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AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ März 2010 | Heft 3 Nutztiere Einfluss des Einstallalters auf die Gesundheit von Mastkälbern Seite 92 Agrarwirtschaft Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen Seite 102 Umwelt Beurteilung der Transferrisiken von Pestiziden durch Oberflächenabfluss Seite 110 Agroscope | BLW | SHL | AGRIDEA | ETH Zürich

Heft 3 2010

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Heft 3 2010

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Page 1: Heft 3 2010

AgrArforschung schweiz

M ä r z 2 0 1 0 | H e f t 3

Nutztiere Einfluss des Einstallalters auf die Gesundheit von Mastkälbern Seite 92

Agrarwirtschaft Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen Seite 102

Umwelt Beurteilung der Transferrisiken von Pestiziden durch Oberflächenabfluss Seite 110

Ag

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BLW

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A |

ETH

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Page 2: Heft 3 2010

91 Editorial

Nutztiere

92 Einfluss des Einstallalters auf die Gesundheit von Mastkälbern

Michel Rérat

Nutztiere

96 Lärm und Vibrationen im Melkstand – Auswirkungen auf das Tier Maren Kauke und Pascal Savary

Agrarwirtschaft

102 Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen

Christian Flury, Beat Meier

und Gianluca Giuliani

Umwelt

110 Beurteilung der Transferrisiken von Pestiziden durch Oberflächenabfluss

Dorothea Noll, Nathalie Dakhel

und Stéphane Burgos

Sortenlisten

Beilage Liste der empfohlenen Maissorten für die Ernte 2010

Jürg Hiltbrunner, Ulrich Buchmann, Alice Baux,

Jean-François Collaud und Mario Bertossa

118 Porträt

119 Aktuell

123 Veranstaltungen

InhaltMärz 2010 | Heft 3

Gesundheit und Haltung von Kühen und Kälbern sind wichtige Arbeitsgebiete von Agroscope.Im vorliegenden Heft präsentieren zwei Artikel Forschungsresultate zu Tierhaltung und Tiergesundheit: Einfluss des Einstallalters auf die Gesundheit von Mastkälbern und die Auswirkungen von Lärm und Vibrationen im Melkstand auf Milchkühe. (Foto: Olivier Bloch, ALP)

ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös sische Ämter und weitere Fachinteressierte.

HerausgeberinAgroscope

Partnerb Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil

ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux ALP und Schweizerisches Nationalgestüt SNG; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART)

b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bernb Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofenb Beratungszentralen AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,

Departement Agrar- und Lebensmittelwissenschaften

Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agro nomique Suisse, Forschungs anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]

Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: [email protected]

Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Eliane Rohrer (ACW), Gerhard Mangold (ALP und SNG), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (SHL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich).

AbonnementPreiseZeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten),inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–** reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch oder [email protected]

AdresseNicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]

Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch

ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz

© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.

Berner FachhochschuleHaute école spécialisée bernoiseSchweizerische Hochschulefür Landwirtschaft SHLHaute école suisse d’agronomie HESA

Agroscope

Page 3: Heft 3 2010

Liebe Leserin, lieber Leser

Das Ende des ersten Jahrzehnts des einundzwanzigsten Jahrhunderts war

geprägt durch zwei gewichtige Weltkonferenzen: Die Welternährungskon-

ferenz in Rom im November 2009 und die Weltklimakonferenz in Kopenha-

gen im Dezember 2009. Beide wurden in der Presse stark kritisiert und deren

Nützlichkeit in Frage gestellt, denn die Schlussdeklarationen beider Mam-

mutanlässe fielen bescheiden aus und sie werden wenig oder zuwenig zu

einer umgehenden Lösung oder Linderung der Ernährungs- und Klimapro-

bleme beitragen.

Dennoch gibt es zu den Themen beider Konferenzen eine Reihe von As-

pekten, die für die schweizerische Land- und Ernährungswirtschaft von Be-

deutung sind und besonders für Bildungs- und Forschungsinstitutionen neue,

grosse und weitreichende Herausforderungen und Chancen beinhalten.

In beiden Weltkonferenzen war unbestritten, dass es sowohl für Hunger-

bekämpfung und Ernährungssicherheit, als auch für die Einschränkung der

Klimaerwärmung, keine einfachen Rezepte gibt. Um diese Probleme zu lösen,

braucht es ganzheitliche Ansätze, die der Nachhaltigkeit verpflichtet sind.

Um den steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln und insbesondere die

überproportionale Nachfragesteigerung nach Lebensmitteln tierischer Her-

kunft zu befriedigen, sind Innovationen gefragt und es braucht die nachhal-

tige Intensivierung heutiger Produktionssysteme. Bei den Intensivierungs-

szenarien müssen die Reduktion der Treibhausgase aus der Pflanzen- und

Tierproduktion sowie die Reduktion anderer Emissionen im Vordergrund

stehen. Das Potential dieser Optimierungen, gerade in den gemischten

Ackerbau – Viehhaltungssystemen wie sie in der Schweiz vorherrschen, ist

noch lange nicht ausgeschöpft.

Die Schweiz ist mit ihrem dichten und kompetenten Netzwerk von For-

schungs-, Bildungs- und Beratungsinstitutionen in der Land- und Lebensmit-

telwirtschaft gut positioniert, um hier sowohl national als auch internatio-

nal einen wichtigen Beitrag zu leisten.

Ein Beleg dafür ist der Beitritt der Schweiz zur «Globalen Allianz zur Re-

duktion der Treibhausgase aus der Landwirtschaft». Auch das Engagement

des Bundesamts für Landwirtschaft, zusammen mit der FAO in ausgewähl-

ten Ländern des Südens und des Ostens die Milchwirtschaft in enger Zusam-

menarbeit mit den nationalen Regierungsstellen und der Privatwirtschaft

nachhaltig zu entwickeln, darf als positives Zeichen gewertet werden. Beide

Verpflichtungen verlangen nach viel Schweizer Know-how und Erfahrung.

Last but not least ist zu hoffen, dass die globalen Programme der Direktion

für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in den Bereichen Ernährungs-

sicherheit, Klimawandel und Wasser, eng mit den schweizerischen Kompe-

tenzzentren zusammenarbeiten werden.

Herausforderungen und Chancen für das zweite Jahrzehnt

Fritz Schneider Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL

Editorial

91Agrarforschung Schweiz 1 (3): 91, 2010

Page 4: Heft 3 2010

E i n l e i t u n g

Bei frisch eingestallten Mastkälbern sind Lungenent-

zündungen die häufigste Krankheit. Stress und schlech-

te Transportbedingungen auf dem Weg vom Aufzucht-

betrieb zum Mastbetrieb schwächen die Abwehrmecha-

nismen des jungen Kalbes. Zudem erhöht die Gruppie-

rung von Tieren unterschiedlicher Herkunft den Infekti-

onsdruck. Diese Faktoren sind für das häufige Auftreten

von Respirationserkrankungen bei Ein stallkälbern ver-

antwortlich.

Zwischen der zweiten und sechsten Lebenswoche

verändert sich der Immunstatus von wachsenden Käl-

bern. Die Aufnahme von Immunglobulinen über die Ko-

lostralmilch während der ersten Stunden nach dem Ab-

kalben sorgt für die passive Immunität, welche sukzessi-

ve durch die aktive Produktion von Immunglobulinen

ersetzt wird (Hassig 2007). Die Tatsache, dass Mastkälber

während dieser Umstellungsphase transportiert und

umgruppiert werden, könnte dazu beitragen, die Pneu-

monieinzidenz zu erhöhen.

Die Ausgangshypothese des vorliegenden Versuches

war, dass sich die Einstallung von Mastkälbern zum Zeit-

punkt des Überganges von der passiven zur aktiven Im-

munität negativ auf die Immunabwehr und den Ge-

sundheitsstatus bei Mastbeginn auswirkt.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Neunzig männliche Rotfleckviehkälber wurden inner-

halb von vier Tagen von den 73 Aufzuchtbetrieben zum

Versuchsmaststall transportiert. Informationen über die

vorherigen Behandlungen wurden gesammelt. 30 Käl-

ber waren zwischen zwei und vier Wochen alt (Gruppe

A2 – 4), 30 zwischen fünf und sieben Wochen (A5 – 7) und 30

zwischen acht und zehn Wochen (Gruppe A8 – 10). Die Ver-

suchsperiode begann am Einstalltag und dauerte neun

Wochen. Die drei Versuchsgruppen wurden in getrenn-

ten, mit Stroh eingestreuten Ställen eingestallt; der Be-

tonboden im Fressbereich war nicht eingestreut. Es gab

keinen Freiluftauslauf und keinen direkten Kontakt mit

anderen Tieren des Versuchsbetriebes. Jede Stalleinheit

war mit der gleichen mechanischen Lüftung ausgestat-

Einfluss des Einstallalters auf die Gesundheit von MastkälbernMichel Rérat, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 1725 Posieux

Auskünfte: Michel Rérat, E-Mail: [email protected], Tel. +41 26 407 73 91

N u t z t i e r e

Je früher die Krankheitsanzeichen diagnostiziert und entsprechend behandelt werden, desto besser sprechen die Tiere auf die Behandlung an. (Foto: ALP)

92 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 92–95, 2010

Page 5: Heft 3 2010

In der Schweiz erfolgt die Einstallung von

Mastkälbern im Alter von vier bis sieben

Wochen und findet somit in der Übergangs-

phase von der passiven zur aktiven

Immunität statt. In einem Versuch wurde

der Einfluss unterschiedlicher Einstallalter

auf die Gesundheit von Mastkälbern

untersucht. Drei Gruppen von 30 Kälbern

im Alter von zwei bis vier, von fünf bis

sieben und von acht bis zehn Wochen

wurden gleichzeitig eingestallt. Die

klinischen Befunde und die Pneumonie-

inzidenz wurden durch die unterschiedlichen

Einstallalter nicht beeinflusst. Anzahl,

Dauer und Erfolgsrate der antibiotischen

Behandlungen waren in den drei Gruppen

gleich. Die Einstallung von Mastkälbern

hatte während der Phase der Immunitäts-

umstellung keinen negativen Einfluss auf

die Gesundheit.

Einfluss des Einstallalters auf die Gesundheit von Mastkälbern | Nutztiere

tet. Der Fütterungsplan richtete sich nach dem Durch-

schnittsgewicht der Gruppe (Tab. 1). Die Mastration auf

der Basis von Vollmilch wurde ad libitum vorgelegt.

Der Gesundheitszustand wurde am Einstalltag und

anschliessend wöchentlich erfasst. Alle Kälber mit

Krank heitsverdacht wurden zusätzlich untersucht.

Wenn ein Tier mindestens an einem Allgemeinsymptom

(Fressunlust, Fieber) und an einem respiratorischen

Symp tom (pumpende Atmung, erhöhte Atemfrequenz,

Nasen- oder Augenausfluss, Husten, anormale Atemge-

räusche) litt, wurde es als krank diagnostiziert und mit

Antibiotika behandelt.

Zur Bestimmung des Immunglobulingehaltes (IgG)

wurde am Einstalltag und am Tag 7, 21, 35 und 49 bei

allen Kälbern eine Blutprobe entnommen.

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Einfluss des Einstallalters auf den Gesundheitszustand

Wie aus der identischen Anzahl Antibiotikabehandlun-

gen im Aufzuchtbetrieb (0,2 ± 0,1, 0,4 ± 0,1, und 0,5 ± 0,1

Behandlungen pro Kalb in den Gruppen A2 – 4, A5 – 7 und

A8 – 10; P = 0,08) und ähnlich hoher Pneumoniehäufigkeit

am Einstalltag ersichtlich ist (Abb. 1), ist der anfängliche

Gesundheitszustand in den Versuchsgruppen A2 – 4, A5 – 7

und A8 – 10 als gleich zu werten. Während der ersten

Mastwoche war die Häufigkeit von Respirationserkran-

kungen in der Gruppe A2 – 4 tiefer als in der Gruppe A8 – 10.

In der achten Woche überstieg die Anzahl respiratori-

scher Befunde in der Gruppe A2 – 4 die der zwei andern

Versuchsgruppen. Diese Beobachtungen weisen auf

eine Altersabhängigkeit der Pneumonieinzidenz hin.

Phillippo et al. (1987) haben beobachtet, dass 10 % der

Pneumoniefälle vor dem 51. Lebenstag auftreten. In

83 % der Fälle erkrankten die Kälber zwischen dem 51.

bis 130. Tag. Hauptsymptome, die bei Respirationser-

krankungen beobachtet wurden, waren eine Rektal-

temperatur von über 39,6°C, deutliche Lungengeräu-

sche beim Abhören mit dem Stethoskop sowie Nasen-

ausfluss (bei 99 %, 99 % resp. 60 % der kranken Tiere).

Die totale Anzahl Antibiotikabehandlungen, die mittle-

re Behandlungsdauer und die Erfolgsrate unterschieden

sich in den drei Versuchsgruppen nicht. Somit konnte in

93Agrarforschung Schweiz 1 (3): 92–95, 2010

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Tab. 1 | Tränkeplan und Futterzusammensetzung

1 fs: frischsubstanz

Durchschnittsgewicht der Gruppe, kg Anteil Vollmilch in der Flüssigration, in %

Milchpulver, g / kg Flüssigfutter Trockensubstanz, g / kg

60 – 79 100 – 130

80 – 109 90 14 – 25 131 – 142

110 – 139 80 46 – 56 150 – 160

140 – 199 70 76 – 99 167 – 190

> 200 70 109 200

Zusammensetzung Vollmilch Milchpulver

Trockensubstanz, g / kg FS1 130,3 967,1

Bruttoenergie, MJ / kg TS 28,3 21,1

Rohprotein, g / kg TS 257,3 196,1

Rohfett, g / kg TS 285,3 229,1

Rohasche, g / kg TS 54,7 76,0

Eisen, mg / kg TS < 6,3 31,5

Page 6: Heft 3 2010

94 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 92–95, 2010

Nutztiere | Einfluss des Einstallalters auf die Gesundheit von Mastkälbern

diesem Versuch kein Einfluss des Einstallalters auf den

Gesundheitsstatus der Kälber nachgewiesen werden.

Einfluss des Einstallalters auf den Immunstatus

Bei der Einstallung wiesen die drei Versuchsgruppen

vergleichbare IgG-Konzentrationen auf, die in den fol-

genden 21 Tagen in den Gruppen A2 – 4 und A5 – 7 rasch

abfielen, während in der Gruppe A8 – 10 nur in den ersten

7 Tagen ein Rückgang zu verzeichnen war (Abb. 2). Der

in allen Versuchsgruppen beobachtete IgG-Konzentrati-

onsabfall kann der hohen Inzidenz an Respirationser-

krankungen während der ersten Wochen nach dem Ein-

stallen zugeschrieben werden, da IgG bei Entzündungs-

prozessen eine wichtige Funktion ausübt.

