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Ausgabe 3/2015 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart Die Veredler Kalte Leidenschaft Über Stock und Stein Wie Unternehmen in der Region Stuttgart die vernetzte Produktion vorantreiben Industrie 4.0

179 - Das Standortmagazin der Region Stuttgart (Ausgabe 3/2015)

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179 ist das Standortmagazin für die Region Stuttgart. Alle drei Monate berichtet 179 von starken Unternehmen, von neuesten Entwicklungen in ausgewählten Branchen, überzeugenden Gründungsideen, herausragenden Forschungsleistungen, aber auch von den vielen Gründen, warum die Region so lebenswert ist. Der Name des Magazins ist dabei Programm: 179 Kommunen bilden die Region Stuttgart, gemeinsam formen sie einen der stärksten Standorte Europas.

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Ausgabe 3/2015

179Das Standortmagazin der Region Stuttgart

Die Veredler

Kalte Leidenschaft

Über Stock und Stein

Wie Unternehmen in der Region Stuttgart

die vernetzte Produktion vorantreiben

Industrie 4.0

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MannschaftsspielerMannschaftsspieler

Kavalierstart made in Stuttgart: Nur 1,779 Sekunden benötigte das Greenteam der Universität Stuttgart mit seinem Elektrorennwagen für den Sprint von null auf 100 km/h. Die Studentengruppe hat damit beim Jade-Race im ostfriesischen Mariensiel einen neuen Weltrekord für elektrisch angetriebene Fahrzeuge aufgestellt. Mit 1,8 G wirkten auf die Fahrerin dabei Kräfte von fast der doppelten Erdbeschleunigung. Das Greenteam ist ein studentischer Motorsportverein, der jedes Jahr einen offenen einsitzigen Elektro-Formelrennwagen baut.

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Mehr als ein Hype

Der Begriff Industrie 4.0 hat gute Chancen, zum Wort des Jahres 2015 zu werden. Für die deutsche Industrie war dieses Thema in den letzten Monaten allgegenwärtig: Keine wichtige Leitmesse, von der Hannover-Messe bis zur Cebit, die nicht die engere Verzahnung von Produktion und IT in den Vordergrund gestellt hätte. Wie so oft schwanken die Reaktionen auf die neuen Möglichkeiten der vernetzten Fer-tigung zwischen Euphorie, Skepsis und Desinteresse. Doch Industrie 4.0 betrifft uns alle und wir brauchen den nüch-ternen Blick auf Chancen und Risiken: Hochtechnologie und geringe Fertigungsgrößen stärken den Industriestandort Deutschland. Andererseits tauchen neue Wettbewerber auf, die Arbeitswelt wird ganz neue Anforderungen stellen und die Geschäftsmodelle ändern sich.

Zahlreiche Maschinenbauer aus der Region Stuttgart ge- hören als Anwender wie als Anbieter zu den Pionieren von Industrie 4.0 – ganz vorne die großen Namen wie Bosch, Festo oder Trumpf. Auch bei den kleineren Unternehmen in der Region gibt es Vorreiter, die sich bereits jetzt für den Wettbewerb positionieren. Die WRS sieht es als ihre Aufgabe an, diese zu unterstützen und gleichzeitig andere Firmen zu ermuntern, die Chancen von Industrie 4.0 mutig zu ergreifen. Auch unsere regionalen Kompetenzzentren widmen sich verstärkt dem Thema, ebenso das Landesnetzwerk Manu-future-BW mit seiner Geschäftsstelle bei der WRS.

Gerade der Mittelstand mit seiner Schnelligkeit, seiner Flexi-bilität und seiner Netzwerkerfahrung hat bei der vernetzten Produktion beste Perspektiven. Doch viele mittelständische Maschinenbauer fremdeln spürbar mit dem Gedanken, Teil einer Wertschöpfungskette zu sein und womöglich Dritten den Eingriff in die eigene Fertigungssteuerung zu ermöglichen.Deshalb ist es wichtig, Industrie 4.0 als das zu kommunizieren, was es ist: kein fixer Zustand, sondern eine Vision mit zahl-reichen Ausbaustufen ohne festen Fahrplan. Die neue Welt beginnt nicht erst bei autonom agierenden Werkstücken und Maschinen.

Kein Zweifel, die Herausforderungen sind groß. Die Maschi-nenbauer in der Region, ob Großunternehmen oder Mittel-stand, werden sie angesichts der neuen Konkurrenz durch amerikanische IT-Giganten nur dann meistern, wenn sie agieren anstatt zu reagieren. Mut machende Beispiele dafür finden sich in der neuen 179-Titelgeschichte ab Seite 8.

Dr. Walter RoggGeschäftsführer Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS)

Editorial

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3179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 3/2015

Inhalt

Aktuell 4Neuigkeiten aus der Region Stuttgart / Wussten Sie schon, …?

Neu in der Region 5Unterwegs zur Wiege der Industrialisierung

Branchenfokus 6Von der Skizze bis zum Modell – alles aus einer Hand / Die Veredler / Kalte Leidenschaft

Titelthema: Industrie 4.0 8 –15 Industrie 4.0 8 Wie Unternehmen in der Region Stuttgart die vernetzte Produktion vorantreiben

Im Gespräch: Mathias Kammüller 10 Die Menschenfischerin 14 Michael Ohnewald porträtiert die Unternehmerin Susanne Kunschert

Wissenschaft 16Älteste Schildkröte der Welt / Keimfrei Richtung Mars / Elektrisch über alle Berge / Vorbild Wasserspinne

Innovation 17Über Stock und Stein / Wer hat‘s erfunden…?!

Existenzgründung 18Prinzessin Rote Bete trifft auf Kichererbse

Fachkräfte 20Mitarbeiter als Wissensvermittler / Mehr Demokratie wagen

Freizeit 21Im Visier / Kalender / Tipps

Wirtschaftsförderung Region Stuttgart 22 Aktuell Da waren es schon fünf / Termine / Meldungen

Impressum / Nächste Ausgabe 23

179 Kommunen – ein Standort.

Ludwigsburg

Stuttgart

Böblingen

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GöppingenEsslingen

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Kavalierstart made in Stuttgart: Nur 1,779 Sekunden benötigte das Greenteam der Universität Stuttgart mit seinem Elektrorennwagen für den Sprint von null auf 100 km/h. Die Studentengruppe hat damit beim Jade-Race im ostfriesischen Mariensiel einen neuen Weltrekord für elektrisch angetriebene Fahrzeuge aufgestellt. Mit 1,8 G wirkten auf die Fahrerin dabei Kräfte von fast der doppelten Erdbeschleunigung. Das Greenteam ist ein studentischer Motorsportverein, der jedes Jahr einen offenen einsitzigen Elektro-Formelrennwagen baut.

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Aktuell

Industrie investiert kräftigDie Industrie investiert kräftig in den Standort Region Stuttgart. Das zeigt der Strukturbericht Region Stuttgart, der jetzt erschienen ist. Von 2008 bis 2013 lag die Investitionsquote in der regionalen Industrie bei durchschnittlich vier Prozent des Umsatzes und damit deutlich über dem Bundes- (3,2 Prozent) als auch über dem Landesdurchschnitt (3,5 Prozent). Maßgeblich getragen wird die Investitions- tätigkeit vom Fahrzeugbau, der für fast zwei Drittel des industriellen Investitions-budgets verantwortlich ist. Insgesamt habe sich die Wirtschaft in der Region seit 2009 sehr gut entwickelt, heißt es in dem Bericht weiter. Die Beschäftigung habe 2014 einen neuen Höchststand

erreicht, die Prognosen für 2015 und 2016 deuteten auf weiteres Beschäfti-gungswachstum hin.

Der Strukturbericht wird seit über 15 Jahren in einer bundesweit einmaligen Kooperation zwischen Politik, Kammern und Gewerkschaften gemeinsam vom Verband Region Stuttgart, der IHK, der Handwerkskammer und der IG Metall herausgegeben. Im zweijährigen Turnus untersuchen die Forschungsinstitute IAW Tübingen und IMU Stuttgart im Auftrag der Herausgeber aktuelle Entwicklungen und die Strukturen von Wirtschaft und Beschäftigung in der Region.

region-stuttgart.de/strukturbericht

... dass Württembergs Hofbank von einer Frau gegründet wurde?

Was heute die Landesbank Baden-Würt-temberg ist, war im 19. Jahrhundert die Württembergische Hofbank – eine Keimzelle des wirtschaftlichen Erfolgs im Königreich. Gegründet wurde sie 1802 von Herzog Friedrich – sowie von der Jüdin Karoline Kaulla (1739-1809) nebst deren Bruder Jakob. Bis zu ihrem Tod dirigierte die fünffache Mutter das damals bedeutendste württem- bergische Finanzinstitut und managte zudem als Hofbankière die Finanzen des Königs. Die charismatische Unter- nehmerin galt zu ihrer Zeit als reichste Frau Deutschlands.

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Visitenkarte am Flughafen Mit neuer Ausstattung und frischer Optik präsentiert sich die neu gestaltete Tourist-Information im Flughafen Stuttgart. Als Dependance des erfolgreichen i-Punkt in der Innenstadt ist das Infozentrum im Terminal 3 ein repräsentatives Schaufens-ter der Region Stuttgart im Flughafen. Für Fluggäste, für Beschäftigte der am Flughafen ansässigen Unternehmen, für Kunden der Fernbuslinien sowie für Besu-cher und Aussteller der Messe Stuttgart ist die Tourist-Information eine attraktive Anlaufstelle. Monitore geben Impulse zu Land und Region, präsentieren den Wirt-schaftsstandort und bieten weitere In-formationen, ergänzt durch kompetente persönliche Beratung, Fahrkartenver- kauf und Hotelzimmervermittlung. Die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) und der Verband Region Stuttgart gehören zu den Partnern.

stuttgart-tourist.de

Oscar für Ludwigs-burger Diplomfilm Dustin Loose, frischgebackener Regie-Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg, ist mit der weltweit höchsten Auszeichnung für Nachwuchsfilmer geehrt worden: Sein Diplomfilm „Erledigung einer Sache“ hat in Los Angeles den Studenten-Oscar der Academy of Motion Pictures, Arts and Sciences erhalten. Loose setzte sich in der Kategorie „Ausländischer Film“ ge-gen die internationale Konkurrenz durch. Damit ist bereits zum vierten Mal eine studentische Produktion der Filmakademie mit dem „Student Academy Award“ aus-gezeichnet worden. Prof. Thomas Schadt, Direktor der Filmakademie, wertete den Erfolg als „weiteren Beweis dafür, wie gut das Lehrkonzept der Filmakademie funktioniert“. Looses 20-minütiger Spiel-film handelt von einem jungen Mann, der erstmals seinen leiblichen Vater auf- sucht. Der Vater sitzt in der geschlosse-nen Psychiatrie, weil er seinen Bruder umgebracht hat.

filmakademie.de

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Erfolgreiche Tanzfestival-Premiere Die Premiere des internationalen Tanzfestivals „Colours“ im Juli ist vom Publikum euphorisch angenommen worden. 18 Tage lang waren neben dem gastgebenden Ensemble Gauthier Dance im Theaterhaus Stuttgart zahlreiche internationale Namen vertreten, die alle Farben und Facetten des Tanzes zeig- ten. Ergänzt wurde das Programm durch Workshops, ein Tanzfest in der City und Mitmachaktionen für jedermann. Vor drei Jahren hatte der Stuttgarter Choreograf Eric Gauthier die Idee, ein Tanzfestival mit Compagnien aus aller Welt aus der Taufe zu heben. Der große Erfolg der Premiere mit vollen Sälen und begeisterten Stimmen könnte eine Tradition begründen, 2017 soll eine neue Ausgabe von Colours anknüpfen.

coloursdancefestival.com

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Neu in der Region

lesen sind. Ein übersichtlicher Führer, den der Ver-band Region Stuttgart herausgegeben hat, tut ein Übriges. Die einzelnen Orte der Route sind mit dem öffentli-chen Nahverkehr oder dem Auto bestens erreichbar. Wer ohne Fahrrad anreist oder gerne etwas flotter als mit reiner Muskelkraft unterwegs ist, kann eine der E-Bike-Miet- und -Ladestationen ansteuern. Führungen, Ausstellungen oder Werksverkäufe so-wie gastronomische Angebote ergänzen die eigenen Entdeckungen und machen die Industriekultur vor Ort zu einem Erlebnis. Etliche der beteiligten Kom-munen wollen in der Zukunft mit eigenen lokalen Touren an die Route anknüpfen. Astrid Schlupp-Melchinger

Mit dem Fahrrad oder dem Pedelec lässt sich der Weg in die Vergangenheit am schönsten bewältigen. Die im Juli eröffnete Route der Industriekultur im Osten der Region Stuttgart ist praktischerweise mit dem Filstalrad-weg verbunden. Das Projekt, das vom Verband Region Stuttgart und den 16 Gemeinden des Filstals getragen wird, führt zu über 100 Standorten von der Quelle bei Wiesensteig bis zur Mündung in Plochingen. Sie bezeugen, dass entlang des Wasserlaufs der Fils die Wiege der württembergischen Industrialisierung stand.

