156577853 Kalweit Holger Dunkeltherapie Die Vision Des Inneren Lichts 2004 336 S Text

Embed Size (px)

Citation preview

  • Holger Kalweit

    Dunkeltherapie

    Die Vision des Inneren Lichts

  • Holger Kalweit

    Dunkeltherapie

    Die Vision des Inneren Lichts

  • KOHA-Verlag GmbH Burgrain Alle Rechte vorbehalten - 1. Auflage: Mrz 2004

    Lektorat: Delia Rsel, Daniela Schenker Satz: Satjana's (www.satjanas.de)

    Gesamtherstellung: Karin Schnellbach Druck: Bercker, Kevelaer

    ISBN 3-936268-37-0

  • Inhalt Vorwort 9

    Meine Reise in die Nacht der Seele 9

    I. Die Geburt der Dunkeltherapie 11 Herkunft 11 Der tibetische Nachtpfad ins Licht 11 Therapie der Nacht in anderen Kulturen 13 Moderne Dunkeltherapie 15

    II. Meine Gesprche in der Schwarzen Welt 21 Traum, Schlaf und die Alltagsspuren 22 Trume und bleibe wach dabei 23 Vorbereitung auf den Tod 25 bung der Nacht 28 Raum, Licht und Ton 29 Die Bewusstseinsleere 31 Die Energie des Lichts 33 Das Sambhogakaya ist das Seelenreich 36 Die Gesichte 38 Das Licht des Sambhogakaya 42 Urzustand und Vision 47 Wahrheiten ber Worte 49 Dunkeltherapie heit Seinserfahrung 52

    III. Die spirituelle Intelligenz der Nacht - Theoretische Grundlagen 55 Leere, Licht und Leben 55 Was ist Bewusstseinsklarheit? 60 Wenn sich die Seele einen Krper umlegt 67 Was ist Erleuchtung? 71 Die Natur der Vision 78 Schlafen, Wachen, Trumen 89 Flle und Leere 90

    5

  • Stufenweg zur Einheitserfahrung 96 Die Seele 100 Der Sitz der Seele 106 Seinszustand gegen Ichzustand 107 Individuation durch Trennung 114 Ist Religion mglich? 129 Die Zartheit 137

    IV. Therapie in Finsternis - Die Praxis 141 Dunkelheit als Seelenspiegel 141 Leben in der Schwarzen Welt 144 Spirituelle Pathologien - Erwartungen 153 Einheit von innerer und uerer Natur 166 Blackout - Nachtfahrt der Seele 171

    V. Wie fhrt man Dunkeltherapie durch? 187 Seinspsychologie 189 Gertschaften, Methoden und Hilfsmittel 191 Die Dunkelheit ist die Therapeutin 193 Der Betreuer 197

    VI. 18 Reisen durch die Finsternis zum Licht 201 Die innere Welt ist dort drauen 201 Kosmische Bilder und Selbsterforschung 203 Lichtregen und Hellsehen 205 Hymnen an die Nacht 207 Keine Zeit, kein Weg 211 Krperauflsung und Todeserfahrung 215 Lichtstdte, Lichtvgel und Kristallgrotten 217 Eintritt ins Licht 221 Der Lichtblitz 222 Die Auslschung des Ichs 223 Traumodyssee im lichtlosen Land 225 Gebete aus dem Innenraum 235 Lichthlle und eigener Schatten 246

    6

  • Die Erscheinung des Todes 256 Eine beschwingte Bilderreise 271 Streifzug durchs Totenreich 283 Wachvisionen 292 Einsichten in der Dunkelheit 302

    EPILOG 313

    Glossar 317 Literatur 327

    7

  • 8

  • VORWORT

    Meine Reise in die Nacht der Seele

    Nepal 1968. Eine Pferdekarawane schlngelt sich bei Mond- schein ber schmale Bergpfade in Richtung tibetische Grenze: Ziel: Lo Mustang, ein kleines, selbststndiges Knigreich inner- halb Nepals. Ein befreundeter Lama und ich befinden sich in der Truppe von Kampas, tibetischen Guerillas, die von hier aus ihren Widerstand gegen die chinesische bermacht fhren. Lo Mustang war seinerzeit der westlichen Welt noch unbekannt und fr Westler ohnehin gesperrt. Als wir ins Dorf einritten, drangen aus einem Hause Zimbel- und Trommeltne und mein Lama machte mich mit einem Mnch bekannt, der seit Jahren in vollkommener Dunkelheit lebte. Wir stiegen hinab in eine Art Souterrainwohnung und in der Unfassbarkeit des Dunkels hrten wir eine Stimme. Sein Anliegen war, soweit ich mitbekam: Auf- lsung des beschrnkten Ich-Bewusstseins. Das war mein erster Kontakt mit der buddhistischen Yangtik, der Dunkeltherapie, wie ich sie heute nenne.

    Spter hrte ich noch gelegentlich von Yangtik, dem 49-tgi- gen Aufenthalt in vlliger Dunkelheit, der sowohl in der Bn- Religion als auch im Buddhismus gelegentlich zur spirituellen Praxis gehrt. Anfangs hielt ich das fr einen Exzess asiatischer Bewusstseinsexerzitien, spter - ich ahnte noch nicht, dass ich selbst einen 49-Tage-Rckzug in der schwarzen Welt Lo Mustangs durchleben wrde - erkannte ich, dass es sich um eine ebenso bedeutsame wie einfache Methode handelt, die jeder problemlos durchfhren kann und die keine raffinierten Meditationstech- niken voraussetzt.

    Viele Jahre spter, nach weiteren Dunkelklausuren, begann ich erstmals Finsternis als therapeutisches Mittel einzusetzen. Meine

    9

  • erste Berhrung mit der Dunkeltherapie stammt also aus dem bud- dhistisch-tibetischen Kulturkreis. Hier wird Lichtentzug, besonders im Vajrayana- Buddhismus, gezielt eingesetzt. Eine systematische Abhandlung ber die Dunkelklausur in dieser Tradition ist mir jedoch bis auf Anstze im Mahamaya Tantra nicht bekannt.

    Meinen ersten Lehrer in Lo Mustang konnte ich leider nicht ver- stehen, er sprach nur Tibetisch. Da in der Dunkelheit auch von Gestik und Mimik abgesehen werden muss, verstanden wir uns glnzend oder gar nicht. So ging er dazu ber, Texte zu rezitieren, zu singen, wohl um dadurch die Atmosphre zu reinigen. Etwas mehr verstand ich bei meinem zweiten Dunkelaufenthalt in der Nhe des Klosters Tabo in Kinnauer im Himalaya. Mein Betreuer sprach einige Brocken Englisch, wurde es ihm nach einiger Zeit jedoch zu anstrengend, ging er wortreich zu Tibetisch ber. Diese Gesprche habe ich auf Tonband aufgezeichnet und hier (siehe Kap. II) einige seiner Reden stark redigiert wiedergegeben.

    Seit einigen Jahren fhre ich nun bei mir im Haus die Dunkel- therapie durch, jedoch ohne direkten Bezug auf die in Asien damit verbundene Philosophie und Bewusstseinstechnik. Den Begriff Dunkeltherapie habe ich 1996 geprgt. Menschen aus der ganzen Welt kommen nun zu mir, um zwischen einer Woche und sieben Wochen im Dunklen zu verbringen. Aus meinen eige- nen Erfahrungen und jenen, die ich von meinen Besuchern hre, mit denen ich jeden Tag mindestens eine Stunde im Gesprch verbringe, setzte sich eine ganz neue Psychologie, ja ein neues Bild unseres Bewusstseins zusammen, das ich in diesem Buch vorstellen mchte.

    10

  • E I N S

    Die Geburt der Dunkeltherapie

    Herkunft Dunkeltherapie wird mit Variationen in allen traditionellen Kulturen ausgebt, insbesondere in Japan, Indien und Tibet; eine eigentliche Herkunftskultur ist daher nicht zu nennen. Im Rahmen der Entsagung, Visionssuche, der Einsamkeit und Klau- sur, des meditativen Rckzugs wird Dunkelheit zur Untersttzung der Inneneinkehr in unterschiedlicher Dosierung in allen kon- templativen Therapien und Selbsterfahrungsmethoden instink- tiv verwendet. Rckzug an dunkle Orte, Hhlen, Grotten, ins Erdinnere, in Tunnels und unterirdische Anlagen oder einfach die Nutzung der Nacht als Mittel zur Reizverringerung und Ent- konditionierung gehren zum Selbstfindungsrepertoire aller Kulte und Religionen. Seit meiner ersten Bekanntschaft mit der Dun- kelheit erprobe und entwickle ich die Schwarze-Welt-Therapie im Rahmen der blichen Psychotherapie sowie der transpersona- len und schamanischen Therapie. Diese Darstellung ist die erste Publikation meiner Erforschung der Dunkeltherapie.

    Der tibetische Nachtpfad ins Licht Dunkeltherapie gehrt zu den archaischen Methoden der Selbst- erfahrung. Dauernde Nacht bedeutet eine radikale Selbstkon- frontation. Man benutzt die Dunkelheit, in der man ein bis sieben Wochen allein verharrt, als Mittel der Rckkehr zu men- talen und transpersonalen Vorgngen. Die Abwesenheit von ueren Reizen lsst als Erstes die seelischen, dann die ener- getischen und schlielich die spirituellen Erfahrungen immer deutlicher werden.

    11

  • In der vorbuddhistischen Bn-Religion Tibets ist die Dunkelthe- rapie recht verbreitet. Im Meditationssystem des Dzogchen wird die Dunkelmeditation Yangtik genannt. Es heit, durch Dun- kelklausur werde der Schlaf leichter, man verliere das Gefhl fr Tag und Nacht, mehrmals schlafe man ein und wache auf, wodurch sich der Unterschied von Tag und Nacht, Traum und Wirklichkeit verwische. So entwickelten sich Klarheit und ein Gegenwartsbewusstsein. Spannungen, die im Traum auftauchen, Bhakshas, gelten als Spuren zurckgebliebener Alltagsreste. Ziel ist es, einen Klartraumzustand zu erreichen, also zu wissen, dass man trumt, dabei wachbleibt und den Verlauf des Traumes kon- trollieren kann. In der Dunkeltherapie befinden wir uns gelegent- lich in einem solchen Zustand zwischen Wachen und Trumen, die inneren Bilder stehen lebendig vor einem und man kann nun ben, diese nach Belieben auszurichten. Das Streben nach luziden, sprich Wachtrumen, ist jedoch nur ein bergangsziel, es geht nicht um Bewusstseinsspiele, sondern um die Erfahrung unserer Einbettung ins gesamte Dasein, wozu das Ichgefhl erlschen muss. (Die Schulung des Traumbewusstseins wird im Mahamaya Tantra ausfhrlich geschildert.)

    Es heit, smtliche Meditationserfahrungen verlaufen genau nach dem Muster des Sterbeprozesses und Todes. Die seelisch-krper- lichen Erscheinungen (Auflsung der Elemente, krperliche und psychische Erfahrungen) sind bei tiefer Meditation und im Ster- ben gleich. Meditation in Verbindung mit Dunkelheit heit daher Nachvollzug des Todes. Lngere Dunkeltherapie zeitigt ebenfalls Anstze des, in der tibetischen Medizin genau erforschten Ster- beprozesses. Tibetische Dunkeltherapie hat den Zweck, bereits jetzt bewusst ins Bardo des Todes einzutreten, um beim tatsch- lichen Tod diesen besser kontrollieren zu knnen (verwiesen sei auf alle tibetische Literatur zu Tod, Traum-Yoga und tantrischer Meditation). Bei der bung der Nacht, heit es, ziehen sich alle Sinne zurck, wodurch man einschlft. So auch beim Tod; es heit, zuerst erlschen die Sinne, wobei man vielerlei diesbe-

    12

  • zgliche Empfindungen hat, das ist das Chokyi-Bardo, das Bardo des Todesaugenblickes. Danach entsteht eine Art Bewusstlosig- keit oder Ohnmacht und nun kommt es zum Aufgang der vier Lichter (die Dzogchen Lehre nennt ein fnftes Licht, Lhu.nd.rub, Selbstvollkommenheit), damit setzt Bewusstsein wieder ein. Es heit, die Bewusstheit sei nach dem Tod sieben Mal strker. Eine genaue Abfolge von Lichtintensitten oder mentalen Lee- rezustnden wurde entwickelt. Hchstes Ziel ist es, Dharmata zu erreichen, die allem zugrundeliegende Essenz.

    Therapie der Nacht in anderen Kulturen

    Die Mamas Kolumbiens Die kolumbianischen Kogi-Indianer kennen eine Ausbildung zum Schamanen (Mamas) durch einen jhre-, ja jahrzehntelan- gen Aufenthalt in einer dunklen Htte.

    Japanische Morita-Therapie In der modernen japanischen Morita-Therapie und der Naikan- Therapie wird Dunkelheit als therapeutisches Hilfsmittel in beschrnktem Umfang eingesetzt. In diesen Therapiemethoden, die ihre Anregung aus dem Zen-Buddhismus schpfen, wird die Dunkelheit als Isolationstank benutzt. Whrend des Thera- piegesprchs befindet sich der Klient in der Dunkelheit, um sich so besser auf seine inneren Zustnde konzentrieren zu knnen. Aufdeckung des Unbewussten untersttzt durch Dunkelheit steht hier im Vordergrund.