Die IgG-Konzentration im Blut ist im untersuchten

Altersabschnitt der Kälber noch stark von der kolostra-

len IgG-Aufnahme in den ersten Stunden nach der Ge-

burt beeinflusst. Im vorliegenden Versuch konnte die

Menge und Qualität der Kolostralaufnahme der neuge-

borenen Kälber nicht erfasst werden. IgG-Konzentrati-

onsunterschiede zwischen den Versuchsgruppen sind

demzufolge mit grosser Vorsicht zu interpretieren. Al-

lerdings sind selbst bei vergleichbarer Kolostrummenge

und –qualität grosse Streuungen im Gehalt an materna-

len IgG im Blut aufgetreten (Erhard et al. 1999).

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

• Das Einstallalter von Mastkälbern hat im

vorliegenden Versuch die klinischen Befunde

und die Pneumonieinzidenz nicht beeinflusst.

• Eine gewisse Abhängigkeit zwischen dem

Lebens alter und dem Auftreten respiratorischer

Symptome konnte beobachtet werden, vorab

in der Gruppe A2 – 4.

• Die Einstallung junger Kälber in einem Alters-

abschnitt, der mit der Immunitätsumstellung

zusammenfällt, hatte keine negativen Auswirkungen

auf den Gesundheitszustand. n

14

12

10

8

6

4

2

0Einstallung

Gruppe A2–4

lgG

, g/L

Versuchswoche

1

a a

b

b b

a

3 5 7

Gruppe A5–7Gruppe A8–10

Abb. 2 | IgG-Konzentration im Blut während der 49 ersten Tage nach der Einstallung im Maststall. Die Angaben stellen Gruppenmittelwerte dar; n = 30 für Gruppe A2 – 4, A5 – 7, und A8 – 10. Statistisch signifikante Unterschiede sind durch unterschiedliche Buchstaben zwischen den Gruppen einer gleichen Woche gekennzeichnet (P < 0,05).

Abb. 1 | Häufigkeit von Pneumonien (in Prozent). Die Angaben stellen Gruppenmittelwerte dar; n = 30 für Gruppe A2 – 4, A5 – 7, und A8 – 10. Statistisch signifikante Unterschiede sind durch unterschiedliche Buchstaben zwischen den Gruppen einer gleichen Woche gekennzeichnet (P < 0,05).

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0Ein-

stallung

Gruppe A2–4

Pneu

mon

iehä

ufig

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, %

Versuchswoche

1

b

b

b

a

a

ab

3 52 4 6 7 8 9

Gruppe A5–7Gruppe A8–10

Page 7: Heft 3 2010

Einfluss des Einstallalters auf die Gesundheit von Mastkälbern | Nutztiere

95Agrarforschung Schweiz 1 (3): 92–95, 2010

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Literaturb Erhard M.H., Amon P., Nüske S. & Stangassinger M., 1999.

Studies on the systemic availability of maternal and endogenously produced immunoglobulin G1 and G2 in newborn calves by using newly developed ELISA systems. J. Anim. Physiol. Anim. Nutr. 81, 239 – 248.

b Hassig M., Stadler T. & Lutz H., 2007. Transition from maternal to endogenous antibodies in newborn calves. Vet. Rec. 160, 234 – 235.

b Phillippo M., Arthur J.R., Price J. & Halliday G.J., 1987. The effects of selenium, housing and management on the incidence of pneumonia in housed calves. Vet. Rec. 121, 509 – 512.

Entry age of veal calves in a fattening

unit and health status

In Switzerland, the entry of veal calves

in the fattening unit at the age of 4 – 7

weeks coincides with the transition

from passive to active immunity. The

main objective of this study was to

determine the effect of the entry age

in the fattening unit on the health

status of veal calves. Three groups of

30 calves ranging from 2 to 4, 5 to 7

and 8 to 10 weeks of age were simul-

taneously brought to the fattening

unit. The age of entry influenced

neither clinical symptoms nor respira-

tory disorders incidence. The number,

duration, and success rate of the

antibiotic treatments were similar in

the three groups. In conclusion, the

arrival of veal calves in the fattening

unit during the period of immune

transition did not have any negative

influence on their health status.

Key words: bovine respiratory disease,

calf, immunoglobulin G.

Età d’inserimento nel gruppo e stato

di salute dei vitelli da ingrasso

In Svizzera, l’inserimento nel gruppo

di vitelli di età compresa tra le quattro

e le sette settimane coincide con il loro

periodo di transizione, dall’immunità

passiva a quella attiva. E’ stato condot-

to un esperimento per valutare

l’influenza dell’inserimento nel gruppo

a diverse età sullo stato di salute dei

vitelli. Tre gruppi di trenta vitelli, di età

compresa tra due e quattro, cinque e

sette e otto e dieci settimane, sono

stati collocati contemporaneamente

nella stalla d'ingrasso. L’età dei vitelli,

al momento del collocamento nel

gruppo, non ha influito sul loro stato

clinico e sull’incidenza di polmonite.

Il numero totale, la durata media e il

tasso di successo dei trattamenti

antibiotici è risultato simile nei tre

gruppi. L’inserimento nel gruppo di

giovani vitelli durante il periodo di

transizione immunitaria non ha avuto

alcuna conseguenza negativa sul loro

stato di salute.

Page 8: Heft 3 2010

E i n l e i t u n g

Auch bei modernen und normgerecht installierten

Melkanlagen können Probleme in den verschiedensten

Bereichen des Melkablaufs auftreten. So betreten die

Kühe den Melkstand nicht freiwillig, sie sind unruhig

und koten und harnen vermehrt. Gleichzeitig verändert

sich das Melkverhalten und die Eutergesundheit ver-

schlechtert sich. Nosal et al. (2004) zeigten, dass Luft-

schall (Lärm) und Körperschall (Vibrationen) Ursache

dieser Probleme sein können. In ihren Untersuchungen

wurde auf Betrieben, die hinsichtlich der Eutergesund-

heit als «gut» eingestuft wurden, Lärm bis 70 dB(A) und

Vibrationen zwischen 0,1 und 0,2 m/s2 gemessen. Prob-

lembetriebe wiesen hingegen Lärmwerte von mehr als

70 dB(A) und Vibrationen von über 0,3 m/s2 auf. Zudem

wurde festgestellt, dass die Betriebe mit weniger

als 200 000 Zellen/ml eine Lärmintensität von unter

70 dB(A) und Vibrationen unter 0,3 m/s2 aufweisen. Die

Ursachen von Lärm und Vibrationen liegen in erster

Linie bei der Konstruktion und Montage der einzelnen

funktionellen Teile der Melkanlage wie Vakuumpumpe,

Regelventil, Pulsatoren, Leitungssystem und Milchpum-

pe. Je nach Konstruktion und Montage dieser funktio-

nellen Teile können erhebliche Vakuumschwankungen

in den Luft- und Milchleitungen auftreten, die wieder-

um Lärm und Vibrationen erzeugen. Zudem können

bauliche Gegebenheiten den Lärmpegel beeinflussen.

Durch entsprechende Installationsänderungen der

Melkanlage können Lärm und Vibrationen auf unter 70

Lärm und Vibrationen im Melkstand – Auswirkungen auf das Tier Maren Kauke und Pascal Savary, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen

Auskünfte: Maren Kauke, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 368 31 31

N u t z t i e r e

Ruhige Atmosphäre beim Melken. (Foto: Robert Meier, ART)

96 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 96–101, 2010

Page 9: Heft 3 2010

Ziel der vorliegenden Untersuchung war

es, anhand geeigneter ethologischer und

physiologischer Parameter das Ausmass

der Belastung von Lärm und Vibrationen

auf das Tier zu erfassen. In einem Auto-

tandem-Melkstand wurden mittels spezieller

Lautsprechersysteme verschiedene Lärm-

und Vibrationsintensi täten erzeugt (Variante

A: 70 dB(A) / 0,5 m/s2; Variante B: 80 dB(A) /

0 m/s2; Variante C: 80 dB(A) / 0,5 m/s2;

Variante 0: 70 dB(A) / 0 m/s2) wobei die

Varianten A, B und C während jeweils

während drei Wochen durchgeführt wurden.

Variante 0 fungierte als Kontrollvariante und

wurde jeweils im Anschluss an die Varianten

A, B und C untersucht. Die Datenerhebung

umfasste Verhaltensparameter, die Herz-

frequenz während des Melkens sowie die

Eutergesundheit. Sowohl Lärm (Variante A)

und Vibrationen (Variante B) als auch die

Kombination davon (Variante C) führten zu

einem signifikanten Anstieg der Anzahl Tiere

mit eingeklemmtem Schwanz. Variante C

führte zudem zu einem tenden ziell häufige-

ren Auftreten von Koten und Harnen wäh-

rend des Aufenthalts im Melkstand. Auch die

Herzfrequenz war in Variante C signifikant

höher als während Variante 0. Bezüglich der

Eutergesundheit konnten keine Unterschiede

festgestellt werden. Die Ergebnisse lassen

zwar darauf schliessen, dass Kühe durch

Lärm und Vibrationen beeinträchtigt werden

können, die beobachteten Unterschiede

zwischen den Versuchs- und Kontrollvarian-

ten waren jedoch in ihrer absoluten Grösse

so gering, dass nicht auf eine Einschränkung

des Wohlbefindens der Tiere geschlossen

werden kann.

Lärm und Vibrationen im Melkstand – Auswirkungen auf das Tier | Nutztiere

dB(A) beziehungsweise 0,1 m/s2 reduziert werden. Gy-

gax et al. (2006) stellten eine signifikante Abnahme der

Zellzahl nach der Reduktion von Vibrationen durch eine

Sanierung der Melkanlage fest.

Während im humanen Bereich Grenzwerte für Lärm

und Vibrationen bestehen, fehlen für den Nutztierbe-

reich diesbezügliche Angaben. Ziel dieses Projektes war

es, anhand geeigneter ethologischer und physiologi-

scher Parameter das Ausmass der Belastung von Lärm

und Vibrationen auf das Tier zu erfassen.

T i e r e , M a t e r i a l u n d M e t h o d e

Haltungssystem und Versuchsplanung

Die Untersuchung fand zwischen November 2004 und

Mai 2005 auf dem Versuchsbetrieb der Forschungsanstalt

Agroscope Reckenholz-Tänikon ART statt. Untersucht

wurden zehn Kühe der Rasse «Brown Swiss» und fünf

«Schweizer-Fleckvieh-Kühe». Vier der Focustiere befan-

den sich in der ersten Laktation, die übrigen elf in den

Laktationen zwei bis acht. Ein Autotandem-Melkstand

der Firma GEA Westfalia-Surge (2 × 3 Plätze, Melkva-

kuum: 42 kPa) wurde mit über spezielle Lautsprecher-

systeme erzeugten definierten Luft- und Körperschall-

inten sitäten gleichmässig beschallt (Variante A: 70 dB(A) /

0,5 m/s2; Variante B: 80 dB(A) / 0 m/s2; Variante C: 80 dB(A)

/ 0,5 m/s2; Variante 0: 70 dB(A) / 0 m/s2). Jede Variante A, B

und C wurde während drei Wochen untersucht, wobei

die Variante 0 (Ist-Zustand) als Kontrollvariante diente

und jeweils im Anschluss an Variante A, B und C folgte.

Die Untersuchung wurde in drei Versuchsphasen (I, II und

III) unterteilt. In den Phasen I und II lagen die mittleren

Aussentemperaturen zwischen –1 und 2 °C, in der Phase

III zwischen 11 und 15 °C.

Erhebungsmethoden

Das Verhalten während des gesamten Melkens wurde

mittels Direktbeobachtungen erfasst. Die Beobachtun-

gen fanden an zwei Tagen während insgesamt vier

Melkzeiten pro Versuchswoche statt, wobei das Verhal-

ten der Fokustiere jeweils einmal morgens und einmal

abends erfasst wurde. Als Parameter für das Vorhanden-

sein einer Belastungssituation wurden das unfreiwillige

Betreten des Melkstands, das Einklemmen des Schwan-

zes zwischen den Hinterbeinen, das Schlagen in Rich-

tung des Melkzeugs sowie Koten und Harnen während

des Aufenthalts im Melkstand definiert. Die Auswer-

tung erfolgte entsprechend dem Anteil Kühe, der den

jeweiligen Verhaltensparameter anzeigte. Zudem wur-

de die Häufigkeit der «Trippelphasen» während des

Melkens ermittelt. Die Herzfrequenz wurde während

zehn Melkzeiten pro Woche mit Herzfrequenzmessge-

97Agrarforschung Schweiz 1 (3): 96–101, 2010

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

räten der Marke Polar S810i gemessen, die in speziell

angefertigten Bauchgurten integriert waren. Ausge-

wertet wurden jeweils die Mittelwerte aus fünf Minu-

ten der Herzfrequenz von 15, zehn und fünf Minuten vor

(VMZ), während des Melkens sowie fünf, zehn und 15

Minuten nach dem Melken (NMZ). Bei Melkzeiten über

fünf Minuten wurden jeweils die ersten und die letzten

fünf Minuten betrachtet (Melken 1 und 2), wobei es bei

Zeiten unter zehn Minuten Überschneidungen gab.

Parameter für die Eutergesundheit war der somati-

sche Zellzahlgehalt. Einmal pro Woche wurden von jedem

Page 10: Heft 3 2010

98 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 96–101, 2010

Nutztiere | Lärm und Vibrationen im Melkstand – Auswirkungen auf das Tier

Tab. 1 | Mittelwerte (über alle Melkzeiten und / oder Tiere) und Standardfehler der untersuchten Parameter des Verhal-tens (Anteil Tiere in % und / oder Anzahl Phasen) in Abhängigkeit von den verschiedenen Varianten und Versuchsphasen

Verhaltensparameter Phase

I II III

Variante A 70 dB(A) 0,5 m/s2

Variante 0 70 dB(A) 0,0 m/s2

Variante B 80 dB(A) 0,0 m/s2

Variante 0 70 dB(A) 0,0 m/s2

Variante C 80 dB(A) 0,5 m/s2

Variante 0 70 dB(A) 0,0 m/s2

Unfreiwilliges Betreten (%) 16,9 (± 5,6) 30,0 (± 5,4) 25,8 (± 3,0) 20,0 (± 4,9) 28,9 (± 4,8) 28,9 (± 4,4)

Schlagen (%) 17,1 (± 2,9) 31,1 (± 3,3) 27,8 (± 2,9) 23,3 (± 2,3) 10,0 (± 3,8) 10,0 (± 1,5)

Eingeklemmter Schwanz (%) 45,2 (± 11,9) 31,1 (± 4,4) 17,6 (± 2,7) 4,4 (± 1,4) 8,9 (± 3,3) 0,0 (± 0,0)

Koten und Harnen (%) 20,5 (± 6,2) 27,8 (± 6,8) 19,4 (± 4,7) 13,3 (± 1,7) 16,7 (± 3,3) 7,8 (± 2,0)

Trippelphasen (n) 5,2 (± 0,9) 5,7 (± 0,5) 4,9 (± 0,4) 4,3 (± 0,3) 3,2 (± 0,3) 2,9 (± 0,2)

Tier Milchproben des Gesamtgemelks entnommen und

durch den Schweizer Braunviehzuchtverband analysiert.

