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PYGMALION 23.04.2013 SAISON 2012/2013 ABONNEMENTKONZERT 6 RAPHAËL PICHON LEITUNG SABINE DEVIEILHE SOPRAN TERRY WEY COUNTERTENOR THOMAS HOBBS TENOR BENOÎT ARNOULD BASS

23.04.2013 PYGMALION - Norddeutscher Rundfunk€¦ · PYGMALION VIOLINE I Tuomo Suni* Béatrice Linon Satomi Watanabe VIOLINE II David Wish Annelies Decock Cyrielle Eberhardt VIOLA

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PYGMALION23.04.2013

SAISON 2012/2013 ABONNEMENTKONZERT 6

RAPHAËL PICHON LEITUNG SABINE DEVIEILHE SOPRAN TERRY WEY COUNTERTENOR THOMAS HOBBS TENOR BENOÎT ARNOULD BASS

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Hören und genießen

Die Konzerte der Reihe NDR Das Alte Werk hören Sie auf NDR Kultur

In Hamburg auf 99,2

Weitere Frequenzen unter

ndr.de/ndrkultur

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PROGRAMMABFOLGE | 03

Dienstag, 23. April 2013, 20 Uhr

Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal

PYGMALIONRAPHAËL PICHON LEITUNG

SABINE DEVIEILHE SOPRAN

TERRY WEY COUNTERTENOR

THOMAS HOBBS TENOR

BENOÎT ARNOULD BASS

Introitus:

LEONHARD LECHNER (ca. 1553 – 1606)

Si bona suscepimus à 7

Aus: Sacrarum Cantionum quinque et sex

Vocum. Liber secundus (1581)

Köthener Trauermusik BWV 244a

1. Abteilung: Klagt, Kinder, klagt es aller Welt

2. Abteilung: Wir haben einen Gott, der da hilft

Pause

JACOBUS GALLUS (ca. 1550 – 1591)

Ecce quomodo moritur justus

Köthener Trauermusik BWV 244a

3. Abteilung: Lass, Leopold, dich nicht begraben

4. Abteilung: Bleibet nur in eurer Ruh

Rekonstruktion und Fassung der Köthener

Trauermusik: Raphaël Pichon und Morgan Jourdain

Das Konzert wird am Freitag, den 5. Juli 2013 um 20.05 Uhr auf NDR Kultur gesendet.

JOHANN SEBASTIAN BACH

(1685 – 1750)

JOHANN SEBASTIAN BACH

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PYGMALION

VIOLINE ITuomo Suni*

Béatrice Linon

Satomi Watanabe

VIOLINE IIDavid Wish

Annelies Decock

Cyrielle Eberhardt

VIOLA Jérôme van Waerbeke

Kate Goodbehere

VIOLA DA GAMBA Julien Léonard

Lucile Boulanger

VIOLONCELLO Marco Frezzato

LEITUNG Raphaël Pichon

* Konzertmeister

SOPRANAnne-Marie Beaudette

Armelle Cardot

Maïlys De Villoutreys

Violaine Le Chenadec

ALT Marie Pouchelon

Guilhem Terrail

Lucile Richardot

TENOR Didier Chassaing

Davy Cornillot

Guillaume Gutierrez

Randol Rodriguez

BASS Nicolas Boulanger

Jean-Michel Durang

Geoffroy Heurard

LAUTE Diego Salamanca

Thomas Dunford

KONTRABASS Benoît Vanden Bemden

CEMBALO Arnaud De Pasquale

ORGEL Sebastien Daucé

FLÖTE Georgia Browne

Morgane Eouzan

OBOE Jasu Moisio

Lidewei De Sterck

FAGOTT Evolène Kiener

BESETZUNG

04 | BESETZUNG

INSTRUMENTAL-ENSEMBLE CHOR

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Pygmalion wurde 2005 anlässlich des Europa

Bach Festivals gegründet, mit dem Gedanken,

einen Chor und ein Orchester mit Schwerpunkt

auf historischer Aufführungspraxis zusammen-

zuführen. Das Repertoire der Ensembles konzen-

triert sich in erster Linie auf das Werk Johann

Sebastian Bachs und Jean-Philippe Rameaus, er-

streckt sich aber auch über das Barock und bis in

die Romantik. Auch zeitgenössische Kompositio-

nen gehören zum breiten musikalischen Spektrum

von Pygmalion: 2010 vergab das Ensemble eine

Reihe von Aufträgen an junge Komponisten, die

Werke für historische Instrumente, für deren

Klangfarben und Besonderheiten, schaffen sollten.

Seit 2007 ist Pygmalion regelmäßiger Gast beim

Festival de La Chaise-Dieu. Weitere Auftritte führ-

ten die Ensembles zum Festival d’Ambronay, dem

Festival de Sablé, ins Palais des Beaux-Arts in

Brüssel, zum Festival de Beaune, zum MAFestival

Brügge, an die Opéra National de Bordeaux und

die Opéra de Rouen sowie zum Musikfest Bremen.

2013 und 2014 wird Pygmalion u. a. Bachs h-Moll-

Messe und Rameaus „Castor et Pollux“ (Fassung

von 1754) sowie die Rekons truk tion von Bachs

Köthener Trauermusik aufführen.

Pygmalion nahm bereits einige Missae Breves von

Bach für Outhere Alpha auf und erhielt dafür den

Diapason d’Or de l’année 2008, den Orphée d’Or

2008 und wurde zur Editor’s Choice der Zeitschrift

Gramophone gewählt. Die jüngste Aufnahme der

Ensembles „Missa 1733“ wurde mit dem ffff der

französischen Zeitschrift Télérama ausgezeichnet.

Pygmalion wird von der Fondation Orange unter-

stützt, dem Hauptmäzen der Ensembles, sowie von

der Direction Régionale des Affaires Culturelles

d’Île-de-France.

PYGMALION

PYGMALION | 05

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06 | LEITUNG

RAPHAËL PICHONLEITUNG

Der 1984 geborene Raphaël Pichon entdeckte

schon früh seine Begeisterung für die Musik. Er

studierte Violine und Klavier in Versailles, außer-

dem Alte Musik, Theorie, Chor- und Orchesterlei-

tung in Paris. Zudem trat er als Countertenor un-

ter Dirigenten wie Jordi Savall, Gustav Leonhardt

und Ton Koopman sowie Geoffroy Jourdain und

Laurence Equilbeys auf.

