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NABUCCO VOLKSTHEATER ROSTOCK

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NabuccoVOLKSTHEATERROSTOCK

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3 NAbucc0Oper in vier teilenmusik vOn Giuseppe verditextbuch vOn temistOcle sOlerain italienischer sprache mit deutschen übertiteln

/ Musikalische Leitung Florian Krumpöck/ Regie Babette Bartz/ Bühne und Kostüme Falk von WangelinPremiere am 28.04.2013/ Großes Haus

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besetzunG / Nabucco (Nabucodonosor/Nebukadnezar), König von Babylon Olaf Lemme/ Ismaele, Neffe des Königs Sedecia (Zedekia) von Jerusalem Garrie Davislim/ Zaccaria, Hohepriester der Hebräer Florian Spiess/ Abigaille, vermeintliche erstgeborene Tochter Nabuccos Jamila Raimbekova/ Fenena, Tochter Nabuccos Takako Onodera/ Oberpriester des Baal Nils Pille/ Abdallo, Getreuer Nabuccos Titus Paspirgilis/ Anna, Schwester des Zaccaria Maria Teresa González

Opernchor des Volkstheaters RostockSingakademie RostockNorddeutsche Philharmonie Rostock

/ Choreinstudierung Carsten Bowien/ Dramaturgie und Übertitel Roland Dippel/ Musikalische Studienleitung Hans-Christoph Borck/ Musikalische Einstudierung Teodora Belu, Jens Hoffmann, Jewgenij Potschekujew/ Regieassistentin Carola Heine/ Inspizientinnen Constance Schwerdt, Renate Nitsch/ Souffleuse Christiane Blumeier-Braun/ Dramaturgische Mitarbeit und Übertitel Regine Neudert

Biografien aller künstlerischen Mitwirkenden: www.volkstheater-rostock.de/ Aufführungsdauer 2 Stunden und 30 Minuten, Pause nach dem 2. Teil

/ Technischer Leiter Peter Martins/ Werkstattleiter Dirk Butzmann/ Bühneninspektor Holger Fleischer/ Bühnentechnik Rolf Ihre/ Leiterin der Kostümabteilung Jenny-Ellen Fischer/ Kostüm-anfertigung Kornelia Junge, Martina Steckert/ Kostümassistenz Jana Maaser/ Chefmaskenbild-nerin Beatrice Rauch/ Maske Iris Hohol, Michaela Schroeckh/ Leiter der Beleuchtung Andreas Lichtenstein/ Beleuchtung Ronald Marr/ Leiter der Tonabteilung Michael Martin/ Ton Stefan Schmiedt/ Leiterin der Requisite Iris Rothbarth/ Requisite Claus-Peter Arfert/ Herstellung der Dekoration Werkstätten des Volkstheaters RostockEs wird darauf hingewiesen, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen der Aufführung durch jede Artelektronischer Geräte strikt untersagt sind. Zuwiderhandlungen sind nach dem Urheberrechts-gesetz strafbar.

Abigaille, 2. Teil

ScHON bETRETE icH diE bLuTigEN STufEN zum gOLdENEN THRON, VON dORT KOmmT mEiNE RAcHE wiE EiN bLiTz.

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Handlung/ NAbuccO

gOTT wiLL ES. diEu LE VEuT.

Schlachtruf der christlichen Kreuzfahrer ab dem Ersten Kreuzzug

Ort und Zeit: Jerusalem und Babylon, ca. 587/86 v. Chr. (Regierungszeit des Nebukadnezar II.) teil 1 – Jerusalem ● ● ● Im Tempel versammeln sich Bewohner Jerusalems aus Angst vor der militärischen Okkupation durch Assyrien. Der Oberpriester Zaccaria führt Fenena, Na-buccos Tochter, als Geisel vor. Die Hebräer setzen Vertrauen in den Schöpfer Jehova und schmähen den assyrischen Gott Baal. Ismaele und Fenena lieben sich, seit sie ihn in Babylon aus der Haft befreien konnte. Abigaille dringt an der Spitze einer Militäreinheit in den Tempel. Ismaele kann ihr leidenschaftliches Begehren nicht erwidern. Die Schwestern werden zu Geg-nerinnen, Fenena findet Kraft in der Religion ihrer Feinde. Vor Nabucco fliehen die Hebräer in den Tempel, Babylons Herrscher nimmt Jerusalem ein. Zaccaria droht, Fenena zu töten, wird aber von Ismaele daran gehindert. Nabucco zügelt seine Lust auf die Vernichtung Judas und schwört blutige Vergeltung. Für die Hebräer beginnt die babylonische Gefangenschaft.teil 2 – der Frevler ● ● ● Abigaille findet ein Schriftstück, das ihre Abkunft von Sklaven dokumentiert. Sie klagt über ihr freudloses Leben als verschmähte Frau und verachtete Tochter. Die von Nabucco als Stellvertreterin inthronisierte Fenena hat den Hebräern die Freiheit geschenkt. Deshalb fordert der Oberpriester des Baal Abigaille auf, die Herrschaft zu über-nehmen, und will das Gerücht von Nabuccos Tod auf einem Feldzug verbreiten. Abigaille stimmt zu und steigert sich in Macht- und Rachevisionen. ● ● ● Fenena lässt sich von Zaccaria zum „einzig wahren Glauben“ bekehren. Die Leviten verstoßen Ismaele aus ihrer Gemein-schaft, weil er das eigene Volk durch Fenenas Rettung verraten hat. Durch ihren Übertritt

