Upload
doanquynh
View
215
Download
1
Embed Size (px)
Citation preview
__________________________________________________________________________
2
2
SWR 2 Musikstunde
Montag, den 9. Januar 2012
Mit Susanne Herzog
Il prete rosso
Vivaldi, der Mensch
Das Wasser schwappt über den Rand der Kanäle. Madama Margarita,
Hebamme von Beruf, bahnt sich eiligen Schrittes ihren Weg durch die
zahlreichen Menschen, die aus ihren Häusern geflüchtet sind. Die auf
Pfählen erbaute Stadt, sie bebt. Endlich hat die Hebamme ihr Ziel erreicht:
der Barbier Giovanni Battista hat sie in seine Wohnung am campo grande
der Chiesa San Giovanni in Bràgora rufen lassen. Seine Frau liegt in den
Wehen, zwei Monate früher als gedacht: das Erdbeben hat unerwartet die
Geburt seines ältesten Kindes ausgelöst. Eine schwierige Geburt? Ursache
für die Krankheit, die „Enge in der Brust“, die Vivaldi sein ganzes Leben
lang begleiten wird? Wir wissen es nicht. Fest steht: Madama Margarita ist
um den Zustand des Antonio Lucio Vivaldi, der an diesem vierten März
1678 das Licht der Welt erblickt, ernsthaft besorgt: umgehend nimmt sie
eine Nottaufe vor. Dieses vermutlich schwächliche, auf Grund der frühen
Geburt sicherlich auch kleine Baby: so wie es da in den Armen der
Hebamme gelegen haben mag: niemand konnte da ahnen, dass dieser
Antonio einmal zu einem der berühmtesten Musiker Europas werden
sollte. 1’09
Musik 1
Antonio Vivaldi
Concerto Nr. 3 in G-Dur für Violine und Streicher, RV 310 aus: L’estro armonico op. 3
1. <18> 2’04 Europa Galante
Fabio Biondi, Violine und Ltg. Titel CD: Vivaldi L’estro armonico
Virgin veritas, 7243 5 453115 2 1, LC 7873 WDR 5031 005
3
3
Antonio Vivaldi: ein Konzert für Solovioline aus seiner Sammlung “L’estro
armonico”: Inspiration – l’estro – und traditionelle Regeln – armonico –
reiben sich hier stetig aneinander. Eine Sammlung, die Vivaldis Ruf als
Komponist moderner Instrumentalmusik weit über die Mauern des
Ospedale della Pietà hinaus tragen sollte. Fabio Biondi spielte Violine und
leitete gleichzeitig Europa Galante.
Und damit herzlich willkommen zu einer SWR 2 Musikstundenwoche über
Antonio Vivaldi: den Prete rosso, den roten Priester, wie Vivaldi auf Grund
seiner roten Haare genannt wurde, hier in der Musikstunde betrachtet und
belauscht aus ganz verschiedenen Perspektiven: der Mensch, der Lehrer,
der Komponist, der Unternehmer Vivaldi. Und am Ende der Woche ein
Blick ins hier und jetzt: wie steht es um die Unsterblichkeit von Vivaldis
Musik?
Gleich zu Beginn, die vielleicht schwierigste Sicht auf Vivaldi, die auf den
Menschen. Schwierig, weil es an Dokumenten fehlt, die ein detailliertes
Bild dieses Musikers zeichnen könnten. Briefe sind gerade mal vierzehn
erhalten. Und nicht so persönliche wie die von Mozart, wo man sich bei
der Lektüre die komplizierte Beziehung zu seinem Vater lebhaft vorstellen
kann oder die Kosenamen für’s Bäsle Einblick in ganz spezielle Sphären
der mozartschen Seele gewähren. Nein, Vivaldis Briefe sind voller
zeitgenössischer Huldigungsformeln, drehen sich um Verhandlungen zu
Opernaufführungen: nur ab und an blitzt da etwas Persönliches auf.
Deshalb nähern wir uns Vivaldi nicht erstmal von innen, sondern von
außen. Von der Stadt aus, in der Vivaldi fast sein gesamtes Leben
verbracht hat: Venedig.
