in eine am Weg zu unserem Hotel gelegeneBar, immer in dieselbe, wo wir an jedem Abend, immer zurgleichen Stunde, immer zu derselben schleichenden Musik,mit dem gleichen Striptease unterhalten wurden.

Als Nabokovs sich mit der Übersetzung angefreundet undsich zögernd an uns gewöhnt hatten, wurden uns überra-schende Belohnungen zuteil: Vladimir Nabokov delektierteuns kichernd mit Übersetzungsfehlern seiner französischenund italienischen Übersetzer und mochte vor lauter Vergnü-gen kein Ende finden. Und am letzten Abend, als alles bespro-chen war, wurden wir zu einem freundlichen Dinner im altenWeinkeller des Hotels eingeladen.

Es gab ein Nachspiel: Ledig und Lady Jane zogen Jahrespäter nach Lavigny, in ein altehrwürdiges Château, zwischenWeinbergen oberhalb des Genfer Sees und unterhalb des Juragelegen, und wurden so Nachbarn der Nabokovs. Man be-suchte sich. Es entstand Freundschaft. Offenbar wussteNabokov, wie sehr Ledig ihn bewunderte, wie sehr er ihn ver-ehrte und seine Bücher schätzte und wieviel er als Verlegerfür sein Werk getan hatte. Wir alle wussten es. Und so war esdenn auch nur für Ledig, nur für ihn, der sehr scheu undschüchtern sein konnte, verwunderlich, dass er, wie es im Te-stament Nabokovs stand, dem großen Dichter die Grabredehalten sollte.

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REZENSIONEN

Regina Peeters: Eine Bibliothek für Babel. Berlin: Logos, 2002

Die Bibliothekarin des Europäischen Übersetzer-Kollegiums inStraelen, Regina Peeters, hat eben diesen Übersetzern einBuch geschenkt, das sich tiefgehend und gründlich mit allenAspekten und Problemen des literarischen Übersetzens aus-einandersetzt. Es zeigt die verschiedenartigen Informationsbe-dürfnisse der Übersetzer auf und gibt sogleich die Antwort,wo und mit welchen Methoden man sich die notwendigen In-formationen beschaffen kann.

Was man alles hätte wissen müssen

Welch ein Buch! Ich gehöre noch zu jener Generation Überset-zer, die ihr Handwerk nicht studieren konnte und nur mit ei-nem allgemeinen Schulwissen ausgerüstet sich mit Begeiste-rung in das Abenteuer des Übersetzens stürzte. Regina PeetersBuch hält uns nun vor Augen, und zwar auf über 500 engbe-druckten Seiten, was man alles hätte wissen müssen, undwas man sich als Anfänger teils mühsam, teils aber auch un-bewusst durch »learning by doing« beigebracht hat. Die Auto-rin dürfte alles gelesen haben, was über das Übersetzen je ge-schrieben wurde. Und sie hat es verstanden, die Fülle des Ma-terials übersichtlich zu gliedern und in eine wissenschaft-liche Ordnung zu zwängen auf ähnliche Weise, wie sie dieBücher der Bibliothek geordnet hat.

In der Einleitung erörtert Regina Peeters Thema, Methodikund Ziel ihrer Arbeit; im folgenden bestimmt sie unter ande-rem den Begriff des literarischen Übersetzers und sein Selbst-verständnis, erwähnt auch die Honorierung und das Ansehen,und widmet sich den Problemen der Textproduktion und Text-rezeption. Ausführlich geht sie ein auf Sprachkompetenz undSachkompetenz mit allen Nebenfeldern, beschreibt die Not-wendigkeit und die Methoden der Recherche: all dieses unter-mauert mit einer Vielzahl von Zitaten und Beispielen.

Schwerpunkte der Untersuchung sind drei Werke derdeutschen Literatur: Günter Grass: Ein weites Feld; ChristianKracht: Faserland und Sten Nadolny: Die Entdeckung der Lang-samkeit. Hinzu kommen drei Werke der angloamerikanischenLiteratur: Sheila Nickperson: Disappearance, (Ü: Kristian Lutze);Brad Gooch: Scary Kisses (Ü: Denis Scheck) und E. AnnieProulx: Accordion, Crimes (Ü: Wolfgang Krege). Auf nahezu175 Seiten wird untersucht, welche Recherchen der Überset-zer im Einzelfall anstellen muss und welche Informationsmitteler dabei über den Allgemeinwörterbüchern und -enzyklopä-dien hinaus benötigt. Akribisch werden die verschiedenen Re-cherchemöglichkeiten und Informationsressourcen aufgeführt.

Den letzten Teil des Buches widmet Regina Peeters demBestandsaufbau einer übersetzerspezifischen Bibliothek. Siebeschreibt die Kriterien einer Universalbibliothek, spricht vonAuswahlkriterien, Benutzerorientierung und Benutzerforschung,listet Wörterbücher, Lexika, Enzyklopädien auf, vergißt auchnicht die digitalen Medien und führt uns somit zurück in jeneBibliothek, in der wir Übersetzer arbeiten und wohnen dürfen.

