15
1 internistische praxis 2018 Band 59 / 1 Struma nodosa – Operation – Radioiod – Iodid-Prophylaxe internistische praxis 59, 1–15 (2018) Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG Therapie der Struma nodosa A. Pfestroff 1 , D. K. Bartsch 2 , M. Luster 1 1 Klinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Marburg; 2 Klinik für Visceral-, Thorax- und Gefäß- chirurgie, Universitätsklinikum Marburg Schilddrüsenerkrankungen Es lassen sich grob gutartige von bösartigen Schilddrüsenerkrankungen unterscheiden, von denen die benignen Formen zahlenmäßig deut- lich überwiegen und mit einer Störung der Mor- phologie und/oder Funktion einhergehen. Im Rahmen der Diagnostik der zumeist euthyreoten Struma nodosa spielt vor allem die Sonografie eine zentrale Rolle, da diese neben der Vergrö- ßerung des Organs etwaige noduläre Veränderun- gen erfasst, denen im Kontext der Therapieent- scheidung eine zentrale Bedeutung zukommen (Abb. 1). Ziel der Diagnostik ist die Klärung der Schilddrü- senerkrankung und Beschreibung der morpholo- gischen und/oder funktionellen Veränderungen unter Berücksichtigung der therapeutischen Möglichkeiten. Die Indikation zur operativen Behandlung wird auf der Basis der Erkrankungs- und Lokalisati- onsdiagnostik unter Abwägung der individuel- len nicht-operativen Behandlungsverfahren und der möglichen Komplikationen einer operativen Behandlung gestellt. Die Prüfung der verschie- denen Therapieoptionen und die Empfehlung für eine operative Behandlung sind ebenso wie die Abschätzung des individuellen Komplikationsri- sikos Bestandteil des mit dem Patienten obligat zu führenden Aufklärungsgespräches. Gleiches gilt für die Umstände, welche eine intraoperative Änderung des präoperativ definierten Vorgehens begründen können, das Rezidivrisiko und die Art der zu erwartenden Nachbehandlung. Malignität von verdächtigen Schilddrüsenläsi- onen sollte durch eine Feinnadelpunktion und anhand der Bethesda-Kriterien (Tab. 1) präo- perativ soweit möglich ausgeschlossen werden. Pharmakotherapie Es lassen sich bzgl. der Pharmakotherapie Pro- phylaxe, Sekundärprophylaxe und die eigentli- che Behandlung differenzieren. Die ausreichen- de Versorgung des Organs mit Iodid spielt die CME c m e. m g o -f ac h v e rl a g e .d e

06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

  • Upload
    habao

  • View
    214

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

1internistische praxis 2018 Band 59 / 1

Struma nodosa – Operation – Radioiod – Iodid-Prophylaxe

internistische praxis 59, 1–15 (2018) Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG

Therapie der Struma nodosa

A. Pfestroff1, D. K. Bartsch2, M. Luster1

1Klinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Marburg;

2Klinik für Visceral-, Thorax- und Gefäß-chirurgie, Universitätsklinikum Marburg

� Schilddrüsenerkrankungen

Es lassen sich grob gutartige von bösartigen Schilddrüsenerkrankungen unterscheiden, von denen die benignen Formen zahlenmäßig deut-lich überwiegen und mit einer Störung der Mor-phologie und/oder Funktion einhergehen. Im Rahmen der Diagnostik der zumeist euthyreoten Struma nodosa spielt vor allem die Sonografie eine zentrale Rolle, da diese neben der Vergrö-ßerung des Organs etwaige noduläre Veränderun-gen erfasst, denen im Kontext der Therapieent-scheidung eine zentrale Bedeutung zukommen (Abb. 1).

Ziel der Diagnostik ist die Klärung der Schilddrü-senerkrankung und Beschreibung der morpholo-gischen und/oder funktionellen Veränderungen unter Berücksichtigung der therapeutischen Möglichkeiten.

Die Indikation zur operativen Behandlung wird auf der Basis der Erkrankungs- und Lokalisati-onsdiagnostik unter Abwägung der individuel-len nicht-operativen Behandlungsverfahren und der möglichen Komplikationen einer operativen Behandlung gestellt. Die Prüfung der verschie-denen Therapieoptionen und die Empfehlung für eine operative Behandlung sind ebenso wie die Abschätzung des individuellen Komplikationsri-sikos Bestandteil des mit dem Patienten obligat zu führenden Aufklärungsgespräches. Gleiches gilt für die Umstände, welche eine intraoperative Änderung des präoperativ definierten Vorgehens begründen können, das Rezidivrisiko und die Art der zu erwartenden Nachbehandlung.

Malignität von verdächtigen Schilddrüsenläsi-onen sollte durch eine Feinnadelpunktion und anhand der Bethesda-Kriterien (Tab. 1) präo-perativ soweit möglich ausgeschlossen werden.

� Pharmakotherapie

Es lassen sich bzgl. der Pharmakotherapie Pro-phylaxe, Sekundärprophylaxe und die eigentli-che Behandlung differenzieren. Die ausreichen-de Versorgung des Organs mit Iodid spielt die

CMEcm

e.mgo -fachverlage

.de

Page 2: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

2018 Band 59 / 1 internistische praxis 2

te der Länder mit Iodmangel gestrichen worden ist. Der Arbeitskreis Iodmangel, gegründet von Mitgliedern der Sektion Schilddrüse der Deut-schen Gesellschaft für Endokrinologie und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, schätzt, dass mehr als 20 Millionen Menschen in Deutsch-land behandlungsbedürftige Iodmangelstrumen oder knotige Schilddrüsenveränderungen haben. Derzeit ist der Trend zu beobachten, dass die Iodversorgung in Deutschland eher wieder ab-nimmt. Gerade Eltern und Schwangere sollten immer wieder erinnert werden, dass ihre Kinder oder sie selbst ein erhöhtes Risiko für einen Iod-mangel haben. Um eine ausreichende Iod versor-gung zu gewährleisten, wird nicht nur in der Tierfutterherstellung seit langem Iod eingesetzt, sondern seit 1989 auch als »Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs« zur Verfügung gestellt. Allerdings wird der Appell, verstärkt auf Iodsalz zurückzugreifen, dadurch konterkariert, dass die WHO zur Reduktion des Risikos für eine arteriel-le Hypertonie, kardiovaskuläre Erkrankungen und Schlaganfälle inzwischen empfiehlt, die Aufnah-me von Salz auf weniger als 5 Gramm pro Tag zu senken.

