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Die Himmlische Stadt Kommentare zur Apokalypse

230 - Die himmlische Stadt - Prosveta Verlag...IV Briefe an die Gemeinden von Ephesus und Smyrna..... 59 V Brief an die Gemeinde von Pergamon .... 75 VI Brief an die Gemeinde von Laodizea

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Die HimmlischeStadt

Kommentare zur Apokalypse

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INHALT

I Besuch auf Patmos .................................. 11

II Einführung in die Offenbarung ................ 27

III Melchisedek und die Lehre von den beiden Prinzipien, Teil 1 ........................................................ 35

Teil 2 ........................................................ 51

IV Briefe an die Gemeinden von Ephesus und Smyrna .............................................. 59

V Brief an die Gemeinde von Pergamon .... 75

VI Brief an die Gemeinde von Laodizea ...... 85

VII Die Vierundzwanzig Ältesten und die vier Heiligen Tiere ................................ 101

VIII Das Buch und das Lamm ...................... 115

IX Die 144 000 Diener Gottes .................... 123

X Die Frau und der Drache........................ 133

XI Erzengel Michael streckt den Drachen nieder...................................................... 141

XII Der Drache speit Wasser auf die Frau.... 147

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XIII Das Tier, das aus dem Meer empor-steigt und das Tier, das aus der Erdeemporsteigt ............................................ 155

XIV Das Hochzeitsfest des Lammes.............. 163

XV Der für tausend Jahre gefesselte Drache 169

XVI Der Neue Himmel und die Neue Erde .. 175

XVII Die Himmlische Stadt ............................187

Teil 1: Der Würfel .................................. 192

Teil 2: Die Fundamente aus Edelsteinen 196

Teil 3: Die Tore aus Perlen .................... 198

Teil 4: Der Strom des Lebens ................ 203

Teil 5: Das Kommen des Neuen Jerusalem ........................ 208

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Die wichtigsten Orte in diesem Buch

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Aus dem Französischen übersetztOriginaltitel:

approche de la Cité célestecommentaires de l’Apocalypse

© 1989, Éditions Prosveta S. A., France, ISBN 2-85566-476-4Französische Originalausgabe

© 2001, Prosveta Verlag GmbH, ISBN 3-89515-073-8

© 2010, Prosveta Verlag GmbH, Deutschland,Heerstr. 55, 78628 Rottweil

Alle Rechte für alle Länder vorbehalten. Jeder Nachdruck sowie jede Bearbeitung, Darstellung, Bild-, Ton- oder sonstige Ausgabe

bedürfen der Genehmigung des Herausgebers.

ISBN 978-3-89515-073-9

Druck 2010 Interpress, Ungarn

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Omraam Mikhaël Aïvanhov

PROSVETA VERLAG

Die HimmlischeStadt

Kommentare zur Apokalypse

Reihe Izvor - Band 230

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Da Meister Omraam Mikhaël Aïvanhovseine Lehre ausschließlich mündlich überlieferte,

wurden seine Bücher aus stenografischenMitschriften, Tonband- und Videoaufnahmenseiner stets frei gehaltenen Vorträge erstellt.

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I

BESUCH AUF PATMOS

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Heute möchte ich euch an einen Ort führen, dermein Herz verzaubert hat, und auch die Herzen allder Freunde, die mich begleitet haben. Ja, ichmöchte euch auf einen Spaziergang an einen ge-weihten, weit entfernten Ort mitnehmen. DieserOrt heißt Patmos.

Patmos ist eine griechische Insel, die allerdingsviel näher an der Türkei liegt als an Griechenland.Man kann sie nur mit dem Schiff erreichen und dieÜberfahrt von Athen dauert fast dreizehn Stunden.Patmos ist auf der Karte eine ganz kleine Insel,aber in Wirklichkeit ist sie eine sehr große Insel,aufgrund ihrer spirituellen Bedeutung, und wirwollten sie erkunden. Unsere Reise glich daher ei-ner Pilgerfahrt, denn eben dort hat der EvangelistJohannes gelebt und das Evangelium und die Of-fenbarung geschrieben.

Wenn man sich der Insel nähert, ist man vomAnblick der makellos weißen Häuser gefangen, ein

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Weiß, das durch das Blau des Himmels und desMeeres noch stärker hervorsticht. Einige kleineHäusergruppen liegen direkt am Meer, andere, wieChora, wo sich das Kloster des Johannes des Evan-gelisten mit der Grotte der Apokalypse befindet,liegen in den Hügeln. Um diese Grotte herum, woJohannes gelebt hat, wurden nach und nach imLaufe der Jahrhunderte zahlreiche Gebäude errich-tet, die jetzt das Kloster bilden: die Basilika des Hl.Johannes des Theologen*, auf den Ruinen einesArtemis-Tempels erbaut, eine dem Hl. Christodu-los, dem Gründer des Klosters im zwölften Jahr-hundert, geweihte Kapelle und noch viele andereKirchen, Kapellen und Zellen für die Mönche, so-wie ein Refektorium und eine Bibliothek. Es ist einbeeindruckender Gebäudekomplex, den man vonallen Punkten der Insel sehen kann; er ist von Fes-tungsmauern aus dem 17. Jahrhundert umgeben,einer Zeit, in der es notwendig war, sich gegen diehäufigen Piratenüberfälle zu schützen.

Man erreicht den einzigen Eingang zum Klos-ter, nachdem man einige in den Fels gehauene Stu-fen erklommen hat. Man durchquert Gänge, Innen-höfe und von Zellen und Kapellen begrenzteblühende Gärten; nachdem man dann noch etwadreißig wiederum in den Fels gehauene Stufen hin-abgestiegen ist, kommt man an weiteren Kapellen

14 Die Himmlische Stadt

* Der griechische Name für Johannes den Evangelisten.

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vorbei, bis man die Kapelle der Hl. Anna betritt, diemit der Grotte der Apokalypse verbunden ist. DieseKapelle wurde als erstes Gebäude hier erbaut.Christodulos hat ihr diesen Namen gegeben, weiler in erster Linie die Hl. Anna, die Mutter von Ma-ria (Mutter von Jesus), ehren wollte, aber auch dieMutter des byzantinischen Herrschers Alexios I.Komnenos*, die ebenfalls Anna hieß.

Die Grotte der Apokalypse ist weder sehr großnoch sehr hoch (etwa 2 Meter) und bietet nur weni-gen Personen Platz. Man hat uns auf eine Vertie-fung hingewiesen, in die der Überlieferung nachJohannes seinen Kopf legte. Über dieser Vertiefunggab es ein Kreuz, das er selbst dort in den Fels ge-ritzt haben soll. Man wies auch auf eine andereVertiefung, die ihm als Stütze gedient haben soll,wenn er sich wieder erheben wollte, denn er warbereits sehr alt.

An einem sehr geraden und glatten Teil des Fel-sens kann man eine Art Pult erkennen, an dem an-geblich sein Schüler Prokhoros, von Johannes dik-tiert, das Evangelium niedergeschrieben hat. AmGewölbe der Grotte sieht man einen dreifachenRiss, der durch einen Blitz genau in dem Momenthervorgerufen worden sein soll, als die Stimme aus

15Besuch auf Patmos

* Der Herrscher Alexios I. Komnenos schenkte Christodulos dieInsel Patmos.

