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die kritisch-unabhängige Studierenden-Zeitung über.morgen GRÜNEWALD KOMMENTIERT HOCHSCHULDIALOG S.9 FOTO: MARTIN JUEN KIPPPUNKTE: PODIUMSDISKUS- SION MIT SASKIA SASSEN S. 7 PLATZVERWEIS FÜR DR. LUEGER S.13 FOTO: MARTIN JUEN FOTO: ERICH SCHMID Jahr 2, Ausgabe 3, Kostenlos L‘UNIVERSITÉ BRÛLE Von internationaler Mobilisierung und Vernetzung in Paris S. 4-5

3/2010: L'Université brûle

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über.morgen - die kritisch-unabhängige Studierendenzeitung

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Page 1: 3/2010: L'Université brûle

die kritisch-unabhängige Studierenden-Zeitungüber.morgen

GRÜNEWALD KOMMENTIERT HOCHSCHULDIALOG S.9

FOTO: MARTIN JUEN

KIPPPUNKTE: PODIUMSDISKUS-SION MIT SASKIA SASSEN S. 7

PLATZVERWEIS FÜR DR. LUEGER S.13

FOTO: MARTIN JUENFOTO: ERICH SCHMID

Jahr 2, Ausgabe 3, Kostenlos

L‘UNIVERSITÉ BRÛLEVon internationaler Mobilisierung und Vernetzung in Paris S. 4-5

Page 2: 3/2010: L'Université brûle

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Impressum

Medieninhaber & Herausgeber: Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. 1070 Wien. Hermanngasse 2a/332. Tel.: +43664 558 77 84, Homepage: http://unsereuni.at/morgen; Redaktion: Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. 1070 Wien. Hermanngasse 2a/332; Redaktionelle Leitung: Jakob Arnim-Ellissen, Dario Summer; Her-stellerin: Druckerei Fiona, www.fiona.or.at; Herstellungs- und Erscheinungsort: Wien; Lay-out: jaae, axt; Cover: axt, jaae, roro; Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach §44 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz: © Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen.

Dem Ehrenkodex der österreichischen Presse verpflichtet.

IMPRESSUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2

LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3

IN KÜRZE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3

L‘UNIVERSITÉ BRÛLE-T-ELLE? DIE UNI BRENNT. AUCH IN PARIS? . . . . . . . .4

INTERNATIONALE VERNETZUNG UND MOBILISIERUNG IN PARIS. . . . . . .5

C1 BLITZARTIG GERÄUMT. UNI BRICHT ABMACHUNGEN. . . . . . . . . . . . . .5

REKTORAT: RÄUMUNG AUS SICHERHEITSGRÜNDEN . . . . . . . . . . . . . . . . .5

WENN BAUMATERIAL POLITIK MACHT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6

KULTURSCHOCK IN FRANKREICH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6

„KIPPPUNKTE“ - PODIUMSDISKUSSION MIT SASKIA SASSEN . . . . . . . . . .7

„DIALOG“: MINISTERIN BEI ÖH-PODIUMSDISKUSSION . . . . . . . . . . . . . . .8

DEUTSCHLAND: DIE PROTESTE GEHEN IN DIE NÄCHSTE RUNDE . . . . . . . .8

GRUNDLAGE DER DEMOKRATIE IST DIE BILDUNG DES VOLKES . . . . . . . .8

§278A - WENN DER PROZESS BEGINNT, HÖRT ALLES ANDERE AUF . . . . .9

STIMMEN DES HOCHSCHULDIALOGS: KURT GRÜNEWALD . . . . . . . . . . . .9

DAS NEUE KÄRNTEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10

POLITICAL REFORM IN FRANCE OVER THE LAST FIVE YEARS . . . . . . . . .11

STIMMEN DES HOCHSCHULDIALOGS KOMMENTIERT: BEATRIX KARL . .11

„MIT STUDENTEN SOLIDARISIEREN, DAS KLINGT SUPER UND KOSTET NIX

UND IST DESWEGEN AUCH NICHTS WERT“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12

SUPERGAU: MUSIKALISCHES UND AKTIONISTISCHES „NACHSITZEN“ . .13

PLATZVERWEIS FÜR DR. LUEGER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13

DIE SENDUNG MIT DEM GRAUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14

LE PETIT MORT: NABOKOVS MODELL FÜR LAURA . . . . . . . . . . . . . . . . .14

HUND DER WOCHE, SUDERECKE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15

INHALT

Was euch erwartetüber.morgen war beim großen Vernetzungs-treffen an der Sorbonne in Paris dabei, das sich anders gestaltete, als erwartet - doch lest selbst.

Während die Studierenden sich im Nachbar-land vernetzten, lies das Rektorat der Uni-versität Wien das Foyer des C1 räumen. Bei uns kommen beide Seiten zu Wort: Es gibt einen Erfahrungsbericht und auch bei der Universität haben wir nachgefragt.

Das Wort in der Reihe „Stimmen des Hoch-schuldialogs“ gehört Kurt Grünewald und auch „Das neue Kärnten“ ist in über.poli-tik zu finden .

Alles um den Wettbewerb der Akademie der bildenden Künste zur Umgestaltung des Lueger-Platzes ist in über.kitsch und kultur nachzulesen und über.morgen deckt den Ma-fiaparagraphen §278a auf. Zwei Stimmen zu den Protesten: Saskis Sassen diskutierte im Burghtheater und Stefan Ruzowitzky stand im Interview Rede und Antwort.

Als kurios stellte sich die Ansicht des Sicher-heitschef der Sorbonne heraus, der den Satz „andere Länder, andere Sitten“ offenbar et-was zu ernst nahm. Und auch das verwun-dert: Ein Ziegelstein kann mehr Freunde als H.C. Strache haben - zumindest auf Face-book. Dem Graus graust es dieses Mal vor der Wirtschaftskrise und der Hund der Wo-che wedelt im Dreivierteltakt.

[bama][email protected]

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3über.ich

heute bin ich zum ersten Mal so internatio-nal wie die unibrennt-Bewegung. Denn die Universitäten brennen in ganz Europa, nicht nur in Wien. Sie brennen auch in Paris und von dort berichte ich heute. An der Sorbonne Universität trafen Studierende aus vielen ver-schiedenen Ländern zusammen, um sich zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen.

Zuhause in Österreich wirkt es manchmal, als wäre der Protest am Verschwinden, doch wer genau hinschaut, sieht ihn sich immer weiter ausbreiten. Studierende reisen durch ganz Europa, um ihre Kolleg_innen zu infor-mieren und zu mobilisieren. Deutschland, Frankreich, Niederlande, Belgien, Großbritan-nien, die Liste ist lang und wird täglich länger.

Der Protest verändert sich, er wird internati-

onaler und geht neue Wege. Das ist gut so, denn unibrennt ist eine Bewegung und hält den Stillstand nicht aus. Mir geht es ganz genauso. Deshalb bin auch ich über.all, wo

der Protest ist, um euch zu berichten und zu zeigen, dass ihr nicht alleine seid, in eu-ren Anstrengungen. Und so wie Studieren-de aus Wien in ganz Europa unterwegs sind, werden bald Student_innen aus ganz Euro-pa nach Wien kommen. Zur Demonstration und zum Gegengipfel, um gemeinsam Fehl-entwicklungen aufzuzeigen und Alternati-ven für eine bessere Zukunft zu erarbeiten.

Und auch der Bologna-Gipfel wird nicht das Ende sein. Denn unibrennt will viel und vieles zu erreichen wird lange dauern. Darum wird der Protest weiter gehen. Weiter gehen müs-sen. In Österreich. In Deutschland. In Frank-reich. In ganz Europa. Und darüber hinaus.

Und auch ich werde weiter dabei sein, meint euer über.ich.

LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER

HOCHSCHULDIALOG: LIVE-STREAMS BEI ALLEN ARBEITSFOREN

Ab sofort gibt es Live-Streams aus allen Ar-beitsforen, allerdings unter einer Bedingung: Die Studierenden der AG Mittwoch, welche für die Protestbewegung teilnimmt, sollen ihre vollen Namen nennen. Um Transparenz nach außen zu ermöglichen und das The-ma der Namensnennung ein für alle mal zu beenden, stimmten die Student_innen der Bedingung zu.

Siehe auch: http://unsereuni.at/?p=14467

OPENBLOG AUF UNSEREUNI.AT

Mit dem OpenBlog hat nun jeder die Möglich-keit Inhalte auf die Homepage der #unibrennt-Bewegung zu stellen. Einfach registrieren und schon geht‘s los. Durch die Möglichkeit zu bloggen, soll die Homepage die Hetereo-genität der Bewegung widerspiegeln. Auch soll so der Informationsfluss zwischen den AGs verbessert werden.