Und stellt man sich das Venedig des ausgehenden 17. und beginnenden
18. Jahrhunderts vor, dann denkt man spontan an Gemälde von Giovanni
Antonio Canal, besser bekannt als Canaletto. Dieser Veduten Maler des
Venedigs mit seinen prunkvollen Palazzi, seinen Gondeln auf dem Canal
grande, dem Markusplatz und dem Dogenpalast. 2’00
4
4
Musik 2
Antonio Vivaldi Arie aus einer ungenannten Oper
<3> Di due rai languir costante par piacere è tormento 5’17
Cecilia Bartoli, Mezzosopran Il Giardino Armonico
Giovanni Antonini, Ltg. Titel CD: Cecilia Bartoli, The Vivaldi album
Decca, UN 925, 466 569-2, LC 00171 WDR 5038 028
Cecilia Bartoli mit einer Arie von Vivaldi. Giovanni Antonini leitete Il
Giardino Armonico. Der Veduten Maler Canaletto hat übrigens nicht nur
die verschiedensten Stadtansichten von Venedig verewigt, sondern auch
zu einigen Opern Vivaldis die Bühnenbilder gestaltet. Ziemlich wichtig
damals, denn im Theater war nicht nur die Musik von Interesse: wer saß
mit wem in der Loge, Klatsch und Tratsch: ein Vergnügen für die
Venezianer, die munter feierten und im Luxus schwelgten. Obwohl der
ehemalige Ruhm Venedigs als Handelszentrum für kostbare Stoffe,
Gewürze, Gold, Silber und Weihrauch längst passé war. Um die Wende
zum 18. Jahrhundert war Venedig nach dem Verlust seiner
wirtschaftlichen Macht, zum Ziel für Luxusreisende geworden. Aber nicht
nur die Feste des Adels, der in Venedig alle Macht in den Händen hielt,
galten als spektakulär. Venedig war die Stadt der Musik: in San Marco
hatten angefangen mit Adrian Willaert bis hin zu Claudio Monteverdi nur
Topmusiker für den herrlichen Klang der Kapelle gesorgt. 1637 dann
eröffnete in Venedig mit San Cassiano das erste öffentliche Opernhaus der
Welt! Nicht nur Adelige saßen fortan in ihren Logen, jeder Bürger konnte
sich ein Ticket kaufen. Die dritte Säule im venezianischen Musikleben
neben San Marco und Opernhaus - später Opernhäusern – waren die
Ospedali: Waisenhäuser, angegliedert an Krankenhäuser, daher der
Name. Bald schon zu Konservatorien umfunktioniert, die durch ihre
Konzerte einen hervorragenden Ruf erworben hatten. Wer Venedig
besuchte, verpasste die Konzerte der Ospedali garantiert nicht. 1’32
5
5
Musik 3
Antonio Vivaldi Allegro aus Concerto in a moll, RV 498
<10> 4’04 Sergio Azzolini, Fagott
Sonatori de la Gioiosa Marca Titel CD: Vivaldi Concerti per fagotto e oboe
Opus 111, naïve, OP 30379, LC 5718 WDR 5110 599
Der erste Satz von einem der zahlreichen Fagottkonzerte, die Vivaldi für
das Ospedale della Pietà geschrieben hat. Sergio Azzolini spielte Fagott, es
begleiteten die Sonatori de la Gioiosa Marca.
Zwischen den drei musikalischen Polen Ospedale, Opernhaus und San
Marco hat sich das musikalische Leben Vivaldis in Venedig abgespielt. Am
Ospedale della Pietà war er seit 1703 - mit nur 25 Jahren - als Maestro di
Violino angestellt, am Teatro Sant’ Angelo sollte er als Impresario und
Opernkomponist Erfolge feiern. Um seine musikalischen Anfänge zu
verstehen, muss man sich San Marco und dessen Orchester zuwenden.
Ich habe es ganz am Anfang schon erwähnt: Vivaldis Vater war Barbier -
und Amateurgeiger. Was verwundern mag, seinerzeit in Venedig aber
durchaus nichts Ungewöhnliches war. So wie wir uns heutzutage die
Wartezeit beim Friseur mit Zeitschriften verkürzen, hingen damals in den
Frisierstuben Instrumente an der Wand. Vivaldis Vater muss ziemlich gut
Geige gespielt haben und wurde denn auch bald Profi: Giovanni Legrenzi
machte ihn bei der Vergrößerung des Orchesters von San Marco zum
Mitglied seiner Truppe. Da sein Sohn in späteren Jahren für sein virtuoses
Geigenspiel gerühmt wird, kann man sich die Kindheit des kleinen Antonio
wohl mit einer Violine in der Hand vorstellen. Erster Unterricht nahe
liegender Weise sicher beim Vater. Und der Junge wird dann auch bald in
die Klangwelten des prachtvollen Domes von San Marco eingetaucht sein.
Als Achtzehnjähriger hat er im dortigen Orchester mal ausgeholfen. Der
Vater war inzwischen auch in den zahlreichen Opernorchestern der Stadt
unterwegs.