2005 gründete Raphaël Pichon das Ensemble

Pygmalion, ein Orchester und Chor junger Profes-

sioneller, die auf historische Aufführungspraxis

spezialisiert sind. Mit Pygmalion spielte er Bachs

Missae Breves BWV 234 und 235 ein – eine Auf-

nahme, die den Diapason d’Or de l’année 2008 und

den Orphée d’Or erhielt sowie zur Editor’s Choice

der Zeitschrift Gramophone gewählt wurde. Seine

jüngste Aufnahme, „Missa 1733“, wurde mit dem

ffff der Zeitschrift Télérama ausgezeichnet.

Mit Pygmalion tritt Raphaël Pichon regelmäßig

beim Festival de La Chaise-Dieu auf, darüber

hinaus u.a. beim Festival de Beaune, beim Festi-

val d’Ambronay, der Folle Journée de Nantes,

im Palais des Beaux-Arts in Brüssel, an der Opéra

National de Bordeaux, in Versailles und beim

Musikfest Bremen.

2006 gründete Pichon den Kammerchor OTrente,

mit dem er hauptsächlich das romantische Re-

pertoire und das des 20. Jahrhunderts erarbeitet.

Daneben rief er ein neues Orchester ins Leben, das

auf alten Instrumenten spielt und sich dem klassi-

schen und romantischen Repertoire verschrieben

hat. Sein erstes Projekt war 2010 die Messe in

c-Moll von Wolfgang Amadeus Mozart, 2012 kam

Felix Mendelssohns „Elias“ zur Aufführung.

In der Spielzeit 2011/12 präsentierte Raphaël

Pichon u. a. ein A-cappella-Programm mit Werken

von Johannes Brahms und Anton Bruckner bei

der Folle Journée de Nantes und debütierte mit

einem Zyklus von Rameau-Opern beim Festival de

Beaune. 2011 fand zudem die erste Aufführung

von Bachs Köthener Trauermusik in ihrer von

Pichon re konstruierten Fassung statt.

Zu Raphaël Pichons Projekten 2013 und 2014 ge-

hören u. a. Aufführungen von Rameaus „Hippolyte

et Aricie“ an der Opéra National de Bordeaux und

der Opéra Royal de Versailles sowie von Bachs

Johannes-Passion beim Festival de Beaune, dem

Festival de La Chaise-Dieu und dem Festival de

Saint-Denis und von Bachs h-Moll-Messe in der

Pariser Salle Pleyel.

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SABINE DEVIEILHESOPRAN

Die französische Sopranistin Sabine Devieilhe

studierte zuerst Cello und Musikwissenschaft,

bevor sie ihr Gesangsstudium am Pariser Conser-

vatoire absolvierte und 2007 mit Auszeichnung

abschloss. Als Mitglied zahlreicher Ensembles

wie Pygmalion oder Les Cris de Paris umfasst

ihr Repertoire Werke von der Alten bis zur zeitge-

nössischen Musik. Ihr Bühnendebüt hatte sie als

Lucia in Benjamin Brittens „The Rape of Lucretia“,

gefolgt von den Partien der Lauretta in Giacomo

Puccinis „Gianni Schicci“ und des Yniold in Claude

Debussys „Pelléas et Mélisande“.

Begegnungen mit den Dirigenten Jean-Claude

Malgoire und Alexis Kossenko inspirierten Sabine

Devieilhe zur musikalischen Annäherung an die

Musik des Barock, insbesondere die Werke von

Johann Sebastian Bach und Jean-Philippe Rameau.

Auftritte führten sie dabei zum Festival Oude

Muziek Utrecht, zum MAfestival Brügge sowie

ans Pariser Théâtre des Champs-Élysées.

Nach Auftritten u. a. in Maurice Ravels „L’Enfant

et les Sortilèges“ und Rameaus „Dardanus“ be-

reicherte Sabine Devieilhe in der Spielzeit 2011/12

ihr Repertoire um ein Werk des Belcanto: Als Amina

in Vincenzo Bellinis „La sonnambula“ war sie im

Théâtre Municipal von Tourcoing zu sehen. In der

gleichen Spielzeit debütierte sie mit Les Arts

Florissants in der Pariser Cité de la Musique und

sang in Bachs Johannes-Passion mit dem Ensem-

ble La Grande Écurie et la Chambre du Roy.

Im Juli 2012 debütierte die Sopranistin als Ser-

petta in Wolfgang Amadeus Mozarts „La finta

giardiniera“ beim Festival d’Aix-en-Provence,

im Oktober desselben Jahres in der Titelpartie

von Léo Delibes’ „Lakmé“ an der Opéra national

Montpellier Languedoc-Roussillon. Weitere Auf-

tritte der Spielzeit 2012/13 absolviert Sabine

Devieilhe u. a. mit Marc Minkowski und Les

Musiciens du Louvre, mit Hervé Niquet und Le

Concert Spirituel sowie an der Opéra de Lyon.

Zukünftige Engagements umfassen u. a. ihr Debüt

an der Pariser Opéra national als Königin der

Nacht in Mozarts „Zauberflöte“, als Lakmé an der

Pariser Opéra Comique und an der Opéra de

Marseille als Nannetta in Giuseppe Verdis „Falstaff“.

SOLISTIN| 07

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08 | SOLIST

TERRY WEYCOUNTERTENOR

Terry Wey, für Fono Forum inzwischen einer der

Besten seines Fachs, ist ständiger Gast der wich-

tigsten Barockfestivals und arbeitet regelmäßig

mit den bedeutendsten Dirigenten dieses Reper-

toires zusammen.

Er begann die Saison 2012/13 mit Leonard

Bernsteins „Chichester Psalms“ beim Musikfest

Berlin. Anschließend stand er in Nicola Porporas

„Polifemo“ auf der Bühne des Schwetzinger

Rokokotheaters, das die Barockoper als Deutsche

Erstaufführung zeigte. Im Februar 2013 folgte

sein Debüt in der von Stefan Herheim inszenier-

ten Neuproduktion von Georg Friedrich Händels

„Xerxes“ an der Deutschen Oper am Rhein in

Düsseldorf. Konzertverpflichtungen führen ihn

nach Winterthur und mit Bachs h-Moll-Messe

nach Luzern, bevor er unter der musikalischen

Leitung von Michael Hofstetter den Ottone in

Händels „Agrippina“ in Gießen singt und als

Ruggiero in „Alcina“ zu den Händel-Festspielen

Halle zurückkehrt.