»Frau des Überblicks«

Wer jemals in der Bibliothek gewesen ist, weiß, wie die Regalesich an den Wänden entlang um die Ecken ziehen und bis indie Gästezimmer hineindringen, die sozusagen mit Bücherntapeziert sind. Selbstverständlich gibt es zum Auffinden be-stimmter Werke ein ausführliches Register.

Thomas Mann hat seinen Joseph in Ägypten den »Herrndes Überblicks« genannt. Diesen Titel möchte ich für ReginaPeeters etwas abwandeln. Denn in der Bibliothek des Europäi-schen Übersetzer-Kollegiums ist sie die unumstrittene »Fraudes Überblicks« über nunmehr 110 000 Bücher.

Maria Csollány

In Ketten tanzen. Übersetzen als interpretierende Kunst.Gabriele Leupold und Katharina Raabe (Hg.). Göttingen:Wallstein Verlag, 2008. 292 S. Mit Tonträger.

Eine wahre Fundgrube ist die kürzlich bei Wallstein erschiene-ne Textsammlung, die das Übersetzen als nachschöpferischeTätigkeit in eine Reihe stellt mit musikalischer Aufführung,Schauspiel und Rezitation. Mit den Fragen, die die Texte auf-werfen – etwa nach dem Begriff des Originals und nach sei-nem Verhältnis zu Aufführung, Umsetzung oder eben Übertra-gung –, wird die Nähe zwischen Übersetzung und performa-tiven Künsten ausgelotet. Was genau bindet den Interpretenauf welche Weise, wie kann man den Spielraum der kreativenFreiheit umschreiben? Was eint die interpretierenden Künste,wo hört die Vergleichbarkeit auf?

Herausforderung des Originals

Einige Texte gehen derartigen Fragestellungen theoretischnach, andere entwickeln ihre Antworten anhand von prakti-schen Arbeitsbeispielen. Da der Leser wohl in den wenigstenFällen in allen vier Sphären gleichermaßen zu Hause ist, wirdihm die Lektüre in der Regel ganz neue Gebiete erschließen.Die meisten Entdeckungen, die sich dort machen lassen, sindhochinteressant. Man liest bei Stefan Litwin von der Diktaturdes Steinway-Klangs und davon, dass das (dritte) Moderator-Pedal nicht mehr in Konzertflügel eingebaut wird, was zumVerschwinden einer spezifischen Klangfarbe besonders beiSchubert führte. Man fragt sich mit Reinhard Kapp, was dennbei der musikalischen Interpretation das Original ist. Die Parti-tur? Der dahinter liegende »Sinn«? Jede einzelne Aufführung?Man wird von Reinhart Meyer-Kalkus in eine detailreiche, mit-reißende Geschichte der Vortragskunst entführt, die Stationenbei Peter Steins Sprechtheater oder bei der Schönberg-Schulemacht und von eindrucksvollen Tondokumenten auf der bei-liegenden CD illustriert wird.

Neue Blickwinkel gibt es auch auf dem vertrauten Terrainder Übersetzung: Gabriele Leupold beschreibt die Musikalitätin Andrej Belyjs Roman »Petersburg« und die Probleme derÜbertragung von lautlicher Leitmotivik; Klaus Reichert schil-dert den »schwebenden Rhythmus« der Psalmen und dasAbenteuer seiner Übersetzung. Beide verdeutlichen am kon-kreten Material das fragile Wechselspiel von Gebundenheit(an das Original) und schöpferischer Freiheit (der Umsetzung).Damit ist auch einmal mehr die Metapher des Titels erklärt,ein Zitat von Voltaire: »In Ketten tanzen« heißt, sich der Rah-menbedingungen für die kreative Umsetzung einer Anleitungoder Vorlage bewusst zu werden, heißt, der Strenge dessen,was »da steht«, nicht auszuweichen, aber gleichzeitig bestän-dig neue Antworten zu suchen, die es auf die Herausforde-rung des Originals geben kann.

Kombinatorische Kühnheit

In vielen Texten findet sich in der einen oder anderen Formder Dreischritt wieder, den Olga Radetzkaja bei ihrer Einfüh-rung in tschechische und russische Übersetzungstheoriennachzeichnet: Lesen, Denken, Schreiben (oder Rezeption, In-terpretation, Produktion). Damit ist der Spannungsraum dernachschöpferischen Künste umrissen. Noch geht es abernicht um theoretische Geschlossenheit: Die Stärke des Ban-des liegt gerade in den tastenden Versuchen, neue Verbindun-gen zu denken, in seiner kombinatorischen Kühnheit.

