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Vereinigung der koreanischen Halbinsel Patrick Zoll, Seoul 3.5.2015, 05:30 Uhr Der ferne Traum des geeinten Korea Südkorea arbeitet unter der Führung von Präsidentin Park unermüdlich an Plänen zur Vereinigung der koreanischen Halbinsel. Diese ändern allerdings nichts daran, dass Nord- und Südkorea immer weiter auseinanderdriften. Die Vereinigung Koreas sei historisch unausweichlich, sagte Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye vor einem Jahr in einer vielbeachteten Rede in Dresden. Sie schlug konkrete Schritte vor, wie sich die verfeindeten Bruderstaaten näherkommen sollen: Familienzusammenführungen, den Bau gemeinsamer Infrastruktur und regelmässigen Austausch zwischen den beiden Seiten in den Bereichen Sport, Kultur und Wissenschaft. Damit will Park Vertrauen zwischen den beiden Seiten schaffen; die Präsidentin nennt ihre Politik denn auch «Vertrauenspolitik». So fern wie eh und je Die Bürokraten, die mit der Umsetzung von Präsidentin Parks Vision beauftragt sind, legten sich ins Zeug. Vier Ministerien erklärten 2015 zum Jahr, das «die Nordkoreanische Soldaten an der Demarkationslinie bei Panmunjom. (Bild: Lee Jin-man / AP) Tweet

2015-05-03 Vereinigung Koreanischer Halbinsel NZZ

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2015-05-03 Vereinigung Koreanischer Halbinsel NZZ

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  • Vereinigung der koreanischen Halbinsel

    Patrick Zoll, Seoul 3.5.2015, 05:30 Uhr

    Der ferne Traum des geeinten Korea

    Sdkorea arbeitet unter der Fhrung von Prsidentin Park

    unermdlich an Plnen zur Vereinigung der koreanischen

    Halbinsel. Diese ndern allerdings nichts daran, dass Nord- und

    Sdkorea immer weiter auseinanderdriften.

    Die Vereinigung Koreas sei historisch unausweichlich, sagte Sdkoreas

    Prsidentin Park Geun Hye vor einem Jahr in einer vielbeachteten Rede in

    Dresden. Sie schlug konkrete Schritte vor, wie sich die verfeindeten

    Bruderstaaten nherkommen sollen: Familienzusammenfhrungen, den Bau

    gemeinsamer Infrastruktur und regelmssigen Austausch zwischen den beiden

    Seiten in den Bereichen Sport, Kultur und Wissenschaft. Damit will Park

    Vertrauen zwischen den beiden Seiten schaffen; die Prsidentin nennt ihre

    Politik denn auch Vertrauenspolitik.

    So fern wie eh und je

    Die Brokraten, die mit der Umsetzung von Prsidentin Parks Vision beauftragt

    sind, legten sich ins Zeug. Vier Ministerien erklrten 2015 zum Jahr, das die

    Nordkoreanische Soldaten an der Demarkationslinie bei Panmunjom. (Bild: Lee Jin-man / AP)

    Tweet

  • ra der koreanischen Vereinigung erffnet. Die Ministerien versprachen in

    einer gemeinsamen Medienerklrung, praktische Vorbereitungen fr die

    Vereinigung zu unternehmen. Trotzdem: Ein Jahr nach Parks Dresdner Rede

    sind sich Pjongjang und Seoul so fern wie eh und je, entlang der demilitarisierten

    Zone, der Waffenstillstandslinie des Koreakrieges, beugen sich weiterhin

    misstrauisch schwerbewaffnete Soldaten.

    Zyniker spotten, dass koreanische

    Ministerien zu Jahresbeginn stets

    schn klingende Programme

    auflegten. Prsidentin Park kmpft

    seit lngerem mit tiefen

    Zustimmungsraten. Einige

    Kommentatoren sehen sie bereits

    als Lame Duck. Da liegt der

    Verdacht nahe, dass die Prsidentin

    die Wiedervereinigung aufs Tapet

    bringt, weil sie in diesem Bereich

    das Heft in der Hand hat und kein

    sdkoreanischer Politiker es sich leisten kann, als Gegner einer Vereinigung

    dazustehen. Kommt hinzu, dass die Wahrscheinlichkeit klein ist, dass Park die

    Plne in ihrer Amtszeit wird umsetzen mssen.