Näheres dazu unter: http://unsereuni.at/?p=14205

NEUE BESETZUNGEN IN DEN NIEDER-LANDEN, ENGLAND UND DEUTSCHLAND

Letzte Woche besetzten Studierende Uni-versitäten in Utrecht, Amsterdam, Rotter-dam und Nijmegen. In Sussex wurde ein Sitzungssaal von Student_innen besetzt. Zwei Länder, ähnliche Gründe: Einsparun-gen im Bildungsbudget, Demokratisierung der Universitäten, drohende Entlassun-gen (Sussex) und die Kürzung von Beihil-fen (Niederlande). Auch ein Hörsaal an der Universität in Augsburg wurde temporär von Studierenden besetzt, nachdem Gesprä-che mit der Universitätsleitung scheiterten.

HIGHER EDUCATION RELOADED - HOCH-SCHULKONGRESS WIEN 2010

Unter dem Motto „Bildung ist, was du draus machst!“ veranstaltet die ÖH am 20./21.2. an der TU Wien den Hochschulkongress 2010. Es werden Basis- und Vertiefungs-workshops zu verschiedenen bildungs-politischen Themen wie „Was ist Bildung“ oder „Finanzierung von Hochschulen“ an-geboten. Bereits am 19.2. findet der „Bo-logna Information Day“ statt: Hier können sich Studierende über die Einzelheiten des Bologna-Prozesses informieren. Alle In-fos und Anmeldung unter www.her2010.at

UNI WIEN WILL SCHADENSVERURSA-CHER ZUR KASSE BITTEN

Nach Aussagen der ÖVP und FPÖ kostet die Audimaxbesetzung der Universität Wien 1,5 Mio. Euro. Laut Wissenschaftsministe-rin Karl müssen die Unis die Schäden aus eigenem Budget bezahlen. Die Universität Wien will nun „eindeutig identifizierte“ Scha-densverursacher zur Kasse bitten, wie „der Standard“ berichtet.

AG BOLOGNA SUCHT WORKSHOPS FÜR GEGENGIPFEL IM MÄRZ

Im Zuge der „Bologna MinisterInnen - Jubilä-umskonferenz 2010“ veranstaltet die Protest-bewegung vom 12. - 14.3. einen alternativen Gipfel zu bildungs- und gesellschaftspoliti-schen Themen am Campus der Universität Wien. Es werden immer noch Leute gesucht, die Workshops abhalten wollen.

Das Formular zur Anmeldung findet ihr auf der Homepage: http://bolognaburns.org/index.php?id=81&L=1

KÜRZEIN

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4 über.thema

L‘UNIVERSITÉ BRÛLE-T-ELLE?DIE UNI BRENNT. AUCH IN PARIS?

Geplante und ungeplante Störungen dominierten die Veranstaltung L‘Université brûle-t-elle? an der Pariser Sorbonne Universi-tät am vergangen Donnerstag. Ein Theaterstück, Schreiduelle zwischen Organisator_innen und Zuhörer_innen und schließlich zwei Knallkörper auf der Galerie drängten die Inhalte in den Hintergrund.

Studierende aus sieben verschiedenen Län-dern versammelten sich zu der als „große Debatte über die aktuellen Studierendenpro-teste in Europa“ angekündigte Veranstaltung. Viele Teilnehmer_innen waren enttäuscht von den Rahmenbedingungen. „Wir sind 400km für eine Vorlesung gereist, die als Debatte an-gekündigt wurde,“ kritisiert Clara aus Wien.

L‘UNIVERSITÉ BRÛLE-T-ELLE?

Im ersten Teil der Veranstaltung an der Sor-bonne berichteten Studierende aus Deutsch-land, Österreich, der Schweiz, Luxemburg, Italien und Frankreich von der Situation der Protestbewegung in ihren Ländern. Im zweiten Teil sollte eine Podiumsdiskussion stattfinden.

Davor wurde die Veranstaltung durch eine kurze Theater-Einlage unterbrochen. Die The-atergruppe L‘Université du Baz‘art stürmte maskiert die Bühne um die Universität an-zuzünden.

Schon die Vorstellung des Podiums ver-sprach einen emotionalen Abend. Der Rektor der Universität Sorbonne, Georges Molinié, die ehemalige Vize-Präsidentin des Europä-ischen Parlaments, Marie-Noëlle Lienemann und der Vize-Präsident der Studierendenver-tretung Paris IV – Sorbonne, Maxime Lonlas wurden, vor allem auf der Galerie, mit Buh-Rufen empfangen.

Der emotionale Beitrag von Rektor Molinié,

der für österreichische Verhältnisse fast re-volutionär klang, wurde immer wieder von Zwischenrufen französischer Studierender unterbrochen. Ihm wurde vorgeworfen ei-nen Kompromiss mit der Regierung am Ende des französischen Universitätsstreiks von 2008 eingegangen zu sein. Er rechtfer-tigte sich, dass die Streikbewegung 2008, bei der Lehrende, Forschende und Studie-rende gemeinsam protestiert hatten, gegen Staat und Medien „verloren“ hätte.

„EINE OFFENE DEBATTE FEHLTE“

Schließlich wurden Wortmeldungen vom Au-ditorium zugelassen. Viele der extra angereis-ten Aktivist_innen kritisierten die Form und die Rahmenbedingungen der Veranstaltung. „Eine offene Debatte fehlte. Wenn es nur darum ging ein paar Leute reden zu lassen, verstehe ich den Sinn dahinter nicht wirk-lich,“ meint auch Frederic Lemaire von Attac Frankreich, der die Veranstaltung besuchte.

In den Podiumsbeiträgen wurde vor allem die zunehmende „Ökonomisierung“ der Bil-dung beklagt. In Bildungsfragen werde nur mehr ökonomische Sprache verwendet und Studierende werden als Kunden betrachtet, meinte Etienne Boisserie, Präsident der Or-ganisation „Sauvons l‘Université“ (Retten wir die Universität). Einig waren sich auch alle Anwesenden in ihren Aufrufen zum ge-

meinsamen Handeln, speziell beim Bolog-na-Gipfel in Wien.

Gegen Ende der Veranstaltung wurde die

FREDERIC LEMAIRE ATTAC Frankreich

Ü B E R . P R O T E S T ?

„Das Bildungssystem ist ein wichtiger Teil der Demokra-tie. Es sollte nicht von politi-

schen oder ökonomischen Kräften kontrolliert werden.“

Ü B E R . U N I B R E N N T

„Die Bewegung bedeutete Hoffnung für uns. Dass es dort so einen Protest gab, der sich nicht nur mit nationalen, sondern globalen Problemen beschäftigt. Viele Studierende in Frankreich, die selbst aktiv sind, haben #unibrennt verfolgt.“

Ü B E R . Z U K U N F T

„Ich werde versuchen ab 11. März nach Wien zur Demo und dem Gegengipfel zu kommen. Außerdem wird gleichzeitig ein Streik in Itali-en stattfinden soll. Ich hoffe wir können eine Europäische Bildungs- und Forschungs-Be-wegung aufbauen.“

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5über.thema

C1 BLITZARTIG GERÄUMT UNI BRICHT ABMACHUNGEN

KOMMENTAR EINER C 1 - B E S E T Z E R I N

Um 9.00 Uhr wird es ernst. Etwa 20 Securities der Fa. Wagner ha-ben sich beim C1 eingefunden. Die Besetzer_innen werden aufge-fordert das Gebäude zu verlassen und kommen dieser Aufforderung auch ohne Widerstand nach. Ein kleines Häufchen an Polizist_in-nen sieht zu. Als Abschiedsge-schenk wird den Besetzer_innen ein 24-Stunden-Ticket der Wie-ner Linien und ein Lunch-Paket in die Hand gedrückt.

Versprochen wird, dass alle den Besetzer_innen gehörenden Ge-genstände am Montag abgeholt werden können. Eine Augenzeu-gin berichtet jedoch vom Weg-werfen von Heurigenbänken, Kästen, der Kiste der AG Kre-ative Aktionen und anderer Pri-vatgegenstände.

Dass dem Rektorat Wohnungs-lose egal sind haben wir schon bei der Räumung des Audimax festgestellt, doch die Respektlo-sigkeit vor Privateigentum macht

auch vor Student_innen der Uni Wien keinen Halt. Viele Gegen-stände waren außerdem von Sympathisant_innen und Studi-enrichungsvertretungen geborgt.

Einige Wochen zuvor haben die Besetzer_innen das C1 freigege-ben. Bedingungen für die Freiga-be waren, dass das Foyer weiter benutzt werden darf und die Zu-sicherung der Aula im Hof 1. Das Foyer ist geräumt und auch vor der Aula sind gegen Mittag drei, um 18.00 Uhr vier und um 20.00 Uhr bereits sechs Securities po-sitioniert.

