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Weitere Auskünfte: Gesamtkirchgemeinde Bern / Münsterkirchgemeinde / Berner Münster-Stiftung Infostand Gerbernkapelle Tel. 031 312 04 62 Layout: 6.12.99, Hermann Häberli, Monika Marti HAUPTPORTAL Text: Dr. Bernhard Furrer; Fotos: Denkmalpflege der Stadt Bern Hauptportalhalle Während der Zugang zum Münster für Touristinnen und Touristen durch den östlichen Seiteneingang und die Gerbernkapelle führt, war und ist das grosse Westportal mit seiner Vorhalle der Hauptzugang zum Gotteshaus. Einer weit verbreiteten Tradition entsprechend nimmt die Halle hauptsächlich die Darstellung des Weltgerichts auf, begleitet von weiteren biblischen Szenen und Gleichnissen. Den Gläubigen sollten auf drastische Art die Folgen ihres Lebenswandels für den Jüngsten Tag vor Augen geführt werden. Das Bildprogramm des Weltgerichts Christus als Weltenrichter, flankiert von der Jungfrau Maria und Johannes dem Täufer sowie den zwölf Aposteln, thront im Portalscheitel des äusseren Bogens. Der mittlere Bogen nimmt acht Prophetenfiguren mit Schrifttafeln und Spruchbändern auf, im inneren Bogen sind fünf Engel mit den Marterwerkzeugen Christis aufgestellt. Das Tympanon, die grosse Partie direkt unter den beiden Portaltüren, enthält die Hauptszene, das jüngste Gericht. Es wird von trompetenblasenden Engeln beidseits des Rundfensters angekündigt, von Erzengel Michael mit Seelen-Waage und Schwert im Zentrum der Darstellung durchgeführt, links werden die Auserwählten in wohlgeordnetem Zug zur Goldenen Himmelspforte geleitet und dort durch einen Engel bekrönt - im Himmel erscheinen Repräsentanten des Alten Testaments sowie Märtyrer und Märtyrerinnen. Auf der andern Seite erscheint der wirre Zug der Verdammten, und es werden drastisch ihre Peinigungen dargestellt. Unter dem Tympanon stand ursprünglich eine Marienfigur, die durch eine Justitia (Daniel Heinzt (l.), 1575) ersetzt wurde; sie ist begleitet von zwei Engeln. Unter diesen halten zwei Werkleute eine Schriftrolle mit Hinweis auf die Grundsteinlegung 1421. Beidseits des Portals folgt die Darstellung des Gleichnisses der Klugen und Törichten Jungfrauen. Das Bildprogramm wird durch die Gewölbeschlusssteine vollendet; sie zeigen die Taube des Heiligen Geistes, die sieben Planeten des Altertums als Sinnbild der Wochentage, die Symbole der vier Evangelisten, die neun Engelschöre sowie vier gosse Berner Wappen, Sinnbild des Selbstbewusstseins der Stadt. Die Seitenwände sind mit grossen Wandbildern versehen. An der Nordwand ist die Verkündigung dargestellt, auf der Südwand der Sündenfall. Spätere Veränderungen Die Portalhalle hat die grossen Zerstörungen der Reformationszeit erstaunlicherweise ohne grössere Einbussen überstanden; der anerkannte Kunstwert, die auch dem neuen Glauben wichtige Thematik und die kritische Detaildarstellung gegenüber kirchlichen Würdeträgern mögen dazu beigetragen haben. Im Verlauf der Jahrhunderte entstanden indessen bedeutende Schäden durch Feuchtigkeit und Luftschadstoffe. Sie führten zu mehreren Neubemalungen der Architekturteile und der Figuren. Anlässlich der letzten Restaurierung (1964-91) wurden alle freistehenden Figuren am Portal durch Kopien ersetzt, die Orginale in das Bernische Historische Museum verbracht. An den verbleibenden Originalteilen (alle Architekturteile sowie Tympanon) wurden zahlreiche kleine Reparaturen am Stein durchgeführt. Für die Farbfassung dieser Teile blieb die letzte Bemalung von 1913/14 erhalten; sie wurde konserviert und mit Retouchen geschlossen. Die kopierten Figuren sind nach Befund an den Orginalen neu farbig gefasst. Die Wandbilder wurden gereinigt, namentlich im Bereich der aufgebrochenen Quaderfugen retouchiert und mit einem neuen Firnis versehen. Die Bedeutung des Hauptportals Die Hauptportalhalle des Berner Münsters ist das letzte Kirchenportal der Gotik mit einem umfassenden Bildprogramm. Die Portalfiguren des Meisters Erhard Küng und der Mitarbeiter seiner Werkstatt sind auch im europäischen Rahmen Meisterleistungen der spätgotischen Plastik. Sie zeigen eindrücklich, mit welcher Intensität und welcher Lebensfülle religiöse Inhalte im späteren Mittelalter durch Bildwerke vermittelt wurden. Ausschnitt Zug der Auserwählten Erzengel Michael Ausschnitt Zug der Verdammten Himmelspforte

HAUPTPORTAL · 2016. 9. 28. · Christis aufgestellt. Das Tympanon, die grosse Partie direkt unter den beiden Portaltüren, enthält die Hauptszene, das jüngste Gericht. Es wird