    Bei aller Skepsis es gibt auch positive Stimmen. Der Nordkoreakenner Andrei

    Lankov begrsst, dass Vorbereitungen fr den Eventualfall gemacht werden:

    Bisher war Seoul vllig unvorbereitet fr eine Vereinigung, sagt er. Lankov

    geht wie die meisten Experten davon aus, dass Seoul kaum Einfluss auf den

    Zeitpunkt einer allflligen Vereinigung hat. Diese wird es hchstwahrscheinlich

    nur geben, wenn das System Kim Jong Un zusammenbricht. Wann und wie dies

    geschieht, ist vllig unberechenbar.

    Hier liegt das fundamentale Problem aller Vereinigungsinitiativen aus dem

    Sden: Fr das Regime im Norden ist offensichtlich, dass es in einem vereinten

    Korea keine Zukunft hat. Dass Prsidentin Park die deutsche Wiedervereinigung

    als Vergleich herbeizieht, ist eher kontraproduktiv: Der Norden befrchtet, vom

    Sden geschluckt zu werden, hnlich wie die DDR einst in der BRD aufging. Die

    Elite in Pjongjang weiss genau, dass die ehemalige DDR-Fhrung nach der

    Wiedervereinigung zur Rechenschaft gezogen wurde, etwa fr Schsse auf

    Fliehende an der innerdeutschen Grenze. Der Katalog

  • vonMenschenrechtsverbrechen, den die Uno dem nordkoreanischen Regime

    vorwirft, ist viel schwerwiegender.

    Dazu kommt, dass der Graben zwischen den beiden Korea deutlich grsser ist,

    als er es zwischen den beiden Deutschland war. Die BRD war dreimal so reich wie

    die DDR, zwischen den beiden Korea betrgt der Faktor vierzig. Der kulturelle

    Graben zwischen dem abgeschotteten Norden und dem stark vernetzten Sden

    ist wohl noch grsser. Selbst die Sprache hat sich in siebzig Jahren der Trennung

    auseinanderentwickelt rund ein Drittel der Wrter des alltglichen

    Sprachgebrauchs unterscheiden sich mittlerweile. Nordkoreanische Flchtlinge

    haben dermassen grosse Probleme, sich im Sden zu verstndigen, dass es

    spezielle bersetzungsprogramme fr sie gibt.

    Eigentlich bleibt Seoul nur ein Mittel, den Zeitrahmen fr eine

    Wiedervereinigung zu beschleunigen. Es kann versuchen, das Kim-Regime zu

    untergraben, zum Beispiel indem es Informationen in den Norden sendet, die

    der Propaganda des Regimes entgegenlaufen. Ein enger Berater des ehemaligen

    Prsidenten Lee Myung Bak, der fr seine harte Haltung gegenber dem Norden

    bekannt war, meint, dass Seoul an einer kulturellen Invasion arbeiten msse.

    Er vergleicht Nordkorea mit einem theokratischen Regime: Wenn die Wahrheit

    verbreitet wird, so wird diese Theokratie in ihren Grundfesten erschttert.

    Je mehr Informationen und Ideen von aussen ins abgeschottete Land kommen,

    so lautet die These, desto eher wird sich ein Teil der Eliten gegen die Familie Kim

    erheben. Genau davor frchtet sich Pjongjang und ist gegenber jeder

    Kooperation mit dem kapitalistischen Sden usserst skeptisch. Selbst

    derIndustriepark Kaesong, das lteste und bekannteste Kooperationsprojekt aus

    der Zeit der Sonnenscheinpolitik, bringt marktwirtschaftliche Ideen nach

    Nordkorea. Doch der Nutzen von Kaesong, namentlich die Einnahmen von rund

    100 Millionen Dollar pro Jahr, berwiegt offenbar Pjongjangs Bedenken.

    Etwas hat Prsidentin Park mit ihrer Vereinigungsinitiative erreicht: In Sdkorea

    wird wieder mehr darber gesprochen. Rund 80 Prozent der in einer neuen

    Umfrage Befragten sagen, dass sie sich fr die Vereinigung interessierten. Doch

    die Umfragen zeigen auch, dass der Graben zwischen Koreanern auf beiden

    Seiten der Trennlinie gross ist. Obwohl Kultur und Sprache sie mit dem Norden

    verbinden, fhlen sich Sdkoreaner Amerikanern und Chinesen nher als ihren

    Brdern im Norden. Auch sind Sdkoreaner zurckhaltend, wenn sie zum

    Zeitpunkt der Vereinigung befragt werden. 70 Prozent sagen unverbindlich, dass

  • dies von den Umstnden abhnge.