Die Aufgabe der Securities ist Zugangsbeschränkungen zur Aula durchzusetzen. Das ge-samte Wochenende ist nämlich nur Student_innen, nach Vor-weis des Student_innenauswei-ses, der Zutritt zur Aula gestattet. So wurden schon Lehrende und Schüler_innen, Student_innen ausgeschlossen oder nur will-kürlich hinein gelassen.

Wir sind gespannt wie es am Montag weiter geht.

[jaae]

Im Umfeld der Veranstaltung an der Sor-bonne wurde die internationale Vernetzung der Protestbewegung weiter vorangetrie-ben. Mobilisierung für den Bologna-Gegen-gipfel im März und Vorbereitungen für einen Bildungskongress im Juni stießen auf re-ges Interesse.

Die Aktivist_innen aus Österreich waren mit Flyern und Buttons nach Paris gekommen, und nutzten ihre Wortmeldungen um für den Gegengipfel in Wien zu mobilisieren. Am Tag nach der Veranstaltung arrangierten Aktivist_innen aus Deutschland ein Vorbereitungstref-fen für einen Bildungskongress, der von 1. bis 6. Juni in Bochum stattfinden soll.

Auch das Kollektiv Printemps 2010 nutzte die Gelegenheit um für ihren Gegengipfel Ende März in Brüssel, anlässlich des Treffens des

Europäischen Rats zur Lissabon-Strategie, zu mobilisieren und zu einer Demonstrati-on beim Rat der Bildungsminister im April in Madrid aufzurufen.

Printemps 2010 (http://www.spring2010.eu) ist ein Kollektiv aus verschiedenen Organi-sationen, die „gegen die Vermarktung von Forschung und Bildung, gegen den allumfas-senden Wettbewerb zwischen Bevölkerun-gen und Territorien, für einen demokratischen und emanzipatorischen öffentlichen Bildungs- und Forschungssektor“ auftritt.

Die Professorin Isabelle Bruno vom Kollek-tiv Printemps 2010 wird beim Gegengipfel in Wien einen Workshop zum Thema „Lis-sabon-Strategie in Hochschulbildung und Forschung“ abhalten.

Diskussion hitziger. Nachdem zwei Knallkör-per auf der Galerie des Hörsaals gezündet wurden, lieferten sich die Veranstalter_innen Schreiduelle mit einigen französischen Stu-dierenden im Auditorium.

Veranstalter_innen und Securities forderten die Gäste daraufhin eindringlich zum Verlas-sen des Gebäudes auf. Die Universität hatte gegenüber den Veranstalter_innen den Ein-satz der Polizei angedroht.

Außerdem am Podium saßen die Professo-rin Isabelle Bruno vom Kollektiv Printemps 2010; Vincent Lauren von der französischen Studierenden-Umweltorganisation „Refedd“; Quentin Retali, vom Veranstalter „Theoria Praxis“ und Julien Bayou von der Organisa-tion „Jeudi Noir/Generation precaire“ (Black Thursday/prekäre Generation).

Die Veranstaltung L‘Université brûle-t-elle wurde von der französischen Studierenden-organisation Theoria Praxis und der Studie-rendenvertretung der Sorbonne Universität organisiert.

INTERNATIONALE VERNETZUNG UND MOBILISIERUNG IN PARIS

[jaae]

REKTORAT: RÄUMUNG AUS SICHERHEITSGRÜNDENAm Samstag, dem 13. Februar 2010, wurde der C1, der größ-te Hörsaal des Campus, auf Anordnung des Rektorats der Uni Wien in den Morgenstun-den von Securities geräumt.

Auf Anfrage von über.morgen, ob dies nicht ein Bruch des Verspre-chens des Rektorats sei, mein-te ein Sprecher der Universität Wien, dass das Foyer nicht mehr für studentische Arbeit benutzt worden sei, sondern lediglich ein Aufenthaltsort für Obdachlose ge-wesen wäre. Das Rektorat habe deshalb beschlossen, das Foyer aus Sicherheitsgründen räumen zu lassen, fügte er hinzu.

Die Aula am Universitätscampus stehe den Studierenden weiter-

hin als Kommunikationszentrum zur Verfügung, solange sie auch dafür genützt werde. Nach der Räumung berichteten Studieren-de von Ausweiskontrollen vor der Aula. Einige wurden am Betreten gehindert, erzählt Wolfgang, ein Aktivist der Protestbewegung.

Das Foyer soll zu einer „offe-nen Studier- und Kommunika-tionszone“ umgebaut werden, berichtet „derstandard.at“. Ver-schidene Gestaltungsmöglich-keiten sollen den Studierenden vorgestellt werden, auch eigene Vorschläge sind willkommen. Die Student_innen sollen dann das Foyer während der Studienzeit zur freien Verfügung haben.

FOTO: TWITTER.COM/PORRPORR

[sl] [bama]

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6 über.kurioses

WENN BAUMATERIAL POLITIK MACHT

Wien - Dienstag um 17:34 stand es fest: „Dieser seelenlose Ziegelstein KANN mehr Freunde haben als H.C. Strache!“ Drei Tage zuvor, Samstag Mittag, starte-te der anonyme Gruppengründer die als Satire gemeinte Aktion. Das Ziel wurde klar genannt. Des Ziegels erster Pinwan-deintrag war: „Aktuell hat H.C. Strache 17.999 Fans bzw. 3893 Freunde!“ Inner-halb kürzester Zeit löste er damit eine Kettenreaktion aus. Die Mitgliederzahl wächst täglich und es wurden bereits Bastelvorlagen für den kleinen Stein on-line gestellt. Der Gruppengründer hält auch nicht viel von Hetze und Beleidi-gungen. Deshalb werden sämtliche re-spektlose Postings von ihm gelöscht.

Mittlerweile kam es auch zu einem Kon-ter der anderen Seite. Mit dem Motiv ei-ner Kornblume soll gegen die linke Hetze

gegen Andersdenkende mobilisiert wer-den. 1.641 Menschen (Stand 13.2.2010) sind bereits Fans dieses geschichts-trächtigen Gewächses. Die Kornblume diente unter anderem zwischen 1933 und 1938 als Erkennungszeichen der illegal agierenden Nationalsozialist_in-nen in Österreich.

Fraglich bleibt der Einfluss solcher Grup-pen auf die österreichische Tagespoli-tik. Von Seiten der FPÖ kam es bisher zu keiner Aussage über die Ziegelstein-gruppe.

Der seelenlose Ziegelstein auf facebook: http://tinyurl.com/seelenloser-ziegelstein

Der Stein zum Selbermachen: http://bit.ly/9jJZ6p

KULTURSCHOCK IN FRANKREICHÖSTERREICHISCHE AKTIVIST_INNEN IN PARIS

FOTO: JAKOB ARNIM-ELLISSEN

„Ich weiß nicht wie das in Österreich ist, aber in Frankreichs Universitäten, und besonders in der Sorbonne, verbringt man nicht die Nacht.“

Mit diesen Worten komplimentierte der Si-cherheitschef der Pariser Sorbonne Univer-sität eine österreichische Studentin nach der Veranstaltung L‘Université brûle-t-elle aus dem Gebäude.

Die Veranstaltung war von einem massiven Security-Aufgebot begleitet. An den Eingän-gen des Universitätsgebäudes wurden Aus-weise kontrolliert und Rucksäcke durchsucht.

Laut französischen Studierenden ist das an dieser Universität „normal“.

[jaae]

„Kann dieser seelenlose Ziegelstein mehr Freunde haben als H.C. Strache?“, fragt eine Gruppe auf facebook. Be-reits 105.453 (Stand 14.2.2010) Menschen sind dieser Meinung.

105.453 FANS[sud]

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7über.bildung

„KIPPPUNKTE“ IM BURGTHEATERAUFTAKT DER NEUEN VERANSTALTUNGSREIHE: PODIUMSDISKUS-SION MIT SASKIA SASSEN

Von Anfang an unterstützte das Burgtheater mit Direktor Matthias Hartmann die Anliegen der Student_innen. Bereits im November 2009 bot das Burgtheater den Student_innen in ei-ner Pause von „Lorenzaccio“ die Bühne als Forum. Mit einem Banner, auf dem Brechts Zitat „Schwierigkeiten werden nicht dadurch überwunden, dass sie verschwiegen werden“ stand, verlasen die protestierenden Studie-renden ihre Forderungen.

Im Jänner 2010 zeigte Direktor Matthias Hart-mann wiederholt Verständnis für die Anlie-gen der Student_innen. In einer Diskussion betonte er, dass die eher abstrakte gesell-schaftliche Verantwortung des Burgtheaters mithilfe der Themen, die bei den Studieren-denprotesten aufgegriffen wurden, konkre-ter werden könne. Das Burgtheater könne als Forum für eine gesamtgesellschaftliche Bildungsdebatte fungieren.