    Die Irischen Seher Die altirischen Seher, die File waren zunchst Weissager. Sie degenerierten spter zu Poeten und ihre Weissagungen wurden feste Gedichte. Dichterische Inspiration grndet ursprnglich also auf der prophetischen Inspiration. Die Seher lagen in dunk- len Rumen mit Decken ber ihrem Kopf. Daher mute in den irischen Poetik-Seminaren jeder Gelehrte seine Verse im Bett

    13

  • liegend in einem fensterlosen Raum kreieren. Noch im 17. Jh. schreibt der Poet O Gnimhh, dass er dem alten Brauch anhngt und seine Verse im Bett komponiert, in einer Htte, aus der das Sonnenlicht verbannt ist.

    Indianische Finsternisvision Bei der Visionssuche der nordamerikanischen Plains-Indianer besteht eine Visionssuche darin, den Sucher nackt in ein Erd- loch zu setzen und dieses abzudecken, so dass er mehrere Tage in vlliger Dunkelheit kauert. Nackt, hungernd, durstend und ohne Schlaf - der durch Gebet und Gesang vertrieben wird - dmmert in der Erschpfung, Selbstaufgabe, im Schmerz und der Hingabe unter Umstnden eine Vision herauf, die den eige- nen Lebensweg symbolisch beleuchtet. Oder es treten immate- rielle Ratgeber, Tiere und Berggeister auf, die einen beraten. Die Dunkelheit stellt hier nur ein Hilfsmittel neben Gebet, Schmerz, Fasten, Drsten usw. dar.

    Vedische Nachtmeditation: Shabda Yoga und der Urton Wenn in der Dunkelklausur auch die Ohren verstopft sind, kann es zum Nada oder Shabda kommen, das ist in der vedischen Psy- chologie der unhrbare oder innere Urton, der sich im rechten Ohr artikuliert. Zuvor aber entstehen Tne wie eine Trommel, Glocke, Flte oder Muschelrauschen. Diesen Tnen muss man folgen. Genaue bungen zur Shabda-Psychologie werden im Laya Yoga und Surat Shabda Yoga angegeben.

    Hhlentherapie bei den Etruskern, Italiern und Rmern Wer die unterirdischen, in den Fels gehauenen, sakralen The- rapieanlagen in Italien kennt, kann die Labyrinthstruktur nur entschlsseln, wenn er die dahinterstehende Therapiekonzeption kennt. In einigen Anlagen wird die Nah-Tod-Erfahrung, wie wir sie heute wiederentdeckt haben, nachgespielt. So finden sich der zu berquerende Totenfluss, die Hlle, der Lichtraum, der Raum fr den Kontakt mit Verstorbenen und hheren Wesen, der Raum

    14

  • fr den Lebensrckblick usw. Hier wurde der Versuch unternom- men, eine Todeserfahrung mit Hilfe der Architektur nachzubil- den. Die Dunkelheit spielte bei diesen Einweihungssttten eine wesentliche Rolle und lnger dauernde Dunkelklausur gehrte, wie bei den griechischen Vorbildern, zur Voraussetzung. In Cumae habe ich die Initiationsgrotte, in der sich auch Aneas und Odys- seus aufhielten, wiederentdeckt; durch sie fliet der Totenfluss, der zu berqueren ist, um in die Orakelkammer der Sybille von Cumae zu gelangen.

    Moderne Dunkeltherapie

    Wie ich zur Dunkeltherapie kam Eigentlich lag die Idee recht nahe, nachdem ich selbst mehrere Dunkelaufenthalte hinter mir hatte, Dunkeltherapie durchzu- fhren. In meinem Geist schwebte ein Archetyp: Dunkelheit als Therapiemethode, Dunkelheit zur Erforschung unseres Erleuch- tungspotentials. Wie gesagt hatte ich den ersten Impuls, westli- chen Menschen diese Erfahrung zugnglich zu machen, whrend eines Dunkelretreats, doch von der ersten Idee bis zur Ausfh- rung war noch ein weiter Weg. Einmal schwrmte und trumte ich davon, ein nchstes Mal ver- warf ich die Idee wieder. Wrde berhaupt ein Europer zu mir kommen, wrde berhaupt jemand so lange in der Dunkelheit ausharren? Ich zweifelte, wute aber gleichzeitig um den groen Wert. Als Test lie ich auf Vortrgen gelegentlich das Wort Dun- keltherapie fallen und merkte, wie das sofort die Gemter erhitzte. Ich war scheinbar auf eine heie Ader gestoen. Schlielich wurde ich einfach hineinkatapultiert in die Praxis der Dunkelthera- pie. Ein Archetyp im Menschen wurde angeregt: Dunkelheit als Mittel der Selbsterkenntnis, als innerer Weg ins Seelenreich. Die Zuhrer sprten etwas, etwas sprach sie unmittelbar an. Und das sagen mir alle: Ich komme, weil ich sofort gesprt habe, das ist etwas fr mich. Danach habe ich schon lange gesucht. Das war mein insgeheimer Wunsch schon lange. Das spricht mir

    15

  • direkt aus dem Herzen usw. Ich hatte offensichtlich den richti- gen Begriff gewhlt: Dunkeltherapie. Das Wort ist so einfach wie vielsagend, jeder versteht sofort, worum es geht: Aufenthalt in der geheimnisvollen, unergrndlichen Dunkelheit. Das muss etwas in meiner Psyche bewirken. Menschen jedes Genres wissen intuitiv sofort, Dunkelheit ist eine starke Anregung fr die Selbst- erfahrung. In der Dunkelheit fllt die normale, strende Umwelt ganz weg, wir werden nicht mehr abgelenkt durchs Sehen, sehen vielleicht die wahre Welt zum ersten Mal ganz deutlich.

    Wie funktioniert Dunkeltherapie? Dunkeltherapie findet in einem vollkommen abgedunkelten Raum in einem normalen Appartement mit Flur und Bad statt. Nach einem Vorgesprch entscheidet man sich, eine festgelegte Anzahl von Tagen mindestens jedoch 7-10 Tage, maximal 7 Wochen, in der Dunkelheit zu verbringen. In der Regel finden tglich Gespr- che mit dem Therapeuten statt. Ein Abschlugesprch beendet den Aufenthalt. Am Morgen des letzten Tages geht man allein aus dem Raum und unternimmt einen Spaziergang, schaut sich das Wunder der Natur und des Lichts an, was eine erhabene, zu Trnen rhrende Erfahrung ist. Erstmals nmlich sieht man, was Leben bedeutet. Whrend des Aufenthalts kann man fasten oder essen, ganz nach Belieben. Tglich sollten einige Krperbungen durchgefhrt werden, damit man nicht zu steif wird. Ansonsten gibt es nichts zu tun in der Dunkelheit. Bedenken, dass man seine Sachen im Dunkeln nicht findet, sind vllig unbegrndet, man legt sich alles zurecht und findet so auch alles, ebensowenig braucht man sich vor Problemen im Badezimmer zu frchten, alle knnen sich ohne Schwierigkeiten zurechtfinden. Die Therapie der Nacht unterliegt keiner Beschrnkung, sie wird nicht etwa bei spezifischen Krankheiten angewandt, sondern ist eine allgemeine Hilfe bei der Selbsterforschung. Ihr praktischer Nutzen: klare, vertiefte Wahrnehmung seiner selbst, Innenein- kehr, Gespr fr einen zweiten, einen Plasmakrper, Erfahrung

    16

  • des Urtons und Urlichts, Begegnung mit imaginren Wesen, Ver- storbenen, Lichtgestalten, Naturkrften usw., Beobachtung der mentalen Prozesse, Erfahrung der Leere.

    Eine traditionelle Selbstbefreiungsmethode und ihre Ver- wendung in der modernen Praxis Dunkeltherapie wird, wie bereits erwhnt, in allen alten Kulturen verwendet, in Japan, Tibet, Indien, insbesondere in vielen scha- manischen Kulturen. Ich habe diese Methode lediglich fr die moderne Welt wiederbelebt. Die moderne Dunkeltherapie habe ich also aus Anregungen verschiedener Kulturen zusammenge- stellt, besonders dem tibetischen Buddhismus und Bn. Dunkeltherapie kann sicherlich auch als Freudsche Couch benutzt werden, um mentale Prozesse zu vertiefen. Das ist in den Kulturen, die Dunkeltherapie verwenden, jedoch nur am Rande der Fall. Die Therapie zeitigt, neben einer Klrung seelischer Probleme und verstandesmig ungelster Phnomene, eine Erkenntnis der eigenen psychischen Struktur durch Klartraumbewusstsein, Lichterfahrungen, mentale Leere, imaginre, visionre Gestal- ten. Bei lngerem Aufenthalt in der Dunkelheit kann die wahre Natur der Existenz erfahren werden, die Erfahrung der Welt als Energieozean und die Rckkehr zur Essenz unseres Wesens sind mglich. Dunkeltherapie ist daher eine Globaltherapie, die nicht einzelne Probleme behandelt, sondern spontan den Menschen mit der Gesamtexistenz verbindet und ihn die dreifache Struktur unseres Daseins (physische) Natur, (psychische) Energie, (geis- tige) Essenz erkennen lsst. Der Verlauf der Dunkeltherapie kann mit psychischen Problemen und Erlebnissen beginnen oder aber mit Visionen oder beides kann sich abwechseln. Solange noch psychische Unreinheiten vorhanden sind, knnen sie in allen Phasen der Dunkeltherapie auftauchen. Ebenso kann Licht (Lichtdome, Blitze, Lichtwol- ken) gleich am Anfang auftauchen, dann aber, wenn Seelisches

    17

  • emporkommt, vorbergehend versiegen. Der Krper schwebt, fliegt, verschwindet, changiert. Traum und Realitt vermischen sich gelegentlich, Lichterscheinungen, Begegnung mit imaginren Wesen, Raum-Zeit-Verlust, Ego- und Ichgrenzenauflsung bis hin zur Leerheitserfahrung, all dies und mehr kann auftreten. Dunkeltherapie, Therapie der Nacht, Finsternistherapie, Schwarze- Welt-Therapie von mir benannt, gehrt zum Genre der senso- rischen Deprivation. Sie bedient sich der Dunkelheit, der Stille und Isolation, erstens, um unbewusste Prozesse zu verstrken und die Bewegung der Psyche deutlicher sichtbar zu machen und zweitens, damit wir die Wankelmtigkeit und Knstlichkeit von Gefhl und Denken erfahren und durch die beruhigende Kraft der Dunkelheit Frieden finden in unserem wahren Wesen, das sich als Licht, Liebe und Wissen enthllt, wenn eine men- tale Leere erlangt ist. Die Reizverarmung fhrt zunchst zum Lauterwerden innerpsychi- scher Vorgnge, spter verlaufen sich diese, es treten post-men- tale Prozesse auf, Zustnde, die der akademischen Psychologie gnzlich unbekannt sind und die teilweise in diesem Buch beschrieben werden.

    Im Verlauf der Dunkeltherapie sind im Wesentlichen drei Erfah- rungsstufen zu erkennen. Alle alten Kulturen unterscheiden das, was ich hier als Natur, Energie, Essenz beschreibe.

    1. Natur: In der Dunkelheit beherrschen uns zunchst unser Denken und Fhlen; Angst und Langeweile wechseln sich ab. Whrend der Zeit im Dunkeln verlieren wir unser Krpergefhl.

    2. Energie der Psyche: Die seelische Unruhe und Unordnung lsen sich bald auf zugunsten klarerer Energieerscheinungen. Zudem bewegen wir uns immer tiefer in Klartrumen. Das drckt sich folgendermaen aus: Innere Vorstellungen treten uns von auen gegenber, diese Visionen sind kristallklar, Gedanken und Gefhle sind scharf umrissen.

    18

  • Psychische Ereignisse beherrschen uns zunchst noch, nach etwa anderthalb Wochen verlaufen sich diese aber zunehmend, wir laufen leer und aus dieser Leerheit tauchen nun, wie Delphine aus dem Meer, intuitive Bilder, Archetypen, abstrakte Muster und Farben auf. Unsere Psyche wird heller. Bei lngeren Dun- kelaufenthalten kann aus Fhlen Hellfhlen, aus Sehen Hellse- hen, aus Hren Hellhren werden; es kommt zur Ichauflsung, einem Zustand ohne Denken und Fhlen, getragen von einem unpersnlichen Gegenwartsbewusstsein und der Wahrnehmung mentaler Vorgnge als Energieprozesse.

    3. Essenz: Die Essenz unseres Wesens dmmert herauf mit der Erfahrung der Leerheit aller Gedanken und Formen; diese kommen und vergehen ohne Grund, sie entstehen durch vorangegangene Gedanken und Gefhle und besitzen keine eigene Existenz. Bei lngerer Dunkeltherapie treten wir immer hufiger in Phasen der Leerheit ein, aus denen sich die Erfahrung von Licht, Liebe, intensivem Lebensgefhl und umfassendem Wissen entwickelt.