Statistische Auswertungen

Die statistische Auswertung der Daten erfolgte mit ge-

neralisierten linearen gemischte Effekte Modellen (Me-

thode lme, Pinheiro & Bates, 2000 oder Methode glmm-

PQL, Venables & Ripley, 2002) in R 1.9.1 (R Development

Core Team, 2004). Erklärende Variablen waren die ver-

schiedenen Varianten (0, A, B und C), die Zeitpunkte vor,

während und nach dem Melken, die Melkzeiten (mor-

gens und abends) sowie die Versuchsphasen. Zufällige

Effekte waren das Tier (Herzfrequenz, Trippelphasen)

beziehungsweise die Melkzeiten (Unfreiwilliges Betre-

ten, Schlagen, eingeklemmter Schwanz, Koten und Har-

nen), geschachtelt in den Experimentalsituationen, wel-

che wiederum in den Versuchsphasen hierarchisch ge-

schachtelt wurden. Zur Überprüfung der Modellannah-

men wurde eine graphische Residuenanalyse durchge-

führt. Damit die Annahmen der statistischen Modelle

erfüllt wurden, mussten die untersuchten Parameter

teilweise logtransformiert (Trippelphasen und Koten

und Harnen) oder arcus sinus-transformiert (unfreiwilli-

ges Betreten) werden.

R e s u l t a t e

Verhaltensparameter

Der Anteil Kühe, die den Melkstand nicht freiwillig be-

treten haben, war bei Variante A mit Vibrationen von

0,5 m/s2 niedriger als bei Kontrollvariante 0 (Tab. 1), al-

lerdings ist dieser Unterschied nicht signifikant. Auch

zwischen den Varianten B und C mit den jeweiligen Kon-

trollvarianten konnte kein signifikanter Unterschied

festgestellt werden (F1,13 = 1,27; p = 0,281). Bezüglich des

Anteils an Kühen, die mindestens einmal während einer

Melkung geschlagen haben, wurde zwischen den Vari-

anten A, B und C mit den Kontrollvarianten ein statis-

tisch gesicherter Interaktionseffekt mit den Versuchs-

phasen (F2,11 = 6,25; p = 0,015) erfasst. In Phase III konnte

zwischen der Variante C und der Kontrollvariante kein

Unterschied festgestellt werden. Während in Variante B

ein erhöhter Anteil an Kühen den Parameter «Schlagen»

zeigte, trat dieses Verhalten während Variante A im Ver-

gleich weniger häufig auf. Die Anzahl Kühe mit einge-

klemmtem Schwanz war in den Versuchsphasen II und III

signifikant niedriger als während Variante I (F1,13 = 38,04;

p < 0,001; Tab. 1). Sowohl Lärm und Vibrationen als auch

die Kombinationen aus beiden führten zu einer statis-

tisch gesicherte Erhöhung der Anzahl Tiere mit einge-

klemmtem Schwanz (F2,13 = 19,35; p < 0,001).

Kühe die bei einem Lärmpegel von 80 dB(A) gemol-

ken wurden, koteten und harnten tendenziell häufiger

als bei 70 dB(A) (F1,13 = 3,42; p = 0,087; Tab. 1). Während

Phase III koteten und harnten sie signifikant weniger als

in den Phasen I und II (F2,10 = 4,10; p = 0,050). Sowohl

Lärm als auch Vibrationen hatten keinen Einfluss auf

die Anzahl Trippelphasen (F1,44 = 0,01; p = 0,913). Wäh-

rend Phase III zeigten die Kühe dieses Verhalten jedoch

signifikant seltener als in den Phasen I und II (F2,28 = 5,93;

p = 0,007).

Herzfrequenz

Die Kühe hatten während Phase III signifikant niedri gere

Herzfrequenzen als während der Phasen I und II (F2,28 =

8,84; p < 0,001; Abb. 1). Zudem waren die Werte über den

gesamten Versuchzeitraum hinweg während der Mor-

genmelkungen niedriger als am Abend (F1,76 = 439,07; p <

0,001). In Variante C wiesen die Kühe eine signifikant hö-

here Herzfrequenz auf als bei Kontrollvariante 0 (Varian-

te x Phase: F2,42 = 8,84; p < 0,001; Abb. 1), wobei der Unter-

schied während der Melkungen am Morgen grösser war

als am Abend (Variante x Melk zeiten: F1,76 = 5,64; p =

0,020). Die Herzfrequenzen nahmen während der VMZ

kontinuierlich zu (F7,1160 = 213,18; p < 0,001). Bis zum Ende

des Melkens sanken sie leicht, stiegen jedoch nach dem

Page 11: Heft 3 2010

Lärm und Vibrationen im Melkstand – Auswirkungen auf das Tier | Nutztiere

99Agrarforschung Schweiz 1 (3): 96–101, 2010

Verlassen des Melkstandes wieder an. Der Unterschied

zwischen Kontroll- und Versuchsvariante war während

Phase III sowohl morgens als abends nach dem Melken

geringer als in der Zeit davor (Abb. 1).

Eutergesundheit

Die Zellzahl lag bei allen Varianten unter 60 000 /ml und

damit unter dem Grenzwert von 100 000 /ml, der als In-

dikator für gesunde Euter gilt. Ein Unterschied zwischen

den Versuchs- und Kontrollvarianten konnte nicht fest-

gestellt werden.

D i s k u s s i o n

Mit Ausnahme des unfreiwilligen Betretens des Melk-

standes war der Anteil der Tiere, die ein Verhaltensmerk-

mal zeigten, das auf eine belastende Situation schliessen

lässt, in Phase III niedriger als in den ersten beiden Ver-

suchsphasen. Damit alle Fokustiere in allen Varianten un-

tersucht werden konnten, wurden Kühe gewählt, die sich

zu Beginn der Versuche im ersten Laktationsdrittel be-

fanden. Phase III fand daher bei allen Tieren gegen Lakta-

tionsende statt. Van Reenen et al. (2002) stellten im Ge-

gensatz zur vorliegenden Untersuchung eine Zunahme

der Anzahl Trippelphasen und Schläge bis zum 130. Lak-

tationstag fest. Auch Neuffer (2006) ermittelte eine Zu-

nahme der Anzahl Trippelphasen im Verlauf der Laktati-

on. Eine niedrigere Aktivität während Phase III könnte

auf die Jahreszeit beziehungsweise auf höheren Lufttem-

peraturen zurückgeführt werden. Die Versuchsphasen I

und II wurden im Winter durchgeführt, Phase III im Früh-

ling beziehungsweise im Frühsommer.

Hinsichtlich der Häufigkeit von Schlägen während des

Melkens liegen unterschiedliche Aussagen vor. In Einzel-

boxen-Melkständen traten Schläge in Untersuchungen

von Hopster et al. (2002) überhaupt nicht und bei Wenzel

et al. (2003) nur sehr selten auf. Neuffer et al. (2004) be-

obachteten in Autotandem-Melkständen, dass 28 % der

Kühe mindestens einmal während der Melkungen ge-

schlagen haben. Nach Van Reenen et al. (2002) variiert

die Anzahl Schläge bereits innerhalb von zwei Tagen sig-

nifikant. Das Verhaltensmerkmal «Schlagen» als Parame-

ter für eine belastende Melksituation ist aufgrund dieser

widersprüchlichen Aussagen ungeeignet.

Der Anteil Kühe mit eingeklemmtem Schwanz war

während der Versuchsvarianten A, B und C signifikant

höher als bei den jeweiligen Kontrollvarianten 0. Syste-

matische Untersuchungen bezüglich dieses Merkmals in

Zusammenhang mit Stress bei Kühen in Melkständen

wurden bislang nicht durchgeführt.

Hagen et al. (2004) stellten in einem Fischgrätemelk-

stand bei 7,5 % der Melkungen Harnen fest. Koten wur-

de nur bei einer einzigen Melkung beobachtet. In der

vorliegenden Untersuchung zeigen die Kühe beide Pa-

90

85

80

75

70

65

60

55

VMZ

15

VMZ

10

VMZ

15

Mel

ken

11

Mel

ken

12

NM

Z 15

NM

Z 10

NM

Z 15

Variante 0, morgens

Variante A, B, C, morgens

Variante 0, abends

Variante A, B, C, abends

Her

zfre

quen

z (S

chlä

ge/m

in)

Phase I

VMZ

15

VMZ

10

VMZ

15

Mel

ken

11

Mel

ken

12

NM

Z 15

NM

Z 10

NM

Z 15

Phase II

VMZ

15

VMZ

10

VMZ

15

Mel

ken

11

Mel

ken

12

NM

Z 15

NM

Z 10

NM

Z 15

Phase III

Abb. 1 | Herzfrequenz in Abhängigkeit von den verschiedenen Varianten und Phasen vor, während und nach den Melkungen, jeweils morgens und abends.

Page 12: Heft 3 2010

100 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 96–101, 2010

Nutztiere | Lärm und Vibrationen im Melkstand – Auswirkungen auf das Tier

rameter häufiger; insbesondere bei den Varianten B

und C mit einem Lärmpegel von 80 dB(A) ist ein Anstieg

im Vergleich zu den Kontrollevarianten feststellbar.

Das Niveau der Herzfrequenz war während Phase III

deutlich tiefer als in den Phasen I und II. Dies könnte auf

die höheren Temperaturen während Phase III zurückzu-

führen sein, da gemäss Bayer (1979) und Miescke et al.

(1978) die Herzfrequenz mit zunehmenden Temperatu-

ren sinkt.

Bei einem Lärmpegel von 80 dB(A) (Variante B) ist –

verglichen mit der Kontrollvariante 0 – hinsichtlich der

Herzfrequenz kein Unterschied erkennbar. Arnold et al.

(2007) stellten zwar eine erhöhte Herzfrequenz bei ei-

nem Lärmpegel einer Melkanlage von 85 dB(A) fest, al-

lerdings nur am ersten Tag der Versuchsphase – danach

stellte sich ein Gewöhnungseffekt ein. Auch bei einer

Vibrationsintensität von 0,5 m/s2 (Variante A) zeigten

die Tiere keinen Unterschied im Vergleich zur Kontroll-

variante. Hingegen wurde bei der Kombination von

Lärm und Vibrationen (Variante C) bereits 15 Minuten

vor dem Betreten des Melkstands ein Anstieg der Herz-

frequenz festgestellt, was auf eine negative Erwar-

tungshaltung der Tiere schliessen lässt. Die Unterschie-

de zwischen den Varianten C und 0 in Phase III waren im

Durchschnitt nicht höher als 6,2 Schläge/min. Hopster et

al. (1995) stellten bei der für die Kuh sehr belastenden

Trennung vom Kalb einen doppelt so hohen Anstieg der

Herzfrequenz fest. Ergebnisse von Hopster et al. (1998),

Hopster et al. (2002) und Wenzel et al. (2003) bestätigen

die vorliegenden Untersuchungen, die einen Anstieg

der Herzfrequenz vor dem Betreten des Melkstandes,

gefolgt von einer Abnahme während des Melkens zei-

gen. Die höheren Werte am Abend entsprechen zwar

den Ergebnissen von Bayer (1969), allerdings nicht de-

nen von Hagen et al. (2004) die morgens höhere Werte

gemessen haben als abends.

Eine Interpretation der im Rahmen der vorliegenden

Untersuchung ermittelten Ergebnisse gestaltet sich als

schwierig, da stellenweise keine Referenzwerte vorhan-

den sind oder ein Widerspruch zu Aussagen anderer

wissenschaftlicher Untersuchungen besteht. Zudem

sind die Unterschiede im absoluten Niveau relativ klein;

beispielsweise bedeutet ein signifikanter Anstieg von

13,2 % des Verhaltensparameters «Schwanz einklem-

men» in einer Herde von 30 Kühen lediglich eine Zunah-

me um vier Tiere.

Nach Nosal et al. (2004) beobachten Tierhaltende

nach der Umstellung auf neue Melkstände mit hohen

Lärm- und Vibrationsintensitäten häufig deutliche Ver-

änderungen im Tierverhalten sowie eine Erhöhung des

somatischen Zellgehalts der Milch. Diese Beobachtun-

gen konnten im standardisierten Versuch mit künstlich

erzeugtem Lärm beziehungsweise künstlich erzeugten

Vibrationen bei unveränderter Melkanlage nicht bestä-

tigt werden. Die von Nosal et al. (2004) beschriebenen

Probleme beim Melken sind daher primär auf die Ursa-

che von Lärm und Vibrationen zurückzuführen. Insbe-

sondere die Vakuumschwankungen in den Luft- und

Milchleitungen und als Konsequenz auch Schwankun-

gen des zitzenendigen Vakuums scheinen das Wohlbe-

finden der Tiere einzuschränken. Daher sollten sich Be-

ratungsempfehlungen auf die Beseitigung der Ursache

von Lärm und Vibrationen konzentrieren; das alleinige

Anbringen von geräusch- und vibrationsdämmenden

Materialien zur Reduktion von Lärm und Vibrationen

sind nicht unbedingt genügend im Hinblick auf die Ver-

besserung von Eutergesundheit und Kuhkomfort. n

Literaturb Arnold N. A., Ng K. T., Jongman E. C. & Hemsworth P. H., 2007. The

behavioural and physiological responses of dairy heifers to tape- recorded milking facility noise with and without a pre-treatment adaptation phase. Appl. Anim. Behav. Sci. 106, 13 – 25.

b Arnold N. A., Ng K. T., Jongman E. C. & Hemsworth P. H., 2008. Avoidance of tape-recorded milking facility noise by dairy heifers in a Y maze choice task. Appl. Anim. Behav. Sci. 109, 201 – 210.

b Bayer A., 1969. Rhythmische Veränderungen der Herzfrequenz aufgestallter Milchkühe. Berliner und Münchner tierärztliche Wochenschrift 18, 345 – 346.

b Bayer W., 1979. Untersuchungen zum Einfluss unterschiedlicher Luftfeuchten bei hoher Umgebungstemperatur auf Leistungseigen-schaften laktierender Rinder im Klimastall. Dissertation, Technische Universität Berlin.

b Gygax L. & Nosal D., 2006. Contribution of vibration and noise during milking to the somatic cell count of milk. J. Dairy Sci. 89, 2499 – 2502.

b Hagen K., Lexer D., Palme R., Troxler J. & Waiblinger S., 2004. Milking of Brown Swiss and Austrian Simmental cows in herringbone parlour or an automatic milking unit. Appl. Anim. Behav. Sci. 88, 209 – 225.

b Hopster H., O’Connell J. M. Blokhuis H. J., 1995. Acute effects of cow-calf separation on heart rate, plasma cortisol and behaviour in multiparous dairy cows. Appl. Anim. Behav. Sci. 44, 1 – 8.

b Hopster H., van der Werf J. T. N., & Blokhuis H. J., 1998. Side preference of dairy cows in the milking parlour and its effects on behaviour and heart rate during milking. Appl. Anim. Behav. Sci. 55, 213 – 229.

b Hopster H., Bruckmaier R. M., van der Werf J. T. N., Korte S. M., Macuhova J., Korte-Bouws G. & van Reenen C. G., 2002. Stress responses during milking; comparing conventional and automatic milking in primiparous dairy cows. J. Dairy Sci. 85, 3206 – 3216.