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der Apokalypse erschallte. Und dieser dreifacheRiss gilt als ein Symbol der Dreieinigkeit. DieGrotte ist auch mit heiligen Gegenständen ge-schmückt und mit Ikonen, vor denen Lampen bren-nen, und man kann dort mehrere Inschriften aufgriechisch lesen: »Am Anfang war das Wort« und»Hier auf Patmos sind die Dinge geschehen« oderauch »Dieser schreckliche Ort«.

Der Pope, der uns bei unserem Besuch geführthat, hat uns überall große Schätze gezeigt: großar-tig illustrierte Manuskripte, Reliquien, Ikonen undheilige Gegenstände. Und als er uns das Leben desJohannes erzählte, laut den Aussagen einiger Jün-ger, die dieser hier auf Patmos herangebildet hat,war er in einem Zustand unglaublicher Inspirationund Begeisterung und begriff selbst nicht wie ihmgeschah. Er strahlte!

Ich habe diese Grotte zweimal aufgesucht, umzu meditieren und dem Geist des Johannes zu be-gegnen. Die Stille dort ist wirklich außerordentlich.Seit zweitausend Jahren hat nichts die fluidischenSpuren von Johannes dem Evangelisten auslöschenkönnen, trotz der zahllosen Menschen, die dort ge-wesen sind. Ich habe sehr viele Dinge gespürt. Esist ein wahrhaft heiliger, wahrhaft reiner, wahrhaftgöttlicher Ort. Ich wünsche euch allen, dass ihr ei-nes Tages diese Grotte besuchen könnt.

Johannes selbst offenbart am Anfang der Apo-kalypse, warum er sich auf Patmos befand. »Ich,

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Johannes, der auch euer Bruder und Mitgenossean der Trübsal ist und am Reich und an der GeduldJesu Christi, war auf der Insel, die da heißt Pat-mos, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnis-ses Jesu Christi.« (Off 1,9)

Es war unter der Herrschaft des Domitian, zurZeit der Christenverfolgung, dass Johannes, der da-mals in Ephesus war, als Gefangener auf die InselPatmos gebracht wurde. Man brachte ihn in Kettenaufs Schiff, und sein Jünger Prokhoros begleiteteihn. Die Überlieferung berichtet, dass im Laufe derÜberfahrt ein gewaltiger Sturm losbrach. Die Ma-trosen kämpften gegen die Wellen und versuchten,das Schiff zu steuern. Plötzlich fiel ein junger Sol-dat, der auch an der Reise teilnahm, ins Meer. DiePassagiere waren entsetzt und der Vater des jungenBurschen war verzweifelt und wollte sich ins Was-ser stürzen, um seinem Sohn in den Tod zu folgen.Man konnte ihn nur mit Mühe zurückhalten. Mittenin diesem ganzen Trubel war allein Johannes ruhiggeblieben, er schien sogar zufrieden. Man stellteihm die Frage: »Berührt dich der Tod dieses Jungengar nicht? Willst du uns nicht helfen? – Warum bit-tet ihr nicht eure Gottheiten, entgegnete er, sie kön-nen ihn retten. – Seit mehreren Stunden bereits fle-hen wir sie an, aber ohne Erfolg.« Da begannJohannes zu beten und einige Minuten spätertauchte der Junge lebendig an der Oberfläche desMeeres auf und wurde gerettet. Alle waren ver-

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blüfft. Sie standen um Johannes, um ihm zu dankenund baten ihn um Verzeihung dafür, dass sie ihn inKetten gelegt hatten. Man nahm sie ihm ab und be-gann, ihn mit Achtung zu betrachten.

In Patmos angelangt, wurde er in der Familieeines Mannes aufgenommen, der Myron hieß. Dortbefreite er zunächst die Kinder dieser Familie vonbösen Geistern, die sich ihrer bemächtigt hatten.Und da er überall in seiner Umgebung Gutes tat,nahm sein Ansehen zu, und es kamen immer mehrLeute in Myrons Haus, um Johannes um Rat zu fra-gen. Er begann ihnen von Jesus zu erzählen, wer erwar und was er selbst bei ihm gesehen und gehörthatte. Viele ließen sich bekehren und das Haus desMyron wurde so der erste Ort für Zusammenkünftevon Christen.

Doch es gab auf Patmos auch ein Heiligtum desApollon, dessen Priester wütend waren, weil siemit ansehen mussten, welchen Einfluss Johannesauf die Bevölkerung ausübte, denn ihre Tempelleerten sich. Das Oberhaupt dieser Priester war Ky-nops, ein gefährlicher Schwarzmagier, und sie wa-ren alle der Meinung, dass man Johannes so schnellwie möglich loswerden müsse. Kynops schickte ei-nen sehr mächtigen Dämon, um ihn anzugreifen,aber Johannes kämpfte und vernichtete ihn. Ky-nops schickte daraufhin einen anderen, noch mäch-tigeren und einen dritten, der ihm über das Ergeb-nis berichten sollte. Auch da trug Johannes den

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Sieg davon. Da entschloss sich Kynops, ihn selbstherauszufordern.

Er ging los und fand Johannes, wie er geradeder Menge predigte. Er unterbrach ihn und wandtesich an einige Herumstehende: »Du, wo ist deinVater?, fragte er einen jungen Burschen. – Er ist tot,ertrunken. – Und du, wo ist dein Sohn? – Er hatsich umgebracht, indem er ins Wasser gesprungenist.« Noch andere gaben dieselben Antworten. Je-der hatte einen Verwandten, der durch Unfall oderfreiwillig ertrunken war. Kynops wandte sich dar-auf an Johannes und forderte ihn auf, all diese Er-trunkenen wieder vom Meeresgrund hoch zu holen.Dieser Aufforderung entgegnete er, es sei nichtseine Aufgabe, die Toten wieder zum Leben zu er-wecken, sondern das Evangelium von Jesus zu pre-digen. Stolz, seine Überlegenheit zeigen zu kön-nen, ließ Kynops, nach Ausführung einigermagischer Handlungen, die Trugbilder all dieserverstorbenen Personen aus dem Meer emporstei-gen. Die Anwesenden, durch diese Hexen-Kunst-stücke getäuscht, glaubten aufs Neue an die Machtvon Kynops und griffen, von ihm dazu gedrängt,Johannes an und schlugen ihn, bis er schwer ver-letzt zusammenbrach. Alle zogen zufrieden vondannen, in der Annahme, er wäre tot. Aber mittenin der Nacht kehrte sein Jünger Prokhoros zu ihmzurück. Er hörte seinen Meister rufen: »Prokhoros,geh und sag Myron, dass ich noch lebe und zurück-

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kommen werde. Alles kommt wieder in Ordnung.«Als Myron die gute Nachricht erfuhr, war er er-staunt und unendlich glücklich!

