32
Hans-Peter Burghof: Theorie of Banking, Universität Hohenheim 29 3. Marktversagen bei Banken I: Einzelwirtschaftliche Perspektive 3.1 Diamond/Dybvig (1983) revisited 3.2 Models taking Diamond/Dybvig seriously 3.3 Risikoanreiz und Bankgeschäfte 3.4 Marktversagen in langfristigen Vertragsbeziehungen

3. Marktversagen bei Banken I: Einzelwirtschaftliche … · 2008-11-27 · Typ 1 zieht seine Einlage immer in t1 ab. Typ 21 und Typ 22 haben zwei Strategien: ... tungen aus t1 bis

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Hans-Peter Burghof: Theorie of Banking, Universität Hohenheim

29

3. Marktversagen bei Banken I: Einzelwirtschaftliche Perspektive

3.1 Diamond/Dybvig (1983) revisited

3.2 Models taking Diamond/Dybvig seriously

3.3 Risikoanreiz und Bankgeschäfte

3.4 Marktversagen in langfristigen Vertragsbeziehungen

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Anforderungen an Erklärungsansätze zur Bankenregulierung (Dowd 1992)

Erfüllt ein Finanzintermediär des beschriebenen Typs eine ökonomische Funktion?

⇒ Theorie der Finanzintermediation (Kapitel 1 bis 2)

Gibt es für diesen Finanz-intermediär eine typische Form des Marktversagens?

⇒ Theorie des Marktversagens (Kapitel 3 bis 4)

Kann die betrachtete Form der Regulierung diesem Marktversagen abhelfen?

⇒ Theorie des Staatsversagens (Kapitel 5 bis 7, Bankmana-gement)

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31

3.1 Diamond/Dybvig (1983) revisited

Diamond/Dybvig: Stabilität der Gleichgewichtslösung:

1..

)()(max

2211

2211, 21

=π+π

ρπ+π

R

CCts

CuCuCC

⇒ )()( 21 CuRCu ′ρ=′

⇒ Einlagenvertrag mit Auszahlung C1* oder C2*

Einlegerverhalten?

Typ 1: Einlageabzug in t1

Typ 2: ?

• C1* > C2* => Einlageabzug in t1 und Aufbewahrung

• (Existenz eines Kapitalmarkts: C1*(1 + rM) > C2* => Einlageabzug in t1)

• C1* < C2* (bzw. C1*(1 + rM))?

Typ 2 wartet bis t2 wenn er sicher ist, in t2 auch C2* zu erhalten.

Was geschieht wenn daran zweifelt?

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32

Beispiel: Diamond/Dybvig (1983) mit 3 Anlegern

Ein Anleger des Typs 1

Zwei Anleger des Typs 2, d.h. Typ 21 und Typ 22

Aus Optimierung (s.o.) habe sich ergeben:

C1* = 4

C21* = C22

* = 5

L(C21*) = L(C22

*) = 2

⇒ L(C21*) + L(C22

*) = L = 4

Die Reihenfolge der Entscheidungen (und damit des Einlageabrufs) in t1 ist zu-

fällig

Typ 1 zieht seine Einlage immer in t1 ab.

Typ 21 und Typ 22 haben zwei Strategien: Abzug in t1 oder in t2

Typ 22 Typ 21

t1

t2

t1

)0(3

1)4(

3

1)4(

3

1 *1 uLuCu +=+=

)0(3

1)4(

3

1)4(

3

1 *1 uLuCu +=+=

u(L = 4)

u(0)

t2

u(0)

u(L = 4)

u(C21* = 5)

u(C22* = 5)

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Gleichgewichte in Diamond/Dybvig (1983) mit drei Einlegern

(t2, t2): Effiziente Liquiditätsversicherung, payoff-dominant

(t1, t1): Bankrun , risiko-dominant

Lösung: Einführung einer Einlagenversicherung, die Typ 2 die Auszahlung C2*

(oder eine andere Auszahlung größer C1*) garantiert.

Gleichgewicht mit Einlagenversicherung

Nur (t2, t2)

⇒ Einlagenversicherung erzeugt keine Kosten.

⇒ Kostenlose Effizienzsteigerung

Alternativer Lösungsvorschlag:

- Verpflichtung, einen beabsichtigten Einlageabzug in t1 anzumelden.