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  • Weitere Auskünfte: Gesamtkirchgemeinde Bern / Münsterkirchgemeinde /Berner Münster-StiftungInfostand Gerbernkapelle Tel. 031 312 04 62

    Layout: 6.12.99, Hermann Häberli, Monika Marti

    HAUPTPORTAL

    Text: Dr. Bernhard Furrer; Fotos: Denkmalpflege der Stadt Bern

    Hauptportalhalle

    Während der Zugang zum Münster für Touristinnen und Touristen durch den östlichen Seiteneingang unddie Gerbernkapelle führt, war und ist das grosse Westportal mit seiner Vorhalle der Hauptzugang zumGotteshaus. Einer weit verbreiteten Tradition entsprechend nimmt die Halle hauptsächlich die Darstellungdes Weltgerichts auf, begleitet von weiteren biblischen Szenen und Gleichnissen. Den Gläubigen solltenauf drastische Art die Folgen ihres Lebenswandels für den Jüngsten Tag vor Augen geführt werden.

    Das Bildprogramm des Weltgerichts

    Christus als Weltenrichter, flankiert von der Jungfrau Maria und Johannes dem Täufer sowie den zwölfAposteln, thront im Portalscheitel des äusseren Bogens. Der mittlere Bogen nimmt acht Prophetenfigurenmit Schrifttafeln und Spruchbändern auf, im inneren Bogen sind fünf Engel mit den MarterwerkzeugenChristis aufgestellt. Das Tympanon, die grosse Partie direkt unter den beiden Portaltüren, enthält dieHauptszene, das jüngste Gericht. Es wird von trompetenblasenden Engeln beidseits des Rundfenstersangekündigt, von Erzengel Michael mit Seelen-Waage und Schwert im Zentrum der Darstellungdurchgeführt, links werden die Auserwählten in wohlgeordnetem Zug zur Goldenen Himmelspforte geleitetund dort durch einen Engel bekrönt - im Himmel erscheinen Repräsentanten des Alten Testaments sowieMärtyrer und Märtyrerinnen. Auf der andern Seite erscheint der wirre Zug der Verdammten, und es werdendrastisch ihre Peinigungen dargestellt.Unter dem Tympanon stand ursprünglich eine Marienfigur, die durch eine Justitia (Daniel Heinzt (l.), 1575)ersetzt wurde; sie ist begleitet von zwei Engeln. Unter diesen halten zwei Werkleute eine Schriftrolle mitHinweis auf die Grundsteinlegung 1421. Beidseits des Portals folgt die Darstellung des Gleichnisses derKlugen und Törichten Jungfrauen. Das Bildprogramm wird durch die Gewölbeschlusssteine vollendet; siezeigen die Taube des Heiligen Geistes, die sieben Planeten des Altertums als Sinnbild der Wochentage,die Symbole der vier Evangelisten, die neun Engelschöre sowie vier gosse Berner Wappen, Sinnbild desSelbstbewusstseins der Stadt.Die Seitenwände sind mit grossen Wandbildern versehen. An der Nordwand ist die Verkündigung dargestellt,auf der Südwand der Sündenfall.

    Spätere Veränderungen

    Die Portalhalle hat die grossen Zerstörungen der Reformationszeit erstaunlicherweise ohne grössereEinbussen überstanden; der anerkannte Kunstwert, die auch dem neuen Glauben wichtige Thematik unddie kritische Detaildarstellung gegenüber kirchlichen Würdeträgern mögen dazu beigetragen haben. ImVerlauf der Jahrhunderte entstanden indessen bedeutende Schäden durch Feuchtigkeit und Luftschadstoffe.Sie führten zu mehreren Neubemalungen der Architekturteile und der Figuren. Anlässlich der letztenRestaurierung (1964-91) wurden alle freistehenden Figuren am Portal durch Kopien ersetzt, die Orginalein das Bernische Historische Museum verbracht. An den verbleibenden Originalteilen (alle Architekturteilesowie Tympanon) wurden zahlreiche kleine Reparaturen am Stein durchgeführt. Für die Farbfassungdieser Teile blieb die letzte Bemalung von 1913/14 erhalten; sie wurde konserviert und mit Retouchengeschlossen. Die kopierten Figuren sind nach Befund an den Orginalen neu farbig gefasst. Die Wandbilderwurden gereinigt, namentlich im Bereich der aufgebrochenen Quaderfugen retouchiert und mit einemneuen Firnis versehen.

    Die Bedeutung des Hauptportals

    Die Hauptportalhalle des Berner Münsters ist das letzte Kirchenportal der Gotik mit einem umfassendenBildprogramm. Die Portalfiguren des Meisters Erhard Küng und der Mitarbeiter seiner Werkstatt sind auchim europäischen Rahmen Meisterleistungen der spätgotischen Plastik. Sie zeigen eindrücklich, mit welcherIntensität und welcher Lebensfülle religiöse Inhalte im späteren Mittelalter durch Bildwerke vermittelt wurden.

    Ausschnitt Zug der Auserwählten

    Erzengel Michael

    Ausschnitt Zug der Verdammten

    Himmelspforte