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1 Wie ein Low-Performer das ganze Team herunterzieht – und warum Kündigen nicht immer hilft Oh ja. Es darf Ihnen schon gewaltig stinken, wenn Sie einen Mitarbeiter im Team haben, der nicht richtig »funktioniert«. So ein Sorgenkind kostet nicht nur Zeit, Kraft und Geld, es zieht auch noch Ihr ganzes Team mit runter. Und mit einem ge- schwächten Team lässt sich nun mal kein Krieg gewinnen. Zu Ihrer großen Freude müssen Sie sich womöglich auch noch an- sehen, wie ebendieser Mitarbeiter ewig in der Kaffeeküche he- rumsteht, andere Kollegen von der Arbeit abhält und selbst nicht zu Potte kommt. Und dann packt er auch noch pünktlich um 17.00 Uhr seine Tasche und verschwindet. Oder Sie beob- achten, wie er sich in seinem Büro verschanzt, lustlos wirkt und sich ausklinkt, wenn die anderen gemeinsam Mittagessen gehen. Und dann noch die immer gleichen Gründe, warum die fünf vereinbarten Kundentermine wieder nicht geklappt haben. Weil natürlich der Markt, die Kundenstruktur oder die Nach- barabteilung schuld sind. Sie können es nicht mehr hören. Und staunen. Denn gerade er zeigt dieses inakzeptable Verhalten, das er sich aufgrund seiner aktuellen Leistung gar nicht leisten kann. Solche Fälle machen absolut keinen Spaß, das sehen wir genau- so. Denn wer von Ihnen hat noch die Kapazität, mit einem »Flop« im Team dennoch ein Top-Ergebnis zu erreichen. Aller- dings lässt keine der Führungskräfte, die wir kennen, ihren leis- tungsschwachen Mitarbeiter einfach links liegen, Verhalten hin oder her. Jede probiert erst einmal alles, um ihn aus seinem Tief herauszuholen. Die üblichen Gespräche haben Sie sicher auch schon hinter sich, in denen konkrete Ziele und die nächsten Schritte vereinbart wurden. Sie haben ihn enger rangeholt, seine Jobs machbar umrissen, an seine Qualifikation appelliert, 13

1 Wie ein Low-Performer das ganze Team … · Jetzt kann es sein, dass ein Mitarbeiter nicht oder nicht mehr das leistet, was die Stelle von ihm verlangt, und er trotzdem voll und

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1 Wie ein Low-Performer das ganze

Team herunterzieht – und warum

Kündigen nicht immer hilft

Oh ja. Es darf Ihnen schon gewaltig stinken, wenn Sie einenMitarbeiter im Team haben, der nicht richtig »funktioniert«. Soein Sorgenkind kostet nicht nur Zeit, Kraft und Geld, es ziehtauch noch Ihr ganzes Team mit runter. Und mit einem ge-schwächten Team lässt sich nun mal kein Krieg gewinnen. ZuIhrer großen Freude müssen Sie sich womöglich auch noch an-sehen, wie ebendieser Mitarbeiter ewig in der Kaffeeküche he-rumsteht, andere Kollegen von der Arbeit abhält und selbstnicht zu Potte kommt. Und dann packt er auch noch pünktlichum 17.00 Uhr seine Tasche und verschwindet. Oder Sie beob-achten, wie er sich in seinem Büro verschanzt, lustlos wirkt undsich ausklinkt, wenn die anderen gemeinsam Mittagessengehen. Und dann noch die immer gleichen Gründe, warum diefünf vereinbarten Kundentermine wieder nicht geklappt haben.Weil natürlich der Markt, die Kundenstruktur oder die Nach-barabteilung schuld sind. Sie können es nicht mehr hören. Undstaunen. Denn gerade er zeigt dieses inakzeptable Verhalten,das er sich aufgrund seiner aktuellen Leistung gar nicht leistenkann.

Solche Fälle machen absolut keinen Spaß, das sehen wir genau-so. Denn wer von Ihnen hat noch die Kapazität, mit einem»Flop« im Team dennoch ein Top-Ergebnis zu erreichen. Aller-dings lässt keine der Führungskräfte, die wir kennen, ihren leis-tungsschwachen Mitarbeiter einfach links liegen, Verhalten hinoder her. Jede probiert erst einmal alles, um ihn aus seinem Tiefherauszuholen. Die üblichen Gespräche haben Sie sicher auchschon hinter sich, in denen konkrete Ziele und die nächstenSchritte vereinbart wurden. Sie haben ihn enger rangeholt,seine Jobs machbar umrissen, an seine Qualifikation appelliert,

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praktisch unterstützt, Trainingsmaßnahmen eingeleitet undanalysiert, ob eine technische Hilfestellung erforderlich ist. Undtrotz der ganzen Investition bewegt sich Ihr Mitarbeiter nicht indie gewünschte Richtung. Im Gegenteil: Er macht den Ein-druck, als ob er überhaupt keinen Anlass sieht, etwas zu verän-dern. Will Ihr eigener Chef jetzt Ergebnisse sehen und sind Ter-mine in Gefahr, liegt das Thema mit höchster Priorität wiederauf Ihrem Tisch.

Noch konnten Sie sein Tief durch einen höheren Einsatz derKollegen wegpuffern. Die Leistungsträger hängen sich rein,wenn es drauf ankommt. Sie können da schon mal Druck aufden Kessel geben, ohne dass die gleich zusammenklappen – nurüberziehen dürfen Sie es nicht. Ab einem bestimmten Punktsind auch die guten Leute »fertig« und sorgen sich um ihre eige-ne Leistungsfähigkeit. Versetzt man sich in deren Situation,kann jeder von uns verstehen, wenn dem einen oder anderennicht nur die Luft ausgeht. Sondern auch die Lust! Wenn es ehschon wegen externer Faktoren an die Grenze der Belastunggeht, will keiner auch noch wegen eines schwachen Kollegenimmer ans eigene Limit gehen müssen. Irgendwann fragt mansich im Team, wie es denn sein kann, dass die Jobs nicht kor-rekt verteilt sind. Das nächste Problem: Die Leistungsträgerwünschen sich in solchen Phasen mehr Transparenz von ihrerFührungskraft, finden aber aufgrund der Gesamtsituation häu-fig keinen persönlichen Kontakt. Wie auch. Bei diesem Perfor-mance-Stand haben die wenigsten Führungskräfte den Frei-raum, das auch noch zu leisten.

Eine »Krücke« imTeam ist allesandere als einIdealzustand.

In eben solch einer Situation erzählt uns eine hoch en-gagierte Führungskraft, dass er selbst merkt, wie unge-duldig er momentan reagiert. Seinen inneren Druckhabe er normalerweise besser unter Kontrolle, aber im

letzten Meeting sei er seinen Mitarbeitern mehrmals ins Wortgefallen. Das ganze Ding hänge ihm im Kreuz und das bekom-me natürlich auch seine Frau ab. Wenn er nach Hause kommt,

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will er erst mal nichts mehr wissen, und sie braucht ihm mitihren Themen erst gar nicht zu kommen. Die Anspannung istverständlich, denn zum Schluss muss das Gesamtergebnis stim-men. Wie jede Führungskraft werden auch Sie Phasen im Busi-ness in Kauf nehmen, die kein Zuckerschlecken sind, und bereitsein, länger und härter zu arbeiten. Aber irgendwann kommtder Punkt, an dem Sie es vermutlich auch leid sind, ständig aus-gleichen zu müssen, Ihre wertvolle Zeit fast ausschließlich aneinen Mitarbeiter zu vergeuden und sich nicht auf Ihr eigentli-ches Geschäft konzentrieren zu können. Mit einer Krücke imTeam auf Dauer arbeiten zu müssen, das ist alles andere als einIdealzustand. Sicher: Sie möchten auch kein Scharfrichter seinund das letzte Urteil über den schwierigen Mitarbeiter spre-chen, aber insgeheim denkt wohl jeder Chef mal, dass es allenbesser ginge, wenn das Sorgenkind weg wäre.