Einige Zeit später flammte der Krieg mit Ky-nops wieder auf, und das ist wiederum eine langeGeschichte. Eines Tages nahm eine große Men-schenmenge Johannes mit sich zum Strand, wo Ky-nops noch dabei war, sich seinen magischen Prakti-ken zu widmen, um ein für alle Mal zu beweisen,wer der Stärkere sei. Johannes sprach ein Gebetund als Kynops ins Wasser tauchte, um die Trugbil-der emporzuholen, blieb er verschwunden, anstatt,wie die vorausgegangenen Male wieder aufzutau-chen. Viele warteten drei Tage lang vergeblich aufihn, aber das Verhalten und die Worte von Johannesüberzeugten sie schließlich, die Lehre Christi anzu-nehmen und nach Hause zurückzukehren. Nochheute weist man auf einen dreiteiligen Felsen imMeer, und sagt, das sei der Kopf, der Rumpf unddie Glieder des versteinerten Hexers Kynops.

Einige Jahre später wurde Kaiser Domitian er-mordet und durch Nerva ersetzt, der sich denChristen gegenüber toleranter zeigte. Unter seinerHerrschaft hörten die Verfolgungen auf und Johan-nes wurde gestattet, Patmos, wohin man ihn ver-bannt hatte, zu verlassen und als freier Mann nachEphesus zurückzukehren. Die Bevölkerung der In-sel jedoch, hing mittlerweile sehr an ihm. Er hatteso viele Leute aufgeklärt, ihnen geholfen und sie

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geheilt, dass sie ihn nicht mehr gehen lassen woll-ten. Sie baten ihn und flehten ihn an. »Aber ichmuss gehen,« sagte Johannes, »denn andere Brüderund Schwestern warten auf die frohe Kunde.« Sieflehten ihn weiterhin an, doch Johannes konntenicht nachgeben. Als sie dann sahen, dass er nichtnachgeben würde, baten sie ihn, vor seiner Abfahrtetwas zu schreiben, das eine Art Zeugnis der gutenWorte wäre, die er ihnen überbracht hatte. Damitwar Johannes einverstanden. Nachdem er mehrereTage gebetet und gefastet hatte, begann er seinEvangelium zu schreiben, indem er es Prokhorosdiktierte: »Am Anfang war das Wort...« Danachschrieb er die Apokalypse. Als er damit fertig war,ließen die Inselbewohner ihn ziehen, da sie einsa-hen, dass er ihnen alles gegeben hatte, was siebrauchen würden.

Man hat uns erzählt, dass Johannes, als er sei-nen Tod nahen fühlte, zwei oder drei seiner Jüngerbat, ein großes Loch zu graben. Er stieg in diesesLoch und forderte sie auf, es bis zu seiner Brust mitErde zu füllen und am nächsten Tag wiederzukom-men. Als sie zurückkamen, war er immer noch amLeben und sagte zu ihnen: »Jetzt begrabt mich biszu den Schultern und kommt morgen wieder.« Amnächsten Morgen lebte er immer noch. Sie musstennoch ein wenig mehr Erde auffüllen. Aber als sieam folgenden Tag wiederkamen, war er nicht mehrda. Es muss sich natürlich um eine Legende han-

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deln. Es gibt zahlreiche mehr oder weniger legen-denhafte Zeugnisse und Erzählungen, die Johannesbetreffen, Berichte seiner Jünger; man kann sie ineinigen griechischen Bibliotheken finden. Es inter-essierte mich sehr, bestimmte Einzelheiten zu er-fahren.

Von den ersten Tagen der Kirche an hat sicheine durch die Lehre des Johannes inspirierte Tra-dition auf Patmos erhalten. Darum wurde im acht-zehnten Jahrhundert, nicht weit vom Kloster ent-fernt, eine Schule gebaut. Diese Schule, Patmiasgenannt, hat eine große Zahl von Geistlichen,Theologen und Denkern hervorgebracht und dasChristentum mit wahrhaft bedeutenden Persönlich-keiten bereichert.

Patmos ist ein so großartiger Ort, dass ich esgern gesehen hätte, wenn unsere griechische Bru-derschaft dort ein Stück Land besäße, um sich dortvon Zeit zu Zeit aufhalten zu können. Welch außer-gewöhnliche Bedingungen gäbe es hier, um zu be-ten, zu meditieren und ein brüderliches Leben zuführen! Welch ein Vergnügen hätten die Brüder undSchwestern hier, Wassermelonen, Honigmelonenund alle Arten von Obstbäumen anzubauen! DerTaxifahrer, der uns zum Kloster gefahren hatte, be-saß mehrere Stück Land auf der Insel, und genaudasjenige, das mir auf einem Hügel aufgefallenwar, und er war sogar bereit es uns zu verkaufen.Von dort oben sah man den Sonnenaufgang und an-

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dere Inseln in der Ferne, sowie das Kloster und denHafen mit seinen Häuschen... Patmos ist gar nichtso weit von Athen entfernt, aber leider dauert dieÜberfahrt sehr lang: dreizehn Stunden für die Hin-fahrt und dreizehn Stunden für die Rückfahrt, undman kann nur mit dem Schiff dorthin gelangen, esgibt keinen Luftverkehr dorthin. Und wenn dasMeer unruhig ist, wie es auf unserer Hinfahrt derFall war, wird es zu einem Abenteuer.

Bis zu dieser Reise scheute ich mich immer da-vor, ein Schiff zu nehmen, denn ich werde leichtseekrank. Aber erstaunlicherweise fand ich es dies-mal geradezu wunderbar, herumgeschaukelt zuwerden, ich fand Vergnügen daran... verrückt! Ihrlacht darüber, nicht wahr?... Nun, um dieses Be-dürfnis, geschaukelt zu werden, noch einmal zu be-friedigen, haben wir ein kleines Motorboot gemie-tet, um zwei Tage lang eine andere Spazierfahrt aufdem Meer zu machen. Aber dieses Mal sind wirzum Berg Athos gefahren. Das war ein weiterergroßartiger Besuch! Es gibt dort etwa zwanzig inden Bergen verstreute Klöster, und wir haben dieHälfte davon besucht. Auf bulgarisch nennen wirden Berg Athos »Sveta Gora«, das heißt HeiligerWald. Wir haben bulgarische, jugoslawische, russi-sche und andere Klöster aufgesucht, in denen esaußergewöhnliche Ikonen zu sehen gab. Ja, welcheHerrlichkeit! Wir haben sie fotografiert und ge-filmt. Die Mönche waren so gastfreundlich und

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sympathisch und wollten uns nicht mehr fortlassen.Sie bestanden immer darauf, uns Rachat Lokum,eine orientalische Süßigkeit, Konfitüre und Kaffeeanzubieten, und sogar Raki. Wenn wir akzeptierthätten, hätten wir niemals den Weg zum Schiffzurückfinden können!...