Das Routenlogo zeigt immer, wo es langgeht. Anker-punkte, die nicht unmittelbar am Weg liegen, sind über kurze Abstecher zu erreichen. Eingebettet in den Landschaftspark Region Stuttgart, verknüpft die Route zahlreiche Zeugnisse einer langen und eindrucksvollen Industriegeschichte wie auch einer bis heute lebendi-gen Unternehmenslandschaft. An allen Stationen zur Industriekultur lässt sich unterwegs Interessantes zu den besonderen Orten, zu Unternehmern und Unternehmen, zu Produkten und Erzeugnissen, zu Baukultur und Denk-malen, zu früheren und heutigen Arbeitswelten erfahren.

Geschichte kann man an allen Ecken entdecken: Bevor die Dampfmaschinen das Kommando übernahmen, nutzten die ersten Betriebe die vorhandene Wasserkraft. In Salach wurde bereits im Jahr 1817 eine wasserge-triebene Spinnerei gegründet, aus der kurz darauf die Kammgarnspinnerei Schachenmayr hervorging – eine bis heute weltbekannte Marke. Viele Industriedenkmale haben sich mit neuem Leben gefüllt, wie etwa der Kulturpark Dettinger in Plochingen, von wo aus früher Mühlsteine nach ganz Europa exportiert wurden. An anderen Orten lässt sich der Bogen zur Gegenwart schlagen, so in der benachbarten Feldmühle, wo die Ceramtec-Gruppe mit Hochleistungskeramik weltweit Geschäfte macht. Einige Kilometer weiter in Uhingen treibt der Weltmarktführer in der Blechumformung Allgaier seine Innovationen voran, während flussab- wärts in Reichenbach bei Starmix der elektrische Hände-trockner erfunden wurde. Ob Märklin in Göppingen, WMF in Geislingen, eine Hammerschmiede in Mühlhausen im Täle, die ehema- lige Wäschefabrik in Deggingen oder alte Mühlen und historische Bahnhöfe – die Industriegeschichte des Fils- tals ist vielfältig. Besonders eindrücklich sind auch die persönlichen Geschichten von Menschen aus dem Filstal, die auf der Webseite zur Route der Industriekultur zu

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Unterwegs zur Wiege der Industrialisierung

Durch das Filstal führt jetzt eine Route der Industriekultur

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Branchenfokus

Im Gegensatz zur Wasch- oder Spülmaschine, bei deren Kauf man weniger auf das Äußere als auf das Fassungs-vermögen, den Strom- und den Wasserverbrauch achtet, spielt beim Autokauf das Design eine sehr wichtige Rolle. Entsprechend legen sich die Automobilhersteller bei der Gestaltung ins Zeug. Das geht so weit, dass ein neues Modell, ehe es endlich auf den Markt kommt, monatelang wie ein Staatsgeheimnis versteckt wird. Für Jürgen Müller, Vorstand der Silberform AG aus Leon-berg, gehören Verschwiegenheit und Geheimhaltung deshalb zum Credo seines Unternehmens. Nicht nur nach außen, sondern auch zwischen den Kunden darf nicht das geringste Detail durchsickern – und das ist nicht ganz einfach, da alle großen deutschen Auto-mobilhersteller zur Kundschaft des Design-Dienstleisters gehören. Zum Portfolio zählen neben der Design- und Entwurfs-phase auch 1:1-Modelle sowie der Bau von Proto- typen- und Sonderfahrzeugen. Die ziemlich einmalige Fertigungstiefe macht die erst im Jahr 2010 gegrün-dete Firma heute zu einem der bedeutendsten Design- und Entwicklungsdienstleister in Deutschland. Neben dem Hauptsitz im Leonberger Stadtteil Warmbronn – hier sind die Verwaltung und das Engineering angesie-delt – und elf Designstudios und Werkstätten auf dem 10.000 Quadratmeter großen Gelände in Renningen gibt es auch ein kleines Werk im polnischen Krakau.

Die Firma hat den Anspruch, ihre Kunden in den hoch-komplexen Design- und Entwicklungsprojekten mit Know-how, Innovationskraft und Flexibilität zu unter-stützen. Silberform arbeitet den Designern bei Porsche, Daimler und den anderen OEMs – den Originalher- stellern – zu, setzt deren Vorgaben um, damit neue Modelle maßstabsgetreu präsentiert werden können.

Von der Skizze bis zum Modell – alles aus einer Hand

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Silberform AG

Gründungsjahr: 2010 Sitz: Leonberg Mitarbeiter: 180 silberform.ag

„Eigene Ideen einzubringen wäre in diesem Business heikel, denn wenn ich einen Außenspiegel, Kotflügel oder ein Rücklicht für den einen Kunden entwerfe, taucht eine ähnliche Idee garantiert auch bei einem anderen Kunden auf, das passiert unterbewusst und lässt sich nicht vermeiden“, erklärt Jürgen Müller. „Deshalb halten wir uns streng an die Vorgaben der Designer, sind froh über Lob und Folgeaufträge, aber die Lorbeeren bleiben beim Chefdesigner des OEMs.“

Selbstverständlich unterliegt alles, was in den Design-studios geschieht, maximaler Geheimhaltung: Ein- und Ausgänge werden streng kontrolliert, Zugang haben nur die unmittelbar an einem Projekt arbeitenden Mitarbeiter. Fotografieren ist generell verboten, Mobiltelefone dür- fen nicht mal mit ins Werk gebracht werden. Drahtloses Internet kommt nicht infrage. Die Auflagen der Auto-mobilhersteller für ihre Zulieferer sind überaus umfang-reich, die strengste Zertifizierung Pflicht. „In unserer Arbeit steckt die Zukunft der Automobilindustrie, das ist ein zwar schönes, aber auch sehr anspruchsvolles Ge-schäft, denn wir arbeiten immer unter extremem Zeit- und Sicherheitsdruck“, so Jürgen Müller.

Im vergangenen Jahr stellte Silberform 70 Designmodelle im Maßstab 1:1 her, in erster Linie Komplettfahrzeuge aus jeweils bis zu 400 bis 500 Einzelteilen. Um die Modelle in Originalgröße in der geforderten Zeit und Qualität produzieren zu können und um die perfekte visuelle und haptische Darstellung der Fahrzeuge und Ausstattungen zu visualisieren, sind in Renningen alle relevanten Pro-duktionsmittel und modernste Technologien im Einsatz.

Die Investitionen in Aus- und Weiterbildung bei Silber-form betragen jährlich über eine Million Euro. Denn Müller setzt bei der Suche nach Spezialisten in erster Linie auf Mitarbeiter aus den eigenen Reihen. So ist der größte Teil der 180 Beschäftigten im Unternehmen selbst quali-fiziert worden. So gegen den Fachkräftemangel gerüstet, hofft man, in diesem Jahr einen Umsatz von über 20 Millionen Euro zu erwirtschaften. Die Auftragsbücher für die kommenden Jahre sind voll und der nächste stra-tegische Fünfjahresplan ist weitgehend ausgearbeitet. Sonja Madeja

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Der Premium-Design- und Entwicklungsdienstleister Silberform AG aus Leonberg arbeitet für alle deutschen Automobilhersteller

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RHV

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Branchenfokus

Die Firma RHV aus Waiblingen repariert beschädigte Oberflächen von Druck-maschinen bis hin zu Raketendüsen oder schützt sie vor dem Verschleiß und macht sie damit beständiger. Das Unternehmen wendet dabei die spezielle Oberflächen-technik des thermischen Spritzens an: Werkstoffe werden mit einem Gas-Sauer-stoff-Gemisch geschmolzen und dann auf die zu beschichtende Stelle aufgespritzt. „Anders als beispielsweise beim Verchro-men erfahren die Bauteile beim thermi-schen Spritzen keine Gefügeveränderung. Aufgrund der Vielfalt möglicher Spritz-materialien sind die Anwendungsbe-reiche beinahe unbegrenzt“, erklärt die Geschäftsführerin Claudia Hofmann. Veredelt wird meist nur an der Stelle, wo die Funktion benötigt wird. So kann ein Bauteil aus Stahl sein und nur an der Stelle, wo der Verschleiß auftaucht, wird eine Keramikschicht aufgetragen.

Die Veredler

RHV bedient Kunden aus ganz unter-schiedlichen Industriezweigen. „Zu uns kommt sowohl der Klärwerksmeister, dessen Welle kaputt ist, als auch das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum, das ein hitzebeständiges Raketenbauteil braucht“, so Hofmann. Bekannte Firmen aus der Region Stuttgart wie Bosch, Mahle, Stihl oder Index gehören eben-falls zur Kundschaft. Jeder Auftrag sei ein neues Einarbeiten und Forschen nach dem passenden Werkstoff. „Wir leben vom Know-how der Mitarbeiter in der Fertigung“, betont Hofmann.

Entwickelt hat sich die Firma aus dem Maschinenbau heraus. 1968 machte sich Hofmanns Vater Jochen Rybak als Feinmechaniker in der Steuer- und Rege-lungstechnik selbstständig, 1977 kam sein Partner Horst Höschele mit dem Schwerpunkt Spritztechnik hinzu. Vor 13 Jahren übernahm Claudia Hofmann die Firma. Den Grund für den Erfolg des Familienunternehmens sieht die Chefin auch darin, dass sie ohne büro-

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k kratische Hindernisse auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter eingeht. Dazu gehören auch generationengerechte Arbeitszeit-modelle. Die Fluktuation unter den Mit-arbeitern sei gering. „Wir haben einen tollen Mitarbeiterstamm. Manch einer bleibt von der Lehre bis zur Rente.“ (leo)rhv-technik.de

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Kalte Leidenschaft

dessen Frau Martina übernahmen diese in den 1990er-Jahren, verkauften sie 2008 und gründeten die Martosca GmbH. „Die Geschäftsidee war, größere Mengen unseres Eises herzustellen und zu vertrei-ben – weiterhin handwerklich und ohne Geschmackseinbußen, aber auf größeren Maschinen“, erklärt Oscar Slis.

Acht Mitarbeiter stellen in einer Schicht bis zu 6.500 Verpackungseinheiten her. „Uns ist der klassische handwerkliche Luftaufschlag wichtig“, sagt Slis, „im Ge-gensatz zur Industrie, wo dem Eis so viel Luft beigemengt wird, um es cremiger zu machen, dass ein Liter schließlich nur noch 500 Gramm wiegt.“ Bei Martosca wiegt ein Liter Eismasse am Ende immer noch 850 Gramm. Im Repertoire sind – inklusive diverser Sommer- und Winter-sorten und einiger Eistorten – 40 Sorten. Die Zutaten für die Erdbeer-, Himbeer- und Cassissorbets stammen von hei-

Martosca Speiseeismanufaktur GmbH aus Nürtingen: Speiseeis ohne künstliche Zusätze und Aromen

mischen Obstbauern, Zitronen und Blutorangen kommen als Direktsaft aus Sizilien. Milch, Sahne, Butter, Joghurt und Zucker stammen zu 90 Prozent von regionalen Erzeugern.