Zu Terry Weys wichtigsten Verpflichtungen der

vergangenen Spielzeit zählten die Neuproduktion

von Francesco Cavallis „La Didone“ mit Les Arts

Florissants und William Christie, die Titelpartie

von Alessandro Scarlattis „Marco Attilio Regolo“

unter der Leitung von Rubén Dubrovsky sowie

die Neuproduktion von „Alcina“ bei den Händel-

Festspielen Halle.

Terry Wey wurde 1985 in eine schweizerisch-

amerikanische Musikerfamilie geboren und erhielt

seine Gesangsausbildung als Solist der Wiener

Sängerknaben sowie bei Kurt Equiluz und Christine

Schwarz in Wien. Über erste Auftritte mit dem

Clemencic Consort fand der Preisträger mehrerer

Wettbewerbe rasch Anschluss an die internatio-

nale Konzert- und Opernszene. Unter Dirigenten

wie William Christie, Marc Minkowski, Riccardo

Muti oder Michael Hofstetter und mit Original-

klangorchestern wie dem Balthasar-Neumann-

Ensemble, Les Arts Florissants oder dem Bach

Consort Wien war er in bedeutenden Konzert sälen

und Opernhäusern zu Gast, u. a. im Wiener Musik-

verein, im Londoner Barbican Centre, dem Lincoln

Center for the Performing Arts in New York und

der Fundação Calouste Gulbenkian in Lissabon.

Als aktuelle CD-Einspielungen liegen derzeit u. a.

Giovanni Battista Pergolesis Stabat mater unter

Michael Hofstetter und Bachs h-Moll-Messe unter

Marc Minkowski vor.

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THOMAS HOBBSTENOR

Der britische Tenor Thomas Hobbs studierte Ge-

sang am Royal College of Music und an der Royal

Academy of Music. Bereits im Rahmen seiner

Ausbildung erhielt er zahlreiche Stipendien und

Auszeichnungen.

Als Spezialist für Alte Musik arbeitet er heute mit

renommierten Ensembles wie The Cardinall’s

Musick, The Tallis Scholars, I Fagiolini, The Sixteen,

Polyphony, Ensemble Plus Ultra, Ex Cathedra und

dem Dunedin Consort, mit dem Kammerchor

Stuttgart und dem Collegium Vocale Gent und

seinem Leiter Philippe Herreweghe.

Neben seinem Engagement für die Alte Musik ist

Thomas Hobbs auch auf der Opernbühne zu erle-

ben. Zu seinen Rollen gehören die Titelpartie von

Benjamin Brittens „Albert Herring“, Acis in Georg

Friedrich Händels „Acis and Galatea“, Ferrando in

Wolfgang Amadeus Mozarts „Così fan tutte“, der

Graf in Gioachino Rossinis „Il barbiere di Siviglia“

und Telemaco in Claudio Monteverdis „Il ritorno

d’Ulisse in patria“.

Zu den Höhepunkten seiner Auftritte als Lied-

und Konzertsänger gehörten ein Recital mit Brett

Deans „Winter Songs“ bei den Cheltenham Festi-

vals, Ralph Vaughan Williams’ „On Wenlock Edge“

mit dem Edinburgh Quartet, Franz Schuberts

„Die schöne Müllerin“ und Robert Schumanns

Liederkreis op. 39, außerdem Auftritte in Bachs

Matthäus-Passion und h-Moll-Messe mit der In-

ternationalen Bachakademie Stuttgart und dem

Freiburger Bachchor, die Titelrolle in Händels

„Joshua“ mit der Akademie für Alte Musik Berlin

und dem RIAS Kammerchor sowie Auftritte mit

dem Bournemouth Symphony Orchestra, dem

City of Birmingham Symphony Orchestra und

dem Royal Scottish National Orchestra.

Zukünftige Engagements von Thomas Hobbs

schließen Auftritte mit dem Collegium Vocale

Gent, Dunedin Consort, der Akademie für Alte

Musik Berlin und sein Debüt bei der Northern

Sinfonia ein.

SOLIST | 09

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10 | SOLIST

BENOÎT ARNOULDBASS

Der französische Bassbariton Benoît Arnould stu-

dierte Gesang in Metz und Nancy und schloss seine

Ausbildung im Jahr 2007 mit Auszeichnung ab.

Daneben hat er einen Abschluss in Musikwissen-

schaft an der Pariser Sorbonne. Bereits vor seinem

Studienabschluss trat Arnould als Solist in der

Schweiz auf und begann seine Zusammen arbeit

mit Le Concert Spirituel und dessen Leiter Hervé

Niquet. Nach einigen Produktionen des Ensembles,

in denen er als Chorsänger mitwirkte, etablierte

er sich zunehmend als Solist, so u. a. als Arcas

und La Vengeance in Marc-Antoine Charpentiers

„Médée“ und als Ascalaphe in Jean-Baptiste

Lullys „Proserpine“.

Benoît Arnoulds Schaffensschwerpunkt liegt auf

geistlichen Werken, so sang er u. a. Partien in

Johann Sebastian Bachs Johannes-Passion und

Matthäus-Passion, Wolfgang Amadeus Mozarts

Messen und Requiem, Hector Berlioz’ „L’Enfance

du Christ“ und Georg Friedrich Händels „La Re-

surrezione“. Er arbeitet mit Dirigenten wie Hervé

Niquet, Marc Minkowski, Vincent Dumestre, Peter

Neumann, Daniel Reuss, Raphaël Pichon, Benoît

Haller und Françoise Lasserre. Seine Auftritte

führen ihn an bedeutende Konzerthäuser wie die

Hamburger Laeiszhalle, die Pariser Salle Pleyel,

die Library of Congress in Washington und das

Auditorio Nacional de Música in Madrid sowie zu

einer Reihe renommierter Festivals, darunter das

Rheingau Musik Festival, das Musikfest Bremen,

das Festival de Beaune oder der Romanische

Sommer Köln.

Benoît Arnould wirkte bei zahlreichen CD-Ein-

spielungen mit, darunter die Grands Motets von

Henry Desmarest, „Musikalische Exequien“ und

die „Historia der Auferstehung Jesu Christi“ von

Heinrich Schütz sowie „L’Ormindo“ von Francesco

Cavalli. Die Einspielung von Samuel Capricornus’

„Theatrum musicum“ unter Benoît Haller wurde

mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter

der Diapason d’Or, die 10 de Classica-Répertoire

und der Choc du Monde de la musique.

