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Prof. Christine Weiske – VL 8 Theorien und Geschichte der Stadt- und Regionalsoziologie
Theoretische Modelle: Die Gartenstadt und ihre ideengeschichtlichen Vorläufer
1.Zeitgenössische Großstadtkritik als Impuls für Reformideen
2.Ebenezer Howard als Reformer 3.Die Prinzipien der Gartenstädte 4.Das Beispiel Dresden-Hellerau
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Prof. Christine Weiske – VL 8 Theorien und Geschichte der Stadt- und Regionalsoziologie
1. Zeitgenössische Großstadtkritik als Impuls für Reform-Ideen
Schnelles Wachstum der Stadtbevölkerung in Industriestädten.
- Überbelegungen der (ohnehin kleinen)Wohnungen
- schlechte hygienische Ausstattung der Wohnungen und Häuser
- wohnungslose Menschen
(in Kellern, Nebengelassen, Asylen und als Schlafgänger)
- Volkskrankheiten: Rachitis, Tbc ...
- Cholera in den 1880/90er Jahren wegen schlechter
hygienischer Bedingungen
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Prof. Christine Weiske – VL 8 Theorien und Geschichte der Stadt- und Regionalsoziologie
Abb.: Eine Sanitär-Kommission untersucht eine überfüllte Kellerwohnung, Wien 1883
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Prof. Christine Weiske – VL 8 Theorien und Geschichte der Stadt- und Regionalsoziologie
1. Zeitgenössische Großstadtkritik als Impuls für Reformideen
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1. Zeitgenössische Großstadtkritik als Impuls für Reformideen
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Prof. Christine Weiske – VL 8 Theorien und Geschichte der Stadt- und Regionalsoziologie
Prof. Christine Weiske – VL 8 Theorien und Geschichte der Stadt- und Regionalsoziologie
Quelle:
Statistische
Jahrbücher
der Stadt
Chemnitz
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1. Zeitgenössische Großstadtkritik als Impuls für Reformideen
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Die Kritik an der modernen Entwicklung der Großstadt hatte
mehrere Anlässe (oder Quellen):
• die Sorge der Stadtbewohner um ihre eigene Gesundheit und
Lebenssicherheit Reform „von oben“, Mitwirkung der Kritiker
• die mitmenschliche Sorge um die Lebensbedingungen der
Ärmsten karitative Unterstützungen, Mitwirkung an den Reform von oben
• Protest der Betroffenen und Benachteiligten und Suche nach
der Verbesserung ihrer Lage Reform „von unten“
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Ebenezer Howard als Reformer (*1850 †1928)
Die Gartenstadt ist ursprünglich ein von dem Briten Ebenezer Howard im Jahr 1898 in England entworfenes Modell der planmäßigen Stadtentwicklung als Reaktion auf die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse sowie die horrend steigenden Bodenpreise in den stark gewachsenen Großstädten.
Allerdings wird der Begriff Gartenstadt häufig genutzt, um begrünte Stadtteile oder Bauprojekte romantisch zu beschreiben.
2. Ebenezer Howard als Reformer 14
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• Howard entwickelte eine eigene Idee, die Idee der
Gartenstadt. Er veröffentlichte sie 1898 mit seiner
Schrift: Garden Cities of tomorrow.
• Es gab und gibt in England zwei berühmte Gartenstädte:
Letchworth und Welwyn. Die Bauherrin dieser neuen Städte
war die Gartenstadtbewegung – eine soziale Bewegung von
Menschen, die eine Lebensreform mit einer Reform ihrer
Wohnbedingungen verbunden haben. Sie wollten besser leben
und besser wohnen.