Über die Hälfte der Führungskräfte in Deutschland würde ihreLow-Performer am liebsten rausschmeißen, um sie loszuwer-den. Doch Kündigen ist zum einen aus rechtlichen Gründensehr komplex und zum anderen so gut wie nie die Lösung fürdas Problem. Verstehen Sie uns bitte nicht falsch: In bestimm-ten Fällen geht es natürlich tatsächlich nicht anders.

Kündigen, wenn es nicht anders geht

Rechtlich gesehen hat jeder Arbeitnehmer die Pflicht, seine per-sönliche Leistungsfähigkeit auszuschöpfen. Jetzt kann es sein,dass ein Mitarbeiter nicht oder nicht mehr das leistet, was dieStelle von ihm verlangt, und er trotzdem voll und ganz seinerPflicht nachkommt. Einfach deshalb, weil er nüchtern betrach-tet alles ausgereizt hat, was ihm möglich ist. Er bemüht sich undhat einen guten Willen, kommt aber mit seinen Möglichkeitenan eine Grenze. Das erkennen Sie oft recht schnell, wenn sichseine Kompetenz auch nach einigen Personalentwicklungsmaß-

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nahmen nicht verbessert. Hat das Unternehmen aufgrund sei-ner Größe keine alternativen Stellen anzubieten, ist eine guteTrennung durchaus eine legitime Option.

Anders ist es in diesem Fall. Einer Ihrer Mitarbeiter hält dauer-haft seine Arbeitskraft zurück und demonstriert öffentlich seineilloyale und destruktive Einstellung nach dem Motto: »Mirkann hier niemand etwas.« Hier kann es sich um eine absichtli-che Pflichtverletzung handeln, die eine verhaltensbedingteKündigung rechtfertigen kann. Aber Achtung: Dies erforderteine absolut saubere Beweislage des Arbeitgebers.

Haben Sie vor, einem Mitarbeiter aufgrund seiner schlechtenLeistung zu kündigen, muss das Verhältnis von Leistung undGegenleistung so erheblich gestört sein, dass dem Unterneh-men das Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten ist. Und hierliegt der Hase im Pfeffer. Denn Ihr Mitarbeiter schuldet ledig-lich ein vertragsgerechtes Handeln, nicht jedoch einen Erfolg.Schlusslicht der Rankingliste zu sein, ist daher kein Indiz, daszu einer Kündigung berechtigt. Wollen Sie dennoch wegenLeistungsmängeln kündigen, müssen im Zweifel seine Arbeits-ergebnisse objektiv gemessen werden. Also beispielsweise, wieviele Fehler er macht, wie schwerwiegend diese Fehler sind undwelche Folgen sie haben. Dies muss dann mit Mitarbeitern, dieähnliche oder diegleichen Aufgaben haben, verglichen werden.Laut Aussagen von Rechtsexperten dürfen Sie dann von einererheblichen Leistungsminderung sprechen, wenn über einenlängeren Zeitraum die Leistung um mehr als ein Drittel gerin-ger ist als die vergleichbarer Mitarbeiter. Doch auch hier müs-sen Sie hieb- und stichfeste Beweise liefern. Hat der Mitarbeiternicht vorsätzlich den Arbeitsvertrag verletzt, wird eine Kündi-gung aufgrund schwacher Leistung kompliziert, arbeitsintensivund teuer.

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Kündigen hat seinen Preis

Dummerweise kostet eine Kündigung nicht nur Zeit, Geld undNerven. Sie opfern damit unter Umständen auch ein Teamkli-ma, das eine dauerhafte Leistung möglich macht.

Bevor die Kündigung endgültig wird, haben Sie meist schon et-liche Gespräche mit dem Mitarbeiter und dem Personalverant-wortlichen geführt. Allein das sind unzählige Stunden, die inden Trennungsprozess hineinfließen. Zeit, die Ihnen anderswofehlt. In der Zwischenzeit müssen Sie nach dem Neuen suchen.Und das kann dauern, denn die Besten stehen nicht mehrSchlange. Bis Sie den idealen Kandidaten gefunden haben, ver-geht dann erneut wertvolle Zeit. Haben Sie ihn dann endlich,braucht auch der Spitzenmann oder die Spitzenfrau eine gewis-se Zeit, sich einzuarbeiten und einzuleben.

Nach der bisherigen Erfahrung sind Sie bei der Auswahl desNeuen noch wählerischer geworden. Denn jetzt muss eben allesstimmen. Ein gute Stellenanzeige, ein Headhunter, Einstel-lungs- und Auswahlverfahren kosten allein ein kleines Vermö-gen. Obendrauf kommen allerdings noch Entgeltfortzahlung,abzuschreibende Weiterbildungskosten und meistens auchRechtskosten für den gekündigten Mitarbeiter. Erst danachliegt er Ihnen nicht mehr auf der Tasche.

Haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen und Zeit undGeld in die Hand genommen, dann werden Ihre Mitarbeiterund Sie erst mal froh sein und hoffen, dass es ab jetzt für allebesser wird. Doch die Erleichterung ist schnell dahin, wenn mitdem gekündigten Mitarbeiter beispielsweise auch einige seinerKunden wechseln. Im geringeren Fall werden die noch treuenKunden Ihrem Unmut über den ständigen Wechsel der An-sprechpartner Luft machen. Den Ärger der Kunden müssen dieKollegen geduldig und stets verständnisvoll abfangen. Denn dieinterne Situation interessiert den Kunden wenig. Und langsam

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kommt auch wieder der eigene Ärger hoch, wenn sie merken,dass der Kollege wichtige Informationen nicht dokumentierthat, verschwundene Daten rekonstruiert oder neu erfragt wer-den müssen. Das bedeutet: Zähne zusammenbeißen und lä-cheln.

Das werden Ihre Mitarbeiter auch noch aus einem anderenGrund tun. Mit so einer Kündigung setzen Sie automatisch einSignal. Ein Zeichen, was folgt, wenn man hier längere Zeit keineLeistung bringt. Jeder Ihrer Mitarbeiter interpretiert es auf seineArt und Weise. Manche sind sicher froh, dass schwache Leis-tung auch Konsequenzen hat. Andere jedoch beginnen darübernachzudenken, wie sicher denn ihr eigener Arbeitsplatz so ist,sollten sie selbst mal nicht wie erwartet Ergebnisse liefern.Dummerweise ist der Gedanke an einen möglichen eigenenLeistungsknick und seine Folgen wie der berühmte rosa Elefant.Einmal gedacht, kann man ihn nicht mehr ignorieren. Sicher.Es geht schon, ihn eine Zeit lang zu verdrängen. Aber irgend-wann meldet er sich wieder. Und je öfter man ihn verdrängt,desto penetranter kommt er wieder zum Vorschein. Und wirktsich jetzt dann erst recht auf die eigene Leistung negativ aus.

Zukunftssorgen machen vorsichtig. Und sie machen schweig-sam. Es ist doch völlig logisch, dass ein Mitarbeiter, der nichtgenau abschätzen kann, wie sein Leistungstief bewertet wird,lieber nichts Persönliches herauslässt. Beispielsweise wie ernicht nur mit der beruflichen Belastungssituation klarkommt,sondern auch noch seine privaten Päckchen tragen kann. Diewird er sicher nicht vor seinem Chef auspacken. Folge? Sie be-kommen immer weniger von Ihren Mitarbeitern mit und ganzplötzlich haben Sie es mit einem neuen Fall geringeren Engage-ments zu tun. Eine Mitarbeiterin erzählte neulich, dass sie dasGefühl hat, die anderen meiden sie jetzt genauso wie zuvor dengekündigten Kollegen. Sie ist vom Typ her eine Frohnatur undkommt trotz der vielen Arbeit immer noch mit guter Launeund einem fröhlichen »Guten Morgen« ins Büro. Ihre Kollegen

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stehen dann bereits am Kaffeeautomaten zusammen und grü-ßen kurz angebunden zurück. Das war für sie deshalb so selt-sam, weil es früher anders unter ihnen allen war. Das, was sie inder Anfangsphase so positiv im Team erlebt hat, erscheint ihrirgendwie mehr und mehr getrübt. Sie erlaubt sich deshalb inletzter Zeit immer häufiger, pünktlich zu gehen und auch malwas unerledigt zu lassen.