Aber kommen wir nach Patmos zurück.Während meines Aufenthaltes habe ich mich an derSchönheit seiner Landschaft erfreut, einer sehrschlichten Schönheit, denn es gibt nur wenig Vege-tation auf der Insel. Es ist besonders die Atmo-sphäre, die außergewöhnlich ist, als hätte der Geistdes Johannes die Erde und ihre Bewohner sehr tiefdurchdrungen. Und trotz der Besucher, trotz desTourismus, der im Allgemeinen überall alles ver-dirbt, der die Mentalität der einfachen, natürlichen,offenen und warmherzigen Menschen verändert,indem er ihnen die schlimmsten Aspekte des mo-dernen Lebens einimpft, trotzdem ist Patmos auchnach 2000 Jahren ein außergewöhnlicher Ort ge-blieben. Die Bewohner von Patmos haben sogarmich in Erstaunen versetzt: Das Strahlen ihrer Ge-sichter und die Einfachheit ihres Verhaltens ließenspüren, dass es wahrlich ein besonderer Ort aufdieser Erde ist. Niemals bin ich auf eine solche Be-völkerung getroffen, fähig, so viel Liebe, Güte,Aufrichtigkeit, Großzügigkeit und Brüderlichkeitzum Ausdruck zu bringen. Ja, ihr Geist ist derartbrüderlich, derart mystisch, religiös und tiefgrün-

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dig! Man könnte sagen, es gibt dort niemanden, derboshaft oder unehrlich ist. Wir haben fast alle gese-hen, angefangen bei denen, die uns am Hafen emp-fangen haben, um unsere Koffer zu transportieren,bis hin zu den Mönchen und Bischöfen, und allewaren so zuvorkommend, gastfreundlich undwarmherzig, dass, ich versichere es euch, mir dieWorte fehlen, um es auszudrücken. Es lohnt sich,diese Leute dort kennen zu lernen. Ihre Gesichterstrahlten Frieden, Glück und Licht aus. Ja, einLicht ging von ihnen aus, man spürte und sah ihreAura.

Eines Tages habe ich in meinem Hotelzimmermeditiert und Weihrauch verbrannt, um der un-sichtbaren Welt bestimmte Fragen zu stellen. Da-nach bin ich in Begleitung meiner Freunde zu ei-nem Spaziergang in die Hügel aufgebrochen. Undsiehe da, da stand dann am Wegesrand eine, demÄußeren nach sehr einfache, geradezu arme Frau,aber mit einem wunderbaren Gesicht. Sie standdort, als ob sie auf uns gewartet hätte. Und als wirin etwa auf ihrer Höhe waren, kam sie auf mich zu,küsste mir die Hand mit großem Respekt und sagteeinige Worte auf griechisch zu mir, die man mirübersetzte. Und was sie mir sagte war die Antwortauf die Frage, die ich gestellt hatte. Der Himmelhatte sich dieser Frau bedient, um mir zu antwor-ten. Und ich war derart glücklich! Ja, denn ihreWorte waren prophetisch, sie gab mir die Antwort

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des Himmels auf das, was ich gefragt hatte. Für denHimmel, das solltet ihr wissen, ist es sehr leicht,durch einen Vogel, einen Hund, ein Pferd undnatürlich auch durch einen Menschen Antwortenzu geben. Das Problem ist nur, dass es einem nichtimmer gelingt, diese Antwort zu entziffern, sierichtig zu verstehen, aber eine Antwort kommt im-mer, man wird niemals ohne Antwort gelassen.Die, die der Himmel mir an diesem Tag gegebenhat, hat eine große Freude in mir ausgelöst. Danachgingen wir weiter, um noch andere wunderbareOrte auf der Insel zu besuchen.

Es ist wirklich etwas Besonderes auf Patmos.Viele Menschen, mit denen wir gesprochen haben,bedienten sich einer Ausdrucksweise, wie ich sieniemals irgendwo anders, in anderen Städten, inanderen Ländern gehört habe: einer mystischen, ei-ner spirituellen Sprache, mit Redewendungen vonaußergewöhnlicher Weisheit und Tiefe. Und ich binauch niemals so freundlichen und so strahlendenPopen und Mönchen begegnet. Sie suchten michauf und wir führten gemeinsam lange Gespräche.Und welche Freude, überall in den Straßen denBlicken dieser Menschen zu begegnen – respekt-vollen, vertrauensvollen, liebevollen Blicken...Dort ist ein Fleckchen Erde, wo die Menschenglücklich sind, ein Fleckchen Erde unschuldig undrein...

Möge es gesegnet sein!

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II

EINFÜHRUNG IN DIE OFFENBARUNG

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Das Christentum ist nicht eines Tages aus demNichts heraus in der Welt erschienen. Es ist das Er-gebnis mehrerer Traditionen, und ganz besondersder jüdischen Tradition, die in der Kabbala ihrenAusdruck findet. Jesus kannte die Kabbala und esist notwendig, Grundkenntnisse in dieser Wissen-schaft zu haben, wenn man das Alte und das NeueTestament wirklich verstehen will. Leider hat sichdie Kirche jahrhundertelang damit zufrieden gege-ben, den Gläubigen einige Bruchstücke, einigeoberflächliche Kenntnisse zu vermitteln, und jetztdarf man sich nicht wundern, wenn die Christenmehr und mehr in den Lehren des Orient und desFernen Ostens nach spiritueller Nahrung suchen,weil sie das Christentum armselig und unzuläng-lich finden. Nun, wer hat Schuld daran? Der Klerussollte sich schämen, dass er es nicht fertig gebrachthat, all den Reichtum und die Tiefe des Christen-tums, seiner Philosophie und seines Symbolismusaufzuzeigen; sie haben sich damit begnügt, allesMögliche zu predigen, das nichts Besonderes ver-mittelte, und das ist jetzt das Ergebnis. All diejeni-

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gen, die etwas mehr suchen, verlassen die Kirche. Jahrhundertelang hat man den Christen immer

wieder vorgebetet, dass Glauben zu haben das We-sentliche sei. Wenn sie Fragen stellten, antworteteman ihnen, das seien Mysterien, um deren Ver-ständnis sie sich nicht zu bemühen bräuchten. Siesollten glauben und dann würden sie gerettet wer-den. Aber nein, es genügt nicht zu glauben, die Re-ligion ist nicht auf den Glauben begrenzt. Jede Re-ligion enthält ein Wissen, und wenn man denGläubigen dieses Wissen vorenthält, mit dem sieihren Intellekt, ihre Seele und ihren Geist nährenkönnen, verlieren sie schließlich den Glauben,denn sie haben den Eindruck, an ungereimtes Zeugzu glauben. Ich weiß, dass vielen die VorstellungSchwierigkeiten bereitet, dass Jesus die Kabbalakannte, aber das ist die Realität. Die Kabbala warTeil der jüdischen Überlieferung, in der er unter-richtet worden war, und er selbst offenbarte Johan-nes dieses ganze Wissen, von dem zahlreiche Ele-mente in seinem Evangelium und vor allem in derApokalypse wiederzufinden sind.

Jede Religion besitzt eine exoterische Lehre,die allen gegeben werden kann und eine esoteri-sche Lehre, die einer geistigen Elite vorbehaltenbleibt, die fähig ist, sie zu verstehen. In der christli-chen Religion wird die exoterische Lehre durch dieKirche des Petrus repräsentiert; und diese Kirchehat sich mit Gewalt durchgesetzt, und nicht gezö-

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gert, all die umzubringen und zu verbrennen, diesich ihr widersetzten oder ihrer Meinung nach ihreRegeln nicht akzeptierten. Die esoterische Lehrewird durch die Kirche des Johannes repräsentiert;sie ist ihrer Arbeit im Geheimen nachgegangen,ohne jemals irgend jemanden zu verfolgen oderumzubringen, daher wurde sie selbst Opfer der In-toleranz der Kirche des Petrus.