- Moratorium, falls Anzahl der beabsichtigten Einlageabzüge zu hoch ist.

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Erklärungsebenen des Modells von Diamond/Dybvig (1983) zur Bankenregulierung

Theorie der Finanz-intermediation:

Theorie des Marktver-sagens:

Regulatorischer Lö-sungsvorschlag:

• Versicherungsleistung, die ohne Finanzinter-mediär nicht replizier-bar wäre.

• Wohlfahrtsverlust durch Bankrun- Gleichgewicht

• Einlagenversicherung

• Moratorium

Kritik:

• Bankuntypische Ver-tragsformen

• Kein Bankeigenkapital.

• Alternative: Geeignet konstruierte Wertpapiere

• Equilibrium-selection-Problem ungelöst

• Kosten/Anreizeffekte einer Einlagenver-sicherung

• Praktikabilität eines Moratoriums

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3.2 Models taking Diamond/Dybvig seriously

Modifikationen des Diamond/Dybvig-Modells

• Stochastische Liquiditätsschocks π~

(Postlewaite/Vives 1988)

• Technologische Unsicherheit R~

(Gorton 1985, Jacklin/Bhattacharya 1988)

• π~ ,R~

(Chari/Jagannathan 1988)

First-come-first-serve => Zwei Typen von Run-Gleichgewichten

• Panics

• Information-based Bank Runs

Lösungskonzepte

• Informationsverbot

• Einlagenversicherung/lender of last resort

• Moratorium

• Eigenkapitalnorm (Modellerweiterung) zur Reduktion der Wahrschein-

lichkeit, dass ein erhöhter Einlageabzug auf schlechte Nachrichten zu-

rückzuführen ist

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3.3 Risikoanreiz und Bankgeschäfte

Globaler Risikoanreiz bei beschränkter Haftung

Mean preserving spreads (2 Beispiele):

E(y) y

E(y) y

Zahlungscharakteristik des Eigenkapitals EK bei Verschuldung (hellgraue Linie)

Man kann zeigen: E(EK,riskant) ≥ E(EK, weniger riskant)

Ursache: Der mean preserving spread verschiebt Dichtemasse einerseits auf hö-

here Ergebnis und andererseits auf niedrigere Ergebnisse innerhalb des Berei-

ches, in welchem der Eigenkapitalgeber wegen seiner beschränkten Haftung da-

von nicht betroffen ist.

f(y)

f(y)

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Mechanismen zur Einschränkung dieses globalen Risikoanreizes

• Risikoaversion

• Im Risiko sinkender Erwartungswert

• Konkurskosten/Konkursstrafe für Manager

• Bestrafung durch den Verlust zukünftiger Gewinnmöglichkeiten

(Chartervalue)

• Besondere Regulierung

Banken und Risikoanreiz?

1. Gestaltungsinstrumente

(Derivate, quantitatives Risikomanagement)

2. Regulierung

(z.B. Einlagenversicherung, lender of last resort, too-big-to-fail)

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Rechenbeispiel Risikoanreiz

a) Technologie:

Bank kann auswählen zwischen

1. Risikolose Position K mit sicherer Rückzahlung K in jeder Periode

2. Riskante Position R mit Rückzahlung R~ : R mit Wahrscheinlichkeit p

0 mit Wahrscheinlichkeit (1 – p)

- Unendlicher Zeithorizont, einheitlicher Marktzins r

- K < R

b) Finanzierung

Einleger erhalten in jeder Periode D.

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Investitionsentscheidung: Projekt K oder R

Entscheidung in Abhängigkeit von p

a) First-best-Lösung

Maximierung des Unternehmenswerts (Gesamtkapital GK)

( )

( )

R

Kp

Ir

pRI

r

pRRGK

Ir

KI

r

KKGK

cFB

tt

tt

=⇒

−=−+

=

−=−+

=

∑∞

=

=

1

1

1

1

)(

)(

(d.h., ab diesem Wert für die Erfolgswahrscheinlichkeit des riskanten Projekts

ist dieses vorzuziehen)

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b) Second-best mit Bestandsgarantie/Lender of last resort/Too-big-to-fail

t = 0 t = 1

R - D

p

p usw.

