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5/17/2018 1Einführung - slidepdf.com
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1 Einführung
1.1 Zur Geschichte der Schraube
Wie bei vielen technischen Bauteilen, z.B. Rädern, Propellern, Tragflügeln, Ver-
steifungsrippen usw., finden sich auch beim Gewinde bzw. der Schraube in der
Natur Vorbilder. Möglicherweise geht die Idee der Schraube auf eine an einemPfahl oder einem Baumstamm sich spiralenförmig hochrankende Pflanze, z.B.
eine Bohnenpflanze, zurück.
Geschichtlich ist der Beginn der Herstellung und Nutzung einer Schraube fürtechnische Bedürfnisse nicht genau festzulegen. Die älteste bekannte Ausführung
dürfte auf Archimedes (ca. 250 v. Chr.) zurückzuführen sein. Mit der sog.
,,Archimedischen Schraube“ bzw. Schneckenspindel, die sich in einem schräg
stehenden Rohr drehte, wurde Wasser auf ein höheres Niveau angehoben [1.1].
Derartige ,,Bewegungsschrauben“ sind aus der Zeit der altgriechischen, römischen
und ägyptischen Geschichte bekannt. Aber auch in Ostasien (China und Japan)
benutzte man die Schraubenspindel als Förderelement. Als Werkstoffe dientenHolz und später zunehmend Metalle.
Im Gegensatz zur „Bewegungsschraube“ steht die „Befestigungsschraube“, mit
der sich das vorliegende Buch befasst. Sie ist wohl ebenso alt wie die Be-
wegungsschraube, nur in der Anwendung der damaligen Zeit seltener zu finden.
Sie wurde für Schmuck- und Gebrauchsgegenstände, für einfache medizinische
Geräte sowie für Zeichen- und astronomische Instrumente aus Edelmetall her-
gestellt.
Mit zunehmendem Einsatz von technischen Geräten, Werkzeugen, Uhr- und
Räderwerken, Waffen, Rüstungen usw. hat sich der Anwendungsbereich derSchraube wesentlich erweitert.
Im Mittelalter war es vor allem Leonardo da Vinci, der in vielen Skizzen von
Geräten, Werkzeugen, Maschinen und Waffen Anwendungsmöglichkeiten der
Bewegungs- und Befestigungsschraube aufzeigte.
Auch Agricola, wohl der bedeutendste Technologie-Schriftsteller des Mittelal-
ters, hat wie auch andere zeitgenössische Naturwissenschaftler in vielen Text- und
Bilddarstellungen auf Anwendungsmöglichkeiten der Schraube hingewiesen [1.1].
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts entstanden mit zunehmendem Bedarf an
Schrauben im Rheinland und in Westfalen die ersten Schraubenschmieden. Die
benötigten Stückzahlen wurden durch Warmschmieden in Handarbeit gefertigt.Diese Schraubenschmieden waren die Vorgänger der gegen Mitte des 18. Jahr-
hunderts und mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstehenden Schrau-
benfabriken, in denen Schrauben bereits maschinell hergestellt wurden. Im Jahre
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2 1 Einführung
1797 baute Maudslay die erste ,,automatische Drehbank“, die eine Leitspindelbesaß [1.1].
Gleichzeitig erschienen Fachveröffentlichungen, die sich mit der Herstellung
von Schrauben aus Holz, Kupfer, Messing und Eisen befassten. In einer Buchreihe
von Jakob Leupold ,,Theatrum Machinarum Generale“ (1824) ging der Verfasserwohl erstmalig auf die hohe Tragfähigkeit von Schrauben aus Eisen und deren
Prüfmöglichkeit ein.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Werkstoffprüfmaschinen
entwickelt. Der ehemalige Leiter der Cramer-Klettschen Fabrik (Vorgängerin derheutigen MAN) in Nürnberg, Ludwig Werder, konstruierte die unter seinem Na-
men bekannt gewordene liegende Zugprüfmaschine. In dem von ihm geleiteten
Werk wurden außer Lokomotiven, Wasserturbinen, Mühlen und Eisenbahnwag-
gons auch – was hier besonders interessiert – Maschinen zur Herstellung von
Schrauben und Muttern gebaut.Der technische Fortschritt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, insbeson-dere im Eisenbahnwesen, bei der Dampfmaschine und später in der Elektrotech-
nik, stellte ständig steigende Anforderungen an die Konstruktionselemente. Dies
traf auch für in größeren Stückzahlen benötigte Teile wie Schrauben als Ver-
bindungselemente zu. Die Forderung nach bestimmten Qualitätsmerkmalen wurde
in Richtlinien festgelegt, die von dem im Jahre 1856 gegründeten Verein
Deutscher Ingenieure (VDI) erarbeitet wurden.
