20. März 2016 Descartes: „Cogito, ergo · PDF fileTitle: Arbeitsblatt Philosophie: "Descartes: Cogito, ergo sum" Author: Helmut Hofbauer, philohof Subject: Cogito, ergo sum. Je

Embed Size (px)

Citation preview

  • Helmut [email protected] 20. Mrz 2016

    1

    Descartes: Cogito, ergo sumVon Ren Descartes (1596-1650) stammt der in der Philosophiegeschichte zu Berhmtheitgelangte Gedanke Cogito, ergo sum. Ich denke, also bin ich.

    Dieser Gedanke gilt als etwas, das wir unmittelbar einsehen ber das wir also nicht weiternachzudenken brauchen. Deshalb wird er auch nicht hinterfragt. Nichtsdestotrotz, Philosophiebeginnt immer damit, dass wir Dinge oder Gedanken, die selbstverstndlich erscheinen,hinterfragen.

    Je pense, donc je suis Ich denke, also bin ichDa ich aber allein der Erforschung der Wahrheit nachzugehen wnschte, dachte ich, es wreangemessen, wenn ich das genaue Gegenteil tte und alles als absolut falsch zurckwiese, in dem ichmir auch nur den geringsten Zweifel vorstellen konnte, um zu sehen, ob danach von meinenberzeugungen berhaupt etwas brig bliebe, das vllig unbezweifelbar wre. []

    Schlielich zog ich in Betracht, da genau dieselben Gedanken, die wir haben, wenn wir wach sind,uns auch kommen knnen, wenn wir schlafen, ohne da irgendeiner davon wahr wre. Deshalbentschlo ich mich, so zu tun, als ob alles, was jemals in meinen Geist eingetreten war, nicht wahrerwre als die Illusionen meiner Trume. Aber gleich darauf bemerkte ich, da, whrend ich so denkenwollte, alles sei falsch, es sich notwendig so verhalten msse, da ich, der dies dachte, etwas war. Ichbemerkte, da diese Wahrheit: Ich denke, also bin ich, so fest und gesichert war, da auch dieverrcktesten Voraussetzungen der Skeptiker nicht fhig waren, sie zu erschttern, und deshalburteilte ich, sie ohne Bedenken als erstes Prinzip der von mir gesuchten Philosophie annehmen zuknnen. (S. 57-59)Ren Descartes: Discours de la Mthode. Franzsisch-Deutsch. Meiner, Hamburg 2011.

    Was meint Descartes denn eigentlich, wenn er sagt: Ich denke, also bin ich.? Wenn er damitnicht mehr meint, als dass man zuerst sein muss, um berhaupt denken zu knnen, dannknnen wir ihm das leicht zugeben.

    (a) Aber meint der damit auch: Wenn ich (an welchen Gegenstand auch immer) denke,dann fllt mir dadurch auf, dass ich denke und also, dass ich bin?

    (b) Oder aber meint er: Nur dann, wenn ich ber die Frage nachdenke, ob ich wirklichbin, fllt mir auf, dass ich denke und also dass ich bin.?

    (c) Oder meint er: Alle meine Gedanken werden immer von einem Ich denke begleitet,das mir jederzeit versichert, dass ich existiere.?

    (d) Oder meint er: Ich brauche den Gedanken Ich denke, also bin ich nur einmal imLeben zu denken, dann werde ich mich fr den Rest meines Lebens zu jeder Zeit anihn erinnern.?

    (e) Oder meint er: Um mich meiner Existenz zu versichern, muss ich regelmig, alsoz.B. jedes Wochenende, den Gedanken denken: Ich denke, also bin ich?

    Aufgabe (1): Stellen Sie sich folgende Frage: Ist Ich denke, also bin ich wahr?

    Das heit: Stimmt es, dass Sie nur ber ein beliebiges Thema nachdenken mssen sagen wir: ber Sozialversicherungsbeitrge um dadurch Ihre eigene Existenzintensiver und bestimmter wahrzunehmen?