zum hebräischen Glauben ist diese Schuld gesühnt. Abigaille fordert von Fenena die Krone. Überraschend unterbricht Nabucco die Konfrontation, er ernennt sich selbst zum Gott Baby-lons und der Welt. Durch einen Blitzschlag wird Nabucco zum geschwächten Greis, Abigaille bemächtigt sich der Krone.teil 3 – die prOphezeiunG ● ● ● Abigaille und der Oberpriester des Baal beabsichtigen die Hinrichtung aller Hebräer. Nabucco verweigert seine Zustimmung, weil das auch für Fenena den sicheren Tod bedeuten würde. Als er Abigaille verächtlich „Sklavin“ nennt, vernichtet sie das von ihr gefundene Dokument und droht im Machtrausch mit Tod und Vernichtung. Nabuccos Bitten um Gnade sind ihr gleichgültig, er ist ihr Gefangener. ● ● ● Am Ufer des Euphrat sehnen sich die gefangenen Hebräer nach ihrer Heimat. Zaccaria berichtet von seiner Vision des vernichteten Babylon und fordert die Hebräer zu Racheschwüren auf.teil 4 – das zerstörte Götzenbild ● ● ● Nabucco hört in seinen verschlossenen Räumen die Vorbereitungen zur Massenhinrichtung der Hebräer. Er betet zum Gott Israels und kommt wieder zur Besinnung. Abdallo befreit seinen König, der mit den letzten ihm treu ergebenen Soldaten zum Richtplatz stürmt. ● ● ● Fenena sieht in der Gewissheit göttlicher Gnade ihrem Tod gelassen entgegen. Nabuccos Ankunft verhindert das Massaker. Die Hebräer, Nabucco und Fenena beten zum Gott Judas. Abigaille gibt Fenena und Ismaele zusammen und hofft auf göttliche Vergebung im Tod.

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8 9 die bühne ist sO nackt wie die menschliche traGödie, die auF ihr spielt: vOr einer betOnwand rinGen sieben männer auF blankem schwar-zen bOden mit dem leben der unterdrückten. sie werden Getreten, sie treten den, der nOch schwächer ist als sie. sie sind sO sehr GeFanGen im kreislauF vOn demütiGunG und demütiGen, dass sie, als

ihnen die Freiheit GebOten wird, nichts mit ihr anFanGen können. So beschrieb Sophie Albers im Magazin der stern vom 26.11.2011 die Aufführung des Stücks Sho Kman – Was noch? des Dschenin Freedom Theatre in der Regie von Nabil Al-Rhee auf einer Deutschland-Tournee. Die Spirale von Gewalt und Widerstand, von Kriegen und Krisen der Religionen und Ideologien gehört zur unmittelbaren Lebensrealität der Spieler und des Publikums im palästinensischen Flüchtlingslager Dschenin im Westjordanland. Hier leben ca. 17000 Menschen in menschlichen Extremsituationen auf einem Quadratkilometer. Die Themen des Dschenin Freedom Theatre sind Missstände im eigenen Land und Israel. Das Kritik- und Emotionspotential der Studierenden ist ebenso bewundernswert wie ihr Mut. ● ● ● Ju-liano Mer Khamis, der Gründer der inzwischen weltweit bekannten Theaterschule, wurde im April 2011 von einem maskierten Attentäter erschossen. In einem Interview mit dem israelischen Militär-Rundfunk (2009) äußerte Mer Khamis: „Ich bin zu 100 Prozent Pa-lästinenser und zu 100 Prozent Jude.“ Konservative Palästinenser lehnten das Dschenin Freedom Theatre ab. Seit den Ghetto-Theatern im Nationalsozialismus gab es keine derartig dringliche Situation für Theater und seine Themen.