Mit der Kündi-gung bekommenSie das Problemnicht los.

Im Team entstehen neue Grüppchen und neue Außen-seiter. Die Stimmung kippt, und Sie müssen mit neuemUnmut rechnen, sobald es um die Mehrarbeit bis zurvollständigen Einarbeitung des neuen Kollegen geht. Esist eine schier unlösbare Aufgabe, dies gerecht zu verteilen. Sub-jektiv empfindet immer einer, dass er den schwarzen Peter ge-zogen hat, also das größte Paket. Wie Sie es machen, der Zu-stand ist auch nach der Kündigung nicht zufriedenstellend.Kein Wunder also, dass es dann nicht nur den Kollegen stinkt,sondern auch Sie die Nase irgendwann voll haben. So ein unan-genehmer Geruch von Unzufriedenheit innerhalb der Abtei-lung bleibt dann auch den Kollegen aus der Nachbarabteilungund Ihren Kunden nicht verborgen.

All das können Sie sich in den meisten Fällen sparen. DennLow-Performer ist nicht gleich Low-Performer. Ähnlich wieeine Kreislaufschwäche ein Symptom verschiedenster Erkran-kungen sein kann, ist die Leistungsschwäche das Symptom ganzunterschiedlicher Krankheiten, die in der Abteilung, im Teamoder zwischen dem Mitarbeiter und seiner Führungskraft gras-sieren. Ähnlich einer Kreislaufschwäche bringt auch der leis-tungsschwache Mitarbeiter nicht seine ganze Kraft auf die Stra-ße, obwohl er zu viel mehr in der Lage wäre. Woran liegt esalso?

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Low-Performer können viel mehr als sie zeigen

Den Fall, dass ein Mitarbeiter tatsächlich nicht mehr kann als erzeigt, haben wir vorhin schon erwähnt. Hier schieben wir nochetwas ergänzend nach.

Am falschen Platz

Meist sieht es der Mitarbeiter ja selbst recht schnell, dass ertrotz aller Anstrengung und Lernbereitschaft für die Stelle ein-fach nicht geschaffen ist. War eine gute Trennung in einemkleineren Unternehmen der logische Schritt, gilt das für eingrößeres Unternehmen meistens nicht. Dort wird so gut wieimmer erst nach einer internen Lösung gesucht. Ist ein besserpassender Arbeitsplatz gefunden, können alle schnell zufriedenweiterarbeiten.

Ähnlich unkompliziert ist diese Situation: Ihr Mitarbeiter sitztmittlerweile auf der falschen Stelle. Nicht deshalb, weil er unbe-dacht eingestellt wurde, sondern weil sich das Anforderungs-profil seiner Stelle erheblich verändert hat. In dynamischenMärkten, die ständig eine neue Geschäftspolitik und neueStrukturen verlangen, brauchen auch die Mitarbeiter neueKompetenzen und andere persönliche Stärken. Und plötzlichkann Ihr prinzipiell guter Mitarbeiter den neuen Anforderun-gen nicht mehr genügen. Beispielsweise muss ein Sachbearbei-ter einer Krankenkasse heute nicht nur formal gut beraten, son-dern seine Kunden auch aktiv auf Zusatz-Produkte und Ser-viceleistungen hinweisen. Manche Mitarbeiter blühen durchsolch eine Entwicklung richtig auf, andere wiederum gehen ein.Ist das Team oder das Unternehmen groß genug, finden Sie mitgroßer Wahrscheinlichkeit auch hier eine Möglichkeit, in derdieser Mitarbeiter seine Stärken weiterhin gut zur Geltung brin-gen wird. Sicher haben Sie das beide bereits im Mitarbeiterge-spräch diskutiert und nach einem passenden Entwicklungsweggesucht. Wenn es solche Alternativen nicht oder nicht sofort

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gibt, können Sie zumindest über motivierende Sonderaufgabenweitere Leistungsmöglichkeiten des Mitarbeiters abrufen.

Viel undurchsichtiger als diese beiden Fälle sind da schon jene,in denen Ihr Mitarbeiter auf der richtigen Stelle sitzt und eigent-lich alles andere passt. Er hat alles, was er braucht, er hat es vonseinem Können und seiner Qualifikation drauf, aber aus irgend-einem Grund bringt er seine PS nicht oder nicht mehr genugauf die Straße. Stattdessen wird er »anders« und ein wenig»komisch« und Sie können sich beim besten Willen nicht erklä-ren, warum er nicht einfach ganz normal seinen Job erledigt.

Was sind das denn für Mitarbeiter, die nicht oder nicht mehrdas bringen, wozu sie in der Lage sind? Das kann man nicht miteinem Satz beantworten. Deshalb sind wir das Wagnis einge-gangen und haben erst mal fünf Typen beschrieben.

»Typen« mit diffusen Leistungstiefs

Solche diffusen Leistungstiefs zeigen sich beispielsweise in die-ser Art:

Typ 1: Der Dinosaurier

Dieser Mitarbeiter ist bisher nicht schlecht gewesen. Seit 25 Jah-ren betreut er treu und zuverlässig seinen Kundenstamm – einebeachtliche Leistung. Aber immer häufiger vermuten Sie, dasser den Anschluss an die Neuzeit verpasst hat. Es scheint, als ober aus einer anderen Epoche stammt und immer noch lebt undarbeitet wie in einer längst vergangenen Zeit. Ewig lange schonhören Sie in jedem Mitarbeitergespräch von ihm das Gleiche.Er erzählt Ihnen in epischer Breite, was er vor fünf Jahren allesgemacht hat und wie er auch ohne Checkliste, sonstigenSchnickschnack und elektronische Beratungsbögen seine Kun-den sehr gut beraten hat. Obwohl es Sie herzlich wenig interes-

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siert, was damals war, hören Sie ihm zu und denken gleichzei-tig: »Ach du liebe Zeit, er hat gar nicht mitbekommen, dass dieWelt sich weitergedreht hat.« Sicher, seine Erfahrung und seineBestandskunden hat er noch. Da gibt es nur ein klitzekleinesProblem. Sie müssen aufgrund einer Umstrukturierung seinenKundenstamm umverteilen. Und das findet er jetzt logischer-weise nicht mehr so toll. Natürlich machen Sie ihm die auf ihnzukommenden Schulungsmaßnahmen für das neue Beratungs-konzept schmackhaft. Allerdings weiß er schon längst, dassdabei nichts Neues rauskommen wird. Schließlich macht er denJob schon 25 Jahre und er muss sich nicht von einer jungenTrainerin, die sowieso noch nie selbst beraten hat, sagen lassen,wie er zukünftig seine Kundengespräche führen soll. Er erkenntan, dass die Jüngeren schnell sind und sich leicht in neue Pro-gramme einarbeiten, aber ...

Typ 2: Jung, dynamisch, erfolglos

Bei den Jüngeren läuft leider auch nicht immer alles so super,wie Sie sich das im ersten Moment erhofft hatten. Angenom-men Sie haben eine neue Mitarbeiterin für den Vertrieb insTeam geholt. Ihre Aufgabe soll sein, den Draht zu den Kundenaufzubauen und telefonisch weitere Kundengespräche zu ver-einbaren. Nichts, was nicht machbar wäre. Ihre Mitarbeiterinist jung, sie ist dynamisch und machte beim Vorstellungsge-spräch einen quirligen, kommunikationsstarken, selbstbewuss-ten und agilen Eindruck. Also, bestens geeignet für den Job. Siegeben ihr das Einzelbüro mit der neuesten technischen Ausstat-tung, damit sie ungestört telefonieren kann. Die Kollegen wer-den sie auch nicht stören, weil die sowieso fast den ganzen Taghochkonzentriert an ihrem Rechner arbeiten. Klar: Gespanntund neugierig sind alle darauf, was die Neue an Ergebnissenbringt. Die Adressliste hat sie und es kann losgehen. Wochenvergehen und die Kollegin erzählt eifrig und mit einem gutenSchuss Optimismus, was sie tut und was sie noch vorhat zu tun.