Damit der weltweite Erfolg der Iodversorgung – 70 % aller Haushalte haben inzwischen Zu-griff auf iodiertes Speisesalz – nicht zunichte gemacht werde, müssten beide Programme auf-einander abgestimmt werden.

zen trale Rolle hinsichtlich der Prophylaxe der Struma nodosa. Auch der Sekundärprophylaxe, also der weiteren Vorsorge mit Iodid nach bereits dia gnos tizier ter Struma, kommt eine entschei-dende Bedeutung zu, parallel oder eskalierend kommt die pharmakologische Therapie im enge-ren Sinne, also die Anwendung verschreibungs-pflichtiger Pharmaka in Betracht.

Iodversorgung

In Deutschland herrscht nach offizieller Lesart kein Iodmangel mehr. Dennoch haben hier weite Teile der Bevölkerung zum Teil behandlungsbe-dürftige Iodmangelstrumen oder knotige Schild-drüsenveränderungen. Auch wenn die Zahl nicht streng epidemiologisch erhoben worden ist, sondern auf einer Hochrechnung auf Basis der Papillon-Studie mit etwa 100.000 Teilnehmern beruht, ist sie doch beeindruckend: Etwa jeder dritte Einwohner Deutschlands, also ungefähr 25 Millionen Menschen, hat auffällige Veränderun-gen der Schilddrüse, bei über 65-Jährigen mög-licherweise sogar jeder Zweite. Dabei handelt es sich nicht zwingend um Patienten mit Funkti-onsstörungen der Schilddrüse, die eine Therapie erforderlich machen. Noch immer ist die Ursache für die am häufigsten vorkommenden Strumen und kleinen Schilddrüsenknoten der Iodmangel – auch wenn Deutschland von der Weltgesund-heitsorganisation (WHO) inzwischen von der Lis-

Abb. 1 | Prävalenz von Schilddrüsenpathologien in der Sonografie, nach [1]

66,9 %

14,3 %

8,8 %

Struma diffusa

Struma nodosa

nur Knoten

Normalbefund

10,0 %

Page 3: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

internistische praxis 2018 Band 59 / 1 3

BethesdaKategorie

Vermutliche Dignität Histologische DD Tatsächliches

MalignitätsriskoEmpfohlenes

Vorgehen

1 Nicht diagnostisch Unzureichen-des Material

Ausschließlich Zysten-flüssigkeit Azelluläre PräparateBlutGerinnungsartefakteetc.

1–4 %Wiederholung der FNA unter Sono-grafie-Kontrolle

2 Benigne Benigne follikuläre Knoten(einschließlich Adenom, kolloid-reiche Knoten etc.)Lymphozytäre Thyreoi-ditis (Hashimoto) im entsprechenden klinischen KontextSubakute granulomatö-se Thyreoiditisetc.

0–3 %

Klinische Verlaufs-kontrolle

3 Atypie ohne Signifikanz

5–15 % Wiederholung der FNA

4 Follikuläre Neoplasie

Spezifizierung von Hürthle Zellen (onkozy-tärer Typ)

15–30 %Lobektomie

5 Malignitäts-verdacht

Verdacht auf papilläres KarzinomVerdacht auf medulläres KarzinomVerdacht auf metas-tasierendes KarzinomVerdacht auf Lymphometc.

60–75 %

Near-total Thyreoid ektomie oder Lobektomie (Ausnahme: Lymphom)

6 Maligne Papilläres KarzinomWenig differenziertes KarzinomMedulläres KarzinomUndifferenziertes (anaplastisches) KarzinomPlattenepithelkarzinomMetastasierendes Karzinom Non-Hodgkin-Lymphometc.

97–99 %

Near-total Thyreoid ektomie(Ausnahme: Lymphom)

Tab. 1 | Bethesda-System zur Auswertung der Zytopathologie bei Schilddrüsenläsionen

Page 4: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

2018 Band 59 / 1 internistische praxis 4

tientenkollektiv ohne funktionelle Autonomie kann in jedem Fall eher beobachtet werden als bei Patienten mit autonomen Arealen. Dem ent-gegen steht, dass aktuelle Beobachtungen bei ca. 60-Jährigen bereits ein leicht erniedrigter TSH-Wert oder ein leicht erhöhter FT4-Spiegel mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern einhergehen, sodass diese Konstellation vermie-den werden muss und hier in jedem Fall die Ra-dioiodtherapie zur Eliminierung der autonomen Anteile einer medikamentösen Therapie vorzu-ziehen ist.

Eine Standardtherapie bei Verdacht auf maligne Transformation ist in jedem Fall die Operation. Als Alternative, insbesondere bei sprachlich ex-ponierten Berufen wie Politiker, Sänger, Redner, Hochschullehrer, ist wegen möglichen, seltenen Komplikationen eine Umgehung des operativen Vorgehens häufig durch Radioiod möglich. Hier-bei werden Organdosen von 100–150 Gy ange-strebt, was mit einer Schilddrüsenschrumpfung von bis zu 70 % einhergeht. Operationsindikati-onen sind neben dem Malignomverdacht selbst-verständlich auch Trachealverlagerung und Tra-cheomalazien, insbesondere in Zusammenhang mit Stridor. Eine latente Hyperthyreose ist eben-falls eine relative Indikation für eine definitive Therapie, manifeste Hyperthyreosen wiederum sollten in jedem Fall angegangen werden. Das Rezidivrisiko unter thyreostatischer Therapie liegt bei 80–90 %. Thyreostatika wie Thiamazol, Carbimazol oder Propylthiouracil führen darü-ber hinaus zu einer weiteren Hypertrophie der Schilddrüse.