Jesus hat Johannes also eine Lehre gegeben, dieer den anderen Schülern vorenthalten hat, und die-jenigen, denen dies klar wurde, waren ein wenig ei-fersüchtig. Aber lassen wir das... Die Kirche desJohannes ist die Bewahrerin der Quintessenz derLehre Jesu, und sie ist immer bereit, die Menschenzu unterrichten, die sich begierig zeigen, die Ge-heimnisse der Schöpfung zu ergründen und all dieWahrheiten bezüglich der unsichtbaren Welt undder spirituellen Entwicklung des Menschen zu ver-tiefen. Die Apokalypse ist das Buch der Kirche desJohannes; um aber all die Zahlen, Symbole undBilder, die sie enthält, zu interpretieren, muss manKenntnisse auf dem Gebiet der Kabbala, der Astro-logie, der Alchimie und der Magie besitzen, undsogar der Karten des Tarot, die keineswegs Spiel-karten sind, wie manche meinen, sondern eine Zu-sammenfassung der gesamten Einweihungslehredarstellen.

Daher scheuen sich die meisten Pastoren undPriester, die Apokalypse zu interpretieren, denn sie

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wären gezwungen, all diese Wissenschaften anzu-erkennen, und damit bestimmte Aspekte der Reli-gion zu ändern. Ja, sie lassen die Apokalypse bei-seite, weil sie der Beweis ist, dass die heiligenBücher nur mittels des Einweihungswissens inter-pretiert werden können. Man zieht es manchmalsogar vor, anzudeuten, dass Johannes bei ihrer Nie-derschrift schon sehr alt war und sich von Rabbi-nern hat beeinflussen lassen, oder auch, dass er einwenig den Kopf verloren und ungereimtes Zeugvon sich gegeben hätte. Anstatt nachzuforschen,um in dieses Wissen vordringen und die Symboleentziffern zu können, nimmt man lieber an, Johan-nes sei im Alter kindisch geworden und lässt dieApokalypse unbeachtet.

Manche sagen: »Dieses Buch ist tatsächlich un-klar und schwer zu interpretieren!« Es ist für dieje-nigen unklar, die nicht die Schlüssel besitzen; fürdiejenigen, die sie besitzen, ist es das eindeutigsteBuch. Natürlich stehen die Bilder, die Symbole undZahlen nicht in der Reihenfolge, in der man sie er-warten könnte: Manche, die sich am Ende befin-den, stehen in Verbindung zu Passagen vom An-fang oder aus der Mitte; genauso wie Karten, dieman planlos hingeworfen hat. Derjenige aber, derdas wahre Wissen besitzt, nimmt die Karten, bringtsie in die richtige Reihenfolge und liest. Wenn mandie Bedeutung der Zahlen und den verborgenenSinn der Symbole kennt, können all die Elemente,

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die dem Anschein nach keine Verbindung mitein-ander haben, zusammengebracht werden; dann er-klären sie sich gegenseitig und geben ein vollkom-men logisches Gesamtbild.

Ich habe zahlreiche Interpretationen der Apoka-lypse gelesen, und wenn auch immerhin einige da-von der Wahrheit entsprechen, finde ich doch, dassnoch nie jemand das Wahre, das Wesentliche zurSprache gebracht hat. Warum? Es gibt mehrereGründe dafür, aber hauptsächlich, weil man ver-sucht hat, historische Personen, Länder oder Ereig-nisse wiederzuerkennen, anstatt in diesem Buchnur das Wesentliche zu sehen, das heißt die Be-schreibung von Elementen und Vorgängen des in-neren und des kosmischen Lebens. Was für Fehlerkonnte man da begehen, bezüglich der vier Reiterund des Drachens mit sieben Köpfen und zehnHörnern, hinsichtlich der mit Sternen gekröntenFrau, der großen Hure und dem Neuen Jerusa-lem!...

Auch ich habe euch einige Passagen interpre-tiert und ich könnte damit fortfahren, aber es gibtso viele andere Themen vorher zu behandeln! Waswürdet ihr mit der Apokalypse anfangen, wenn ihrnicht bereits daran gearbeitet habt, die wahrenGrundlagen des spirituellen Lebens zu erlangen?Denn es genügt keinesfalls, all diese Symbole in-tellektuell zu verstehen, man muss sie in sich selbstzum Leben erwecken können. Solange ihr nicht zu-

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vor eine Arbeit der Reinigung, der Selbstbeherr-schung, der inneren Erhebung durchgeführt habt,bleiben euch die Wunder der Apokalypse ver-schlossen.

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III

MELCHISEDEK UND DIE LEHRE VON DEN BEIDEN PRINZIPIEN

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I

»Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenossean der Trübsal und am Reich und im Ausharren beiJesus, ich war auf der Insel, die da heißt Patmos,um des Wortes Gottes willen und des Zeugnissesvon Jesus. Der Geist kam über mich am Tage desHerrn, und ich hörte hinter mir eine große Stimme,wie von einer Posaune, die sprach: »Was du siehst,das schreibe in ein Buch und sende es zu den siebenGemeinden: nach Ephesus, nach Smyrna, nachPergamon, nach Thyatira, nach Sardes, nach Phi-ladelphia und nach Laodizea.«

Ich wandte mich um, zu sehen welche Stimmezu mir sprach. Und als ich mich wandte, sah ichsieben goldene Leuchter und mitten unter den sie-ben Leuchtern einen, der glich eines MenschenSohn, der war bekleidet mit einem langen Gewandund gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gür-tel. Sein Haupt und sein Haar waren weiß wieweiße Wolle, wie Schnee; seine Augen wie eine

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Feuerflamme; seine Füße gleichwie goldenes Erz,das im Ofen glüht und seine Stimme wie großesWasserrauschen. Er hatte sieben Sterne in seinerrechten Hand und aus seinem Munde kam einscharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Ange-sicht leuchtete wie die Sonne mit aller Kraft. Alsich ihn sah, fiel ich wie ein Toter zu seinen Füßen.Und er legte seine rechte Hand auf mich undsprach zu mir: »Fürchte dich nicht! Ich bin derErste und der Letzte und der Lebendige...«

(Off 1, 9-18)

Seit zweitausend Jahren versuchen die Bibel-forscher und Theologen herauszufinden, wer diesemysteriöse Person ist, deren Erscheinung Johannesam Anfang der Apokalypse beschreibt. Alle mögli-chen Antworten wurden darauf gegeben. Für die ei-nen ist es Gott selbst... Nein, denn niemand hat je-mals Gott gesehen. Für die anderen ist es Jesus...Auch nicht, denn wenn es Jesus wäre, hätte ihn Jo-hannes, der ihn ja gut kannte, sofort wiedererkannt,und ausgerufen: »Oh Meister, wie bin ich froh,dich zu sehen!« Aber das war es nicht, was er ge-sagt hat. Er hat ihn erstens nicht wiedererkannt undist dazu noch wie vom Blitz getroffen vor ihm nie-dergefallen, vor diesem gewaltigen Wesen, das einSchwert im Mund hatte und dessen Augen wieFlammen waren. Manche dachten auch, dass es einErzengel sein müsse oder gar das Oberhaupt der

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Throne... Nein. Diese Person, die sich Johanneszeigte, ist Melchisedek.