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Und nach einer geraumen Zeit erlauben Sie sich, mal genauerhinzusehen, und stellen fest: Gar nichts ist passiert. Nullkom-manull Kundentermine sind zustande gekommen. Obwohl siealles hat, was das Herz eines Mitarbeiters begehrt, liefert sienicht. Gut, einen Gesprächstermin beim Kunden hat sie verein-bart. Aber der kam nur zustande, als eine Trainerin neben ihrsaß. Der erzählt sie, dass sie es besser hinbekommt, wenn sienicht das Gefühl hat, allein zu sein ...

Typ 3: Das Pokerface

Dieser Typ Mitarbeiter lässt sich nicht in die Karten schauen. Eskann Ihnen passieren, dass Sie bis zum Schluss im Dunkeln tap-pen und komplett überrascht sind, wenn er sein letztes Blatt aufden Tisch legt. Beispielsweise ist das ein Mitarbeiter, der fürseine kontinuierlich guten Zahlen bekannt ist. Die erreicht ermit einer großen Portion Sach- und Ergebnisorientierung.Manchmal wirkt er ein wenig kompliziert, stur und emotionalnicht sehr zugänglich. So ist es auch kein Wunder, dass Sie sogut wie nichts Privates von ihm wissen. Okay, das ist im Prinzipauch nicht tragisch, denn Sie wollen ihn ja schließlich nicht hei-raten. Bisher hat er seine Ergebnisse geliefert und das reicht.Eine Sache fällt in den letzten Wochen auf. Er sitzt noch längerim Büro und es wird oft 20.00 Uhr oder später. Na ja, vielleichtwill er nicht nach Hause gehen, weil er da Stress hat? Mit Si-cherheit wird er sich Ihre Worte in der letzten Besprechung zuHerzen genommen haben. Dort haben Sie aufgrund der aktuel-len Marktsituation alle aufgefordert, mehr Gas zu geben. Etwasnachdenklich stimmen seine Ergebnisse. Die bleiben trotz län-gerer Arbeitszeit gleich, Tendenz fallend. Vor Kurzem gab es danoch die Situation, dass er einem Kunden erst etwas zugesagtund sich danach nicht mehr bei ihm gemeldet hat. Sehr merk-würdig. Einer der Kollegen hat ihn mal angesprochen und ge-fragt, was los ist. Zur Antwort bekam er: »Ach, lass mich inRuhe, alles okay.« Der Typ »Pokerface« zeigt sein Blatt, wenn

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gar nichts mehr geht. Dann kann eine völlig unerwartete Reak-tion zum Vorschein treten, wie beispielsweise während einerBesprechung in hemmungsloses Weinen auszubrechen. Erkann kurz vor dem Zusammenbruch stehen und keiner sieht esihm an. Oder es kann sein, dass erst in einem Abmahnungsge-spräch rauskommt, dass der Partner vor Kurzem ausgezogen istund kein Mensch etwas mitbekommen hat ...

Typ 4: Der Perfektionist

»Ich mache keine Fehler.« So eine Aussage kann von einemMitarbeiter dieses Typs stammen. Stellen Sie sich folgendes Sze-nario vor: In der Pause stehen Sie mit einem Perfektionisten beieinem Kaffee zusammen und wahrscheinlich werden Sie sogarnett miteinander plaudern. Wenn Sie anschließend dann zuzweit in Ihrem Büro sitzen und ein Sachthema diskutieren, wirdes dagegen häufig ziemlich kompliziert. Themen, die Sie bereitsvor vier Wochen besprochen haben, versucht dieser Mitarbeiterakribisch genau umzusetzen und kommt natürlich mit seinerZeit hinten und vorne nicht klar. Statt schneller zu arbeiten,wird er noch genauer. Von der Vorstellung, dass er neue Aufga-ben pro-aktiv angeht, haben Sie sich schon lange verabschiedet.Zwischendurch macht er ja ganz nette Sachen, nur leider kön-nen Sie herzlich wenig damit anfangen. Er gräbt Details aus, andie Sie sich schon gar nicht mehr erinnern und die auch völligunwichtig sind. Und manchmal fragen Sie sich, ob er das ernstmeint oder Sie auf den Arm nimmt. Verständlich, dass Sie sichgerade mehr an seinen Kollegen aus dem Nachbarteam wen-den. Der kommt aktiv auf Sie zu und bewegt die Dinge nachvorn. Von ihm kommt auch der Vorschlag, den perfektionis-tisch veranlagten Mitarbeiter mehr zu entlasten. Der könnegerne mehr an ihn delegieren, denn er hat noch Kapazität frei.Aber sobald man dem Kollegen was abnehmen will, bleibt derauf seinen Aufgaben sitzen wie die Glucke auf dem Ei. Er gibtnichts her. Stattdessen hat er überall seine Finger im Spiel. In

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jedem Prozess ist er irgendwie mit drin. Sicher, er ist ein wan-delndes Lexikon, wenn es um Daten, Fakten, Zahlen geht. Dannkann es schon mal passieren, dass er wichtige Kundentermineverschleppt. Einfach deshalb, weil er überzeugt ist, dass nochnicht alle Details stimmen und das Schreiben an den Kundennoch nicht hieb- und stichfest ist, obwohl es längst gut genugwäre ...

Typ 5: Von der anderen Art

Nein, es handelt sich hier nicht um Marsmännchen. Aber soetwas in der Art. Denn es gibt immer wieder Mitarbeiter inTeams, die wollen einfach nicht richtig reinpassen. Das kannder Zahlenmensch in einem Haufen kreativer Köpfe sein. Daskann der Krawattenträger unter lauter Jeans-Typen sein. Oderes ist die einzige weibliche Diplom-Ingenieurin unter lautermännlichen Kollegen, die mit selbst gestrickten Pullis auftauchtund erst einmal ein Meeting einberuft und sich mit den ande-ren austauscht, bevor sie an eine Aufgabe rangeht. So ein Mitar-beiter wirkt fremd. Die Art und Weise, an Probleme und The-men heranzugehen, weicht zu sehr von denen der anderen ab,dass diese Abweichung anstrengend empfunden wird. Ent-spannter wirken alle, wenn der Mitarbeiter gerade außer Hausist. Selbstverständlich ist Toleranz allen ein hohes Gut, aberalles hat auch Grenzen. Schließlich müssen alle so zusammen-arbeiten, dass am Schluss das Ergebnis stimmt. Ein wenig mussdieser Kollege sich schon an die Kultur anpassen. Also reden Siemit ihm. Erst auf die sanfte Art und wenn es sein muss auchetwas deutlicher. Es kann sein, dass so ein Mitarbeiter zu diesenGesprächen zunächst noch termingemäß erscheint. Dann aberimmer mal wieder einen ganz wichtigen Grund hat, den Ter-min nicht wahrnehmen zu können. Oder er muss kurzfristigabsagen, weil er plötzlich krank geworden ist. Im Extremfallhaben Sie es zum Schluss sogar mit einem Dritten zu tun – demBetriebsrat ...

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Ihr Mitarbeiterzeigt sich voneiner Seite, diemit dem gesun-den Menschen-verstand kaumzu erklären ist.

Zusammengefasst werden Sie zunächst immer das beiIhren Mitarbeitern sehen: schlechte Zahlen, unter-durchschnittliche Ergebnisse, niedrige Qualität oderTerminverschleppung. Sie sehen, dass ein Mitarbeitersich nur gering beteiligt, neue Aufgaben vermeidet,selbst bei einfachen Aufgabenstellungen blockiert ist,sich zurückzieht, dicht macht, sich unpassend hilfloszeigt oder völlig unkontrolliert reagiert. Sie hören, dass ein Vor-schlag unter den gegebenen Bedingungen nicht funktionierenwird und dass äußere Faktoren schuld am Ergebnis sind. Alldiese Typenbeschreibungen machen eines deutlich: Ein Mitar-beiter zeigt sich von einer Seite, die aufregt, erstaunt, über-rascht, fassungslos macht, irritiert und mit dem gesunden Men-schenverstand oft kaum zu erklären ist. Was steckt also dahin-ter? Das finden Sie hinter den Kulissen heraus.