Flüchtling, Flüchtlingsschutz, Binnenvertriebene, Staatenlose, Asylsuchende, Rückkehren-de – so listet UNHCR (The UN Refugee Agency) Heimatlose und Vertriebene auf. Weltweit nehmen die Migrationsbewegungen Einzelner und von Gruppen zu. Mögliche Gründe sind Rasse, Nationalität, Religion, politische Überzeugung oder sexuelle Orientierung. Definiert wurde der Status von Flüchtlingen in der Genfer Flüchtlingskonvention 1951. Gegründet wurde UNHCR am 14. Dezember 1950 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York, das Ziel war vorerst Hilfe für die Flüchtlinge infolge des Zweiten Weltkriegs. Die Arbeit des UNHCR begann am 1. Januar 1951. Das alle fünf Jahre von der UN-Vollversamm-lung verlängerte Mandat von UNHCR wurde 2003 in ein unbeschränktes umgewandelt. ● ● ● Weltweit sind heute etwa 42,5 Millionen Menschen auf der Flucht; ca. 36,4 Millionen stehen unter dem Schutz von UNHCR. Für den Zeitraum Januar bis Oktober 2012 haben über 50.000 Menschen Asyl in Deutschland beantragt. Die meisten Erstanträge kommen aus Serbien, Afghanistan, Syrien und Irak.

diE THEATERARbEiT SOLL dEN TEufELSKREiS

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Fenena, 4. Teil

THeaTer gegen gewalT und Krieg/ NAbuccO NAbuccO\ FlucHTbewegungen

dAS fiRmAmENT öffNET SicH, diE SEELE wiLL zum HERRN! SEiN LäcHELN gELEiTET micH zu AbERHuNdERTEN fREudEN.

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babylon – assyrien – Juda – israel/ NAbuccO

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NAbuccO\ Todes- und racHescHwüre zur FasTenzeiT – Verdis MelodraM nabucco

der Gott Israels lässt in Giuseppe Verdis Oper Nabucco das Stand-bild Baals zusammenstürzen, die Hebräer erhalten danach vom geläuterten König Assyriens die Genehmigung zur Rückkehr in die ersehnte Heimat. Diese ereignet sich kurze Zeit nach der Verschleppung in die babylonische Gefangenschaft. ● ● ● Mit

den überlieferten und erforschten Fakten über diese historischen Ereignisse um 587/86 v. u. Z. hat das Geschehen in der Oper außer dem historischen Rahmen und der Titelfigur nichts gemeinsam. Die Namen der Völker verwendete Temistocle Solera ohne die im Alten Testament beschriebenen Zuordnungen. Hebräer als Synonym für Israel und die kleinere Volksgruppe Juda werden von ihm ebenso wenig differenziert wie Babylon und Assyrien, historisch zwei unterschiedliche Gruppen und Nachbarstaaten. Die Rückkehr der Hebräer aus dem babylonischen Exil, das etwa 50 Jahre dauerte, fand 538 v. u. Z. statt, nachdem die Perser 539 die Babylonier besiegt hatten. Das Königreich Juda wurde mit einer hochentwi-ckelten Zivilisation konfrontiert. Im Exil – oder danach durch dieses geprägt – entstand das für die weitere Entwicklung wesentliche Gottesbild des mosaischen Glaubens: Der Eine Gott beweist seine Macht mit dem über Juda gebrachten Leid. Gegner und Unterdrücker des „auserwählten Volkes“ sind Mittel von Jehovas Gewalt. ● ● ● Die für andere ethnische Gruppen liberale Politik Assyriens und dessen hochentwickelte Zivilisation waren für den in Nabucco entworfenen Religionskonflikt nicht relevant.