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PROGRAMM | 11

Eine Parodie steht heute auf dem Programm: eine

Parodie der Bach’schen Matthäus-Passion. Doch

kommt diese Ankündigung einem gewollten Miss-

verständnis gleich und erbringt obendrein den

Beweis, dass sich nach bald dreihundert Jahren

nichts mehr von selbst versteht. Vieles ging verlo-

ren seither, verschwand für alle Zeiten, auch die

Köthener Trauermusik von Johann Sebastian Bach.

Und trotzdem gelangt sie hier und heute zur Auf-

führung. Oder ist auch das nur ein Missverständnis?

„Ach Leopold!“ Am 19. November 1728 starb der

Fürst von Anhalt-Köthen im Alter von nicht einmal

34 Jahren. „Die Sonne, die dir kaum am Mittag

stunde, / Verhüllet ihren Schein / In einen Todes-

schatten ein.“ So poetisch klang damals noch die

Staatstrauer, musikalisch veredelt und verewigt von

„Sr. Hoch=seeligsten Durchlauchtigkeit ehemah-

ligen Capell=Meister“, dem mittlerweile in Leipzig

als Thomaskantor amtierenden Bach. Mit dem früh

verstorbenen Leopold hatte Bach einem „gnädi gen

und Music so wohl liebenden als kennenden Fürs-

ten“ gedient, wie er im Rückblick auf seine Zeit

als Hofkapellmeister in Köthen bekannte. Die aus-

gesprochene Wertschätzung beruhte offenbar auf

Gegenseitigkeit: Auch Leopold wusste, welche

Autorität in allen Fragen der Musik er mit dem

„Ehrenvesten und Wohlgelahrten Johan Sebastian

Bachen“ an seinen Hof gebunden hatte.

Der Fürst, der selbst die Violine, die Gambe und

das Cembalo spielte und, wie es heißt, mit schöner

Bassstimme sang, hatte auf der standesüblichen

Kavalierstour durch die Niederlande, England,

Frankreich und Italien, als privilegierter Gast in

Prag, Wien und Dresden den höfischen Glanz ba -

rocker Prachtentfaltung schätzen gelernt. Nach

seiner Rückkehr ins heimatliche Anhalt war es

ihm gelungen, einige exzellente Musiker der ehe-

maligen Berliner Hofkapelle – die der von anderen

Prioritäten ausgehende „Soldatenkönig“ Friedrich

Wilhelm I. aufgelöst hatte – nach Köthen zu holen.

Und obschon in späteren Jahren, wie Bach beklagte,

„die musicalische Inclination bey besagtem Fürs ten

in etwas laulicht werden wolte“, zumal nach der

Heirat mit einer amusischen Cousine, so hat der

jung verschiedene Leopold in seiner kurzen Regie-

rungszeit doch eine leuchtende Spur in der deut-

schen Musikgeschichte hinterlassen. Bach blieb

im anhaltischen Köthen bis 1723, als er in das Amt

des Leipziger Thomaskantors wechselte und sich

in den „Spielmann Gottes“ und „fünften Evange-

listen“ verwandelte (jedenfalls nach dem Urteil

der Nachwelt). Am Köthener Hof hingegen gönnte

die evangelisch-reformierte Konfession des Landes-

herrn der Musik in der Kirche keinen Entfaltungs-

spielraum, und so komponierte der Kapellmeister

Bach ein reiches „weltliches“ Repertoire für seine

Instrumentalisten: Suiten, Partiten, Sonaten und

vor allem Konzerte in wechselnden, erlesenen und

symbolträchtigen Besetzungen.

Der Mensch, zumal der moderne, will unterschei-

den: entweder – oder. Deshalb finden sich in der

Literatur über Johann Sebastian Bach klar abge-

grenzte Kapitel, die säuberlich dessen „geistliche“

Musik von der „weltlichen“ trennen. Insbesondere

die Aufteilung der Kantaten folgt dieser Zwei-

Reiche-Lehre. Die einen loben den Herrn, die

anderen den Herrscher, sei es Fürst, Kurfürst oder

König. Die Blickrichtung aber blieb im Barockzeit-

alter grundsätzlich dieselbe: nach oben (weltlich);

nach ganz oben (geistlich). Bei aufmerksamer

Lektüre erfährt der erstaunte Leser jedoch, dass

PASSION UND PARODIEJOHANN SEBASTIAN BACHS KÖTHENER TRAUERMUSIK

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12 | PROGRAMM

auch die Musik oftmals dieselbe blieb und Bach

gar nicht selten nur den Gesangstext austauschte,

um ältere Werke, Huldigungs- und Festkantaten,

für den Gottesdienst zu reaktivieren. Diese Art der

Umetikettierung – geistlicher Wein in weltlichen

Schläuchen? – lässt sich in Bachs gesammelten

Werken an zahlreichen Beispielen demonstrieren.

„Ich bin deine, / Du bist meine, / Küsse mich, /

Ich küsse dich“, hieß ursprünglich der zweifelsfrei

weltliche Wortwechsel, den Bach für ein Duett der

Kantate „Herkules auf dem Scheidewege“ vertonte.

Im Jahr darauf aber übernahm der Thomaskantor

diesen Zwiegesang in sein Weihnachts-Oratorium,

indem er die musikalische Fassung anpasste und

mit einem neuen, unbestreitbar geistlichen Text

versah: „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen / Tröstet

uns und macht uns frei.“ Noch andere Sätze mehr

wechselten damals von Herkules zum Heiland,

etwa das Wiegenlied „Schlafe, mein Liebster“, das

im Original von der allegorischen Figur der Wollust

angestimmt wird, im Oratorium aber von der

Jungfrau Maria. Bach hat sich folglich selbst zitiert,

aus welchen kräfteschonenden Motiven oder

künstlerischen Erwägungen auch immer: Er hat

sich selbst parodiert.

Der Begriff Parodie darf bei diesem Blick in die

Musikgeschichte freilich nicht im heutigen Ver-

ständnis einer scherzhaften Nachahmung oder

stilistischen Persiflage missverstanden werden.