Hinter den Kulissen des Verhaltens

Von außen betrachtet sieht es auch so aus, als ob ein Mitarbei-ter alles hat, was sein Herz begehrt. Das Unternehmen stelltihm die neueste technische Ausstattung zur Verfügung, er darfinteressante und teure Weiterbildungsangebote besuchen under ist in der komfortablen Situation, seinem Kunden exzellenteProdukte präsentieren zu dürfen. Damit er gesund, fit und ent-spannt bleibt, kann er Sport-, Ernährungs- und Meditations-kurse auswählen. Dass ihm die Vereinbarkeit von Beruf und Fa-milie zugesichert wird, ist schon fast selbstverständlich. Werwürde sich nicht so ein Unternehmen als Arbeitgeber aussu-chen wollen? Und trotz all dieser Annehmlichkeiten und Un-terstützungsangebote kann dem Mitarbeiter eine Sache fehlen.Der entscheidende Faktor, das Blatt zu höherer und dauerhafterLeistung zu wenden.

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Der fehlende Faktor für Leistung und Zusammenarbeit

Was bei einem schwach leistenden Mitarbeiter dahintersteckenkann, können Sie sich so vorstellen: Vielleicht sitzt er im Bürodirekt seinem Kollegen gegenüber, arbeitet mit dem und denanderen Teammitarbeitern im Projekt eng zusammen und istvon außen ein fester Teil des Teams. Er selbst fühlt sich aber inkeiner Weise in diesem Team »drin«. Denn zum Team dazuzu-gehören heißt nicht automatisch, sich zugehörig zu fühlen.Nach außen scheint alles in Ordnung, innerlich fühlt sich derMitarbeiter allein und abgeschnitten – obwohl er es faktischnicht ist. Das, was ihm verloren gegangen ist, ist sein Zugehö-rigkeitsgefühl.

Das Zugehörigkeitsgefühl ist ein inneres Erleben und entstehtnur im sozialen Kontext. Das bedeutet: Ein Mitarbeiter teilt seinBedürfnis oder auch sein Angebot nach Zugehörigkeit mit, bei-spielsweise durch ein freundliches Lächeln. Darauf erhält er vonseinen Mitmenschen eine Antwort, die in ihm eine Empfin-dung auslöst. Diese Empfindung kann im günstigen Fall heißen»Zugehörigkeitsgefühl« oder im ungünstigen Fall »Alleinsein«oder »Abweisung«. Ohne Zugehörigkeitsgefühl fühlt man sich,als ob die emotionale Verbindung mit anderen Menschendurchgeschnitten ist. Es hat nie etwas mit äußeren Rahmenbe-dingungen, Technik oder Ausstattung zu tun, sondern aus-schließlich mit der Beziehung zu anderen Menschen.

Das Zugehörig-keitsgefühl ist

der entscheiden-de Faktor fürLeistungsent-wicklung und»Mit-Arbeit«.

Hat Ihr Mitarbeiter ein starkes Zugehörigkeitsgefühl,ist er auch bereit, mit seiner Leistungskraft und seinemKönnen zum Gelingen der Gemeinschaft und zum Er-folg beizutragen. Ist bei einem Mitarbeiter dagegenkein Zugehörigkeitsgefühl mehr vorhanden und er er-lebt sich emotional getrennt von anderen Menschen,beeinflusst das in gleichem Maße seine Bereitschaft zur

Mitarbeit. Das »Mit« wird dann buchstäblich von der »Arbeit«getrennt. Er wird egoistischer, vorsichtiger, lustloser, ange-spannt und schwächer. Das Heimtückische dabei? Auch Ihr

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leistungsstarker und vielversprechender Mitarbeiter kann seineinnere Verbundenheit verlieren, ohne dass die Kollegen oderSie sich einer Schuld bewusst sind. Oft merken Sie ihm sogarlange Zeit nichts an und sind dann umso mehr überrascht,wenn er vermehrt Fehler macht, schlechtere Ergebnisse ablie-fert oder sich querstellt. Achten Sie darauf, wie es um sein Zu-gehörigkeitsgefühl steht. Denn egal, welchen Mitarbeitertyp Siehaben, ein Verlust des Zugehörigkeitsgefühls kann jeden erei-len. Wie schnell jemand die innere Verbindung zu anderen ver-liert, ist wiederum sehr unterschiedlich und hängt davon ab,was in seinem Drehbuch geschrieben steht. Mit diesem Dreh-buch tritt er auf – auf der Theaterbühne des Lebens.

So ein Theater

Tatsache ist: Jeder will einen Platz auf der Bühne. Stellen Sie sichdas so vor. Ihr Mitarbeiter hat irgendwann die Bühne in IhremTeam betreten und hatte sein eigenes Drehbuch dabei. DiesesDrehbuch hat er selbst geschrieben und er führt auch noch dieRegie. Das Stück, in dem er spielt, hat schon begonnen, und alleanderen Akteure auf der Bühne haben ebenfalls ihre eigenenDrehbücher. Der Mitarbeiter hat in seinem Drehbuch festgelegt,welchen Platz er im Zusammenspiel mit den anderen einnimmt.Er hat seine Rolle selbst ausgewählt, charakterisiert, ausstaffiertund sie in Szene gesetzt. Im Prinzip müsste er gar nicht mehr insein Skript schauen, denn es ist ihm so vertraut, dass er es in-und auswendig kann. Er kennt es seit Kindertagen.

Sie, wir, jeder von uns hat in seiner frühen Kindheit sein per-sönliches Drehbuch verfasst. In der Regel geschieht dies biszum sechsten Lebensjahr. Bei unserer Geburt sind wir ebenfallsauf eine Bühne getreten und im zweiten Akt eines Stücks gelan-det. Dort beobachteten wir genau, was passiert. Es gab einigebesondere Ereignisse und Menschen mit ihren Botschaften. Dieanderen lebten uns vor, was für sie wichtig und richtig war.Manches mochten wir, manches nicht. Aus all den Informatio-nen haben wir uns sehr kreativ für unsere eigene Sicht entschie-

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den und unsere persönlichen Schlussfolgerungen gezogen. Ent-scheidend war gar nicht so sehr, wie es wirklich war, sondernwie wir es interpretierten und welche Konsequenz sich für unsdaraus ergab. Drei Aspekte haben wir besonders ins Visier ge-nommen. Erstens: die Personen, die schon auf dieser Bühnestanden. Zweitens: wie jeder von ihnen agierte, und drittens:welche Rolle noch unbesetzt war. Ganz logisch haben wir unsfür diese Rolle entschieden. Eine Rolle, die uns einen Platz indiesem Ensemble garantierte. Diese Rolle verschaffte uns unse-ren eigenen Platz.

Es ist überaus spannend, wie vielfältig eine Rolle zum Ausdruckkommen kann. Wird sie als Optimist oder Pessimist gespielt,als Held oder als tragische Figur, böse oder gut, rebellisch oderangepasst, aktiv oder unscheinbar, als Retter oder Täter, alsPrinz oder Prinzessin, als Kasperle oder als Großmutter, oderoder oder? Seine Rolle lebt der Akteur immer mit bestem Wis-sen und Gewissen aus seiner privat-logischen Sicht. Niemandgibt ihm eine Regieanweisung. Der Akteur hat die Rolle seinesLebens, weil sie ihm einen Platz sichert und er damit erfolgreichwird. So denkt er jedenfalls.

Das privat-logische Drehbuch des Mitarbeiters legt fest, wieer sich selbst, die anderen und eine Situation sieht und waser tun muss, um die Rolle seines Lebens zu spielen.Und: Die Arbeitsrealität wird unter diesem Blickwinkelwahrgenommen und bewertet.