„KIPPPUNKTE DER GLOBALEN BILDUNG“

Am Donnerstag, 28.1, um 16:30 war es dann soweit: Die Veranstaltungsreihe „KippPunk-te“, organisiert von Studierenden der Bil-dungsprotestbewegung in Kooperation mit dem Burgtheater, hatte ihren Auftakt. Gela-den waren Saskia Sassen und Student_in-nen zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „KippPunkt der globalen Bildung“. Mo-deriert wurde die Veranstaltung von Isolde Charim, die an der philosophischen Fakul-tät der Universität Wien arbeitet und bereits

Mit der neuen Veranstaltungsreihe „KippPunkte“ geht die Kooperation zwischen der Bildungsprotestbewegung und dem Burgtheater in die nächste Runde: Den Auftakt machte am 28. Jänner eine Podiumsdiskussion mit der Soziologin Saskia Sassen, moderiert von Isolde Charim.

[bama]

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im besetzten Audimax zu Gast war.

Die gebürtige Niederländerin Saskia Sassen beschäftigt sich mit zentralen Themen wie Globalisierung und internationaler Migration. Die weltweit anerkannte Soziologin prägte unter anderem den Begriff der „global city“. Ihr gleichnamiges Werk „The Globals Cities“ machte sie 1991 über ihr Fach hinaus be-kannt. Sie ist Mitglied im „Club of Rome“.

Sassen ließ, bevor die Diskussion mit den Anwesenden startete, kurz die Bildungsmög-lichkeiten in den USA und anderen Ländern von den Zeiten, als Frauen und Schwarze noch ausgeschlossen wurden, bis heute Revue passieren.

Schließlich gab sie die Frage an die Disku-tant_innen weiter, was eigentlich das Nar-rativ sei, das wir über uns selbst herstellen wollen. In der folgenden Diskussion wurden verschiedene Aspekte dargelegt: Ein Narra-tiv ist zum Beispiel die Tatsache, dass die Protestbewegung ohne eine Führungsgrup-pe auskommt. Dies stelle, nach Sassen, ei-ne zukünftige Form der Organisation dar. Die Ansicht, dass die Führung hier im Networ-king bestehe, konnte sie teilen, es sei ein Teil der Mobilisierung. Aus dem Publikum wurde des weiteren der Aspekt aufgegriffen, dass die Arbeit mit dem Web 2.0 die Orien-tierungsfunktion übernehme, die vorher ei-

ner Führungsgruppe zugeschrieben wurde.

Besondere Aufmerksamkeit bekam der Begriff des „assett stripping“, welcher die Zerschla-gung bzw. Ausschlachtung der Universitäten (oder generell Unternehmen) meint und die damit verbundene Ökonomisierung.

Sassen zollte der Protestbewegung Respekt und betonte den Mut und die Leidenschaft, wirklich etwas verändern zu wollen. Wir hät-ten das „assett stripping“ erkannt und wür-den nun darauf reagieren. Sie merkte an, dass man sich aus der Opferrolle heraus-bewegen und einen gemeinsamen Fokus finden müsse. Die Soziologin riet davon ab, sich als politische Organisation zu struktu-rieren und betonte den globalen Ansatz, den man finden müsse.

EIN ZEICHEN SETZEN

Die neue Veranstaltungsreihe setzt ein Zei-chen: Mit dem Ende der Besetzung des Au-dimax ist der Protest der Studierenden noch lange nicht beendet. Um selbst einen Bei-trag zur Förderung bildungspolitischer und gesellschaftlicher Themen zu leisten, orga-nisieren die Student_innen künftig in Koope-ration mit dem Burgtheater weitere Vorträge und Veranstaltungen.

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8 über.bildung

Am 4. März stellt sich die neue Wissen-schaftsministerin Beatrix Karl der Diskus-sion mit Studierenden und Vertreter_innen der Österreichischen Hochschülerschaft. Das Gespräch wird in der Aula der Aka-demie der Bildenden Künste stattfinden, bestätigte ein Sprecher der Ministerin der über.morgen.

Die Podiumsdiskussion wird von der ÖH, Studierenden der Protestbewegung und FM4 organisiert und soll hauptsächlich ein Dialog zwischen der Bundesministerin und dem Auditorium sein. Karl möchte in einen konstruktiven Dialog mit den Studierenden treten und dokumentiert hiermit ihren neuen Stil, ergänzte er seine Ausführungen.

Sigrid Maurer, Vorsitzende der ÖH-Bundes-vertretung, äußerte im Ö1 Mittagsjournal die Hoffnung, dass die Ministerin endlich klare Antworten gibt. Die Themenpalette der Fra-gen wird sich von den Studiengebühren über die Frage von Zugangsregelungen, bis zum Bolognaprozess erstrecken, ist Birgit, eine Aktivistin der Protestbewegung, überzeugt.

Offen sei bisher noch, in welcher Form das Auditorium die Fragen an die Ministerin stellen darf, meint Thomas Wallerberger, stellvertre-tender Vorsitzender der ÖH-Bundesvertre-tung. Die Entscheidung liege bei der ÖH.

Eine Variante wäre, dass die Moderation die Fragen aus dem Publikum sammelt und das Podium diese beantwortet. Eine andere, dass die Studierenden im Vorfeld die Möglichkeit haben die Fragen einzureichen und die Mo-deration diese dann ans Podium richtet, so Wallerberger.

Neben Karl werden ein_e Student_in aus der Protestbewegung, ein_e Vertreter_in des Vor-sitzteams der Bundes ÖH und ein_e Vertre-ter_in der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft am Podium sitzen. Wie der/die Student_in ausgewählt werden soll ist noch nicht klar. Michael Fiedler von FM4 wird die „Frage-stunde“ mit der Ministerin moderieren. Die Diskussionsveranstaltung ist für eineinhalb Stunden angesetzt.

„DIALOG“ MIT STUDIERENDEN:MINISTERIN BEI ÖH-PODI-UMSDISKUSSION

[sl]

Am 17.11.09 protestierten in Augsburg, im Rahmen des Bundesweiten Bildungsstreiks, 1000 Student_innen und Schüler_nnen für ein besseres Bildungssystem. Der Bildungspro-test war in Augsburg endgültig angekommen. Fünf Wochen besetzten die Studierenden die Uni Augsburg, bis sie vor Weihnachten 2009 den besetzten Raum verließen.

Nun plant die bayerische Staatsregierung Kürzungen des Zuschusses für die Studen-tenwerke. Nach Angaben des Wissenschafts-ministeriums in München sieht der Entwurf für den Nachtragshaushalt 2010 eine Kür-zung des Zuschusses an die Studentenwer-ke um 2,63 Millionen Euro vor, das entspricht fast einem Viertel der gesamten Förderung.

So gab es auch Proteste beim Besuch von Wissenschaftsminister Heubisch während seiner Eröffnungsrede zum Brecht-Festival und beim Besuch des bayerischen Finanz-ministers Fahrenschon an der Universität Augsburg.

Seit Anfang dieses Jahres trifft sich wieder ein wöchentliches Plenum. Für den 11.2 wur-de die Universitätsleitung mit Kanzler Zim-mermann in den Hörsaal 1 eingeladen. Im

Laufe der Diskussion wurde deutlich, dass die Universitätsleitung keine deutliche Stel-lungnahme zu den Forderungen hat. Inhalt und Art von Zimmermanns Auftretens brach-te den Saal zum brodeln: Die Diskussion wurde nach Abstimmung des Plenums ab-gebrochen, der Hörsaal erneut besetzt und der Rücktritt der Universitätsleitung gefor-dert. Am 12.2 wurde das Senatsgebäude der Universität Augsburg daraufhin für et-wa 6 Stunden besetzt. Erneut wollte man eine Stellungnahme der Universitätsleitung erzwingen.

In den Verhandlungen mit dem Kanzler, kam es abermals zu keinem Ergebnis. Als neuer Verhandlungspartner wurde Vizepräsident Alois Loidl gefordert. Das Gesprächsange-bot von Vizepräsident Loidl führte schließlich zu einer Entspannung der Situation.

Die Proteste werden wohl weiter gehen, denn auch im gesamten Bundesland Bayern bro-delt es. Noch in diesem Monat werden ver-schiedene internationale Treffen stattfinden, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

http://blog.bildungsstreik-augsburg.de

[mf] [bama]

DEUTSCHLAND: DIE PROTESTE GEHEN IN DIE NÄCHSTE RUNDE

K O M M E N T A R

Wir leben in einer Demokratie, oder zumin-dest in einer Staatsform, die sich als solche bezeichnet. Das Volk hat direkt sowie indi-rekt die Möglichkeit, die Menschen zu wäh-len, die sie gerne als ihre Vertreter_innen in der Politik hätten. Das bedeutet aber auch, dass jede_r und jedem in einer Demokra-tie eine gewisse Verantwortung zuteil wird. Wer Entscheidungen fällt, muss als erstes Kenntnisse über die vorhandenen Optionen sowie deren Vor- und Nachteile gewinnen, muss dann aufgrund seiner Werte und seiner Moral entscheiden, was er/sie für gut oder schlecht befindet und kann schließlich seine/ihre Meinung (mehr oder weniger gut und ef-fektiv) in Form seines Wahlzettels abgeben.