„Wenn zu einem schon vorhandenen Singstücke

ein anderer Text, es sey nun in eben derselben

Sprache, oder in einer andern, verfertigt, und dem

Tonstücke untergeleget wird, so nennet man diesen

dem Tonstücke aufs neue untergelegten Text eine

Parodie“, lesen wir in Heinrich Christoph Kochs

„Musikalischem Lexikon“ von 1802. Die Parodie

gehörte – in diesem Sinne – über Generationen und

für Jahrhunderte zum bewährten Rüstzeug der

Komponisten (und der um ihre Aufgabe nicht zu

beneidenden Textdichter). Die Bach-Bewunderer

späterer Zeiten dagegen sahen sich durch die

Parodien des „fünften Evangelisten“ vor eine harte

Prüfung gestellt, denn dieser Tauschhandel zwi-

schen Werken und Welten schien nur schlecht

vereinbar mit der Würde und Einzigartigkeit der

Bach’schen Kunst. Die Parodie widersprach dem

Ideal der einmalig geglückten Wort-Ton-Beziehung

und erschütterte zugleich den fundamentalen

Glauben, dass Bachs Musik bis ins letzte Detail

der christlichen Verkündigung diene. Wie ließ sich

dieser Widerspruch ertragen – oder hinweg argu-

mentieren? Der Musikhistoriker Philipp Spitta

versuchte es im 19. Jahrhundert mit einer Klar-

stellung, als er behauptete, der Bach’sche Stil sei

immer und grundsätzlich der kirchliche. Spitta

zog daraus die Schlussfolgerung: „Seine weltli chen

Leopold von Anhalt-Köthen, zeitgenössisches

Porträt

11280_DAW_PRO_K1 13 26.03.13 09:30

PROGRAMM | 13

Gelegenheitsmusiken waren vielmehr unweltlich,

als solche erfüllten sie ihren Zweck nicht und der

Componist gab sie ihrer eigentlichen Heimath

zurück, wenn er sie zu Kirchenmusiken umwandel-

te.“ Mit der Zeit wurde diese Annahme nachgerade

zum Dogma verfestigt: dass Bach zwar weltliche

Musik, Konzertsätze, Arien, Chöre, in geistliche

umgewidmet und folglich erhöht, aber niemals

umgekehrt ein Werk des Glaubens in die Niede-

rungen höfischer Ergebenheitsadressen herab-

gezogen habe. Die Köthener Trauermusik jedoch

bringt diese Gewissheit ins Wanken.

Johann Sebastian Bach war nach seinem Weggang

aus Köthen noch Kapellmeister „von Haus aus“

geblieben: Er durfte weiterhin den einmal verlie-

henen Hoftitel tragen, fand sich im Gegenzug aber

alle Jahre wieder zu Gastkonzerten an seiner

früheren Wirkungsstätte ein. Für die Trauerfeier-

lichkeiten zu Ehren des verstorbenen Fürsten – die

allerdings erst Monate nach dessen Tod stattfanden

(in der Zwischenzeit wurde der Leichnam in der

winterlich unterkühlten Schlosskapelle verwahrt) –

erhielt Bach den Auftrag zu einer Gedenkmusik,

die er offenbar höchstpersönlich in der reformier-

ten Stadt- und Kathedralkirche St. Jacob zur

Aufführung brachte. Die Kammerrechnungen sum-

mieren jedenfalls Honorare und Kostgeld sowohl

für Bach als auch für seine zweite Frau Anna

Magdalena, eine vormals fürstliche Sängerin und

„Cammer-Musicantin“ in Köthen, für Bachs ältesten

Sohn Wilhelm Friedemann und für eine unbe-

stimmte Zahl von „Musicis aus Halle, Merseburg,

Zerbst, Dessau und Güsten“. Die Eintragung ver-

merkt deren Mitwirkung an den „Trauer-Musi quen“,

die am späten Abend des 23. März 1729 zur Bei-

setzung des Fürsten und am Morgen darauf bei

der Leichenpredigt in St. Jacob erklungen waren.

Unter einstündigem Glockengeläut hatte sich der

Kondukt vom Schloss zur Kirche bewegt, wie die

historischen Akten von Anhalt detailgenau festhal-

ten. Als „des hochseeligen Fürsten verblichener

Cörper“ in den Chorraum getragen wurde, hob die

erste zeremonielle Musik unter Bachs Leitung an.

Nach einem Gebet und dem gemeinsam intonier ten

Choral „Nun lasst uns den Leib begraben“ wurde

der Sarg hinab in die Fürstengruft verbracht.

Um zwei Uhr in der Nacht endete der feierliche

Bestattungsritus. Die Fortsetzung folgte gleich am

kommenden Tag mit der „Gedächtnüß-Predigt“

über einen Vers des 68. Psalms: „Wir haben einen

Gott, der da hilft, und den Herrn, der vom Tode

errettet.“ Vor und nach dem Sermon wurde jeweils

„musiciret“; und auch nach Verlesung der „hoch-

fürstlichen Personalia“, einer Tröstung der Ange-

hörigen und Untertanen, einem kurzen Gebet und

dem Vaterunser kamen Bach und die auswärtigen

Johann Sebastian Bach. Porträt von

Elias Gottlob Haussmann, 1746

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14 | PROGRAMM

„Musici“ zum dritten Mal zum Zuge, bevor der Se -

gen gesprochen wurde und die Trauergesellschaft

ins Schloss zurückkehrte, zu einem Festmahl

(an dem jedoch nur die Herren von edlem Geblüt

teilnehmen durften, die Damen wurden auf ihre

Zimmer geschickt, die Musiker hatten an der

herrschaftlichen Tafel sowieso nichts zu suchen).

Von Bachs „Trauer-Musiquen“ aber blieb nur ein

Text erhalten, in drei verschiedenen, nach Umfang

und Wortlaut ungleichen Fassungen. Da sich

eine dieser Versionen im dritten Band der „Ernst-

Schertzhafften und Satyrischen Gedichte“ des

Leipziger Gelegenheitsdichters Christian Friedrich

Henrici findet, dürfte der unter dem Pseudonym

Picander publizierende Ober-Postcommissarius

wohl der Verfasser sein, zumal er zuvor schon

Kantaten für Bach gedichtet und die freien Verse

zur Matthäus-Passion verfertigt hatte. Doch was

nutzt der überlieferte Text – ohne die Musik?

