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1 Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein Zusammenfassung: Kontinuierliche Migrationsmatrizen bieten sich als ideale Lösung zur Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten an. Probleme, die sich bei der Schätzung im diskreten Fall ergeben, werden mit der kontinuierlichen Methode gelöst. Ausblick: Die Schätzung von kontinuierlichen Migrationsmatrizen kann in einigen Bereichen verbessert werden: Schätzung zeitinhomogener Matrizen Integration von „Rating-Drifts“: Es kann beobachtet werden, dass bei Unternehmen, die in ihrem Rating herabgestuft worden sind, eine höhere Wahrscheinlichkeit für weitere Herabstufungen besteht als bei Unternehmen, die schon lange in einer Ratingklasse verharren (Nicht-Markov-Effekte) PD Kontinuierliche Migrationsmatrix

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1Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Zusammenfassung:

Kontinuierliche Migrationsmatrizen bieten sich als ideale Lösung zur Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten an.

Probleme, die sich bei der Schätzung im diskreten Fall ergeben, werden mit der kontinuierlichen Methode gelöst.

Ausblick:

Die Schätzung von kontinuierlichen Migrationsmatrizen kann in einigen Bereichen verbessert werden:

Schätzung zeitinhomogener Matrizen

Integration von „Rating-Drifts“: Es kann beobachtet werden, dass bei Unternehmen, die in ihrem Rating herabgestuft worden sind, eine höhere Wahrscheinlichkeit für weitere Herabstufungen besteht als bei Unternehmen, die schon lange in einer Ratingklasse verharren (Nicht-Markov-Effekte)

PDKontinuierliche Migrationsmatrix

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2Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Rückblick:

• Preis einer risikofreien Nullkuponanleihe (Rückzahlung 1 GE in T) zum Zeitpunkt t

• Preis einer risikobehafteten Nullkuponanleihe (Rückzahlung 1 GE in T, Rating i im Zeitpunkt t) zum Zeitpunkt t

• Bei Kenntnis der Marktpreise der Nullkuponanleihen und der Recovery Rate lässt sich durch Umstellen der Gleichung die risikoneutrale Ausfallwahrscheinlichkeit bestimmen.

• Risikoprämie verknüpft Ausfallwahrscheinlichkeit in risikoneutraler und realer Welt

PDBestimmung von Bonitätsspreads aus Bondpreisen

,B(T)

B(t)ET)(t,v t

~

0

T)(Qδ)(1-1-T)(t,v

T)(Qδ)(1δT)(t,v11δEB(T)

B(t)ET)(t,v

*i

t

~

*i

t

~

TTt

~

t

~i

**

τ

τ

0

0ττ

T)((t)QΠT)(Q *it

i*i

t

~

ττ

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3Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Berechnung der Bonitätsspreads

• Bonitätsspreads sind am Markt beobachtbare Risikoaufschläge auf den risikolosen Zins

• Ausgangspunkt: Definition des kontinuierlichen Terminzinssatzes f(t,T,T‘)

• f(t,T,T‘) ist der Zinssatz, der aus Sicht des Zeitpunkts t im Zeitpunkt T für die Laufzeit T‘-T gilt

• f(t,T,T‘) ist für eine Ratingklasse i oder für eine risikofreie Anlage (Index 0) über die am Markt beobachtbaren Preise von Nullkuponanleihen mit entsprechendem Rating definiert

• Plausibilisierung der Definition des Terminzinssatzes: T‘>T

PDBestimmung von Bonitätsspreads aus Bondpreisen

T)(t,v

)T'(t,vln

TT'

1)T'T,(t,f

i

ii

)T'(t,vT)e(t,v i)T'T,(t,f-(T'-T)i i

<1Typischerweise größer als vi(t,T‘), weil Restlaufzeit T<T‘

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Berechnung der Bonitätsspreads

• Einsetzen der Gleichung für den Wert der Nullkuponanleihe ergibt

PDBestimmung von Bonitätsspreads aus Bondpreisen

)T(Qδ)(1-δ

T)(Q1-δ)(1-δ

lnT'-T

1)TT,(t,f

T)(Q1-δ)(1-δ

)T(Q1-δ)(1-δ

lnTT'

1

T)(t,v

)T'(t,vln

TT'

1)TT,(t,f

*t

i

~

*t

i

~

0

*t

i

~

*t

i

~

0

0i

'τ1

τ

'

τ

'

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5Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Berechnung der Bonitätsspreads

• Der von Rating i, Betrachtungszeitpunkt t, Terminzeitpunkt T und Laufzeit T‘-T abhängige Bonitätsspread kann definiert werden als Differenz zwischen den Terminzinssätzen für bonitätsrisikobehaftete und bonitätsrisikolose Anleihen

• Die Berechnung des Bonitätsspreads setzt die Kenntnis der risikoneutralen Ausfallwahrscheinlichkeiten (oder der Risikoprämien und der realen Ausfallwahrscheinlichkeiten) voraus.