Was braucht es aber, um Informationen aus Zeitungen, oder Medien generell, zu gewinnen, die die Optionen von verschiedenen Seiten

beleuchten? Was braucht es, um herauszu-finden, welche_r Politiker_in eigentlich tat-sächlich an einer Demokratie interessiert ist? Es ist immer wieder die gleiche Antwort – es braucht Bildung. Menschen müssen Lernen lernen, müssen kritisch denken lernen. Ohne diese Fähigkeiten laufen die Menschen Ge-fahr, dem/der Lautesten zu glauben, dem/der mit der schönsten Frisur oder dem/der, der/die am öftesten mit ihnen saufen geht. Ohne Bildung laufen sie Gefahr, aus ihrer Angst vor unbekannten Dingen ebendiese abzulehnen oder zu verbieten. Und ein Ver-bot „andersartiger“ Dinge, sei es eine Reli-gion oder eine Kultur, gefährdet wiederum die Demokratie selbst, denn eine Demokratie besteht aus vielen unterschiedlichen Stim-men. Deshalb ist es unsere Aufgabe, immer und immer wieder für die Bildung einzutre-ten – im Dienste einer Demokratie, die sich nicht selbst verbieten sollte.

GRUNDLAGE DER DEMOKRATIE IST DIE BILDUNG DES VOLKES

[arr]

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9über.politik

G A S T K O M M E N T A R

Es ist erfreulich, wenn Bundes-ministerin Dr. Karl den gerade begonnen Dialog über Ziele und Aufgaben des tertiären Bildungssektors als „längst überfällig“ bezeichnet.

Ich möchte aber daran erinnern, dass seit der Regierungsüber-nahme durch den ehemaligen Bundeskanzler Schüssel ledig-lich Belehrung, Monologe so-wie Selbstbeweihräucherung und Tarnen und Täuschen auf der Tagesordnung standen. Unver-ständnis und Unwissen über das, für Forschung und Lehre nötige atmosphärische wie finanziel-le, Umfeld standen dabei weit-gehend im Vordergrund. Es war

nicht zuletzt das Verdienst der Studierenden und deren Protes-te, den Blick hinter die Kulissen zu öffnen und jenen Druck zu er-zeugen, der die Politik, spät aber doch aus der bildungspolitischen Lethargie rüttelte. Bildung und Wissenschaft wurde, dank der Protestbewegung, wieder zum Thema und bald erkannte wohl auch die Mehrheit der Rektoren und wichtiger Entscheidungsträ-ger des tertiären Bildungssektors, dass allen Vorurteilen und Irritati-onen zum Trotz diese Studieren-den als Verbündete und nicht als Gegner zu sehen wären. Respekt verdient, dass hier keineswegs gruppenspezifische Interessen wie Studiengebühren und Zulas-sungsbeschränkung im Vorder-grund der Forderungen standen,

sondern grundlegende Fragen über den Mehrwert der Bildung und Forschung. Dass bestehen-de, offensichtliche und jahrelang bekannte Defizite, soziale Selek-tion und weitgehend fehlende bil-dungs- und forschungspolitische Konzepte nun wirksam benannt wurden ist ein weiteres Verdienst der Proteste.

Ich wünsche, dass die Universi-tät als Ort der kritischen und offe-nen Auseinandersetzung erhalten bleibt und nicht die berechen- und unmittelbare Nützlichkeit die politischen Erwartungen von Bil-dung und Forschung dominiert.

Dazu gehört aber auch, dass nicht nur die zuständige Minis-terin sondern auch andere wie

beispielsweise ein Vizekanzler und Finanzminister Pröll par-teipolitische Scheuklappen und Dogmen überwindet und damit einer notwenigen Grundsatzde-batte Raum geben. Wachsamkeit ist hier allerdings angesagt, da-mit der Dialog nicht zu Beschäf-tigungs- und Verzögerungspolitik missbraucht wird. Ich werde alles tun, damit dies nicht geschieht. Kurt Grünewald ist Abgeordneter im Nationalrat und Wissenschafts-sprecher der Grünen

UNIVERSITÄTS- UND HOCHSCHULDIALOG: DISKURS MUSS ZUM HANDELN FÜHREN!

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Das Besondere am §278a ist, dass zu seiner Anwendung keine konkreten Straftaten be-nötigt werden. Der eigentlich gegen die or-ganisierte Kriminalität eingeführte Paragraph lässt so viel Spielraum, dass jetzt Aktivist_in-nen vor Gericht stehen, weil sie Kampagnen organisierten, an internationalen Aktivist_in-nen-Treffen teilnahmen und Berichte über Tierrechtsaktionen sammelten.

PROZESS IN WR. NEUSTADT

Eineinhalb Jahre nach den Enthaftungen wird der Prozess, der auf sechs Monate an-gesetzt ist, im Landesgericht Wr. Neustadt beginnen. Das bedeutet für alle 13 Angeklag-ten drei Mal pro Woche Anwesenheitspflicht. Mindestens ein halbes Jahr wird das Leben der 13 angeklagten Aktivist_innen und ihres nahen Umfelds davon vereinnahmt werden.

Die bisherige Auseinandersetzung mit der Repression wird gezwungenermaßen noch verstärkt. Insbesondere Themen wie die statt-gefundene Überwachung, Verhaftung und U-Haft sowie drohende Gefängnisstrafen führen zu zusätzlicher psychischer Belastung.

ENORMER FINANZIELLER AUF-WAND

Aufgrund der außergewöhnlichen Dimensi-on dieses Prozesses – er ist einer der größ-

ten in der Geschichte der Zweiten Republik – ist es für die Angeklagten unmöglich, den finanziellen Aufwand selbst zu tragen. Der-zeit werden allein für die Bezahlung der An-wält_innen mehrere €100.000 veranschlagt. Dazu kommen Gerichtskosten, Fahrtkosten etc. – diese enormen Beträge können nur durch Spenden aufgebracht werden.

Am 21. Mai 2008 war es nach jahrelangen Ermittlungen und weitreichenden Überwa-chungen der österreichischen Tierrechts-szene zu 23 Hausdurchsuchungen und zehn Verhaftungen gekommen, die in dreieinhalb Monaten U-Haft mündeten.

Die Unterstützer_innengruppe Antirep2008 benötigt zusätzlich Hilfe bei der Prozessbe-gleitung, dem Organisieren von Solipartys, Demonstrationen und vielem mehr.

Mehr Infos dazu und aktuelle Termine findet ihr auf www.antirep2008.tk.

§278A - WENN DER PROZESS BEGINNT, HÖRT ALLES ANDERE AUF

Im März beginnt der Prozess gegen 13 Tierrechtsaktivist_innen, denen nach §278a Bildung und Mitgliedschaft einer kriminel-len Organisation vorgeworfen wird. Diese konstruierte Organisation soll für alle legalen und illegalen Aktionen mit Tierrechts-bezug seit den 1980er-Jahren in Österreich verantwortlich sein.

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S T I M M E N D E S H O C H S C H U L D I A L O G S : K U R T G R Ü N E W A L D

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10 über.politik

DAS NEUE KÄRNTENKlagenfurt ist nicht mehr wieder zu erkennen.

Nach den Schlagzeilen um die Abspaltung des Kärntner BZÖ von der Bundespartei und dem Skandal um die Hypo Alpe Adria will Kärnten einen Neuanfang. Kommentar und Fotos von Dieter Zirnig, Herausgeber des Blog neuwal.at

K O M M E N T A R

Zum ersten Mal seit vielen Jahren ist ein politischer und sozialer Veränderungswille vieler Kärntner_innen zu spüren. Menschen gehen auf die Straße, gründen eigene Platt-formen, Vereine oder Initiativen und setzen sich für „ein anderes Kärnten“ ein. Grund ist die Enttäuschung über die derzeitige politi-sche Führung mit ihren Skandalen, Korrup-tionen und Proporz.

DAS NEUE KÄRNTEN

Schon vor gut einem Jahr habe ich gemerkt, dass die Politik und die Gesellschaft in Kärn-ten vor großen Veränderung steht: In den Medien wurden erstmals kritischere Themen angesprochen und politische Missstände öf-fentlich gemacht. In den Jahren zuvor hat dieser Gegenpol gefehlt und der herrschen-den Politik absoluten Freiraum gelassen. Zu groß war damals die Angst vor „den Ande-ren“ verraten und ausgegrenzt zu werden.