Ein paar Regieanweisungen durch einen anderen Regisseurwären manchmal hilfreich. Denn bestimmte Drehbücher sindnicht geeignet für dauerhaft gute Auftritte und eine langjährig er-folgreiche Tournee mit anderen Ensembles als dem der Familie.Manche Mitarbeiter haben leistungsgefährdende Überzeugun-gen, Einstellungen, Meinungen darin stehen, ohne dass sie sichdessen bewusst sind. Diese Überzeugungen sind äußerst schäd-lich, denn sie gefährden unmittelbar das Zugehörigkeitsgefühl.

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Leistungsrisiko »aus Überzeugung«

In so einem Drehbuch können also Sätze notiert sein, die imZusammenspiel mit anderen trennend wirken und den Verlustdes Zugehörigkeitsgefühls auslösen. Alles beginnt erst einmalim Kopf und gewinnt an Dramatik, weil solche Sätze nicht nureine Leistungsschwäche bewirken, sondern auch bis zum Total-ausfall führen können. Eine Depression kann sogar eine Art Lö-sungsversuch für ein inneres Erleben fehlender Verbundenheitsein. Mitarbeiter erbringen dann manchmal Oscar-reife Schau-spielleistungen vor ihren Kollegen, Kunden und dem Chef,bevor sie nach Hause gehen und zusammenbrechen.

Der Verlust desZugehörigkeits-gefühls beginntmit ungünstigenÜberzeugungen.

Mittlerweile weiß fast jede Führungskraft von mindes-tens einer Person in ihrem Umfeld, die von heute aufmorgen ausfällt, weil sie nicht mehr kann. Gerade nochwar der Mitarbeiter in der Besprechung und jetzt ist erfür mehrere Wochen krankgeschrieben. Alle rätseln,wie es überhaupt dazu kommen konnte. Das schnelle Tempo,die Komplexität, die Informationsdichte, der Zahlen- und Ter-mindruck, all das lässt sich irgendwie rational nachvollziehenund deshalb werden diese Faktoren zuerst als Begründung zurHand genommen. Es steht außer Frage, dass Arbeitsdichte, Dis-kontinuität und der Druck vom Markt ihren Tribut fordern.Aber das ist eben nur ein Puzzleteil, um Leistungsschwäche bes-ser verstehen, einordnen und frühzeitig etwas dagegen tun zukönnen. Besonders aufmerksam werden wir auch, wenn derMitarbeiter die Schuld für seine Lage auf die schlechte Bezie-hung zum Chef, die nervenaufreibenden Konflikte unter denKollegen und den unmenschlichen Zahlendruck schiebt. Auchdas ist nur ein Teil des Ganzen. Einen wesentlich größeren Ein-fluss auf Erschöpfung und Versagen haben die eigenen leis-tungsgefährdenden Überzeugungen des Mitarbeiters. Men-schen, die extrem gut sind, haben leider häufig eine extremeÜberzeugung gespeichert. Manchmal ist es sogar ein ganzesÜberzeugungspaket. Solange der Mitarbeiter noch mit solchen

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Überzeugungen unterwegs ist, geht seine Leistungskraft lang-sam, aber stetig in die Knie. Ihm geht auf halber Strecke die Luftaus. Das Gemeine ist, dass diese leistungsvernichtenden Über-zeugungen vordergründig einen Mitarbeiter als Zugpferd wir-ken lassen. Eben bis zu dem Punkt, an dem der Saft draußen ist.

Ein paar der schädlichsten Sätze sind diese:

• Perfektionismus: Sei perfekt!• Überverantwortlichkeit: Sei für alles zuständig!• Harmoniebedürfnis: Sei immer lieb!• Bewunderungsbedürfnis: Sei immer der Beste!• Kontrollbedürfnis: Ich habe alles im Griff!• Autonomiebedürfnis: Sei immer unabhängig!

Ein Mitarbeiter, der selbst als Coach ausgebildet ist und im Pro-jekt für Gesundheitsprävention im Unternehmen mitarbeitet,erzählte uns Folgendes: »Das Schlimme ist, ich weiß alle Anzei-chen für Burn-out. Aber ich kann selber nicht aufhören mit mei-nem Perfektionismus.« Mitarbeiter, die solche Überzeugungenoder Satzkombination aus ihrem Drehbuch kennen, wissengenau, was sie tun müssen, um ihren Platz nicht zu verlieren.Der Mitarbeiter tritt auf mit seiner Regieanweisung: Ich mussperfekt sein, um meinen Platz zu haben. Oder: Ich muss füralles zuständig sein, um meinen Platz zu haben. Oder: Ich musslieb sein, um meinen Platz zu haben. Oder: Ich muss der Bestesein, um meinen Platz zu haben. Oder: Ich muss alles im Griffhaben, um meinen Platz zu haben. Oder: Ich muss unabhängigsein, um meinen Platz zu haben. Seine Welt ist nur unter be-stimmten Bedingungen in Ordnung.

Selbstverständlich wollen Sie Mitarbeiter im Team, die besteQualität abliefern, Menschen, die Verantwortung übernehmen,die sich auch einfügen können und verlässlich sind, die ganzoben stehen wollen, die unabhängig sind und selbst eingreifen,wenn es Probleme gibt. Das macht Leistungsträger aus. AberAchtung: Bei manchen dieser Überzeugungen handelt es sich

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nicht um einen »normalen« Anspruch an sich selbst, sondernum einen dysfunktionalen. Denn, was passiert in der Welt desMitarbeiters, wenn er diesem Anspruch nicht mehr gerechtwerden kann? Wenn aus welchen Gründen auch immer keineChance besteht, diese Überzeugung zur Aufführung zu brin-gen? Wenn für diesen Mitarbeiter aus seiner Sicht dasSchlimmste passiert? Dann sieht er schwarz. Er denkt: Ich ver-liere meinen Platz. Mit dieser Unsicherheit verbunden sind Ge-fühle wie sich überfordert, überflüssig, unwichtig oder allein zufühlen. Diese Gefühle sind nicht die direkte Folge der Arbeits-menge, der Arbeitsdichte, des Arbeitstempos oder des domi-nanten Chefs. Sie sind Teil ungünstiger Überzeugungen undfrüher Erfahrungen.

Die gnadenloseÜberzeugung»Ich bin nichtgut genug« frisstwertvolle Energie.

Von einer Sache sind wir selbst zutiefst überzeugt: Mankann noch so viel am Verhalten eines Mitarbeiters ar-beiten, neue Lösungen und Wege mit ihm trainieren.Es wird nichts bringen, solange man dabei eine Sachenicht mit berücksichtigt. In den meisten Drehbüchernsteht neben all diesen Forderungen an sich selbst noch ein wei-terer Satz fett und rot markiert. Und diesen Satz möchte derAkteur um jeden Preis nicht nach außen zeigen. Dieser Satzlautet: »Ich bin nicht gut genug.« Unter dieser Annahme kannes einfach nie genug sein, was man leistet oder für andere tut.Folglich werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um gut genugzu sein. Wann dieser Zustand allerdings eintritt, lässt das Dreh-buch offen. Es ist vergleichbar mit einem Fass ohne Boden, ausdem der ganze Saft hinausläuft. Auch hochqualifizierte Mitar-beiter verpulvern ihre Kraft, wenn ihre Messlatte, wie sie seinmüssen, um gut genug zu sein, unerreichbar hoch hängt. Jehöher, desto größer der Energieaufwand. Energie, die für die ei-gentliche Aufgabe nicht mehr zur Verfügung steht. Wir be-zeichnen diesen energieraubenden Prozess alles in allem alsEntmutigung!