• Fallen t und T zusammen, so vereinfacht sich die Formel für den Bonitätsspread:

• Berechnet man diesen Bonitätsspread für verschiedene Zeitpunkte T‘, so ergibt sich daraus die Term Structure des Bonitätsspreads.

PDBestimmung von Bonitätsspreads aus Bondpreisen

)'T,T,t(f)'T,T,t(f

'τ1

τ1

)' 0i

)T(Qδ)(1-δ

T)(Qδ)(1-δ

lnTT'

1TT,(t,s

*t

i

~

*t

i

~

i

)T'(t,pδ(1tT'

1)T'(t,pδ)(1-1-ln

tT'

1

)T'(Q1δ)(1-δ

1ln

tT'

1)T't,(t,s 1Ni,

~

1Ni,

~

*t

i

~

i

)

τ<<1

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6Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Beispiel: Bestimmung der risikoneutralen Ausfallwahrscheinlichkeit

• Zu bestimmen: risikoneutrale Ausfallwahrscheinlichkeiten im Betrachtungszeitpunkt t für verschiedene Zeithorizonte t+a aus Preisen von risikobehafteten Nullkuponanleihen

• Spot-Zinssätze definiert durch T=t:

• 10-Jahres-Nullkuponanleihe mit Rating A, rA(t,t+10) = 7%

• Risikolose 10-Jahres-Nullkuponanleihe, r0(t,t+10) = 6%

• Recovery Rate = 45%

PDBestimmung von Bonitätsspreads aus Bondpreisen

1

a)t(t,vlna)tt,(t,fa)t(t,r

iii

1Ni,

~0ii pδ)(11ln

a

1a)t(t,ra)t(t,ra)tt,(t,s

1

a)t(t,vlna)tt,(t,fa)t(t,r

000

δ1-

e1-p

a)(t,t,ts-a

1Ni,

~i

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7Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Beispiel (Forts.): Bestimmung der risikoneutralen Ausfallwahrscheinlichkeit

• Berechnung der risikoneutralen 10-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit auf Basis des Marktspreads von 1% = 100 bp

• Berechnung des versicherungsmathematischen Spreads auf Basis der Ausfallwahrscheinlichkeit in der realen Welt

• Der Marktspread übersteigt den versicherungsmathematischen Spread um 89 bp, d.h. die den Märkten inhärente Risikoaversion führt gegenüber einem risikoneutralen Investor zu einem Risikoaufschlag von 89 bp.

PDBestimmung von Bonitätsspreads aus Bondpreisen

P)&2,02%(Svs.17,3%0,451-

e1-p

0,01-10

DA,

~

11bp2,02%0,45)(11ln10

110)tt,(t,sA

real

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8Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Weiteres Beispiel: Bestimmung der risikoneutralen Ausfallwahrscheinlichkeit und der Risikoprämie

• 1-Jahres-Nullkuponanleihe mit Rating A, rA(t,t+1) = 4,2%

• Risikolose 1-Jahres-Nullkuponanleihe, r0(t,t+1) = 4,1%

• Recovery Rate = 45%

• Berechnung der risikoneutralen 1-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit auf Basis des Marktspreads von 0,1% = 10 bp

• Berechnung des versicherungsmathematischen Spreads auf Basis der Ausfallwahrscheinlichkeit in der realen Welt

• Der Marktspread übersteigt den versicherungsmathematischen Spread um 7,8 bp, d.h. die den Märkten inhärente Risikoaversion führt gegenüber einem risikoneutralen Investor zu einem Risikoaufschlag von 7,8 bp.