Seit urdenklichen Zeiten existiert auf der Erdeein Einweihungszentrum, das über alle anderenherrscht. All die anderen Zentren sind nur Ablegerdieses einzigartigen Zentrums, in dem das Lichtdurch die Jahrtausende niemals verloren gegangenist. Um diese Flamme zu bewahren, muss ein We-sen existieren, das alles Wissen und alle Macht be-sitzt, ein Wesen, das der Stellvertreter Gottes aufder Erde ist, ein Wesen, das niemals stirbt. Denndie Erde braucht für ihre gesamte Lebenszeit einenStellvertreter Gottes. Dieses Wesen existiert wirk-lich, es wird in der Bibel erwähnt und auch in denÜberlieferungen aller Völker, wenn auch unter un-terschiedlichen Namen, und man kann nicht an sei-ner Existenz zweifeln.

In der hebräischen Überlieferung trägt es denNamen Melchisedek, König von Salem. Melchise-dek bedeutet »König der Gerechtigkeit« (vom He-bräischen »melek«: König, und »zedek«: Gerech-tigkeit). Was den Namen der Stadt angeht, derenKönig er ist, Salem, so hat er dieselbe Wurzel wiedas Wort »shalom« (Frieden), die Wortwurzel, dieman auch in den Namen Jeruschalaim (Jerusalem)und Schlomo (Salomon) wiederfindet. Melchise-dek ist der König der Gerechtigkeit und des Frie-dens, ein sehr mysteriöses Wesen, über das mankaum etwas weiß. Nur die großen Eingeweihten

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haben einige Kenntnisse über ihn und in der Bibelwird er nur sehr selten erwähnt.

Moses berichtet in der Genesis von der Begeg-nung des Melchisedek mit Abraham: »Als er nunzurückkam von dem Sieg über Kedor-Laomer unddie Könige mit ihm, ging ihm entgegen der Königvon Sodom in das Tal Schawe, das ist das Königstal.Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brotund Wein heraus. Und er war ein Priester Gottesdes Allerhöchsten und segnete ihn und sprach: Ge-segnet seist du, Abram, vom allerhöchsten Gott, derHimmel und Erde geschaffen hat, und gelobt seiGott der Allerhöchste, der deine Feinde in deineHand gegeben hat. Und Abram gab ihm den Zehn-ten von allem.« (Gen 14, 17-20)

Sicherlich darf dieser Bericht nicht wörtlich ge-nommen werden. Melchisedek, der Höchste derEingeweihten, hat Abraham nicht aufgesucht, weildieser in einer Schlacht einige hundert oder auchtausend Feinde besiegt hat. Der Sieg Abrahamsüber die sieben schändlichen Könige von Edomstellt den Sieg über die sieben Todsünden dar. AlsBelohnung für diesen Sieg hat Melchisedek ihmBrot und Wein gebracht. Viele glauben natürlich,dass dies keine besonders große Belohnung sei,aber das kommt daher, dass sie deren symbolischenWert nicht verstehen. Denn tatsächlich stehen Brotund Wein symbolisch für die gesamte Einwei-hungswissenschaft, die auf den beiden kosmischen

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Prinzipien basiert: dem männlichen Prinzip (sym-bolisiert durch das Brot) und dem weiblichen Prin-zip (symbolisiert durch den Wein), die in allen Be-reichen des Universums am Wirken sind. Das istes, was Melchisedek Abraham gebracht hat. UndAbraham hat sich darauf vor ihm verneigt: Als Zei-chen der Dankbarkeit hat er ihm den Zehnten vonallem gegeben, das soll heißen, er hat ihm dieReichtümer seines Herzens, seiner Seele und seinesGeistes geweiht.

Alle Eingeweihten, die zum Gipfel gelangtsind, sehen Melchisedek vor sich erscheinen. Dennes ist der Meister, der dem Schüler begegnet undnicht, wie viele glauben, der Schüler, der seinenMeister auswählt. Der Meister weiß, wer seinSchüler sein kann; der Schüler hingegen, der oftnicht genau weiß, was er eigentlich sucht, ent-schließt sich, einem Meister zu folgen, den er viel-leicht kurze Zeit später wieder verlassen wird, umeinem anderen zu folgen, den er sicherlich eben-falls wieder verlassen wird... Wie viele glaubenSchüler eines Meisters zu sein, der sie in Wirklich-keit gar nicht anerkennt!

Es kommt also immer der Höhere zum Nie-deren. Melchisedek hat Abraham aufgesucht, umihn zu segnen und Abraham, der um seinen niedri-geren Stand wusste, bot ihm den Zehnten von al-lem. Daraufhin weihte Melchisedek ihn in andereMysterien ein. Abraham verehrte El Schaddai, Gott

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den Allmächtigen, der dem Bereich der Sephira Je-sod entspricht, und Melchisedek, der Priester desAllerhöchsten war, offenbarte ihm Gott genau un-ter diesem Namen (auf hebräisch El Elion)*. »DerAllerhöchste« entspricht wirklich dem Namen, dendie Kabbala der höchsten göttlichen Manifestationgegeben hat, die Kether entspricht, der ersten Se-phira.

Eine andere wichtige Stelle, an der Melchisedekin der Bibel erwähnt wird, findet man in dem Briefdes Paulus an die Hebräer: »Dieser Melchisedekaber war König von Salem, Priester Gottes des Al-lerhöchsten, er ging Abraham entgegen, als dieservom Sieg über die Könige zurückkam und segneteihn; ihm gab Abraham auch den Zehnten von allem.Erstens heißt er übersetzt: König der Gerechtigkeit;aber auch: König von Salem, das ist: König desFriedens. Er ist ohne Vater, ohne Mutter, ohneStammbaum und hat weder Anfang der Tage nochEnde des Lebens. So gleicht er dem Sohn Gottesund bleibt Priester in Ewigkeit. Seht aber wie großder ist, dem auch Abraham, der Erzvater, den Zehn-ten gab von der eroberten Beute.« (Heb 7, 1-4)

* Zum Vergleich der erste Vers des Psalmes 91: »Wer unter demSchirm des Höchsten sitzt, und unter dem Schatten des Allmächti-gen bleibt«: Joschev (derjenige der wohnt), beseter (Schutz,Schirm), Elion (des Höchsten), bezel (unter dem Schatten), Schad-dai (des Allmächtigen), itlonom (ruht, bleibt).

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Ihr wendet ein: »Ohne Vater, ohne Mutter...aber wie ist er dann erschaffen worden?« Ein We-sen, das der Vertreter Gottes auf der Erde ist, besitztAllmacht über die Materie. Durch die Macht seinesGeistes, wobei es sich um den Geist Gottes handelt,kann er sich nach Belieben einen Körper formenoder auch auflösen. Die Materie gehorcht ihm. Ausdiesem Grund wird Melchisedek auch »Priester desAllerhöchsten« genannt. Seiner wahren spirituellenBedeutung nach ist ein Priester jemand, der dasGeheimnis der Umwandlung der Materie kennt.Denn das Opfer ist in Wahrheit nichts anderes alseine Verwandlung, der Übergang von Materie in ei-nen reineren, lichtvolleren Zustand. Das Amt desPriesters des Allerhöchsten ist das höchste, das esim Universum geben kann, denn er ist es, der Gottdie reinste Quintessenz der Materie darbringt.