Gleichzeitig gewann für die Qualitätssicherung hoch beanspruchter Massenteile
die Normung eine zentrale Bedeutung. Diese beinhaltete sowohl Werkstoff als
auch maßliche und mechanische Bauteileigenschaften. Bei den Schraubenver-bindungen standen die maßlichen Eigenschaften von Schrauben- und Mutterge-
winde im Vordergrund. Hier wirkte der VDI bahnbrechend durch die Aufstellung
eines einheitlichen Maßsystems im Jahre 1859. Eine Vereinheitlichung von Ge-
windemaßen mit dem Ziel der Austauschbarkeit wurde deshalb dringend not-
wendig, weil nicht nur die einzelnen Industrieländer eigene Gewindesysteme hat-
ten, sondern teilweise sogar Unterschiede von Werk zu Werk bestanden.
1964 wurde schließlich auf der Basis umfangreicher Versuchsarbeiten [1.2, 1.3]
das metrische ISO-Gewinde weltweit genormt.
Mit dem Fortschritt im Verkehrswesen (Automobil- und Flugzeugbau) zu Be-ginn des 20. Jahrhunderts stiegen die Anforderungen an die mechanischen Eigen-
schaften der Schraubenverbindung weiter. Neue Fertigungsverfahren führten
schließlich zu den Verbindungselementen, die man damals mit ,,Hochfeste
Schrauben“ bezeichnete [1.4, 1.5]. Diese wurden, von Sonderfällen abgesehen, aus
nicht speziell wärmebehandelten Stählen spanlos (warm oder kalt) oder spanendgefertigt. Die verwendeten unlegierten Stähle mit niedrigem C-Gehalt hatten eine
Zugfestigkeit von 400 bis 500 N/mm2 und ein sehr niedriges Streckgrenzenver-
hältnis (ca. 50%). Dadurch waren sie gut kaltformbar.
Schon bald aber verlangte die rasch fortschreitende technische Entwicklung des
Kraftfahrzeug- und des Flugzeugbaus nach Verbindungselementen noch höhererTragfähigkeit. Es entstand die hochfeste vergütete Schraube aus unlegierten oder
legierten Stählen.
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1.2 Zum Inhalt des Buches 3
Bis heute ist diese Entwicklung stetig weiter gegangen. Durch sinnvoll aufein-ander abgestimmte Fertigungsgänge der Warm- und Kaltformung, der Zerspa-
nungstechnik und der Wärmebehandlung (Glühen, Vergüten, Ausscheidungshär-
ten usw.) bei zweckentsprechend ausgewählten Werkstoffen können heute
höchstfeste Schrauben mit Zugfestigkeiten bis über 2000 N/mm2 hergestellt wer-den.
Für besondere Anforderungen wie Korrosions- oder Temperaturbeständigkeit
werden inzwischen außer Stählen auch Sonderwerkstoffe, z.B. Leicht- und
Schwermetall-Legierungen, angewendet.
1.2 Zum Inhalt des Buches
Die nachfolgenden Kapitel zeigen Wege und Möglichkeiten zur Gestaltung,Berechnung und Optimierung der Betriebseigenschaften hoch beanspruchter
Schraubenverbindungen auf. Da Schrauben und Muttern gewöhnlich in größeren
Stückzahlen gefertigt werden und austauschbar sein müssen, kann auf eine Nor-
mung hinsichtlich ihrer Maß- und Funktionseigenschaften nicht verzichtet werden.
