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14. Umweltmedizinische Jahrestagung Umweltbelastung, Dysbiose und Schleimhautimmunität - Der Darm als Zentralorgan der systemischen Entzündung? - Dr. Claus-Hermann Bückendorf FA für Innere Medizin/Umweltmedizin , Kiel

14. Umweltmedizinische Jahrestagung Umweltbelastung ... · ILAR Journal, 2015, Vol.56, No.2, 218-227 •Xenobiotika haben Einfluß auf die Zusammen-setzung des Mikrobioms und dessen

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14. Umweltmedizinische Jahrestagung

Umweltbelastung, Dysbiose und Schleimhautimmunität

- Der Darm als Zentralorgan der systemischen Entzündung? -

Dr. Claus-Hermann Bückendorf

FA für Innere Medizin/Umweltmedizin , Kiel

Mucosaimmunsystem (MIS) – vernetzes System!

NALT BALT

GALT

Einflüsse auf das Schleimhautsystem Metalle Kunststoffe Nahrungsmittelzusätze Chemikalien Medikamente Stress Alkohol , Nikotin Bakterien, Viren, Parasiten Allergene Freie Sauerstoffradikale Lokale und systemische

Entzündungsprozesse etc.

Genetik

Schleimhautfunktions-störung

Erkrankung

akut chronisch

Schleimhautbarriere: Mikrobiom Mucin Epithel+Tight junction Enteritische

Immunsystem(ENS) Enteritische

Nervensysstem(EIS)

Welchen Einfluß haben Xenobiotika auf die intestinale Schleimhaut und das Mikrobiom

?

ILAR Journal, 2015, Vol.56, No.2, 218-227

• Xenobiotika haben Einfluß auf die Zusammen-setzung des Mikrobioms und dessen Funktion.

• Das Mikrobiom hat direkt oder indirekt Einfluß auf die Biotransformation von Xenobiotika.

• Die in diesem Rahmen enstehenden Metabolite können toxischer oder weniger toxisch sein als die Ausgangssubstanz.

• Xenobiotika können über eine Veränderung des Mikrobioms chronische Entzündungen induzieren.

Kernausagen

• Chlorpyrifos(Pestizid) verändert die Protektivflora, Abnahme von Lactobacillen und Bifidobacterien / Joley et al 2013

• Glyphosate reduzierten die Keimzahl von Enterokokken, die Bestandteil der Immunflora sind / Shehata et al 2013

• Polychlorierte Biphenyle(PCBs) verringern die Gesamtkeimzahl des Mikrobiom, insbesondere der Proteobakterien/ Choi et al 2013 .

• Arsen verringert die Bildung kurzkettiger Fettsäuren und beeinflußt die Detoxification der Phase II / Lu, Abo et al 2014

• Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) können durch das Mikrobiom in hormonähnliche Metabolite umgewandelt werden mit Einfluß auf Östrogenrezeptoren / van der Wiele et al 2005

• Quecksilber induziert Hg- und Antibiotika- resistente Keime. Diese können HG (II) in HG(0) und Methylquecksilber umwandeln / Summers et al 1993 ; Liebert et al 1997

• Quecksilber erzeugt gravierende Dysbiosen, dezimiert u.a.Bacteroides Stämme und erhöht Actinobacteria./ Lapanje et al 2010

• Bismuth kann umgewandelt werden in das toxische, flüchtige Trimethylbismuth./ Michalke et al 2008

• Cadmium und Blei reduzieren Bacteroides und die Produktion kurzkettiger Fettsäuren(Butyrat). / Liu et al 2014 ; Breton, Massart et al 2013

• Feinstaub Exposition des Mikrobioms kann entzündliche Schleimhautveränderungen auslösen./ Kish et al 2013

• Im Mausmodell konnte gezeigt werden, dass

Insektengifte, wenn Sie eingeatmet und geschluckt werden, im intestinalen Nervensystem(ENS) zur Freisetzung des Parkinson – Proteins Alpha –Synuklein führen“ Prof.Dr.Heinz Reichmann, Direktor der Neurologie Uni Dresden

• Das im Magen/Darmtrakt nach Pestizidkontakt gebildete Eiweiß Alpha-Synuklein soll entlang vegetativer Nervenfasern ins Gehirn gelangen und dort auf andere Nervenzellen übertragen werden.

• Der Krankheitsprozess konnte unterbrochen werden, nachdem der Vagusnerv durchtrennt wurde.

S., B., m. , 40 J

Patient

Anamnese

Vorgeschichte: TE, art.Grenzwerthypertonie, sonst keine relevanten Vorerkrankungen, keine Allergien.

Zahnstatus: sanierungsbedürftiges Gebiss, > 10 Amalgamplomben z.T. großflächig und korrodiert .

Beruf: Kranführer

Anamnese

Seit Mitte 2014 Entwicklung eines komplexen Beschwerdebildes: Schwindel, Leistungsminderung, Erschöpfung, Schlafstörungen, Muskel- und Gelenkbeschwerden, Cephalgien, Angstgefühle, Stimmungsschwankungen, Palpitationen, Schwitzen und unregelmäßigem Stuhlgang mit Meteorismus.