6
6
Früh also wird die gemeinsame musikalische Tätigkeit von Vater und Sohn
begonnen haben. Und so sollte es bleiben: sein Leben lang verband
Vivaldi eine enge Zusammenarbeit mit seinem Vater: gemeinsam mit ihm
wird er Impresario an Sant’ Angelo, gemeinsam gehen beide auf Reisen.
Freilich der Vater als Begleitung des inzwischen berühmten Sohnes.
Allerdings scheint die Bindung doch weit übers Berufliche hinausgegangen
zu sein: bis zum Tod des Vaters lebte Vivaldi nämlich im Haus mit seinen
Eltern. Und das hat sicher nichts damit zu tun, dass er Priester wurde.
Denn in der Serenissima genossen auch die Geistlichen große Freiheiten…
2’10
Musik 4
Antonio Vivaldi Domine Deus Rex coelestis aus: Gloria in D RV 589
1 <5> 4’03 Sarah Fox, Sopran
Nico de Gier, Oboe The Academy of Ancient Music
Stephen Cleobury, Ltg.
Titel CD: Vivaldi Gloria EMI Classics, 72 43 57265, 2 0, LC 6646
WDR 5080 662
Domine Deus, Rex coelestis aus Vivaldis Gloria in D-Dur. Es sang Sarah
Fox, die Solooboe spielte Nico de Gier. Stephen Cleobury leitete die
Academy of Ancient Music.
Warum ist er denn Priester geworden, fragt man sich: offensichtlich
konnte er schon in jungen Jahren gut, vermutlich sehr gut Geige spielen.
Durch seinen Vater hatte er Kontakte zur Musikwelt Venedigs. Und dann:
mit fünfzehn Jahren die Tonsur …?
Ich möchte nicht behaupten, dass alles Berechnung war: Vivaldi war ein
sehr religiöser Mensch. Eine Anekdote berichtet, er habe den Rosenkranz
„nicht eher aus der Hand gelegt, bis er die Feder ergriff, um eine Oper zu
schreiben.“
7
7
Aber einige rein pragmatische Überlegungen werden doch zur Wahl der
Priesterlaufbahn beigetragen haben: als einfacher Musiker hätte sich
Vivaldi erst mal „hochdienen“ müssen: man fängt als Tuttigeige an, steigt
dann langsam auf. Ansehen: gering, Einnahmen: ebenfalls. Als Priester
aber genoss man ein hohes Ansehen in Venedig und je nach Ausbildung
und Anstellung blieb sehr viel Zeit sich als Musiker zu betätigen und
zusätzlich Geld zu verdienen. Eine durchaus übliche Kombination: man
denke etwa an Giovanni Legrenzi: ebenfalls Priester und musikalischer
Chef an San Marco oder an Kardinal Ottoboni, der Libretti für diverse
Opern verfasst hat. Hinzu kam, dass die Serenissima seinerzeit berühmt-
berüchtigt war, für die zahlreichen Freiheiten, die sie ihren Geistlichen
gewährte. Das Zölibat wurde keinesfalls besonders streng ausgelegt…
Jedenfalls war der Priesterberuf in Venedig sehr beliebt: im Jahr 1766 kam
auf 23 Einwohner Venedigs je ein Priester! Wenn das kein sensationeller
Schnitt ist… 1’40
Musik 5
Antonio Vivaldi Concerto in C-Dur für Violine, RV 177
1 <1> 4’20 Giuliano Carmignola, Solovioline
Venice Baroque Orchestra Andrea Marcon, Ltg.
Titel CD: Vivaldi Late Violin Concertos Sony classical, SK 89362, LC 06868
WDR 5082 171
Das Venice Baroque Orchestra mit Andrea Marcon und dem ersten Satz
eines späten Concertos von Vivaldi, Giuliano Carmignola spielte die
Solovioline.
Vivaldi übte sein Priesteramt nur sehr kurze Zeit aus: schon nach einem
Jahr gab er das Lesen der Messe auf. Er selbst nennt sein „Leiden“, seine
Atembeschwerden als Grund, vermutlich Asthma Bronchiale. 1737 schrieb
Vivaldi in einem Brief: „Seit 25 Jahren habe ich keine Messe mehr gelesen
und werde es auch nicht mehr tun, nicht wegen eines Verbots oder eines
8
8
Befehls […] sondern aus freier Entscheidung, denn ich trage von Geburt
ein Leiden in mir, das mich behindert.“ Und weiter: „Aus diesem Grund
verbringe ich die meiste Zeit zu Hause und gehe nur mit der Gondel oder
zu Wagen aus, weil mein Brustleiden oder meine Enge in der Brust mir
das Gehen unmöglich macht.“
Auf jeden Fall hat Vivaldi seine Krankheit in seinem alltäglichen Leben
eingeschränkt, ihn möglicherweise sogar an der Ausübung des
Priesterberufes gehindert - vielleicht auch ein willkommener Vorwand.