„Mit den drei Säulen Einzelhandel, Gast-ronomie und Eigenmarken sind wir sehr gut aufgestellt, wobei der Einzelhandel, der ganzjährig Eis von uns bezieht, die besten Umsätze generiert“, erklärt Slis. Als vierte Säule soll in absehbarer Zeit das sogenannte funktionale Mehrwert-Eis hinzukommen. Es wird vegan, allergen-arm und mit natürlichen Zusätzen ange-reichert sein, die für einen gesunden Organismus förderlich sind. „Wir merken, dass Verbraucher ihre Einkaufsphiloso-phie ändern, sie kaufen bewusster und nachhaltiger, zunehmend auch vegeta-risch oder vegan ein“, so Slis. (som)

martosca.de

Seit 2008 betreiben Martina und Oscar Slis ihre Speiseeismanufaktur Martosca in Nürtingen. Hohes Qualitätsniveau und sorgfältige Handarbeit gehören für die beiden ebenso dazu wie der Verzicht auf künstliche Zusätze und die über mehrere Generationen entwickelten italienischen Rezepte. Oscar Slis’ Vater, der einer der berühmten Eismacherfamilien aus den Dolomiten entstammte, hatte zehn Jahre lang als Eismacher in Brasilien gearbeitet. In den 1960er-Jahren brachte er seine italienischen Eisrezepturen mit nach Deutschland und betrieb bald mehrere Eiscafés in Wendlingen. Sohn Oscar und

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Die RHV-Technik GmbH aus Waiblingen verlängert das Leben von Bauteilen aus der Industrie

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Es ist kein Kinderspiel – im Gegenteil: Das überdimensionale Brettspiel „iXX Industrie 4.0“ will Geschäftsführern und Führungskräften von kleinen und mittleren Unternehmen das Thema vernetzte Produktion auf unkonventionelle Weise nahebringen. Und so funktioniert es: Zu Beginn sehen die Mitspieler einen kurzen Film, anschließend würfeln sie ihre Spielfiguren über das Brett und ziehen Informations- oder Fragekarten. Die daraus entstehenden Diskussionen sind der Kern des Spiels. Wie im richtigen Leben gewinnt, wer am meisten Geld sammelt. Öffentlich präsentiert wird das Spiel am 9. Oktober beim Landeskongress der Offensive Mittelstand BW in Stuttgart.

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Titelthema: Industrie 4.0

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Vorbei sind die Zeiten, als es auf Computermessen vor allem nüchterne Kästen und überdimensionale Monitore zu sehen gab. Wer dieses Jahr über die weltgrößte IT-Messe Cebit schlenderte, wähnte sich bisweilen auf einer Leistungsschau für Hightech-Produktion. In Halle 16 etwa waren am Stand der globalen Innovationsplattform Code-N des Stuttgarter Softwareentwicklers GFT Tech- nologies gleichzeitig vier interaktive Roboter in Aktion zu sehen. Aus einem Hartschaumwürfel mit einem halben Meter Kantenlänge sägten die Maschinen vielfältige Strukturen heraus: Hocker, Schmuckstücke, abstrakte Objekte. Internetnutzer aus aller Welt hatten die kleinen Kunstwerke zuvor mit Hilfe einer 3D-App entworfen und bekamen die fertigen Teile anschließend nach Hause geliefert. „Anstatt nur über das Internet der Dinge zu sprechen, haben wir gezeigt, wie weit die Verzahnung von physischer und digitaler Welt bereits fortgeschritten ist“, sagt Ulrich Dietz, Gründer und Vorstandsvorsitzen-der von GFT.

„Internet der Dinge“ oder „Industrial Internet“ sind die gängigen Begriffe im anglo-amerikanischen Sprachraum, in Deutschland hat sich „Industrie 4.0“ durchgesetzt, angelehnt an die Hightech-Strategie der Bundesregie-rung. Gemeint ist die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung der Produktion wie auch der Produkte: Kunden und Geschäftspartner sind in die Wertschöp-fungsprozesse integriert, die Serienfertigung wird indi-vidualisiert, Produktion und Dienstleistung sind stärker gekoppelt. Teilautonome Maschinen steuern die Inter-aktion mit den Werkstücken selbst und greifen dabei auf Echtzeitinformationen zurück.

Auch wenn man das übliche Wortgeklingel abzieht, das jeden neuen Trend begleitet, klingt dies nach einem gewaltigen Umbruch. „Am Ende wird es eine weitere industrielle Revolution werden“, prophezeit Prof. Dr. Thomas Bauernhansl, Leiter des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). Teilweise macht sich Goldgräberstimmung breit: In einer Studie für den Branchenverband Bitkom hält das ebenfalls in Stuttgart ansässige Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) Produktivitäts-steigerungen in Höhe von rund 78 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025 für möglich. Branchen wie der Maschinen- und Anlagenbau könnten über zwei Prozent pro Jahr an zusätzlicher Wertschöpfung erzielen. Für den gleichen

Zeitraum beziffert das Beratungsunternehmen Roland Berger in einer Expertise für den Bundesverband der Deutschen Industrie das zusätzliche Wertschöpfungs-potenzial allein für Baden-Württemberg auf mindestens 46 Milliarden Euro bis 2025, für ganz Deutschland sogar auf 425 Milliarden.

Gute Voraussetzungen für Standorte mit hohen Kosten

Der Trend zu Hightech-Produktion und zu individuel- len Produkten spielt einem Hochkostenstandort wie Deutschland in die Hände. „Es wird möglich sein, in-dividuelle Einzelartikel zum Preis von Massenprodukten herzustellen“, sagt Dr. Mathias Kammüller, Vorstand beim Laser- und Maschinenbauer Trumpf aus Ditzingen, im 179-Interview (S. 10). Dies sieht er als klaren Vorteil für den Standort Deutschland, denn „Losgröße eins aus China lohnt sich nicht: Der Transport von Einzelteilen über lange Strecken macht wirtschaftlich keinen Sinn.“ Trumpf hat das Thema Produktion der Zukunft ganz oben auf der Agenda, treibt unter anderem in der bundesweiten Plattform Industrie 4.0 und der Allianz Industrie 4.0 BW die Umsetzung voran. Dabei kann Trumpf aus reichlich Erfahrung mit 4.0-Anwendungen im eigenen Unternehmen schöpfen. So sind über eine cloudbasierte Plattform weltweit über 10.000 Anlagen mit der Ditzinger Zentrale vernetzt.

Industrie 4.0

Wie Unternehmen in der Region Stuttgart die vernetzte Produktion vorantreiben

Die Verschmelzung von Produktions- und Informationstechnik ist seit Monaten ein beherrschendes Thema in der deutschen Industrie. Mit ihren zahlreichen Hightech-Industriefirmen und ihrer IT-Kompetenz setzt die Region Stuttgart als Anbieter und Anwender Impulse für die vernetzte Produktion.

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Ganz vorne in der Reihe der Tempomacher steht der Stuttgarter Technologiekonzern Bosch, der nahezu alle 4.0-Aspekte im eigenen Haus vereint. „Wir forcieren die Vernetzung in allen Bereichen und gestalten sie aktiv mit“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung, Dr. Volkmar Denner. Beispiel selbstfahrendes Auto: Ein autonomes Fahrzeug ist das „Smart Product“ par excellence, speziell in der dritten Ausbaustufe, wenn die Autos untereinander vernetzt sein werden und den Verkehrsfluss dezentral steuern können.

Als Top-Automobilzulieferer und Weltmarktführer für Sensoren bringt der Technologiekonzern mit Sitz in Stuttgart beste Voraussetzungen dafür mit, dass er in diesem Wachstumsmarkt ein besonders großes Stück vom Kuchen abbekommt. Bei der Küche der Zukunft ist dies durchaus wörtlich zu nehmen: Per Smartphone lässt sich von unterwegs der Backofen starten, während eine im Kühlschrank eingebaute Kamera nachschaut, ob noch genügend Milch im Hause ist. Bosch bietet Hard- und Software für die vernetzte Fertigung an, wie beispielsweise den nach Firmenangaben weltweit ein-zigen Roboterarm, der die direkte Zusammenarbeit mit Menschen ohne zusätzliche Schutzvorrichtung erlaubt.

Konzernweit ist heute jeder dritte der 45.000 Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung ein Softwareentwickler, Tendenz steigend. Für die eigene vernetzte Fertigung hat Bosch den Innovationscluster „Connected Industry“

Bei Bedarf kann eine Maschine in China mit einem Experten in Deutschland Kontakt aufnehmen; falls not-wendig, greift dieser direkt in den Produktionsprozess ein. Ein weiteres Beispiel ist eine von Trumpf entwickelte Software für den Einsatz mobiler Endgeräte in der de-zentralen Fertigungssteuerung – mit dem reinen Verkauf von Maschinen ist es immer weniger getan, die Bedeu-tung von Software und Services steigt. So war Trumpf im Jahr 2015 zum ersten Mal unter den Ausstellern der Cebit – in der Code-N-Halle 16.

Wie Trumpf haben auch andere Maschinenbauer in der Region Stuttgart die Chancen erkannt und entwickeln An-wendungen und Know-how – zum Teil auf allerhöchstem Niveau. Mit gewohnt sicherem Gespür für gelungenes Marketing hat etwa der Esslinger Automatisierungsspezi-alist Festo seine Bionik-Familie erneut um eine Tierart erweitert. Auf der Hannover-Messe 2015 bekam das erstaunte Publikum erstmals die Bionic Ants präsentiert, eine Gruppe künstlicher Ameisen, die von ihren natür-lichen Vorbildern neben der filigranen Anatomie auch das kooperative Verhalten bekommen haben. Um eine schwere Last zu transportieren, kommunizieren die einzelnen Individuen miteinander, dabei entscheidet und handelt jede Ameise autonom: Industrie 4.0 in Rein-kultur, denn kommunikationsfähige Komponenten mit dezentraler Intelligenz sind die Basis für das Internet der Dinge.

Titelthema: Industrie 4.0

179: US-amerikanische IT-Unter- nehmen kaufen Roboterfirmen und entwickeln selbst Autos. Muss sich die deutsche Industrie Sorgen machen?

Kammüller: Der Begriff Industrie 4.0 wurde nicht nur hier erfunden, die Maschinenbau-Nation Deutschland ist auch noch immer führend auf diesem Gebiet. Zwar sind die Amerikaner schnel-ler bei allem, was digitale Geschäfts-modelle betrifft. Was aber die industrielle Umsetzung angeht, ist es umgekehrt – noch. Deutsche Firmen haben bislang häufig die ausgefeilteren Teil-Lösungen parat, jetzt geht es darum, die innovative Agilität der IT-Branche in den klassischen Industriesektoren zu verankern.

Welche neuen Möglichkeiten bietet die weitere Vernetzung der Produktion?

Dadurch werden effizientere Unterneh-mensprozesse möglich. Das bedeutet: Unsere Kunden können – genauso wie wir – die Reaktionszeiten und auch die Losgrößen reduzieren und trotz- dem der verbreiteten Anforderung nach

Individualisierung nachkommen. Die Transparenz, die wir durch die Ver-netzung hinbekommen, ist die Basis für optimierte Wertschöpfungsnetzwerke.

Sind kleine Losgrößen ein Vorteil für Hochkostenstandorte?

Es wird möglich sein, individuelle Einzel-artikel zum Preis von Massenprodukten herzustellen. Diese Einzelprodukte ent-sprechen dem Trend zur Individualisie-rung und sind damit eine Anforderung der Zukunft. Und ein Vorteil für den Standort Deutschland – denn Losgröße eins aus China lohnt sich nicht: Der Transport von Einzelteilen über lange Strecken macht wirtschaftlich keinen Sinn. Damit sind kleine Losgrößen eine wichtige Stütze für die Produktion in Hochlohnstandorten.

Ist Industrie 4.0 mittelstandsfreundlich?

Ja. Denn Industrie 4.0 löst viele Proble-me, die gerade unsere kleinen, mittel-ständischen Kunden umtreiben: Sinkende Losgrößen bei gleichzeitig steigender

Variantenvielfalt bringen heute für unsere Kunden eine ganz neue Komple-xität in die flexible Blechfertigung. Viele Aktivitäten, die bisher manuell durch-geführt werden konnten – etwa die Fertigungsplanung –, werden zukünftig nur noch durch IT-gestützte Assistenz-systeme machbar sein. Maschinen können dann nicht nur in Echtzeit über ihren Zustand Auskunft geben, sondern wissen auch sofort, welche eingehenden Aufträge perfekt zu ihrem Rüstzustand oder Material passen. Wenn sich unsere Kunden über eine Cloud mit uns und anderen vernetzen, können sie ihre Abläufe massiv verbessern und gleich-zeitig technologisch immer auf dem neuesten Stand bleiben.

Was muss die Industrie tun, um unter den neuen Vorzeichen zu bestehen?

Wichtig ist in erster Linie eine Offenheit der Branchen füreinander: Wir Maschi-nenbauer lernen von den Softwareent-wicklern beispielsweise gerade, nicht nur in der dinglichen Welt zu denken, sondern in Geschäftsmodellen. Ver-netzung ist alles – nicht nur zwischen Maschinen, sondern auch zwischen Lösungsanbietern innerhalb einer Prozesskette.