(1-p) (1-p)

0, Bail out

( )( )

( )

( )

DR

DKp

REKr

DRp

r

DKKEK

r

DRp

r

DRpREK

r

DKKEK

Bc

tt

−−=⇒

=−>−=

−=+

−=−= ∑∞

=

)()(

1)()(

1

(d.h., ab diesem Wert für die Erfolgswahrscheinlichkeit des riskanten Projekts

zieht der Eigentümer dieses vor)

Risikoverhalten?

KRDR

DK

R

K

pp Bcc

>⇒−−>

> ?*

ist annahmegemäß immer erfüllt.

⇒ Bestandgarantie führt zu ineffizient hoher Risikobereitschaft

R - D

0, Bail out

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c) Second-best mit Liquidation

Bank zahlt in jeder Periode D.

Bankmanagement maximiert den Wert des Eigenkapitals EK

Position K:

( )∑∞

=

−=+−=

1 1)(

tt r

DK

r

DKKEK

Position R:

Ertrag 0 < D ⇒ Konkurs, Abbruch der Technologie

t = 0 t = 1

p

p usw.

R - D

(1-p)

p (1-p) 0, Konkurs

(1-p)

0, Konkurs

( )( )

( )( )

pr

DRp

q

DR

q

DRREK

p

prq

qr

p

DRr

pDR

r

pDR

r

pREK

tt

t

t

−+−=−=

+−=⇒

−+=⇒+

=+

+=+−

++−

+=

=

=

11)(

1

1

1

1 :Reihe unendlicheeinfachen einer Bildungzur Definition

1...)(

1)(

1)(

1

12

2

R - D

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42

Ermittlung des kritischen Werts für p

( )

( )( ) ( ) ( )

( )( )( ) ( )DRrDK

DKrp

DRrDKpDKr

REKpr

DRp

r

DKKEK

Lc −+−

−+=⇒

−+−>−+⇒

=−+−>−=

1

1

)(1

)(

Risikoverhalten?

( )( )( ) ( )

( ) ( ) ( ) ( )

( ) ( )rDDKRrDDKK

DKRrDRrKDKK

DRrDK

DKr

R

K

pP Lcc

−−>−−⇒

−+>−+−⇒

−+−−+>

>

1

1

?*

Es gilt: R > K

⇒ Bedingung ist nie erfüllt, wenn K > (1 + r)D ⇒ zu wenig Risikobereitschaft

⇒ Bedingung ist immer erfüllt für K < (1 + r)D ⇒ zu viel Risikobereitschaft

Niedrige Eigenkapitalquote bei Banken ⇒ Hoher Risikoanreiz

„Optimale Kapitalstruktur“: K = (1 + r)D

⇒ Lcc pP =*

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d) Vergleich einer Bank mit Liquidation mit einer Bank mit

Bestandsgarantie

( )( )( ) ( )

( )( ) ( ) ( ),

1

1

?

KR

DKDRrDRr

DR

DK

DKDRr

DKr

pp Bc

Lc

>⇒

−+−>−+⇒

−−>

−+−−+

>

ist annahmegemäß erfüllt.

⇒ Bestandgarantien führen immer zu riskanterem Verhalten gegenüber einer

Situation ohne Bestandsgarantie

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e) Eigenkapitalnorm und Trigger-Level für p

Einfachste Eigenkapitalnorm: FK/GK ≤ X

⇒ D ≤ r ·X · GK (Nominalwert des FK: D/r)

( )( )( ) ( )

( )( )

( ) ( )( )( )

RKDR

DK

D

p

DR

DKp

RKDrrRK

KRrr

D

p

DrrRK

KRr

DRrDK

DKrp

Bc

Bc

Lc

Lc

<<−−−=

∂∂

−−=

<<+−+−+−=

∂∂

+−+−−=

−+−−+=

wegen 01

wegen 01

1

11

1

2

Trigger-Level fallen in D

⇒ Eigenkapitalnormen reduzieren die Bereitschaft zur Risikoübernahme

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45

pc in Abhängigkeit von D

(K = 1,2, R = 2)

Ohne Bestandsgarantie: Optimale Verschuldung in D*

Mit Bestandsgarantie: Optimale „Verschuldung“ in D = 0

Leverageeffekt

Funktion einer Eigenkapitalnorm?