� Klug entscheiden

Aus den genannten, epidemiologisch nachweis-baren Zusammenhängen lassen sich praktische Implikationen ableiten, die den Einsatz von Dia-gnostik und Therapie kritisch hinterfragen lassen bzw. nahelegen, den Einsatz von Diagnostik und Therapie »weise zu wählen« [4].

Ein Ultraschallscreening auf Schilddrüsenverän-derungen bei älteren Menschen soll nicht durch-geführt werden!

Medikamentöse Therapie

Eine medikamentöse Therapie sollte grundsätz-lich frühzeitig begonnen werden, da bei länger bestehendem Iodmangel und bereits eingetre-tenem Schilddrüsen- und Knotenwachstum eine Remission nur schwer zu erzielen ist. Insbeson-dere regressive und noduläre Veränderungen in einer Struma sind wesentliche Gründe für einen unzureichenden Therapieerfolg. Die hierzu vor-handene Literatur variiert in ihrer Aussagekraft deutlich. Insbesondere eine optimale Selektion von vergleichbaren Knoten ist kaum möglich, da sich autonome und hypofunktionelle Läsionen in einer Struma multinodosa nebeneinander finden können. Zudem kommen zystische Veränderun-gen und gelegentliche Einbrüche in die Blutver-sorgung, sowie Vernarbungen und schrumpfende Prozesse in Betracht, die in aller Regel parallel vorkommen. In einer Metaanalyse von Castro et al. [2] war die Levothyroxingabe bezüglich der Volumenreduktion von solitären Knoten statis-tisch nicht signifikant. Die Daten aus den USA variieren selbstverständlich ebenfalls deutlich von den europäischen Daten, aufgrund der dort wesentlich besseren Iodversorgung. In Deutsch-land ist aktuell nur noch ein geringes Ioddefizit zu verzeichnen, sodass das Auftreten von funkti-onellen Autonomien und auch eine Entwicklung der Struma nodosa rückläufig sind.

Levothyroxin versus Radioiod

In einer Studie von Wesche et al. [3] wurde die Überlegenheit der Radioiodtherapie gegenüber der medikamentösen Strumatherapie dokumen-tiert. Es kam zu einer signifikanten Strumaver-kleinerung von 44 % in den ersten zwei Jahren, sodass gegenüber der 22 %igen Volumenredukti-on bei Levothyroxinrespondern ein signifikanter Therapiebenefit vorlag.

Aktive Überwachung

Grundsätzlich sollte bei älteren Patienten mit einer multinodulären Struma das abwartende Procedere im Vordergrund stehen. In einem Pa-

Page 5: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

internistische praxis 2018 Band 59 / 1 5

knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen.Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang-fristig mit Levothyroxin behandelt werden, ha-ben nicht selten zu niedrige TSH-Werte (0,3 mU/ml). In einer deutschen bevölkerungsbasier-ten Studie hatten 19,5 % der Patienten, die Thy-roxinpräparate einnahmen, einen zu niedrigen TSH-Wert. Eine Langzeitverlaufsuntersuchung amerikanischer Patienten fand eine Rate ernied-rigter TSH-Werte von 9,8 % bei Patienten unter Therapie mit Levothyroxin im Vergleich zu 0,8 % bei Menschen ohne Schilddrüsenhormonbehand-lung. Bei einem Drittel der überbehandelten Pa-tienten konnte die TSH-Erniedrigung über einen Verlauf von 2 Jahren dokumentiert werden.

Bei supprimierten TSH-Werten ist das Risiko für Vorhofflimmern deutlich erhöht. Es steigt mit zunehmendem Lebensalter kontinuierlich an und ist mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortali-tät verknüpft. Gleichzeitig steigt bei einer län-gerfristigen TSH-Suppression die Gefahr einer Knochendichteerniedrigung mit Ausbildung einer Osteoporose und nachfolgend erhöhter Fraktur-gefahr.

� Radioiodtherapie

Das Wirkprinzip der Radioiodtherapie (RIT) macht sich die natürliche Affinität von Schild-drüsenzellen für Iod zu Nutze. Statt »inaktivem« Iod wird den Zellen hierbei nun das Isotop I-131 (Radioiod) angeboten. Radioiod wird üblicher-weise oral als Kapsel verabreicht. Der intrathy-reoidal aufgenommene Anteil wird in der Folge in Schilddrüsenhormone eingebaut, die an Thy-reoglobulin gebunden intrafollikulär im Kolloid gespeichert werden.

Der therapeutische Effekt von I-131 beruht zu etwa 95 % auf der Emission geladener Teilchen (Elektronen, β-Strahlung). Dabei wird bei je-dem radioaktiven Zerfall im Mittel 0,2 MeV als Strahlungsenergie im umgebenden Gewebe de-poniert.

Aufgrund der geringen Reichweite der Teilchen im Gewebe fällt die Dosis durch die β-Strahlung au-

In der älteren Bevölkerung sind Veränderungen der Schilddrüse sehr häufig. Bevölkerungsbasier-te Untersuchungen in Nord- (Study of Health in Pomerania [SHIP]) und Süddeutschland (Ko-operative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg [KORA]) belegen die steigende Präva-lenz knotiger Veränderungen der Schilddrüse mit zunehmendem Lebensalter.

Unter den 65- bis 74-Jährigen weisen in Nord-deutschland 64,1 %, in Süddeutschland bereits 75,8 % Schilddrüsenknoten auf. Dieser Anteil steigt auf 72,3 % bei den 75- bis 88-Jährigen in der SHIP-Studie und auf 86,1 % der Untersuch-ten der KORA-Studie.