Fest steht wohl: wir dürfen uns den Komponisten in den engen Gassen
Venedigs kaum zu Fuß vorstellen. Vielmehr passt das Bild Vivaldis in einer
Gondel auf dem Canal Grande oder bei Reisen außerhalb der Stadt im
eigenen Wagen. Nicht in der wesentlich billigeren Postkutsche übrigens.
Und damit wären wir bei Vivaldis Hang zum Luxus: Seniore Vivaldi
brauchte Platz: Der Vater war schließlich auch meist auf Reisen dabei und
gerne noch zwei junge Mädchen, zwei Schwestern. Eine von ihnen die
Sängerin Anna Girò. Über das Verhältnis des prete rosso zu jener jungen
Dame namens Anna ist viel gerätselt worden. 1’30
Musik 6
Antonio Vivaldi
Arie aus der Oper L’Olimpiade RV 725 <1> Siam navi all’onde algenti 6’40
Simone Kermes, Sopran Venice Baroque Orchestra
Andrea Marcon, Ltg. Titel: amor profane Vivaldi Arias
Archive Produktion, DG, 00289 477 6618, LC 0113 WDR 5161 661
Ohne Signora Girò zu nahe treten zu wollen: so wie die Sopranistin
Simone Kermes begleitet vom Venice Baroque Orchestra und Andrea
Marcon hier diese Arie aus Vivaldis Oper Griselda gesungen hat, so
makellos hat die Primadonna Anna Girò das damals vermutlich nicht
hingekriegt. Carlo Goldoni, der das Libretto zu dieser Oper Vivaldis
bearbeitet hat, jedenfalls charakterisiert die Girò nicht gerade sehr
9
9
vorteilhaft: „Sie hatte keine schöne Stimme und war keine große
Musikerin, sah aber hübsch und einnehmend aus; eine niedliche Figur,
schöne Augen, schönes Haar, ein reizender Mund. Sie war eine gute
Schauspielerin und hatte einige Gönner: mehr bedarf es nicht, um zu dem
Rang einer Primadonna aufzusteigen.“
Vivaldi aber scheint von ihren sängerischen Qualitäten überzeugt gewesen
zu sein: wie sonst hätte er sie so häufig in seinen Opern auftreten lassen
können? Schenken wir Goldonis Einschätzung Glauben, dann muss Anna
Girò sehr hübsch gewesen sein, die „Annina del prete rosso“, so nannte
Goldoni sie. Vivaldi hat sich gegen den Vorwurf eines Verhältnisses mit ihr
gewehrt: er habe lediglich eine „amicizia“, eine Freundschaft mit der um
viele Jahre jüngeren Dame, wohne aber weit entfernt von ihr! Nun, was
sollte der Priester auch anderes tun, als sich zu wehren? Aber die lockeren
Sitten in Venedig machten unter der Hand doch einiges möglich… 1’27
Musik 7
Antonio Vivaldi
Ausschnitt aus L’incoronazione di Dario RV 719 <12> Non mi lusinga vana speranza 5’42
Magdalena Kožená, Mezzosopran Venice Baroque Orchestra
Andrea Marcon. Ltg. Titel: Magdalena Kožená Vivaldi
Archiv Produktion, DG, 00289 477 8096, LC 0113 WDR 5175 628
Magdalena Kožená mit dem Venice Baroque Orchestra unter Andrea
Marcon mit einer Arie aus Vivaldis Oper: L’incoronazione di Dario.
Anna Girò war hübsch. Und vielleicht die große Liebe Antonio Vivaldis.
Vielleicht. Wie sah Vivaldi selbst aus? Die roten Haare waren natürlich sein
Markenzeichen. Aber es gibt auch noch drei Porträts, die uns etwas über
Vivaldis Aussehen und vielleicht sogar seinen Charakter verraten. Eines
davon eine Karikatur von Pier Leone Ghezzi: gezeichnet während eines
Romaufenthalts. Da ist das hervorstechende Merkmal die riesenhafte
Nase, sicherlich übertrieben als Sinnbild für Vivaldis Geschäftssinn als
Opernunternehmer, ja vielleicht sogar als Sinnbild für Gier. Die beiden
10
10
anderen Porträts – wovon eines nicht definitiv zugeordnet werden kann –
diese beiden zeigen Il Prete rosso lässig. Natürlich mit Violine auf dem
einen, nur mit Notenblatt auf dem anderen, aber eben nicht in seiner
Kleidung als Priester, sondern mit offenem Hemd: extravagant! Eitel
möchte man meinen.
