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28 DAS INVESTMENT 11/10 | INVESTMENTFONDS | Mikrofinanz | Kleines Geld, große Wirkung. „Mi- krofinanz-Investments sind interessant und außerordentlich charmant“, sagt Ha- rald Schneider von der Berliner Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zu- kunft“. Der Leiter der Finanzabteilung hat die rentable Armutsbekämpfung rund ein Jahr lang auf Herz und Nieren geprüft. Ende 2009 ist die Stiftung dann in den Wallberg Global Microfinance ein- gestiegen. Investiert sind rund ein Pro- zent des Portfolios, 4 Millionen Euro. Stiftungen schätzen Mikrokredite. Die Großinvesto- ren liefern den Armen der Welt eine Perspektive und sich selbst stabile Erträge. Auch Privatanleger können ihr soziales Engagement zu Geld machen Mission mit Mini-Krediten Die Berliner Stiftung ist nur einer von vie- len institutionellen Investoren, die die Minikredite für Kleinstunternehmer ent- deckt haben. Vor allem das Zusammen- spiel von sozialem Mehrwert und stabiler Rendite macht Mikrofinanz-Fonds für In- vestoren wie Schneider so charmant. Menschen, die oft weniger als 2 Dollar pro Tag zum Leben haben und bei her- kömmlichen Banken als nicht kredit- würdig durch das Raster fallen, bekom- men bei den weltweit rund 10.000 Mi- krofinanzinstituten, kurz MFIs, kleines Geld und eine große Chance. Und weil sie ihre Kleinstkredite weit zuverlässiger bedienen als Privat- und Geschäftsleute hierzulande, ist das Geschäftsmodell der Institute bislang sehr stabil und liefert stetige Renditen weitgehend unabhän- gig von den Entwicklungen an den Fi- nanzmärkten. Die Verzinsung liegt in der Regel ein bis 2 Prozentpunkte über dem Geldmarkt. Zwar hat sich die Ausfall- quote des Kleingeldverleihs von 2 auf |Nach dem Motto „Schütteln Sie Ih- rer Investition die Hand“ besucht Vermögensberater Leopold Seiler (rechts) mit seinen Kunden Mikrokre- ditnehmer. Einer davon ist Maria Si- mion (oben, links) aus Moldawien. Sie hat mit einem Kre- dit von 3.600 Euro einen Gemischtwa- renhandel eröffnet. Das Bild links zeigt Ruslan Antoci, An- gestellter einer mi- krofinanzierten Möbeltischlerei Leopold Seiler (rechts) in einer Autowerkstatt im Kosovo. Der Besitzer hat sie mit einem Kredit von 1.000 Euro eingerichtet. Der erste, bereits zurückgezahlte Kredit hat die Werk- zeuge finanziert. Vom Folgekredit hat er ein Schweißgerät gekauft, damit er künftig auch Karrosseriearbeiten an- bieten kann FOTOS: LEOPOLD SEILER (3)

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28 DAS INVESTMENT 11/10 | INVESTMENTFONDS | Mikrofinanz

!| Kleines Geld, große Wirkung. „Mi-krofinanz-Investments sind interessantund außerordentlich charmant“, sagt Ha-rald Schneider von der Berliner Stiftung„Erinnerung, Verantwortung und Zu-kunft“. Der Leiter der Finanzabteilunghat die rentable Armutsbekämpfungrund ein Jahr lang auf Herz und Nierengeprüft. Ende 2009 ist die Stiftung dannin den Wallberg Global Microfinance ein-gestiegen. Investiert sind rund ein Pro-zent des Portfolios, 4 Millionen Euro.