    In der Dunkelheit erhlt man also Kontakt zu den zwei tieferen Ebenen der eigenen Person, der seelischen Energie und trans-see- lischen Essenz; letztere schimmert in unserem Normalzustand nur peripher und blitzartig auf. Energiemanifestationen der Psyche treten auf, tiefe Selbsteinsichten und unbekannte transpersonale Erfahrungen. Licht, Wissen und Liebe dominieren und deuten den Eintritt in unsere Essenz an. Die Essenz zu frdern ist jedoch das eigentliche Ziel der Dunkeltherapie.

    Drei Grundvoraussetzungen Die Dunkeltherapie basiert auf drei Grundvoraussetzungen. Die erste Tatsache, auf der die Dunkeltherapie basiert, ist, dass Fhlen und Denken Energiebewegungen sind. Die zweite ist die Erkennt- nis, dass es kein Ich gibt. Die Erfahrung der Nichtexistenz unserer Identitt gilt in den alten Traditionen als Allheilmittel fr smt- liche Ichprobleme - nur das Ich erzeugt Probleme. Daraus ergibt

    19

  • sich die dritte Grundlage, die Erfahrung unseres reinen Geistes, der ohne Worte, Formen und Bewegung ist.

    Die Dunkelheit erzwingt eine Rckkehr in das Leersein von Ich- strukturen, das sich bald als Licht herausstellt. Dunkelheit ist deshalb gut dafr geeignet, weil in einer schwarzen Welt die visu- elle Information, die fr uns eine Art Treppengelnder durch die Wirklichkeit darstellt, verschwindet. So verlieren wir zunchst den Halt, bekommen dann aber, unter dem schtzenden Mantel der Nacht, Vertrauen in die Leere, die Abwesenheit von Ichstruk- turen, wir erkennen unser wahres Wesen.

    20

  • Z W E I

    Meine Gesprche in der Schwarzen Welt

    Ich mchte hier einige Dokumente aus meinem zweiten Yang- tik-Retreat vorlegen, das ich 1977 in Kinnauer, einer Himala- yaprovinz Nordindiens durchgefhrt habe. Ich hatte seinerzeit von vielen Felszeichnungen gehrt, die ich besuchen wollte. Ich entdeckte sie auch - zehntausende gut erhaltener Tier- figuren aus der Jungsteinzeit, die allerdings fast alle im Jahre 2002 zerstrt wurden, weil das Kloster eine Plantage anlegen wollte. Dabei lernte ich Thubten kennen, einen Mann aus Ost- tibet, der weit herumgekommen war in Asien; man knnte ihn am besten als einen Wanderyogi bezeichnen, der aber einen groen Einfluss zu haben schien. Er kannte die Himalayare- gion gut, war berall herumgewandert. Wir verstanden uns auf Anhieb und erforschten gemeinsam die Felszeichnungen. Ich erzhlte ihm von meinem Dunkelaufenthalt in Lo Mus- tang und so ergab es sich, dass er mir vorschlug diese bung hier zu wiederholen. Mir war das recht, denn seinerzeit war Kinnauer fr Auslnder noch geschlossen und ich musste mich dauernd hten als Europer erkannt und verhaftet zu werden. Thubten fand fr mich eine Unterkunft bei einem Bauern und so kam es, dass ich mich wider Erwarten sieben Wochen im damals verschlossenen Kinnauer beim Kloster Tabo aufhalten konnte. Die Steinhtte auf dem Bergkamm oberhalb des tau- send Jahre alten Klosters war schn, zwei kleine Zimmer fr mich, die Lage absolut ruhig; Thubten sprach gebrochen Eng- lisch und es begann langsam warm zu werden. Und so schloss sich die Tr hinter mir und das klare Licht Kinnauers erlosch. Schwarze Welt fr 49 Tage.

    Ich werde hier einige Ausschnitte vorstellen, die ich aufgeschrie- ben habe. Thubtens Reden sind stark berarbeitet, da sein Eng-

    21

  • lisch, versetzt mit tibetischen Ausdrcken und buddhistischen Termini, sonst kaum verstndlich wre.

    Traum, Schlaf und die Alltagsspuren Thubten: Im Bn, unserer vorbuddhistischen Religion Tibets, gibt es eine Dunkelmeditation, Yangtik. Yangtik gehrt zum Medita- tionssystem des Dzogchen. Dzogchen gilt als die hchste Form der Meditation im Bn, aber auch im tibetischen Buddhismus. Durch diese Dunkelklausur wird der Schlaf leichter. Du ver- lierst das Gefhl fr Tag und Nacht, du schlfst und wachst auf, schlfst und wachst auf, so geraten Tag und Nacht durcheinan- der und damit verwischt sich in deinem Bewusstsein der Unter- schied von Traum und Wirklichkeit, was ermglicht, dass du mehr Trume wahrnimmst. Du trumst dann und bist dabei ein biss- chen wach. Whrend du trumst, beobachtest du deinen Traum von auen, nimmst teil daran, indem du von auen zusiehst. So entwickelt sich in dir eine bis dahin ungekannte, geistige Klar- heit und etwas, was man als Gegenwartsbewusstsein beschrei- ben kann. Du steckst voll und ganz in dem, was du gerade tust, denkst und fhlst. Kannst du dir das vorstellen?

    Ich: In Nepal, bei der letzten Dunkelklausur, war ich hellwach, nie in einem Traumzustand. Am Anfang schlft man viel, dann weniger. In der Tat hatte ich viele Wachvisionen, man kann sie auch als Wachtrume bezeichnen. Ich konnte, wie du sagst, meine Trume wach mitverfolgen. Wodurch sie klarer wurden. Andererseits gab es auch viele Visionen. Visionen sind keine Trume. Letztendlich aber nhren sich beide aus der gleichen Quelle. Wenn man sich von ueren Reizen lst, tritt eine Welt der Bilder hervor, die auf die eigenen, inneren Zustnde verwei- sen. Visionen andererseits sind vllig unabhngig von der eige- nen Stimmung und Gefhlslage. Ich bin oft ganz versunken in meinen inneren Filmen und Bildern, es ist wie im Kino. Warst du schon einmal in einem Kino?

    22

  • Thuhten: Ja, fters, auf dem Land haben sie gelegentlich Filme gezeigt von Russland und China und als Jugendlicher hat mich das begeistert. Spter war ich in Mysore im Kino, auch in Thailand und Malaysia. Eine sehr schne Erfindung. Das Durcheinander im Traum, das Hin und Her der Bilder und Gefhle nennen wir Bhakshas, sie sind so wie Fuspuren im Sand, die zurckgeblie- ben sind, obwohl der Lufer lngst verschwunden ist. Ein Tag hinterlsst unendlich viele solcher Spuren in uns. Sie verbergen sich hinter unserem Wachbewusstsein. - Was siehst du, wenn du am Tag trumst?

    Ich: Es scheint mir kein Unterschied zu sein zwischen dem, was in der Dunkelheit geschieht und dem, wenn ich mich Tagtru- men, Wunschbildern und Vorstellungen hingebe. Eigentlich lebe ich vorwiegend in inneren Bildern, in Filmen. Es lebt eine zweite Landschaft in mir. Weit du, ich habe einmal in Deutschland am Theater gearbeitet und habe mir da Szenen und ganze The- aterstcke ausgedacht und vorgestellt. Ich konnte ganz genau mit geschlossenen, aber auch mit offenen Augen alles sehen. Und ich habe erkannt, ob eine Verkleidung, eine Schminke oder eine Szene gut sind oder nicht. Ich lie also eine Szene an mir vorberstreichen und entschied dann, ob sie so in der Wirk- lichkeit dargestellt werden kann. Ich brauchte es nicht erst auf der Bhne aufzustellen, ich probierte alles, imaginierte auch die Texte. Allerdings gibt es doch gewisse Unterschiede zur wirk- lichen Theaterauffhrung, deshalb war die Theaterprobe sehr wichtig, denn die Schauspieler verhielten sich ja nicht so wie in meinen Vorstellungen.

    Trume und bleibe wach dabei Thubten: Hast du schon einmal auf die Berge geschaut ohne zu blinzeln, dann die Augen zugemacht und schlielich innere und uere Erscheinung verglichen?

    23

  • Ich: Ja. Ich sehe dann innerlich die Berge, aber sie sind nicht so stark und deutlich wie mit geffneten Augen. Ich muss allerdings sagen, es ist eine bungsfrage, denn wenn ich mir lange Bilder von Malern angeschaut habe und mich intensiv damit beschf- tige, selbst Skizzen mache und male - also ganz in der Welt des Malens, der Farben und Formen drin stecke - dann sehe ich die Welt wie ein Gemlde und meine inneren Bilder kommen ganz leicht, in einem dauernden Strom und sind von einer beraus groen Schrfe, Helligkeit und Wirklichkeit, so dass ich sie dann einfach nachzeichne. Es ist mir fast peinlich, dass ich meine Bilder einfach von inneren Bildern abgemalt habe. Ich habe dann den Eindruck, die inneren Bilder stammen nicht von mir, da sie einfach da sind, ohne groe Mhe, als bese ich keine eigene Schpferkraft. Ich wei nicht, wie ich damit umgehen soll. Die abgemalten, inneren Bilder sind irgendwie nicht von mir, sie stehen einfach fertig und vollkommen da. Es ist einfach so, dass durch die dauernde Beschftigung damit meine Gefhle und inneren Sinnesorgane - falls es so etwas gibt - so gereizt und berwach sind, dass sie unabhngig von meinem Willen Bildwelten erschaf- fen. Und das um so mehr, je mehr ich Bilder von der Auenwelt in mich hineinlasse, indem ich dauernd daran denke, die Bilder analysiere, sie mir hundertmal anschaue und dabei tiefe Gefhle habe. Die uere Aufregung ber so viel Schnheit erzeugt eine innere Aufregung und damit schne Bilder.

    Thubten: Ist alles schn, was du siehst?

    Ich: Nein, ich sehe auch ganz hssliche Dinge, aber wenn ich sie anschaue, werden auch sie schn, groartig und reizvoll. Und ich male sehr gerne hssliche Sachen, aber fr mich sind sie schn und gewaltig, denn es gibt keine Hsslichkeit. Wenn ich genau hinschaue, ist alles Hssliche schn. Hsslichkeit entsteht nur durch eine moralische Beurteilung. Alles ist ein Wunder, ich bin immer begeistert.

    24

  • Thubten: Gut. Ziel ist es, einen Zustand zu erreichen, in dem man trumt und dabei doch wach bleibt, um den Verlauf des Traumes beobachten zu knnen. In der Dunkelmeditation befinden wir uns in einem solchen Zustand zwischen Wachen und Trumen. Die inneren Traumbilder stehen lebendig und real vor uns und wir sind dabei wach; wir mssen nun ben, diese nach Belieben auszurichten. Was aber ist der Sinn dieser bungen - es geht nicht einfach darum herumzuspielen.1

    Vorbereitung auf den Tod

    Thubten: Yangtik hat nach unserer tibetischen berlieferung vor allem den Sinn, dich auf den Zustand nach dem Tod vorzu- bereiten. Denn dein Bewusstsein (westlich: die Seele) verweilt nach dem Tod im .Bardo des Todes, in einer Art Traumzustand, in dem deine Gedanken und Gefhle kommen und gehen. Doch ohne die Kontrolle deines Krpers und der Materie nehmen sie traumartige Verzerrungen und bertreibungen an und all deine ngste, Erwartungen und Wnsche treten dir in Gestalt einer Wirklichkeit gegenber, die du nicht beeinflussen kannst, und von der du annehmen musst, dass sie real ist. In der Dunkelmeditation bst du, den auftretenden Zustand zwischen Wachen und Tru- men beherrschen zu lernen, um diese Fhigkeit nach dem Tod einzusetzen und die Traumgespinste deiner eigenen Projektionen zgeln zu lernen. Dunkelmeditation hat den Zweck, bewusst ins Bardo (Zustand, Reich) des Todes einzutreten, um den tatsch- lichen Todesablauf besser beherrschen zu knnen.

    Ich: Verstehe ich nicht!

    1 In der westlichen Psychologie sprechen wir von luziden Trumen oder Hell- trumen. Hell weil wir jetzt mit der Seele arbeiten. Unser Wort hell kommt von Hel, das ist altgermanisch und ist die Hlle. Hel ist ein helles Land, in dem all unsere Gefhle uns regieren (siehe mein Totenbuch der Germanen, 2001, AT-Verlag). Das Streben nach luziden oder Helltrumen ist jedoch reine Spielerei, sagt Thubten, solange es nicht eingebettet ist in einen umfassenden Plan der Meditation und des Traum-Yoga.

    25

  • Thubten: Smtliche Meditationserfahrungen verlaufen exakt nach dem Muster des Sterbeprozesses. Die Auflsung der krperlichen Elementarzustnde und die Auflsung unserer Bewusstseinser- fahrungen verlaufen in der Meditation und im Sterben gleich. Meditation, insbesondere Dunkelmeditation, heit daher Nach- vollzug des Todes. Lngere Dunkelmeditation zeitigt ebenfalls Anstze des Sterbeprozesses. Deshalb gilt Yangtik als Vorbereitung auf den Tod. Es geht darum, dass du bewusst ins Bardo des Nachtod-Zustandes ein- trittst, damit du dich beim tatschlichen Tod besser darin zurechtfindest.