Bachs Komposition ist verschwunden, wenngleich

nicht spurlos. Betrachtet man Picanders Poesie

genauer, misst die Verse, zählt die Silben, vergleicht

die Reime, so gelangt man früher oder später zu

dem Ergebnis, dass es sich bei dieser Trauerkan-

tate um eine Parodie handelt, zumindest in weiten

Teilen. Sämtliche Arien sowie der Schlusschor

stammen musikalisch substantiell aus der am

Karfreitag 1727 in Leipzig uraufgeführten Matthäus-

Passion: Picander musste also den „vorhandenen

Singstücken“ einen neuen Text unterlegen. Auf

diese erprobte Weise entstand aus der Leipziger

Arie „Blute nur, du liebes Herz!“ die Köthener

Zweitfassung „Zage nur, du treues Land“; der

Wechselgesang mit Chor „Ich will bei meinem Jesu

wachen“ lautet nunmehr „Geh, Leopold, zu Deiner

Ruhe“; und aus „Wir setzen uns mit Tränen nieder“

wurde am Ende: „Die Augen sehn nach Deiner

Leiche, / Der Mund ruft in die Gruft hinein“ – um

nur drei Beispiele zu nennen. Das eherne Gesetz,

dass Bach niemals geistliche Musik in weltliche

Kantaten umgeleitet habe, wird mit diesem Befund

außer Kraft gesetzt, selbst wenn es sich bei der

Köthener Trauermusik um einen Grenzfall handelt.

Köthen, Stadtansicht von 1650

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PROGRAMM | 15

Dieser Akt der „Profanierung“ ist dem Thomas-

kantor übel angekreidet worden, etwa von Albert

Schweitzer, der sich geradezu beleidigt zeigte: „Es

ist kaum glaublich, daß der Bach, der die Matthäus-

passion geschrieben hat, und der, der diese Musik

mit allem, was sie ausdrückt, in der Parodie mit

Füßen trat, ein und dieselbe Persönlichkeit sind.“

Doch entnahm Bach die Sätze der vierteiligen

Trauermusik nicht ausnahmslos seiner Leipziger

Passion: Die rahmenden Chöre der „Ersten

Ab theilung“ hatte er im Herbst 1727 ursprünglich

für die Trauer-Ode auf den Tod der sächsischen

Kurfürstin komponiert („Laß, Fürstin, laß noch

einen Strahl“ BWV 198). Die Bibelworte aus dem

68. Psalm, die auch der Leichenpredigt zugrunde

lagen, vertonte er, am Anfang und am Ende des

zweiten Teils, allem Anschein nach ganz neu,

ebenso die ein- und überleitenden Rezitative.

Aber da die historischen Kammerrechnungen von

„Trauer-Musiquen“ im Plural sprechen, bleibt die

kaum zu klärende Frage, ob Bach schon am Abend

der Beisetzung ein eigenes – originales oder paro-

diertes – Werk aufgeführt habe, das dann allerdings

mit Haut und Haaren, Wort und Ton komplett ver-

schollen wäre. Wenn tatsächlich jedoch bei der

morgendlichen „Gedächtnüß-Predigt“ nur dreimal

„musiciret“ wurde, könnte auch eine der vier

„Abtheilungen“ der Picander-Dichtung für den

Vorabend bestimmt gewesen sein, möglicherweise

die dritte, deren Text („Lass, Leopold, dich nicht

begraben“) am Tag nach der Bestattung wenig

sinnvoll geklungen hätte in den Ohren der Trauer-

gemeinde. Es darf spekuliert werden.

Diese Freiheit nimmt sich auch Raphaël Pichon,

Gründer und Leiter des Ensembles Pygmalion, der

gemeinsam mit Morgan Jourdain eine Rekonstruk-

tion der Köthener Trauermusik vorbereitet hat.

Selbstverständlich gründet ihre Aufführungsversion

auf den mutmaßlichen musikalischen Vorlagen,

der Matthäus-Passion und der Trauer-Ode. Für die

Psalmworte, das „Dictum“ zu Beginn und am

Schluss der zweiten Abteilung, vermutet Pichon

eine Nähe des unbekannten Chores zum zweiten

Kyrie der späteren h-Moll-Messe: einer Chorfuge,

die Bach 1733 im „Stylus gravis“ der alten Kirchen-

musik komponiert hat. Demnach wäre das Kyrie

eine Parodie – und die Trauermusik in diesem Fall

ausnahmsweise einmal das Original. Die Rezitati ve

mussten zwangsläufig neu vertont werden, doch

dienten hierfür die Accompagnati der Matthäus-

Passion mit ihrer markanten, deskriptiven bis

dramatischen Instrumentalbegleitung als Muster.

Johann Sebastian Bachs Köthener Trauermusik?

So war es nie, aber so könnte es gewesen sein.

Wolfgang Stähr

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16 | TEXT

KÖTHENER TRAUERMUSIKText von Christian Friedrich Henrici alias Picander

1. ABTEILUNG

1. Chor

Klagt, Kinder, klagt es aller Welt,

Lasst es den fernen Grenzen wissen,

Wie euer Schatten eingerissen,

Wie euer Landesvater fällt.

2. Rezitativ (Alt)

O Land! bestürztes Land!

Wo ist dergleichen Pein

Wie deine Not bekannt?

Die Sonne, die dir kaum am Mittag stunde,

Verhüllet ihren Schein

In einen Todesschatten ein.

Ach Leopold!

Der Gott getreu und seinem Lande hold,

Der niemals, wünschen wir, versterben hat gesollt,

Wird uns zu früh entwandt.

O Schmerz! O Wunde!

O Land! bestürztes Land!

3. Arie (Alt)

Weh und Ach

Kränkt die Seelen tausendfach.

Und die Augen treuer Liebe

LEONHARD LECHNER

JOHANN SEBASTIAN BACH

SI BONA SUSCEPIMUS

Si bona suscepimus de manu domine, mala autem

quare non sustineamus?

Dominus dedit dominus abstulit: sicut domino

placuit ita factum est.

Sit nomen domini benedictum.

Nudus egressus sum de utero matris meae,

nudus revertar illuc.

Dominus dedit dominus abstulit: sicut domino

placuit ita factum est.

Sit nomen domini benedictum.

aus dem Buch Hiob

Nehmen wir das Gute an aus der Hand des Herrn,

sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen?

Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen.

Wie es dem Herrn gefi el, so ist es geschehen.

Gelobt sei der Name des Herrn.

Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner

Mutter; nackt kehre ich dahin zurück.

Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen.

Wie es dem Herrn gefi el, so ist es geschehen.

Gelobt sei der Name des Herrn.

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TEXT | 17

Werden wie ein heller Bach

Bei entstandnen Wetter trübe.