Stiftungen schätzen Mikrokredite. Die Großinvesto-ren liefern den Armen der Welt eine Perspektive und sich selbst stabile Erträge. Auch Privatanleger können ihr soziales Engagement zu Geld machen

Missionmit Mini-Krediten

Die Berliner Stiftung ist nur einer von vie-len institutionellen Investoren, die dieMinikredite für Kleinstunternehmer ent-deckt haben. Vor allem das Zusammen-spiel von sozialem Mehrwert und stabilerRendite macht Mikrofinanz-Fonds für In-vestoren wie Schneider so charmant. Menschen, die oft weniger als 2 Dollarpro Tag zum Leben haben und bei her-kömmlichen Banken als nicht kredit-würdig durch das Raster fallen, bekom-men bei den weltweit rund 10.000 Mi-

krofinanzinstituten, kurz MFIs, kleinesGeld und eine große Chance. Und weilsie ihre Kleinstkredite weit zuverlässigerbedienen als Privat- und Geschäftsleutehierzulande, ist das Geschäftsmodell derInstitute bislang sehr stabil und liefertstetige Renditen weitgehend unabhän-gig von den Entwicklungen an den Fi-nanzmärkten. Die Verzinsung liegt in derRegel ein bis 2 Prozentpunkte über demGeldmarkt. Zwar hat sich die Ausfall-quote des Kleingeldverleihs von 2 auf |!

Nach dem Motto„Schütteln Sie Ih-rer Investition dieHand“ besucht VermögensberaterLeopold Seiler(rechts) mit seinenKunden Mikrokre-ditnehmer. Einerdavon ist Maria Si-mion (oben, links)aus Moldawien. Siehat mit einem Kre-dit von 3.600 Euroeinen Gemischtwa-renhandel eröffnet.Das Bild links zeigtRuslan Antoci, An-gestellter einer mi-krofinanziertenMöbeltischlerei

Leopold Seiler (rechts)in einer Autowerkstattim Kosovo. Der Besitzerhat sie mit einem Kredit von 1.000 Euroeingerichtet. Der erste,bereits zurückgezahlteKredit hat die Werk-zeuge finanziert. Vom Folgekredit hat er einSchweißgerät gekauft,damit er künftig auchKarrosseriearbeiten an-bieten kannFO

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4 Prozent verdoppelt, „sie liegt damitaber immer noch bei einem Fünftel derAusfälle normaler Geschäftsbanken inden Emerging Markets“, sagt Vermö-gensberater Leopold Seiler, Chef der Wie-ner Seiler Asset Management.

Enormes WachstumKlar, dass das gerade auf Sicherheit be-dachte Investoren lockt. Spätestens seitder indische Wirtschaftsprofessor undMikrofinanz-Pionier Muhammad Yunusund seine Grameen Bank 2006 den Frie-densnobelpreis bekamen, verbreitet sichdie Idee von der Rendite durch Hilfe zurSelbsthilfe über den ganzen Globus. Der Markt wächst mittlerweile um 20 bis30 Prozent pro Jahr, rund 60 MilliardenDollar haben vorwiegend institutionelle

Europa

Kleinstunternehmer

58

Arbeitsplätze

Südamerika Asien Afrika

29163 146 172 211

680

1.425Was man mit 20.000 Euro finanzieren kann

Start-up für Mittellose„Gib einem Hungernden einen Fisch,und er wird ein Mal satt. Lehre ihn zu fischen, und er wird nie mehr hungern.“Diese afrikanische Weisheit bringt die Phi-losophie von Muhammad Yunus aufden Punkt. Der Mikrokredit-Pionier grün-dete 1976 die auf Minikredite spezialisier-

te Grameen Bank in Bangladesch. Inzwischen hat sie 2.200 Filialen auf der ganzenWelt und 6,6 Millionen Kunden. Yunus ist inzwischen berühmt. 2006 bekam er fürseine Idee der Hilfe zur Selbsthilfe den Friedensnobelpreis. Im Oktober dieses Jahreswar er sogar als Comicfigur in der amerikanischen TV-Serie „Simpsons“ zu sehen.

" Kredithöhe: Zwischen 20 und 1.500 Dollar " Zweck: Immer eine konkrete Geschäftsidee – 20 Dollar, um eine Hühnerfarmzu starten oder 65 Dollar für den Aufbau eines Seegurken-Handels" Kreditnehmer: Meist eine Gruppe von 5 bis 20 Personen, ein Großteil davonFrauen. Kann ein Schuldner nicht zahlen, springen die anderen für ihn ein" Laufzeit: 6 bis 36 Monate" Zinsen: Im Schnitt 20 Prozent im Jahr" Rückzahlungsquote: 95 Prozent

Kleines Geld ...