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In Schwäbisch Hall geboren, studierte Mathias Kammüller an der Universität Stuttgart Maschinenbau und promovier- te dort. Seine Industriekarriere startete er als Fertigungsplanungsingenieur und Gruppenleiter bei Bosch in Stuttgart und war anschließend Geschäftsführer Produktion bei einem Bosch-Gemein-schaftsunternehmen in Japan. 1990 wechselte er zur Trumpf-Gruppe und wurde 1993 Geschäftsführer. Seit Juli 2000 ist er zudem Vorsitzender des Ge-schäftsbereichs Werkzeugmaschinen.

Als ein weltweit führender Hightech- Anbieter stellt Trumpf Werkzeugmaschi- nen sowie Laser und Elektronik für die Industrie her. Das unabhängige Familien-unternehmen zeichnet sich seit vielen Jahrzehnten durch stetiges Wachstum und hohe Innovationskraft aus.

Dr. Mathias Kammüller

Geschäftsführer der Trumpf GmbH + Co. KG und Vorsitzender des Geschäftsbereichs Werkzeug- maschinen

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Titelthema: Industrie 4.0

Stellt Trumpf heute mehr Software-entwickler ein als zuvor?

Ja, deutlich. Softwareentwickler sind derzeit bei uns die gefragtesten Bewerber, die meisten offenen Stellen haben wir im Bereich Software und IT. Wir haben einen strategischen Fokus auf diese starkwachsende Mitarbeitergruppe gelegt und neue Recruiting-Modelle entwickelt. Individuelle Bewerbertage, frühe Kon-taktaufnahme in den Hochschulen oder die Präsenz auf Messen wie der Cebit sind nur einige von vielen Maßnahmen.

Was verändert sich durch Industrie 4.0 für die Mitarbeiter?

Wenn die Mitarbeiter problemlos meh-rere Maschinen gleichzeitig bedienen können, wenn sie auf einfache Art und Weise Transparenz über verschiedene Vorgänge bekommen, können sie ganz-heitlichere Aufgaben wahrnehmen. Sie sind nicht mehr nur „Knöpfchendrücker“ an einer einzigen Station, sondern Prozessmanager, die ganze Produktions-prozesse eigenständig lenken und be- gleiten. Das bedeutet natürlich auch, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Die Fragen stellte Helmuth Haag

gegründet, der die internen Kompetenzen bündelt und alle 15 Geschäftsbereiche des Konzerns bei der Umset-zung von Industrie 4.0 unterstützt. Rund 200 Mitarbeiter soll der Cluster bis Ende des Jahres beschäftigen. „Viele der bei uns entwickelten Lösungen bieten wir auch exter-nen Kunden an“, sagt dessen Leiter Dr. Stefan Aßmann. Wie kaum eine andere Firma tritt die Bosch-Gruppe gleichzeitig als Leitanbieter und Leitanwender auf – was auch für den Standort Region Stuttgart mit seinen zahl-reichen Maschinen- und Anlagenbauern insgesamt gilt.

Mittelstand hinkt hinterher

Ein typisches Beispiel ist Bosch auch insofern, als Industrie 4.0 derzeit vor allem von Großunternehmen getrieben wird. „Der Mittelstand hat sich ein bisschen zurückgelehnt“,bedauert der Fraunhofer-IPA-Chef Thomas Bauernhansl. Dabei gibt es durchaus erfolgreiche Beispiele, wie das der Zimmermann Industrieservice Elektrotechnik GmbH in Esslingen mit ihrem Energiemanagementsystem Emsyst 4.0, das mit Unterstützung des Bundeswirtschafts-ministeriums entwickelt wurde. Das System vernetzt haustechnische Anlagen, steuert interaktiv Heizung und Beleuchtung ebenso wie Sonnenschutzsysteme. Sein Wissen holt es sich von unterschiedlichsten Informations-quellen – es kennt die Anforderungen der verschiedenen Wochentage, liest den Raumbelegungsplan, nimmt Kon-takt mit der Fotovoltaikanlage auf und berücksichtigt die aktuellen Wetterdaten.

Dass solche Erfolgsbeispiele für 4.0-Anwendungen bei kleineren Firmen noch die Ausnahme sind, könnte an der Schwellenangst liegen, vermutet Volker Sieber, Entwicklungsleiter bei der Schnaithmann Maschinen- bau GmbH in Weinstadt. „Dem Mittelstand fehlt die IT-Affinität, deshalb wird die Idee hinter Industrie 4.0 teilweise nicht verstanden“, sagt er und kritisiert die Akademisierung der Diskussion: „IT-Slang wie Interope-rabilität, Big Data, Smart Grid oder Embedded Sys- tems wirkt auf einen Maschinenbauer abschreckend.“ Weniger akademisch agieren, zum Beispiel in Ausschrei-bungen für Forschungsprojekte, und nicht die Techno-logie, sondern den Kundennutzen in den Vordergrund stellen, lauten seine Vorschläge, um Industrie 4.0 weiterzubringen. Und kleineren Firmen rät er, „nicht lange auf Standards oder Richtlinien warten, sondern lieber loslaufen ohne zu zögern“.

In einem gemeinsamen Entwicklungsprojekt mit zwei anderen Firmen in der Region Stuttgart hat sein Unter-nehmen ein Vorzeigebeispiel geliefert: Für eine Dreh-maschine eines größeren Herstellers in der Region hat Schnaithmann eine spezielle Zuführtechnik entwickelt, die das Bauteil-Handling zwischen den einzelnen Schrit-ten übernimmt. Die Toleranzen überwacht eine An- lage des Spezialisten für Fertigungsmesstechnik Ernest Lehnert aus Hattenhofen. So können bereits minimale Abweichungstendenzen, ausgelöst etwa durch die

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fortgeschrittene Abnutzung eines Werkzeugs, in Echtzeit korrigiert werden, bevor fehlerhafte Werkstücke entste-hen. Dafür muss eine Vielzahl von Werten mit verschiede-nen Messmethoden überwacht werden. Das Resultat ist eine Datenflut, die aufbereitet, bewertet und in Steuer-signale umgesetzt wird. „Nicht die Digitalisierung allein ist der entscheidende Aspekt, sondern die Erweiterung der Maschine zum hochvernetzten Wertschöpfungssystem“, erläutert Volker Sieber. „In einem schrittweisen pragmati-schen Vorgehen und in der Kooperation mit den richtigen Partnern liegen große Chancen für den Mittelstand.“

Sicherheit entscheidet

Hochkomplexe und vernetzte Produktionssysteme wie auch die Zusammenarbeit mit Externen werfen verstärkt die Frage nach der Sicherheit auf. Wie geschützt sind meine Daten in der Cloud? Wie lebe ich damit, dass ein Partner von außen in meine Fertigungssteuerung ein-greift? Und wie schütze ich meine Mitarbeiter vor einer unliebsamen Bekanntschaft mit dem Kollegen Roboter? „Der sicheren Automatisierung von Maschinen und Anlagen kommt für Industrie 4.0 eine entscheidende Rolle zu“, weiß Susanne Kunschert, geschäftsführende Gesellschafterin der Pilz GmbH in Ostfildern (Porträt S. 14). Pilz ist eines der führenden und innovativsten Unternehmen auf dem Gebiet der Sicherheit in der Auto-matisierungstechnik. Das 1987 auf den Markt gebrachte Sicherheitsschaltgerät PNOZ wurde rasch ein Verkaufs-schlager und avancierte zum weltweiten Standard. Ge-meinsam mit der Daimler AG hat Pilz das Kamerasystem zur 3D-Raumüberwachung von Industrieanlagen Safety-Eye entwickelt. Es erkennt beispielsweise, ob sich ein Mitarbeiter in einem Bereich aufhält, in dem er durch eine Bewegung eines Roboterarms zu Schaden kommen könnte. Bei Gefahr kann die Bewegung des Roboters verlangsamt oder gar gestoppt werden. Zäune oder an-dere trennende Schutzeinrichtungen sind überflüssig. Neben der Automobilindustrie kann Safety-Eye in Be-reichen wie der Luftfahrttechnik oder der Verpackungs-industrie eingesetzt werden.

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Die enge Verknüpfung von Fertigungstechnik mit IT und Software ist für die Industrie der Region nichts grundsätz-lich Neues. „Schon heute entfällt bei vielen Maschinen die Hälfte des Preises auf Software, aber jetzt kommt der Sprung in die Vernetzung“, markiert der Fraunhofer-IPA-Chef Thomas Bauernhansl den entscheidenden Punkt. Hier stößt der deutsche Maschinenbau speziell auf die Konkurrenz der nordamerikanischen IT-Konzerne. Wenn Google acht verschiedene Roboter-Hersteller kauft und damit zum Produzenten von humanoiden Robotern, von Roboterkameras und Drohnen wird, muss das bei der produzierenden Industrie Alarm auslösen. Der Versand-riese Amazon entwickelt Roboter für die Intralogistik sowie Drohnen für die Zustellung der Pakete. Der Bau des selbstfahrenden Google Car ist ebenfalls keine vertrauens-bildende Maßnahme. Welche strategischen Überlegun-gen hinter diesen Aktivitäten stecken, glaubt Bauernhansl zu wissen: „Google will kein Auto bauen, sondern sich als Dienstleister zwischen Hersteller und Kunden schieben, so dass dieser den Kundenkontakt verliert.“

Schon ist ein neues Geschäftsmodell entstanden und der reine Hersteller hat das Nachsehen. Zunehmend denken deshalb Maschinen- und Anlagenbauer über eine stärkere Lebenszyklus- und Serviceorientierung und über flexible Nutzermodelle wie „Pay per Use“ nach. Dass die produ-zierende Industrie den IT-Giganten das Feld nicht kampf-los überlassen will, zeigt beispielhaft die Daimler AG, die zusätzlich zu ihrem Kerngeschäft Automobilbau den Weg zum Mobilitätsdienstleister eingeschlagen hat, ge-bündelt in der Dienstleistungstochter Moovel GmbH mit Car-Sharing-Angeboten, Mietwagen, Parkhausservices und Taxidiensten. Die Moovel App zeigt den einfachen Weg zum Ziel und bezieht dabei auch den öffentlichen Verkehr und selbst Mietfahrräder mit ein. Daimlers Car-sharing-Anbieter Car2Go ist mit über 13.000 Fahrzeugen in 30 Städten Europas und Nordamerikas Weltmarkt-führer. Alle 1,4 Sekunden wird der Zentrale in Leinfelden-Echterdingen eine neue Vermietung signalisiert.

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künftig ingenieurähnliche Tätigkeiten übernehmen.“ Mehr und bessere Qualifizierung ist auf diesem Weg ein probates Mittel. Betriebliche Fortbildung, Höherqualifi-zierung und Lebenslanges Lernen sind die bekannten Instrumente. Arbeiten 4.0 wird vernetzter, digitaler und flexibler sein. Bereits heute reagieren einige Unterneh-men darauf. Festo Didactic hat nach eigenen Angaben als erstes Unternehmen der Welt eine cyberphysische Lernfabrik entwickelt, die als modulare Produktions-anlage alle Kernprozesse von Industrie 4.0 für die Weiter-bildung abbildet. Auch in der Lernfabrik der Universität Stuttgart finden die kleineren Firmen der Region ein Angebot direkt vor der Haustür. An der Gewerblichen Schule Göppingen bietet die Lernfabrik 4.0 künftigen Facharbeitern die Möglichkeit, sich mit der Arbeitswelt von morgen vertraut zu machen.