Bei einem generellen sonografischen Screening älterer Menschen hinsichtlich Schilddrüsener-krankungen ist damit zu rechnen, dass es zu einer großen Zahl »unnötiger« Operationen kommt. In Südkorea stieg nach Beginn eines Screening-Pro-gramms 1999 die Anzahl der Schilddrüsenkrebs-diagnosen um das 15-fache bis zum Jahr 2011. Trotz dieses dramatischen Inzidenzanstiegs ver-änderte sich die Mortalitätsrate in Bezug auf Schilddrüsenkrebs nicht. Diese Konstellation weist auf eine erhebliche Überdiagnose mit der Folge unnötiger Operationen hin. Eine Analyse von 15.000 Fällen zeigte, dass 11 % der Operier-ten einen Hypoparathyreoidismus entwickelten und 2 % der Patienten eine Nervus-recurrens- Parese erlitten. Ein allgemeines Screening von Patienten über 60 Jahre auf Schilddrüsen knoten ist daher nicht sinnvoll.

Eine Dauertherapie mit Levothyroxin bei Struma nodosa soll nicht durchgeführt werden!

Therapieoptionen umfassen die Behandlung mit Iod oder Levothyroxin und die Kombination aus Iod und Levothyroxin. Die beste Evidenz für einen günstigen Therapieeffekt hat dabei die Kombinationsbehandlung (LISA-Studie). Kleine-re Studien haben die Effekte einer Monotherapie mit Levothyroxin in unterschiedlich langer Zeit-dauer mit unterschiedlichem Therapieansprechen untersucht. Es gibt jedoch keine Daten, die ei-nen günstigen Effekt der über Jahre angeleg-ten Therapie mit Levothyroxin auf den Verlauf

Page 6: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

2018 Band 59 / 1 internistische praxis 6

Therapiemodalität der ersten Wahl anzusehen (Tab. 2).

� Medikamentöse Therapie versus Radioiodtherapie versus Operation

Die aktuelle deutsche S1-Leitlinie definiert im interdisziplinären Konsens die Kriterien für eine thyreostatische Medikation, eine Operation oder eine Radioiodtherapie (Tab. 3).

Dabei entfällt die quantitative Angabe eines Strumavolumens bei der Auswahl zwischen Ra-dioiodtherapie und Operation. Bei einer Knoten-struma mit oder ohne Autonomie bestimmen in der Regel die Begleitumstände die Entscheidung zugunsten einer Operation (Malignomverdacht, große Zysten, intrathorakale Struma, Kompres-sionssymptome) oder zugunsten einer Radio iod-therapie (Autonomiebeseitigung, Alter des Pati-enten, Komorbidität, Rezidivstruma, bestimmte Berufe wie z. B. Lehrer, Redner, Sänger). Radio-iod therapie oder Operation des Morbus Basedow werden bei hohem Rezidivrisiko (Primärtherapie), bei Persistenz der Hyperthyreose oder beim ers-ten Hyperthyreoserezidiv empfohlen. Nach sach-gerechter Aufklärung entscheidet der Patient.

Die funktionelle Autonomie mit latenter Hy-perthyreose stellt, insbesondere beim Auftreten

ßerhalb der Schilddrüse rasch auf etwa ein Zehntel in 0,3 mm Abstand ab, wodurch die Halsweichteile weitgehend von der Strahlung verschont bleiben.

� Radioiodtherapie gutartiger Schilddrüsenerkrankungen

Es bestehen 3 Hauptindikationen zur Radio iod-therapie benigner Schilddrüsenerkrankungen: die funktionelle Autonomie, der Morbus Basedow und die Strumaverkleinerung.

Die Autonomie der Schilddrüse

Bei einer funktionellen Autonomie mit manifest hyperthyreoter Stoffwechsellage ist die Indika-tion zur definitiven Therapie mittels Operation oder Radioiodbehandlung zweifelsfrei gegeben. Ausnahmen sind lediglich Patienten in sehr ho-hem Lebensalter, mit kurzer Lebenserwartung oder nicht-hospitalisierbare Patienten; hier ist alterna-tiv eine thyreostatische Dauermedikation in Be-tracht zu ziehen.

Die Radioiodtherapie hat gegenüber der Operati-on den Vorteil, selektiv alle funktionell autono-men Zellen im Sinne einer kausalen Behandlung zu erreichen. Demnach ist die Therapie mit I-131 bei fokalen und disseminierten Autonomien als

Indikation Therapieziel

Manifeste Hyperthyreose bei

funktioneller Autonomie Beseitigung der Hyperthyreose und Autonomie

Morbus Basedow Beseitigung der Hyperthyreose

Latente Hyperthyreose bei Autonomie Beseitigung der Autonomie

Struma (auch Rezidivstruma) mit und ohne funktionell relevante Autonomie

Volumenreduktion der Struma

Tab. 2 | Indikationen und Therapieziele bei der Radio-iodtherapie benigner Schild-drüsen-Erkrankungen (nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedi-zin [5])

Page 7: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

internistische praxis 2018 Band 59 / 1 7

sofern zuvor ein maligner Prozess ausgeschlos-sen wurde. Sie ist der konservativen medikamen-tösen Therapie mit Iodid und/oder Levothyroxin in ihrer Wirksamkeit überlegen. Volumenre-duktionen von 50 % und mehr sind erreichbar [7]. Die Notwendigkeit einer medikamentösen Rezidivprophylaxe ist nicht belegt. Die weni-gen Rezidive beruhten auf initial sehr großen Strumavolumina, niedrigen Therapieaktivitäten oder auf einer Radio iodaufnahme in dominante Knoten. Die Radio iodtherapie der euthyreoten Struma ist mehr als eine Reservetherapie für Patienten in höherem Lebensalter, mit Komor-biditäten bzw. mit erhöhtem Operationsrisiko, sondern bietet eine attraktive Alternative zur Chirurgie für Patienten mit besonders auf den Erhalt der vollen Stimmfunktion kritischen Be-

entsprechender Krankheitssymptome wie Herz-rhythmusstörungen, ein weiteres therapiebedürf-tiges Krankheitsbild dar. Eine definitive Therapie ist bei einer stoffwechselrelevanten Autonomie meist indiziert, z. B. bei einem TSH-Spiegel 0,4 mU, der nicht durch eine Schilddrüsenme-dikation bedingt ist [6].