PDBestimmung von Bonitätsspreads aus Bondpreisen

δ1-

e1-p

a)(t,t,ts-a

1Ni,

~i

P)&0,04%(Svs.0,18%0,451-

e1-p

0,001-1

DA,

~

2,2bp0,04%0,45)(11ln1

11)tt,(t,sA

real

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9Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Weiteres Beispiel (Forts.): Bestimmung der risikoneutralen Ausfallwahrscheinlichkeit und der Risikoprämie

• Bestimmung der Risikoprämie

PDBestimmung von Bonitätsspreads aus Bondpreisen

4,50,04%

0,18%

p

1)t(t,p(t)πp(t)π1)t(t,p

DA,

DA,

~

ADA,ADA,

~

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10Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Ausfallwahrscheinlichkeiten in der risikoneutralen Welt sind i.a. deutlich höher als Ausfallwahrscheinlichkeiten in der realen Welt

Aus den Preisen von am Markt gehandelten Anleihen lassen sich Ausfallwahrscheinlichkeiten in der risikoneutralen Welt sowie Risikoprämien und Bonitätsspreads berechnen.

Risikoprämien beschreiben das Verhältnis der 1-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeiten in der risikoneutralen und realen Welt zu einem Zeitpunkt t

PDBestimmung von Bonitätsspreads aus Bondpreisen

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Exposure at Default: EaD ist der vom Kreditnehmer geschuldete Betrag (Obligo) im Zeitpunkt des Ausfalls

• Das Obligo umfasst neben dem im Ausfallzeitpunkt nicht getilgten Kreditbetrag die im Ausfallzeitpunkt noch nicht bezahlten Zinsen („Kapitalisierung der Zinsen“)

• Die Berechnung des erwarteten EaD (E([EaD]) erfolgt für verschiedene Geschäftsarten nicht einheitlich und unterschiedlich komplex.

• Das EaD ist die Bezugsgröße für die Berechnung der Verlustquote LGD.

• Grundlagen

• Das aktuelle Obligo ist Grundlage für die Berechnung von E(EaD).

• Zudem müssen potenzielle Änderungen des aktuellen Obligos aufgrund der Struktur des jeweiligen Geschäfts berücksichtigt werden.

• Die potenziellen Änderungen können vom Verhalten des Kunden, vom Eintritt von Bedingungen und von der Marktwertentwicklung abhängen.

• Bei der Berechnung des E(EaD) werden verschiedene Produktgruppen unterschieden.

EaDDefinition und Grundlagen

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12Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Geschäfte mit konstantem Obligo

• Ein konstantes Obligo im Zeitablauf tritt in einer buchwertigen (nicht barwertigen!) Betrachtung bei Nullkuponanleihen auf.

• Der EaD ist während der gesamten Laufzeit der Nominalwert. Nullkuponanleihen weisen bei einer buchwertigen Betrachtung die einfachste EaD-Struktur auf.

• Viele Kreditrisikomodelle gehen von einem konstanten E(EaD) aus.

EaDZeitdimension des Obligos

Zeitt

T

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13Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Geschäfte mit deterministischem Obligo

• Der EaD ist nicht konstant, aber es ist bekannt, wie hoch das Obligo in jedem möglichen Ausfallzeitpunkt ist:

• Beispiele für solche Geschäfte sind Kredite mit fixer Verzinsung, Annuitätenkredite, Anleihen, ...

• Wie hoch der EaD für jeden möglichen Ausfallzeitpunkt ist, hängt vor allem von der rechtlichen Möglichkeit ab, zukünftige Zinszahlungen bei Vorliegen des Ausfallzustands einzufordern (Kapitalisierung der Zinszahlungen vs. Zinslos- und Fälligstellung bei Ausfall)

EaDZeitdimension des Obligos

Zeitt

T

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14Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Geschäfte mit deterministischem Obligo

• Beispiel: Ein Kredit mit einer Gesamtlaufzeit von zwei Jahren wird vergeben. Die Kredithöhe beträgt 100.000 EUR, die jährliche Verzinsung beträgt 5%. Wie hoch ist der EaD ein halbes Jahr nach Auszahlung des Kredits, wenn keine Zinszahlungen (Fall 1), die Zinszahlungen anteilig aufgrund der Laufzeit (Fall 2) oder alle Zinszahlungen (Fall 3) vom Kreditnehmer gefordert werden können?

Lösung:

Fall 1: EaD = 100.000 Euro

Fall 2: EaD = 100.000 + 5.000 . 0,5 = 102.500 Euro

Fall 3: EaD = 100.000 + 5.000 + 5.000 = 110.000 Euro

EaDZeitdimension des Obligos

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15Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Geschäfte mit stochastischem Obligo

• Zusagen (Commitments) und nicht jederzeit kündbare Rahmen

• Dem Kreditnehmer werden Kreditlinien eingeräumt, die er in Anspruch nehmen kann aber nicht muss.