Teilweise ist diese bereits Realität – etwa bei manchen Anwendungen im Druck- und Verlagswesen. Angefan-gen mit dem Fotobuch hat sich dort ein großer Markt für individualisierte Printprodukte entwickelt. Wer etwa Schokolade schenkt, kann das heute mit ganz persön-licher Note machen: Auf der Website von Ritter Sport aus Waldenbuch wählt er die Lieblingssorte und ent-scheidet sich für ein Basismotiv, das sich durch ein eigenes Foto und eine Grußbotschaft ergänzen lässt. Mit dem Drücken der Enter-Taste wirft er bei Elanders Germany in Waiblingen die Druckmaschinen für die persönliche Schokoverpackung an – die Zeiten der bana-len Pralinenschachtel sind passé. „Für den persönlichen ‚Schoko-Gruß‘ von Ritter Sport haben wir auch die IT-Lösung inklusive Bestellwebsite entwickelt“, berichtet Gründer und Geschäftsführer Peter Sommer. „Die Daten fließen aus dem Internet direkt in unseren Produktions-prozess, so dass die Verpackungen ‚just in time‘ ge-druckt und verarbeitet werden können.“ Die Firma, 1982 als kleine Offsetdruckerei gestartet, hat frühzeitig auf individualisierten Digitaldruck gesetzt und ist heute ein international gefragter Dienstleister. Dieses Erfolgs-beispiel in der ansonsten vor allem durch Gegen- wind geprägten Druckbranche zeigt eindrucksvoll, wie vernetzte Produktion neue Wachstumsimpulse erzeugen kann. Helmuth Haag

Starkes wissenschaftliches Umfeld

So hat die Region Stuttgart in mehrerer Hinsicht gute Perspektiven: Sie verfügt über reichlich Fertigungs- und Software-Know-how und den Firmen steht eine über Jahrzehnte hinweg gewachsene wissenschaftliche Infrastruktur aus Hochschulinstituten und Forschungs- einrichtungen zur Seite. Ein Highlight ist das Groß- projekt Arena 2036 der Universität Stuttgart, bei dem Industriepartner gemeinsam mit Softwareentwicklern und Messtechnikspezialisten an der Automobilproduktion der Zukunft arbeiten. Die Lernfabrik Advanced Industrial Engineering am Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Uni Stuttgart, die sich auf die Ausbildung für wandlungsfähige Produktion spezialisiert hat und bereits zahlreiche 4.0-Anwendungen enthält, wird zum Anwendungszentrum für Industrie 4.0 ausge-baut. Große Firmen wie HP oder Festo sowie mehrere Fraunhofer-Institute kooperieren dort. Auch solchen Einrichtungen ist es zu verdanken, dass sich laut Struktur-studie „Industrie 4.0 für Baden-Württemberg“ der Süd-westen als Anbieter von 4.0-Anwendungen in einer „guten Ausgangsposition“ befindet. Einige Pioniere des Wandels sitzen im Land.

Die Untersuchung sieht aber auch Nachholbedarf. So müssten kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dabei unterstützt werden, ihr Innovationspotenzial besser auszuschöpfen. Hier kommen Organisationen wie die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) ins Spiel, die mit zahlreichen Veranstaltungen und Unter-stützungsangeboten für KMU das Thema in die kleineren Firmen trägt. Dazu gehören ganz klassisch die Vorstel-lung guter Praxisbeispiele aus dem Mittelstand, aber auch Workshops für die strategieorientierte Vertiefung des Themas. „Es gibt bei den kleineren Unternehmen in der Region einige Vorreiter, die sich bereits jetzt für den Wettbewerb positionieren. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, diese dabei zu unterstützen und gleich- zeitig die anderen Firmen zu ermuntern, die Chancen von Industrie 4.0 mutig zu ergreifen“, erläutert WRS-Ge-schäftsführer Dr. Walter Rogg seinen Ansatz. Die regio-nalen Kompetenzzentren Packaging Excellence Center, Virtual Dimension Center und Mechatronik BW wid- meten sich ebenfalls verstärkt dem Thema, genau wie das Landesnetzwerk Manufuture-BW, das den Aufbau innovationsfördernder Strukturen in der Produktions-technik unterstütze und seine Geschäftsstelle bei der WRS habe, so Rogg weiter.

Mitarbeiter müssen Neues lernen

Wenn die Produktion der Zukunft gravierende Verände-rungen auf der organisatorischen Ebene auslöst, bleibt dies nicht ohne Einfluss auf das Führungsverhalten in Un-ternehmen, auf Entscheidungsbefugnisse der Mitarbeiter und die dafür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten. Höhere Anforderungen an das Abstraktionsvermögen und die Lesekompetenz bei den künftigen Beschäftigten in der Produktion erwartet etwa Welf Schröter, Leiter des Forums Soziale Technikgestaltung, ein beratendes Netzwerk beim DGB Landesbezirk Baden-Württemberg. „Mitarbeiter mit eher händischem Können müssen

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Titelthema: Industrie 4.0

Die MenschenfischerinSusanne Kunschert ist geschäftsführende Gesellschafterin der Pilz GmbH in Ostfildern, die auf dem Gebiet der sicheren Automatisierung zu den Weltmarktführern gehört. Ihren wachsenden Familienbetrieb leitet sie mit der Ruhe in den letzten Dingen. Porträt einer Wertebewussten. Von Michael Ohnewald

Es gibt Termine, die mit einem Händedruck beginnen und mit einer Umarmung enden. Das geschieht eher selten in einem auf Distanz angelegten Arbeitsleben, das seine Abstände pflegt. Susanne Kunschert ist gesegnet mit der Gabe, Distanz zu überbrücken. Sie tut das nicht aus Kalkül. Es passiert einfach, weil das in ihr wohnt.

Früher Morgen in Ostfildern. Die Chefin des Hauses kommt gerade vom Interview mit dem Sender Rai. Die Italiener haben das Thema Industrie 4.0 entdeckt, und Susanne Kunschert hat nicht nur ein telegenes Gesicht, sondern auch eine Menge zu erzählen über Maschinen und Produkte, die denken lernen, was ein gewaltiges Potenzial für Produktionssteigerungen birgt. „Das ist ein Thema, das uns als mittelständische Unterneh- men wachrüttelt“, sagt die Firmenchefin. „Und alle krempeln derzeit die Ärmel hoch.“

Die einen nennen es Big Data, andere sprechen von Industrie 4.0 oder vom Internet der Dinge. Gemeint ist das Gleiche: Immer mehr Maschinen und Produkte werden miteinander vernetzt und kommunizieren über das Internet in Echtzeit. Die digitale Welle schwappt mehr und mehr in den Alltag der Heutigen, die über ihr Smartphone nicht nur die Beschattung des wetter- fühligen Eigenheims steuern, sondern bequem via Inter-net ihr bestelltes Paket verfolgen, das auf seiner Reise permanent Signale sendet, auf dass der Empfänger genau weiß, wann ihn die Lieferung erreicht. Das alles sind kleine Facetten einer großen Entwicklung, die mit Macht auf die Märkte drängt und auch die Strukturen in vielen mittelständischen Unternehmen verändert, die ihre Mitarbeiter auf die neue Epoche einstimmen.

Vorbei sind die Zeiten, in denen Erfinder im Elfenbein-turm neue Produkte schufen, ohne sich darum zu kümmern, was vielleicht daraus werden und wie man sie vernetzen könnte. Moderne Betriebe arbeiten zunehmend in Teams. Maschinenbauer wirken mit Elektronikern und Programmierern zusammen, um am Ende gemeinsam ein Produkt zu schaffen, das über interaktive Sensoren mit der Umwelt kommuniziert.

Die gewonnenen Daten werden für die Produktion genutzt, für die Wartung und im besten Fall bereits für die nächste Generation des Geräts, das im laufenden Betrieb permanent Daten ausspuckt, welche hilfreiche Fingerzeige über die tatsächliche Nutzung und Betriebs-dauer liefern. Das steigert im Zweifel nicht nur die Wertschöpfung, sondern spart auch enorm Kosten.

Susanne Kunschert ist eine Art Botschafterin des Neuen, nicht nur, weil in ihrer Firma IT und Produktion längst zu praktikablen Lösungen verschmelzen. Pilz entwickelt und vertreibt Produkte und Dienstleistungen für die sichere Automatisierung, darunter Sensoren, Schalt- geräte, Steuerungen und Antriebe, die letztlich dafür sorgen, dass Menschen in der Produktion sicher und unversehrt ihrem Tagwerk nachgehen können. Das Unternehmen zählt in diesem Segment zu den Welt-marktführern. Neben dem Stammhaus in Ostfildern ist Pilz mit 31 Tochtergesellschaften und Niederlassungen auf allen Kontinenten vertreten.

Der familiengeführte Betrieb beschäftigt derzeit mehr als 1.900 Mitarbeiter und steigerte 2014 seinen Umsatz auf den neuen Rekordwert von 259,3 Millionen Euro – ein Plus von 11,3 Prozent gegenüber 2013. Dabei setzt die Hightech-Firma zunehmend auf hochgradig ver- netzte Strukturen und bietet Industrie-4.0-fähige Auto-matisierungssysteme an. „Auch wir sind erst auf dem Weg“, sagt Susanne Kunschert bescheiden. Nicht von ungefähr wurde sie indes vom Bundesforschungs- ministerium in ein 25 Köpfe zählendes Gremium berufen, das sich mit Chancen und Risiken der hochvernetzten Zukunft auseinandergesetzt hat.

„Auch wenn mit Industrie 4.0 die vierte industrielle Revolution gemeint ist“, sagt die Betriebswirtin, „so ist es doch eher eine Evolution.“ Diesen Prozess gelte es behutsam auch im Sinne der Mitarbeiter zu gestalten, wobei Susanne Kunschert in diesem Punkt ihre ganz eigene Sicht auf die Dinge hat. „In unserer schnelllebigen

„Alle krempeln derzeit die Ärmel hoch“

„Auch wenn mit Industrie 4.0 die vierte industrielle Revolution gemeint ist, so ist es doch eher eine Evolution“

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Für seine Reportagen und Porträts ist Michael Ohnewald mit den renommiertesten Preisen ausgezeichnet worden, die im deutschen Journalismus vergeben werden. Für 179 porträtiert der Ludwigsburger Autor herausragende Persönlichkeiten aus der Region.

Zeit braucht es mehr denn je Werte, die uns tragen, sonst haut es uns weg. Das Menschliche darf auch in Zukunft nicht zu kurz kommen.“

So denkt man, wenn man Susanne Kunschert heißt und einst in der Abi-Zeitschrift als Berufsziel „Lebenskünst-lerin“ vermerkt hat. Eine Kunst ist das Leben in der Tat, und sie hat es sich in der Gewissheit angeeignet, dass es da einen Brunnen gibt, der zu bewässern vermag, jenseits aller Pegelstände, die sich in dieser Welt ständig ändern. Dieser Glaube ist ihr von den Eltern in die Wiege gelegt worden, die ihre 1970 geborene Tochter mit christlichen Werten düngten, nicht aber mit dem Ehrgeiz, eines Tages das Familienunternehmen leiten zu müssen. „Wir Kinder waren in der Berufswahl völlig frei“, sagt Susanne Kunschert im Rückblick.

Der Vater starb früh bei einem Flugzeugunglück, die Mutter ließ ihr Raum für die eigene Spiritualität und dafür, die persönliche Mitte zu finden, was im Zweifel wichtiger ist als das Diktat der Quartalszahlen. Susanne Kunschert studierte Betriebswirtschaft und eher neben-bei die Kunst des Lebens. In den Semesterferien jobbte sie in Malawi und lernte bei Pater Franz Stoffel, wie sehr Begegnung bereichert. „Wenn ich hier in Deutsch-land auf Leute treffe, die ständig unzufrieden sind, dann denke ich oft an das Lachen der Afrikaner.“ Ge-prägt hat sie auch der Ulmer Theologe und Buchautor Baldur Kirchner, bei dem sie nicht nur immer wieder Schweigeseminare bucht, sondern sich auch seiner Rat-schläge bemächtigt. Einer davon wirkt bis heute nach: „Wenn du andere führen möchtest, mögest du gelernt haben, dich selbst zu führen.“

Das hat sie längst verinnerlicht. Susanne Kunschert kann nicht nur mit Zahlen, sondern vor allem auch mit Menschen, die sie für sich gewinnt mit einem fröh-lichen Erlebnishunger, der ansteckend wirkt. Das hilft im Alltag durchaus, wenn es darum geht, die Belange der Firma mit den Wünschen ihres zehnjährigen Sohns in Einklang zu bringen, der seine Mutter immer wieder dezent korrigiert, wenn sie mit den Füßen vor ihm steht, aber mit dem Kopf noch im Büro ist. Das Unter- nehmen leitet sie gemeinsam mit Bruder Thomas und Mutter Renate. „Wir harmonieren bestens“, sagt sie. „Und wenn es mal nicht klappt, beten wir eben zu- sammen und dann löst es sich.“

Einmal im Jahr organisiert das Trio eine Unternehmens-versammlung, in der es darum geht, die Megatrends der Zukunft zu erspüren und die eigenen Strategien zu hinterfragen. Susanne Kunschert ist bestens vernetzt wie die Produktion von morgen – und damit gut auf-gestellt. Und doch ist ihr bei alledem bewusst, dass nicht sie es ist, die alle Fäden in der Hand hält. Ihr zeit-loser Megatrend bleibt der Glaube. „Ich bin zu der geworden, die ich bin, weil ich mich durch Gott führen lasse“, sagt sie zum Abschied und umarmt ihr Gegen-über, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.