• Bank mit Liquidation: Verhaltensbindung des Bankmanagements zur Ma-

ximierung des Unternehmenswerts.

• Bank mit Bestandgarantie: Verhaltensbindung des Bankmanagements

zum Schutz der Allgemeinheit vor verfehlten Anreizen einer Einlagenver-

sicherung.

Haben Banken eine Bestandsgarantie?

0

0.5

1

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2

p*

pL

pB

D* D

p

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Rückkopplung der Einlagenversicherung über den Finanzierungsmarkt

Auswirkungen einer vollständigen Einlagenversicherung oder Institutssicherung

kundenseitig bankseitig

Kein Anreiz für Kunden, das Risi-koverhalten ihrer Bank zu beobach-ten

Haftung der Sicherungseinrich-tungen, „wenn es doch einmal schief geht“

Keine Kontrolle des Risikoverhal-tens durch den Markt, keine Markt-reaktion etwa durch höhere Risiko-prämien auf riskantes Verhalten der Bank

Anreiz (und bei Wettbewerb Zwang) für die Bank, vergleichs-weise höhere Risiken einzugehen als bei funktionierender Markt-kontrolle

Höhere durchschnittliche Verlus-te aus Bankkonkursen, die von den Sicherungseinrichtungen zu tragen sind

Allgemeine Bankkrise und Bankrun können trotz der Sicherungseinrich-tungen nicht verhindert werden

Mögliches Versagen der Siche-rungseinrichtungen wegen zu ho-her Auszahlungsverpflichtungen

⇒ Risikoanreizproblem der Einlagenversicherung auch bei Liquidation

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3.4 Marktversagen in langfristigen Vertragsbeziehungen

Folk-Theorem (Rasmusen 1994):

In an infinitely repeated n-person game with finite action sets at each repetition,

any combination of actions observed in any finite number of repetitions is the

unique outcome of some subgame perfect equilibrium given

Condition 1: The rate of time preference is zero, or positive and sufficiently

small;

Condition 2: The probability that the game ends at any repetition is zero, or

positive and sufficiently small;

(Condition 3: ... (nur für mehr als 2 Spieler))

Idee:

1. Definiere Gleichgewicht

2. Grim strategy oder Tit for tat bei Abweichung

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Modell für langfristige Kreditbeziehungen?

1. Diskretionäre Spielräume des Kreditnehmers trotz Bankmonitorings

2. Fehlverhalten führt zu Bestrafung:

• Fehlverhalten der Bank: Kunde beendet Finanzierungsbeziehung

• Fehlverhalten des Kunden:

Entzug der Finanzierungsmittel

Konkurs des Unternehmens

3. Verbindung mit Monitoringtechnologie (Haubrich 1989)

t1 bis tn tn ab tn+1

Beobachtung der Ergeb-nisse des Verhaltens des

Vertragspartners (Monitoring)

Erwartungsbildung über das Verhalten des Ver-tragspartners auf der

Grundlage der Beobach-tungen aus t1 bis tn

Bestrafung bei nicht kooperativem Verhalten

oder

neue Beobachtungsphase

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Stabilität des Gleichgewichts?

Condition 1: Nicht zu viel Discounting.

Condition 2: Keine zu hohe Wahrscheinlichkeit des Spielendes.

Systemgefährdende Reaktion der Vertragsparteien auf eine überraschende Erhöhung der Konkurswahrscheinlichkeit

⇒ Merkmale von Banken mit langfristigen Finanzierungsverträgen?

⇒ Merkmale langfristiger Finanzierung durch Banken?

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4. Marktversagen bei Banken II:

Gesamtwirtschaftliche Perspektive

4.1 Schutzzwecke einer Bankenaufsicht

4.2 Liquiditätsschocks im Bankensystem (Contagion)

4.3 Informationsgetriebenes Marktversagen (Allgemeiner Run)

4.4 Internationaler Finanzkrisen

4.5 Realwirtschaftliche Relevanz des Finanzmarktversagens

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4.1 Schutzzwecke einer Bankenaufsicht

Ausfall einer einzelnen Bank?