Schwellenländeranleihen 65,6%

Symbiotics Microfinance IndexGeldmarkt

26,0%17,0%

Internationale Finanzinstitutionen (KfW, DEG etc.)

Institutionelle und private Anleger

0,61,8

1,6

2,4

2,5

3,9

3,1

4,8

3,4

6,5

... große WirkungMinikredite werden immerbeliebter. Laut DeutscherBank klettert das Anlage-volumen von in stitutionel-len und privaten Anlegernbis 2015 auf satte 20 Milli-arden US-Dollar

... gutes Gewissen

In Afrika kann man mit20.000 Euro am meistenbewegen: 650 Kleinst-unternehmer und 1.425Arbeitsplätze können damit finanziert werden

Geld und ...

So stabil wie der Geld-markt, aber mehr Rendite:Der Symbiotics Microfinan-ce Index bildet die Perfor-mance der sechs größtenMikrofinanzfonds ab

2005 2006 2007 2008 2009

1,4 Milliarden Menschen,fast jeder Fünfte auf der Welt, lebenvon weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag und damit laut Definitionder Weltbank in absoluter Armut

Investoren derzeit angelegt. Ein Boom,der gerade defensive Anleger mitunterverunsichert: „Es bleibt abzuwarten, wasder Markt verträgt“, sagt StiftungsmannSchneider. Es gebe immer wieder Hin-weise, dass es zu einer Übersättigungkommen könne. „Die Institute werdendann bei der Auswahl der Kreditnehmerlockerer, und die Ausfallquoten steigen“,so Schneider. Er kann sich darum nurnoch eine moderate Ausweitung vorstel-len, „nicht über 3 Prozent des Portfolios“.Eine Übersättigung sieht Seiler indesnicht: „Es ist noch unendlich viel Platznach oben. Nur 10 Prozent der weltwei-ten Nachfrage sind derzeit gedeckt.“ Sorgen macht dem Initiator und Betrei-ber des Informationsportals www.microfinance.at jedoch die Motivation einigerMikrofinanzinstitute. „Sie wollen unbe-dingt wachsen. Quantität wird wichtigerals Qualität.“ Der philanthropische |!

11. Januar 2004 31. August 2010

68%

51%

34%

17%

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Roma-Mädchen in der Nähe von Sofia

Investments in Milliarden US-Dollar

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Ursprung rücke in manchen Regionen inden Hintergrund. Schon sind die erstendrei MFIs an die Börse gegangen, um sichKapital zu besorgen. Jüngstes Beispiel: dieindische SKS Microfinance. Die Münche-ner Allianz und der US-Investor GeorgeSoros haben sich schon eingekauft.

Rendite statt soziales EngagementSeiler ist nicht der Einzige, der den Wan-del von einem sozialen zu einem rendi-teorientierten Markt kritisiert. Mikrokre-dite sollten Menschen aus der Armut hel-fen, nicht aber eine Möglichkeit bieten,aus der Armut Profit zu schlagen, heißtes vielfach.

„Solange die Grundmission bleibt, vieleMenschen mit kleinen Beträgen zu errei-chen, darf man auch Rendite erzielen“,hält Edda Schröder dagegen. „Schließlichreden wir nicht über Profitmaximierung,sondern über eine marktübliche Ren-dite.“ Während Seiler den ersten Mikro-finanz-Fonds Österreichs mit aufgelegthat, den Dual Return Vision Microfinan-ce, zählt die Geschäftsführerin von Investin Visions zu den Pionieren auf dem deut-schen Markt. Sie hat den Wallberg Glo-bal Microfinance initiiert. Doch selbst wenn Geschichte undGrundmission stimmen, sind Privatanle-ger im Gegensatz zu Institutionellen bisheute kaum auf diese Form der Armuts-bekämpfung aus. Kein Wunder, schließ-lich ist es für sie nicht ganz einfach, pas-sende Produkte zu finden.

