100% Sanktionen rechtswidrig – EGMR gegen die Schweiz – Medieninformation

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  • 8/17/2019 100% Sanktionen rechtswidrig – EGMR gegen die Schweiz – Medieninformation

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    Die Pressesprecherin

    Anita Zerk

    Blog

    tapschweiz.blogspot.ch

    Bern, 06.05.2016

    Medieninformation

    5/2016

    Schweiz – Europäische Gerichtshof fürMenschenrechte (EGMR)

    Ein bedingungsloses Grundeinkommen steht jedem zu –Hartz-IV-Kürzung verfassungswidrig?

    100% Sanktionen von Hartz-IV Bittstellenden in der Schweizentspricht nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention(EMRK). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte(EGMR) muss entscheiden.

    Dürfen die Sozialen Ämter am Hartz-IV-Regelsatz kürzen,bzw. die SkOS Richtlinien unterlaufen, wenn der SozialhilfeBittstellende Job-Angebote ablehnt oder aus gesundheitlichenGründen nicht annehmen kann oder Termine nicht einhälto.ä.? Darüber soll nun der EGMR in Strassburg (Frankreich)befinden.

    Ein Sozialhilfe Antragsteller reichte am Freitag, 06.05.2016seine zweite Vorlage ein. Der junge Schweizer hat vor Gerichtgeklagt, weil u.a. seine Nothilfeanträge nicht Anhand ge-nommen wurden, somit hatte er weder Essensmarken, nochein Obdach, noch wurde ihm ein Zugang zum Gesundheits-system gewährt.

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strass-burg soll klären, ob (Hartz-IV) Sanktionen verfassungsgemässsind oder ob sie gegen das Grundgesetz, bzw. gegen diezwischen der Schweiz und der EGMR ratifizierten Verträgeverstossen.

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    Laut Statistik werden in der Schweiz pro Monat zirka 1000, inDeutschland zirka 10’000 Menschen auf Null(!) gekürzt.Leistungskürzungen verletze unter anderem die im Grund-gesetz verankerten Menschenrechte. Der Staat müsse jeder-zeit ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren.

    Auszug aus der Klageschrift(..)Wenn bereits Gesetzesvorschriften, die auf einernicht nachvollziehbaren Berechnung (aber immerhin aufeiner Bedarfsschätzung) beruhen, gegen das Grund-recht auf Sicherung eines Existenzminimums ver-stossen, muss dies erst recht für Normen gelten, die dieHöhe der Leistung überhaupt nicht an den Bedarf,sondern an ein Verhalten des Bedürftigen koppeln(b25083, Ziff. 106).

    (..)Bei der Menschenwürde ist jedoch jeder Eingriff einungerechtfertigter, d. h. zugleich ihre Verletzung. Füreine zulässige Einschränkung des Grundrechts istdemnach kein Raum. Die für die Schweiz schlechthinkonstituierende unantastbare Menschenwürde ist einemgerechtfertigten Eingriff unzugänglich. Ein Sanktions-regime, das die „Verweigerung des Überlebensnot- wendigen, sei es auch nur vorübergehend, vorsieht, istdeshalb verfassungswidrig“ . Das (einmal durch den Ge-setzgeber ausgestaltete) Grundrecht ist „unverfügbar“  (b25083, Ziff. 115-117).

    (..)Soziale Hilfen komplett zu entsagen und Bedürftigegegebenenfalls verhungern zu lassen oder Krankheitenunbehandelt lassen, damit Menschen (unsägliche)Schmerzen erleiden müssen, ist in einem Sozialstaatschlicht unzulässig und verfassungswidrig. Dann musses aber bereits denknotwendig eine unterste Grenzestaatlicher Leistungen geben, die jedem Menschen„unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit“  zugestanden werden. Es muss sich um Leistungenhandeln, die für seine menschenwürdige Existenzunbedingt notwendig sind. Dies ist eine sozialstaatlicheVerpflichtung. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat derStaat „nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht,sich mit den notwendigen Mitteln auszustatten.“  (b25083, Ziff. 145).

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    (..)Das festgelegte Ermessen bei der Sachleistungsge-währung, wonach „der Träger auf Antrag in ange- messenem Umfang ergänzende Sachleistungen odergeldwerte Leistungen erbringen (kann)“ , lässt sichschwerlich als gebundene Entscheidung lesen. Einesolche Auffassung, das „kann“   im Gesetzestext als

    „muss“   auszulegen, widerspräche dem eindeutigenWortlaut der Norm und überschreitet damit die Grenzezulässiger Auslegung (b25083, Ziff. 240/241).

    Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch aufGewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimumserstreckt sich insoweit nur auf die unbedingt erforderlichenMittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz, als auchzur Sicherung eines Mindestmasses an Teilhabe am gesell-schaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Ob dieserAnspruch durch Leistungskürzungen aufgrund von Sanktionen

    unterschritten werden darf, hatte der EGMR bislang nicht zuentscheiden.

    Es sei der erste Fall der die Frage aufwerfe, ob die Sanktions-möglichkeiten der sozialen Ämter mit dem Grundgesetzvereinbar sind. Wann der EGMR in dieser Frage befindet, istunklar. Sollte Strassburg aber entscheiden, wäre es einGrundsatzurteil für die Geschädigten.

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    Vorlage tapschweiz.blogspot.ch/2016/05/b26023.htmlPressemitteilung bit.ly/b26025