    Ich: Ich wei nichts Genaues ber den Tod. Das heit also, mein Bewusstsein berlebt den Tod. Es ist also das gleiche Bewusst- sein, das ich jetzt habe, das gleiche Fhlen und Denken und Trumen?

    Thubten: Ja! Es gibt keinen Unterschied zwischen dem, was du jetzt mental bist und dem, was du nach dem Tod bist. Es ist ganz einfach.

    Ich: Warum, wenn es so einfach ist, machen die Mnche, die ich getroffen habe, die Bcher, die ich gelesen habe, alles so kom- pliziert?

    Thubten: Weil die meisten keine Selbsterfahrung haben. Sie ste- cken in den berlieferungen und ihren Bchern fest. Erfahrung braucht keine Bcher!

    Ich: Aus welcher Tradition kommst du? Hinduismus, Vedanta, Gelbmtzen ...

    Thubten: Es gibt viele berlieferungslinien in Asien. Wenn ein Mensch durch die Erfahrung der Bardos gegangen ist, hat er das auf seine ganz persnliche Weise getan. Hat er nun Schler, so

    26

  • wird er versuchen, ihnen seinen Erlebnisweg nher zu bringen. So entsteht eine berlieferung. Die berlieferungslinie, mit der ich aufgewachsen bin als Kind und junger Mann, existiert nicht mehr. Ich habe spter bei verschiedenen Meistern gelernt. Ja, ich war in Sikkim, in Bhutan, in Burma. Ich war berall und bin jetzt hier. Weit du, letztendlich spielen die Lehren, die du erhal- ten hast, keine zentrale Rolle, die Erfahrung ist grer, sie kennt keine Begriffe. Lehrer sind nicht die Erfahrung selbst, sie fhren lediglich sanft dorthin. Fr die Lehrer empfindet man Liebe und Achtung. Du hast Recht, wenn du sagst, die Bcher und Schulen verwirren einen. Schulen sind nur fr Anfnger.

    Im Bardo des Todes treten verschiedene Lichtstrken auf. Du siehst das Licht und gleichzeitig ist dein Bewusstsein in einem bestimmten Zustand der Leere. Je intensiver das Licht wird, desto leerer wirst du bzw. desto klarer wird dein Bewusstsein und desto weniger Ich bestimmt dich. Hchstes Ziel ist, Dharmata zu erreichen, die allem zugrunde lie- gende Essenz oder Leere, das Klare Licht.

    Ich: In Mustang war mein Dunkelraum immer hell, mir wurde damals klar, dass es sich um das Licht meiner Seele handelt. Dennoch verwundert es mich, dass sich das Bewusstsein als Licht uert.

    Thubten: Es gibt eine Stufenfolge des geistigen Fortschritts: das Bewusstsein wird feiner, klarer das Bewusstsein urteilt nicht mehr so stark, lsst alles,

    wie es ist das Bewusstsein ist wechselhaft, mal ruhig mal unruhig das Bewusstsein ist jetzt stabil und recht fein und klar wir entwickeln keine Bindung an die aufkommenden

    Gedanken wir mgen dieses Friedensgefhl und wollen es erhalten

    27

  • Die krperlichen Zeichen sind folgende: kein Bedrfnis nach krperlicher Bewegung Verrcktheit: Drang zu lachen, weil die Stimmung einfach

    gut ist; man will sich frei und akrobatisch und unkonventi- onell bewegen. Das krperliche Verhalten verweist darauf, dass die Energie sich von Verkrampfungen lsen will

    bung der Nacht

    Thubten: Die bungen sind vielfltig und raffiniert, hier nur ein Beispiel. Ziel ist es, in den Zustand des natrlichen Lichts, des Urlichts, einzutauchen. Beim Auftauchen des Lichts stellst du dir nach einer Tradition ein weies A vor, das als Aaahh ertnt, du stellst dir weiter vor, wie der Buchstabe in der Krpermitte ruht und ein A aus dem anderen hervorquillt. Diese bung erleich- tert auch das Entstehen von klaren Trumen, denn die Intona- tion des A lsst uns wach in den Traum hinbergleiten. Dieser Traum-Yoga bereitet auf den Bardo des Todes vor.

    Als Mann solltest du dich dabei auf die rechte Seite legen, Frauen liegen auf der linken. Das hat mit dem Sonnen- und Mondkanal, die rechts und links der Wirbelsule liegen, zu tun. Die Mnner sind mit dem Sonnenkanal verbunden. Die rechte Hand legst du unter die Wange, das Nasenloch dieser Seite schliet du. Das Zuhalten der rechten Seite frdert die Erfahrung der Leerheit, das der linken die Bewusstseins-Klarheit. Wie schon erwhnt, ziehen sich bei der bung der Nacht all deine Sinne schrittweise zurck, wodurch du einschlfst. So auch beim Tod: Zuerst erlschen die Sinne, das wird Chokyi-Bardo, Zustand des Todes-augenblicks genannt, dabei hat man vielerlei Sinnesempfindungen, die aus dem Erlschen der Sinne herrhren. Danach trittst du in eine Art Bewusstlosigkeit oder Ohnmacht ein und damit beginnt der Aufgang der vier Lichter (die Dzog- chen-Lehre nennt ein Fnftes Licht Lhundrub Selbstvollkom-

    28

  • menheit). Nach dem Tod erfhrt jeder den Lhundrub -Zustand. Danach beginnt ein neuer Bardo-Zustand, das Sipa-Bardo, das Bewusstsein setzt wieder ein, aber auf einem neuen Niveau, denn es ist jetzt befreit vom Krper und folglich unabhngig.

    Raum, Licht und Ton Thubten: Ich spreche immer wieder von Kunzhi. Kunzhi, im Sans- krit sagt man Alayavijnana, das ist der Raum selbst, der alles durchdringt und eben raumlos ist. Raum selbst ist der Geist. Darin existiert alles, alles ist darin gespeichert. Der Raum ist also nichts, aber eben weil er so ist, kann er alles enthalten. Auf der leeren Grundlage von Kunzhi kann sich alles entfalten und daraus knnen alle Ereignisse hervorgeholt werden. In uns Men- schen gibt es Kunzhi auch, und zwar in Gestalt von etwas Freiem und Leerem, was selbstredend keine Gedanken und Gefhle sein knnen, sondern ein Gefhl von unheimlicher Gre und das wre annherungsweise die Ich- oder Selbstlosigkeit, die Grozgigkeit also, alles zuzulassen ohne Meinung, Bedenken oder Neid.

    Warum leuchten die Augen, warum sind sie das groe Geheimnis des Menschen? Augen scheinen mehr zu sein als nur Sehorgane. Man sagt, die Seele schimmere durch sie hindurch. Die Augen htten eine direkte Verbindung zum Herzen, heit es. Man sagt, das Strahlen der Augen komme aus dem Herzen, die beiden seien durch zwei Kanle feinstofflicher Natur verbunden. Im Herzen sei Kunzhi, der leere Raum, verankert, das Herz sei wiederum verbunden mit dem leeren, universalen Raum. Im Allgemeinen nimmt man an, dass der Mensch mittels der Augen die uere Welt sieht. Es ist jedoch genau umgekehrt. Ich: Ich habe das nicht ganz verstanden. Ich deute und wieder- hole es folgendermaen: Die feinstoffliche, pranische Strahlung kommt aus den Augen. Diese erst ermglicht es uns, die Welt

    29

  • berhaupt wahrzunehmen. Auf jeden Fall hat es mit dem Sehen, unserem wichtigsten Sinnesorgan, etwas Besonderes auf sich. Andererseits, warum sollen die Augen besser als die Ohren sein? Der leere Raum, wenn er sich im Menschen darstellt, teilt sich wohl auf in verschiedene Varianten, eben unsere fnf Sinnes- wahrnehmungen. Der leere Raum kann sich also sowohl als Ton, Geruch, Geschmack wie als etwas Gesehenes uern.

    Also: Wenn sich Prana - Plasma oder die Lebensenergie - bewegt, entsteht angeblich Licht, Licht auf vorstofflicher Ebene, Seelen- licht. Dieses Licht soll sich in fnffacher Gestalt uern. Wir unterscheiden also ein vorstoffliches und ein daraus hervorge- hendes, stoffliches Licht.

    Der Geist reduziert sich zur individuellen Seele und diese erzeugt einen materiellen Krper. Unser Geist ist Geistlicht, das sich zu Seelenlicht reduziert und dieses gerinnt zum materiellen Sonnen- licht. Der Krper ist demnach geronnenes Seelenlicht. Gesehen werden kann die materielle Welt aber nur aufgrund des Son- nenlichts, seelisch erfahren tut die Seele. Krperform und Kr- perorganisation entstehen aus der Seele. Wie nun die Seele sich bersetzt in die Krperform und die Krperorganisation, damit beschftigt sich eure Bnlehre. Das ist sicherlich ein gewaltiges Unterfangen.

    Thubten: In der Dunkelheit siehst du Licht. Dieses kommt aus der Leere. Ebenso hast du ja den Urlaut gehrt, nachdem du dir die Ohren verstopft hast. Dieser Ton entsteht ebenfalls aus der Leere. Dieser Ton kommt, wie das Licht, aus uns selbst heraus. Man kann auch das Licht und den Ton gleichzeitig wahrneh- men und so erkennen, dass sie aus der gleichen Quelle, der Leere stammen und wir nur annehmen, dass wir Licht in den Augen und Tne im Ohr wahrnehmen. Tatschlich bedarf es nicht der Sinnesorgane, um das Sambhogakaya wahrzunehmen, es wird ja allein vom Bewusstsein erfahren.

    30

  • Ich: An sich mssten dann auch ein Geruch und eine Empfin- dung des Krpers sowie ein entsprechendes Gefhl und Denken auftauchen, denn die Leere hat ja diese Krperorganisation als Spiegelbild ihrer selbst hervorgebracht, also muss sie sich auf allen Ebenen uern. Aus dem einfachen Dasein entsteht, so meine ich, das Gefhl in all seinen Frbungen sowie ein klares inspi- riertes, hellsichtiges Denken.

    Die Bewusstseinsleere Thubten: In der Tat. Die Leere ist leer. Wenn sie sich aber bewegt, wird sie Seelenenergie, die sich als Vision, Gedanken usw., eben wie du vermutest, auf allen Sinneskanlen ausdrcken kann.

    Wir sehen die Leere oder den reinen Geist als eine Sache und die Erscheinungen unserer Seele als eine andere, aber es gibt keine Trennung dieser zwei Erscheinungen, sondern die Seele und die Welt und die Leere - das ist alles das Ganze. Es gibt keinen Unterschied zwischen so genannter Erleuchtung und dem, was du normalerweise denkst und fhlst. Das primitivste Gefhl ist ein Erleuchtungsgefhl. Die Kunst besteht darin, das zu erfahren.

    Ich: Aber der gesamte Buddhismus und auch Bn und alle Reli- gionen der Menschheit verweisen ohne Pause auf eine andere Welt, einen anderen Zustand, das Gttliche, das ganz abgehoben ist vom normalen Leben. Das macht gerade Religion aus. Nun drehst du das Ganze um und sagst, das normale Leben sei ein Erleuchtungszustand, nur merken wir es nicht. Also, ich merke, dass das Leben ein Wunder ist. Da ist in mir ein unglaubliches Gefhl, dass das, was ist, alles ist und dass wir weder Religion brauchen noch geistige Techniken. Der normale Wachzustand wre die vollkommene Erleuchtung, wrden wir wirklich wach die Wachheit erfahren, aber ich merke in mir eine Dumpfheit, durch die diese Wachheit nicht hindurchschimmern kann. Es ist noch etwas anderes als Wachheit da, eine Art Schlaf, eine Grenze

    31

  • und Mauer. Diese, kaum hat man ein leichtes Erleuchtungsge- fhl, blockiert sofort dessen Weiterentwicklung und dann bricht es schnell zusammen, denn dieser Erleuchtungsfunken hat keine lange Glhkraft, keinen Brennstoff, um lange am Leben zu blei- ben. Kaum erstanden bricht er gleich wieder in sich zusammen und Dumpfheit berrollt mich. Ich habe den Eindruck, hunderte solcher Geistfunken entstehen bei mir tglich im Tageslicht und auch hier im Dunklen, aber die Mauer der Dumpfheit ist strker. Was aber ist diese Mauer?

    Thubten: Du kommst nher!

    Ich: Nein, es ist keine Entwicklung, das war immer so und damit bin ich geboren. Ich habe keinerlei neue Erkenntnisse gewon- nen. Es findet immer nur eine Verdeutlichung von bereits gehab- ten Zustnden statt, sie werden mir gedanklich klarer, ich kann klarer darber sprechen.