Page 13: Heft 3 2010

Lärm und Vibrationen im Melkstand – Auswirkungen auf das Tier | Nutztiere

101Agrarforschung Schweiz 1 (3): 96–101, 2010

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Effect of noise and vibration in milking

parlour on dairy cow

The aim of this study was to record,

through appropriate ethological and

physiological parameters, the extent of

the stress caused in animals by noise and

vibration. Various intensities of noise and

vibration were produced in an autotan-

dem milking parlour by means of special

loudspeaker systems (variant A: 70

dB(A) / 0.5 m/s2; variant B: 80 dB(A) / 0 m/

s2; variant C: 80 dB(A) / 0.5 m/s2; variant 0:

70 dB(A) / 0 m/s2), with variants A, B and C

each being implemented for three weeks.

Variant 0 functioned as a control and in

each case was achieved following variants

A, B and C. Data collection encompassed

behaviour parameters, heart rate during

milking and udder health. Both noise

(variant A) and vibration (variant B) as

well as a combination of the two (variant

C) raised significantly the number of ani-

mals which kept their tails between their

legs. Variant C also showed a tendency to

more frequent defecation and urination

during the milking parlour. The heart rate

in variant C was also significantly higher

than in variant 0. No differences were

found in respect of udder health.

Although the results lead to the conclu-

sion that cows can be adversely affected

by noise and vibration, the differences

observed between experimental and

control variants were so slight in absolute

terms that they gave no indication of

restriction in animals well-being.

Key words: milking technique, noise, vi-

bration, behaviour, heart rate.

Effetti del rumore e delle vibrazioni

sull’animale nella sala di mungitura

Lo scopo del presente studio era quello di

valutare, utilizzando parametri etologici e

fisiologici adeguati, quanto ampio sia lo

stress causato agli animali da rumori e

vibrazioni durante la mungitura. Con

l’ausilio di altoparlanti speciali sono state

prodotte diverse intensità di rumore e

vibrazioni in una sala autotandem: varian-

te A: 70 dB(A) / 0,5 m/s2; variante B: 80

dB(A) / 0 m/s2; variante C: 80 dB(A) / 0.5 m/

s2; variante 0: 70 dB(A) / 0 m/s2. Le varianti

A, B e C sono state applicate ognuna per

tre settimane. La variante 0 (controllo) è

stata applicata di volta in volta al termine

delle varianti A, B e C. Sono stati rilevati i

seguenti parametri: comportamento del

animale, frequenza cardiaca durante la

mungitura e salute della mammella. Il ru-

more (variante A), le vibrazioni (variante B)

e la combinazione di entrambi (variante C)

hanno comportato un significativo aumen-

to del numero di animali che tenevano la

coda stretta tra le gambe. Nella variante C

si è inoltre riscontrato la tendenza degli

animali a aumentare la defecazione e la

minzione durante la mungitura. Nella

variante C anche la frequenza cardiaca

risultava più elevata in modo significativo

rispetto al controllo. Per quanto concerne

la salute della mammella non è stata ri-

scontrata nessuna differenza. I risultati

mostrano che le mucche possono essere

disturbate dal rumore e da vibrazioni, ma

le differenze tra le varianti di prova ed il

testimone sono risultate talmente esigue

da non permettere di affermare che il

benessere degli animali è compromesso.

b Miescke B., Johnson E. H., Weniger J. H. & Steinhauf D., 1978.: Der Ein-fluss von Wärmebelastung auf Thermoregulation und Leistung laktieren-der Kühe. Zeitung für Tierzüchtung und Züchtungsbiologie 95, 259 – 268.

b Neuffer I., Gygax L., Hauser R., Kaufmann C. & Wechsler B., 2004. Verhalten von Kühen während der Melkung in verschiedenen Automatischen Melksystemen. Aktuelle Arbeiten zur artgemässen Tierhaltung 2004. KTBL-Schrift 437, 107 – 114.

b Neuffer I., 2006. Influence of automatic milking systems on behaviour and health of dairy cows. Dissertation, Universität Hohenheim.

b Nosal D., Rutishauser R., Bilgery E. & Oertle A., 2004. Lärm und Vibrationen als Stressfaktoren beim Melken. FAT-Berichte Nr. 625 (heute ART-Berichte), Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Ettenhausen.

b Pinheiro J. C. & Bates D. M., 2000. Mixed-effects models in S and S-PLUS. Springer, New York.

b R Development Core Team, 2004. R: A language and environment for statistical computing. R Foundation for Statistical Computing, Vienna, [http://www.R-project.org]

b Van Reenen C.G., Van der Werf J. T. N., Bruckmaier R. M., Hopster H., Engel B., Noordhuizen J. P. T. M. & Blokhuis H. J., 2002. Individual differences in behavioral and physiological responsiveness of primiparous dairy cows to machine milking. J. Dairy Sci. 85, 2551 – 2561.

b Venables W. N. & Ripley B. D., 2002. Modern applied statistics with S, fourth edition. Springer, New York.

b Wenzel C., Schönreiter-Fischer S. & Unshelm J., 2003. Studies on step-kick behavior and stress of cows during milking in an automatic milking system. Livestock Production Science 83, 237 – 246.

Page 14: Heft 3 2010

E i n l e i t u n g

Die Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors hängt kos-

tenseitig stark von der Betriebsgrössenstruktur ab. Eine

Analyse der bisherigen Entwicklung zeigt, dass jährlich

rund 44 000 ha Fläche zwischen Betrieben oder Bewirt-

schaftern transferiert werden (vgl. Meier et al. 2009a).

Die Entwicklung der Betriebsgrössenstruktur verläuft

dennoch relativ langsam, weil frei werdende Flächen nur

teilweise zugunsten grösserer, kostengünstigerer Betrie-

ben verschoben werden. So steigt die mittlere Betriebs-

grösse von 2003 bis 2007 nur um 0,24 ha pro Jahr auf 17,2

ha und der Flächenanteil der Betriebe mit mindestens 30

ha erhöht sich in dieser Zeit von 31 % auf 35 %.

Die Strukturentwicklung erklärt sich über fünf Pro-

zesse: Aufgabe und Neugründung von Betrieben, Be-

triebsübergabe im Generationswechsel, Abstockung

und Aufstockung von Flächen. Zentral ist die Allokation

der frei werdenden Fläche, weil grössere Betriebe besse-

re wirtschaftliche Ergebnisse aufweisen. Auch das

Wachstum selbst wirkt sich positiv auf die Einkommens-

entwicklung der Betriebe aus. (vgl. Giuliani et al. 2009).

Die ex-post Analysen der Struktur- und Kostenentwick-

lung lassen die Folgerung zu, dass mit einer beschleu-

nigten Verschiebung von Flächen in grössere Betriebe

die Kosten gesenkt und damit die Wettbewerbsfähig-

keit gesteigert werden kann. Gleichzeitig würde sich die

Einkommenssituation der Arbeitskräfte verbessern be-

Simulation zukünftiger BetriebsgrössenstrukturenChristian Flury1, Beat Meier2 und Gianluca Giuliani1

1Flury & Giuliani GmbH, Agrar- und regionalwirtschaftliche Beratung, 8006 Zürich2bemepro, beat meier projekte, 8400 Winterthur

Auskünfte: Christian Flury, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 252 11 33

A g r a r w i r t s c h a f t

Effizientere Betriebsstrukturen sind auch ohne einen beschleunigten Strukturwandel erreichbar. (Foto: Gabriela Brändle, ART)

102 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 102–109, 2010

Page 15: Heft 3 2010

Die Entwicklung hin zu grösseren Betrieben

und kostengünstigeren Strukturen verläuft

in der Schweizer Landwirtschaft relativ

langsam. Mit einem dynamischen Simula-

tionsmodell wird untersucht, wohin eine

Extrapolation der bisherigen Entwicklung

in die Zukunft führt und wie alternative

Entwicklungspfade aussehen könnten. Die

Simulationen zeigen, dass kostengünstigere

Strukturen auch ohne häufigere altersunab-

hängige Betriebsaufgaben erreichbar sind.

Als Chancen für eine verbesserte Wettbe-

werbsfähigkeit, die sozial verträglich und

politisch realisierbar erscheint, werden die

Reduktion der Anzahl Einsteiger oder die

Entwicklung in Richtung einer dualen Agrar-

struktur erkannt. Die Nutzung dieser Poten-

ziale dürfte mit Blick auf die zukünftigen

Herausforderungen unabdingbar sein. Dazu

braucht es ein bewusstes Bekenntnis der

Agrarpolitik zu effizienteren Kostenstruktu-

ren und grösseren Betrieben.

Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen | Agrarwirtschaft

ziehungsweise die mit einer weiteren Marktöffnung

einhergehenden Einkommensverluste könnten teilwei-

se aufgefangen werden. Mit Blick auf die zukünftigen

Herausforderungen stellt sich die Frage, wie sich die Be-

triebsgrössenstruktur bei einer Trendfortsetzung entwi-

ckelt und wie alternative Strukturentwicklungen ausse-

hen könnten.

M e t h o d e

Simulationsmodell Agrarstrukturentwicklung

Das Modell für die Abschätzung zukünftiger Betriebs-

grössenstrukturen ist ein parametrisches Simulations-

modell (vgl. Meier et al. 2009b). Die Simulation deckt die

Periode 2003 bis 2023 in Jahresschritten ab. Das Modell

wird für die Jahre 2003 bis 2007 anhand der realen Ent-

wicklung validiert. Die Simulation erfolgt auf Betriebse-

bene für eine nach Grössenklassen geschichtete Zufalls-

stichprobe von 10 % der im Jahr 2003 im Agrarinforma-

tionssystem AGIS erfassten Betriebe. Die Modellbetrie-

be werden in der Simulation über fünf hierarchisch ge-

gliederte Prozesse fortgeschrieben, wobei die Paramet-

risierung aufgrund der Beobachtungen der Periode

2003 bis 2007 erfolgt:

1. Wegfall des Betriebes: Die Wahrscheinlichkeit für

den Wegfall eines Betriebes hängt von der Betriebs-

grösse und vom Alter des Betriebsleiters ab. Mit

steigendem Alter erhöht sich die Wahrscheinlichkeit

eines Wegfalls, mit zunehmender Fläche des

Betriebes sinkt sie.

2. Neugründung von Betrieben: In der Simulation

können neue Betriebe mit einer vorgegebenen

Grössen- und Altersstruktur gegründet werden.

3. Austritt des Betriebsleiters mit Übergabe im Genera-

tionswechsel: Die Übergabewahrscheinlichkeit wird

über die Betriebsgrösse und das Alter des bisherigen

Betriebsleiters vorgegeben, wobei die Richtung

der Abhängigkeiten derjenigen beim Wegfall von

Betrieben entspricht.

4. Abstockung von Flächen: Die Wahrscheinlichkeit

und der Umfang der Abstockung werden in der

Simulation an die Betriebsgrösse gebunden.

5. Aufstockung von Flächen: Die Wahrscheinlichkeit

für die Aufstockung und deren Umfang hängen

wie die Verteilung der Aufstockungsflächen von

der Betriebsgrösse ab.

Szenarien für die Simulationen

Für die Simulation werden fünf Szenarien vorgegeben.

Diese orientieren sich weder an erwarteten Umfeldent-

wicklungen noch an der Frage der Veränderbarkeit der

agrar- und strukturpolitischen Massnahmen. Vielmehr

soll der Raum möglicher Strukturentwicklungen und

-wirkungen aufgezeigt werden:

1. Trendszenario A «Weiter wie bisher»: Ausgehend

von den bestehenden Entwicklungspfaden wird die

zukünftige Strukturentwicklung aufgezeigt. Dazu

werden die Wahrscheinlichkeiten für den Wegfall,

die Neugründung sowie die Übernahme im Genera-

tionswechsel ebenso wie die Wahrscheinlichkeiten

und das Ausmass der auf- und abgestockten Flächen

übernommen. Die verwendeten Wahrscheinlichkei-

ten basieren auf deskriptiven und ökonometrischen

Auswertungen zur bisherigen Strukturentwicklung

(Meier et al. 2009b, Giuliani et al. 2009).

2. Szenario B «Mehr Volumen»: Das Szenario fokussiert

auf die Strukturwirkung eines erhöhten Volumens

aus der Flächenabstockung. Für alle Betriebe wird die

Wahrscheinlichkeit der Abstockung um 50 % erhöht.

3. Szenario C «Weniger Einsteiger»: Das Szenario bildet

die Auswirkungen eines stärkeren Rückgangs der

Betriebszahl über weniger Übernahmen im Genera-

tionswechsel und weniger Neugründungen von

Betrieben ab. Die Wahrscheinlichkeiten für die

Übergabe sowie für die Neugründung sind gegen-

über Szenario A um 50 % reduziert.

4. Szenario D «Wachstum für Grosse»: Bei einer gegen-

über Trendszenario A vergleichbaren Betriebszahl

103Agrarforschung Schweiz 1 (3): 102–109, 2010

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Page 16: Heft 3 2010

wird das Potenzial einer Flächenverschiebung in

grössere Betriebe aufgezeigt. Für Betriebe mit

weniger als 20 ha Fläche wird die Wahrscheinlichkeit

für die Aufstockung auf 25 % reduziert, für Betriebe

mit mehr als 20 ha Fläche um 25 % erhöht.

5. Szenario E «Weniger Einsteiger & Wachstum für

Grosse»: Das Szenario kombiniert die Annahmen

der Szenarien C «Weniger Betriebe» und D

«Wachstum der Grossen».

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Simulationsergebnisse zur Strukturentwicklung

Im Trendszenario A «Weiter wie bisher» sinkt die Zahl

der Betriebe bis 2023 um 1,6 % pro Jahr auf noch 44 840

Betriebe (vgl. Abbildung 1 und Tabelle 1). Mit der sin-

kenden Betriebszahl steigt die im Mittel bewirtschafte-

te Fläche um 31 % auf 22,6 ha. Der Anteil der Fläche,

welche von Betrieben mit mehr als 30 ha Nutzfläche be-

104 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 102–109, 2010

Agrarwirtschaft | Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen

70 000

60 000

50 000

40 000

30 000

20 000

10 000

02003

Ergebnisse Simulationsmodell; Bearbeitung Flury&Giuliani

2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 2023

Betriebe 0–10 ha Betriebe 10–20 ha Betriebe 20–30 ha Betriebe 30–50 ha

Betriebe 50–70 ha Betriebe >70 ha

Anz

ahl B

etri

ebe

100%

90%

80%

70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

0%2003

Ergebnisse Simulationsmodell; Bearbeitung Flury&Giuliani

2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 2023

LN Betriebe 0–10 ha LN Betriebe 10–20 ha LN Betriebe 20–30 ha LN Betriebe 30–50 ha

LN Betriebe 50–70 ha LN Betriebe >70 ha

Ant

eil B

etri

ebe

nach

Grö

ssen

klas

sen

Abb. 1 | Entwicklung der Betriebszahl und der Flächenverteilung nach Grössenklassen in Szenario A «Weiter wie bisher».

