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1 Paradoxien Interkultureller Pädagogik Fachtagung/Dialogveranstaltung Diversity und Migration in lernmitteln Düsseldorf, 27. Mai 2015 Prof. Dr. Frank-Olaf Radtke

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Paradoxien Interkultureller Pädagogik

Fachtagung/DialogveranstaltungDiversity und Migration in lernmitteln

Düsseldorf, 27. Mai 2015

Prof. Dr. Frank-Olaf Radtke

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Streitfall Ausländerkriminalität

Mehmet ist Ausländer.

Sind Ausländer krimineller als Deutsche? Bei oberflächlicher Betrachtung der Kriminalstatistiken muss man diese Frage bejahen. Wenn man allerdings genauer hinschaut, sieht die Sache anders aus.

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„Warum könnte ein junger Ausländer Schwierigkeiten mit seiner Identität haben? Überlegt, weshalb sich dieser Konflikt in der zweiten oder dritten Ausländergeneration zuspitzt. Sprecht mit euren ausländischen Mitschülerinnen und Mitschülern darüber.“

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Transkript RT-P2-3

Datum: 22.12.05Thema: Rechtsextremismus/RassismusVerwendetes Schulbuch: „Tatsache

Politik“ Bd. 2, Diesterweg 1997Gruppe: 9. Klasse, GymnasiumAnwesende: 32 Schüler, 1 Lehrer, ein Forscher

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Thomas: Soll ich noch einmal die Frage vorlesen?L (m): Ja, bitte.Thomas: Warum könnte ein junger Ausländer

Schwierigkeiten mit seiner Identi=Identität haben. Überlegt, weshalb sich dieser Konflikt in der zweiten oder dritten Ausländer- generation zuspitzt. (-) Sprecht mit euren ausländischen Mitschülerinnen und Mitschülern darüber.

L (m): Mhmh

(Zeilen 7-13)

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Thomas: Es könnte sein, dass er durch das Leben in Deutschland sich nicht mehr wie ein richtiger Ausländer fühlt. Bei der zweiten und dritten Generation, die schon in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, findet keine richtige Integration in die deutsche Gesellschaft statt. Was dazu führen könnte, dass sie Anschluss in kriminellen Gangs und Banden sucht.

(Zeile 24-28)

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L (m): Mhmh. (-) Ok. (-) Das sind die Erklärungen (-), die du jetzt eingeführt hast (-). Wenn man das mal ganz stichpunktartig (-) kurz (-) wiedergibt, was habt ihr von ihm jetzt mitgekriegt? (2.0) Murat?

(Zeile 29-31)

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L (m): Mhmh. (-) Hm? (2.0), sag noch mal, was du gesagt hast, Thomas, ja?

Thomas: Ähm, ja halt, dass bei der zweiten, dritten Generation, weil die sind ja auch schon in Deutschland geboren,

L (m): [Ganz genau, ja!]Thomas: dass [da halt// ]S (w): [ ]L (m): [Psst!]Thomas: dass die (-) nicht mehr genau wissen, wie

(2.0)...

(Zeile 39-46)

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L (m): Ich werde zum Killer, sag ich ganz ernst. (2.0)Ja? (-) Es tut mir leid, dass ich dich jetzt zum zweiten Mal unterbrechen muss, aber das geht nicht bei so vielen, ja! Diese Privatgespräche, das läuft nicht! Und wir wollen die Sache ernsthaft besprechen und wenn ich das/das/dann kann ich das nicht verstehen, ja? Und du kannst es auch nicht verstehen (2.0) Und deine Nachbarin natürlich auch nicht, weil ihr beide natürlich //äh Kommunikation gehören immer einer, der (-) ( ) empfängt und einer, der redet, ja? So. (-) So bitte.

(Zeile 47-53)

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Thomas: Ja, die fühlen sich so hin (-) hin und hergerissen, weil die nicht mehr jetzt

wissen, ob sie Ausländer sind [oder] nichtL (m): [Mhmh]

[((Klirrendes Geräusch))]L (m): Mhmh? (-) Ok. Fühlen sich hin- und

hergerissen. Was gab es noch für Erklärungen, wer möchte noch? (3.0)

Bitte Anna!

(Zeile 54-59)

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7Anna: Es kommt darauf an, ob der Ausländer hier geboren

oder im Ausland aufgewachsen ist. Außerdem muss man darauf achten, ob die Familie sehr patriotisch ist, oder eher multikulturell. Als Ausländer findet man sich heutzutage in einer multikulturellen Gesellschaft wieder, in der man schnell in ein Klischee gesteckt wird, das gar//äh, das gar nicht auf einen zutrifft. Man muss mehrere Sprachen sprechen, kennt mehrere Traditionen und wechselt immer von einer Seite in die andere. In der zweiten oder dritten Ausländergeneration spitzt sich dies zu, da man immer geteilt lebt und immer ferner von seiner//äh, seinem Urland. Diese//äh, die eigene Kultur wird einem vielleicht mit der Zeit entfremdet.

L (m): Mhmh. (-) Ok. (-) Entfremdung(Zeile 60-70)

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L (m): Was für Stichwörter (merken) wir uns da, was für//was für//was für//welche äh//welche äh//. Seht ihr diese Position genauso, wie die Anna (2.0). Welche Erklärungs=äh=ursachen hat sie denn jetzt genannt? (-).