    In mir ist ein Gefhl, dass man alles machen darf und kann. Dass man sich keiner Regel Untertan machen muss, dass es keine Regeln gibt, sondern sie alle nur freie Entfaltungen des Geis- tes sind. Alles ist also erlaubt. Nur eines: Man sollte sich nicht damit identifizieren. Sobald man an das glaubt, was man sagt, sobald man das, was man tut als besser als etwas anderes emp- findet, bindet man sich und die Freiheit ist verloren. Habe ich eine Bindung an eine Ttigkeit, glaube ich daran und glaube etwas anderes dafr nicht, so kommen Gegenstze, Widerspr- che, Streit, Hass, Liebe auf. Jetzt sind wir auf etwas festgenagelt und gefangen. Die Leere des Geistes erlischt. Wie kann man der dauernden Gegenwart der Leere, die, wie gesagt, alles ist, habhaft werden? Wie kann man die Dumpf- heitsmauer umgehen? Wenn der Geist so direkt neben uns steht, warum dann all der spirituelle Aufwand, der doch nur weiter von der Gegenwartseinheit wegfhrt? Wir sind dann an die bungen

    32

  • gebunden, an die Lehren, und haben damit eine weitere Ttig- keit, die uns vom Wesentlichen ablenkt. Auch wenn die Lehren sich mit der Leere beschftigen, sind sie ja selbst nicht leer. Sie stellen nur eine weitere Beschftigung mit intellektuellen Kon- zepten dar. Die intellektuellen Auseinandersetzungen, wie baue ich mir eine Toilette oder was ist reiner Geist, unterscheiden sich letztendlich berhaupt nicht.

    Die Energie des Lichts Thubten: Wir kennen das Reine Licht, das Geistlicht des Dhar- makaya. Wenn sich dieses bewegt, verunreinigt oder unruhig ist, nennen wir es Regenbogenlicht, weil dabei im Dunkel Regenbo- genfarben auftauchen. Das ist das Licht des Prana, der Energie, der Seele. Es stellt sich als Fnf Lichter dar, als ein fnffarbiges Thigle. Das Reine Licht splittert sich also auf, wenn es schw- cher wird. Dann gibt es das dritte Licht, das Licht der Natur, wie es jeder kennt. Also: Reines Licht, Regenbogenlicht, Licht der Natur. Im Grunde aber gibt es nur das Reine Geistlicht, das Echos ausstrahlt.

    Reines Licht - Dharmakaya - Geist Fnf Regenbogenlichter - Sambhogakaya - Seelenlicht Sonnenlicht - Nirmanakaya - Materie

    Das Reine Licht ist nicht irgendwo weit weg, sondern berall. Es ist die Grundlage von allem - auch des Menschen und bei ihm ruht es insbesondere im Herzen. Es fliet durch die feinstofflichen Kanle aus dem Herzen zu den Augen und aus diesen heraus, und erst dadurch knnen wir sehen. Wir sehen nur auf der Grund- lage des Reinen Lichts! Den Fnf Regenbogenlichtern entsprechen die Fnf reinen Ele- mentarzustnde. Wir knnen also diesen zweiten - seelischen - Daseinszustand als Lichter beschreiben oder als Elementarzu- stnde. Daraus formen sich dann die Fnf inneren Elementar-

    33

  • zustnde, aus denen sich schlielich die allen bekannten Fnf ueren Elementarzustnde formen, wozu unsere Fnf Sinnes- organe gehren, die Fnf Organe, die Fnf Sinnesobjekte, die Fnf Krper und die Fnf Weisheiten. Daraus werden die Fnf mentalen Gifte und Fnf Leidenschaften sowie die Fnf nega- tiven Handlungen und die Krankheiten, die daraus hervorge- hen, geboren. Man kann jetzt z. B. eine der Fnf Leidenschaften parallelisieren mit einem der Fnf Sinnesobjekte, Krper etc. und erhlt so ein zusammenhngendes Daseinsbild.

    Ich: Das ist also die zweite Dimension, das Sambhogakaya? Ich verstehe nicht, wie aus diesem dann das Materieuniversum ent- steht.

    Thubten: Das Leben beginnt im Sambhogakaya, mit dem wir zuallererst ber das Herz verbunden sind. Das Herz entwickelt sich im Embryo auch zuerst. Der Vorgang der Lebensentstehung und der Vorgang des Todes sind der gleiche, nur ihre Abfolge ist umgekehrt. Unser Krper hat seinen Ursprung in den Fnf Lichtern. Aber am besten, man betrachtet den Vorgang umge- kehrt. Was geschieht beim Tod? Zuerst lsen sich die krperli- chen Funktionen auf und die Fnf Elementarzustnde, auf denen sich das Stoffliche grndet: Erde lst sich in Wasser, Wasser in Feuer, Feuer in Luft, Luft in Raum, also ins Nichts. So zieht sich der Lebensatem, aus dem diese Elementarzustnde bestehen, das Prana, zurck in seine Heimat, das Sambhogakaya - der Krper stirbt. Ebenso ziehen sich die Fnf Lichter, die die Fnf Krper- funktionen erschaffen, zurck. Bei fortgeschrittenen Menschen kann sich der Krper aber auch selbst ganz in Nichts auflsen, brig bleibt der feine Regenbogen- oder Sambhogakayakrper. In umgekehrter Reihenfolge wird das Leben erschaffen.

    weies Licht erschafft den Kopf - Element Raum grnes Licht erschafft das rechte Bein - Element Luft rotes Licht erschafft den rechten Arm - Element Feuer

    34

  • blaues Licht erschafft das linke Bein - Element Wasser gelbes Licht erschafft den linken Arm - Element Erde

    Dann entwickeln sich aus den Fnf Lichtern fnf Seitenzweige. Diese bilden weitere Krperelemente: Augenbrauen, Bart, Scham-, Kopf- und Brusthaar. Die Fnf Lichter erschaffen auch unsere Fnf Bewusstseinstypen sowie die Fnf Sinne, die Fnf Objekte und die Fnf Innenorgane (chin.: Yin-Organe).

    weies Licht Unterscheidungsvermgen - Gesichtssinn - Form - Herz

    grnes Licht Nase - Geruchssinn - Geruch - Lungen rotes Licht Zunge - Geschmacksvermgen - Geschmack

    - Leber blaues Licht Ohr - Gehr - Hren - Nieren gelbes Licht Krperoberflche - Tastsinn - Fhlen

    - Milz/Pankreas Ich: Also aus der Leere - was immer das ist - entsteht eine zweite Dimension, das Sambhogakaya. Diese Strahlkraft oder Energie oder Licht ist identisch mit unserer Lebenskraft, dem Prana oder Lebenswind, dem Windpferd, wie ihr sagt. Diese verdichten sich scheinbar weiter und schaffen Spiegelbilder ihrer selbst, so unser denkendes Bewusstsein und unsere Fnf Gefhle oder Leidenschaf- ten, aber auch die Fnf Krankheiten, sofern wir das Prana nicht richtig verstehen oder behandeln. Insgesamt kann man sagen, all unsere Zustnde, Bewusstsein, Gefhle, Krankheiten entste- hen durch Missverstndnisse und Unwissen, weil wir uns nicht an das frei flieende Prana anpassen, nicht mit ihm in Einklang sind. Wir wissen nichts darber und dadurch missverstehen wir diesen Energiefluss als Leidenschaften und es entstehen Krank- heiten. Das ist gut zu begreifen. Wenn ich nicht wei, dass ein Fluss in Mandern durchs Tal flieen muss und ihn staue oder begradige, wird er berflieen und die Dmme brechen. Das hat nichts mit dem Wasser zu tun, sondern mit meinem Versuch, es

    35

  • zu begrenzen. Wie also kann ich die Bewegung des Pranas oder der Fnf Lichter verstehen und mit ihnen mitflieen?

    Thubten: Wir sehen nur das Krperliche, die Materie, wir sehen nicht die dahinter stehende Windbewegung (Seelenenergie), die Fnf Lichter. Es geht also darum, z.B. unsere Fnf Leidenschaf- ten zu nehmen und zu schauen, was sie ursprnglich sind - nm- lich, so sagen wir, die Fnf Weisheiten. Es sind Weisheiten, nur haben sie ein negatives Kleid angelegt. Die Aufgabe besteht also darin, die Fnf Leidenschaften in sich aufzudecken, zuzugeben und dann genau zu betrachten und zu spren, welche Kraft liegt ihnen wirklich zugrunde. Ist sie tatschlich negativ? Nein, ist sie nicht, du empfindest da eine Weisheit. Schau hin!

    Das Sambhogakaya ist das Seelenreich Ich: Verstehe ich dich richtig: Im Herz der Lebewesen sitzt das Dharmakaya. Daraus geht das Sambhogakaya als unsichtbares Licht hervor, das nun zu den Augen geleitet und zur Grundlage des Sehens wird. Deshalb erschauen wir in den Augen - wie wir in Deutschland sagen - am ehesten die Seele des Menschen. Aber schaue ich mir Augen an, dann kommen auch die Augenlider und das Umfeld hinzu und die, so scheint es mir, beschrnken oder verzerren den Augenausdruck. An ihnen kann man viel- leicht ablesen, wie sehr jemand sein Seelenwesen durch ueres Verhalten filtert oder ffnet. Es wre, wenn dem so ist, eine ganz neue Augenwissenschaft notwendig. Also verstehe ich richtig: Das Licht des Sambhogakaya, der Seelendimension, fliet in alle Sinnesorgane und erzeugt sie somit erst!

    Thubten: Im Sambhogakaya gibt es bereits ein individuelles Bewusst- sein (zu Deutsch Seele! Der Buddhismus kennt sehr wohl eine Seele, spricht aber eher von Bewusstsein) und damit Dualitt. Um Materie zu erzeugen, bedarf es der Bewegung. Das Dharma- kaya ist leer, es ist Raum. Es ist Kunzhi, die Basis von allem, die

    36

  • es eben nur sein kann, wenn es ganz leer und dualittslos ist, sonst wre es ja bereits etwas.

    Dharmakaya = Leerheit, Lichtwelt des Geistes Sambhogakaya = individuelles Bewusstsein, Seelendimension Nirmanakaya = der Krper, Materiewelt

    Die Leere des Dharmakaya ist nicht leer, uns fehlt nur ein besseres Wort. Man ist einfach ganz wach, ohne ein Ich zu spren, man handelt spontan ohne Ich-Konzepte. Das Sambhogakaya dagegen stellt sich individuell-krperlich als unsere Energiekanle und Energiezentren (Chakren) dar.

    Wenn wir Gefhle wie Arger, Hass oder Liebe beobachten, wo stehen diese? Sie sind wie Wind und Luft, sie haben keine Grundlage. Wir merken, wenn wir sie nicht erzeugen, sind sie auch nicht da. Ein Krper kann sich auf etwas niederlassen, nicht so ein Gefhl, es ist wie Wolken, schwebt frei und bedarf auch keines Halts; seine Natur ist das Fliegen und Schweben. Genauer gesagt, es schwebt auf einem Feinstoff, das ist seine Basis. Dieser Feinstoff hat immer die Tendenz, Duales hervorzubringen, weil er selbst dual ist. Die Basis ist hier die Dualitt. Wir stellen auch fest, Gefhle und Gedanken knnen zahllos erzeugt werden, aber wir haben auch die Freiheit sie loszulassen. Es gibt keinen Grund fr sie, da zu sein. Wir knnen ihnen frnen oder sie abschtteln, ganz nach Belieben. Denn: Das auftauchende Licht und die Visi- onen sind nur die Bewegungsenergie des Sambhogakaya, der Seele. Auch karmische Visionen unterliegen diesem Gesetz.

    Nun kann man ben, Visionen zu erzeugen und so Herrschaft ber die Psyche entwickeln. Das lsst sich in der Dunkelheit ganz einfach erreichen.

    Soll das nun bedeuten, dass zunchst die Seelenerleuchtung oder Klarheit der Seele erfahren werden muss, ehe wir weitersteigen

    37

  • ins leere Dharmakaya? Soll das heien, es gibt einen Stufen- weg zur Bewusstseinsklarheit? Das scheint logisch, doch gibt es Stufen nur im materiellen Bereich. Das hiee wiederum, es gibt keinen Stufenweg, es ist ganz beliebig, ob wir Seele plus Krper sind oder nur Seele oder nur Geist. Das ist das Spiel, man kann alles drei oder nur das eine sein. Das spielt vom Gesichtspunkt des Geistes aus keine Rolle, alles sind ja seine Spielarten. Also ist alles gut, es braucht keinen Stufenweg zur Erleuchtung. In der Tat. Aber alles ist nur gut, ruhen wir im Geist. Da dies nicht der Fall ist, ist doch nicht alles gut, wie wir wissen, sondern alles in Unordnung und in das Leiden verstrickt und so gilt das Stufen- gesetz eben doch.