Page 17: Heft 3 2010

Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen | Agrarwirtschaft

wirtschaftet wird, steigt auf knapp 53 %. Die nach Grös-

senklassen unterschiedliche Entwicklung der Betriebs-

zahl erklärt sich durch die Flächenprozesse und ihre Ein-

flussfaktoren. Kleine Betriebe werden öfter aufgege-

ben, mit zunehmender Grösse steigt die Übernahme-

wahrscheinlichkeit. Einen grossen Einfluss haben die

Auf- und Abstockung von Flächen. Die Wahrscheinlich-

keit der Ereignisse und die mittlere Flächenveränderung

steigen mit zunehmender Betriebsgrösse. Beim Umfang

der Flächenveränderung besteht dabei eine breite

Streuung, indem ein grosser Anteil der Betriebe deutlich

weniger als die im Durchschnitt transferierten Flächen

auf- oder abstockt. Dagegen liegen bei einzelnen Be-

trieben die Flächenveränderungen bei einem Mehrfa-

chen des Mittels der jeweiligen Grössenklasse.

Die Strukturen in Szenario B «Mehr Volumen» ent-

sprechen weitgehend denjenigen in A (vgl. Tabelle 1

und Abbildung 2). Die höhere Abstockungswahrschein-

lichkeit hat praktisch keinen Einfluss auf die Grössen-

strukturen, obwohl rund 3000 ha mehr ab- und aufge-

stockt werden als im Trendszenario.

Mit der in Szenario C «Weniger Einsteiger» unter-

stellten Halbierung der Übernahme- und Neugrün-

dungsraten sinkt die Zahl der Betriebe bis 2023 auf noch

38 650 Einheiten. Die frei werdenden Flächen werden

vor allem von Betrieben in den Grössenklassen 20 – 30 ha

und 30 – 50 ha aufgestockt resp. die verbleibenden Be-

triebe aus den kleineren Grössenklassen «wachsen» in

grössere Klassen hinein. Im Jahr 2023 bewirtschaften

die Betriebe mit mehr als 30 ha Fläche gut 60 % der tota-

len Nutzfläche.

Im Szenario D «Wachstum für Grosse» bewirtschaf-

ten die Betriebe mit mehr als 30 ha Nutzfläche am Ende

der Simulation 63 % der totalen Fläche trotz einem iden-

tischen Rückgang der Betriebszahl und einer identi-

schen mittleren Betriebsgrösse von 22,6 ha wie im

Trendszenario A «Weiter wie bisher». Der Anstieg der

von den grossen Betrieben genutzten Fläche geht dabei

nur zum Teil zu Lasten der kleinen Betriebe. Vielmehr

verlieren auch die Betriebe mit 20 – 30 ha an Bedeutung,

weil sie von der Aufstockung profitieren und in grössere

Klassen wechseln und nur wenig kleinere Betriebe in

diese Grössenklasse hineinwachsen.

Im kombinierten Szenario E «Weniger Einsteiger &

Wachstum für Grosse» sinkt die Betriebszahl im Ver-

gleich zu Szenario C «Weniger Einsteiger» noch etwas

stärker auf 38 000 Betriebe, was ab 2007 einem Rück-

gang von 2,8 % pro Jahr entspricht. Im Jahr 2023 sind die

Betriebe im kombinierten Szenario im Mittel 26,6 ha

gross, knapp 72 % der totalen Nutzfläche wird von Be-

trieben mit mehr als 30 ha bewirtschaftet.

Der Szenarienvergleich zeigt, dass die Zahl der Be-

triebe in den Szenarien B «Mehr Volumen» und D

«Wachstum für Grosse» praktisch gleich gross ist wie im

Trendszenario (vgl. Tabelle 1). Deutliche Unterschiede

ergeben sich hingegen in der Verteilung der Betriebe

nach Grössenklassen. Die Szenarien C «Weniger Einstei-

ger» und E «Weniger Einsteiger & Wachstum für Grosse»

führen zu einem stärkeren Betriebsrückgang. Diese Ent-

wicklung resultiert nicht aus höheren altersunabhängi-

gen Betriebsaufgaben, sondern aus weniger Neueintrit-

ten, weil weniger Betriebe übernommen oder neu ge-

gründet werden.

Die unterschiedlichen Entwicklungen der Betriebs-

strukturen schlagen sich in den transferierten Flächen

nieder. In den Szenarien A «Weiter wie bisher» und D

105Agrarforschung Schweiz 1 (3): 102–109, 2010

Tab. 1 | Flächentransfer und Strukturmerkmale nach Szenarien

* Bemerkung: Bei den transferierten flächenvolumen handelt es sich jeweils um den Durchschnitt der simulationsperioden 2007 bis 2023.

2007 Strukturen im Jahr 2023

AWeiter wie bisher

BMehr Volumen

CWeniger Einsteiger

DWachstum für Grosse

EWeniger Einsteiger &Wachstum für Grosse

Betriebe total Anz. 57 244 44 841 44 558 38 652 44 758 37 986

Rückgang der Betriebszahl (%) –1,4 –1,6 –1,6 –2,7 –1,7 –2,8

Anteil LN Betriebe > 30 ha (%) 34,9 52,8 53,7 60,1 62,8 71,6

LN pro Betrieb (ha) 18,2 22,6 22,7 26,2 22,6 26,6

Volumen Flächentransfers * (ha) 46 216 56 182 59 293 51 413 56 710 51 608

Volumen Flächentransfers ohne Betriebsübergaben * (ha) 29 633 36 904 42 143 39 083 39 359 41 611

Page 18: Heft 3 2010

106 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 102–109, 2010

Agrarwirtschaft | Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen

«Wachstum für Grosse» liegen die Flächenvolumen mit

rund 56 000 ha 20 % höher als 2007. Dies erklärt sich mit

den im Zeitverlauf steigenden Betriebsgrössen und den

damit ansteigenden Wahrscheinlichkeiten für Auf- und

Abstockungen und deren Volumen. In den Szenarien C

«Weniger Einsteiger» und E «Weniger Einsteiger &

Wachstum für Grosse» resultieren aufgrund der tieferen

Übernahmeraten geringere totale Flächenvolumen.

Zwischen dem transferierten Flächenvolumen und

dem Flächenanteil der Betriebe mit mehr als 30 ha Nutz-

fläche besteht keine direkte Abhängigkeit. Für die Ent-

wicklung in Richtung wettbewerbsfähiger Grössen- und

Kostenstrukturen ist die Verfügbarkeit von Flächen für

die Aufstockung zwar eine notwendige, aber keine hin-

reichende Bedingung. Aus dem Szenario D «Wachstum

für Grosse» lässt sich direkt ableiten, dass eine deutliche

Zunahme der von grossen Betrieben bewirtschafteten

Fläche bei einem zu heute identischen Rückgang der Be-

triebszahl möglich ist. In E «Weniger Einsteiger & Wachs-

tum für Grosse» ist das Potenzial einer Strukturbereini-

gung noch grösser.

Die sich über den Simulationszeitraum hinweg än-

dernde Betriebsgrössenstruktur zeigt sich auch in der

Grössenverteilung der Flächen (vgl. Abbildung 2). Im Jahr

2007 bewirtschaften die Betriebe in den Grössenklassen

10 – 25 ha am meisten Fläche. In den Szenarien «A Weiter

wie bisher», B «Mehr Volumen» und C «Weniger Einstei-

ger» verschieben sich die Verteilungen gleichgerichtet

hin zu den höheren Grössenklassen. Im Szenario D

«Wachstum für Grosse» mit der an der Schwelle von 20 ha

abgestuften Aufstockung entwickeln sich die Strukturen

dagegen in Richtung einer dualen Agrarstruktur mit vie-

len kleinen, wenigen mittleren und vielen grossen Betrie-

ben. Die vor allem von den mittleren Betrieben freige-

setzten Flächen werden in Richtung der grösseren Betrie-

be verschoben. Die Entwicklung in Richtung einer dualen

Betriebsgrössenstruktur wird in E «Weniger Einsteiger &

Wachstum für Grosse» noch deutlicher.

Wirtschaftliche Auswirkungen der Szenarien

Die wirtschaftlichen Effekte werden aufgrund der Flä-

chenverteilungen nach Grössenklassen berechnet. Die

aggregierte Fläche je Grössenklasse wird mit den Kenn-

zahlen Rohertrag, Fremdkosten und Familienarbeits-

kräfte je Hektare kombiniert. Für die Übertragung auf

alternative Grössenstrukturen gelten folgende Prämis-

sen: Es handelt sich um aggregierte Kennzahlen zu Prei-

sen und Kosten 2000 – 2006, zum Stand des technischen

und organisatorischen Fortschritts sowie zu Intensitäten

und Produktivitäten von 2000 – 2006. Die Übertragung

erlaubt Aussagen darüber, welche sektoralen Kennzah-

len sich zu aktuellen Preisen bei alternativen Grössen-

strukturen ergeben würden. Die Aussagekraft der

Hochrechnung hängt von den Unterschieden zwischen

den je nach Szenario resultierenden Strukturen ab. In

Szenario A «Weiter wie bisher» ist die Verteilung gegen-

200 000

180 000

160 000

140 000

120 000

100 000

80 000

60 000

40 000

20 000

0

0–5

5–10

10–1

5

15–2

0

20–2

5

25–3

0

30–3

5

35–4

0

40–4

5

45–5

0

50–5

5

55–6

0

60–6

5

65–7

0

70–7

5

75–8

0

80–8

5

85–9

0

90–9

5

95–1

00

> 1

002003

2007

A Trend

B Mehr Volumen

C Weniger Einsteiger

D Wachstum für Grosse

E Kombination

Fläc

he n

ach

Grö

ssen

klas

sen

(ha)

Grössenklassen landw. Nutzfläche (ha)

Abb. 2 | Szenarienvergleich der Nutzfläche nach Grössenklassen.

Page 19: Heft 3 2010

Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen | Agrarwirtschaft

107Agrarforschung Schweiz 1 (3): 102–109, 2010

über 2007 breiter und die Grössenverteilung verschiebt

sich nach rechts. Der aggregierte Rohertrag, die Fremd-

kosten und das landwirtschaftliche Einkommen sinken

um rund 10 %, die Gesamtzahl der Familienarbeitskräf-

te um 20 %. In der Folge erhöht sich die mittlere Faktor-

entschädigung, gemessen als «Landwirtschaftliches Ein-

kommen pro Familienarbeitskraft», um rund 12 %. Die

Werte des Trendszenarios A dienen für die nachfolgen-

den Szenarios als Referenz (100 % in Abbildung 3).

Die Szenarien zeigen auf die aggregierten Grössen

Rohertrag, Fremdkosten und landwirtschaftliches Ein-

kommen nur wenig Wirkung. Bezüglich der Zahl der Fa-

milienarbeitskräfte unterscheiden sich die Szenarien

dagegen stärker. Die Zahl der Familienarbeitskräfte

hängt einerseits von der Betriebszahl und andererseits

von der Grössenstruktur ab. Steigen weniger Bewirt-

schafter ein (Szenario C), führt der im Vergleich zum

Sektoreinkommen stärkere Rückgang der Arbeitskräfte

zu einer Verbesserung der Einkommen pro Familienar-

beitskraft um über 7 % gegenüber dem Trendszenario

A. In Szenario D «Wachstum für Grosse» werden zwar

19 % mehr Fläche in Betrieben mit mehr als 30 ha bewirt-

schaftet, dennoch liegt die Zahl der Familienarbeitskräf-

te nur 4 % unter dem Trendszenario. Weil die entstande-

ne duale Grössenstruktur viele Familienarbeitskräfte in

kleinen Betrieben bindet, liegt das mittlere Einkommen

je Familienarbeitskraft kaum höher. Dagegen sinkt im

Szenario E «Weniger Einsteiger & Wachstum für Grosse»

die Zahl der Familienarbeitskräfte um mehr als 15 %,

was sich bei den mittleren Einkommen je Familienar-

beitskraft positiv auswirkt. Die Verbesserung der wirt-

schaftlichen Situation erklärt sich wie in Szenario C mit

weniger Neueinsteigern.

Für die Einordnung der mittleren landwirtschaftli-

chen Einkommen je Familienarbeitskraft sind die Vertei-

lungen der Familienarbeitskräfte nach Grössenklassen

zentral. Dazu unterscheiden wir die Zahl der Familienar-

beitskräfte in Betrieben mit weniger als 20 bzw. mehr

als 40 ha (vgl. Abbildung 4). Betriebe in diesen Gruppen

weisen meist landwirtschaftliche Einkommen pro Fami-

lienarbeitskraft unter 45 000 Franken resp. über 65 000

Franken auf. In Szenario C «Weniger Einsteiger» resul-

tiert ein Rückgang der Arbeitskräfte mit tiefen Einkom-

men um mehr als 20 %. Während die mittlere Entschädi-

gung um gut 5 % steigt, nimmt die Zahl der «gut verdie-

nenden» Arbeitskräfte etwas mehr zu. In Szenario D

«Wachstum für Grosse» nimmt die Zahl der «schlecht

verdienenden» um gut 10 % zu, gleichzeitig sind 30 %

mehr «gut verdienende» Arbeitskräfte zu verzeichnen.

Die Bezeichnung «duale Struktur» trifft folglich auch für

die Einkommensverteilung zu. Die duale Struktur der

Szenarien D und E birgt das Problem, dass mehr als die

Hälfte aller Familienarbeitskräfte in Betrieben unter 20

ha arbeiten.

Abb. 3 | Szenarienvergleich aggregierter struktureller und ökonomischer Kennzahlen.

Abb. 4 | Streuung der Arbeitsentschädigung nach Szenarien.

150%

140%

130%

120%

110%

100%

90%

80%

70%

Trend = 100%

A Trend B MehrVolumen

C WenigerEinsteiger

D Wachstumfür Grosse

EKombination

Flächen in Betrieben > = 30 haLandw. Einkommen je FamilienarbeitskraftRohertrag aggregiertFremdkosten aggregiertLandw. Einkommen aggregiertFamilienarbeitskräfteAnzahl Betriebe

Diverse Quellen: Bearbeitung bemepro,

flury&giuliani

180%

170%

160%

150%

140%

130%

120%

110%

100%

90%

80%

70%

Trend = 100%

A Trend B MehrVolumen

C WenigerEinsteiger

D Wachstumfür Grosse

EKombination

Anzahl Familienarbeitskräfte in Betrieben über 40 ha(> ca. 65 000 LE/F JAE)

Landw. Einkommen je Familienarbeitskraft

Anzahl Familienarbeitskräfte in Betrieben unter 20 ha (< ca. 45 000 LE/F JAE)

Diverse Quellen: Bearbeitung bemepro,

flury&giuliani

Page 20: Heft 3 2010

108 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 102–109, 2010

Agrarwirtschaft | Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Die Simulationen zeigen, dass effizientere Betriebs- und

Kostenstrukturen auch ohne einen beschleunigten Struk-

turwandel im Sinne häufigerer altersunabhängiger Be-

triebsaufgaben erreichbar sind. Die Nutzung dieser Po-

tenziale ist mit Blick auf die sich abzeichnenden Verände-

rungen bei den Rahmenbedingungen zentral, weil ein

Verzicht auf eine Verbesserung der Wettbewerbsfähig-

keit mittel- und langfristig zu höheren Anpassungskos-

ten führt. Eine Entwicklung in Richtung einer dualen Ag-

rarstruktur ist für grössere Betriebe eine Chance, erhöht

für kleine Betriebe aber die Notwendigkeit ausserland-

wirtschaftlicher Einkommen zur Einkommenssicherung.