Spektakuläre Einzelfälle als Auslöser von Regulierungsmaßnahmen

Barings I (1890)

Herstatt (1974)

BCCI (1991)

“BCCI's criminality included fraud by BCCI and BCCI customers involving billions of dol-lars; money laundering in Europe, Africa, Asia, and the Americas; BCCI's bribery of officials in most of those locations; support of terrorism, arms trafficking, and the sale of nuclear tech-nologies; management of prostitution; the commission and facilitation of income tax evasion, smuggling, and illegal immigration; illicit purchases of banks and real estate; and a panoply of financial crimes limited only by the imagination of its officers and customers.”

(Quelle: The BCCI Affair. A Report to the Committee on Foreign Relations, United States Senate, by Senator John Kerry and Senator Hank Brown, December 1992, 102d Congress 2d Session Senate Print 102-140)

Barings II (1995)

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Einzelargumente für eine Bankenaufsicht

Ökonomische Zielsetzung:

Selbstbindung/Kapitalstruktur

Kreditwesengesetz (KWG):

Gläubigerschutzziel

Funktionssicherungsziel

Aus Funktionssicherungsziel:

Argumente für die Gefahr eines allgemeinen Marktversagens?

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4.2 Liquiditätsschocks im Bankensystem (Contagion)

• Liquiditätsausgleich zwischen Banken

• Geldmärkte

• Abwicklung des Zahlungsverkehrs/Wertpapierhandels

• Interbank-Forderungen aus Derivate-Handel

• Marginverpflichtungen

Bank 1 wird zahlungsunf.

Verbindlichk. gegenüber:

Bank 2

Bank 2 wird zahlungsunfähig

Verbindlichk. gegenüber:

Bank 5

Bank 5 wird zahlungsunf.

Verbindlichk. gegenüber:

Bank 3

Bank

4 Bank 4 wird zahlungsunfähig

Verbindlichk. gegenüber:

Praktische Relevanz sehr umstritten

450 Mio

600 Mio

30 Mio

220 Mio

Marktpreisrisiken

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4.3 Informationsgetriebenes Marktversagen (Allgemeiner Run)

Negative Nachricht und Homogenitätsannahme

(Krümmel 1984)

⇒ „Bankrun-Mechanik“

negative Nachricht

Bank 1 Bankeinleger Bankrun

auf Bank 1

Bank 2 Allgemeiner Homogenitätsannahme

Bank 3 Bankrun

Bank 3

usw.

Homogenitätsannahme und Transparenz

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55

Bankrun als rational herding

Ursachen für rationales Herdenverhalten

• Externe Effekte (vgl. Contagion, self-fulfilling prophecy durch Einleger)

• Informationsasymmetrien in

Principal-Agent-Beziehungen/Reputation

„...it is better for reputation to fail conventionally than to succeed unconventionally…”

Keynes (1936)

• Informational cascades (vgl. Ansatz von Krümmel 1984)

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Geographische Ausbreitung einer Bankenkrise (Beispiel 1848/1848)

8.

479.

4710

.47

11.4

712

.47

1.48

2.48

3.48

4.48

5.48

6.48

7.48

8.48

0

10

20

30

40

50

60

70

London

Restl. UK

Restl. Empire

Frankreich

Niederlande

Deutschland

nach Kindleberger (1978)

Ähnlich: Ausbreitung der Savings- und Loan-Association-Krise in den USA ab 1982

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4.4 Internationaler Finanzkrisen

OECD-Staaten

Bankenkrisen werden aufgefangen durch:

Bankenaufsicht

Einlagensicherung

lender of last resort

⇒ Hohe Belastung des Staatshaushalts

⇒ Wachstumsbremse, Stagnation, Rezession

Kein Übergreifen auf andere Länder

Schwellenländer

Bankenkrisen in Verbindung mit Währungskrise

⇒ Aufbrauchen der Währungsreserven, Abwertung

⇒ Zahlreiche Konkurse von Banken und Unternehmen

⇒ Extreme Rezession

Übergreifen auf andere Länder

Entwicklungsländer?