Die internationale Normung hat nach erheblichen Anstrengungen in den ver-
gangenen 40 Jahren bis heute beachtliche Fortschritte gemacht. Kapitel 2 be-
schreibt den derzeitigen Stand der Normungsarbeiten.
Für die Beanspruchbarkeit einer Schraubenverbindung ist eine zweckmäßige
Werkstoffauswahl für Bolzen und Mutter von grundlegender Bedeutung. Dabeisind für den jeweiligen Anwendungsfall die Betriebsbeanspruchungen und die
Einbauverhältnisse maßgebend. Kapitel 3 gibt Hinweise zur Auswahl der Werk-
stoffe, zu ihrer chemischen Zusammensetzung sowie zu ihren Eigenschaften bei
mechanischer und komplexer Beanspruchung.
Ausgehend von den Einbau- und Betriebsbedingungen und dem Kraft-Ver-
formungs-Verhalten wird in Kapitel 4 die Berechnung von Schraubenverbindun-
gen mit dem Berechnungsansatz nach Richtlinie VDI 2230 erläutert und an einem
Beispiel verdeutlicht.Grundlegende Bedeutung für die Funktion der Schraubenverbindung hat ihre
Tragfähigkeit bei mechanischer Beanspruchung. In Kapitel 5 werden die Einflüsseauf die Tragfähigkeit von Schraubenverbindungen bei zügiger und wechselnder
Beanspruchung erläutert. Es werden Grundlagen zur Berechnung sowie Möglich-
keiten zur Verbesserung der Tragfähigkeit vorgestellt.
Nicht selten unterliegen Schraubenverbindungen im Betrieb einer Komplex-beanspruchung aus mechanischen und korrosiven Beanspruchungskomponenten
und gegebenenfalls auch aus zusätzlichen Temperatureinflüssen.
Kapitel 6 behandelt die Arten der Korrosion und Möglichkeiten des Korro-
sionsschutzes. Dabei wird sowohl auf die korrosionsbeständigen Werkstoffe als
auch auf geeignete Oberflächenbehandlungsverfahren bei Verwendung nicht kor-
rosionsbeständiger Werkstoffe eingegangen.
Das Verhalten von Schraubenverbindungen bei hohen und tiefen Temperaturen
wird in Kapitel 7 erläutert.
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4 1 Einführung
Die Ausführungen über die Montage von Schraubenverbindungen in Kapitel 8zeigen die Beanspruchungsverhältnisse beim Anziehen auf. Die heute üblichen
Montageverfahren werden vergleichend gegenübergestellt. Ausführungen über die
„Automatisierte Schraubenmontage“ beschließen das Kapitel 8.
Die Betriebssicherheit von Schraubenverbindungen wird maßgeblich von derHöhe der Vorspannkraft beeinflusst. Möglichkeiten zur Vermeidung eines un-
zulässigen Vorspannkraftverlusts infolge Lockerns und/oder selbsttätigen Losdre-
hens werden im abschließenden Kapitel 9 beschrieben und neuere Entwicklungen
bei kraft-, form- oder stoffschlüssigen Sicherungsmaßnahmen aufgezeigt.
Literatur
1.1 Kellermann R, Treue W (1962) Die Kulturgeschichte der Schraube. 2. Aufl.München Bruckmann
1.2 Wiegand H, Illgner K H (1963) Haltbarkeit von ISO-Schraubenverbindungen
unter Zugbeanspruchung. Konstr. Masch. Appar. Gerätebau 15: 142-149
1.3 Wiegand H, Illgner K H, Beelich K H (1964) Die Dauerhaltbarkeit von Ge-
windeverbindungen mit lSO-Profil in Abhängigkeit von der Einschraubtiefe.
Konstr. Masch. Appar. Gerätebau 16: 485-490
1.4 Schaurte W T (1927) Anforderungen an Schrauben- und Mutterneisen
(Werkstofftagung Berlin). In: Stahl und Eisen als Werkstoff. Düsseldorf Verlag
Stahleisen
1.5 Kennzeichnung von Schrauben und Muttern aus hochfestem Stahl (1936). DIN-Vornorm Kr 550 März und DIN 267 Schrauben, Muttern und ähnliche Gewinde-
und Formteile (Techn. Lieferbedingungen)