Eine duale Entwicklung der Landwirtschaft setzt an bei-

den Enden des Grössenspektrums eine Abweichung von

gesellschaftlich breit verankerten Vorstellungen voraus:

Mit einer Vielzahl sehr kleiner Betriebe würde eine

«kleinbäuerliche Struktur» erhalten, wobei diese Gruppe

in der einkommenspolitischen Diskussion deutlich an Be-

deutung verlieren müsste. Mit anderen Worten sollte der

Blick weniger auf der Entwicklung der mittleren Einkom-

men ruhen, sondern auf die Einkommensverteilung ge-

lenkt werden. Dies führt auch zur Beantwortung der Fra-

ge, wie viele Betriebe überdurchschnittliche Faktorent-

schädigungen erzielen können.

Der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch

die Nutzung grössenabhängiger Kostendegressionen

muss höchste Aufmerksamkeit zukommen. Dies bedingt

eine kritische Überprüfung der von den heutigen politi-

schen Massnahmen ausgehenden Einstiegsanreize so-

wie der Benachteiligungen flächenstarker Betriebe bei

den Direktzahlungen. Der Weg führt über eine konse-

quente Trennung zwischen einkommenspolitischen

Kompensationszahlungen für Politikänderungen und

Direktzahlungen für definierte multifunktionale Leis-

tungen. Kompensationszahlungen sind zeitlich zu be-

fristen und auf aktuelle Bewirtschafter zu begrenzen,

Neueinsteiger sollen keine Kompensationszahlungen

beanspruchen können. Ohne diese Fehlanreize dürften

sich die Betriebsstrukturen mittel- und langfristig auch

ohne aktive Strukturmassnahmen schneller in Richtung

grösserer Betriebe entwickeln.

Grundlegend für die Entwicklung zukunftsfähiger

Betriebsstrukturen ist ein Konsens unter den agrarpoli-

tischen Akteuren, dass Kostensenkungen dringend not-

wendig sind und dass die Entwicklung der Grössenstruk-

turen dabei eine herausragende Rolle spielt. Aufbauend

auf dem (heute fehlenden) Konsens könnten zwei Stra-

tegien verfolgt werden: Erstens können Kostensenkun-

gen durch einen schnelleren Rückgang der Betriebszahl

und der landwirtschaftlich Beschäftigten erreicht wer-

den. Dies ist sozialverträglich über weniger Neueintritte

in den Sektor möglich. Zweitens könnte die Entwicklung

einer dualen Struktur zielführend sein, die wettbe-

werbsorientierten Betrieben die frei werdenden Flä-

chen prioritär zukommen lässt, aber gleichzeitig die

Weiterführung einer grösseren Zahl von Nebenerwerbs-

oder Hobbybetrieben ermöglicht. n

Page 21: Heft 3 2010

Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen | Agrarwirtschaft

109Agrarforschung Schweiz 1 (3): 102–109, 2010

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Literaturb Giuliani G., Meier B. & Flury C., 2009. Wirtschaftliche Auswirkungen von

Flächenveränderungen. Agrarforschung 16 (5), 163 – 165.b Meier B., Giuliani G. & Flury C., 2009a. Flächentransfers und Agrar-

strukturentwicklung bis 2007. Agrarforschung 16 (5), 152 – 157.b Meier B., Giuliani G. & Flury C., 2009b. Flächentransfers und Agrarstruk-

turentwicklung, Studie im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft. Schlussbericht, Winterthur und Zürich.

Simulation of future farm

size structures

In the Swiss agricultural sector, the

development towards larger farms and

consequently towards more economi-

cally favourable cost structures is

relatively slow. A dynamic simulation

model is used to investigate where an

extrapolation of the present develop-

ment could lead in future and what

form alternative development paths

could take. The simulations indicate

that, compared to a continuation of

the current development, more

cost-effective structures can be

achieved without more frequent,

non-age related farm closures. A

reduction in the number of start-ups

or a development towards a dual

agricultural structure can be identified

as socially acceptable and politically

realisable opportunities for improved

competitiveness. In view of future

challenges, this potential has to be

exploited to the full. This demands

that agricultural policy demonstrates

a firm commitment to more efficient

cost structures and thus to larger

farms.

Key words: structural change,

simulation model, farm size structures.

Simulazione dell’evoluzione delle

strutture agricole

L’evoluzione delle strutture agricole

verso strutture più grandi e, di conse-

guenza, più convenienti dal punto di

vista dei costi, è nell’agricoltura

svizzera, relativamente lenta. Il

modello di simulazione dinamica

permette un’estrapolazione delle

tendenze attuali e lo studio di scenari

alternativi per il futuro agricolo Le

simulazioni mostrano che è possibile

mirare a strutture più convenienti

anche senza accellerare la sparizione di

aziende non legata all’età. Tra le oppor-

tunità per una migliore concorrenziali-

tà, che sia sostenibile socialmente e

realizzabile politicamente, sono indica-

te la riduzione delle aperture di nuove

aziende e lo sviluppo verso un agricol-

tura a tempo parziale. Alla luce delle

sfide che il futuro riserva all’agricoltura

è indispensabile trarre profitto da

questi potenziali. In questo senso è

necessario che la politica agricola

prenda apertamente posizione a

favore di costi strutturali più redditizi

e d’aziende agricole più grandi.

Page 22: Heft 3 2010

E i n l e i t u n g

Die mechanisierte und leistungsstarke Nachkriegsland-

wirtschaft hat zu einer intensiven Düngung, einem ver-

mehrten Einsatz von Pestiziden, einer strukturellen Um-

gestaltung der Agrarlandschaft (Vergrösserung der Par-

zellen), und einer Bodenverdichtung geführt. Diese Ver-

änderungen haben den Oberflächenabfluss und die

Erosion gefördert, was zu einer Erhöhung der Feinsedi-

mente und Pestizide in den Oberflächengewässern ge-

führt hat. Dies geht soweit, dass die gesetzlichen Werte

für Pestizide in landwirtschaftlichen Gebieten oft über-

schritten werden. Oberflächenabfluss und Erosion sind

die wichtigsten Ursachen des Transfers von Pestiziden in

Oberflächengewässer (Liess et al. 1999). Die phytosani-

tären Produkte können entweder durch die Bodenparti-

kel adsorbiert (Ton und organische Stoffe) oder im Was-

ser aufgelöst werden (Calvet et al. 2005). Es existieren

bereits mehrere Methoden und Modelle um das Erosi-

onsrisiko (Bodenabtrag) oder die Verschmutzung der

Oberflächengewässer durch Pestizide einzuschätzen.

Einige davon benutzen vorhandene Daten in verschie-

Beurteilung der Transferrisiken von Pestiziden durch OberflächenabflussDorothea Noll, Nathalie Dakhel und Stéphane Burgos, Ecole d’Ingénieurs de Changins EIC, 1260 Nyon

Auskünfte: Stéphane Burgos, E-Mail: [email protected], Tel. +41 22 363 40 52

U m w e l t

Kanalschacht mit Erdablagerungen, die teilweise aus Erosion der höher gelegenen Parzelle stammen.

110 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 110–117, 2010

Page 23: Heft 3 2010

Diese Arbeit zeigt eine Methode zur

Einschätzung von Transferrisiken von

Pestiziden in Oberflächengewässer durch

Erosion und Oberflächenabfluss in einem

Teil des Einzugsgebietes des Boiron de

Morges (Waadt). Die Methode verbindet

Feldbeobachtungen mit der Nutzung von

geographischen Informationssystemen (GIS).

Sie berücksichtigt unvergängliche und

vergängliche Faktoren. Eine Bewertungs-

tabelle erlaubt es, die verschiedenen

Faktoren entsprechend der Intensität ihres

Risikos zu klassifizieren. Die Verknüpfung

dieser Faktoren ermöglicht es, eine Synthese-

karte der Transferrisiken von Pestiziden

für das gesamte Studiengebiet zu erstellen.

Die Methode erlaubt nicht nur Parzellen mit

einem erhöhten Transferrisiko zu identifizie-

ren, sondern ebenso die Faktoren, welche

die Ursache dieses Transfers sind. Wenn

diese Parzellen identifiziert sind, können

gezielte Massnahmen erarbeitet werden,

um den Bodenabtrag und den Transfer von

Pestiziden zu reduzieren.

Beurteilung der Transferrisiken von Pestiziden durch Oberflächenabfluss | Umwelt

denen Massstäben – insbesondere solche, die auf der

«Universal Soil Loss Equation (USLE)» beruhen (Bakker et

al. 2008). Andere benötigen eine grosse Anzahl von Pa-

rametern, die mitunter schwer zu beschaffen sind (Lud-

wig et al. 2004). Die Wahl des Massstabes ist oft ein Pro-

blem für die Erstellung kohärenter Massnahmen (Schrie-

ver et al. 2007). Die auf Parzellenebene entwickelten

Modelle benutzen im allgemeinen keine geographi-

schen Informationssysteme (GIS) (CORPEN 2001).

Ziel dieser Arbeit ist es, auf Parzellenebene eine Me-

thode der Einschätzung der Transferrisiken von Pestizi-

den in Oberflächengewässer durch Erosion und Ober-

flächenabfluss zu entwickeln. Diese Studie wurde im

Einzugsgebiet des Boiron de Morges (Waadt) gemacht.

Sie ist im Rahmen eines Programmes zur Verminderung

der Konzentration von phytosanitären Produkten ent-

standen. Das Programm besteht seit 1999 und beruht

auf Artikel 62a des Gewässerschutzgesetzes.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Untersuchungsgebiet

Das Untersuchungsgebiet liegt im nord-östlichen Teil

des Einzugsgebietes des Boiron (Abb. 1). Seine Fläche

beträgt 980 ha, wovon 577 ha Ackerbau, 133 ha Wiesen,

103 ha Weinbau und 167 ha andere Nutzungen (Wald,

Siedlung etc.) sind. Die Höhenlage des Gebietes variiert

zwischen 423 und 655 m ü.M. Das Gebiet umfasst drei

Zuflüsse des Boiron: Irence, Blacon und Blétruz.

Gemessene Faktoren

Alle wesentlichen Elemente des Gebietes (landwirt-

schaftliche Parzellen, Wälder, Grünstreifen, Strassen

111Agrarforschung Schweiz 1 (3): 110–117, 2010

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Abb. 1 | Lage des Untersuchungsgebiets.

Abb. 2 | Hangneigung einer Parzelle, gemessen über ein DGM mit Spatial Analyst in einer Rasterauflösung von 5 x 5 m (Klassierung nach Tabelle 1).

Page 24: Heft 3 2010

und Wege, Kanalschächte und Wasserabflusskanäle)

wurden digitalisiert. Sie wurden entweder durch Feld-

beobachtungen erhoben oder über GIS Arcview 9.3, sei-

ner Erweiterung Spatial Analyst (SA) aus einem digita-

len 5 m Geländemodell (DGM) oder aus einem Ortho-

photo und der topgrafischen Karte ermittelt. Die aufge-

nommenen Elemente oder Faktoren sind zweifacher

Natur: unvergänglich und vergänglich.

Unvergängliche Faktoren

Diese Faktoren hängen von der Lage und der Topogra-

phie der Parzellen ab und verändern sich während einer

Anbausaison nicht. Die ersten drei der folgenden Fakto-

ren sind vom DGM abgeleitet.

• Hangneigung: Je steiler ein Hang ist, desto grösser

ist das Risiko für Stofftransporte. Gewisse Parzellen

haben nur einen kleinen Bereich, der sehr steil ist

(Abb. 2). Nur den steilsten Hangabschnitt betrachten,

würde das Risiko überschätzen, aber nur die mittlere

Hangneigung der gesamten Parzelle berücksichtigen,

würde das Risiko zu niedrig einstufen.

Aus diesem Grund wurde festgelegt, dass mindestens

25 % aller Pixel einer Parzelle in einer hohen Klasse

liegen müssen, damit die Parzelle in die höhere

Risikoklasse, als nur über den Mittelwert berechnet,

übergeht. Dieser willkürlich festgesetzte Schwellen-

wert zielt darauf ab, ausreichend streng zu sein.

• Hanglänge: Mit zunehmender Hanglänge steigt

das Risiko für Stofftransporte. Diese Variable

repräsentiert den Abstand zwischen dem höchsten

und tiefsten Punkt der Parzelle.

• Landschaftselemente, welche die Fliessrichtung

des Wassers beeinflussen: Diese bestehen aus Wegen

und Strassen sowie deren Belag, Wälder, Hecken und

Grünstreifen, die mehr als 3 m breit sind (Puffer zone).

Solche Landschaftselemente können entweder als

Leitlinien oder aber als Barrieren für Oberflächenab-

flusswasser wirken. Um die Richtung des Wasser-

112 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 110–117, 2010

Umwelt | Beurteilung der Transferrisiken von Pestiziden durch Oberflächenabfluss

Abb. 3 | Darstellung des Einzugsgebietes der Strassen (pastell-farben) und der potenziellen Wasserläufe (blaue Linien) (schwarze Zahl = Strassennummer, grüne Zahl = Verbindung der Parzellen mit den Einzugsgebieten der Strassen).

Abb. 4 | Erstellung der Karte der unvergänglichen Faktoren.

oder

oder

Faktor Relief

Faktor Abfluss

Unvergängliche Faktoren

Faktor Hanglänge

Faktor Landschaftselemente

Faktor Hangneigung

Faktor Entfernung zu Gewässern

Page 25: Heft 3 2010

Beurteilung der Transferrisiken von Pestiziden durch Oberflächenabfluss | Umwelt

abflusses bestimmen zu können, wurden die «kleinen

Einzugsgebiete» von jedem Weg und jeder Strasse

und die Fliessrichtung des Wassers jeder Parzelle fest-

gestellt. Wenn man die Fliessrichtung des Wassers

das aus den Parzellen kommt kennt (Abb. 3), ist es

einfach zu sehen, ob ein direkter Transfer zu den

Oberflächengewässern stattfindet oder nicht.

Wenn das Wasser zum Beispiel auf eine Strasse fliesst,

erreicht es die Oberflächengewässer schneller, indem

es in einen Kanalschacht eindringt, dessen Wasser

direkt in die Oberflächengewässer fliesst.

• Entfernung zu den Gewässern: Sie entspricht der

Entfernung zwischen den Parzellen und den Wasser-

läufen. Je näher eine Parzelle an einem Oberflächen-

gewässer liegt, desto grösser ist das Risiko, dass der

Oberflächenabfluss auch ins Gewässer gelangt.