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3. Die Prinzipien der Gartenstädte
• Vorzüge des Landlebens
mit Vorzügen des Stadtlebens kombinieren: Town-
Country als Leitidee
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3. Die Prinzipien der Gartenstadt 17
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• Idealtypisches Modell: konzentrische Ringstraßen um
das Zentrum, radiale Boulevards
• Zentrum: wichtigste öffentliche Gebäude, zentraler
Park
• Einzelstehende Häuser (Familienhäuser)von geringer
Geschosshöhe (2-3 Geschosse)
• Gärten an den Häusern (Erholung, Ernährung,
naturnahe Tätigkeit)
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Idealtypisches Modell:
konzentrische Ringstraßen um das Zentrum, radiale Boulevards
Zentrum: wichtigste öffentliche Gebäude, zentraler Park
Einzelstehende Häuser (Familienhäuser)von geringer Geschosshöhe (2-3 Geschosse)
Gärten an den Häusern (Erholung, Ernährung, naturnahe Tätigkeit)
3. Die Prinzipien der Gartenstadt 19
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• Urbanistische Idee: Fabriken (nicht rußend)in den
Außenlagen der Stadt bieten den Ortsansässigen
Arbeit und Einkommen
• Ackerflächen um die Stadt ermöglichen die Ernährung
von rund 20.000 Einwohnern
• Weitgehende Autonomie der Stadt auf ihrer
wirtschaftlichen Basis (Ackerbau und Industrie)
• Selbstbestimmung und der Selbstverwaltung der
lokalen Gemeinde
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3. Die Prinzipien der Gartenstädte
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Organisationsmodell: Bauherren der Gartenstädte
Genossenschaften der künftigen BewohnerInnen
• Selbstverwaltung
• Finanzierung (Anteile der Genossen, Kreditaufnahme
und später Tilgung)
• Landkauf
• Beauftragung der Architekten
• Baudurchführung und -überwachung
• Wohnungsvergabe und Mieteinnahme
• Erhaltung der Gartenstadt
3. Die Prinzipien der Gartenstädte 23
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Vorläufer der Gartenstadt-Idee
Sozialutopisten Englands und Frankreichs
• Charles Fourier (1772-1857) mit der Konzeption
der Phalanstère
• Robert Owen(1771-1858)mit der Siedlung New
Lanark in Schottland
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4. Das Beispiel Dresden-Hellerau
• Karl Schmidt (1873-1948) war Initiator von Hellerau(Werkstätten Hellerau)
• Zusammenarbedit mit der Deutsche Gartenstadtgesellschaft (DGG)(Bernhard und Hans Kampffmeyer)
• Landkauf „Am Heller“ 140 ha
• Richard Riemerschmidt (1868 – 1957)erstellte den
Bebauungsplan
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4. Das Beispiel Dresden-Hellerau 26
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• Für den Bau des Kleinhausviertels wurde eine Genossenschaft gegründet
• Landhausviertel: BewohnerInnen mit bürgerlichem
Status (soziale Segregation gehörte zum
Konzept)
• Die Schulen: Reformpädagogik
• Das Festspielhaus(1911) Wohlfahrteinrichtung in
Hellerau
4. Das Beipiel Dresden Hellerau 27
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Weitere Wohlfahrtseinrichtungen waren:
- das Waschhaus (Entlastung der
Familienhaushalte und der Hausfrauen, Ermöglichung
der Berufstätigkeit von Frauen)
- das Ledigenwohnheim für junge Erwachsene
(konfliktarmen Adoleszenz, frühe
wirtschaftliche Selbständigkeit)
4. Das Beispiel Dresden-Hellerau 28
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4. Das Beispiel Dresden-Hellerau 29
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Gestaltungsprinzipien
Hausgärten und öffentliche Gärten neben baumbestandenen
Straßen und Plätze bestimmen das das Bild der
Gartenstadt
Bauformen und Proportionen der Häuser orientieren sich
in ihrer Maßstäblichkeit am Menschen
Naturnahe Baumaterialien: Holz, Gesteine der Region,
heller Rauputz
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Fazit
• Die Ideengeschichte der Gartenstadt beruht auf einer
starken Kritik der Lebensbedingungen in der Großstadt des
19. Jahrhunderts für die einkommens-schwachen sozialen
Schichten aus.
• Die genossenschaftliche Organisation des Wohnungsbaus
verbesserte für viele Städterinnen und Städter ihre
Lebensbedingungen in der Stadt.
• Die ursprüngliche Idee der Gartenstadtbewegung, autonome
und wirtschaftlich selbständige Gartenstädte zu bilden, hat
sich nicht verwirklichen lassen. Die Gartenstädte sind
Bestandteile der "alten" Städte geworden, die sie jedoch
dadurch veränderte und verbesserte.
VL 8: Die Gartenstadt und ihre ideengeschichtlichen Vorläufer
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Übungsfragen:
1. Beschreiben Sie die Akteure, die Motive und die Ziele der Reformbewegungen des 19. Jahrhunderts, zu denen die Gartenstadtbewegung gleichfalls gehörte.
2. Wer sind die Initiatoren der Gartenstadt Hellerau? Beschreiben Sie die Gruppe der Akteure in einer soziologischen Perspektive.
3. Welche Rolle kommt dem Genossenschaftsprinzip im Rahmen von Selbsthilfe zu? Wie ist die Genossenschaft als Organisationsprinzip mit der Gartenstadtbewegung verbunden?
4. Wie bedingen sich Großstadtkritik und Suburbanisierungen gegenseitig? Hat die Stadt eine Zukunft als Siedlungsform?
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Literatur:
• Julius Posener (Hg.) (o. J.): Ebenezer Howard. Gartenstädte
von morgen. Frankfurt a.M. Wien.
• Bollerey, F. u.a. (Hg) (1990): Im Grünen wohnen – im Blauen planen. Ein Lesebuch zur Gartenstadt. Hamburg
• Jürgen Reulecke (Hg.) (1997): Geschichte des Wohnens.
1800 – 1918. Bd. 3. Stuttgart
Gartenstadt Marga
Eine Augenweide ist die sanierte älteste deutsche Gartenstadt "Marga" mit Beamten- und Angestelltenhäusern im Jugendstil. Sie
befindet sich im Ortsteil Brieske, und ist sowohl über die Uferpromenade des Senftenberger Sees als auch direkt bei einer Stadtführung erreichbar. Die Gartenstadtbewegung, die um 1900
in England entstand, fand in "Marga" ihre konsequenteste bauliche Umsetzung. So entstanden gleichzeitig zu den Wohnbauten eine Schule, eine Vorschule ein Kaufhaus,
Gaststätten und die Kirche