Damit gelingt es den Texten ganz hervorragend, den Blickauf (jeweils) andere Gebiete der nachschaffenden Kunst aus-zuweiten und so die Sensibilität für eigene Ketten und Tanz-rhythmen nachhaltig zu schärfen.

Christiane Körner

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Helmut Frielinghaus: Fragen 1

WürdigungenMerton-Preis 2007 an Eva Moldenhauer und Grete OsterwaldHans-Martin Gauger: Laudatio 1Preis der Leipziger Buchmesse 2008 an Fritz Vogelgsang 3Goethe-Medaille 2008 – Jan Philipp Reemtsma: Laudatio 3John E. Woods: Dank 4Europäischer Übersetzerpreis Offenburg 2008 für Anne Weber: Rede auf den Förderpreisträger Holger Fock 5

VeranstaltungenLektoren sind nicht auf der Welt, um Fehler zu machen. Zur Seite gesprungen in Berlin 6Nachwuchsübersetzer aus Deutschland, Polen und Tschechien in Leipzig 6Übersetzer Packen Aus in Hamburg 7Übersetzer und ihre Mörder in München 8»Rotes Kornfeld« in Frankfurt 9Interview: Deutsch-chinesische Übersetzerwerkstatt 9

100 Jahre Rowohlt VerlagHeinrich-Maria Ledig-Rowohlt und seine Übersetzungsabteilung 10

RezensionenRegina Peeters: Eine Bibliothek für Babel 12In Ketten tanzen. Übersetzen als interpretierende Kunst 12

42. Jahrgang, Januar – Juli 2008

Impressum

Übersetzen (ehemals »Der Übersetzer«) erscheint halbjährlich.

Herausgeber: Verband deutschsprachiger Übersetzer

literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V. (VdÜ)

in Zusammenarbeit mit der Bundessparte Übersetzer

des VS in ver.di, Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin.

Bankverbindung: SEB AG Bank Berlin, Konto 1619848500,

BLZ 10010111.

Redaktion (verantwortlich): Dr. Sabine Baumann, Obermainanlage 21,

60314 Frankfurt am Main

Rezensionen: Anke Burger, 4646 Rue de la Roche,

Montréal QC H2J 3J6, Kanada

Abonnements: Maike Dörries, Stresemannstr. 19, 6 8165 Mannheim

Layout: Christoph Morlok, Heidelberg

Druck: Druckkollektiv Gießen

Für unverlangte Manuskripte keine Haftung. Nachdruck nur

mit Genehmigung der Redaktion und mit Quellenangabe.

Übersetzen hat eine neue Redaktion

Die »Neuen« danken Kathrin Razum für über ein Jahrzehnt

redaktioneller Arbeit!

Sabine Baumann wurde 1966 geboren und hat

Amerikanistik in Frankfurt am Main, Bloo mington

Indiana und New York studiert. Seit Mitte der 90er

Jahre übersetzt sie aus dem Russischen und dem

Englischen.

Ihr wichtigster Autor ist Vladimir Nabokov, über

den sie auch mit einer Arbeit über die Erinnerung

promoviert hat; übersetzt hat sie für die Rowohlt-

Werkausgabe seinen Roman »Camera obscura« und das Drama

»Die Tragödie des Herrn Morn«. Ihre Übersetzung seines legen dären

Puschkin-Kommentars samt Neuübersetzung des Vers romans erscheint

Ende 2008 bei Stroemfeld. Teils zusammen mit Bernd Rullkötter hat

sie auch englische Sachbücher zur russischen Kultur geschichte übersetzt

und lektoriert. Journalistisch arbeitet sie seit 2002 mit einer Vor liebe für

Interviews mit Schriftstellern oder anderen Kulturschaffenden.

Für »Übersetzen« hofft sie, selbst auch einmal das eine oder andere

Portrait über Kollegen schreiben zu können, und würde sich freuen, wenn

andere ebenfalls zahlreiche Texte für »Übersetzen« beisteuern würden:

[email protected].

Anke Burger, geboren 1964 in Darmstadt, hat in

Berlin und Austin, Texas, Amerikanistik, Germanistik

und Filmtheorie studiert.

Sie übersetzt seit 1992 zeitgenössische Romane,

Unterhaltungs literatur und Bildbände, anfangs vor-

wiegend aus dem amerikanischen, mittlerweile gern

auch aus dem britischen und in Asien geschriebenen

Englisch. 2003 wurde ihr für die Übersetzung des

Kriminalromans »Manila Bay« von William Marshall der Wielandpreis

verliehen. Sie lebt derzeit in Montréal, Quebec, wo sie eifrig kanadisches

Französisch lernt, und in Berlin-Kreuzberg.

Sie betreut für diese Zeitschrift ab sofort die Rubrik »Rezensionen«; wer

ein für das Übersetzen relevantes Buch besprechen möchte, möge sich

damit gern an [email protected] wenden.

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