• Körnung des Oberbodens: Sie wurde durch 100 Fühl-

proben ermittelt, die mit dem Erdbohrer zufällig im

Studiengebiet gezogen worden sind. Bereits beste-

hende pedologische Studien wurden ebenfalls heran-

gezogen (Haeberli 1971; SIGALES 2004).

Vergängliche Faktoren

Letztere entwickeln sich saisonbedingt entsprechend

den Anbau- und Fruchtfolgepraktiken.

• Anbaukulturen: ergibt für jede Parzelle die durch-

schnittliche Anzahl von Pestizidbehandlungen, sowie

den Prozentsatz der Bodenbedeckung zum Zeitpunkt

der Behandlungen. Die Weinbaugebiete wurden

nach dem Prozentsatz der Begrünung zwischen den

Reihen beurteilt.

• Bodenbearbeitungsrichtung im Verhältnis zum Hang:

Sie wurde durch Feldbeobachtungen festgestellt.

Entstehung der Risikokarten

Für alle betrachteten Faktoren wurde eine Bewertungs-

tabelle erstellt (Tab. 1). Sie bestimmt Risikoklassen für

jeden Faktor. Es sind für die meisten Faktoren fünf Klas-

sen, deren Grenzen auf der Basis von bibliographischen

Daten oder durch die Meinung von Experten festgelegt

worden sind.

Jeder Risikoklasse wurde ein Koeffizient zwischen 0

(kein Risiko) und 4 (sehr starkes Risiko) zugeordnet. Risi-

kokarten wurden für jeden Faktor erstellt. Sie wurden

anschliessend miteinander verknüpft, um eine Synthe-

sekarte der Transferrisiken von Pestiziden zu erhalten.

Von den unvergänglichen Faktoren wurden nur die

Faktoren Relief (Neigung und Hanglänge) und Abfluss

(Landschaftselemente und Entfernung zu den Gewäs-

sern) in Betracht gezogen.

Die Körnung des Oberbodens ist im ganzen Studien-

gebiet nach dem Körnungsdiagramm der GEPPA (Groupe

d’Etude pour les Problèmes de Pédologie Appliquée) ent-

weder LAS (Lehm bis schluffiger Lehm) oder Lsa (sandiger

Lehm). Die Homogenität der Texturen und deren Zuge-

hörigkeit zu einer gleichen Risikoklasse (Tab. 1) führten

dazu, diesen Faktor hier nicht zu berücksichtigen.

113Agrarforschung Schweiz 1 (3): 110–117, 2010

Tab. 1 | Bewertungstabelle des Transferrisikos von Pestiziden

(1): Mosimann et al. (1991); (2): Mosimann und rüttimann (1996); (3):Laubier (2001); (4): hani et al. (1990); (5): frühjahrsanbau = raps, Mais, soja, sonnenblumen, Lupinen, erbsen.

kein RisikoKoeff. = 0

geringes RisikoKoeff. = 1

mittleres RisikoKoeff. = 2

starkes RisikoKoeff. = 3

sehr starkes Risiko

Koeff. = 4

Unv

ergä

nglic

he F

akto

ren

Fakt

orRe

lief Hangneigung (1) < 2 % 2 – 5 % 6 – 15 % 16 – 25 % > 25 %

Hanglänge (2) < 50 m 51 – 100 m 101 – 200 m 201 – 300 m > 301 m

Fakt

or

Abf

luss

Landschafts- elemente

Wald / Hecke,Abhang

Grünstreifen, Parzelle Grasweg Steinweg Strasse

Entfernung zu den Gewässern (3) > 200 m 20 – 200 m < 20 m

Körnung des Oberbodens (1)

AA, As, A AIs, AS, AI SI, S, SS, Sa SaI, Lsa, LAS, La L, Ls, LL

Verg

ängl

iche

Fakt

oren

Anbaukulturen (4)

permanente oder temporäre Wiese; Brachland, Luzerne, Rohrschilf

Getreide, Weinbau > 70 % bedeckt

Obstanbau, Frühjahrsan-bau (5), Ackerbohnen, Weinbau 70 – 50 % bedeckt

Rüben, Kartoffeln, Weinbau 50 – 30 % bedeckt

Gemüse, Weinbau < 30 % bedeckt

Bodenbearbeitungs-richtung

kein Abfluss Perpendikular zum Abfluss

Parallel zum Abfluss

Page 26: Heft 3 2010

Um den Faktor Relief für eine Parzelle zu bestimmen,

wird immer die höhere Risikoklassierung von Hangnei-

gung und Hanglänge gewählt. Auf die gleiche Weise

wird auch das höhere Risiko von der Entfernung zu den

Gewässern und den Landschaftselementen verwendet,

woraus sich der Faktor Abfluss ergibt. Anschliessend

wird das Risiko der Faktoren Relief und Abfluss mitein-

ander berechnet. Ist das Risiko für den einen oder den

anderen Faktor gleich null, wird das gesamte Risiko als

null angesehen. Ansonsten wird der Durchschnittswert

beider Klassierungen verwendet. Als Ergebnis erhält

man eine Karte der unvergänglichen Faktoren (Abb. 4).

Die Karte der vergänglichen Faktoren erhält man, in-

dem man die Risiken, die mit den Anbaukulturen und der

Bodenbearbeitung im Zusammenhang stehen, verbindet,

das heisst indem man das durchschnittliche Risiko berech-

net, es sei denn eines der Risiken ist null (Abb. 5).

Die Synthesekarte der Transferrisiken von Pestiziden

durch Oberflächenabfluss (Abb. 6) erhält man, indem

man die Karten der unvergänglichen und vergänglichen

Faktoren verknüpft. Es wurde wiederum der Durch-

schnittswert der Risiken berechnet, es sei denn, eines

der Risiken war null.

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Die Methode erlaubt einen Überblick über die Vertei-

lung der Transferrisiken von Pestiziden für Parzellen ei-

ner Region zu erhalten. Abb. 7 zeigt die Verteilung des

Risikos für Wiesen, Ackerbau, Weinbau sowie für die

gesamte Landwirtschaftsfläche. Das Risiko ist auf 260

ha Ackerbau und 80 ha Weinbau stark, dass heisst res-

pektive für 32 % und 10 % der gesamten Landwirt-

schaftsfläche. Dieses starke Risikoniveau ist das Ergeb-

nis von Bodenverbesserungen, durch die viele Strassen

und Wege geschaffen sowie die Parzellen vergrössert

wurden, um die Mechanisierung zu erleichtern. Fünf

Prozent, das heisst 39 ha, der gesamten Landwirtschaft-

fläche, fallen in die Klasse «sehr starkes Risiko». Dies

sind 4 % der Ackerbaufläche (20 ha) und 19 % der Wein-

baufläche (19 ha). Die temporären und permanenten

Wiesenflächen sowie das Brachland wurden immer als

risikolos klassifiziert.

Diese Methode ermöglicht es, auch die problemati-

schen Parzellen auf der Synthesekarte zu lokalisieren und

die ursächlichen Faktoren zu identifizieren. Der Karten-

auszug (Abb. 8) zeigt vier besondere Fälle. Die Parzelle 1

Abb. 5 | Erstellung der Karte der vergänglichen Faktoren.

+

+

Abb. 6 | Erstellung der Synthesekarte.

114 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 110–117, 2010

Vergängliche Faktoren

Synthesekarte

Faktor BodenbearbeitungFaktor Anbaukulturen

Vergängliche FaktorenUnvergängliche Faktoren

Umwelt | Beurteilung der Transferrisiken von Pestiziden durch Oberflächenabfluss

Page 27: Heft 3 2010

weist ein sehr starkes Risiko auf, denn diese ist lang und

wird in Fliessrichtung des Wassers bearbeitet, welches auf

eine Strasse fliesst. Die Nachbarparzellen 2 und 3 besitzen

dieselben Eigenschaften, haben aber ein anderes Risiko.

Parzelle 2 wurde in die Klasse kein Risiko eingestuft, weil

es eine temporäre Wiese ist und Parzelle 3 in die Klasse

mittleres Risiko, weil das Wasser auf andere Parzellen

fliesst. Die Weinbauparzelle 4 zeigt ein sehr starkes Risiko,

weil die Hangneigung mehr als 20% beträgt, sich eine

Strasse am unteren Ende der Parzelle befindet, und die

Reihen parallel zum Hang bearbeitet sind.

Die Methode ermöglicht es ebenfalls, gezielte Mass-

nahmen für risikoreiche Parzellen zu empfehlen, da die

ursächlichen Faktoren bekannt sind. Es gilt den Wasser-

abfluss von den Parzellen auf Strassen und Wege einzu-

schränken oder zu vermeiden. Jedoch sind die mögli-

chen Massnahmen mitunter schwer anzuwenden. Für

die Parzelle 2 (Abb. 7) zum Beispiel ist eine Bearbeitung

quer zum Hang in Anbetracht der langen Form der Par-

zelle schwer zu verwirklichen. Sie aufzuteilen, würde die

Bearbeitung erschweren und wäre für den Bauern nicht

akzeptabel. Dagegen wäre die Anlage eines Grünstrei-

fens eine denkbare Maßnahme (Gouy und Gril 2001).

Man könnte ebenfalls vorsehen, die Fruchtfolge zu än-

dern, zum Beispiel, indem man in den Risikozonen kein

Gemüse anbaut oder Direktsaat anwendet. Diese Prakti-

ken vermindern die Belastung des Bodens, begrenzen

die Bodenverschlämmung und ebenfalls den Oberflä-

chenabfluss (Labreuche et al. 2007). In den Weinbergen

(Parzelle 4) sind die Möglichkeiten für Massnahmen be-

schränkt. Um den Transfer zu limitieren, wäre eine Be-

grünung zwischen den Reihen zu erwägen.

Die Faktoren, welche bei der vorgestellten Methode

in Betracht gezogen wurden, sind diejenigen, die allge-

mein als verantwortlich für den Transfer von Pestiziden

durch Oberflächenabfluss und Erosion angesehen wer-

den. Der Beitrag dieser Methode, im Vergleich zu ande-

ren auf Parzellenebene entwickelten Methoden (Au-

rousseau et al. 1998; Laubier 2001), ist die Benutzung

eines DGM mit einer hohen Auflösung, die spezielle Be-

achtung des steilsten und des mittleren Hangabschnit-

tes, die Berücksichtigung der Strassen und Wege und

das Einbeziehen der phytosanitären Behandlungen der

Kulturen vor Ort. Insbesondere die Berücksichtigung

des steilsten und des mittleren Hangabschnittes erlaubt

eine bessere Risikoeinschätzung für Parzellen mit unre-

gelmässigen Hängen, als wenn man nur die mittlere

Hangneigung betrachten würde. Die Berücksichtigung

der Strassen und Wege erlaubt im Übrigen, den direkten

Transfer zu den Oberflächengewässern zu berücksichti-

350

300

250

200

150

100

50

0Wiese Ackerbau Weinbau

kein Risikogeringes Risiko

mittleres Risikostarkes Risiko

sehr starkes Risiko

Gesamteanbaufähige

Fläche

Abb. 8 | Auszüge aus der Synthesekarte der Transferrisiken von Pestiziden (blaue Linie = Wasserfliessrichtung).

Abb. 7 | Histogramm der Risikoklassen von Wiesen, Ackerbau, Weinbau und der gesamten Landwirtschaftfläche.

115Agrarforschung Schweiz 1 (3): 110–117, 2010

Beurteilung der Transferrisiken von Pestiziden durch Oberflächenabfluss | Umwelt

Page 28: Heft 3 2010

gen. Sie tragen sicher massgeblich dazu bei, dass stark

mit Feinerdepartikeln und Pestiziden belastetes Wasser

bis zu den Oberflächengewässern weiter geleitet wird.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Die angewandte Methode erlaubt:

• Die Transferrisiken von Pestiziden in Oberflächen-

gewässern auf Parzellenebene zu definieren;

• Die ursächlichen Faktoren für diesen Transfer

zu bestimmen;

• Gezielte Massnahmen vorzuschlagen, um den

Transfer zu begrenzen;

• Risikokarten zu erstellen und die verantwortlichen

Faktoren zu erkennen, welche ein optimales

Management des gesamten Einzugsgebietes und

die Beratung der Bauern erlauben. n

116 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 110–117, 2010

Literaturb Aurousseau P., Gascuel-Odoux C. & Squividant H., 1998. Eléments pour

une méthode d’évaluation d’un risque parcellaire de contamination des eaux superficielles par les pesticides. Etude et Gestion des Sols 5 (3), 143 – 156.

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Umwelt | Beurteilung der Transferrisiken von Pestiziden durch Oberflächenabfluss

Page 29: Heft 3 2010

117Agrarforschung Schweiz 1 (3): 110–117, 2010

Ria

ssu

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Sum

mar

y

b Laubier F., 2001. The diagnosis of the risk of pesticides transfer in superficial waters: the bases and the implementation of the method developed in Bretagne Region (France). Ingénieries eau agriculture territoires n° spécial, 91 – 98.

b Liess M., Schluz R., Liess M. H.-D., Rother B. & Kreuzig R., 1999. Determination of insecticide contamination in agricultural headwater streams. Water Research 33 (1), 239 – 247.

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b SIGALES (Etude de Sols et Terroirs), 2004. Etude des terroirs viticoles vaudois. Géo-pédologie. Prométerre-Office de conseil viticole, Lausanne, 124 S.

Metodo di valutazione dei rischi

di trasferimento di pesticidi attraverso

le acque che scorrono in superficie

Questo studio illustra un metodo di

stima dei rischi di passaggio dei pestici-

di nelle acque superficiali attraverso il

trasporto di superficie (erosione,

ruscellamento) in una parte del bacino

imbrifero del Boiron de Morges

(Vaud, Svizzera). Tale metodo abbina

osservazioni sul terreno e l’utilizzo di si-

stemi d’informazione geografico (SIG),

considerando fattori perenni e fattori

temporanei. Una griglia di valutazione

permette di classificare i diversi fattori

secondo l’intensità del rischio generato.

La loro combinazione permette in

seguito la realizzazione di una mappa

di sintesi dei rischi dovuti al passaggio

di pesticidi nell’insieme della zona

studiata. Il metodo permette di identifi-

care le parcelle a elevato rischio, di

individuare i fattori all’origine del

fenomeno e di proporre delle misure

mirate per limitare l’erosine di terra e il

conseguente trasferimento di pesticidi.

Assessment of risks of pesticides

transfer by surface runoffs

This work presents a method for asses-

sing pesticides transfer risks to the

surface water by erosion and runoff.

It was developed in a part of the water-

shed of the Boiron de Morges (Vaud,

Switzerland). This method combines

observations in the field with the use

of Geographic Information Systems

(GIS). It considers timeless and timely

factors. An evaluation grid permits to

classify the different factors by the risk

severity they generate. Their combina-

tion then allows to produce a synthetic

map showing the transfer risks of pesti-

cides in the whole zone examined. This

method makes not only possible to

identify the plots with an inherent risk

of high transfer, but also the factors

responsible for it. Once the plots have

been identified, targeted measures can

be envisaged to limit the soil loss and

the pesticides transfer.