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Hans-Peter Burghof: Theorie of Banking, Universität Hohenheim

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Erklärungsansätze analog zu Bankrun-Modelle

• Stochastische (Währungs-)Liquiditätsschocks ⇒ spekulative Attacken

Lösung: lender of last resort (IMF)

• Implizite Garantie des IMF und Fremdwährungskredite

⇒ Risikoanreizproblem?

Lösung: Beteiligung der Privatwirtschaft an den Kosten der Finanzkrise

• Informational cascades?

Lösung: Differenzierte Darstellung der Länder, Informationsstandards

• Kodes/Pritsker (2002): Portfolioanpassung internationaler Anleger in

Reaktion auf neue makroökonomische Daten

⇒ Orderflow als schlechte Nachricht interpretiert

⇒ Bank Run im Sinne Chari/Jagannathans

Lösung: Mehr informierte Investoren

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Hans-Peter Burghof: Theorie of Banking, Universität Hohenheim

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4.5 Realwirtschaftliche Relevanz des Finanzmarktversagens

Südostasienkrise

-60.00%

-40.00%

-20.00%

0.00%

20.00%

1997

1998

1999

2000

Indonesia

Korea

Malaysia

Philippinen

Singapore

Thailand

Kumulierte Veränderung des GDP in der Asienkrise (1996 = 100)

Lateinamerika

-40.00%

-20.00%

0.00%

20.00%

40.00%

1998

1999

2000

Argentinien

Brasilien

Chile

Mexiko

Kumulierte Veränderung des GDP südamerikanischer Staaten (1997 = 100)

Quelle: Weltbank

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Hans-Peter Burghof: Theorie of Banking, Universität Hohenheim

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Literatur zu den Kapiteln 3 bis 4:

Burghof, H.-P. und B. Rudolph (1996): Bankenaufsicht, Wiesbaden.

Freixas, X. und J.-C. Rochet (1997): Microeconomics of Banking, Cambridge (Mass.), Kapitel 7.

Hartmann-Wendels, A. Pfingsten und Th., M. Weber (2000): Bankbetriebslehre, Kapitel F.

Originalquellen

Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen: Grundsätze über die Eigenmittel und die Liquidität der Kreditinstitute vom 20.1.1969, aktuelle Fassung.

Burghof, Hans-Peter (1998): Eigenkapitalnormen in der Theorie der Finanzintermediation, Berlin.

Chari, V.V. und Raci Jagannathan (1988): Banking Panics, Information, and Rational Expec-tation Equilibrium, in: JoF, Vol. 43, S. 749-763.

Chen, Yehning (1994): The Role of Information Externalities in Bank Runs, Diss., UCLA.

Diamond, D. W. und P. Dybvig (1983): Bank Runs, Deposit Insurance, and Liquidity, JPE, Vol. 91, S. 401-419.

Estrella, Arturo (1995): A Prolegomenon to Future Capital Requirements, in: Federal Reserve Bank of New York Economic Policy Review, Vol. 1, No. 2, Juli, S. 1-12.

Jacklin, Charles J. und Sudipto Bhattacharya (1988): Distinguishing Panics and Information-based Bank Runs : Welfare and Political Implications, in : JPE, Vol. 96, S. 568-592.

Kindleberger, Charles P. (1978): Maniacs, Panics, and Crashes. A History of Financial Crisis, London et al.

Kodres, Laura E. und Matthew Pritsker (2002): A Rational Expectations Model of Financial Contagion, in: JoF, Vol. 57, S. 769-799.

Haubrich, Joseph G. (1989): Financial Intermediation, Delegated Monitoring, and Long-Term Relationship, in: JBF, Vol. 13, S. 9-20.

Krümmel, Hans-Jacob: Schutzzweck und Aufsichteingriff. Über den Run auf die Bankschal-ter und seine Verhinderung, in: KuK, 17. Jg. (1984).

Kupiec, Paul H. und James M. O’Brian (1995): A pre-Commitment Approach to Capital Re-quirements for Market Risk, FEDS working paper No. 95-34, Federal Reserve Board.

Litan, Robert E. (1987): What Should Banks Do?, Washington D.C.

Schulte-Mattler, Hermann und Uwe Traber (1995): Marktrisiko und Eigenkapital, Wiesbaden.

Sechrest, Larry J. (1993): Free Banking. Theory, History, and a Laissez-Faire Model.