Strumaverkleinerung

Zunehmend werden auch ältere oder multimor-bide Patienten mit euthyreoter Knotenstruma behandelt, bei denen die Organverkleinerung im Vordergrund steht. Die Radioiodtherapie kann als schonende Alternative zur Operation bei Struma nodosa und diffusa gesehen werden,

Pro thyreostatische Medikation Pro Operation Pro Radioiodtherapie

Morbus Basedow vorwiegend mit geringem Rezidivrisiko (weibliches Geschlecht, Alter 40 Jahre, Schilddrüsenvolu-men 40 ml, TRAK 10 IUA nach 6 Monaten der konserva-tiven Therapie)

Relevante Begleiterkrankun-gen oder Umstände, die gegen eine Operation oder eine Radioiodtherapie sprechen

MalignomverdachtGroße ZystenKompressionssymptome (Tracheomalazie, hochgradige Trachealstenose, Stridor)Intrathorakale StrumaKindes- und Jugendalter Notwendigkeit eines soforti-gen Therapieeffekts Morbus Basedow*: insbeson-dere bei mittelgroßer oder großer StrumaBesondere Begleitumstände: floride endokrine Orbitopa-thie; Patientinnen mit Kinderwunsch, der zeitlich nicht aufgeschoben werden sollAblehnung der Radioiod-therapie

Morbus Basedow*: insbeson-dere bei kleiner oder mittel-großer StrumaSchilddrüsenautonomie/KnotenstrumaKein MalignomverdachtKeine großen ZystenVoroperationen an der SchilddrüseErhöhtes OperationsrisikoAblehnung der Operation

* Morbus Basedow mit hohem Rezidivrisiko, Persistenz der Hyperthyreose nach 6–12 Monaten unter medikamen-töser Therapie oder Rezidiv nach konservativer Therapie

Tab. 3 | Differenzialindikationen für die Radioiodtherapie benigner Schilddrüsenerkrankungen (nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin [5])

Page 8: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

2018 Band 59 / 1 internistische praxis 8

ein mindestens 48-stündiger Aufenthalt auf ei-ner speziellen Therapiestation ist obligat.

Die Entlassung erfolgt nach Unterschreiten eines festgelegten Grenzwertes. Hierbei darf die Dosis bei Daueraufenthalt in 2 m Abstand 1 mSv nicht überschreiten. Dies ist gewährleistet, wenn die Dosisleistung in 2 m Abstand weniger als 3,6 μSv/h bzw. die Restaktivität zum Entlas-sungszeitpunkt weniger als 250 MBq beträgt.

Die Dauer des stationären Aufenthaltes liegt laut aktuellen Erhebungen bei durchschnittlich 3 bis 4 Tagen.

Wirksamkeit

Der Wirkungseintritt der RIT vollzieht sich meist in den ersten 3 Monaten nach durchgeführter Behandlung. Die häufig gewünschte Strumaver-kleinerung ist im Verlauf über bis zu 2 Jahre zu beobachten. Die Erfolgs- und Nebenwirkungs-raten sind an die Dosis-Wirkungs-Beziehung geknüpft: Bei der Strumatherapie mit Radioiod erzielt man in der Regel Volumenreduktionen in der Größenordnung 50 % (Abb. 5).

rufen bzw. für solche, die eine nicht operative Behandlung wünschen.

Oft empfiehlt sich hier eine prophylaktische Gabe nicht-steroidaler Antiphlogistika zur Vermeidung lokaler Kompressionserscheinungen (Fallbeispiel Abb. 2–4).

� Kontraindikationen

Absolut kontraindiziert ist die RIT bei Schwange-ren und Stillenden. Vor der Applikation von I-131 muss deshalb wegen der potentiellen Strahlenex-position des Fetus, die besonders nach Beginn der Schilddrüsenanlage in der 12. Schwanger-schaftswoche auftreten würde, eine Gravidität sicher ausgeschlossen werden (ggf. Schwanger-schaftstest bei Frauen im gebärfähigen Alter).

Da das Patientenkollektiv mit Struma nodosa je-doch praktisch keine Schnittmenge mit schwan-geren bzw. gebärfähigen Patientinnen ausweist, ist diese absolute Kontraindikation eher akade-mischer Natur.

� Durchführung

In Deutschland muss die RIT aus Gründen des Strahlenschutzes stationär durchgeführt werden,

Abb. 2 | Nativ-CT einer 86-jährigen Patientin mit Struma multinodosa (300 ml Gesamtvolumen, deutlich asymmetrisch konfiguriert) mit Trachealverlagerung nach rechts

Page 9: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

internistische praxis 2018 Band 59 / 1 9

Nebenwirkungen

Eine seltene (10 %) frühe Nebenwirkung be-ruht meist auf einer durch I-131 induzierten Schilddrüsenentzündung, der sogenannten Strahlen-Thyreoiditis (Fallbeispiel Abb. 6). Der Schweregrad dieser Reaktion hängt unter anderem von der applizierten Aktivitätsmenge und der Größe der Schilddrüse ab. Die Frage der Karzinogenese nach RIT benigner Schild drüsen-erkrankungen wurde besonders in den USA und in Schweden untersucht. Diese Studien schließen mehrere hunderttausend Patienten-Jahre ein. Im Vergleich zu den Kontrollgruppen konnte bei den mit I-131 therapierten Patienten kein signifikant erhöhtes Karzinomrisiko z. B. für Leukämien oder für das Auftreten eines Schilddrüsenkarzinoms gefunden werden, sodass die Radioiodtherapie auch diesbezüglich ein sicheres Therapieverfah-ren darstellt.

� Operation

Keine Zunahme der Schilddrüsenoperationen in Deutschland

Die Zahl der Operationen in Deutschland lag im Jahr 2008 noch über 100.000, drei Jahre spä-ter nur noch bei 92.500 und ist zuletzt weiter rückläufig.

Die Indikation, Durchführung und Nachsorge chirurgischer Therapien der Struma sind unter anderem gemäß den 2015er Leitlinien »Opera-tive Therapie benigner Schilddrüsenerkrankun-gen, Version vom 3. Oktober 2015, Federfüh-rende Fachgesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV), S2K - http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/088-007.html« wie folgt zu bewerten.