• Der EaD ist damit vom künftigen Verhalten des Kreditnehmers abhängig.

• Beispiel: Überziehungsrahmen bei Girokonto (z.B. Konto kann um 2.000 Euro überzogen werden. Das Obligo unter dem Überziehungsrahmen kann zu jedem Zeitpunkt zwischen 0 und 2.000 Euro liegen).

• Im Mittel erhöht sich typischerweise die Rahmeninanspruchnahme unmittelbar vor einem Ausfall.

EaDZeitdimension des Obligos

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16Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Geschäfte mit stochastischem Obligo

• Erfüllungsabhängige Forderungen

• Das EaD hängt von der Eintrittswahrscheinlichkeit eines oder mehrerer Ereignisse ab.

• Beispiele: Baudarlehen, Projektfinanzierungen, Akkreditive

• Bei Baudarlehen erfolgt die Auszahlung des Kredits in Abhängigkeit vom Baufortschritt.

• Beispiel: Eine Baufirma erhält einen Kredit über 10 Millionen Euro. Der Kredit ist in zwei Tranchen zu jeweils 5 Millionen Euro eingeteilt. Die erste Tranche wird sofort ausbezahlt. Die zweite Tranche wird erst in einem Jahr nach erfolgreicher Erstellung des Rohbaus ausgezahlt.

• Das EaD nach einem Jahr ist entweder 5 oder 10 Millionen Euro. Es hängt davon ab, ob die im Kreditvertrag fixierte Bedingung erfüllt ist.

EaDZeitdimension des Obligos

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17Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Geschäfte mit stochastischem Obligo

• Erfüllungsabhängige Forderungen

• Akkreditive (Letter of Credit) sind Zahlungsverpflichtungen von Banken im Import/Export-Geschäft.

• Ein Importeur und ein Exporteur schließen einen Kaufvertrag über ein Warengeschäft ab.

• Im internationalen Geschäft ist es üblich, ein Akkreditiv zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs zu verwenden.

• Das Akkreditiv ist die Zahlungsverpflichtung der Bank des Importeurs (Akkreditivbank) gegenüber der Bank des Exporteurs (Avisbank).

• Die Bank des Exporteurs verpflichtet sich, dem Exporteur den Kaufbetrag der Waren zu zahlen.

• Die Zahlungsverpflichtung der Banken ist abhängig von der vorher vereinbarten Dokumentation der erfolgreichen Lieferung der Waren.

• Trifft diese Dokumentation bei der Bank des Exporteurs ein, bezahlt die Bank den Exporteur und es entsteht automatische eine Forderung gegenüber der Bank des Importeurs.

• Erfüllt die Bank des Importeurs diese Forderung, entsteht für sie automatisch eine Forderung gegenüber dem Importeur.

• Durch das Akkreditiv können Forderungen entstehen, die abhängig von der Erfüllung der Lieferung der Waren sind.

EaDZeitdimension des Obligos

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18Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Geschäfte mit stochastischem Obligo

• Marktwertabhängige Forderungen

• Das EaD hängt von der Entwicklung von Marktrisikofaktoren (z.B. Zins, Wechselkurs etc.) ab.

• Derartige Forderungen entstehen vor allem durch das Kontrahentenrisiko im OTC-Handel.

• Bei aus Sicht des Risikomanagers positiver Marktwertentwicklung entstehen aus den abgeschlossenen Geschäften Forderungen gegenüber der Gegenpartei (Kreditbegriff).

• Beispiel: Eine Bank schließt mit einer Investmentbank als Gegenpartei einen Payer-Swap über 10 Mio EUR ab, d.h. die Bank zahlt einen festen Zinssatz, die Swap-Rate, an die Investmentbank und erhält von der Investmentbank variable Zinsen. Die Swap-Rate beträgt 5%. Beim nächsten Anpassungstermin beträgt die Restlaufzeit des Swaps drei Jahre. Die variablen Zinsen, die am nächsten Anpassungstermin bezahlt werden, betragen 5%.

Wie hoch ist das EaD beim nächsten Anpassungstermin, wenn die Zinsen für alle Laufzeiten 4% (Fall 1) oder 6% (Fall 2) betragen?