    Die Gesichte Thubten: Nun zur Vision. Vision, das ist ein Wort mit groer Anziehung. In Wirklichkeit ist eine Vision lediglich dein Gefhl, wenn dieses sich als Bild oder Bildfolge umsetzt und dich so auch optisch und nicht nur herzmig erfasst. Visionen treten in der Dunkelheit schnell auf, einfach deshalb, weil das Dunkle die Umsetzung von Tiefengefhlen in Bilder erleichtert. Hast du ein ungeklrtes Verhltnis zu irgendeinem Gefhl, dann ist dieses unruhig, drngt sich in deinem Bewusstsein nach vorne und kann sich nun einfach als Gefhlsvision ausdrcken und dich belstigen. Du kannst das Bild richtig im dunklen Raum leuchten sehen, tatschlich leuchtet es nur in dir, aber glasklar. Die Dunkelheit untersttzt das enorm, auch dadurch kommen dort schnell bei fast jedem Menschen Visionen zustande, weil alle anderen strenden Erscheinungen beseitigt sind und sich jetzt unsere Tiefengefhle leichter an den Wachhorizont unse- res Bewusstseins schieben knnen. Ich: Die Bilderscheinungen, die ich habe, sind beeindruckend, sie kommen leicht und luftig daher, ich erkenne sie in der Tat als Seelenklrungen, Auflsungen ungelster innerer Streitfra-

    38

  • gen und Gegenstze, unerlster Gedanken und Wnsche. Im Alltag, habe ich festgestellt, erscheinen diese Bilder auch, aber sie werden vom Licht und der Unruhe meiner Gedanken wie von Wolken berlagert, gehen darin unter und erscheinen mir, auf diese Weise zersetzt und undeutlich, nicht mehr als zusammen- hngend. Unfhig sie zu verstehen, lasse ich sie fallen, beachte sie nicht weiter. Es ist das Dunkel hier und die Tatsache, dass ansonsten keine ueren Reize zu mir kommen und auch die meis- ten inneren Gedankenbewegungen aufgehrt haben, dass diese, an sich dauernd auftauchenden Bilder meiner seelischen Miss- stnde sich wie an die Wand geworfene Dias oder Filme zeigen. Du kennst ja das Kino, so ist es. Eine Vision ist also keine ber- irdische Erscheinung, sondern auf einer ersten Ebene zunchst einmal die bildliche Umsetzung meiner unerlsten, inneren See- lenbestrebungen.

    Andererseits habe ich auch Visionen gehabt, die scheinen mir nicht zur besagten Klasse zu gehren, und in der Tat nicht aus mir, sondern aus der Nachbarwelt zu kommen, aber dann wre der Name Vision doch unangebracht. Wenn sich mir Wesen aus der Seelenwelt kundtun, wrde ich das nicht Vision, sondern Offenbarung nennen, denn die ansonsten versteckte Nachbar- welt offenbart sich hier.

    Thubten: Wie sehen diese Visionen aus?

    Ich: Ich sehe zuerst kleine Lichtpunkte, Lichtwrmer. Oft von links hinten, aber auch pltzlich von berall her kommen Scheinwerfer. Das Licht kommt auch aus den Augen selbst. Anfangs kommen die Lichtphnomene nur mit geschlossenen Lidern, spter auch bei geffneten Augen. Anfangs kommen sie nur, bin ich in mich zurckgezogen, dann dauernd, auch jetzt, wo du im Raum bist, ist dieser von Lichtphnomenen erfllt. Mein Eindruck ist, dass diese Erscheinungen eben nicht aus mir persnlich kommen, sie sind Ausdruck der Bewusstseinsenergie selbst. Ich spre, diese

    39

  • Lichter sind in sich selbst Bewusstsein und lebendig. Ich kann mit ihnen sprechen, sie reagieren auf mich. Ja, ich und die Lich- ter sind eins, die Lichter sind meine Seelenlichter. Die Lichter gehren nicht zu meinem rationalen Alltags-Ich. Einerseits habe ich den Eindruck, das Licht fliet aus den Augen, andererseits, das Licht kommt von berallher. Licht tritt dann auf, ruhe ich im Jetztzustand, existiere ich sozusagen abgehoben von der Welt. Andererseits schwirrt es auch jetzt, whrend wir miteinander sprechen, berall herum. Mir scheint, mein Bewusstsein ist ohne mein Zutun einfach offen, sodass mein eigentliches Wesen, das reine Bewusstsein immer hindurchflieen kann. Ich habe auch das verrckte Gefhl, von allen Krperorganen sind die Augen das, was dem Prana am hnlichsten ist. Augen sind geronnenes Prana, weshalb durch sie das Prana am ehesten flieen kann. Wir sagen in Deutschland Die Augen sind der Spiegel der Seele. Es gibt verschiedene Farben, blau und rot, dann die Regenbogen- stbchen, die kleinen flammenden Irrlichter, die berall herum- geistern, dann wieder Scheinwerfer, schlagartig ist alles taghell, aber ohne dass ich Strukturen des Raumes erkenne, dann wieder trbhell, dann neblig, rauchige Wolken, Farbschimmer, dann taste ich mit meinen Scheinwerferaugen die Wnde ab und sehe dort gar Zeichen, Schriften, Hieroglyphen. Mir scheint, Flammen und Lichter sind in sich selbst mit Bewusstsein und Individuali- tt erfllt. Mir scheint, dieses Licht bin ich, in wahrer Gestalt, die sich hier vorerst als einzelne Lichtreflexe zeigt. Thubten: Visionen knnen in allen Sinnen auftreten, als Gerche, Tne oder Bilder. Visionen sind die Zustnde der Seele, vermit- telt ber die Sinne! Also nichts Besonderes. Es sind keine Ein- gravierungen im Gehirn, das Gehirn ist nur ein Speichersystem fr die Visionen der Seele, die Visionen selbst sind unabhngig vom Gehirn. Ich habe gehrt, die Englnder glauben, alles sei im Gehirn gespeichert. Das ist eine falsche Ansicht. Ja, Visionen treten um so schrfer hervor, je mehr sich der Krper beruhigt hat, je mehr er dem Schlaf nahe kommt, bzw. je strker die Neigung

    40

  • zu einer Bewusstseinsabtrennung ist und natrlich, je nher wir dem Tod kommen. Seelen- oder Bewusstseinszustnde werden durch Gehirn und Krper gefiltert, abgeschwcht und weitgehend ausgelscht - die ausgelschten Seelenzustnde nennen wir dann unbewusst. Das Seelenreich mit seinen strahlenden, klaren Visi- onen, seinen Erscheinungen gedachter und gefhlter Zustnde, tritt demnach umso deutlicher hervor, je geschwchter das Kr- pergefge ist. Alle unsere berlieferungen, die dem Bewusstsein auf der Spur sind, verwenden daher Verfahren der Krperabspal- tung. Bewusstsein und Krper sind getrennte Einheiten - allein, sie sind doch verbunden, weil der Krper das stoffliche Ebenbild der Bewusstseinszustnde ist.

    Ich: Ja, dazu haben sich im Laufe der Geschichte unzhlige Theo- rien und Kulte entwickelt, die erklren wollten, wie die Seelen- dimension sich zu stofflichen Formen herabfiltert. So gibt es bei uns unzhlige Verfahren, die versuchen, aus unseren Krper- formen auf Seelenzustnde zu schlieen. Das ist sicherlich ein menschliches Ur-Unterfangen, dem Rtsel der Materieexistenz eine Grundlage in der Bewusstseinsdimension, eurem Sambho' gakaya zu geben, die jeder in sich als Seele, als Bewusstsein, als sein Ich sprt, denn niemand mag sich allein als Krper denken, wir sehen uns nur dort, wo unsere Geistesgegenwart ruht. Es gibt, spre ich, eine Echoreihe von der Seele zum Krper.

    Thubten: Visionen schwimmen wie Fische im Teich des Urzustan- des der universalen Klarheit oder Leere, plantschen, springen und werfen Wellen im See auf. Das nennen wir dann Seelenunruhe oder seelische Freude. Nun mag man denken: Knnten wir nicht all diese Planscherei im See beenden, indem wir den See leerfischen? Dann wre Ruhe. Hier liegt ein Missverstndnis zugrunde: Wo der Urzustand ist, ist sofort ein Echo seiner selbst als Seelenecho, als Materieecho da. Der Urzustand stellt sich immer als Dreiheit dar, als Dharmakaya, Sambhogakaya, Nirmanakaya (Geist, Seele, Krper). Daher bei uns die Heiligkeit der Dreiheit.

    41

  • Wir sind dauernd Seelenbewusstsein. Dauernd erstehen wir durch Gedanken und Gefhle neu, zwischendrin rutschen wir kurzfris- tig immer wieder ab in den Urzustand, aber nur so kurz, dass ein unerwachtes Bewusstsein ihn gar nicht bemerkt.

    Das Licht des Sambhogakaya Thubten: Wir unterscheiden ein inneres Licht und ein ueres Licht. Beide treten am Anfang des Aufenthalts in der Dunkel- heit auf. Das innere Licht kommt aus uns, es kann sich als ein Strahlen, ein Strahl oder Lichtpunkte, Lichtstreifen, Lichtfl- chen oder Lichtfden zeigen. All das kann sich auch miteinan- der verketten, vermischen. Die Farben gehren jeweils einem Elementarzustand an. Wenn nur eine Farbe dominiert, sind die Elemente unbalanciert. Sie sollten ausgeglichen sein und alle Farben sollten auftreten. Danach erst entfalten sich volle Visio- nen, Bilderlandschaften, Filme, sie grnden sich alle auf Thigle, das Innere Licht. Eine Vision kann nur gesehen werden, wenn sie als Licht vorhanden ist, so wie im Filmprojektor eine Glh- birne sein muss. Das Licht ist das Urlicht des Seelenzustandes, unsere Seelenhelligkeit, deren Inhalte sich in Bilder, in Tne und Gerche umwandeln.

    Zu Beginn der Visionen flackern die Thigles, Lichtpunkte und Strahlen, unruhig, sie kommen und gehen, flieen und schwan- ken. Deine Seelenenergie ist dann unbestndig. Beruhigt sich dein Bewusstsein, so beruhigen sich auch die Lichterscheinun- gen und du siehst Bilder wie im Diaprojektor oder ruhig ablau- fende Filme.

    Spter ruhst du ganz auf einem Punkt, bist nicht Ich noch etwas anderes, keine Visionen erscheinen, die Zeit schrumpft, ebenso der Raum, denn beides sind nur Energiemanifestationen deines Bewusstseins. Auch dein Ich, das nur auf der Basis der Unruhe der Energie entsteht, lst sich auf und dann ruhen wir in Rigpa,

    42

  • der Leere. Eine neue Art der Freude kommt auf, Freude der Leere, Freude Nicht-Ich zu sein. Es gibt dann keine spirituelle Praxis mehr. Der Rigpa-Zustand kann aber weitaus stabiler werden und noch lnger anhalten.

    Wenn man die Erfahrung alleine macht, muss man erst lernen, die Stadien, in denen man sich befindet, zu erkennen. Ein Meis- ter kann einem helfen und sagen, wo man sich gerade aufhlt und was als nchstes kommt. Man ist dann nicht so desorien- tiert. Es sind ja keine einmaligen Erscheinungen, sondern allge- mein menschliche. Es sind die Gesetze des Bewusstseins. Wer das allerdings zum ersten Mal erfhrt, der denkt: nur bei mir selbst ist das so, und frchtet sich. Wir brauchen auch nichts zu erfor- schen, da andere das bereits vor uns getan haben, so geht alles schneller und einfacher. So haben wir mehr Ruhe und Sicherheit und sind nicht hin und her gerissen.

    Ich: In der Dunkelheit erscheinen die Visionen wie Wirklichkei- ten. Die Visionen werden die Wirklichkeit, weil in der Dunkel- heit die Auenwelt nicht mehr sichtbar ist. Daher ist Yangtik der schnellste und einfachste Weg zu Visionen.

    Thubten: Doch Visionen sind nur Visionen und irgendwann werden wir ihrer berdrssig. Wir wollen schlafen, aber sie hren nicht auf. Sie sind die Botschafter unseres Urzustandes. Am Anfang sind wir geblendet von ihrer Schnheit und Leuchtkraft und gehen in ihnen auf; doch sollten wir versuchen zu schauen, wie sie aus der Urleere herausstrmen und wie wir ber sie zurck- tauchen knnen in diese. Diese Visionen und Bilder sind Bot- schafter, Spiegelungen des Urzustandes in buntem Gewand, sie knnen uns ganz zurckfhren, also beobachte sie genau. Visio- nen sind die letzte Station auf dem Weg in die Leere, sie gebren die groen, die Urformen des Denkens und Fhlens. Wenn du tief in die visionre Welt eintauchst, wirst du die groe Wahrheit erkennen: Die stoffliche Welt besteht aus Licht! Die

    43

  • stoffliche Welt ist verfestigtes, geronnenes, verlangsamtes Thigle- Licht. Das erkennst du in diesem Augenblick tief. Doch Mate- rie entsteht nur, wenn wir die Lichtstrukturen packen und ihrer habhaft werden wollen - dann verdichten sie sich, werden Stoff. Auch dessen wirst du dir nun bewusst. Diese Erkenntnis wird zum tiefen Wissen, zur zweifelsfrei gewissen Erfahrung. Licht, so sehen wir, erzeugt die verschiedenen Elementarzustnde, die so genann- ten Elemente und diese, in ihrer feinstofflichen Form, erzeugen spter die Grundlage des Stoffs. Das Licht des Urzustandes wird zum Licht der Visionen, Bilder und Archetypen.