Knotenstruma

Die Knotenstruma kann je nach Größe, klinischer Symptomatik und Laborchemie (TSH) operativ, radioiodtherapeutisch oder medikamentös be-

Abb. 3 | Prätherapeutische Szintigrafie mit 5 MBq Iod-131 bei in Abbildung 2 genannter Patientin

Abb. 4 | Peritherapeutische Szintigrafie nach Applika-tion von 1.500 MBq Iod-131 bei in Abbildung 2 und 3 genannter Patientin

Page 10: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

2018 Band 59 / 1 internistische praxis 10

Abb. 6 | Prätherapeutische Szintigrafie mit 74 MBq Tc-99m bei einer 74-jährigen Patientin mit Struma nodosa, sonografisches Gesamt- Volumen ca. 220 ml. Die Volumetrie gelingt aufgrund teils retrosternaler Lage nur näherungsweise. Dann Radio-iodtherapie mit 1,4 GBq Iod-131 (102 Gy rückgerechnete Organdosis). Verlaufskontrolle nach 6 Monaten: subjekti-ve Beschwerdebesserung, sonografisches Volumen nun ca. 130 ml

Abb. 5 | Symptom-orientierte Wirksamkeit der Radioiodtherapie nach [8]

9080706050403020100

vor RIT

2 J nach RIT

kosm

etisc

he B

esch

werden

Globu

sgefü

hl

Kurza

tmigk

eit

Schlu

ckbe

swch

werden

keine

Sympt

ome

Trach

ealve

rlage

rung

Strid

or

Heise

rkeit

keine

Befu

nde

Page 11: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

internistische praxis 2018 Band 59 / 1 11

Bei den parenchymerhaltenden Schilddrüsen-resektionen wurden in der Vergangenheit eine hohe Rezidivrate von bis zu 40 % beobachtet [9, 10], in Folge dessen ist es in den letzten Jahren zu einer weiten Verbreitung der Thyreoidektomie bei beidseitigen multinodulären Veränderungen gekommen [11].

Für jede Seite der Schilddrüse sollte die OP-Indi-kation getrennt gestellt und dokumentiert wer-den. Schilddrüsengewebe, das normal erscheint, kann unter einer morphologie- und funktions-gerechten Resektionsstrategie belassen werden. Eine Hauptursache von Rezidivoperationen sind auf einer operierten Seite belassene Knoten, dies sollte vermieden werden bzw. das Belassen der Knoten ist gut zu begründen. Mit zunehmendem Resektionsausmaß steigt demgegenüber das Ri-siko operativer Komplikationen. Eine Abwägung zwischen dem potentiellen krankheitsbedingten und dem operativen Risiko führt stets zu dem individuell angepassten Resektionsausmaß. Eine Thyreoidektomie oder »Fast-totale Thyreoidekto-mie« wird bei überwiegend knotig umgewandel-tem Schilddrüsengewebe bzw. bei Auftreten von multiplen Knoten in beiden Schilddrüsenlappen empfohlen.

handelt oder beobachtet werden. Indikationen zur Operation sind Malignitätsverdacht bzw. Malignitätsausschluss, lokale Beschwerden oder eine latente bzw. manifeste Hyperthyreose.

Ziel der operativen Behandlung ist die sichere und dauerhafte Beseitigung der zugrundeliegen-den Schilddrüsenerkrankung. Die Behandlung erfordert in der Regel eine eingriffsspezifische Zusatzdiagnostik zur risikoadaptierten Operati-onsplanung sowie eine perioperative Verlaufs-kontrolle zur Erfassung eventueller operativ bedingter Komplikationen. Zu den spezifischen Risiken der Schilddrüsenoperation gehören vor allem die passageren oder permanenten Störun-gen der Kehlkopffunktion durch Nervenläsionen (z. B. Nervus laryngeus recurrens) und der Neben-schilddrüsen (Hypokalzämie bzw. Hypoparathy-reoidismus). Weitere seltene eingriffspezifische Risiken sind Nachblutungen mit einer damit po-tentiell verbundenen akuten Atembehinderung, postoperative, meist passagere Schluckstörun-gen, Taubheitsgefühl im Bereich des präparier-ten Hautlappens, Narbenbildungen im Bereich der Hautinzision und Wundinfektionen. Bei Wiederholungseingriffen nach vorangegangenen Halsoperationen ist im Allgemeinen von einem höheren operativen Risiko auszugehen. Darüber hinaus sind bei den erweiterten Halseingriffen z. B. im Bereich der Gefäßscheide oder des obe-ren Mediastinums (Sternotomie) die entspre-chenden Risiken zu berücksichtigen (Abb. 7).

Bei ausgedehnter retrosternaler Struma oder dystoper Lage kann eine Operationsindikation auch bei fehlender Symptomatik oder fehlenden Malignitätshinweisen bestehen.

»Die Indikationen zur Operation bei Schild-drüsen er krankungen stellen ein Malignitätsver-dacht, lokale Beschwerden, dystope Lage oder eine konservativ nicht ausreichend therapierba-re Überfunktion der Schilddrüse dar. Alternative therapeutische Optionen wie die Radioiodtherapie sollen bei der Indikationsstellung berücksichtigt werden.«

»Die Indikationen zur Operation der Rezidivstruma entsprechen denjenigen für einen Ersteingriff.«

Abb. 7 | Vollbild der Struma nodosa

Page 12: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

2018 Band 59 / 1 internistische praxis 12

Postoperative Kontrolle der Morphologie der Restschilddrüse

Die regelmäßige bildgebende Überprüfung der Morphologie wird empfohlen [13] bei erhalte-nem Restschilddrüsengewebe. Eine weiterge-hende Diagnostik und ggf. Therapie wird nötig, wenn sich im Verlauf Rest- oder Rezidivknoten mit Wachstumstendenz oder sonstigen Maligni-tätshinweisen zeigen.