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Selbst-EntmutigungInnerer Dialog

Zugehörigkeitsgefühl

Mut Angst

Kreativität Risikobereitschaft

Ich-Bezogenheit Kooperation

Negative Reaktion des Umfelds

Innerliche Anspannung Äußere Konflikte

Wozu Entmutigung führt

Das, was Sie bei Ihrem Mitarbeiter vordergründig sehen, hateine Geschichte dahinter. Diese Geschichte hat zwar einen An-fang, aber kein richtiges Ende. Sie beginnt bei entmutigten Ge-danken, die schleichend zu einer Abnahme des Zugehörigkeits-gefühls überleiten. Sie setzt sich fort in vorsichtigerem Handelnund so mancher egoistischer Reaktion und baut sich weiter aufhin zu innerer Anspannung, zwischenmenschlichen Konfliktenund geringer oder schlechter Leistung. Was es bedeutet, wennman nicht mehr die Leistung liefern kann, zu der man eigentlichin der Lage ist, liegt auf der Hand. Die Entmutigungsgeschichtesetzt sich einfach beim Anfang der entmutigenden Gedankenweiter fort und wiederholt sich. Den Ablauf können Sie sich alsEntmutigungskreislauf vorstellen (siehe Abbildung 1.1).

Abbildung 1.1: Entmutigungskreislauf

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Martin erzählt aus seiner eigenen Geschichte ...

... es begann in der Zeit unmittelbar nach meinem BWL-Studium beimeiner ersten Stelle als Assistent des Vertriebsleiters eines größerenUnternehmens. Eine Zeit, in der ich selbst nicht meine volle Leistungs-fähigkeit abrufen konnte und ziemlich entmutigt war. Dabei war icham Ende meines Studiums voller Zuversicht. Ich hatte nach einerkaufmännischen Ausbildung an der Abendschule die Fachhochschul-reife nachgeholt, anschließend mein Studium erfolgreich beendet, einSemester an der Partnerhochschule in London studiert, ein Praktikumbei einem renommierten Automobilhersteller mit sehr guten Rückmel-dungen in der Tasche und es war für mich klar: Einige Jahre in die-sem Unternehmen, dann bist du hier Führungskraft. In überschauba-rer Zeit wollte ich dann Geschäftsführer sein.Dummerweise war mein damaliger Chef bezüglich meiner beruflichenEntwicklung nicht ganz so optimistisch. Ein Mensch mit sehr hohenAnsprüchen an sich selbst und andere. Seine extrem sachorientierteKommunikation und kritische Rückmeldungen auf meine abgeliefer-ten Ergebnisse verunsicherten mich erheblich. Die Menschen im Um-feld meiner Führungskraft waren alle extrem leistungsorientiert undin meinen Augen nahezu perfekt. Für die fand er auch eher positiveWorte. Über Kollegen, die etwas locker drauf waren, machte er eherauch mal eine abschätzige Bemerkung.Ich versuchte daher, seinen hohen Ansprüchen zu genügen und allesrichtig zu machen. Aber es passierten mir blöde Fehler und Unauf-merksamkeiten. Hinzu kam, dass ich zum Teil Aufgaben hatte, vondenen ich heute weiß, dass sie überhaupt nicht meinen Begabungenentsprechen. Ich musste Veranstaltungen organisieren. Leider gehörtOrganisation nicht zu meinen Top-Talenten.Schlussendlich nahm meine Verunsicherung immer mehr zu und ichfing an, mir grundsätzliche Fragen zu stellen: War es wirklichrichtig, in dieses Unternehmen zu gehen und auf diese Stelle? Wäreeine Stelle im Marketing nicht besser gewesen? Bin ich wirklich inder Lage, diesen Job gut zu machen? Mein Selbstvertrauen lag amBoden. Ich konnte selbst beobachten, wie ich immer vorsichtigeragierte und mich mehr und mehr zurückzog. Ich fühlte mich dorteinfach nicht mehr wohl und nicht mehr zugehörig. Ich fing an,über Alternativen nachzudenken. Schließlich kündigte ich nachnicht ganz zwei Jahren auf der Stelle und an meinem neuen Ortging es mir vom ersten Tag an gut ...

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Entmutigende Gedanken führen zu mutlosem Handeln

Ihr leistungsschwacher Mitarbeiter war sicher auch nichtimmer entmutigt. Aber im Laufe der Zeit hat seine Entmuti-gungsgeschichte begonnen. Wie und wann genau sie ausgelöstwurde, bleibt im Dunkeln. Das ist auch nicht so wichtig für dieZukunft. Wichtig ist viel eher, dass Sie davon ausgehen können,dass einem entmutigten Mitarbeiter vor allem eines fehlt – einegroße Portion Mut. Wozu denn das? Stellen Sie sich das so vor:In einem entmutigten Zustand fehlt Ihrem Mitarbeiter der Mut,zum Telefonhörer zu greifen, einen neuen Kunden anzurufenund neben dem möglichen Erfolg auch möglicherweise einNein des Kunden zu riskieren. Das, was den ermutigten Mitar-beiter sicher auch eine kleine Überwindung kostet, aber auchden Kick gibt, ist im entmutigten Zustand nicht mehr denkbar.Manchen fehlt plötzlich der Mut, eine neue Idee beim Chef vor-zustellen und den nötigen Termin dafür nachdrücklich einzu-fordern. Entmutigte Mitarbeiter haben keinen Biss mehr, sichin einer unkomfortablen Situation durchzusetzen. Perfektionis-tisch veranlagte Menschen schaffen es nicht mehr, ein Schrei-ben abzusenden, weil sie sich nicht vollkommen sicher sind, oballes korrekt ist. Entmutigte Mitarbeiter zweifeln, blockieren,verzögern oder ziehen sich zurück.

Entmutigte Men-schen kämpfenum ihren Platz

und nutzen dazuunsoziales Ver-

halten.

Wer sich selber schon entmutigt erlebt und gefühlt hat,weiß, dass man dann nicht mehr seine Schokoladensei-te präsentiert. Sicher ist das bei Ihrem Mitarbeiter auchso. Statt seiner persönlichen Stärken, die Sie von ihmgewohnt sind oder erwartet haben, kommt die entmu-tigte Seite zum Ausdruck. Denn die Kehrseite sind

seine alternativen Verhaltensweisen, mit denen er meint, dochnoch mitspielen zu können. Es ist das Verhalten, das bei Ihnenauf Ablehnung stößt, weil Sie es unpassend und unproduktivfinden. Wenn der Mitarbeiter jammert, sich distanziert, sich fürMängel entschuldigt, launisch wird, emotional unberechenbarwird, andere klein hält, aggressiv wird, es mit Gewalt versucht,

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enger und kontrollierender wird, sind das Verhaltensaspekte,die in einem ermutigten Zustand ganz anders aussehen. Entmu-tigung kommt dabei immer in der ganzen Person zum Aus-druck. Also nicht nur im konkreten Handeln, sondern auch inder Körpersprache, im Gesichtsausdruck, in der Wortwahl oderin der Stimme. Entmutigung kann sich durch folgendes Verhal-ten zeigen.

Was nehmen Sie bei Ihrem Mitarbeiter wahr?

Denken Sie zuerst an konkrete Situationen, in denen Ihr Mitar-beiter mit Ihnen, den Kollegen oder mit seinen Kunden zusam-menarbeitet. Kreuzen Sie das wahrgenommene Verhalten an:

wird übersachlich jammert lässt keine Selbst-ständigkeit deranderen zu

geht auf Abstand demonstriert Trau-rigkeit

wird aggressiv

zieht sich zurück sucht Mitleid »haut drauf«

demonstriert Selbst-kontrolle

entschuldigt sichfür eigene Mängel

geht in den Kampf

wird überkritisch wird launisch demonstriertUnabhängigkeit

bringt nichts zuEnde

ist emotionalunberechenbar

verkrampft

zeigt weniger Kom-petenz

wirkt überverant-wortlich

wird eng im Denken

wirkt überlastet versucht überall zuretten

...

leidet mit anderen wird kontrollierend ...

Wenn Sie gerade das Gefühl haben, dass Ihr Mitarbeiter sich jaeigentlich nur noch um seine eigene Achse dreht, liegen Sie mitdieser Vermutung richtig. Alles dreht sich um ihn. Er bringtsich selbst ins Abseits.

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Der Tunnelblick des Mitarbeiters führt ihn ins Abseits

Läuft so ein Entmutigungskreislauf schon eine ganze Weile,wird der Blickwinkel Ihres Mitarbeiters in der Tat ego-zentriert.Wen wundert es da, dass er das, was Sie oder die Kollegen sagenoder tun, ausschließlich auf sich bezieht.