    Unser Denken und Fhlen grndet sich, das siehst du in der Dunkelheit anhand der auftauchenden Bilder, auf Licht, auf Helligkeit. Licht heit nicht nur Licht, sondern auch Klarheit. An sich ist da eine Klarheit, die wir oberflchlich betrachtet Licht nennen. Im Grunde aber es ist nur Klarheit. Betrachten wir diese Klarheit ebenfalls genau, sehen wir, dass es gar keine Klarheit ist, sondern Leere. Diese Begriffe Leere, Klarheit, Licht, Vision, Gefhle, Gedanken, Empfindungen, Materie bilden die Entwicklungsreihe des Lebens. Tatschlich ist natrlich nur Leere da. Doch bereits unsere Begriffe fr die Entwicklungslinie zeigen - fhlt man sich tief ein - dass es allesamt nur schlechte Beschreibungen mittels ebenso schlechter Begriffe sind. Was soll denn Klarheit sein? Gehe ich tief in diese Erfahrung hinein, ist da keine Klarheit. Gehe ich tief in die so genannte Vision, ist da keine Vision, sondern lediglich Energiebewegung, die sich auf- grund vorhandener Gedankenmuster zu Bildern formt. Aber noch tiefer geschaut, ist da auch keine Energiebewegung oder mentale Unruhe, sondern nur Kunzhi, das Leere, also keine menschlichen Zustnde mehr.

    Wer das mit Hilfe der Thogal-bungen erkannt hat, kann seinen stofflichen Krper in den Lichtkrper des Sambhogakaya auf- lsen.

    44

  • Existenz und Nichtexistenz sind eins, das ist der groe zu erfahrende Widersinn. Es gibt nicht hier Existenz, da Nichtexistenz. Dieses Denken in Gegenstzen hlt uns ewig in der Dualitt gefangen. Der geistige Weg versucht diesen Widersinn zu ergrnden. Er ist nicht beschreibbar, nur erfahrbar und das ist gar nicht so schwer. Allein unsere blumigen, buddhistischen Beschreibungen darber erwecken den Eindruck, als sei es schwer, ja unmglich.

    Lasse ich die Dinge, insbesondere die Visionen, aber auch die Erinnerung an die stoffliche Welt auf mich wirken, schaue lange hin, sehr lange, andauernd, so lsen sich mein Denken, meine Begriffe, mein Wisser. auf. Ich muss nun nichts mehr wissen, ich brauche dieses Wissen nicht mehr mit mir in Zusammenhang zu bringen. Ich werde unwichtig, verdmmere langsam und das ist angenehm, gibt Kraft; man wchst frmlich ber sich hinaus, wird grer, sicherer, stabiler, wie ein Fels, unerschtterbar. Man wird das Sein, das Ganze, genauer die Natur, der Kern des Seins. Es ist wie ein Drhnen, ein Gewitter kosmischer Gre, aber sanft grollend, ein Urton ist da.

    Man kann versuchen, irgendeinen Gegenstand zu betrachten und durch die tiefe Versenkung darin seine innere Leere zu erfahren. Die Ausgangsbasis ist also, dass man vom Denken her um die Idee der Leere wei - nun versucht man das Konzept durch derartige bungen erfahrbar zu machen. Es gibt im Dzogchen verschie- dene bungen, Zhine genannt, mit denen man versuchen will, die Leere unmittelbar zu erfahren. Wir erkennen dann einerseits das Sein, wie es ist, andererseits, dass es Nichtsein ist, beides kommt nun zur Deckung. Das Sein bleibt immer bestehen. Viele denken, es wrde sich irgendwann auflsen, ein recht hufiges Missver- stndnis. Alles bleibt, wie es ist, nur wir erkennen, whrend wir ganz normal im Sein verhaftet sind, gleichzeitig ein Nichtsein, seine Leere und Klarheit. Das Sein hat einfach zwei Seiten: Sein und Leere. Leere drckt sich als Sein aus, aber Sein ist nichts anderes als entfaltete Leere, ist also leer. Man muss vom dualis-

    45

  • tischen Denken fortkommen und in diese zentrale Erkenntnis vorstoen, ansonsten bleibt man immer in einem Fr und Wider hngen - fr die Leere oder gegen sie, fr das Sein oder gegen es. Der verwirklichte Mensch lebt wie alle anderen auch, aber er erkennt, ohne dass die anderen ihm das ansehen, die Leere des Seins. Viele glauben, einem Erleuchteten msse man seine Erkenntnis ansehen, das ist ganz absurd, wie soll man das sehen? Er handelt auch nicht anders, er ist in nichts anders als andere. Nur wer feiner hinzuschauen vermag oder sich auf seiner Erkennt- nisebene befindet, wird ihn erkennen.

    Ich: Wenn wir unsere Gefhle im Alltag beherrschen knnen, so knnten wir sie doch auch im Traum und im Bardo des Todes- zustands beherrschen?

    Thubten: Wenn sich das Bewusstsein, die Seele, beim Tod vom Krper trennt, kann eine schwarze Dunkelheit erfahren werden und wir sehen dann ein weies Licht aufblitzen. Jetzt, ohne Kr- perbasis, nur noch Bewusstsein, dmmern alle Bilder herauf, die wir in uns tragen. Die Bilder scheinen von auen zu kommen und wir mssen versuchen zu erkennen, dass alles unserem eigenen Bewusstsein entspringt - die Wirklichkeit selbst ist leer. Wohlge- merkt, das heit nicht ein leerer Raum, sondern stets eine Leere von Einzelgegenstnden, sprich eine Vereinigung aller Gegen- stnde und Zustnde zu einem Zustand. Denn in Wirklichkeit gibt es keine getrennten Zustnde und Gegenstnde, alle sind ein Gegenstand, ein Zustand, nur dem beschrnkten menschli- chen Bewusstsein stellt sich die Einheit als eine Vielfalt dar. Alle Wesen sind vermutlich ein Wesen, die Weltvielfalt ist ein Wesen. Die Angehrigen meiner Gemeinschaft glauben zum Beispiel, dieses eine Wesen sei die Mutter von allem. Also: Wir binden uns flschlicherweise an die Visionen, werden von ihnen davon- getragen wie von einem eurer Filme. Wenn Lichter in der Dunkelheit auftauchen, Blitze, Lichtpunkte, Lichtstrahlen, Lichtfcher, solltest Du versuchen, in reiner Gegen-

    46

  • wart zu verharren. Wir ben auf diese Weise ihre innere Leere zu erkennen und lassen uns nicht von ihnen wegtragen. Die Lichter erscheinen von selbst, wir tragen bewusst nichts dazu bei. Sie ent- stehen einfach, weil es dunkel ist und das innere Licht der Seele, das immer da ist, nun besser wahrgenommen wird.

    Die auftauchenden Farben knnen als quivalente von Bewusst- seinszustnden gedeutet werden. Rot oder Wei steht fr rger, gelb fr Anhaftung, blau fr Unwissenheit, grn steht fr Eifer- sucht. Das sind vier der Hauptemotionen.

    Urzustand und Vision Thubten: Die Menschen wollen den Urzustand erreichen. Das ist ein absurdes Unterfangen. Der Mensch ist jetzt der vollkom- mene Urzustand, was wollen wir eigentlich mehr. Der Urzustand besitzt zudem Echos seiner selbst in Gestalt des Seelischen und des Krperlichen. Wir sind also Urzustand, aber in seinen ver- schiedenen Ausdrucksformen. Eigentlich wre alles in Ordnung, aber uns fehlt etwas: Wir wollen auch reiner Urzustand sein, die Echos des Urzustandes gefallen uns nicht so gut. Hier liegt die Wurzel aller Probleme. Wir sind Urzustand und doch spren wir ihn nicht, weil seine eigenen Echos ihn verbergen. Was ist zu tun? Es bleibt nur die Mglichkeit, den Urzustand strker durch seine sekundren Manifestationen hindurchstrahlen zu lassen, also seine Manifestationen, Seele und Krper, gewissermaen zu reinigen, bildlich gesprochen, die Fenster klarer zu putzen, damit mehr Sonne hineinstrahlen kann. Wir werden, solange wir leben, Menschen mit Krper und mit Seele bleiben, das steht fest. Wir knnen in diesem Zustand resig- nieren oder uns anpassen, aber wir knnen auch versuchen, den Urzustand jetzt zu erkennen. Er durchdringt uns ja ganz, er ist ja unsere Lebensessenz, er ist das Leben selbst. Der Urzustand ruht ohne Lrm und ohne auf sich aufmerksam zu machen

    47

  • schen den Seelenzustnden. In den Pausen zwischen Denken und Fhlen sowie als Grundlage derselben ist er dauernd gegenwrtig. Wir mssen lernen, unsere Wahrnehmung etwas zu verschieben, dann spren wir sein Grollen, Donnern und Rauschen. Wir blei- ben zwar Menschen, ruhen dann aber strker im Urzustand und nicht mehr nur in der Seele oder im Krper. Darum geht es. Im Todeszustand sind wir dem Druck des Krperlichen nicht mehr ausgesetzt, dafr umso mehr - als Ausgleich - dem des Seeli- schen, das sich im krperlosen Zustand strker entfaltet. Erst beim Zweiten Tod, dem Ablegen des Seelischen, treten wir in die Freiheit des Geistes ein.

    Visionen entstehen, wenn man den Urzustand erfhrt. Das ist kein Widerspruch. Visionen, also das Seelische als innere Bilder projiziert, sind sozusagen die Knospen oder Samen des Baumes. Erfahren wir den Urzustand, knnen sich je nach unserer Aus- richtung auch Visionen einstellen. Visionen ruhen, wie Kse und Butter als Potenzial in der Milch, im Urzustand. Visionen knnen ebenfalls auftreten, wenn sich unsere Seele von sozialen und ver- standesmigen Verblendungen lst, auch dann sehen wir klarer, was unsere Seele treibt. Visionen sind, allgemein gesprochen, ein Zeichen seelischer Entspannung.

    Nun ist Vision nicht gleich Vision. Es gibt solche mit unschnem Inhalt, ganz unklare, weitgehend klare und solche, die fast voll- kommen erscheinen. Das heit, die Vollkommenheit der Vision nimmt immer mehr zu. Die vollkommene Vision stellt nur noch die Urgesetze des Daseins dar, ist gnzlich frei von Persnlichem und Menschlichem, nhert sich der Leere des Urzustandes.

    Ich: Am Anfang waren meine Visionen hufig von einer Farbe dominiert - oft war am Anfang nur Rot - das vernderte sich mit der Zeit und alle Farben erschienen gleichzeitig, aber nicht als viele Farben, sondern alle Farben erkannte mein Bewusst- sein als eine Farbe, so wie viele Geschwister eine Familie bilden;

    48

  • die Aufteilung der Farben in unterschiedliche ist falsch, es gibt nur eine Farbe! - so habe ich das erfahren. Unsere menschlichen Farbunterscheidungen sind Ergebnis des Oberflchenbewusst- seins. Hast du auch diese Erfahrung gemacht?

    Thubten: Ja, das stimmt. Eine Vorstufe zur Vereinheitlichung aller Farben zu einer sind die Regenbogen. Kleine Stbchen mit allen Regenbogenfarben darauf erscheinen im Dunkel, tausende, und schwirren durch den Raum. Hast du das gesehen?

    Ich: Ja. Teilweise sind es Stbchen, teilweise Flchen und teil- weise halbrunde Regenbogen. Ich habe mich gewundert, was das soll.

    Wahrheiten ber Worte Heute kommt Thubten wieder und ich erwarte neue Anweisungen. Doch ...

    Thubten: (Braucht einige Zeit, um sich zu setzen und einzuwickeln. Solche Rcke sind umstndlich. Da kommt die Stimme aus der Fins- ternis.) Du bist ein schlauer Mann. Du besitzt die Worte.

    (Das scheint der Anfang einer profunden Unterweisung zu sein. Thub- ten hlt inne. Ich warte gespannt, spitze die Ohren. Welche Worte? Das schlau scheint ironisch gemeint zu sein oder ernst? Haben nur Schlaue Worte? Ist schlau zu sein etwas Gutes? Was sind Worte? Ich warte voll Spannung. Da nach einer Viertelstunde nichts Weiteres gekommen ist, denke ich, die groe Belehrung muss jede Sekunde beginnen. Tibeter haben einen langen Atem. Nach einer guten Stunde des Wartens bin ich wohl in Meditation versunken. Ich frage mich, ob Thubten noch da ist. Er bewegt sich jetzt, ist also noch da. Ich bin nun wieder wach, doch zunehmend verzweifelt. Die Worte, die Worte, welche Worte besitze ich? In der Tat, ich besitze Worte, aber was soll's.)

    49

  • Ich: (Ich gebe auf und frage.) Du sprichst nicht weiter, also gehe ich davon aus, dass ich sprechen soll. Ich vermute, du willst, dass ich mittels Worten denke. Ich werde jetzt ber Worte nachden- ken in der Hoffnung, dass du beabsichtigst, das in mir zu bewir- ken. Pause Hier also mein Denken in und mit Worten.