die Uraufführung von Nabucco nach dem Schauspiel von Auguste Anicet-Bourgeois und Francis Cornue am 9. März 1842 mit 8 Folgevorstel-lungen in der laufenden sowie der Rekordzahl von 57 in der folgenden Spielzeit gestaltete sich für Verdi an der Mailänder Scala und anderen Städten wie Parma, Wien, Venedig, Konstantinopel, Brüssel und Paris

zum Triumph. Weit mehr beim Publikum als bei der Presse und der musikalischen Fach-welt. Durch Nabucco erhielt Verdi jenes Image, das ihm über Jahrzehnte anhaftete: Vorliebe für bizarre und blutrünstige Stoffe, geringe Kultur der Orchesterbehandlung und sänger-feindliche Anforderungen ohne Berücksichtigung der Belcanto-Tradition. Zum Teil mag diese Kategorisierung durch das Nabucco-Textbuch begründet sein, dessen Vertonung Otto Nicolai eine Folge von „Wüten, Blutvergießen, Schimpfen, Schlagen und Morden“ nannte und zur Vertonung abgelehnt hatte. ● ● ● Das biblische Sujet in Nabucco hat andere Grün-de als den exotischen Schauplatz: Opernaufträge für die Fastenzeit waren in italienischen Ländern (auch denen unter österreichischer und französischer Administration) eine be-liebte Alternative zu Oratorien-Aufführungen. Wohlgemerkt unterschieden sich zwar der Schauplatz und die Handlungszeit (antikes Ambiente mit Konflikten zwischen Hebräern/frühen Christen und ihren Gegnern), nicht aber die Darstellungsform von anderen in der italienischen Oper dargestellten Liebesbeziehungen, z. B. Mose in Egitto von Rossini, 1818, und Il diluvio universale (Die Sintflut), 1830 von Donizetti. In einer Zeit vor der Etablierung

zu bOdEN! icH biN NicHT mEHR KöNig,

SONdERN gOTT.Nabucco, 2. Teil

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1312cineastischer und akustischer Massenmedien waren Opern und historische Romane Vor-läufer des biblisch-historischen Monumentalfilms und erfüllten in der Anwendung aller bühnentechnischen Möglichkeiten die Schaulust des Publikums. Veranstalter hatten die Riten des katholischen Kirchenjahres zu berücksichtigen. Israel bzw. Juda, aus dessen mo-notheistischer Religion das Christentum entstand, wurde in biblischen Sujets immer positiv gewertet. ● ● ● Die Gegenüberstellung verfeindeter Völker (Israel contra Babylon) vollzieht sich in Nabucco und Verdis folgender Oper I Lombardi alla prima crocciata (Die Lombarden auf dem ersten Kreuzzug, 1843) mit der gleichen Bedeutsamkeit wie das Schicksal der Haupt-figuren. Derartige Konstruktionen wurden von Zensurbehörden oft bis zur Unkenntlich-keit entstellt, sofern es sich nicht um biblische Sujets mit oratorienhaften Zügen handelte. ● ● ● Anfang der 1840er Jahre war die italienische Freiheitsbewegung noch kein zentrales Politikum. Seine politische Doppelbedeutung erlangte der Gefangenenchor erst nach der Gründung des Königreiches Italien 1861. ● ● ● Das Libretto von Temistocle Solera (1815-1878) zeichnet sich neben der Häufung von Gewaltsituationen und Drohgebärden durch eine sogar in der Librettistik der Entstehungszeit ungewöhnliche Häufung elliptischer und fragmentarischer Satzgebilde aus, die erst durch die musikalische Periodenbildung Sinn erhielten. ● ● ● Roger Parkers Hinweis auf die „Unsicherheit in stilistischer Hinsicht“ und „Mangel an Kohärenz“ (Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Bd. 6) ist schon durch das Libretto vorgegeben. Das Liebespaar tritt nur episodenhaft in Erscheinung, die Begründung