EaDZeitdimension des Obligos

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19Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Geschäfte mit stochastischem Obligo

• Marktwertabhängige Forderungen

• Lösung: Beim nächsten Anpassungstermin entsteht kein Austausch von Zahlungen, da fixer und variabler Zinssatz 5% betragen. Das EaD ist daher rein vom Marktwert des Swaps zum Anpassungstermin abhängig.

Der Marktwert der variablen Seite zum Anpassungstermin ist 100% oder 10 Millionen Euro.

Fall 1:

Marktwert der Swaps für die Bank = 10.000.000 – 10.277.509,1 = - 277.509,1 => EAD = 0

Fall 2:

Marktwert der Swaps für die Bank = 10.000.000 – 9.732.698,8 = 267.301,2

=> EAD = 267.301,2

EaDZeitdimension des Obligos

,110.277.509(1,04)

10.500.000

(1,04)

500.000

1,04

500.000SeitefixenderMarktwert

32

89.732.698,(1,06)

10.500.000

(1,06)

500.000

1,06

500.000SeitefixenderMarktwert

32

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20Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Ähnlich wie die Ausfallwahrscheinlichkeit ist auch das E(EaD) abhängig vom gewählten Zeithorizont (z.B. 1 Jahr).

Die Informationen über die potentiellen (d.h. in der Zukunft möglichen) Werte des EaD können zur Ermittlung des E(EaD) herangezogen werden.

Im einfachsten Fall wird das E(EaD) in eine Zahl komprimiert. Diese gibt das erwartete Obligo des Kreditnehmers im betrachteten Zeithorizont an.

Geschäfte mit konstantem Obligo: Das konstante Obligo ist gleich E(EaD)

Geschäfte mit deterministischem Obligo: E(EaD) wird als zeitgewichtetes durchschnittliches Obligo berechnet:

• Beispiel: Die Restlaufzeit eines Kredites beträgt vier Jahre. Nach dem zweiten Jahr müssen 20.000 Euro und nach dem vierten Jahr 40.000 Euro bezahlt werden. Bei einem Ausfall stehen der Bank sämtliche noch ausstehenden Beträge zu. Wie hoch ist das E(EaD) für einen dreijährigen Zeithorizont?

• Lösung: Berechnung des durchschnittlichen Obligos im Zeithorizont:

EaDZeitdimension des Obligos

53.333,3340.0003

160.000

3

2E(EaD)

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21Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Geschäfte mit stochastischem Obligo können mit Hilfe eines Kreditumrechnungsfaktors (Credit Conversion Factor = CCF) in das E(EaD) umgerechnet werden.

E(EaD) = aktuelles Obligo + bedingtes Obligo . CCF

Die Bestimmung des CCF ist relativ schwierig und die Approximation des erwarteten Obligos damit relativ ungenau.

Der CCF kann von der durchschnittlichen Rahmenausnutzung bei Ausfall, von der Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen oder von der möglichen Entwicklung von Marktrisikofaktoren abhängen.

Bei Zusagen bzw. Rahmen kann der CCF aus der durchschnittlichen Ausnutzung der Rahmen bei Ausfall berechnet werden.

Beispiel: Ein Kreditnehmer hat ein aktuelles Obligo von 200.000 Euro und einen unausgenutzten Rahmen von 100.000 Euro für die nächsten zwei Jahre. Durchschnittlich sind von einem Rahmen dieser Art bei Ausfall 80% in Anspruch genommen.

Wie hoch ist der E(EaD) für einen einjährigen Zeithorizont?

Lösung: E(EaD) = 200.000 + 100.000 . 80% = 280.000

EaDZeitdimension des Obligos

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22Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Bei erfüllungsabhängigen Forderungen kann der CCF aus der durchschnittlichen Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Abwicklung berechnet werden.

Beispiel: Eine Bank hat einem Importeur ein Akkreditiv in der Höhe von 200.000 Euro für ein Warengeschäft auf unbestimmte Zeit genehmigt. Warengeschäfte dieser Art werden in 95% der Fälle erfolgreich abgewickelt. Wie hoch ist das E(EaD) dieses Akkreditives?

Lösung: E(EaD) = 200.000 . 95% = 190.000

Bei marktabhängigen Forderungen kann der CCF aus den Marktrisikofaktoren bestimmt werden. Die Berechnung eines aussagekräftigen CCF und damit exakten E(EaD) ist in diesem Fall besonders schwierig.