Ja, Rosana!

(Zeile 72-74)

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Rosana: Ähm, sie hat gemeint, ähm, (es) kommt auf die Familie anL (m): JaRosana: Ähm. Ob sie sehr patriotisch istL (m): JaRosana: oder ob sie also an ihre eigene Kultur sehr

sehr glaubt, [oder] ob sie eher L (m): [Ja ]Rosana: multikulturell ist und [ähm] die Kinder

integrieren lässt [( //)]

(Zeile 75-81)

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L (m): Ja, Markus!Markus: Ja, ich hab=s nicht ganz verstanden mit der zweiten und dritten Generation, also

( ) wieso sollte es sich genau da zuspitzen? Das versteh ich jetzt nicht ganz so [( )]. Ja wieso?

(Zeile 109-112)

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11L (m): [Aha!)] Äh ja! Das müsste man sich fragen! Warum soll

es sich da zuspitzen? (-) Äh, Anna!Anna: Ja, weil (-) man steht halt als Ausländer da! Das ist äh

Tatsache! Dann sagt die (Welt): Ja du bist Ausländer! Dann sagt der Ausländer: Aber ja, ich fühl mich aber nicht so, weil ich jetzt schon//mein Vater und meine Mutter und meine Oma leben schon, ähm, seit zwanzig Jahren (-) hier in Deutschland und ähm (-) ich fühl mich halt als Deutsche. Und dann sagen die: Ja, und was ist mit deiner Kultur? (-) Und dann sagt der Ausländer: Ja, aber meine Kultur interessiert mich halt nicht mehr so, weil ich mich mittlerweile schon (-) davon entfremdet habe (-) [weil] ich einfach nicht mehr den Bezug zu diesem Land

L (m): [Mhmh]Anna: habe, [weil ich] in Deutschland aufgewachsen [bin].L (m): [Mhmh] [Mhmh]! Rosana! (Zeile 113-125)

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L (m): [Ja!] Ich frage mal äh//eine relativ persönliche Frage, wer von euch ist denn jetzt in der dritten Generation, Ausländer=äh=Generation//wer gehört//äh//Rosana, äh wievielte bist du, [seid ihr?]

(Zeile 161-164)

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L (m): [Mhmh, ok.] Karim!S (m): [((lacht)) ( ich habe gerade verwechselt]Karim: [Nein, ich bin kein Ausländer]L (m): Hm?Karim: Ich bin keiner, bin gar keinerL (m): Gar keiner?Karim:Ja.L (m): Ne? [Äh, mhmh//]

(Zeile 205-212)

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14L (m): [Ja ja, so ] Nein, ist ja nur, ich habe ja geschaut,

ich habe, von der Physiognomie schließe ich manchmal. Ich bin ja//ich werde manchmal für äh irgendwie äh oder bin früher manchmal für einen Italiener gehalten, wenn ich die Haare stark zurückgegeelt habe [oder so was, ja] [Allgemeines Gelächter]

L (m): also äh, das ist ja// das ist ja weder eine neu// das ist ja eine neutrale Beobachtung, ja? Also, das hat ja nichts mit äh ja (-) zu tun, ich hätte jetzt äh (2.0) ja. Sonst hätte ich jetzt äh// Die Rosana hätte ich auch als äh (-) Ausländerin (äh) vermutet, ja jetzt von der reinen Erscheinung her, ja. (2.0) [( ) Rosana (-) ja (-). Also (-) ähm, das ist nicht persönlich äh als Abwertung oder Aufwertung zu sehen. Ja? ]

(Zeile 216-226)

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15L (m): Ok. Und äh (-) ja was sagt ihr? Aus eurer Befindlichkeit,

(der) ihr jetzt zweite oder dritte Generation seid, ihr könnt euch ja selbst befragen, ihr könnt ja auch den Anderen dazu was sagen, wie//wie sieht=s aus mit eurer Identität? (2.0)

S (m): ( ) ((sehr leise gesprochen))S (m): ( ) ((sehr leise gesprochen))L (m): Spitzt der sich bei euch zu mit eurer (-) äh? (2.0) Ja,

oben ist ja nochmal Identitätskonflikt, heißt hier, dass sich die Jugendlichen zwischen ihrer Situation als Deutsche und Ausländer hin- und hergerissen fühlen. Fühlt ihr euch zwischen der Situation als Deutsche und als Ausländer hier in Deutschland hin- und hergerissen, ist das so, oder ist das nicht so (-) bei euch?(((2.5) Durcheinander-Gemurmel))

...

(Zeile 228-244)

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Fortsetzung

L (m): Muss jetzt keiner was zu sagen von euch äh (-), aber (-) könntet ihr ja jetzt(((2.5) Nebengespräche))

L (m): [Hm. (2.0) Ok.] Gut. Lass ich mal so (-) stecken. Ja. So, wir haben jetzt noch (-) ähm, wenn meine Uhr richtig geht, haben wir noch (fünf//fünf) äh (-) ne! Noch äh vier Minuten.][((Nebengespräche, es bricht Unruhe aus))]

(Zeile 228-244)