    Unberbrckbare Gegenstze

    Freilich sind alle Vereinigungsplne bis jetzt unilateral. Sie entstehen in den

    Amtsstuben Seouls ohne Kooperation mit dem Norden. Eine Vereinigung, die

    diesen Namen verdiente, wrde Verhandlungen zwischen den beiden Seiten

    voraussetzen. Doch diese finden nicht statt, weil die Ansichten der Regierungen

    in Seoul und Pjongjang vllig unterschiedlich sind. Der Korea-Reprsentant der

    International Crisis Group, Daniel Pinkston, bringt es auf den Punkt, wenn er

    sagt, dass die nationalen Interessen von Sd- und Nordkorea sich nicht im

    Geringsten berlappen.

    NZZ-Ostasienkorrespondent Patrick Zoll auf Twitter:

    Follow

    Beide Korea protestieren gegen Japan

    Es ist selten, dass sich Nord- und Sdkorea in irgendetwas einig sind.

    Doch die Rede des japanischen Ministerprsidenten Shinzo Abe diese Woche vor dem

    amerikanischen Kongressstiess in beiden Korea gleichermassen auf

    Widerspruch. Abe hatte zwar erwhnt, dass Japan den Nachbarn grosses

    Leid zugefgt habe. Zu einer Entschuldigung konnte er sich allerdings nicht

    durchringen. Sdkoreas Aussenministerium bezeichnete es als sehr bedauernswert, dass

    Abe es nicht geschafft habe, die korrekte Sichtweise der Geschichte

    darzustellen und eine Entschuldigung auszusprechen, die von Herzen

    komme. Abe habe eine Chance zur Annherung an seine Nachbarn

    verpasst.

    Der Kommentar aus Pjongjang war schriller. Was Abe gesagt habe, sei

    eine unertrgliche Beleidigung fr die Opfer, zitierte die staatliche

    Nachrichtenagentur KCNA einen Sprecher des nordkoreanischen Aussenministeriums. Abe

    und andere konservative Krfte versuchten ihre Verbrechen der

    Vergangenheit zu verneinen; nur Chaoten ohne Moral und Psychopathen

    ohne den geringsten Menschenverstand knnten so etwas tun, donnerte

    die KCNA.

    Abe steht unter besonderer Beobachtung, da sich am 15. August zum

  • Japan und Sdkorea gehen unterschiedliche

    Wege

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    Auf Staatsbesuch in Seoul

    Chinesen und Sdkoreaner findensich 4.7.2014, 05:30 Uhr

    siebzigsten Mal die Kapitulation Japans und das Ende des Zweiten

    Weltkriegs in Asien jhrt. Es wird erwartet, dass er zu diesem Anlass eine

    Erklrung abgeben wird. Wie andere Lnder in Ostasien, die unter dem

    japanischen Imperialismus gelitten haben, erhoffen sich die beiden Korea

    eine Entschuldigung des japanischen Ministerprsidenten.

    Bis vor kurzem sah es danach aus, dass sich Abe, Sdkoreas Prsidentin

    Park und Nordkoreas Machthaber Kim zum Jahrestag des Kriegsendes in

    Europa in Moskau treffen knnten. Nun sagten alle drei kurz nacheinander

    ab. Kim Jong Un, so teilte der Kreml am Donnerstag mit, bleibe aus

    innenpolitischen Grnden den Feierlichkeiten fern. Da der sdkoreanische

    Geheimdienst zuvor berichtet hatte, dass seit Jahresbeginn 15 hohe Vertreter des

    nordkoreanischen Regimes hingerichtet worden seien, kamen Gerchte

    ber Machtkmpfe auf. Konkrete Anzeichen dafr gibt es aber keine.

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