Gesetzlicher Rahmen ändert sichIn Deutschland sind keine Mikrofinanz-Fonds im öffentlichen Vertrieb, obwohldas Investmentgesetz dies seit Dezember2007 zulässt. Doch die strengen Vorga-ben begrenzen das Anlageuniversum aufgerade einmal 50 bis 100 große Mikrofi-nanzinstitute. Zu wenig, zumal geradekleine und mittlere Institute Geld brau-chen. „Es gibt derzeit allerdings Signaleaus der Politik, dass sich der gesetzlicheRahmen in absehbarer Zeit ändern soll“,so Edda Schröder. Dann dürften auchdeutlich mehr Privatanleger die Asset-Klasse Mensch für sich entdecken. Derzeit gibt es 14 vor allem in Luxemburgregistrierte Mikrofinanz-Fonds, die sichan private Investoren richten. Immerhinfünf davon können als Private Placementohne steuerliche Nachteile gekauft wer-den: der Responsability Global Microfi-nance (ISIN: LU 018 019 027 3) und Re-sponsability Microfinance Leaders (LU052 096 308 2) von Credit Suisse, der

Dual Return Vision Microfinance von Axxion (LU 023 678 284 2), der WallbergGlobal Microfinance Fund (LU 037 561223 0) und der Dexia Micro-Credit (LU016 408 131 6). Alle fünf investierenüberwiegend in kleine und mittlere Mi-krofinanzinstitute. Regionale Schwer-punkte sind Osteuropa, Südamerika undZentralasien. Und alle haben eine wäh-rungsgesicherte Euro-Tranche. Der Dual Return Vision Microfinance istallerdings der einzige pure Mikrofinanz-Fonds und damit der direkteste Weg, dieArmut zu bekämpfen. Fondsmanager Ar-man Vardanyan von Absolute PortfolioManagement wird von der Genfer Ana-lyse-Firma Symbiotics beraten und gibtdas Geld komplett an die Mini-Unter-

Jeder 7. Deutsche ist armEr hat weniger als 60 Prozent desmittleren Vergleichseinkommens zurVerfügung (Ost-Deutschland: 650Euro, West: 730 Euro pro Monat)

Mikrofinanz vom JuwelierVermögensberater Leopold Seilerhat zusammen mit Meistersingereine Mikrofinanzuhr entworfen.Das Besondere: Sie hat nur einenZeiger, und bei der Datumsanzei-ge erscheint immer am Erstender Schach-Bauer, um daran zuerinnern, dass nicht jeder Zahl-tag hat. 100 Stück à 1.058 Eurosind im Angebot. 10 Prozent derVerkaufserlöse fließen direkt inMikrofinanz-Projekte.www.microfinance.at

>> Solange dieGrundmission bleibt,

darf man auch Rendite erzielen <<

Edda Schröder,Geschäftsführerin von Invest in Visions

nehmen weiter. Anders als die anderenFondsmanager nimmt er weder Betei-ligungen noch Aktien oder verbriefteSchuldtitel ins Portfolio. Mindesteinsatz ist bei allen Fonds 1.000Euro. Nur der Dexia Micro-Credit ver-langt 10.000 Euro, der Responsability Microfinance Leaders sogar eine MillionEuro. Wer so viel Geld auf der hohen Kan-te hat, kann allerdings auch in den DBMicrofinance Invest Nr. 1 der DeutschenBank einsteigen. Es ist laut Bank die ersteVerbriefung der Welt von nachrangigenMikrokrediten. Öffentlich zum Vertrieb zugelassen sindnur einige Dachfonds, die in die rentableArmutsbekämpfung investieren: derBN&P Good Growth (WKN: HAF X2F)und der Warburg Zukunft Strategie (678026) beispielsweise. Der Mikrofinanz-An-teil der Dachfonds ist mit 10 bis 15 Pro-zent aber recht gering. | Astrid Lipsky

Suppenküchein Berlin

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