Für aufsichtliche Zwecke ist folgende konservative Vorgehensweise gebräuchlich: Der E(EaD) besteht aus dem aktuellen Obligo (entsprechend den aktuellen Wiederbeschaffungskosten wenn diese positiv sind, sonst null) und einem potenziellen künftigen Obligo (Potential Future Exposure, PFE). Das PFE errechnet sich durch Multiplikation eines von Produktart und Laufzeit abhängigen Prozentsatzes mit dem Nominal.

EaDZeitdimension des Obligos

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23Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Schätzung des Credit Conversion Factors (CCF):

• Der CCF kann aus den Daten der beobachteten Ausfälle geschätzt werden.

• Für jeden Ausfall mit einem bedingten Obligo wird ermittelt, wie hoch die Ausnutzung des bedingten Obligos gewesen ist.

• Die beobachtbaren Ausnutzungsgrade werden in homogene Gruppen eingeteilt, die ähnlich hohe Ausnutzungsgrade vermuten lassen. Kriterien für die Bildung homogener Gruppen können folgende sein:

• Rahmenart, Verwendungszweck

• Rahmenhöhe

• Kundengröße (Umsatz, Bilanzsumme, ...)

• Kundenrating

• Branche, Wirtschaftszweig

• Land, Rechtsordnung

• Der CCF für eine homogene Gruppe kann beispielsweise als arithmetisches Mittel der beobachteten Ausnutzungsgrade berechnet werden.

EaDZeitdimension des Obligos

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24Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Die Komprimierung der Obligoinformation in eine Zahl ist besonders für Zwecke der Eigenkapitalunterlegung eine akzeptable Vereinfachung.

Für Risikomanagement und Pricing ist diese Vorgehensweise zu ungenau.

Eine Verallgemeinerung besteht darin, das erwartete EaD nicht für einen Zeithorizont zu bestimmen, sondern für jeden zukünftigen Zeitpunkt t => E(EaD(t))

Für Geschäfte mit konstantem und deterministischem Obligo ergibt sich das erwartete EaD für jeden Zeitpunkt unmittelbar aus der Geschäftsstruktur.

Für Geschäfte mit stochastischem Obligo muss das erwartete EaD für jeden Zeitpunkt geschätzt werden.

EaDZeitdimension des Obligos

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25Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Beispiel: Ein Bauunternehmen hat derzeit einen Kredit in Höhe von 10 Millionen Euro. In zwei Jahren bekommt dieses Unternehmen weitere 5 Millionen Euro, wenn der Rohbau abgeschlossen ist. Die erfolgreiche Beendigung dieser Bauphase wird mit 80% Wahrscheinlichkeit geschätzt.

Wie hoch ist E(EaD(t)) für 0 < t <= 3 Jahre?

Lösung:

für t: 0 < t <= 2 => E(EaD(t)) = 10.000.000

für t: 2 < t <= 3 => E(EaD(t)) = 10.000.000 + 5.000.000 . 80% = 14.000.000

EaDZeitdimension des Obligos

Page 26: 1 Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein Zusammenfassung: Kontinuierliche Migrationsmatrizen bieten sich als ideale

26Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, WS 2006/2007, Dr. G. Knöchlein

Die allgemeinste Form der Darstellung des erwarteten EaD wird erreicht, wenn man für jeden zukünftigen Zeitpunkt t die Wahrscheinlichkeitsverteilung für das EaD angeben kann.

Für Geschäfte mit konstantem und deterministischem Obligo ist die Angabe einer Wahrscheinlichkeitsverteilung nicht notwendig, da das zukünftige Obligo bekannt ist.

Für Geschäfte mit stochastischem Obligo gilt folgendes:

Bei Zusagen (Commitments) und nicht jederzeit kündbaren Rahmen beschreibt die Wahrscheinlichkeitsverteilung, wie wahrscheinlich die einzelnen Ausnutzungsgrade für alle zukünftigen Zeitpunkte sind.

Für erfüllungsabhängige Forderungen muss die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung angegeben werden.

Für marktwertabhängige Forderungen beschreibt die Modellierung der Marktrisikofaktoren die Wahrscheinlichkeitsverteilung des erwarteten EaD.

Diese Form der Darstellung des erwarteten EaD ist besonders bei Portfoliomodellen, die mit Simulationstechniken arbeiten, wichtig.

EaDZeitdimension des Obligos