177,6 mikro g/gKreat

350 % über der Norm

Typ IV Allergie auf

anorganisches Quecksilber

11.03.2015

Normwert

<3,5g / 100g Stuhl

Anteil Iso-Fettsäuren/Gesamtfetts. > 3%

<1,0g / 100g Stuhl

75-85g / 100g Stuhl

>200 µg / g Stuhl

510-2040 µg/ml Stuhl

EPX <1700 ng / ml Stuhl

ß-Defensin 2 8-60 ng / ml Stuhl

Permeabilitätsmarker

117,5 ng/ml erhöht <78,0 ng / ml Stuhl

<56,0 mg / dl Stuhl

Verdauungsrückstände im Stuhl

KyberPlus Stuhldiagnostik

1503002966_KP

Stefan B.

Fett

Stickstoff

Wasser

sekretorisches IgA

Pankreasspezifische Elastase 1

Zonulin

a1-Antitrypsin

Leaky Gut

S Luminale Protektivflora (Schutzflora)

I Immunmodulierende Flora

P Proteolytische Flora (Fäulnisflora)

M Mukoprotektive Flora

Normwert

S 2 x107$ 109 - 1011

S 9 x109 109 - 1011

S <2 x104$$$ >105

S H 2O 2 -Lactobacillus <2 x104$$$ >105

P <5 x104 <105

M Faecalibacterium prausnitzii 3 x106$$$ >1 x 109

M Akkermansia muciniphila <1 x104$$$ >1 x 108

Hefepilzdiagnostik quantitativ

<5 x102 <103

Stuhl-Eigenschaften

## 5,8 - 6,5

Schimmelpilzdiag. semiquant.

kein Wachstum

4 x1011 1011 - 1012

normal

zähbreiig

Lactobacillus sp.

Schimmel

Stuhlkonsistenz

Stuhl-pH 7,5

Wachstum

Hefen

Gesamtkeimzahl

Keimzahl in KBE/g Stuhl

Stefan B.

1503002966_KK/PZ

Keimzahl

Clostridium sp.

Bacteroides sp.

Anaerobe Indikatorflora

Bifidobacterium sp.

Herborn

11.03.2015

S Luminale Protektivflora (Schutzflora)

I Immunmodulierende Flora

P Proteolytische Flora (Fäulnisflora)

M Mukoprotektive Flora

Normwert

I 5 x104

$$ >106

P < 1 x104

<104

P < 1 x104

<104

P < 1 x104

<104

P < 1 x104

<104

P < 1 x104

<104

P < 1 x104

<104

I 5 x104

$$ > 106

KyberKompaktPRO

Befund

quantitative Untersuchung der

Stuhlflora

Keimzahl in KBE/g Stuhl

1503002966_KK/PZ

Stefan B.Aerobe Indikatorflora

Enterococcus sp.

Citrobacter sp.

Escherichia coli

E. coli Biovare

Proteus sp.

Klebsiella sp.

Pseudomonas sp.

Enterobacter sp.

Reizbarkeit

Schlaflosigkeit

Angstgefühle

Unruhe

Gemütsschwankungen

Erschöpfung

VAS : v. 10-6

VAS: v. 10-5

VAS: v. 10-6

nach 8-10 Wochen

Probiotikagabe

Prof. Holzer, Neurogastroenterologie Uni Graz

Neuropeptides 46 (2012) 261-274

Gehirn

Bauch

Die Entstehung akuter /chronischer Erkrankungen wird entscheidend von dem Zusammenspiel Epithel, Mikrobiom, enteritisches Nervensystem (ENS) und Immunsystem (MALT) bestimmt. Hierbei spielt der Erhalt der Integrität des Schleimhautepithels eine zentrale Rolle.

Welche anatomischen Strukturen sind für die Schleimhautintegrität verantwortlich

?

D 0-00

Aufbau der Tight Junctions Occludin

Claudin

ZO-Proteine

Cingulin

JAM

• Vorkommen in Epithelzellen der Haut, Schleimhäute und Endothelzellen von Gefäßen ( zB. Blut-Hirn-Schranke ).

• Kontrolle des Transportes von Aminosäuren, Zuckern, Fettsäuren, Immunglobulinen, Nahrungsmittelproteinen, bakteriellen Endotoxinen oder Candidaantigen.

Tight junctions

• Dendritische Zellen können bei erhaltender Barriere Tight junctions öffnen und Antigene aus dem Darmlumen aufnehmen

•Steuerungsprotein der

intestinalen Permeabilität(tight junction) •Biomarker für ein leaky gut

syndrom

Zonulin

D 0-00

• Neuronale Zellen können die Funktion beeinflussen(z.B. Hirntraumata, Distress).

• Bakterielle und virale Infektionen setzen die Barriefunktion herab.

• Entzündungszytokine (zB TNF-alpha) verändern die Struktur der Tight junctions und schwächen die Integrität der Grenzfläche.

• Medikamente, Metalle und Schadstoffe können die Funktion stören bzw. schädigen.