Reinhard Eberhart ist Sprecher der Platt-form „Das neue Kärnten“ und möchte bei den derzeitigen Entwicklungen nicht mehr zusehen und all diejenigen ansprechen, die derzeit enttäuscht sind. Es ist ein „Rosenmon-tag des Widerstandes“ und im Juni wird ein „Festival gegen die Dummheit“ veranstaltet.

Neue Plattformen und Politiker_innen sind wichtig für Kärnten, da derzeitige Kandi-dat_innen aller Parteien verbrannt sind und

die Kärntner Politik kaputt gemacht haben.

FREITAGSDEMONSTRATION

Was vor einigen Jahren noch unvorstellbar war, ist jetzt möglich: Es sammeln sich mehr und mehr Menschen, die öffentlich zeigen, dass sie mit der derzeitigen politischen Si-tuation unzufrieden sind. Mehr als 600 Teil-nehmer_innen wünschen sich ein „neues Kärnten“ und gehen dafür auf die Straße. Mit Plakaten, Pfeifen und „Rücktritt“-Sprechchö-ren geht es jeden Freitag von der Kärntner Landesregierung quer durch die Innenstadt zum Landhaushof. Die überparteiliche De-monstration wird von den Grünen in Kärnten mit Landessprecher Rolf Holub organisiert.

Lojze Wieser, eine Säule der Kärntner Kultur, begrüßte die Menschen bei der Abschluss-kundgebung in seiner zweisprachigen Rede mit „Dobro Jutro“ - auf Deutsch: „Schönen guten Morgen“ und wies auf den Beginn ei-ner neuen Ära hin. „Die Zukunft dieses Lan-des geht hier und steht hier auf der Straße. Die Vergangenheit ist in der Politik und sitzt da drinnen“, sagt Lojze Wieser und zeigt auf das dahinterliegende Kärntner Landhaus, in dem die Landesregierung tagt.

Rolf Holub wünscht sich, dass es politisch nach vorne geht und dass die Verantwort-lichen aus ihren Fehlern lernen. Er möchte das System verbessern und es demokrati-scher gestalten: Von unten nach oben und nicht umgekehrt.

NEUWAHLEN FÜR KÄRNTEN?

Von unten nach oben möchte auch And-reas Sucher aus Villach mit seiner Initiati-ve „neuwahlJETZT.at“ sofortige Neuwahlen

vom Zaun brechen. Derzeit haben bereits mehr als 2.600 Unterstützer_innen seinen Wunsch nach Neuwahlen auf seiner Platt-form unterstützt.

Georg Holzer, Initiator von k2020.at und Kärntner Journalist des Jahres, spricht sich für eine komplette Veränderung der politi-schen Struktur in Kärnten aus. Er setzt sich für ein „Open Government“ ein und fordert eine offene und transparente Regierung, bei der die Verwaltungen bürgerorientiert, inter-aktiv und effizient werden und den öffent-lichen Zugang zu Daten ermöglichen soll.

NEUE CHANCE IN KÄRNTEN

Kärnten steht derzeit vor der einzigartigen Chance eines kompletten Neubeginns auf politischer, sozialer und gesellschaftlicher Ebene.Ein Neubeginn, der nicht durch so-fortige Neuwahlen definiert wird, sondern ein Neubeginn, der sich aus Aufklärung und Be-sonnenheit zusammensetzt.

Eine neue Ära, die von allen Menschen aus-geht und gestartet wird. Was in Klagenfurt möglich ist, kann in allen Kärntner Orten fortgesetzt werden. Ideen, die sich mit Hilfe des Internets rasch realisieren und verbrei-ten lassen: Verwendet das Internet, Social Media und LIVE-Streams, um mehr Leuten von den Bewegungen zu informieren und daran teilhaben zu lassen.

An Ideen und Visionen mangelt es nicht – Kärnten hat das Zeug, neue politische We-ge zu bestreiten.

Mehr Interviews, Videos, Berichte und eine 45-minütige Diskussionssendung zu Kärn-ten gibt es auf http://neuwal.com

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11über.denken

G A S T K O M M E N T A R V O N P I E R R E D E C O U S S Y

Over the last five years, politicians from eve-ry political background liked to say, that France is in a period of crisis, and that re-

forms are necessary. Since 2007, according to that imperative, the government seemed to confuse necessity and urgence. Conse-quently numerous reforms in several fields like education, university, public services and so forth were started, without consulting the people who are concerned - because this process of consultation was considered as being “not quick enough”. The trains are al-ready partially privatised, and the the post is the next in line… strikes don‘t seem to change anything!

Many reforms before and after 2007 pro-voked strikes and manifestations. But be-fore 2007 some of them were able to force governments to re-evaluate their decisions. After 2007, this was not the case anymore. Students were particularly affected by the shift in dealing with these forms of public protest. Furthermore, the Law concerning the Liberties and Responsibilities of Univer-sities („Loi relative aux libertés et responsa-bilités des universités“, LRU) was adopted. It is based on an interpretation of the Bolo-gna Process, with the goal to privatise and reduce the numbers of universities, thereby putting them in a situation of competition. This is surprising, keeping in mind that the-se actions were undertaken to rank higher

in the hierarchy the Shangai University pro-duces (which gives more credit to an univer-sity occupying, for example, as to a nobel price winner).

At the very same time, the number of teachers is decreasing (are the costs for employing them too high?), while the number of poli-cemen is increasing. Where is a state with more cops than teachers going to, what is its priority? Education or security?

Hence it is little surprising that student mobi-lisations in France last year, which, like ma-ny others before, came to an end without having achieved any results. The govern-ment decided to ignore the wishes of the students. The only ones, sent to talk to them were policemen. Events organised by stu-dent organisations to debate these reforms are ignored by the Secretary of the State in charge of these matters. It appears that Mrs Pécresse, State Secretary for University and Research, although she might talk to a few students now and then, is unable to take part in bigger events in presence of a lager number of students.

Pierre Decoussy ist Student an der Pariser Sorbonne Universität.

POLITICAL REFORM IN FRANCE OVER THE LAST FIVE YEARS

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K O M M E N T A R

In unserer letzten Ausgabe star-teten wir die Reihe „Stimmen des Hochschuldialogs“ mit einem Paukenschlag. Die neue Wis-senschaftsministerin Beatrix Karl meldete sich persönlich zu Wort. Der Dialog habe das große Ziel, schrieb sie, „eine Grundlage und einen Schulterschluss für unser gemeinsames Anliegen: die Zu-kunft unserer Universitäten“ zu erreichen. Seine Ergebnisse wür-den für sie „wichtige Empfehlun-gen“ darstellen, sein Ende solle der „Beginn einer neuen Ära der Hochschulpolitik“ sein.

„Neue Ära“, das klingt beeindru-ckend. Vor meinem inneren Au-ge sehe ich demokratische, freie

und gut ausgestattete Universitä-ten. Studentische Mitbestimmung und anständig bezahlte Lehren-de, Studienpläne, die selbstbe-stimmtes Studieren ermöglichen und Seminare, deren Größe rich-tige Diskussionen erlauben. Ich sehe Universitäten, die sich über einen großen Andrang junger Menschen freuen und allen das bestmögliche Bildungsangebot bieten, dass das siebentreichste Land der Welt bieten kann. Eine schöne „neue Ära“.

Doch wenn ich an den Antritt der neuen Wissenschaftsminis-terin denke, ändert sich das Bild in meinem Kopf. Studiengebüh-ren und Zugangsbeschränkun-gen. Eines sei ihr wichtiger als das andere. Ist es wichtig wel-

ches? Bei jeder Gelegenheit sprach sich Karl für Studienge-bühren aus. Das System habe sich „bewährt“ und nur weil sie keine Mehrheit dafür bekomme, sei die Wiedereinführung „im Mo-ment“ vom Tisch. Konzepte ab-seits von Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen gibt es im Wissenschaftsministerium of-fensichtlich noch immer nicht.

Es hat mich gefreut, dass die neue Ministerin den Gastkom-mentar persönlich schrieb. Ihre Wortmeldungen zum Thema Di-alog mit Studierenden, die Plä-ne für ein öffentliches Treffen mit ÖH und Protestbewegung – ei-niges hat sich geändert im Mi-nisterium. Doch dort worauf es eigentlich ankommt – Perspek-

tiven und Strategien für die Ge-staltung des Hochschulsektors – da kräht die neue Ministerin genau wie ihr Vorgänger.

Schöne neue Ära?

Der Gastkommentar von Beatrix Karl wurde in Ausgabe 2/2010 veröffentlicht. Nachzulesen un-ter www.unsereuni.at/ueber-morgen.

S T I M M E N D E S H O C H S C H U L D I A L O G S K O M M E N T I E R T : B E A T R I X K A R L

SCHÖNE NEUE ÄRA?