psychologischer Motivationen und von Abigailles Selbstmord fehlen. ● ● ● Fenenas und Is-maeles Konflikt zwischen Liebe und Herkunft findet keinen melodischen Ausdruck: Abi-gaille dominiert im (einsätzigen) Terzett des ersten Teils und Verdi ersetzte das vorgesehene Duettino des Liebespaars durch Zaccarias Prophezeiung im dritten Teil. ● ● ● Durch den großen Anteil zu deklamierender Phrasen entsteht das schroffe Klangbild der Nabucco-Par-titur. In Nabuccos großer Arie im vierten Teil hat das einleitende Rezitativ größeren Umfang als die Kavatine. Im Arioso Nabuccos am Ende des zweiten Teils wechseln ein rhythmisch akzentuiertes und ein lyrisches Strophengebilde ab. An vielen Stellen wird Verdis Absicht erkennbar, neue Rollentypen zu kreieren, die er in seinen folgenden Opern bis Rigoletto (1851) fortsetzte. ● ● ● An welchen Typus von Sängern dachte Verdi bei der Komposition? Wie in der zeitgenössischen Praxis üblich, kannte er die Solisten der Uraufführung. Es ist bekannt, dass Giuseppina Strepponi (1815-1897), später Verdis zweite Ehefrau, aufgrund stimmlicher Probleme die Rolle der Abigaille abgab und deren Schlussszene mehrfach ge-strichen wurde. Giuseppina Strepponi, die mit 20 Jahren als Rossinis Mathilde di Shabran debütiert hatte, sang eher lyrische Parts mit Koloratur. Aber ausgedehnte Forte-Attacken mit Koloraturen, extreme Intervallsprünge und sekundenschnelle Wechsel in lyrische Piano-Phrasen machen den Part Abigailles noch heute zu einem der schwersten des gesamten Repertoires. ● ● ● Giorgio Ronconi (1810-1890), der erste Nabucco, hatte von 1833 bis 1843 in bereits sieben Uraufführungen von Gaetano Donizetti gesungen, der das bis Anfang des

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14 1520. Jahrhunderts in Italien verbindliche dramatische Rollenprofil des Baritons entwickelt hatte. Obwohl beide eher lyrisch fokussierte Stimmen besaßen, inspirierten Ronconi und Giuseppina Strepponi Verdi zu einem neuartigen dramatischen Gestus. ● ● ● Insgesamt belegen Verdis kompositorische Neuerungen in Nabucco neben Werken von Saverio Merca-dante und Otto Nicolai, dass um 1840 sich in der italienischen Oper eine Tendenz zu mu-sikdramatischen Neuerungen vollzog: Knappere Strophengebilde, die Verminderung von Koloraturen sowie eine kontrastreichere Gestaltung der Rezitative waren Mittel zu einer zunehmenden Verdichtung zwischen dramatischen und musikalischen Sinnebenen. Es be-gann die allmähliche Entwicklung von der traditionellen Gesangsverzierung zum packend realistischen Ausdruck. Roland Dippel

am 10. Oktober 1813 kam Giuseppe Fortunino Francesco Verdi in dem klei-nen Dorf Le Roncole bei Busseto (Norditalien) im Herzogtum Parma zur Welt. Der aus einfachen Verhältnissen stammende, 1836 zum Ma-estro di Musica ernannte Kompositionsstudent sollte der berühmteste Komponist Italiens werden. In 87 Lebensjahren (bis zu seinem Tod am

27. Januar 1901 in Mailand) prägte er mit 26 Opern das Repertoire des 19. Jahrhunderts. Sein Lebenswerk umfasst die Entwicklung des „melodramma“ vom Ende des Belcanto über die französische Grand Opéra bis zu einer individuellen Form des Musikdramas neben Richard Wagner. ● ● ● Die Gesangslinie als Trägerin des dramatischen Ausdrucks von im-ponierenden Solorollen und wirkungsvollen Chorszenen ist immer Zentrum der musikdra-matischen Ästhetik Verdis. Zu Beginn komponierte er wie Gaetano Donizetti und Gioacchi-no Rossini in den von ihm bereits individuell benutzten Formmustern des Belcanto. Kein italienischer Komponist vor ihm hatte die sängerische Virtuosität derart zum emotionalen Ausdruck und vor allem zur dramatischen Gestaltung funktionalisiert. Verdi entwickelte in gewagten Handlungen und Situationen seiner experimentellen Werke wie Macbeth (1847) einen ganz eigenen musikdramatischen Stil. ● ● ● Die Reform des Operngesangs vollzog sich um 1850 nicht nur durch Richard Wagner, sondern zeitgleich in ganz Europa. Vor al-lem in den Sopran- und Bariton-Partien verlangte Verdi seinen Sängern neuartige Mittel ab. In den für Paris und nach 1855 entstandenen Opern forderte er überdies einen wesentlich