Störungen der Tight junctions

Schmidt,R OM & Ernährung 2009,128

Medikamente Adverse Agenzien Erkrankungen

Nicht-steroidale

Antirheumatika

Freie Sauerstoffradikale Hirntrauma

Chemotherapeutika Eisen3+ Hämorrhagischer Schock

Acetylsalicylsäure (Aspirin®) Cadmium Distress

HIV-Protease-Inhibitoren

(Saquinavir, Ritonavir,

Nelfinavir)

Desoxycholsäure Rheumatoide Arthritis

Anthracyclin

Allergene (z.B. Gluten)

Histamin

Verbrennung der Haut

Ethanol Zöliakie

Aminoglycosid-Antibiotikum Lebensmittel-Tenside Epilepsie

Nikotin Neoplasien

Tabelle1: Medikamente und andere Agenzien, welche die Tight Junctions schädigen, bzw. Erkrankungen, bei denen

geschädigte Tight Junctions eine Rolle spielen

D 0-00

Zerstörung der epithelialen

Grenzfläche

Kontrolle Clostridium difficile Toxine

Jan-Michel Otte und Daniel K. Podolsky 2004

Kontrolle Salmonella dublin Lactobacillus sp und Salmonella dublin

Bakterien und epitheliale Haftkomplexe (tight junctions)

Epitheliale Grenzfläche

Schutz durch Lactobacillus

Indirekte Immunfluoreszenz: ZO-1 im terminalen Ileum der Ratte

Kontrolle 2h Immoblisierungsstress

Welche Folgen hat die Störungen der intestinalen Barriere

?

D 0-00

AAA

Störungen der mukosalen Ebene

Antigeneinstrom in die Submucosa

Ma Makrophagen-/und Mastzellenaktivierung

f Aktivierung von Entzündungsmediatoren

S Störung der mukosalen Toleranz

^ Systemische Entzündung

ssss Störung der Zellintegrität

Einstrom von Entzündungstrigger: LPS, immunogene Nahrungsmittel-

proteine, Xenobiotika, Metalle, Dysbiose, Distress

Störung der mukosalen Toleranz IL- 10, TGF- ß, IL-17

Gewebeschädigung

Störungen der luminalen/mukosalen Ebene

Aktivierung des histaminergen, adaptativen und myelo-monozytären

Immunsystems TNF alpha, INF gamma, Histamin etc.

Systemische Inflammation

Aktivierung des ENS Mileuveränderung

Metabolische Endotoxinämie

Ursache: Permeabilitätserhöhung der Darmschleimhaut! Chronisch schleichender Übertritt von gram-negativen

bakteriellen Endotoxinen (LPS) aus dem Darm ins Blut TLR -4- Aktivierung Freisetzung pro-inflammatorischer Zytokine Mastzellaktivierung Induktion chronischer Entzündungskrankheiten

Chang S, Li L: Metabolic Endotoxemia: A Novel Concept in Chronic Disease Pathology. J Med Sci 2011; 31(5): 191-209

Belastung durch Hepatoxine

Erhöhte LPS (Endotoxin) Belastung

Adaptiert nach Gratz et al., 2010

• Intestinale Inflammation und Sensibilisierung

• Triggerung von Autoimmunreaktionen • Inadäquate Nährstoffresorption • Störung der Detoxifikation • Induktion von oxydativem-/ u.

nitrosativem Stress • Leberfunktionsstörungen

Folgen des Leaky-Gut-Syndroms

• systemische Entzündungsreaktionen • rheumatische Erkrankungen • Herz-Kreislauferkrankungen • Allergien • Autoimmunerkrankungen • Nicht-alkoholische Steatohepatitis

(NASH) • Reizdarmsyndrom, CED

Folgen des Leaky-Gut-Syndroms

B-Zelle EC EC

Enteritische Nervensystem (ENS)

Enteritische Immunsystem

(MALT)

Mikrobiom

Darmlumen

Intestinale

Submucosa

Serotonin

VIP, Substanz P

Zytokine,

Prostaglandine,

Leukotriene

Sekretion ++

Motilität++

Leaky gut

Antigene ,Trigger

Die Schleimhaut ist als funktionelle Einheit anzusehen.

Der Erhalt der Schleimhautintegrität spielt für die Enstehung chronischer Erkrankungen eine zentrale Rolle.

Xenobiotika und Metalle haben störemden Einfluß auf das Mikrobiom und die Schleimhautintegrität mit der Entwicklung eines Leaky gut Syndroms.

Take home message!

Beim Leaky Gut Syndrom wird der Darm zur wichtigsten Entzündungsquelle und kann Einfluß auf andere Regulationssysteme nehmen.

Die metabolische Endotoxinämie als Komplikation der Barrierestörung kann eine chronische Leberbelastung und silent Inflammation induzieren.

Mikrobiom, enteritisches Nervensystem(ENS), mukosaassoziertes Immunsystem beeinflussen sich wechselseitig.

Take home message !

Dr. Claus-Hermann Bückendorf

Wulfsbrook 2, D-24113 Kiel

[email protected]

www.praxis-bueckendorf.de

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!