Angenommen Sie machen Ihrem Mitarbeiter in der wöchentli-chen Besprechung noch mal sehr deutlich, dass Sie mit dem Er-gebnis nicht zufrieden sind und er jetzt Gas geben soll. Hört dasein entmutigter Mitarbeiter, kann Folgendes in Gang kommen:»Der Chef hat meine Zahlen kritisiert, ich bin nicht gut genugfür diese Aufgabe. Wenn ich die Zahlen nicht bringe, habe ichhier keinen Platz mehr, die anderen stehen auch nicht zu mir.Ich muss aufpassen, muss mich zusammennehmen, darf mirauf gar keinen Fall mehr einen Fehler erlauben. Ich sage zu-künftig nur noch, was ich sicher weiß.« Wenn diesem Mitarbei-ter gerade jetzt ein Fehler passiert, findet das innere Kritikge-spräch seine Fortsetzung. »Das hätte nicht passieren dürfen, ichbin ja wirklich schlecht. Es geht gerade noch so, aber ich mussaufpassen, die anderen dürfen nicht erfahren, wie es mir tat-sächlich geht.«

Das Tragische ist, dass der entmutigte Mitarbeiter jetzt seinen»Aufmerksamkeitsfilter« so justiert hat, dass er jedes noch sokleine verbale oder nonverbale Signal von Ihnen oder den Kol-legen auf die Goldwaage legt und entsprechend deutet. Bot-schaften werden falsch verarbeitet und generalisiert. Zum Bei-spiel wird eine kritische Äußerung der Führungskraft, die einebestimmte Sache betrifft, als Verurteilung der ganzen Personmissverstanden, wie »der Chef lehnt mich ab«. Manche Mitar-beiter beziehen Bemerkungen von Kollegen auf ihre ganze Per-son, wie »mich kann hier eh niemand leiden«. Die Befürchtungwächst, nicht mehr wichtig und nützlich zu sein. Der entmutig-te Mitarbeiter schlägt sich immer mehr auf die eine Seite undhält die anderen so von sich fern.

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Egal, was Sie tun, Ihr Mitarbeiter sieht es durch seinen Tunnel-blick. Weil er im entmutigten Zustand annimmt, die anderensind gegen ihn oder wollen ihn nicht, bestätigt er sich seinenbereits gefühlten Verlust der Zugehhörigkeit. Es ist, als ob eineMauer zwischen Mitarbeiter und den anderen aufgebaut ist, diekeiner mehr einreißen will. Diese verengte Sicht kann dannauch dazu führen, dass ein Mitarbeiter viel mehr Zeit und En-gagement in Aufgaben außerhalb des Unternehmens investiert,so wie bei diesem Mitarbeiter: »Wissen Sie, bei meinem Chefzählen vor allem Akademiker, ich bin aber nur Techniker. Ichsage ganz ehrlich: Ich hol mir meine Bestätigung mittlerweile wo-anders. Wenn ich Erfolgserlebnisse möchte, dann hab ich die inder Jugendarbeit beim Roten Kreuz.«

Das Umfeld reagiert

Sicher: Im Laufe der Zeit ist Ihnen und den Kollegen irgend-wann auch die Puste ausgegangen. Jeder hat da seine Strategie,mit dem Verhalten des Mitarbeiters weiter umzugehen. Die Re-aktionen fallen beispielsweise so aus:

• Man fühlt sich herausgefordert und steigt in den Kampf ein.• Man fühlt sich in die Defensive gedrängt und reduziert den

Kontakt auf ein Mindestmaß.• Man erklärt sich die schwache Leistung, nimmt den Mitar-

beiter aber nicht mehr ernst.• Man fühlt sich abgewiesen und ignoriert ihn.

Führungskräfte und Teamkollegen berichten uns zum Beispiel,dass sie sich selbst unverstanden, ungerecht behandelt, aggres-siv, enttäuscht und ohne jegliche Energie durch den schwachenKollegen erleben.

Ein entmutigterMitarbeiter sagtJa, meint aberNein.

Ab einem gewissen Zeitpunkt wird die Position desLow-Performers von beiden Seiten genährt. Währendder gute und »unauffällige« Mitarbeiter durch Lob undAnerkennung bestätigt wird und wächst, festigt sich

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durch die Sonderbehandlung des entmutigten Mitarbeitersseine Rolle als Sorgenkind oder Problemmitarbeiter. Das ist dieeine Seite. Die andere ist diese: Der Mitarbeiter, der sich entmu-tigt hat und noch dazu denkt, dass sein Chef und die anderenihn auf dem Kieker haben, ist selten tiefenentspannt. Er wirdalles vermeiden, was gegen ihn verwendet werden kann. Abjetzt geht er null Risiko ein, sagt bloß kein falsches Wort mehr,wagt sich in keine unbekannte Situation, macht nur das, was erkennt. Nach außen wird so lange es geht, die Fassade aufrecht-erhalten. Im Mitarbeitergespräch hören Sie hoffnungsvoll klin-gende Worte, welche Schritte er tun will, die dann aber dochnicht umgesetzt werden. Er sagt Ja, meint aber Nein. Solange ir-gendwo an seinem »Ja« ein »aber« angehängt ist, wird er blei-ben, wo er ist. Er zeigt nicht nur schwache Leistung, sondernmacht sich selbst zum Low-Performer. Der Kreis schließt sich.

Schuld oder Verantwortung

Wer hat eigentlich Schuld an dieser Situation? Und hier dürfenSie erst einmal tief durchatmen. Denn als Führungskraft sindSie nie allein verantwortlich dafür, wie gut der Mitarbeiter leis-tet oder nicht, wie engagiert und motiviert er bei der Sache istoder nicht. Kein noch so unsensibler Chef kann Stresshormonebei seinem Mitarbeiter ausschütten. Immer ist das Hirn desMitarbeiters dazwischen und steuert seinen inneren Zustand.Es gibt Führungskräfte, die – wenn man die Lehrbücher überFührung als Maßstab nimmt – alles falsch machen und trotz-dem durchweg motivierte, leistungsstarke Mitarbeiter im Teamhaben. Die Tatsachen sind nie entscheidend. Sondern immernur der Blick auf die Tatsachen. Machen Sie ab jetzt ein Experi-ment. Nehmen Sie doch einfach mal an, dass Ihr Mitarbeiter,um den sich alles dreht, mit einem entmutigten Blick die Weltsieht. Gehen Sie dabei auch davon aus, dass er selbst noch keineAhnung hat, wie er das ändern kann. Er wird sich noch nicht

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selbst dafür verantwortlich fühlen, mehr Engagement und Leis-tung zu zeigen, weil er sich nicht mehr zugehörig fühlt und ihmfür eine Veränderung die nötige Ermutigung fehlt. Die Ant-wort, wie und woher er zu Ermutigung kommt, wird also nochgesucht.

Wenn die Antworten ausgehen, versuchen es heute die meistensowieso erst mal mit Fragen. Die aktuellste Methode, die Selbst-Verantwortung zu aktivieren und den Mitarbeiter zu einer Ver-änderung seines Verhaltens zu bringen, ist Coaching.

Auf einen Blick

• Das Zugehörigkeitsgefühl zu einer gelingenden Gemeinschaftist der Motor für Leistung, Motivation und Zusammenarbeit.

• Zum Team dazuzugehören heißt nicht automatisch, sich zuge-hörig zu fühlen.

• Der Verlust des Zugehörigkeitsgefühls entsteht im Kopf.• Leistungsrisiken entstehen durch ungünstige Überzeugungen,

die entmutigend wirken.• Entmutigende Gedanken führen zu mutlosem Handeln.• Durch Entmutigung betrachtet ein Mitarbeiter alles unter dem

Blickwinkel der Entmutigung und nährt sein mangelndes Zu-gehörigkeitsgefühl.

• Entmutigte Verhaltensweisen sollen schützen und dienendazu, weiter im Spiel zu bleiben.

• Keiner hat Schuld, alle können etwas daran ändern.

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