Über Vivaldis Charakter lässt sich aus der historischen Distanz freilich
nicht allzu viel zusammentragen. Dennoch: bündelt man einmal alles,
könnte dabei folgende Beschreibung der Person Vivaldis herauskommen:
Ein rothaariger Priester, der – warum auch immer - die Messe nicht mehr
liest, ein dämonischer Violinvirtuose, ein zielstrebiger, gut organisierter
Opernimpresario, ein schnell komponierender Komponist, der seine Werke
zu barer Münze zu machen versteht, ein engagierter Lehrer im
Mädchenwaisenhaus, ein luxuriös Reisender im eigenen Wagen mit Vater
und zwei jungen Damen, ein Freund – oder Liebhaber – der Sängerin
Anna Girò, ein kranker Mann, der in Venedig nur per Gondel unterwegs
ist. Zusammengefasst: vielfältig, schillernd und von einer gewissen
Extravaganz. Was sich durchaus in Vivaldis Musik widerspiegelt. 1’48
Musik 8
Antonio Vivaldi
Dritter Satz aus Concerto RV 315 „L’estate“ aus Le quattro stagioni 1 <6> 2’22
Fabio Biondi, Violine Europa Galante
Titel CD: Vivaldi Il cimento dell’armonia e dell’inventione Virgin veritas, 7243 5 45465 2 5, LC 7873
WDR 5059 359
Einer der Mega Hits von Vivaldi: die Vier Jahreszeiten. Der letzte Satz aus
dem Sommer, damals wie heute in seiner Wirkung extravagant und
mitreißend. Es spielte Fabio Biondi mit Europa Galante.
Mit den Quattro Stagioni stand Vivaldi auf dem Höhepunkt seiner Karriere:
1725 – sechzehn Jahre sollte er noch zu leben haben. Sein Ende: ein
langsamer Abstieg: seine Musik war nicht mehr gefragt, weil veraltet,
dadurch blieb das Geld aus. Vivaldis letzte Hoffnung, weg aus Venedig und
11
11
auf nach Wien, zum Theater am Kärtnertor. Doch schon kurze Zeit nach
seiner Ankunft starb der Kaiser unerwartet – und mit ihm Vivaldis
Hoffnung aus seinem finanziellen und emotionalen Loch wieder heraus zu
kommen: ein Jahr Trauerzeit und damit keine Opern. Vivaldi entschloss
sich das Jahr abzuwarten: es sollte anders kommen. Im Sommer 1741
starb Vivaldi in Wien am „inneren Brand“ wie es heißt, ein
Armenbegräbnis wird ihm zu teil.
Hat man Vivaldis Tod zur Kenntnis genommen in der musikalischen Welt?
Hat ein Pisendel in Dresden seinem Lehrer gedacht, hat ein Johann
Sebastian Bach vielleicht mit seinen Söhnen über den Tod des Italieners
gesprochen? Zu Lebzeiten auf jeden Fall: der erste Bach Biograph Johann
Nikolaus Forkel schreibt über Vivaldi, er sei es gewesen, der den großen
Thomaskantor „musikalisch denken gelehrt“ habe. Das müssen Wilhelm
Friedemann oder Carl Philipp Emanuel Herrn Forkel berichtet haben. Also:
Vivaldi war durchaus Tischgespräch im Hause Bach. Und wer – abgesehen
von den Mädchen im Ospedale della Pietà - noch so alles von dem
italienischen Meister der Violine und des Concertos gelernt hat, dazu
morgen mehr in der SWR 2 Musikstunde.
Als kleiner Vorgeschmack darauf zum Schluss eine Dresdner Fassung des
Eingangssatzes von Vivaldis Frühlingskonzert mit zwitschernden Flöten: da
wird der Vivaldi Schüler und Dresdner Konzertmeister Johann Georg
Pisendel seine Finger im Spiel gehabt haben. 2’00
Musik 9
Antonio Vivaldi Allegro des Concerto Nr. 1 in E-Dur RV 269 “La Primavera”
<1> 3’37 Federico Guglielmo, Solovioline und Ltg.
L’Arte dell’Arco Titel CD: Antonio Vivaldi Le Quattro Stagioni Dresden Version with Winds
Cpo, cp 777 037-2, LC 8492 WDR 5110 637
Musik ca 38’09
Text ca 15’16