4. Rezitativ (Tenor)

Wie wenn der Blitze Grausamkeit

Die Eichen rührt und das Gefi eder

Im Walde hin und wider

Vor Schrecken und vor Furcht zerstreut,

So siehst du auch, betrübtes Köthen, du:

Ein treuer Untertan

Fühlt allzuwohl, wie er geschlagen.

Ein jeder sieht den andern an;

Die Wehmut aber schleußt die Lippen zu,

Sie wollten gern und können doch nicht klagen.

5. Arie (Tenor)

Zage nur, du treues Land,

Ist dein seufzerreiches Quälen

Und die Tränen nicht zu zählen,

O! so denke, dem Erbleichen

Ist kein Unglück zu vergleichen.

Zage nur, du treues Land!

6. Rezitativ (Sopran)

Ah ja!

Wenn Tränen oder Blut,

Hochsel’ger Leopold,

Dich vor dem Tode könnten retten,

So wären tausend Herzen da,

Die dir und uns zugut

Vor dich ihr Blut gegeben hätten.

O wärest du uns nicht so lieb und hold

In deinem Regiment geblieben,

So dürften wir uns nicht so sehr um dich betrüben.

7. Chor

Komm wieder, teurer Fürsten-Geist,

Beseele die erstarrten Glieder

Mit einem neuen Leben wieder,

Das ewig und unsterblich heißt.

Die Jugend rühmt, die Alten preisen,

Dass unser Land und ihre Zeit

So viele Gnad und Gütigkeit

Von unserm Fürsten aufzuweisen.

2. ABTEILUNG

8. Chor

Wir haben einen Gott, der da hilft,und einen Herrn,

der vom Tod errettet.

Psalm 68,21

9. Rezitativ (Alt)

Betrübter Anblick voll Erschrecken,

Soll denn so bald die Gruft den Leib bedecken?

Der Tod ist da,

Die Stunde schlägt, das End’ ist nah,

Mein Gott, wie kommt mir das so bitter für!

Ach! Warum eilest du mit mir?

10. Arie (Alt)

Erhalte mich,

Gott, in der Hälfte meiner Tage!

Schone doch

Meiner Seele, fällt das Joch

Jämmerlich,

Erhalte mich,

Gott, in der Hälfte meiner Tage!

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18 | TEXT

11. Rezitativ (Sopran)

Jedoch der schwache Mensch erzittert nur,

Wenn ihm die sterbende Natur

Die kalte Gruft geöffnet zeiget.

Wer aber stets, wie unsre Fürsten-Seele,

Noch lebend auf der Welt

Mehr nach dem Himmel steiget,

Als sich am Eitlen feste hält,

Der fl ieht mit Lust aus dieser irdnen Höhle.

12. Arie (Sopran)

Mit Freuden sei die Welt verlassen,

Der Tod kommt mir recht tröstlich für.

Ich will meinen Gott umfassen,

Dieser hilft und bleibt bei mir,

Wenn sich Geist und Glieder scheiden.

13. Rezitativ (Bass)

Wohl also dir,

Du aller Fürsten Zier,

Du konntest dir nicht sanfter betten;

Gott hilft und kann vom Tod erretten.

14. Repetatur Dictum (Chor Nr. 8)

JACOBUS GALLUS

PAUSE

ECCE QUOMODO MORITUR JUSTUS

Ecce quomodo moritur justus,

et nemo percipit corde.

Viri justi tolluntur,

et nemo considerat.

A facie iniquitatis

sublatus est justus

et erit in pace memoria eius.

In pace factus est locus eius

et in Sion habitatio eius

et erit in pace memoria eius.

Siehe, wie der Gerechte stirbt,

und niemand fühlt es im Herzen.

Die Gerechten werden getötet

und niemanden rührt es.

Vor dem Angesicht der Ungerechtigkeit

wird der Gerechte hinweggenommen,

und sein Andenken wird in Frieden sein.

Im Frieden ist sein Ort

und seine Wohnung ist in Zion,

und sein Andenken wird in Frieden sein.

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TEXT | 19

KÖTHENER TRAUERMUSIKText von Christian Friedrich Henrici alias Picander

3. ABTEILUNG

15. Arie (Bass)

Lass, Leopold, dich nicht begraben,

Es ist dein Land, das nach dir ruft.

Du sollst ein ewig sanfte Gruft

In unser aller Herzen haben.

16. Rezitativ (Alt)

Wie könnt es möglich sein,

Zu leben und dich doch vergessen?

Ach nein!

Wir haben gar zu allgemein

Dein väterliches Regiment,

Das mehr vor Lieb als Eifer hat gebrennt,

Erfahren und bei uns ermessen.

Die eine Zeit

Wird es der andern offenbaren

Und also dich die Ewigkeit

In unverloschnen Ruhm bewahren.

17. Arie (Alt)

Wird auch gleich nach tausend Zähren

Sich das Auge wieder klären,

Denkt doch unser Herz an dich.

Deine Huld,

Die wir nicht zu preisen wissen,

Und Geduld

Blieb uns gleichfalls ewiglich,

Wenn du nur nicht sterben müssen.

18. Rezitativ (Tenor)

Und, Herr, das ist die Spezerei,

Womit wir deinen Sarg verehren.

Ein jeder Untertan

Dringt sich von allen Seiten

Durch angenehmen Zwang und Streiten

Aus Sehnsucht vor den andern an:

Gleichsam, als sollten sie die Treu

Dir auch noch in dem Tode schwören.

19. Aria a 2 Cori („Die Sterblichen“ – Tenor /

„Die Auserwählten“ – Chor)

Geh, Leopold, zu deiner Ruhe,

Und schlummre nur ein wenig ein.

Unsre Ruh,

So sonst niemand außer du,

Wird nun zugleich mir dir begraben.

Der Geist soll sich im Himmel laben,

Und königlich im Glanze sein.

JOHANN SEBASTIAN BACH

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20 | TEXT

4. ABTEILUNG

20. Arie (Bass)

Bleibet nur in eurer Ruh,

Ihr erblassten Fürsten-Glieder.

Doch verwandelt nach der Zeit

Unser Leid

In vergnügte Freude wieder,

Schließt uns auch die Tränen zu.

21. Rezitativ (Sopran)

Und du, betrübtes Fürstenhaus,

Erhole dich nun auch einmal

Von deiner Qual.

Wie Gottes Hand bisher

Beständig auf dich schwer

Mit vollen Plagen hat gelegen,

So wird dich auch nun in der Folgezeit

Ein unverrückte Fröhlichkeit

Ergötzen und verpfl egen.