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Page 12: 3/2010: L'Université brûle

12 über.kitschundkultur

INTERVIEW: „MIT STUDENTEN SOLIDARISIEREN, DAS KLINGT SUPER UND KOSTET NIX UND IST DESWE-GEN AUCH NICHTS WERT“

ÜBER.MORGEN: KÖNNEN SIE STÄRKEN UND SCHWÄCHEN DER BEWEGUNG NENNEN?

Ruzowitzky: Stärke ist gleich Schwäche. Es ist das unhierarchische, ungeplante, dass es keine ausgefeilten Strategien gibt. Das macht das ganze irgendwie sympathisch, weil es so etwas Basisdemokratisches hat. Mit Orga-nisationsstrukturen bin ich dann in anderen Bereichen natürlich fixer und schlagkräftiger.

ÜBER.MORGEN: MAN KÖNNTE ES ALSO ALS EIN EXPERIMENTIER-FELD FÜR GELEBTE DEMOKRATIE SEHEN?

Ruzowitzky: Ja. Aber es wird den Studen-ten oft etwas vorgeworfen, was irgendeiner gesagt hat, weil es eben nicht die drei offi-ziellen Repräsentanten gibt. Wenn dann ir-gendwer vor das Mikro läuft und sagt: „Ich will Freibier für alle!“, dann steht das in der Zeitung als Forderung der Studenten.

ÜBER.MORGEN: WIE KOMMEN-TIEREN SIE DAS VERHALTEN DER POLITIK?

Ruzowitzky: Gab es ein Verhalten, nicht wirk-lich oder? Ich habe versucht für den Film po-litisch etwas zu bewegen. Was hilfreich ist, wenn man einen Rückhalt in der Bevölke-rung hat, dass die Politiker sehen, das bringt mir gute Presse. Aber das dauert lange und bei euch geht es einfach um andere Sum-men. Bei euch sind es ja wirklich Struktu-ren, die geändert werden müssen.

ÜBER.MORGEN: WENN SIE WIS-SENSCHAFTSMINISTER WÄREN, WAS WÜRDEN SIE ÄNDERN?

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „unitalks“ bat die über.morgen Filmemacher und Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky zum Gespräch. Nicole Kornherr sprach mit ihm über Bildung, Ökonomisierung und die Studierendenproteste.

Ruzowitzky: Was ich mitbekommen habe ist, dass der Bologna-Prozess eine gute Intenti-on hatte, aber es sich in die falsche Richtung entwickelt hat. Jetzt muss auf europäischer Basis gesagt werden: Wir müssen korrigieren. Um mich jetzt bei dir und den Studis unbe-liebt zu machen: Die Idee, einerseits sollen so viele wie möglich studieren, gleichzeitig soll es umsonst und auf hohem Niveau sein. Das kann sich nicht ausgehen.

ÜBER.MORGEN: WENN NICHT ÜBERSPITZT GEFORDERT WIRD, BEKOMMT MAN AUCH NICHTS?

Ruzowitzky: Ja. Ich glaube man muss irgend-wo ansetzen. Der erste Punkt ist, dass man erkennen muss, wie viel gut ausgebildete Studenten wollen wir wirklich und wie bil-den wir die aus. Man soll anfangen zu den-ken: Was soll am Ende herauskommen und nicht, was ist mit dem Geld möglich? Was dann herauskommen soll sind Leute, die einfach fit sind, um diese Gesellschaft vor-an zu bringen und nicht nur auf einem streng abgezirkelten Fachgebiet ausgebildet sind.

ÜBER.MORGEN: WELCHE GEFAH-REN VERBERGEN SICH HINTER DER ÖKONOMISIERUNG DER BIL-DUNG?

Ruzowitzky: Wenn man sich mit zukünfti-gen Arbeitswelten beschäftigt, gibt es das Schlüsselwort: Flexibilität. Die Kompetenz sich weiterzubilden, zu lernen, sich zu ver-ändern. Deshalb ist eine kurzsichtige, sprich kurzfristige Ökonomisierung das Falsche. Wenn ich nur versuche, das heran zu züch-ten, was der Arbeitsmarkt gerade jetzt oder

innerhalb der nächsten fünf Jahre braucht. Sinnvoll wäre, dass aus der Uni Leute raus kommen, die mit dieser Ausbildung etwas anfangen können und damit auch Geld ver-dienen können, dagegen kann ja niemand etwas haben?

ÜBER.MORGEN: WELCHE TIPPS HABEN SIE FÜR DIE STUDIEREN-DEN, UM IHRE ZIELE ZU ERREI-CHEN?

Ruzowitzky: Das temporäre Ende fand ich unglücklich. Da hätte man strategischer bzw. dramaturgischer denken können. Ab einem gewissen Punkt ist die öffentliche Meinung positiv, dann beginnt sie zu kippen. Spätes-tens dann ist der Zeitpunkt gekommen wo ich sage: „So jetzt höre ich damit auf und lasse mir etwas Anderes einfallen.“ Das, fin-de ich, hat man verabsäumt. Also da würde ich jetzt als Mensch der mit Dramaturgie zu tun hat, mit Öffentlichkeitsarbeit sagen, das würde ich anderes einsetzen. Gerade wenn man davon ausgeht, dass das Produkt, das ihr zu verkaufen habt – nämlich eure Ansprü-che – ein gutes bzw. offensichtlich gut ver-marktbares Produkt ist.

ÜBER.MORGEN: KÖNNEN SIE SICH VORSTELLEN, DASS SIE MIT DEN STUDIERENDEN IRGENDWIE EINE KOOPERATION EINGEHEN KÖNN-TEN?

Ruzowitzky: Mit den Studenten solidarisie-ren, das klingt super und kostet nix und ist deswegen auch nichts wert. Ich glaube, wo es Sinn macht ist, wenn es eine konkrete Forderung gibt und ich dann sag‘: Da bin ich dabei.

ÜBER.MORGEN: VIELEN DANK FÜR DAS GESPRÄCH!

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13über.kitschundkultur

PLATZVERWEIS FÜR DR. LUEGER

Wien 2010, der Ton wird rauer. Dass in ei-nem Wahljahr politische Parolen zunehmen und sich Untergriffe häufen kennt man ja. Im Herbst wird in Wien gewählt und der Wahl-kampf hat begonnen. Hauptakteur ist diesmal die FPÖ, die rassistische und antisemitische Rhetorik wieder salonfähig gemacht hat. Ob in der Person des Nationalratspräsidenten Martin Graf oder des Parteivorsitzenden H.C. Strache - Fremdenfeindlichkeit und Diskri-minierung hat viele Gesichter.

EHRE WEM EHRE GEBÜHRT

Ein berühmtes Gesicht des Antisemitismus ist jenes von Dr. Karl Lueger. Der von 1897 bis 1910 amtierende Bürgermeister Wiens war bekennender Antisemit und erlangte seine Macht durch gezielte Gesetzgebung gegen Juden und Jüdinnen. „Wer Jud is be-stimm i“ ist das bekannteste Zitat unseres Altbürgermeisters. Selbst Hilter rühmte ihn in dem Buch „Mein Kampf“.

Trotzdem ehrt Wien Dr. Karl Lueger, indem sowohl ein Teil der Ringstrasse, als auch ein Platz nach ihm benannt sind. Warum?

Er hat die Hochquellwasserleitung gebaut und die Gaswerke kommunalisiert. An-scheinend Grund genug für Wiens Politi-ker_innen über seine politischen Ansichten hinweg zu schauen.

INTERNATIONALER OPEN CALL

Diese Ansicht teilen nicht alle. Studierende und Lehrende der Universität für angewand-te Kunst Wien rufen dazu auf ein Zeichen zu setzen. Das Denkmal für Karl Lueger darf nicht länger eine ausgeblendete Geschich-te des Antisemitismus verharmlosen. Es soll daher zu einem Mahnmal gegen Antisemi-tismus und Rassismus umgestaltet werden.

Der internationale Wettbewerb läuft noch bis 31.März 2010. Kreative Köpfe können Ideen zur Umgestaltung einreichen. Alle Entwürfe werden in einer Ausstellung veröffentlicht. Der Siegerentwurf wird von einer interna-tionalen Jury ausgewählt. Der Arbeitskreis setzt sich dann intensiv für die Umsetzung des Projekts ein.

Infos und Facts zum Wettbewerb unter www.luegerplatz.com

[jil]

Wettbewerb der Akademie für angewandte Kunst zur Umgestaltung des Lueger Denk-mal in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich

AG SUPERGAU: MUSIKALISCHES UND AKTIO-NISTISCHES „NACHSITZEN“

“Wenn die Öffentlichkeit nicht für Bildung kämpft, dann muss die Bildung für Öffent-lichkeit kämpfen und das mit der größtmög-lichen Hörerschaft - Auditorium Maximum - eine Art Nachsitzen für die Gesellschaft,” sagt Tom von der AG Supergau.