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Wissenschaft

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Studenten der Universität Stuttgart haben eine Idee aus der Natur in ein ebenso stabiles wie futuristisches Gebäude um-gesetzt. Ihr Vorbild waren die Nester der Wasserspinne: Das Tier baut sich unter Wasser Luftglocken, deren Innenseite es nach einem ausgeklügelten Konstruktions-plan mit Spinnfäden auskleidet. Diese halten die Luft im Inneren. Ein interdiszi-plinäres Team aus Biologen, Paläontolo-gen, Architekten und Ingenieuren unter Federführung des Instituts für Computer-basiertes Entwerfen (ICD) und des Instituts für Tragkonstruktionen und Konstruktives

Entwerfen (ITKE) übersetzte dieses Vor-gehen der Spinne in neuartige Herstel-lungsverfahren sowie computerbasierte Entwurfs- und Simulationsprozesse. Ein Roboter verklebte 45 Kilometer feinste Carbonfasern an der Innenseite einer auf-geblasenen und formgebenden Folien-hülle. Der neue Forschungspavillon auf dem Innenstadt-Campus bricht altes Architekturdenken auf, weil Entwurf und Realisierung ineinander übergehen. (asm)

icd.uni-stuttgart.deitke.uni-stuttgart.de

Vorbild Wasserspinne

Keimfrei Richtung Mars

Schon kleinste Verunreinigungen können die Mechanik von Raumfahrzeugen blockieren, einen Kurzschluss verursachen oder gar das Untersuchungsergebnis ver- fälschen. Damit die für 2018 geplante Marsmission „ExoMars“ so fehlerfrei wie möglich ablaufen kann, haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktions-technik und Automatisierung (IPA) aus Stuttgart einen speziellen Reinraum ent-wickelt. Dort wird unter anderem das Fahrzeug keimfrei gemacht, das über die Planetenoberfläche rollen und bis zu zwei Meter tiefe Bohrungen vornehmen wird. „Damit seine Sensoren, die nach Leben suchen, zuverlässig arbeiten können, darf es kein organisches Material von der Erde einschleppen“, erläutert Udo Gommel vom Fraunhofer IPA. Für das Sterilisieren wird ein Strahl aus feinen Kristallen von gefrorenem Kohlendioxid eingesetzt, wel-cher in alle Ritzen eindringt und kleinste Verschmutzungen entfernt. Der 70 Qua-dratmeter große Reinraum ist bereits in Betrieb und nach Angaben der Forscher etwa eine Milliarde mal sauberer als Um-gebungsluft. Neben „ExoMars“ wird er auch für weitere Raummissionen genutzt. (kt)ipa.fraunhofer.de

Steinbruch bei Schwäbisch Hall eine Verwandtschaft mit Echsen, Krokodilen und Vögeln nahe. Eine anatomische Re-konstruktion ergab, dass die Pappochelys, was übersetzt so viel wie „Opaschild-kröte“ bedeutet, einer kräftig gebauten Echse ähnlich gesehen haben dürfte. „Die neuen Funde schlagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie klären, wie der Bauchpanzer entstand und wie der Schädel der Schildkröten ursprünglich ausgesehen hat und sind daher von großer evolutionsbiologischer wissen-schaftlicher Bedeutung“, erläutert Schoch. Nicht nur für die Wissenschaftswelt ist das 20 Zentimeter große Fossil eine Attraktion – in der wissenschaftlichen Sammlung des Naturkundemuseums kann es zukünftig auch von der Öffent-lichkeit bestaunt werden. (leo)

naturkundemuseum-bw.de

Der Paläontologe des Staatlichen Muse-ums für Naturkunde Stuttgart, Dr. Rainer Schoch, hat das Fossil einer 240 Millionen Jahre alten Ur-Schildkröte ausgegraben. Weltweit einzigartig ist der Fund, weil er den Ursprung der Schildkröten nach 200 Jahren Rätselraten klärt. Hatten Forscher bisher angenommen, dass Schildkröten von sehr urtümlichen Sauriern abstam-men, legen die Skelettreste aus einem

Forscher des Instituts für Flugzeugbau (IFB) der Universität Stuttgart haben ihr Elektroflugzeug „e-Genius“ auf Alpen-überquerung geschickt und damit einen historischen Flug ermöglicht. Kein anderer Batterie-Flieger hat bisher diese Strecke zurückgelegt. Um die Gipfel der Zentral-schweiz in sicherer Höhe zu überfliegen, begab sich das Flugzeug auf eine Höhe von 4.000 Metern. Abflug war in Stuttgart, zwei Stunden später erreichte

e-Genius den Zielflugplatz im 320 Kilo- meter entfernten norditalienischen Calcinate del Pesce. Trotz anspruchsvoller Steigflüge verbrauchte der Forschungs-flieger für Hin- und Rückweg nur 83 Kilo-wattstunden an elektrischer Energie, was einem Energieinhalt von 9,2 Litern Benzin entspricht. Laut Universität sei durch den Flug der Nachweis gelun-gen, dass Flugzeuge mit Batterieantrieb leistungsfähig und alltagstauglich sind.

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„Damit ist ein wichtiger Schritt hin zu einer CO2-armen und energieeffizienten Luftfahrt gelungen“, heißt es weiter in dem Bericht der Universität. Das Elektro-flugzeug wurde am Institut für Flug- zeugbau entwickelt und befindet sich seit Mai 2011 in der Flugerprobung. (leo)ifb.uni-stuttgart.de

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Älteste Schildkröte der Welt

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Innovation

Über Stock und Stein stößt ein Rollstuhl schnell an seine Grenzen. Hier kommt der „F2“ der Firma Freee Mobility ins Spiel: Den Elektrorollstuhl fürs Gelände hat Andreas Fried aus Urbach entwickelt. Anlass für die Erfindung war ein sehr persönlicher: Sein Bruder Thomas ist seit seinem 33. Lebensjahr querschnittsge-lähmt. Dass dessen Bewegungsfähigkeit in der freien Natur sehr eingeschränkt war, ließ Andreas Fried keine Ruhe. Der gelernte Ingenieur und Geschäftsführer der Fried Kunststofftechnik GmbH in Urbach begann vor einigen Jahren aus-zuprobieren, wie dies zu lösen wäre.

Die Lösung war ein Segway, der als Basis für seine Neukonstruktion diente. Gyroskope, die üblicherweise in der Luft- und Raumfahrt eingesetzt werden, messen 100-mal pro Sekunde Terrain und Körperposition und balancieren den Elektrorollstuhl und den Körper laufend stabil aus. So ist das Gefährt extrem beweglich und die Steuerung kinder-leicht. Neigt sich der Fahrer nach vorne, fährt er vorwärts, neigt er sich nach hinten, bremst der Rollstuhl oder fährt bei stärkerer Neigung auch rückwärts.

Die Bewegung der Lenkstange nach rechts oder links bestimmt die Richtung. Der Benutzer muss körperlich in der Lage sein, frei zu sitzen, um das sichere Fahren und Bremsen gewährleisten zu können. Zusätzlich, so ergänzt Fried, „unterstützt die bewegungsgesteuerte Benutzung des F2 auch die feinmotorische Entwick-lung des gesamten Oberkörpers“.

Auch die integrierten Parkstützen passen sich automatisch dem unterschiedlichen Terrain an. Mit den zwei autonom ge- steuerten Elektromotoren sind auch starke Steigungen und Gefälle kein Prob-lem. Der geländegängige Rollstuhl kann bequem an jeder Steckdose aufgeladen werden. Die Hochleistungsbatterien er- lauben je nach Terrain eine Reichweite von bis zu 38 Kilometern. Beim Bremsen und auf Gefällstrecken wird die kineti-sche Energie zum Wiederaufladen des Lithium-Ionen-Akkus verwendet. For-schung, Entwicklung und Produktion der Freee Mobility GmbH erfolgen komplett in Urbach, dort können sich Interessierte auch beraten lassen und an Fahrertrai-nings teilnehmen. (asm) freee.de

Über Stock und Stein

Der Vierfarbenstift

Wenn andere schon längst in Rente sind, haben echte Schwaben immer noch etwas zu tun. Von Albert Hirth stammt der praktische Vierfarbenstift, den er 1930 im Alter von 70 Jahren erfand. Im Schaft befinden sich vier wählbare Mi-nen, meist rot, blau, schwarz und grün. Das ist aber nur eine von vielen Ideen, die Hirth zeitlebens in die Tat umsetzte: Rund 350 Patente und Erfindungen sind von ihm überliefert. Der Ingenieur gilt auch als „schwäbischer Edison“, so einfallsreichreich war er.

Der Sohn eines Müllers aus Meimsheim hatte einen ständig tüftelnden Vater als Vorbild. Bereits als Jugendlicher wusste Hirth mit Einfallsreichtum zu überzeugen. Er ersann Apparate zum Abwickeln von

Wollsträngen oder eine Vorrichtung, um Nudelteig zu schneiden. Seinen Beruf lernte er von der Pike auf, zuerst als Me-chaniker, dann an der Königlichen Bau-gewerkeschule Stuttgart, dem Vorläufer der heutigen Hochschule für Technik. Hirth war ein Antreiber und Verbesserer, der als Konstrukteur und Betriebsleiter in der Terrot‘schen Strickmaschinenfabrik in Bad Cannstatt tätig war, später die Uhrenproduktion des Uhrenherstellers Junghans rationalisierte und für Robert Bosch arbeitete, der sich höchst beein-druckt von dem jungen Erfinder zeigte.

Hirth gründete mehrere Unternehmen in Bad Cannstatt und war Vorsitzender des Verbandes Württembergischer In-dustrieller. Legendär ist die sogenannte

Hirth-Verzahnung, eine Verbindung von Wellen, die im Maschinenbau immer noch angewendet wird. Und auch der Vierfarbenstift wird im digitalen Zeitalter noch von namhaften Schreibwaren-herstellern angeboten. (asm)

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Die Freee Mobility GmbH aus Urbach verhilft gehbehinderten Menschen zu neuer Freiheit

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Existenzgründung

In vier Schritten stellt man sich eine individuelle Back- mischung zusammen. Zuerst wird eine der 18 verschie-denen Mehlsorten gewählt. Im zweiten Schritt wird die Mehlzusammensetzung erweitert. „Damit entschei-det der Kunde, ob er im Grundsatz ein sehr helles Brot möchte oder lieber ein besonders dunkles“, erklärt Glock. Danach lassen sich der Backmischung Nüsse, Saaten oder Trockenfrüchte zugeben und zu guter Letzt runden Gewürze den Geschmack individuell ab. „Alle Zutaten stammen aus kontrolliert biologischem Anbau“, versichert Glock. Die Mehle kommen von der Frießinger Mühle im benachbarten Kirchberg an der Murr. Weitere Zutaten bezieht sie von renommierten Biobetrieben.

Das eigene Brot zu backen, ist seit Langem Trend, ebenso wie der Wunsch, gehaltvollere und damit gesündere Lebensmittel zu konsumieren. Mona Glock, Lebensmittel- und Ernährungswissenschaftlerin und Absolventin der Universität Hohenheim, hat daraus eine Geschäftsidee gemacht. Bereits während ihres Studiums, das sie im vergangenen Jahr abgeschlossen hat, begann sie mit den Vorbereitungen. „Es sind sehr viele Dinge, die organisiert werden mussten – von den passenden Lieferanten bis zu Verpackungen und natürlich dem Internetauftritt“, so erzählt Glock von ihren Erfahrungen.

Vor allem Freunde von besonderem Brot werden das Start-up willkommen heißen, denn Backwaren aus Ur-getreide oder gar aus eiweißreichem Kichererbsenmehl oder Amarant sind gar nicht so leicht erhältlich. Gerade das Angebot an Dinkel und Emmer ist knapp, weil sie im Vergleich zum Weizen nur in kleiner Menge angebaut werden. „Darin liegt auch die besondere Nische, die ich mit meinem Angebot besetze“, erläutert die junge Unter-nehmensgründerin.

Anstatt zu einer Mühle zu fahren oder sich alle Zutaten bei verschiedenen Anbietern zu besorgen, bestellt man einfach im Onlineshop, der seit Februar des Jahres online ist und „schon sehr erfreulich läuft“, wie die Gründerin berichtet. Gerade alte Getreidearten ermöglichen völlig neue Geschmackserlebnisse. So weist Dinkel einen leicht nussigen Geschmack auf, während Emmer besonders aromatisch ist. „MixDeinBrot“, so nennt sich sowohl die Webseite als auch das Unternehmen, das in Erdmann-hausen beheimatet ist.