Postoperative Rezidivprophylaxe und Schilddrüsenhormonsubstitution

Für die Aufrechterhaltung einer euthyreoten Stoffwechsellage und der Rezidivprophylaxe bei erhaltenem Restschilddrüsengewebe dient die postoperative schilddrüsenspezifische medika-mentöse Therapie. Eine individuelle Prophylaxe erfolgt in der Regel unabhängig vom endgültigen pathologischen Befund mit postoperativem Be-ginn. Ein TSH-Zielwert im mittleren Normbereich ist anzustreben, dabei kann die Medikation mit Levothyroxin in Abhängigkeit von der zu erwar-tenden Funktion mit oder ohne zusätzliche Io-didgabe erfolgen. Diese Medikation bedarf einer regelmäßigen Kontrolle der Schilddrüsenpara-meter, eine erste Kontrolle ist hierbei nach 4–6 Wochen sinnvoll.

Grundsätzlich sind Radioiodtherapie und Operati-on bei der Therapie der Struma gut etabliert und bieten jeweils Vorzüge je nach klinischer Situa-tion. Die in Tabelle 4 abgebildeten bevorzug-ten Therapieverfahren (A vor B) sind als grobe Empfehlung zu sehen und schließen die jeweils nachrangige Indikation keinesfalls gänzlich aus.

� Punkte für die Praxis

Bei der Wahl der Behandlung von gutartigen Knotenstrumen sollte die I-131-Therapie als eine sinnvolle therapeutische Option betrachtet wer-den. Allerdings sollte der Operation der Vorzug gegeben werden, wenn das Organ größer als ca. 100 ml ist, oder wenn eine schnelle Linderung der Symptome erforderlich ist.

Rezidivstruma

Die Strategie bei der Operation ist sowohl die Beseitigung des führenden Befundes als auch die Erhaltung der Rekurrens- und Nebenschild-drüsenfunktion unter Vermeidung eines erneu-ten Rezidivs. Die Operationsindikation wird für jede Seite der Schilddrüse getrennt gestellt und dokumentiert. Als erstes sollte bei beidseitigem Rezidiv die befunddominante Seite angegangen werden.

Lokal ablative Verfahren

Alternativen zur Operation, z. B. lokal ab-lative Verfahren wie Radiofrequenzablati-on, Mikrowellenablation oder hochintensi-ver fokussierter Ultraschall (HIFU), sollten nur im Rahmen von kontrollierten Studien eingesetzt werden, da auf Basis der derzei-tigen Datenlage Wirksamkeit und Sicherheit nicht abschließend beurteilt werden können.

Vorgehen bei retrosternaler/mediastinaler Struma

Das erhöhte Risiko einer Rekurrensparese durch Zug der zu mobilisierenden Schilddrüse und des häufig veränderten Rekurrensverlaufes [12] er-fordert eine besondere Beachtung der retro-sternalen Ausdehnung ins hintere oder vordere Mediastinum.

Eine partielle oder vollständige Sternotomie wird selten durchgeführt, da bei der Entwick-lung einer Struma pseudoendothoracica oder endothoracica falsa, deren Gefäßversorgung stets von zervikal erfolgt, im Gegensatz zu der seltenen Struma endothoracica vera. Hierbei stellen der Aortenbogen und der rechte Vorhof wichtige anatomische Orientierungspunkte dar, welche die ggf. bestehende Notwendigkeit zur Sternotomie präoperativ abschätzen lassen.

Page 13: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

internistische praxis 2018 Band 59 / 1 13

Radioiodtherapie Operation

Geringes bis mittleres Struma-Volumen (80 ml)

A B

Voroperation A B

Hyperthyreose/Autonomie A B

Schwere Komorbidität A Nein

Verdacht auf Bösartigkeit Nein A

Szintigrafisch inaktives Zielgewebe B A

Große Struma (100 ml) B A

Schwere tracheale Kompression (Lumen-Minderung 50 %)

B A

Schnelle Linderung der Symptome erforderlich B A

Schwangerschaft oder Stillzeit Nein A

Unzureichende Reaktion auf frühere Radioiodtherapie B A

Intrathorakale Lage der Struma A B

Tab. 4 | Bevorzugten Therapieverfahren (A vor B)

Malignität sollte durch eine Feinnadelpunktion von verdächtigen Schilddrüsenläsionen ausge-schlossen werden.

Eine weitere Voraussetzung für die I-131-The-rapie ist eine ausreichende Radio iod-Aufnahme in das Zielgewebe, die qualitativ und quantita-tiv durch Schilddrüsen-Szintigrafie und Radioi-od-Test sicherzustellen ist.

Der Patient muss über den genauen Ablauf der Strahlenanwendung und die potentielle Gefahr einer dauerhaften Hypothyreose informiert sein; die Schilddrüsenfunktion muss lebenslang über-wacht werden.

Bei unzureichender Wirkung (anhaltende Sym-ptome) kann die I-131-Therapie nach 6–12 Monaten wiederholt werden. Die I-131-Therapie wirkt sich nicht negativ auf etwaig nachfolgen-de Operationen aus, falls diese erforderlich sein sollten.

Klare Indikationen zur Schilddrüsenresektion sind Kompressionssyndrome und ein begründe-ter Verdacht auf Malignität. Die Operationsin-dikation sollte für jede Seite der Schilddrüse getrennt gestellt werden.

Page 14: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

2018 Band 59 / 1 internistische praxis 14

prophylactic measures. Treatment is however in most cases optional and only rarely unavoidable.

The presence of clinically relevant thyroid nodules as well as local symptoms caused by the size of the thyroid determines the indication for and extent of therapy. There is no general indication for surgery, especially considering the low risk of carcinoma in a goitre caused by iodine deficiency. Medical measures for the treatment of goitre are established, though moderately effective. An alternative form of non-surgical treatment with radioiodine should be considered, even though only the surgical resection in the form of hemi- or total thyroidectomy will result in a definitive cure for local complaints. Thus prophylaxis of goitre through sufficient administration of iodine in the general diet is of utmost importance.

The indication for a »definitive« therapy and the choice of therapeutic measures is determined among others by organ volume, clinical symptoms, radionuclide uptake in the thyroid, age of the patient, concomitant diseases, possible prior thyroid surgeries, the patients profession and last but not least patient wishes.