Von 10. bis 14. März sollen Konzerte und DJs die Teilnehmer_innen des Gegengip-fels, Touristen und alle anderen Interes-sierten am Heldenplatz unterhalten. Neben anderen haben Sänger Hubert von Goisern und die Band Alkbottle ihre Teilnahme zu-gesagt. Das weitere Line-up wird Ende des Monats bekannt gegeben.

Unter dem Motto „Paint it black – Internati-onal Funeral Service“ soll in einer aktionisti-schen Trauerfeier „Abschied von lobbyfreier Bildung“ genommen werden, heißt es im

Konzept der Arbeitsgruppe. Anläßlich des Jahrestags des Tibet-Aufstands gegen die

Besetzung durch China ist außerdem ei-ne Kooperation mit der Free-Tibet-Bewe-gung geplant.

Neben Musik und Aktionismus sind auch Live-Übertragungen vom Bologna-Gegen-gipfel der Protestbewegung vorgesehen. Zum Abschluss der Veranstaltungswoche sollen schließlich die Ergebnisse des Gegen-gipfels am Heldenplatz präsentiert werden.

Mitarbeiter_innen der ehemaligen AG Pres-se, AG Radio Audimax, der AG Doku und anderen Arbeitsgruppen haben sich zur AG Supergau zusammengeschlossen. Die Ar-beitsgruppe steht allen Interessierten offen. Ihre Treffen können auch über Livestream mitverfolgt und mitgestaltet werden. Alle In-formationen sind unter www.auditoriumma-ximum.org zu finden.

Die Bologna-Jubiläumskonferenz findet vom 11. bis 12. März in Wien und Budapest statt. Teilnehmer sind die 46, für die Bildungspoli-tik zuständigen, Minister_innen der EU. Sie sollen die Umsetzung und die Strategie des so genannten Bologna-Prozesses erörtern.

Mit Unterstützung von sympathisierenden Künstler_innen, diversen NGOs und den Medien wird die AG Supergau im März das Rahmenprogramm zum Protest gegen die Bologna-Konferenz gestalten. Die Aktivist_innen brauchen dafür deine Hilfe.

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14 über.graus

Rezension von „das modell für laura“ von Vladimir Nabokov

Lust und Vernichtung, Orgasmus, der schöne Tod. Das heißt, dem 78-jährigen Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Schmetter-lingsforscher beim Denken zuschauen.

Nein, Sie halten hier keinen fertigen Text in Händen. Was Sie mit „das modell für laura“ bekommen, ist ein Zettelkasten; übersetzt und kommentiert. Nabokov, den viele kluge Leute den „größten Er-zähler des 20. Jahrhunderts“ nennen, hat vor seinem Tod 1977 sei-nen letzten Roman auf Karteikarten vorbereitet, seiner Frau aber vor dem Ende das Versprechen abgenommen, die Manuskripte zu vernichten. Nun hat sich der Sohn Dmitri Nabokov dazu durchge-rungen, „das modell für laura“ zu veröffentlichen.

DIE SENDUNG MIT DEM GRAUS

DIE WIRTSCHAFTSKRISE

K O M M E N T A R

Im vergangenen Jahr hatte die Wirtschaft eine Krise, von der sich

diese noch nicht ganz erholt hat.

Schuld waren Verantwortungslosigkeit und fehlender Weitblick von

solchen Leuten, wie man sie z.B. aus dem Film „Let‘s Make Money“

kennt. Die haben ihre eigene Vorstellung davon, was der Wirtschaft

gut tut. Da soll es weniger Staat und mehr privat geben. Reguliert

sich eh alles selbst. Und den Rest regulieren sie: Z.B. indem sie

Konzerne und Banken so groß werden lassen, dass ihr Niedergang

Volkswirtschaften bedrohen würde. Dann muss der Staat eingreifen

und den Karren aus dem Dreck ziehen. Und vor den Karren wer-

den die Steuerzahler gespannt. – Klingt erpresserisch, ist es auch!

Die ÖVP erklärt uns, warum das so sein muss. Sie sagt, „Geht’s

der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.“ – Und schon waren eini-

ge Milliarden dazu verwendet, die Fehler derer auszubessern, die

glauben eh alles selbst regulieren zu können. Macht aber nichts,

weil geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.

Was noch alles zu tun sein wird, damit es der Wirtschaft wirklich wie-

der gut geht, will uns der Finanzminister aber erst nach den Land-

tagswahlen erzählen. – Sicher haben sie sich diesbezüglich schon

einiges einfallen lassen.

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LE PETIT MORT: NABOKOVS MODELL FÜR LAURA

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Auf 138 Karten entsteht in kleinen Tropfen eine faszinierende Ge-schichte. Der Leser hantelt sich von Wort zu Satzfragment zu Text-passage und findet sich plötzlich mitten in einer Welt wieder, von der er nicht angenommen hat, sie würde so kräftig und unmittelbar aus diesem Buch sein ganzes Denken und Fühlen gefangen nehmen.

Was Nabokov benennt ist das Zerreißen eines alternden Mannes, Philip Wild (ein weltberühmter Neurologe), der von seiner jungen, schönen Ehefrau betrogen und gedemütigt wird. Geheim arbeitet der untersetzte Mann, der seine Beine schon immer gehasst hat, an einem Werk in dem er die ekstatischen Zustände beschreibt, in denen er sich durch Selbsthypnose selbst aufzulösen versucht.

Nabokov beweist in dieser Arbeit ein letztes Mal sein großes Talent zum Erzählen, das über ein bloßes Wortefinden hinausgeht. Durch den Text setzt er vertrackte Gefühle direkt in der Brust der Leserin frei, sich dort auszubreiten.

Ein Erlebnis. Eine Erlösung. Das Ende darf hier verraten werden. Karteikarte 138 liest sich (in der Übersetzung) so:

(wegwischen) ausstreichen ausradieren

löschen, wegreiben

tilgen vernichten

Vladimir Nabokov – das modell für laura; rowohlt (Hamburg: 2009); ISBN: 978 3 498 04691 0

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15über.reste

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Puzzle 1 (Medium, difficulty rating 0.56)

Generated by http://www.opensky.ca/~jdhildeb/software/sudokugen/ on Sun Feb 14 15:50:50 2010 GMT. Enjoy!

Achtung Satire!

derWoche

[arr]

Mein absoluter

Liebling der nervtö-

tenden Din-ge im Leben ist

diese Woche das WG-Casting. Mag

sein, dass es für die Zimmersuchenden nicht

besonders erbaulich ist, von allen aktuellen Bewohner_in-

nen aufs genaueste auf Hobbies, Vorlieben und schlechte Eigen-

schaften durchleuchtet zu werden, aber die wirklich Leidtragenden sind die

Bewohner_innen selbst. Man könnte mei-nen, nach dem zehnten gleich strukturier-

ten Gespräch über Kautionen und Putzpläne würde es langsam langweilig – aber das wird es

nicht. Jedesmal wieder muss ich feststellen, dass sich alle Kuriositäten der Altersklasse 18 bis 30 genau

UNSER Inserat ansehen und für gut befinden. Das High-light dieses Mal war eine gerade erst von daheim ausge-

zogene BWL-Studentin, die ebendieses Studium schon seit ihrer Kindheit als Lebenstraum gehegt hatte und voller Begeis-

terung für die 14 Knockout Prüfungen innerhalb von drei Mona-ten in der Studieneingangsphase war. Zu allem Überfluss fand sie

auch noch meinen ebenfalls anwesenden Freund anscheinend sehr - sagen wir - „nett“, denn sie saß eine halbe Stunde lang ihn anstar-

rend auf der Couch, sah ihm in die Augen und schnatterte unentwegt, oh-ne etwas um sich herum wahrzunehmen, während meine Mitbewohner und

ich abwechselnd aus dem Fenster und uns gegenseitig ungläubig anstarrten. Nach diesem Tag waren meine Nerven am Ende und eine Einzimmerwohnung

wieder ein klein wenig reizvoller geworden.SU

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DER WAUNZL HÄLT SICH GERN IM WARMEN AUF UND BEANSPRUCHT VIEL PLATZ. ER LIEBT ES, BEI PRICKELNLDEM BLUBBERWASSER UND KLASSILSCHER MUSIK DER GANZEN WELT SEIN GLITZERNDES NEUES HALSBAND VORLZUFÜHREN.

DASS ANDERE REICHE FRAUCHEN UND HERRCHEN FÜR ALLE FORDERN, KANN ER ÜBERHAUPT NICHT VERSTEHEN.

WIE AUCH, IST ER DOCH SCHLIESSL�LICH NUR EIN HUND.

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Puzzle 1 (Medium, difficulty rating 0.45)

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Page 16: 3/2010: L'Université brûle

meine Botschaft:

EIN SEELENLOSER ZIEGELSTEIN: „ICH HAB‘ MEHR FANS ALS H.C. STRACHE“