    Und haben Sie schon mal die Erfahrung gemacht, dass Sie sich intensiv undgedankenverloren mit etwas beschftigt haben und dabei ganz auf sich selbstvergessen haben? Folgt daraus nicht: Ich denke (intensiv) nach, also vergesse ichmich.?

  • Helmut [email protected] 20. Mrz 2016

    2

    Macht mich mein Denken darauf aufmerksam,dass es mich gibt?

    Bei dem Gedanken Ich denke, also bin ich liegt das Problem also offenbar nicht darin, dassich bin und deshalb die Mglichkeit habe zu denken:

    (a) Viele Dinge existieren, denken aber nicht. Aus bloen Sein folgt noch kein Denken!(b) Folgt umgekehrt aus der Existenz des Denkens die Besttigung des Daseins? Tiere

    und Computer (derzeit noch) denken vielleicht (wir knnen uns verschiedene Artenund Grade der Vollkommenheit von Denken vorstellen), aber sie denken nicht daran,dass sie sind.

    (c) Mglicherweise denken auch viele Menschen nicht daran, dass sie sind, weil siegeistig mit anderen Dingen beschftigt sind (z.B. mit Shopping?).

    Die eigentlichen Fragen scheinen also zu lauten: Macht mich mein Denken tatschlichdarauf aufmerksam, dass es mich gibt? Und wenn ja, welches Denken? Das Denkenworan? Und kann ich ber mein Denken an mein Dasein jederzeit willentlich verfgen?

    Indessen, ich habe mich berredet, da es schlechterdings nichts in der Welt gibt: keinen Himmel,keine Erde, keine Geister, keine Krper, also doch auch wohl mich selbst nicht? Keineswegs, ich warsicherlich, wenn ich mich dazu berredet habe. Aber es gibt einen, ich wei nicht welchen, hchstmchtigen und verschlagenen Betrger, der mich geflissentlich stets tuscht. Nun, wenn er michtuscht, so ist es also unzweifelhaft, da ich bin. Er tusche mich, soviel er kann, niemals wird er esdoch fertig bringen, da ich nichts bin, solange ich denke, da ich etwas sei. Und so komme ich,nachdem ich derart alles mehr als zur Genge hin und her erwogen habe, schlielich zu dem Beschlu,da dieser Satz: Ich bin, ich existiere, so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendigwahr ist. (S. 18)Ren Descartes: Meditationen ber die Grundlage der Philosophie mit den smtlichen Einwndenund Erwiderungen. Meiner, Hamburg 1994.

    Aufgabe (2): Diskutieren Sie folgende Fragen:

    Meint Descartes in diesem Zitat mit den Wendungen solange ich denke und sooft ich ihn ausspreche, dass Ich denke, also bin ich nur solange gilt, solange mandiesen Satz denkt und dass er aufhrt, wahr zu sein, sobald man aufhrt, ihn an ihnzu denken oder ihn auszusprechen?

    Meint er, dass der Gedanke Ich denke, also bin ich immer wieder wiederholt werdenmuss, um aktualisiert zu werden: Ah, da bin ich ja noch immer!

    Falls der Gedanke hingegen nur einmal gedacht werden muss und danach erinnertwird, braucht es jeweils einen weiteren Gedanken oder einen anderen (z.B.emotionalen) Impuls, um diese Erinnerung abzurufen?

    Einige Denkmglichkeiten:Jedes Denken(an was auchimmer)versichertmich meinesDaseins.

    Nur derGedanke anmein Daseinversichertmich meinesDaseins.

    Alle meineGedankenwerden immervom meinemich denkebegleitet.

    Ich denkeCogito, ergosum einmalund erinneremich jederzeitdaran.

    Ich muss denGedankenCogito, ergosum immerwiederwiederholen.

    uerlicheImpulsemssen meinDenken anmein Daseinerinnern.