Gesundes Brot aus regionalem Getreide im Internet: Das Start-up „MixDeinBrot“ bietet individuelle Bio-Backmischungen

Alte Getreidearten ermöglichen völlig neue Geschmackserlebnisse

Prinzessin Rote Bete trifft auf Kichererbse

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Gründungsjahr: 2014 Sitz: Erdmannhausen Mitarbeiter: 1 mixdeinbrot.de

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Existenzgründung

Die Vernetzung mit der Universität Hohenheim ist der Unternehmensgründerin ein wichtiges Anliegen. Die Landessaatzuchtanstalt der Universität ist weltweit füh-rend in der Züchtung von Dinkel, Emmer und Einkorn. Die gesundheitliche Wirkung dieser Urgetreide ist bemerkenswert: Einkorn enthält im Vergleich zu Weich-weizen die sechs- bis zehnfache Menge an Lutein, das der Körper nicht selbst bilden kann. Es wirkt im mensch-lichen Auge als UV-Filter und schützt so die Funktion der Netzhaut. Darüber hinaus weisen die alten Sorten ein interessantes Spektrum weiterer gesundheitsförder-licher Inhaltsstoffe auf, weil sie wichtige Quellen für die Vitamine B1, B3, B6 und E sind. Und je höher die Zahl der Mehltype ist, umso höher ist der Mineralstoff-gehalt. „Daher sind Vollkornmehle ernährungsphysio-logisch wertvoller“, erläutert die Gründerin. „Sie liefern auch mehr Ballaststoffe, Eiweiß und Vitamine.“

Neue Kunden gewinnt sie nicht allein über Mundpropa-ganda, sondern beim Besuch von Messen. So wird sie im November in Stuttgart bei der „Kulinart“ im Römer-kastell vertreten sein. „Dort lassen sich die Leute mit Proben direkt ansprechen und sind schnell überzeugt“, so Mona Glock.

Die Bio-Brotbackmischungen eignen sich auch hervor-ragend als Geschenk. So gibt es beispielsweise das selbst zu backende Dinkelbrötchen aus der Tasse. Ein ganz klassisches Geschenk ist hingegen das Paket „Brot & Salz – Alles Liebe“. Es kombiniert eine fertige Back-mischung mit dem romantischen Namen „Prinzessin Rote Bete“ – ein Dinkelweißbrot mit Rote-Bete-Pulver – mit einem „Blütenzaubersalz“. Brot und Salz galten früher als Grundnahrungsmittel schlechthin, die Wohlstand und Sesshaftigkeit verkörperten und gerne an Brautpaare, aber auch nach einem Umzug verschenkt werden. Astrid Schlupp-Melchinger

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Prinzessin Rote Bete trifft auf Kichererbse

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Fachkräfte

Peter Staub, Leiter der Akademie des Ludwigsburger Werkzeug- dienstleisters Hahn+Kolb, über Mitarbeiterschulung durch Kollegen

arbe

iten 179: Herr Staub, mit der Akademie, die

auf die eigenen Mitarbeiter als Dozenten setzt, haben Sie einen sehr praxisorien-tierten Weg der Weiterbildung gestaltet. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Staub: Zu Beginn ging es für mich darum, zu erheben, was an Kenntnissen im Unter-nehmen vorhanden ist. Dieses Wissen wurde so strukturiert, dass wir es zielge-richtet an neue Mitarbeiter vermitteln konnten. Wir haben bei den geeigneten Fachleuten dafür geworben, dass sie ihr Know-how in Schulungen an Kollegen weitergeben und so nach und nach einen Dozentenpool aufgebaut. Anfangs stan-den vor allem Seminarbausteine zu Orga-nisation, Produkten, Firmenkultur und EDV im Mittelpunkt. Schritt für Schritt haben wir weitere Inhalte aufgenommen. Heute beteiligen sich über 40 interne Dozenten an der Akademie.

Für die internen Dozenten sind die Schulungen immer ein zusätzlicher Auf-wand, der nicht extra vergütet wird. Wie konnten Sie die Mitarbeiter trotz-dem dafür gewinnen?

Wir haben unseren Fachleuten den Nutzen für sich selbst dargestellt. Indem sie die Möglichkeit haben, ihr Wissen zu teilen, können sie dieses in einem Seminar vielen Kollegen auf einmal weitergeben, statt gesondert jedem Einzelunterricht zu geben. Das sorgt auch für eine Entlas-tung im Tagesgeschäft. Ein weiterer posi-tiver Nebeneffekt ist, dass die Kollegen einen für alle sichtbaren Expertenstatus erlangen, da wir über die Seminare berichten.

Wie stellen Sie die Qualität der Schu-lungen sicher? Nicht jeder Fachmann ist ja automatisch auch ein guter Dozent.

Die Führungskräfte schlagen aus ihrer Sicht geeignete Mitarbeiter vor und sprechen diese an. Wenn der Mitarbeiter ebenfalls Interesse hat, wird er durch

Mitarbeiter als Wissensvermittler

Schulungen unterstützt, in welchen er wichtiges Rüstzeug erhält, um gekonnt unterrichten zu können. Die Akademie sichtet zudem die Unterlagen und fordert von den Teilnehmern ein Feedback, um so kontinuierlich besser zu werden.

Was sind die wichtigsten Faktoren für den Erfolg der Akademie?

Praxisbezogen sind die Leitlinien, an denen wir die gesamte Personalentwick-lungsstrategie ausrichten. Die Akademie sorgt dafür, dass wir die Mitarbeiter bedarfsgerecht weiterbilden. Damit unter-stützen wir unsere Wachstumsstrategie und entwickeln die Mitarbeiter so, dass sie zu uns passen.

Die Fragen stellte Monika Nill

hahn-kolb.de

Eine Firmenkultur ohne Hierarchien – in den meisten Maschinenbau-Unterneh-men ist das unvorstellbar. Der Bandsägen- spezialist Hema aus Frickenhausen hat es trotzdem gewagt: Bis auf die beiden Ge-schäftsführer und einen Projektmanager wurden in dem Familienunternehmen alle Führungsebenen abgeschafft und durch demokratisch gewählte Teamsprecher ersetzt. Die Meister übernahmen statt-dessen wichtige Aufgaben in der Arbeits-vorbereitung und im Kundenservice.

Das Familienunternehmen sollte durch die radikale Umorganisation schneller, flexibler und effizienter werden. Begleitet wurde der Veränderungsprozess durch ein kluges Personalentwicklungskonzept, das die Eigenverantwortung der Mitar-beiter stärkte und ihre Potenziale und Talente in den Mittelpunkt stellte. „Wir haben ein durchdachtes Entwicklungs-programm aufgesetzt, mit dem die Beleg-

schaft schrittweise an die Veränderungen herangeführt wurde“, berichtet Projekt-manager Marco Niebling.

Heute sind die rund 50 Mitarbeiter in fünf dynamischen Teams organisiert, die sich selbst managen. Die Mitarbeiter legen unter anderem gemeinsam fest, wie viele Fertigungsstunden sie für eine Aufgabe brauchen, wann sie Urlaub nehmen und mit wem offene Stellen im Team besetzt werden. Durch regelmäßige Job-Rota-tion sollen sie zukünftig noch flexibler werden und ihr Know-how erweitern.

Seit der Einführung des „agilen Projekt-managements“ ist die Produktivität bei Hema um rund 17 Prozent gestiegen. Die Kunden bekommen jetzt schnellere und zuverlässigere Lieferzusagen und die Mitarbeiter sind zufriedener und seltener krank. „Die Unternehmenslei-tung muss hinter dem Konzept stehen“, sagt Marco Niebling. „Und man sollte

Mehr Demokratie wagen

mit allen Beteiligten sehr viel kommuni-zieren und die Mitarbeiter von Anfang an mit einbeziehen.“ Die Jury des Innovationspreises Weiter-bildung Region Stuttgart, den Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer und Wirtschaftsförderung Region Stutt-gart alle zwei Jahre vergeben, honorierte diese besonders gelungene Kombination von Organisations- und Personalent- wicklung mit einem Sonderpreis. (nil)

hema-saegen.de

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Freizeit

Das Krimi-Format „Tatort“ ist beliebt bei den deutschen Fernsehzuschauern. Jeden Sonntagabend läuft es in Millionen von Wohnzimmern. Wer sich hinter der Mattscheibe hervorwagt, kann mit spannenden Stuttgarter Kriminalfällen auf Tuchfühlung gehen. Im früheren Archiv des Stuttgarter Polizeipräsidiums auf dem Pragsattel sind auf 220 Quadrat-metern Themeninseln entstanden, die zu einer Zeitreise in die Polizeigeschichte der Stadt einladen. Historische Bild-, Film- und Tondokumente, wie etwa der Funkverkehr zu einem Polizistenmord in Stuttgart-Gaisburg 1989, machen die einzelnen Ausstellungsstationen anschaulich.

Im Verkehrsraum steht eine Verkehrs-ampelanlage von 1939, die die Beamten damals noch von Hand schalteten. Da-neben lässt sich eine in einer Mülltonne versteckte Radarfalle bestaunen. Das Kuriose: Wegen eines Aufruhrs in der Presse wurde sie nie eingesetzt. Spekta-kuläre Kriminalfälle gibt es im nächsten Raum. Der Fall des Hitler-Tagebücher-

Fälschers Konrad Kujau ist ebenso auf-bereitet wie ein grausamer Zementmord von 2007.

„Beim ‚Tatort‘, den man im Fernsehen sieht, stimmt nur das Nummerntäfel-chen vor der Leiche, aber in der Realität geht es nicht so schnell mit der Spuren-sicherung“, erklärt Michael Kühner, der als erster Vorsitzender des Polizeihistori-schen Vereins mit zwei anderen Kollegen in ehrenamtlicher Arbeit das Museum aufgebaut hat und Interessierte in einer knappen Stunde durch die bewegte Stuttgarter Polizeigeschichte führt. Einen besonderen Schwerpunkt legt das Museum auf die RAF-Zeit und die Rolle der Stuttgarter Polizei im National-sozialismus. „Die RAF war die beste Gewerkschaft der Polizei. Wegen der Terrorgefahr wurde massiv aufgerüstet“, erinnert sich Kühner.

In hell erleuchteten Vitrinen lässt sich begutachten, wie sich die Uniformen der Polizei vom 19. Jahrhundert bis in die er

lebe

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bis 27. September 2015Flughafengeschichte(n)Mit Ausstellungen und Veranstal- tungen begeht die Stadt Böblingen den 100. Geburtstag des Böblinger Flugplatzes, des ersten Landes- flughafens in Württemberg.boeblingen.de

11. Oktober 2015Hänsel und GretelIn der Peterskirche in Vaihingen an der Enz führen das Strohgäu-Brass- Quintett und der Erzähler Karlheinz Gabor die Märchenoper von Engelbert Humperndinck auf.vaihingen.de

19. Oktober 2015Musik von MotownErstklassige Sängerinnen und Sänger samt Live-Band vermitteln in der Stadthalle Leonberg eine musikalische Begegnung mit dem legendären Plattenlabel.leonberg.de

31. Oktober bis 1. November 2015„Fühl Dich wohl“Die Wellness- und Gesundheits- messe im Congress Center Böblingen bietet alles rund um die Themen Gesundheit, Ernährung, Wellness, Fitness und Schönheit. cc-bs.com

6. bis 15. November 2015Marbacher SchillerwocheEs gibt ein umfangreiches Kultur- programm mit Verleihung des Schillerpreises, offene Türen im Schiller-Nationalmuseum und Litera-turmuseum der Moderne sowie einen Familiensonntag.schillerstadt-marbach.de

5. und 6. Dezember 2015Weihnachten bei Kepler Der größte Weihnachtsmarkt im Heckengäu vor stimmungsvoller Kulisse im historischen Weil der Stadt hat Johannes Kepler als Namenspatron. weil-der-stadt.de

Tropen-KleinodIn sechs klimatisch verschiedenen Bereichen beherbergt das neue Sammlungsgewächs- haus der Universität Hohenheim über 1.000 Pflanzenarten. Schwerpunkte der Sammlung sind Pflanzen der afrikanischen Tropen und Subtropen, fleischfressende Pflanzen, Kak- teen sowie tropische Nutzpflanzen. Dazu kommen Orchideen, Farne, Bromelien und Wasserpflanzen. Besonders bedeutend ist die seit rund 70 Jahren geführte Begonien-Sammlung mit rund 200 Arten. Das tropische Kleinod kann sonntags besichtigt werden.uni-hohenheim.de

Bronzekunst erleben Das alljährlich verliehene Goldene Bambi stammt aus Süßen. Gruppen können nach Voranmeldung die Produktionsstätten der Kunstgießerei Strassacker besuchen und den Herstellungsprozess kennenlernen. Bronzekunst inszeniert das Unternehmen in eigenen Galerieräumen, wo renommierte, aber auch aufstrebende Künstler vertreten sind. Ein Abstecher durch den Skulpturen-garten lohnt sich ebenfalls.strassacker.com

tipps

Das Polizeimuseum in Stuttgart führt durch eine bewegte Geschichte

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Gegenwart gewandelt haben und wel-che Waffen die früheren Wachtmeister und modernen „Dienstleister für Sicher-heit“, wie Kühner die heutigen Polizisten nennt, bei sich haben. Mit Eindrücken, die von spannend über ulkig bis scho-ckierend reichen, gelangt man am Ende der Museumsführung schließlich in eine originalgetreu eingerichtete Wache im Stil der 1960er-Jahre. (leo)

polizeimuseum-stuttgart.de

Im Visier

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Wirtschaftsförderung Region Stuttgart Aktuell

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Neue E-Bike-Stationen in Vaihingen an der Enz und Herrenberg

weniger. Gerade für Pendler, die Busse oder Bahnen nutzen, ist das Pedelec ideal für die letzten Kilometer zum Ziel: Dank des geringen Nachttarifs von maximal zwei Euro kann es bis zum nächsten Mor-gen mit nach Hause genommen werden.