Die Nacht ist aus,

Der Tag bricht dir nun heiter an,

Nun wird dir, wie im frohen Lenzen,

Ein angenehme Sonne glänzen,

Die keine Finsternis noch Nebel stören kann.

22. Arie (Sopran)

Hemme dein gequältes Kränken,

Spare dich der guten Zeit;

Die den Kummer wird versenken

Und der Lust die Hände beut.

Schmerzen, die am größten sein,

Halten desto eher ein.

23. Rezitativ (Bass)

Nun scheiden wir,

Hochselger Leopold, von dir,

Du aber nicht aus unserm Sinn.

Wir gehn nach unsern Hütten hin

Und sammeln ängstlich auf der Erden

Mehr Asche zur Verwesung ein

Und wünschen, wenn wir auch den Sold

Einst der Natur bezahlen werden:

So selig und so sanft wie unserm Leopold,

So muss auch unser Ende sein!

24. Chor

Die Augen sehn nach deiner Leiche,

Der Mund ruft in die Gruft hinein:

Schlafe sicher, ruhe fein!

Labe dich im Himmelreiche!

Nimm die letzte gute Nacht

Von den Deinen, die dich lieben,

Die sich über dich betrüben,

Die dein Herze wert geacht’,

Wo dein Ruhm

Sich unsterblich hat gemacht.

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SAISON 2013/2014

ABONNEMENT

Alle Konzerte finden in der Laeiszhalle statt.Abonnements im NDR Ticketshop im Levantehaus, Tel. 0180–1787980*, E-Mail [email protected],

ndrticketshop.de (*bundesweit zum Ortstarif für Anrufe aus dem deutschen Festnetz, Preise aus dem Mobilfunknetz können abweichen)

L’ARPEGGIATACHRISTINA PLUHARNURIA RIALAbo 1 | Mi 25.09.13 | 20 Uhr

Arie, Lamenti e Sinfonie von

FRANCESCO CAVALLI

LE POÈME HARMONIQUEVINCENT DUMESTREAbo 2 | Di 29.10.13 | 20 Uhr

Werke von MONTEVERDI,

MANELLI, FERRARI, MARINI

VENICE BAROQUE ORCHESTRAMAURICE STEGERAbo 3 | Mi 27.11.13 | 20 Uhr

Werke von VIVALDI, SARRI,

ALBINONI, LEO, GEMINIANI

ACCADEMIA BIZANTINAOTTAVIO DANTONE Abo 4 | Mi 29.01.14 | 20 Uhr

NDR Chor | Solisten

ANTONIO VIVALDI

Juditha Triumphans

LYRIARTE VALER SABADUS Abo 5 | Mi 26.02.14 | 20 Uhr

Werke von HÄNDEL, PORPORA

AL AYRE ESPAÑOLEDUARDO LÓPEZ BANZOAbo 6 | Di 08.04.14 | 20 Uhr

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL

Sonata op. 5, Nr. 1 – 7

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22 | KONZERTVORSCHAU

KONZERTVORSCHAU

BAROQUE MEETS JAZZFreitag, 26. April 2013, 20 Uhr

Samstag, 27. April 2013, 20 Uhr

Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio

Michel Godard Serpent und Leitung

Guillemette Laurens Mezzosopran

Gavino Murgia Saxophon, Gesang

Fanny Paccoud Barockvioline

Bruno Helstroffer Theorbe

Olivier Lété Bassgitarre

MICHEL GODARD

Ambre

A Trace of Grace

CLAUDIO MONTEVERDI

„Pur ti miro“

Aus: „L’incoronazione di Poppea“

MICHEL GODARD

Soyeusement

CLAUDIO MONTEVERDI

Pianto della Madonna („Iam moriar mi Fili“)

Aus: Selva morale e spirituale

MICHEL GODARD

Dopo il lamento

Lucia

CLAUDIO MONTEVERDI

Sì dolce è’l tormento

STEVE SWALLOW

Dopo il tormento

MICHEL GODARD

Prelude in F

Roma

CLAUDIO MONTEVERDI

Zefi ro torna e di soavi accenti

Aus: Scherzi musicali cioè arie, & madrigali

in stil recitative [...]

Drei Jazz- und drei Barockspezialisten spielen zu-

sammen Stücke von und nach Claudio Montever-

di – nur eine weitere dieser willkürlichen Cross-

over-Stilmischungen? Keineswegs, denn Michel

Godard, der Initiator des Projekts, zählt nicht nur

zu den besten Jazz-Tubisten unserer Zeit; er ist

auch ein großer Liebhaber frühbarocker Musik.

Man erkennt das schon an seinem zweiten Haupt-

instrument, dem um 1600 erfundenen Serpent.

Dass das Zusammenspiel der beiden Trios so

überzeugend gelingt, hat aber noch einen Grund:

Jazzer improvisieren oft über Harmonien bekann-

ter Songs. Ähnliche „Standards“, die aus dem

Stegreif variiert wurden, gab es auch in Monte-

verdis Zeit – die Tanzbässe. So lässt sich heute

leicht gemeinsame Sache machen ...

Michel Godard

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IMPRESSUM | 23

IMPRESSUM

Herausgegeben vom

NORDDEUTSCHEN RUNDFUNKPROGRAMMDIREKTION HÖRFUNKBEREICH ORCHESTER UND CHORRothenbaumchaussee 132 | 20149 Hamburg

[email protected]

NDR Das Alte Werk im Internet:

www.ndr.de/dasaltewerk

Leitung: Rolf Beck

Redaktion NDR Das Alte Werk: Angela Piront

Redaktionsassistenz: Annette Martiny

Redaktion des Programmheftes:

Dr. Juliane Weigel-Krämer

Der Text von Wolfgang Stähr

ist ein Originalbeitrag für den NDR.

Fotos:

[M] Rudolf Schmutz; Douglas Schwartz (Titel);

Etienne Gautier (S. 5); Frank Ferville (S. 6);

Jen Supaph (S. 7); Thilo Beu, (S. 8);

Portia Crossley (S. 9); Michel Leclerq (S. 11);

akg-images (S. 12, S. 13, S. 14);

Michel Godard (S. 22)

NDR | Markendesign

Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg

Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co.

Druck: Nehr & Co. GmbH

Nachdruck, auch auszugsweise,

nur mit Genehmigung des NDR gestattet.

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