Melchisedek ist der Stellvertreter Gottes, derdie wichtigste Rolle auf der Erde zu spielen hat.Von ihm kommen alle Anordnungen, die dasSchicksal der Menschheit betreffen. Alle großenEingeweihten wurden durch ihn unterrichtet; Her-mes Trismegistos ist ein Aspekt von ihm, und Or-pheus, Moses, Pythagoras, Platon, Buddha, Zara-thustra... all die Größten haben seine Lehreempfangen, selbst Jesus. Er ist es, der die HeiligenDrei Könige als Repräsentanten seines Reichesausgesandt hat, um sich vor Jesus zu verneigen,denn Jesus war die Inkarnation des Christusprin-

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zips, des Wortes, das Fleisch geworden ist.* Mel-chisedek aber, Stellvertreter des lebendigen Gottes,der ohne Anfang und Ende ist, er hat eine andereRolle zu spielen.

Jesus wurde also von Melchisedek unterrich-tet, und genau das bringt auch Paulus ganz klarzum Ausdruck, wenn er offenbart, dass Jesus demOrden des Melchisedek angehörte: »So hat auchChristus sich nicht selbst die Ehre beigelegt, Ho-hepriester zu werden, sondern der, der zu ihm ge-sagt hat: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dichgezeugt.« Wie er auch an anderer Stelle spricht:»Du bist ein Priester in Ewigkeit nach dem OrdenMelchisedeks.« (Heb 5, 5-6; Ps 2,7; Ps 110,4) Undetwas weiter sagt Paulus noch: »Diese Hoffnunghaben wir als einen sichern und festen Anker unse-rer Seele, der auch hineinreicht bis in das Innerehinter dem Vorhang. Dahinein ist der Vorläufer füruns gegangen, Jesus, der ein Hohepriester gewor-den ist in Ewigkeit und nach dem Orden des Mel-chisedek.« (Heb 6, 19-20) Paulus hatte als Meisterden Kabbalisten Gamaliel. Von ihm erfuhr er vonder Existenz Melchisedeks und von dem Orden,dem Jesus angehörte.

Ich habe euch gesagt, dass Melchisedek dem

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* Zu den Beziehungen zwischen Jesus und Christus siehe Band215 »Die wahre Lehre Christi«, Kapitel 7.

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Abraham Gott unter dem Namen El Elion, der Al-lerhöchste, offenbart hat. Daran ist bemerkenswert,dass El Elion den selben Zahlenwert besitzt wieImmanuel, welches der Name von Jesus ist. ImMatthäus-Evangelium erschien Joseph ein Engel,um ihm die Geburt eines Kindes anzukündigen.Die Worte des Propheten Jesaja zitierend, sagte derEngel: »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger seinund einen Sohn gebären und sie werden ihm denNamen Immanuel geben.« (Mt 1,23) Und im Lu-kas-Evangelium wird Maria von Erzengel Gabrielangekündigt: »Siehe du wirst schwanger werdenund einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Na-men Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn desAllerhöchsten genannt werden.« (Lk 1, 31-32)

Sicher werden manche Christen schockiert seinund protestieren: »Aber das ist eine Sünde, eineGotteslästerung. Wenn Jesus vom Orden des Mel-chisedek wäre, bedeutete das, dass Melchisedeküber ihm stünde!« Nun, nicht ich sage das, sondernPaulus. Und wenn die Christen schockiert seinwollen, so ist das ihre Angelegenheit. Mit demSchockiertsein ist es noch lange nicht zu Ende... solange nicht, bis sie die Wahrheit akzeptieren wer-den.

Jesus hat sich auf der Erde inkarniert, weil eseben seine Aufgabe war, den Menschen ein Bei-spiel zu geben, ihnen zu zeigen, was ein Menschen-sohn vollbringen kann. Melchisedek hingegen hat

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die Aufgabe, im Geheimen zu bleiben, nicht vorden Menschen in Erscheinung zu treten. Er hat eineandere Aufgabe auszuführen und hat sich dahernicht durch den Leib einer Frau hindurch inkar-niert, wie Jesus. Es ist also nur ihre Aufgabe, dieunterschiedlich ist. In Wirklichkeit besitzt Jesus diegleiche Wesensart, dieselbe Erhabenheit, dasselbeLicht wie Melchisedek, warum hätte sonst PaulusJesus mit Melchisedek in Verbindung gebracht?

Jesus war also vom Orden des Melchisedek.Der offensichtlichste Beweis dieser Abstammungist das heilige Abendmahl, das letzte Mahl, das ergemeinsam mit seinen Schülern einnahm und imVerlauf dessen er die Gabe des Brotes und des Wei-nes von Melchisedek an Abraham erneuerte.Während dieses Mahls nahm er das Brot, segnetees, reichte es seinen Jüngern und sprach: »Nehmetund esset, das ist mein Leib...« Und er nahm denKelch, dankte, reichte ihn seinen Jüngern undsprach: »Trinket alle daraus, das ist mein Blut. Tutdies zu meinem Gedächtnis... Wer mein Fleisch isstund mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben.«*

Dieser heilige Brauch wird jeden Tag währendder Messe vom Priester wiederholt, der Brot undWein weiht, damit sie zu Fleisch und Blut Christiwerden. Um die Bedeutung dieser Worte zu verste-hen, muss man wissen, dass Brot und Wein, die

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* Mt 26, 26-27; Lk 22, 19-20; Joh 6, 54.

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Produkte aus Weizen und Trauben, Symbole derbeiden Prinzipien männlich und weiblich sind, dieman in den meisten Einweihungen wiederfindet.Das Brot kann nur zum Fleisch Christi werden undder Wein zu seinem Blut, weil es Sonnensymbolesind. Auf kosmischer Ebene sind Fleisch und BlutChristi das Licht und die Wärme der Sonne, die dasLeben hervorbringt, und auf spiritueller Ebene sindFleisch und Blut Christi die Weisheit und dieLiebe. Jesus wollte also sagen: »Wenn ihr meinFleisch – die Weisheit – esst und wenn ihr meinBlut – die Liebe – trinkt, werdet ihr das ewige Le-ben haben.«

Die Kommunion ist eine der grundlegendenPraktiken der christlichen Religion, aber wie vieleder Christen haben in den zweitausend Jahren, diesie nun schon zur Kommunion gehen, das ewigeLeben erlangt?... Nun, weil es eben nicht genügt,vom Priester gesegnetes Brot und Wein oder Hos-tien zu nehmen. Jeder Mann und jede Frau müssenPriester, Opferpriester, werden, und sich jeden Tagvor all ihren Zellen zeigen, um ihnen Brot undWein, Liebe und Weisheit zu geben. Das Sakra-ment des Abendmahls, durch das die Christen amgöttlichen Leben teilhaben, indem sie Fleisch undBlut Christi empfangen, ist eine äußerst machtvollemagische Zeremonie. Und ihr verdankt das Chris-tentum seine Kraft und sein Überleben durch dieJahrhunderte. Warum sollten wir daher nicht unser

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Verständnis von diesen heiligen Dingen erweitern?