Keywords: nodular goiter – surgery – radioiodine – iodide prophylaxes

Literatur

1. Reiners C. Thyroid gland ultrasound screening (Papillon

Initiative). Report of 15 incidentally detected thyroid cancers.

Internist (Berl) 2003; 44: 412–419.

2. Castro MR, Caraballo PJ, Morris JC. Effectiveness of

thyroid hormone suppressive therapy in benign solitary thyroid

nodules: a meta-analysis. J Clin Endocrinol Metab 2002; 87:

4154–4159.

3. Wesche MF, Buul MM, Smits NJ, et al. Reduction in goiter

size by 131I therapy in patients with nontoxic multinodular

goiter. Eur J Endocrinol 1995; 132: 86–87.

4. Feldkamp J, Schott M, Gogol M, Quinkler M, Blüher M,

Diederich S, Reincke M. The Choosing Wisely Initiative of the

German Society of Internal Medicine : Recommendations of the

� Zusammenfassung

Die Struma nodosa ist eine in Iodmangelgebie-ten wie Deutschland weit verbreitete und in al-ler Regel gutartige, durch sinnvolle prophylak-tische Maßnahmen oft vermeidbare, Erkrankung der Schilddrüse, deren Therapie jedoch nicht in allen Fällen zwingend erforderlich ist.

Das Vorhandensein von klinisch relevanten Schilddrüsenknoten sowie die lokale Beschwer-desymptomatik aufgrund der Größe des Organs bestimmen in erster Linie die Indikation zur Therapie bzw. das Ausmaß der erforderlichen Behandlung. Eine generelle Operationsindikati-on besteht nicht, zumal das Karzinomrisiko in einer Iodmangelstruma gering ist. Medikamentö-se Ansätze zur Behandlung der Struma sind eta-bliert, jedoch mitunter wenig effektiv, während eine alternative Form der konservativen Therapie mittels Radioiod hierhingehend überlegen ist, wenngleich letztlich nur die Operation im Sinne einer Hemi- oder Thyreoidektomie nachhaltige Heilung bzw. eine Beseitigung evtl. lokaler Be-schwerden zu erzielen vermag. So kommt vor allem der Prophylaxe der Erkrankung durch aus-reichende Iodidzufuhr in der Bevölkerung eine entscheidende Bedeutung zu.

Die Indikation zu einer »definitiven« Therapie bzw. die Wahl der therapeutischen Herangehens-weise ist unter anderem abhängig von Struma-volumen, klinischen Symptomen, der Nuklidspei-cherung der Schilddrüse, dem Patientenalter, den Begleiterkrankungen, etwaigen Voroperationen an der Schilddrüse, der Berufsanamnese und nicht zuletzt dem Patientenwunsch.

Pfestroff A, Bartsch DK, Luster M:Therapy of struma nodosa

Summary: Multinodular goitre is a common disease in iodine deficient countries such as Germany. It is usually a benign disease which can effectively be prevented by established

Page 15: 06 ip59-1 Pfestroff CME praxis/1 2018 Band 59 5 knotiger Veränderungen der Schilddrüse zeigen. Patienten, die wegen einer Struma nodosa lang - fristig mit Levothyroxin behandelt

internistische praxis 2018 Band 59 / 1 15

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass bei der Erstellung des Beitrags keine Interessen-konflikte im Sinne der Empfehlungen des Inter-national Committee of Medical Journal Editors bestanden.

Prof. Dr. Markus LusterKlinik für Nuklearmedizin

Universitätsklinikum MarburgBaldingerstraße35043 Marburg

[email protected]@med.uni-marburg.de

German Society for Endocrinology and the German Society for

Geriatrics. Internist (Berl) 2016; 57: 532–539.

5. Dietlein M, Grünwald F, Schmidt M, Schneider P, Verburg

FA, Luster M. DGN-Handlungsempfehlung (S1-Leitlinie)

Radioiodtherapie bei benignen Schilddrüsenerkrankungen

(Version 5) Stand: 10/2015 – AWMF-Registernummer: 031-003.

6. Selmer C, Olesen JB, Hansen ML, von Kappelgaard LM,

Madsen JC, Hansen PR, et al. Subclinical and overt thyroid

dysfunction and risk of all-cause mortality and cardiovascular

events: a large population study. J Clin Endocrinol Metab 2014;

99: 2372–2382.

7. Bachmann J, Kobe C, Bor S, Rahlff I, Dietlein M, Schicha H,

Schmidt M. Radioiodine therapy for thyroid volume reduction of

large goitres. Nucl Med Commun 2009; 30: 466–471.

8. Le Moli R, Wesche MF, Tiel-Van Buul MM, et al. Determinants

of longterm outcome of radioiodine therapy of sporadic non-

toxic goitre. Clin Endocrinol (Oxf) 1999; 50: 783–789.

9. Agarwal G, Aggarwal V. Is total thyroidectomy the surgical

procedure of choice for benign multinodular goiter? An

evidence-based review. World J Surg 2008: 32; 1313-1324.

10. Moalem J, Suh I, Duh QY. Treatment and prevention of

recurrence of multinodular goiter: an evidence-based review of

the literature World. J Surg 2008: 32; 1301–1312.

11. Thomusch O, Sekulla C, Dralle H. Rolle der totalen

Thyreoidektomie im primären Therapiekonzept der benignen

Knotenstruma. Chirurg 2003: 74; 437–443.

12. Huins CT, Georgalas C, Mehrzad H, et al. A new classification

system for retrosternal goitre based on a systematic review of

its complications and management. Int J Surg 2008: 6; 71–76.

13. Phitayakorn R, McHenry CR. Follow-up after surgery for

benign nodular thyroid disease: evidence-based approach.

World J Surg 2008: 32; 1374–1384.

14. Bonnema SJ, Fast S, Hegedüs L. The role of radioiodine

therapy in benign nodular goiter. Best Pract Res Clin Endocrinol

Metab 2014; 28: 619–631.