NAbuccO\ 2013 – Vor 200 JaHren wurde giuseppe Verdi geboren

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16 17größeren Orchesterapparat. ● ● ● Inzwischen gehören auch einige frühe Opern Verdis wie Ernani, Attila, Macbeth und Luisa Miller zum internationalen Standardrepertoire. Nicht nur diese Werke zeigen seine Vorliebe für damals ungewöhnliche Stoffe. Die vom Publikum des 19. Jahrhunderts als „schauerlich“ betrachteten Dramen Shakespeares oder Victor Hugos faszinierten ihn. Verdis Ziel war die bestmögliche Synthese von Szene und Musik. ● ● ● In seiner frühen Schaffensphase, von Verdi selbst als sogenannte „Galeerenjahre“ bezeichnet, komponierte er Auftragswerke für die großen Opernhäuser Italiens: die Mailänder Scala, La Fenice in Venedig und San Carlo in Neapel. Giuseppe Verdi beharrte zunehmend auf Mitsprache bei der Gestaltung seiner Libretti, deren Sujets und Gattung. Sein radikalstes Experiment – La traviata, eine Oper über eine Pariser Kurtisane – war zur Uraufführung ein Misserfolg bei Presse und Publikum. ● ● ● Aus heutiger Perspektive wirken die Originalfas-sungen von Les vêpres siciliennes (1855) und Don Carlos (1867) fortschrittlicher als seine itali-enischen Opern, weil die französische Sprache musikalisch freier behandelt werden kann als die eher zur Rhythmisierung tendierende italienische Sprache. Verdi gelang dort eine noch intensivere Darstellung. Auch die nicht von Zensurbehörden beeinträchtigte Libretto-Produktion machte Paris für ausländische Komponisten zu einem bevorzugten Schaffens-ort. ● ● ● Trotz der kompletten Erschließung seines Gesamtwerks hat sich bis heute nichts daran geändert, dass Nabucco, La traviata, Rigoletto und Aida weiterhin die meistgespielten Opern Verdis sind. Regine Neudert

übER dEN zERSTöRTEN göTzENbiLdERN wiRd dEiN gESETz TRiumpHiEREN.

Zaccaria, 2. Teil

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18 19impressumVolkstheater Rostock GmbHSpielzeit 2012/2013/ Intendant Peter Leonard / Kaufmännischer Geschäftsführer Stefan Rosinski/ Redaktion Roland Dippel/ Redaktionelle Mitarbeit Regine Neudert/ Fotos ( Bühnenorchesterprobe 23.04.2013) Dorit Gätjen/ Konzept + Design usus.kommunikation, Berlin/ Layout und Satz Christiane Scholze/ Quellen Originalbeiträge von Roland Dippel und Regine Neudert – www.unhcr.de (11.04.2013) – www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/1785861 (11.04.2012) – (www.bibleserver.com/text/LUT/Psalm137,1 – www.stern.de/kultur/kunst/theater-aus-palaestina-teuflische-freiheit-1732184-print.html (11.04.2013) – www.bibelwissenschaft.de (11.04.2013)/ Zitat der Rückseite Nabucco, 1. Teil/ Druck Stadtdruckerei Weidner GmbH/ Programmheft 1,00 2

1964 veröffentlichte der Henschelverlag für die DDR Nabucco in der musikalischen Ein-richtung des 2013 verstorbenen Rostocker Chefdirigenten Gerd Puls in einer deutschen Nachdichtung des Chefdramaturgen KuBa (Kurt Bartel), der mit dem Intendanten Hanns Anselm Perten das künstlerische Profil des Volkstheaters Rostock entwickelte und prägte. Der Text des berühmten Gefangenenchores lautet dort:

Flieg Gedanke, auf goldenen SchwingenAuf die Gipfel der Menschlichkeit getragen,Wo die Quellen der Weisheit entspringen,wo die Lüfte gleich Zephir und mildem Gesang.Ach der Jordan führt Tränen und Klagen,An den Wassern des Euphrat ist Zion geringer.O du Cherub mit flammender Klinge,O du schweigender Cherub, was schweigst du so bang!

Gold’ne Harfe, auf dir singt vom Fluss her der Wind.Du hängst stille und stumm in der Weide.Sing und sage, warum wir Gefang’ne sind,Uns noch immer die Fußspange quält.Ach uns mutig und stärke uns im Leide,Sprich und klage mit eherner Stimme,bleibe wahrhaft und maßvoll im Grimme,Wie die Tugend im Feuer der Leide gestählt, ja im Leide gestählt!

Gold’ne Harfe im trauernden Weidenbaum,tropfe Balsam in heilende Wunden,Wach’ und wecke die Völker aus Zeiten und Traum,Wenn die Hand deine Saiten nur streift.Welt vom Fluch und vom Schmerze entbunden,Alte Harfe, erklinge und töne!Sing’ die Weise, die mütterlich schöne,da der Frühling in kreißende Sommer hinreift, ja in Sommer hinreift!

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du, mäcHTigER gOTT AbRAHAmS,

KOmm HERAb.