Die achtzehn Jahre zwischen seinem zwölftenund seinem dreißigsten Lebensjahr, die in denEvangelien nicht erwähnt werden, verbrachte Jesusim Königreich des Melchisedek; dort studierte undarbeitete er und empfing die Einweihung. Gegensein dreißigstes Lebensjahr kehrte er wieder nachPalästina zurück, um dort seine Mission zu erfül-len. Aber er hat auch seine Apostel mit diesem Kö-nigreich des Melchisedek in Verbindung gebracht,das alle Religionen erwähnen und an einen uner-reichbaren Ort legen, genannt »die Erde der Un-sterblichen« oder »die Erde der Lebendigen«, wiees in dem Psalm heißt: »Ich werde wandeln vordem Herrn, im Lande der Lebendigen.« (Ps 116, 9)

Man nennt diesen Ort auch Agartha oder dasKönigreich des Priesters Johannes. Dieses Reich istdas Königreich des Melchisedek, aber es ist nur be-stimmten Eingeweihten bekannt, die mit ihm inVerbindung stehen. Und wenn Jesus auffordert:»Bittet um das Reich Gottes und alles andere wirdeuch dazu gegeben«, hat er damit auch diesesReich von Melchisedek gemeint, des Königs derGerechtigkeit.

Kein Eingeweihter kann den Gipfel erreichen,ohne die Schule von Melchisedek zu durchlaufen.Er ist es, der die letzten Grade der Einweihung ver-gibt. Er ist der einzige wahre Meister von allen

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großen Meistern und nur von den größten. Er ver-körpert seit Anbeginn die Gegenwart des kosmi-schen Christus auf der Erde. Er überwacht die Evo-lution der Menschheit, die er nach den Plänen desHerrn lenkt. Und sobald die Menschen beginnen,in der Übertretung der göttlichen Gesetze zu weitzu gehen, greift er ein, um die Ordnung wiederher-zustellen. Da die vier Elemente, Erde, Wasser, Luftund Feuer ihm zu Diensten sind, hat er alle Macht.

Jesus selbst hat Melchisedek gebeten, sich vorseinem Jünger Johannes zu manifestieren. Das offi-zielle Christentum erwähnt diese Tatsachen nicht,aber sie sind in den Archiven der Einweihungswis-senschaft niedergeschrieben, und derjenige, der dieMöglichkeit hat, dort nachzuforschen, kann sie fin-den.

Diese Person, die Johannes gesehen hat und diegesagt hat: »Ich bin Alpha und Omega..., Anfangund Ende...«, ist also Melchisedek. Gemäß denZyklen ändert er den Namen, weil sein Name ma-gisch ist. Man findet ihn in der griechischen My-thologie wieder unter dem Namen Minos, Königvon Kreta, Sohn des Zeus, Gesetzgeber und Rich-ter, aber auch in Indien unter dem Namen Manu.Als ich in Indien war, habe ich einigen Weisen dieFrage gestellt: »Gibt es in Ihrer Überlieferung einWesen, von dem man sagt, dass es niemals stirbt? –Ja. – Und wie nennen Sie es? – Markande.« Ihr sehtalso, die Existenz dieses Wesens ist unter verschie-

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denen Namen in anderen Religionen und Kulturenbekannt, aber es ist immer ein und dasselbe Wesen.

Melchisedek, der das Schicksal der Erde lenkt,ist ein Aspekt des Christus, des kosmischen Prin-zips. Das drückt auch Paulus aus, wenn er sagt:»...dass er dem Sohne Gottes gleicht.« (Heb 7,3) Esmuss immer irgendwo auf der Erde ein göttlichesFeuer existieren, das unaufhörlich brennt, und es istMelchisedek, der dieses Feuer aufrechterhält. Er istdieses Feuer und alle, die bereit sind, können sichan seiner Flamme entzünden.

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Vom selben AutorTaschenbuchreiche Izvor

200 Hommage an Meister Peter Deunov 201 Auf dem Weg zur Sonnenkultur202 Der Mensch erobert sein Schicksal 203 Die Erziehung beginnt vor der Geburt204 Yoga der Ernährung205 Die Sexualkraft oder der geflügelte Drache206 Eine universelle Philosophie207 Was ist ein geistiger Meister?208 Das Egregore der Taube –

Innerer Friede und Weltfriede209 Weihnachten und Ostern in der

Einweihungslehre 210 Die Antwort auf das Böse211 Die Freiheit, Sieg des Geistes212 Das Licht, lebendiger Geist 213 Die menschliche und göttliche Natur in uns214 Liebe, Zeugung und Schwangerschaft215 Die wahre Lehre Christi216 Geheimnisse aus dem Buch der Natur217 Ein neues Licht auf das Evangelium218 Die geometrischen Figuren und ihre Sprache219 Geheimnis Mensch. Seine feinstofflichen

Körper und Zentren220 Der Tierkreis, Schlüssel zu Mensch

und Kosmos

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221 Alchimistische Arbeit und Vollkommenheit 222 Die Psyche des Menschen223 Geistiges und künstlerisches Schaffen 224 Die Kraft der Gedanken225 Harmonie und Gesundheit226 Das Buch der göttlichen Magie227 Goldene Regeln für den Alltag228 Einblick in die unsichtbare Welt229 Der Weg der Stille 230 Die Himmlische Stadt231 Saaten des Glücks232 Feuer und Wasser – Wunderkräfte

der Schöpfung 233 Eine Zukunft für die Jugend234 Die Wahrheit, Frucht der Weisheit

und der Liebe235 Im Geist und in der Wahrheit236 Weisheit aus der Kabbala237 Das kosmische Gleichgewicht –

Die Zahl 2238 Der Glaube versetzt Berge239 Die Liebe ist größer als der Glaube241 Der Stein der Weisen242 Unerschöpfliche Quellen der Freude243 Das Lächeln des Weisen

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Vom selben AutorReihe Gesamtwerke

1 Das geistige Erwachen3 Die beiden Bäume im Paradies4 Das Senfkorn – Symbole

im Neuen Testament5 Die Kräfte des Lebens6 Die Harmonie7 Die Reinheit, Grundlage geistiger Kraft

(früherer Titel: Die Mysterien von Jesod)9 »Im Anfang war das Wort«10 Sonnen-Yoga (Surya-Yoga)

Die Herrlichkeit von Tiphereth11 Der Schlüssel zur Lösung der

Lebensprobleme12 Die Gesetze der kosmischen Moral13 Die neue Erde 16 Alchimie und Magie der Ernährung –

Hrani-Yoga27 Die Pädagogik in der Einweihungslehre32 Die Früchte des Lebensbaums 14/15 Liebe und Sexualität (Doppelband)17/18 Erkenne Dich selbst –

Jnani Yoga (Doppelband)23/24 Eine neue Religion (Doppelband)25/26 Der Wassermann und das

Goldene Zeitalter (Doppelband)

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Vom selben AutorReihe Broschüren

301 Das neue Jahr302 Die Meditation303 Die Atmung304 Der Tod und das Leben im Jenseits305 Das Gebet306 Musik und Gesang im spirituellen Leben307 Das hohe Ideal309 Die Aura311 Wie Gedanken sich in der Materie

verwirklichen312 Die Reinkarnation313 Das Vaterunser315 Die Quelle des Lebens318 Die wesentliche Aufgabe der Mutter

während der Schwangerschaft319 Die Seele, Instrument des Geistes320 Menschliches und göttliches Wort321 Weihnachten und das Mysterium der

Geburt Christi322 Die spirituellen Grundlagen der Medizin323 Meditationen beim Sonnenaufgang

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