Die E-Bike-Stationen schaffen ein neues Bewusstsein für die Nutzung umwelt-freundlicher Verkehrsmittel. Ein Schlüssel zum Erfolg liegt in der intelligenten Ver-knüpfung der verschiedenen Fortbewe-gungsmittel, das wissen auch die Verant-wortlichen in der Region Stuttgart. Daher konzentriert sich das regionale Förder-programm künftig noch stärker auf Inter-modalität: Informationssysteme, vernetzte Angebote und Services an zentralen Umsteigepunkten sollen den Wechsel zwischen Rad, Auto sowie Bussen und Bahnen noch einfacher machen.

Neben der regionalen Förderung sind die Verleihstationen Teil des Landesprojekts NAMOREG sowie des Schaufensters Elektromobilität LivingLab BWe mobil. 2015 gehen weitere Stationen in Ludwigs-burg, Göppingen, Holzgerlingen und Filder-stadt in Betrieb. Ab Frühjahr 2016 folgen sieben weitere, dann können auch Bürger in Fellbach, Kirchheim am Neckar, Schorn-dorf (zwei Stationen), Gerlingen, Plochin-gen und Remseck von den praktischen E-Bikes direkt am Bahnhof profitieren.

Bundesweit ist die Region Stuttgart mit diesem Konzept der vernetzten und nach-haltigen Mobilität federführend. „Die Ideen von Verband Region Stuttgart und Wirtschaftsförderung Region Stuttgart ziehen bereits weitere Kreise“, berichtete Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling bei der Eröffnung in Vaihingen an der Enz. „In Niedersachsen wird ein weiteres erfolg-reiches Modellprojekt der Region aufge-griffen.“ Astrid Schlupp-Melchinger

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Seit Juli stehen nun auch in Herrenberg und Vaihingen an der Enz direkt am Aus-gang der Bahnhöfe je zehn Pedelecs zum Ausleihen bereit. Nach der Pilotstation in Bietigheim-Bissingen sowie an den Bahn-höfen Schwieberdingen und Waiblingen sind es mittlerweile fünf Stationen, die im Förderprogramm „Modellregion für nach-haltige Mobilität“ von Verband Region Stuttgart und Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) eingerichtet wur-den. Das Konzept, das auch das Unter-stellen privater E-Bikes ermöglicht, ist in Deutschland bislang einmalig.

Die Stationen sind ein Beitrag zum Klima-schutz und ein wichtiger Schritt für eine nachhaltige Infrastruktur, so sehen es alle Beteiligten. Der Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart, Thomas S. Bopp, bezeich-nete bei der Einweihung in Herrenberg das Projekt als „Paradebeispiel für nachhaltige Mobilität und gleichzeitig für die gute Zu-sammenarbeit zwischen Kommunen und der Region Stuttgart“. Die Kombination von Bussen und Bahnen mit individuellen Fortbewegungsmitteln sowie das Teilen von Rädern würden bald so selbstverständ-lich wie das Carsharing heute.

Bei den Eröffnungsveranstaltungen wurde auch ein neuer Typ Pedelec vorgestellt, der eigens für die Stationen in der Region Stuttgart entwickelt wurde. Das robuste Zweirad, das sich beim Andocken an die Halterung selbstständig lädt und eine Reichweite von knapp 100 Kilometern hat, ist eine wichtige Voraussetzung für den Rund-um-die-Uhr-Betrieb.

Die Handhabung der Station ist denkbar einfach. Nach einmaliger Anmeldung beim Betreiber Nextbike öffnet sich der Eingang per VVS-Mobilpass oder durch Eingabe von Handynummer und PIN. Die Ausleih-gebühren werden abgebucht, Nutzer mit dem Mobilpass des regionalen Verkehrs-verbundes zahlen bis zu einem Viertel

30. September 2015Music Award Region StuttgartIm Rahmen einer feierlichen Gala wird zum fünften Mal der Music Award Region Stuttgart (MARS) an heraus- ragende Musikunternehmen und Künstler verliehen.

Ort: Wizemann Areal, Stuttgart

popbuero.de

5. bis 8. Oktober 2015MotekZur internationalen Fachmesse für Automatisierung Motek bietet die WRS wieder ein Begleitprogramm, unter an-derem mit Career Walks, einem Business Brunch und Expertengesprächen.

Ort: Messe Stuttgart

maschinenbau.region-stuttgart.de

15. Oktober 2015Falling Walls Lab StuttgartIdeen, die Grenzen überwinden: Jungakademiker wetteifern mit Kurz- präsentationen darum, die Region Stuttgart beim internationalen Finale des Falling Walls Lab in Berlin zu vertreten.

Ort: Haus der Geschichte Baden- Württemberg, Stuttgart

facebook.com/hochschulregion

12. bis 14. Oktober 2015World of Energy SolutionsDie World of Energy Solutions zeigt neue Ideen aus den Bereichen Batterien und Energiespeicher, Brennstoffzellen und Wasserstofftechnologie.

Ort: Messe Stuttgart

world-of-energy-solutions.de

19. Oktober 2015Invest in FutureDer Kongress für Bildung und Betreuung befasst sich unter anderem mit Themen wie „Gründergeist“, „MINT“, „Fachkräfte-mangel in der Kinderbetreuung“ und „Ein Leben mit Familie und Beruf“.

Ort: Haus der Wirtschaft, Stuttgart

invest-in-future.de

24. November 2015Treffpunkt AutomotiveDas Greenteam der Universität Stuttgart stellt auf der E-Kartbahn im Sensapolis seinen elektrischen Weltrekord-Renn-wagen vor.

Ort: Flugfeld Böblingen/Sindelfingen

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Die EU vor der Haustür

Im europäischen Binnenmarkt wird entwickelt, produziert, ver-kauft, verschickt und konsumiert. Firmen und Institutionen aus der Region Stuttgart mischen dabei mit und nutzen mit ihren Ideen die Chancen Europas. So arbeiten sie daran, dass der Wirtschafts- und Forschungsraum weiter zusammenwächst.

Die nächste 179-Ausgabeerscheint im Dezember 2015.

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Telefon 0711 2 28 35-0

[email protected]

GeschäftsführerDr. Walter Rogg

VerantwortlichHelmuth Haag (hel)

RedaktionTobias Schillertobias.schiller@ region-stuttgart.de

Die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH ist eine Tochter des Verband Region Stuttgart. Das Infomagazin „Region Stuttgart aktuell” können Sie auf der Website des Verbandes einsehen und bestellen:

region-stuttgart.org region-stuttgart.de

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Autoren dieser AusgabeHelmuth Haag (hel), Sonja Madeja (som), Monika Nill (nil), Michael Ohnewald (moh), Leonie Rörich (leo), Tobias Schiller (tos), Astrid Schlupp-Melchinger (asm), Katharina Tomaszewski (kt)

Gestaltung Projektgruppe Visuelle Kommunikation, Ludwigsburg

ErscheinungsweiseQuartalsweise

Abonnement/[email protected]

Zur besseren Lesbarkeit wird teilweise auf die weibliche Form verzichtet.

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Für den Wettbewerb „Speichern unter“ hat die WRS zusammen mit der Stutt-garter Zeitung den European Newspaper Award erhalten. Bei dem Kreativ- und Designwettbewerb konnten Amateure und Profis Alternativen zum bisherigen Diskettensymbol einreichen. Für das neue Icon kamen rund 2.000 Vorschläge zusammen. Die Stuttgarter Zeitung be-gleitete den Wettbewerb mehrere Mona-te lang mit redaktionellen Beiträgen.

speichern-unter.net

European Newspaper Award

Mit der Plattform „Neue Helden“ auf der Fachmesse IT & Business bietet die Messe Stuttgart mit Unterstützung der WRS und weiteren Partnern erstmals eine kosten-günstige Ausstellungsmöglichkeit speziell für junge IT-Unternehmen. Die „neuen Helden“ präsentieren ihre Ideen an Arbeitsplätzen, die auf mehrere Messe-stände im regulären Ausstellungsbereich verteilt sind. Dazu ergänzend organi- siert die WRS im Rahmen ihrer Initiative HiTURS die Veranstaltung „Start-ups meet Mittelstand“, bei der junge IT-Firmen Kontakte zu etablierten Unter-nehmen knüpfen können.

hiturs.region-stuttgart.de

Plattform für junge IT-Unternehmen

Die diesjährige Location-Tour der Film Commission Region Stuttgart bringt Filme-macher und Location-Scouts zu über-raschenden und bislang unentdeckten Orten der Badekultur. Abseits der be-kannten Mineralbäder führt die ganztägi-ge Bustour am 1. Oktober zu Drehorten, die unerwartete Perspektiven bieten, darunter beispielsweise der Badepavillon einer Privatvilla, den ein echter Oskar Schlemmer ziert, die Villa Vopelius in Bad Boll, in der sich bekannte Literaten zur Sommerfrische trafen, oder ein Stein-bruch, in dem Jura zur Herstellung von Fango abgebaut wird. Die jährliche Tour soll Filmproduzenten besondere Dreh-orte in der Region Stuttgart zeigen.

film.region-stuttgart.de

Location-Tour zu Orten der Badekultur

Welcome Center on TourDer Welcome Service Region Stuttgart baut sein Angebot weiter aus: Von Oktober an bieten die WRS-Beraterin-nen aus dem Welcome Center Stuttgart regelmäßige Sprechstunden in den Landkreisen an. Die mehrsprachigen Beratungstermine in den jeweiligen Kreisstädten liefern internationalen Fachkräften Hilfestellungen bei sämtli-chen Fragen rund um das Ankommen, Leben und Arbeiten in der Region Stuttgart. Den Auftakt der regionalen Sprechstunden, die in Kooperation mit den Landkreisfachkräfteallianzen und den Kommunen durchgeführt werden, macht der Kreis Göppingen.

welcome.region-stuttgart.de

Region Stuttgart auf der Expo RealVom 5. bis zum 7. Oktober präsentiert sich die Region Stuttgart wieder auf Europas größter Messe für Gewerbeimmobilien, der Expo Real in München. 26 Unternehmen, Landkreise sowie Kommunen stellen dem internationalen Messepublikum an einem Gemeinschaftsstand (Halle B1, Stand 120) zukunftsweisende Projekte und attraktive Gewerbestandorte aus der Region Stutt-gart vor. Die WRS hat den Partnerstand organisiert und wirbt dort für den Im-mobilienstandort und um Investoren. Im Anschluss an den Empfang des Landes Baden-Württemberg bietet die regionale Standparty am Montagabend mit Musik, regionalen Getränken und Fingerfood Gelegenheit zu Gesprächen, zum Netzwer-ken und zum informellen Kennenlernen.

exporeal.region-stuttgart.de

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Per Fax 0711 22835-55 oder per Postkarte an:

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dass Württembergs Hofbank von einer Frau gegründet wurde?

Was heute die Landesbank Baden- Württemberg ist, war im 19. Jahrhundert die Württembergische Hofbank – eine Keimzelle des wirtschaftlichen Erfolgs im Königreich. Gegründet wurde sie 1802 von Herzog Friedrich – sowie von der Jüdin Karoline Kaulla (1739-1809) nebst deren Bruder Jakob. Bis zu ihrem Tod dirigierte die fünffache Mutter das da-mals bedeutendste württembergische Finanzinstitut und managte zudem als Hofbankière die Finanzen des Königs. Die charismatische Unternehmerin galt zu ihrer Zeit als reichste Frau Deutschlands.

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179Das Standortmagazin der Region Stuttgart

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