    Ja! Ich bin etwas ratlos. (Ich gehe in mich und hre auf zu denken.) Wir leben in einer Welt der Worte. Worte sind uns Wirklichkei- ten. Wenn man sich lnger im Dunkeln aufgehalten hat, verlie- ren sich die Worte und nur Erfahrung bestimmt uns. Erfahrung ist ganz anders als Worte. Im Grunde lsst sich nichts mittels Worten beschreiben. Worte helfen zwar beim Wiedererkennen von Dingen und Zustnden, aber die Gefhlswirklichkeit hat nichts mit dem zu tun, was Worte uns vermitteln. Smtliches Gerede ber Spiritualitt, Erleuchtung, Meditation, hat mit der Erfahrung selbst nichts zu tun und verwirrt uns obendrein. Ich sehe immer, wie Wortglauben und Wortspiritualitt ein unber- windliches Hindernis darstellen. Ich sehe sofort, ob jemand nur ber Geistiges reden kann oder ob er tatschlich Erfahrungen durchlebt hat. In der Dunkelheit werden smtliche Konzepte der Erleuchtung und Meditation weggeschluckt. Wir werden ehrlich. Alles was wir uns ber zauberische Worte eingeredet haben, uns selbst haben glauben machen, zerbricht nun vor der schwarzen Wand. Wir werden erstmals ehrlich. Was ist denn unser Leben? Wer sind wir denn? Es stellt sich im Nichts der Schwrze heraus, dass ich mir hundert Selbstkonzepte eingeredet habe, um mich wunderbar zu finden, um mit mir selbst leben zu knnen. Schaue ich nun genau hin, bleibt nichts brig. Ich stelle fest, dass all das, was ich mir eingeredet habe, wie in der Euphorie zu leben, leben zu mssen, gar nicht da ist und dass es auch gar nicht wichtig ist. Stattdessen steht jetzt etwas anderes im Vor- dergrund: Die Heiligkeit der Ehrlichkeit! Es befreit, ehrlich zu sein, nichts zu sein. Nach dem Verfall all meiner Vorstellungen habe ich nichts mehr in der Hand. Was soll schon Spirituali- tt sein? Meditation hat ganz aufgehrt, weil ich erkannt habe,

    50

  • die Meditation ist nur ein Herumreiten auf mentalen Schab- lonen. Die Dunkelheit hat das nun weggeschluckt. Die groe Suche nach der Ichauflsung geschieht hier nach einer Woche. Pltzlich ist mein Ich weg und wo ist die groe Erleuchtung, nichts von alledem. Die Erfahrung ist eine ganz andere. Worte knnen das nicht belegen. Also wozu reden ber Erleuchtung. Mir hngt das Wort zum Hals raus. Mich langweilt das ziem- lich, mehr noch, es macht mich aggressiv. Entschuldige! Am liebsten wrde ich dieses Wort vergessen. Dauernd sickert es in meinen Sprachschatz und verhindert mit seinem Fadennetz und den aus ihm hervorsprudelnden Gedankenketten und inneren Bildern die genaue Beobachtung dessen, was wirklich ist. Da ist keine Erleuchtung. Der Raum mag hell sein oder glitzern, mein Zustand mag erhaben sein und erhoben, ich studiere ledig- lich, wie sehr doch meine erlernten und angelesenen Definiti- onen ein Meer an Assoziationen in mich hineingewebt haben und wie ich aus diesem Spinnennetz nicht mehr hinausfinde. Mein ganzes Gehirn ist mir widerwrtig. Ich verachte mich fr diesen Ozean an Worten, die sich nun klar als nichts anderes als ngste enttarnen. Jedes Wort ein Panikschrei. Aber worauf bezieht sich die Panik? Lass mich berlegen: Es ist kein Grund zur Panik da. Warum also Panik? Es ist ein sich selbst besttigen- der Prozess. Ich spreche, rufe, schreie, weil ein Wort das andere gibt, ein Schrei einen noch strkeren hervorbringt. Ein Prozess der Verstrkung, so wie man im Alltag bei uns sagt: Ein Wort gibt das andere und schon hat man sich in der Wolle. Worte fhren also zu noch mehr Worten. Das ist der Kunstgriff. Worte wollen sich am Leben erhalten und das bewerkstelligen sie mit dem Suchtcharakter der Worte. Kaum habe ich ein Wort aus- gesprochen, berrollt mich eine sanfte Welle des Wohlgefhls. Mit dem Wort bin ich da, bin ich Ich geworden. Mit dem Wort entstehen die Welt und der Gegensatz. Mit dem Wort wird etwas benannt und etwas anderes anders benannt - Dualitt, Vielfalt, das unentwirrbare Knuel des Lebens nimmt hier seinen Anfang. Die unbenannte Welt - nun benannt und beschriftet - hat ihr

    51

  • reines Gemt verloren. Wenn ich eine Pflanze benenne, kann ich sie nicht mehr sehen. Wenn ich die Tiere katalogisiere, gibt es den Fuchs als reines Wesen nicht mehr. Fchse sind keine Fchse, es sind leuchtende Wesen. Ich sehe sie, wie sie in Ver- bindung stehen mit anderen leuchtenden Wesen, mit den leuch- tenden Steinen und leuchtenden Bchen. Wie schmerzlich ist das festzustellen, ich unterscheide tief am Grund meines Wesens immer zwischen Bach und Baum. Was verdirbt mir die Geistein- heit der beiden zu erschauen? Es ist das Wort! Ich bin heraus- gefallen aus der kindlichen Schau der Einheit. Ich habe gelernt zu unterscheiden. Darin bestand meine Ausbildung, das wurde mir eingeredet als Sinn des Lebens. Ich habe mich bemht, aber immer mit dem Gefhl der Schuld im Hintergrund, dass ich im Tiefsten lge, mich selbst und das Erschaute beleidige, mit den Worten, die ich ihnen aufklebe. - Es gibt keine Worte, und es gibt das Wort Einheit nicht! Ja, so ist das ... (Ich erwarte keine Antwort. Und in der Tat Thubten geht grulos. Wunderbar oder ernchternd, ich wei es nicht).

    Dunkeltherapie heit Seinserfahrung Thubten: Der Schlaf ist eine Form des Wachseins und umgekehrt ist das Wachsein eine Form des Schlafs. Es sind Begriffe des All- tags, tatschlich besteht ein Kontinuum zwischen beiden. Die Worte des Alltags sind sehr verwirrend, weil man sich im Alltag nicht bemht, sich die Kontinuitt des Geistes, der allein exis- tiert, klar zu machen. Alles ist der Geist und er offenbart sich in Abstufungen. Daher lsst sich das Sein als eine Stufenfolge des Geistes erklren. Aber nun kann man sich wieder an die Exis- tenz von Stufen binden. Wenn du richtig hinschaust, gibt es letztendlich keine Stufen, denn jede Stufe ist der anderen gleich. Der Verstand setzt Stufen, die Erfahrung erkennt die Stufen als das Gleiche. Du kannst dich nun fragen, mit deinem deutschen Verstand, was wohl richtiger ist.

    52

  • Ich: Stufe wie Nicht-Stufe sind nur zwei Weisen des Geistes sich darzustellen, gut. Dies hiee, das Stufenmodell ist ein anerken- nenswertes Modell fr uns Menschen. Also wre der katalogi- sierende Philosoph ebenso willkommen im Erleuchtungskabinett wie der allweise Einheitserschauer. Aber das nagt am Arche- typ der Sehnsucht nach Einheitsgefhl und ist abscheulich, da es eine Blasphemie angesichts des gigantischen Umfanges des Geistes darstellt.

    Thubten: (lacht) Ja, aber die Lsung besteht in einem Dritten. Dieses Dritte kann beide Konzeptionen so lassen, wie sie sind und dennoch leben. Ja, mein deutscher Freund, da hast du dir eine Aufgabe gestellt. (Steht auf und will gehen, hlt aber inne:) brigens: Die Atembung darfst du nun verdoppeln, ebenso die Intensitt der Meditation.

    53

  • 54

  • D R E I

    Die spirituelle Intelligenz der Nacht -

    Theoretische Grundlagen

    Leere, Licht und Leben Drei Dimensionen gibt es nach fast allen alten berlieferungen und Religionen. Die Drei-Dimensionen-Lehre ist menschliche Urphilosophie. Thubten sprach im Rahmen seiner Bn-Lehre von Bon sku, Rdzongs sku und Sprul sku. Im Buddhismus spricht man von den drei Kayas (Krpern oder Dimensionen): Dharmakaya, Sambhogakaya und Nirmanakaya. Ich spreche schlicht von Leere, Licht und Leben. Leere heit, frei von allen Bestimmungen. Die zweite Dimension wird vor allem als Licht beschrieben, als Licht der Vollkommenheit. Es ist also nicht das uns bekannte Him- melslicht gemeint, eher ein seelisches Energielicht, das nicht von der Sonne kommt und das in der Dunkelheit heraufdmmert. Die dritte Dimension ist das Leben, wie wir es alle kennen.

    Licht Das Erste und zunchst Beeindruckendste in der Dunkelthera- pie sind die Lichterfahrungen. Obwohl es dunkel ist, sieht fast jeder irgendwann Licht; es kommt meistens von links oder rechts hinten, vom Hinterkopf oder dem Ohr. Wir meinen unseren Schatten zu sehen oder es wird im Dunkelraum sanft hell, Funken und Blitze zucken, Farben und Formen, insbesondere Dreiecke schweben durch den Raum. Es heit, dieses unstoffliche Licht sei unser Seelen-Licht. Wenn die Seele und damit das Seelenlicht die Grundlage fr den Stoff bilden, wie soll man dann physische Sonnen verstehen? Damit gelangt man zu interessanten Spe- kulationen. Die Sonne, die uns das Licht gibt, wre so gesehen ein besonderer Knotenpunkt im stofflichen Universum, durch

    55

  • den hindurch sich die seelisch-plasmatische Nachbardimension uert. Sonnen wren also fr diese Energiedimension Nadel- hre in die stoffliche Welt. Durch die Sonnen knnen nun Pla- netensysteme zum Leben erweckt werden. Andererseits existieren unbeleuchtete Planeten ebenfalls, brauchen diese also das Licht nicht? Bedrfen erst hhere Lebensformen des Lichts, genauer gesagt, einer dichteren Ausformung des Lichts? Hier werfen sich schwierige und groe Fragen auf. Astronomische Fragen, etwa die nach den Schwarzen Lchern, mssten unter einem solchen Vorzeichen ganz neu betrachtet werden. Aber dafr ist die Zeit noch nicht reif.

    Die Sehnsucht nach der Geistdimension Wir Menschen bestehen aus drei Dimensionen. Getragen und ganz durchdrungen sind wir auf eine unsichtbare Weise vom Uni- versalgeist. Das Universalgeistige ist nicht fassbar und deshalb kann es uns ganz durchdringen, es gibt uns die Lebensgrundlage. Kein Wesen lebt ohne Geist. Geist knnen wir sprachlich nicht bestimmen, und wenn wir es versuchen, gleiten wir immer nur ab in Beschreibungen des unter dem Geistigen stehenden See- lischen. Gerade diese Unbeschreibbarkeit aber stachelt einen geradezu an, das ausweglose Unterfangen dennoch wider alle Einsicht zu versuchen, und so kommt es in der spirituellen Lite- ratur zum Urfehler aller Religionen: der Beschreibung des Geis- tes als Seelisches.

    Es kommen Menschen zu mir in die Dunkeltherapie, die geistige Erfahrung suchen. Das stellt mich jedes Mal vor ein Dilemma. Die Menschen spren tief und ernsthaft eine Daseinsschicht in sich, die sie jedoch nicht fassen knnen. Das Geheimnis der Dunkel- heit zieht sie nun an, wie das Licht die Motte. Mit dieser Radi- kalkur, so hoffen sie, gelingt es ihnen in den Geist vorzustoen. Tief in allen Lebewesen scheint eine Ahnung vom Universal- geist zu ruhen, aber dabei bleibt es. Der Drang, diese berwlti- gende Sphre zu erreichen, in der alle seelischen und irdischen

    56

  • Schwierigkeiten aufgehoben scheinen, fhrt nun dazu, dass man in seinem Leben allerlei Bemhungen unternimmt, ob nun im Rahmen einer Religion oder einer spirituellen bung oder ein- fach, indem man gelegentlich Zipfel der Geisterkenntnis erhascht, alsgleich aber wieder verliert und so erneut angestachelt wird die Suche fortzusetzen. Das Leben ist ein kompromissloser Versuch, ber smtliche Handlungen, Taten, Gedanken und Gefhle nher an die Geistzone zu rcken. Das ist eine radikale Betrachtungs- weise - radikal von radix = die Wurzel (lat.), also zur Wurzel, zur zugrundeliegenden Ursache gehend - und sie ermglicht ein umfassendes Verstndnis des Daseins. All unsere krperlichen und seelischen Bewegungen sind auf eine letztendliche Gebor- genheit in einem universalgeistigen Feld hin ausgerichtet. Alle krperlichen Wohlfhlprogramme, alle psychischen Erholungs- und Lustbewegungen wollen immer nur eins: noch mehr davon. Sie wollen bis zum Letzten gehen, der Geisteinheit. Dies scheint in allen Lebewesen angelegt, auf alle Flle in allen Tieren, wohl auch in den Pflanzen, auch wenn wir bei ihnen durch ihre ganz anders geartete Lebensweise keine fr uns verstndlichen Kriterien dafr entdecken. Alle Daseinsbewegungen streben zur Erfahrung hin, smtliche Daseinsteile in mir zu spren. Anders formuliert: Der Mensch sprt ein tiefes Leiden in sich, wie unbewusst auch immer in jedem versteckt, dass er nicht der Kirschbaum vor dem Haus, seine Lieblingskatze oder der Nachbar, noch das erdige Gefhl unseres Erdballs, noch die Planeten, noch der Kosmos, noch alle Lebew