Key words: erosion, runoff, GIS,

pesticides, DEM, transfer.

Beurteilung der Transferrisiken von Pestiziden durch Oberflächenabfluss | Umwelt

Page 30: Heft 3 2010

Michel Rérat: Forschung für das Tierwohl

Michel Rérat ist ein junger Veterinär aus dem Berner Jura,

der erst auf den zweiten Blick seine Bestimmung in der

tiermedizinischen Forschung fand. Als Kind war es lange

sein Berufswunsch, Kellner zu werden. Erst während der

Zeit im Gynasium in La Chaux de Fonds begann er sich für

Medizin zu interessieren. «Bei der Tiermedizin sagt nicht

der Patient, wo es weh tut. Das finde ich noch spannend!»,

erklärt Rérat seine Entscheidung zu Gunsten des Veteri-

närstudiums. «Instinkt und Sensibilität für Tiere sind des-

halb wichtige Charakterzüge für diesen Beruf».

Im Anschluss ans Veterinärstudium in Bern arbeitete

er als Assistent in einer Praxis in Bulle. Die Doktorarbeit

an der Abteilung für Veterinärphysiologie der Universität

Bern mit dem Thema «Wachstum von Kälbern, die in vitro

gezeugt wurden» wies bereits in Richtung seiner heuti-

gen Forschung bei ALP: die Gesundheit von Kälbern.

Kälbermast mit gesunden Tieren

Lungenentzündungen stellen bei der Kälbermast das

grösste Problem dar. «Treffen im Mastbetrieb 30 Kälber

aus 30 verschiedenen Betrieben aufeinander, so werden

Krankheitskeime munter ausgetauscht. Zudem werden

Kälber häufig in einer heiklen Phase ihrer Entwicklung

vom ursprünglichen Hof zu einem Kälbermastbetrieb

transportiert. In dieser Übergangszeit sind sie beson-

ders anfällig für Krankheiten.» Durch ein gezieltes Her-

denmanagement und optimierte Haltung im Stall

versucht Michel Rérat mit seiner Arbeit als Forscher die

Kälber möglichst gesund zu halten und den Einsatz von

Antibiotika zu reduzieren.

Die Herausforderung, einerseits wissenschaftlich in-

ternational mitzumachen und andererseits gangbare

Lösungen für die Praxis zu finden, nimmt Rérat mit Be-

geisterung an. Sein aktuelles Projekt in Zusammenar-

beit mit anderen schweizerischen Instituten läuft im

Rahmen der Revision der Tierschutzverordnung. Das

Projekt hat zum Ziel, herauszufinden, welche Arten von

Raufutter den Anforderungen an Gesundheit und Phy-

siologie des Kalbes am besten gerecht werden.

Stadtmensch und Theaterliebhaber

«Jetzt muss ich französisch sprechen!» lacht Michel

Rérat. Nach den umfassenden Ausführungen über seine

Forschungsprojekte in Deutsch ist nun für den Hobby-

bereich die Muttersprache dran. «Ich entspreche wohl

nicht dem gängigen Bild vom Tierarzt, der die Natur am

liebsten hat und in den Bergen wandern geht.» Michel

Rérat zieht die Stadt mit ihren kulturellen Angeboten

vor. Er liebt das Theater, spielt selber im Théâtre de la

Cité in Freiburg – seinem Wohnort – mit.

Andrea Leuenberger, Redaktion Agrarforschung Schweiz,

Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 1725 Posieux

118 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 118, 2010

Michel Rérat (Foto: Olivier Bloch, ALP)

P o r t r ä t

Page 31: Heft 3 2010

Aktuell

119Agrarforschung Schweiz 1 (3): 119–123, 2010

Neues ERA-Net RURAGRI gegründetIn europäischen Ländern betreffen die urbane Landnut-

zung und die urbanen Lebensstile immer mehr auch

ländliche Räume und die Agrarproduktion. Innovative

politische Massnahmen erfordern interdisziplinäre For-

schungsansätze. Vor diesem Hintergrund wird von der

Europäischen Kommission das ERA-Net RURAGRI unter-

stützt. RURAGRI zielt darauf ab, die Forschungsbereiche

Landwirtschaft, Nachhaltigkeit und ländliche Entwick-

lung zu verbinden und die Forschungstätigkeiten trans-

national zu vernetzen.

Ziel eines European Research Area Network (ERA-

Net) ist es, nationale und regionale Forschungsprogram-

me zu koordinieren und die Zusammenarbeit zwischen

Forschung und Wirtschaft nachhaltig zu stärken. Im

Rahmen eines ERA-NET können von den Partnerländern

gemeinsame Ausschreibungen lanciert und Forschungs-

projekte gefördert werden. Die Projektpartner werden

gemäss der nationalen Förderkriterien der jeweiligen

Mitgliedsländer finanziert.

Die zunehmend komplexeren Herausforderungen er-

fordern eine interdisziplinäre Agrarforschung und ver-

netzte Strukturen im europäischen Forschungsraum.

Vom 29. bis 30. Oktober 2009 fand in Uppsala (Schweden)

das Kick-off-Meeting von RURAGRI, ein von der Europä-

ischen Kommission im siebten Rahmenprogramm (FP7)

unterstütztes ERA-Net, statt. RURAGRI – Facing sustaina-

bility: new relationships between rural areas and agricul-

ture in Europe wird durch das INRA (Institut National de la

Recherche Agronomique, Frankreich) koordiniert. Zu den

15 Ländern, die an diesem ERA-Net teilnehmen, zählt

auch die Schweiz. Sie wird vertreten durch das Bundesamt

für Landwirtschaft und Spezialisten von Agroscope. Die

ERA-Net Tätigkeiten dauern 48 Monate.

In den europäischen Ländern ist die fortschreitende

Urbanisierung ein sehr dynamischer Prozess. Das Phäno-

men der Urbanisierung umfasst sowohl die Verbreitung

urbaner Landnutzungen, das heisst primär die Ausdeh-

nung des Siedlungsraums mit seinen Wohnflächen, In-

dustrieflächen und Infrastrukturen, als auch die Verbrei-

tung der damit verbundenen urbanen Lebensformen.

Von dieser Entwicklung sind immer mehr Regionen be-

troffen. Auch ländliche Räume, das heisst Räume, die

relativ weit von urbanen Zentren liegen und die Land-

wirtschaft selbst, werden zunehmend von der Urbani-

sierung beeinflusst, und sie sind gezwungen, sich mit ihr

auseinanderzusetzen. Einerseits werden in den ländli-

chen Räumen Nahrungsmittel für die Bewohner der ur-

banen Räume produziert, die wiederum die ländlichen

Räume als Erholungsraum nutzen. Andererseits über-

nehmen die Bewohner ländlicher Räume zunehmend

urbane Lebensweisen. Dies zeigt sich in einer abneh-

menden Einbindung der ländlichen Bevölkerung in die

Landwirtschaft und in den wachsenden Pendlerströmen

zwischen ländlichen und urbanen Räumen.

Um eine nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume

fördern zu können, müssen die Zusammenhänge zwi-

schen der Landwirtschaft und alternativen Landnutzun-

gen wie Wohnsiedlungen, Verkehrsinfrastrukturen und

Erholungsinfrastrukturen bekannt sein. Damit For-

schungsergebnisse die Ausarbeitung politischer Mass-

nahmen zur Steuerung einer nachhaltigen Entwicklung

wirkungsvoll unterstützen können, ist es wichtig, dass

die regional und national spezifischen Landnutzungsän-

derungen und -interaktionen, die politischen Steue-

rungsinstrumente und die Governance erforscht und

verglichen werden. Die europäische Vernetzung der For-

schungspartner soll dazu dienen, „Best Practices“ als

Ideen für innovative Lösungsansätze auszutauschen.

Aus diesen Gründen fokussiert RURAGRI auf eine inter-

disziplinäre Forschung, die die Themen Landwirtschaft

und Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen gleichzeitig

mit der ländlichen Entwicklung betrachtet.

Seine Ziele möchte RURAGRI mit drei Schritten errei-

chen. Erstens sollen die laufenden Forschungsprogram-

me und -projekte im erwähnten Forschungsbereich sowie

die existierenden internationalen Kooperationen und

Funktionsweisen des Informationsaustausches für alle

teilnehmenden Länder erfasst werden. Zweitens werden

die Forschungslücken identifiziert und eine strategische

Forschungsagenda entwickelt. Drittens werden Instru-

mente entwickelt, die eine nachhaltige Förderung trans-

nationaler Forschungsprogramme gewährleisten sollen.

Maria-Pia Gennaio und Stefan Mann, Agroscope Reckenholz-Tänikon

ART; Markus Lötscher, Bundesamt für Landwirtschaft BLW

A k t u e l l

Page 32: Heft 3 2010

Fodder Crops and Amenity GrassesNach einem halben Jahrhundert ist erstmals wieder ein

umfassendes Werk über die Zucht von Klee- und Gras-

sorten erschienen. Mitgeschrieben haben drei Forscher

von ART. Es haben sich 44 Forschende aus 13 Nationen

am 523 Seiten dicken und 20 Kapitel umfassenden Werk

beteiligt. Ziel ist es, das Wissen um die Zucht von Futter-

pflanzen (vor allem Klee- und Grassorten) wieder auf

eine aktuelle wissenschaftliche Basis zu stellen. Neun all-

gemeine Kapitel vermitteln das Rüstzeug für die Züch-

tung, vom Einsatz genetischer Ressourcen über die

Zuchtmethodik und die Zuchtziele bis zu den Bestim-

mungen zur offiziellen Sortenzulassung. Elf artspezifi-

sche Kapitel geben Auskunft, welche Fortschritte die

Züchtung bei den wichtigsten Gattungen von Gräsern

und Leguminosen erreicht hat, wie die aktuellen Her-

ausforderungen angegangen werden und was moleku-

larbiologische Erkenntnisse dazu beitragen können. Das

letzte, ähnlich umfangreiche Standardwerk erschien vor

fünfzig Jahren. Zur Zielgruppe gehören die Futterpflan-

zenzüchtung, Lehrende und fortgeschrittene Lernende

aus dem Landwirtschaftssektor, die Saatgutbranche und

die landwirtschaftliche Beratung.

Doch auch Aussenstehende kommen auf ihre Kosten.

Denn Stellenweise liest sich das Buch wie ein Krimi. Im

ersten, vom Belgier Dirk Reheul verfassten Kapitel er-

fährt man, dass der Klee eine steile Karriere hinter sich

hat. Sie begann im 16. Jahrhundert. Damals wurden die

Wälder zur Feuer- und Schiffbauholzgewinnung so stark

abgeholzt, dass die Böden Europas durch den nachfol-

genden Ackerbau ausgelaugt wurden und degenerier-

ten. Die Grundlage für die Nahrungsmittelproduktion

drohte zu versagen. Doch dank der Aussaat von Rotklee

und des Recyclings der Nährstoffe in der Hofdünger-

wirtschaft wurde die Fruchtbarkeit der Böden wieder-

hergestellt. Der Klee rettete die Böden nicht nur, er stei-

gerte auch ihre Produktivität. Das führte bereits damals

zu einer Verdoppelung der Getreideernten.

Der Rotklee wird in den letzten Jahrzehnten zuneh-

mend von einer Pilzkrankheit bedroht, dem Südlichen

Stängelbrenner. Er hat sich in den letzten Jahren stark

ausgebreitet, wahrscheinlich aufgrund wärmerer Som-

mertemperaturen. Deshalb ist die Verbesserung der Re-

sistenz gegen diesen Krankheitserreger eine zentrale

Züchtungsaufgabe. Das Buch liefert das Grundlagenwis-

sen, um dieser Herausforderung begegnen zu können.

Boller B., Posselt U. K. und Veronesi F. (Eds.). Fodder

Crops and Amenity Grasses, Series: Handbook of Plant

Breeding Vol. 5, 523 p., Springer Science + Business

Media, New York. ISBN: 978-1-4419-0759-2

Aktuell

N e u e P u b l i k a t i o n e n

120 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 119–123, 2010

Page 33: Heft 3 2010

121Agrarforschung Schweiz 1 (3): 119–123, 2010

Aktuell

Betriebsführungs-arbeiten im Ackerbau

ART-Bericht 718Je Hektare und Jahr wenden grössere Betriebe deutlich

weniger Arbeitszeit für die Betriebsführung auf. Dieser

Zeitbedarf schwankt zwischen 3,6 und 26,2 Arbeits-

kraftstunden je Hektare und Jahr. Absolut betrachtet

erfordert die Betriebsführung im Ackerbau auf den un-

tersuchten Betrieben zwischen 154 und 680 Arbeits-

kraftstunden je Betrieb und Jahr. Entsprechend dieser

grossen Bedeutung der Betriebsführung muss ihr auch

im Rahmen der Arbeitsplanung eine zentrale Stellung

zukommen. Vor allem bei hochmechanisierten Produkti-

onsverfahren, wie sie im Ackerbau anzutreffen sind, ist

mit einem hohen Anteil der Betriebsführung am Ge-

samtarbeitszeitbedarf zu rechnen. Im Durchschnitt brin-

gen die untersuchten Betriebe rund 45 Prozent ihrer Ar-

beitszeit für die Betriebsführung auf. Dies ist Grund ge-

nug, sich intensiv mit dieser Thematik auseinanderzu-

setzen und auch in diesen Bereichen Optimierungsmass-

nahmen zu entwickeln.

Christoph Moriz und Andreas Mink,

Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

Strukturproble-matik bei Misch-rationen für Hochleistungs-herden Ergebnisse einer Erhebung auf Milchviehbetrieben

ART-Bericht 719Für Rindviehhaltende und die Fütterungsberatung wird

die Beurteilung der Struktur einer Ration zunehmend

wichtig. Sie sollten sich dabei auf zuverlässige Metho-

den abstützen können und die Abhängigkeiten zwi-

schen Bearbeitung des Grundfutters und Einfluss auf

dessen Struktur kennen. Eine Untersuchung auf 17 Be-

trieben hat gezeigt, dass in der Praxis eine Strukturbe-

wertung von Gesamtrationen mit Hilfe des Struktur-

werts nach de Brabander et al. für Schweizer Verhältnis-

se mit hohen Grassilage- und Heuanteilen wenig aussa-

gekräftig ist. Trotz relativ guten Strukturwerten setzten

zirka zwei Drittel der Betriebe Pansenpuffer ein. Je hö-

her der Kraftfutteranteil in der Gesamtration wird, des-

to grösser wird auch das Risiko von Strukturproblemen.

Ein hoher Kraftfutteranteil bringt jedoch nicht zwin-

gend Strukturprobleme mit sich. Mit der Schüttelbox-

Analyse kann die Mischration untersucht werden. Sie

berücksichtigt allerdings die zusätzlich in der Kraftfut-

terstation verabreichten Ergänzungsfutter nicht, die ge-

rade bei den gefährdeten Hochleistungstieren eine ent-

scheidende Rolle spielen. Die Resultate haben gezeigt,

dass mit der Schüttelbox-Analyse allenfalls Zusammen-

hänge zwischen den Feinpartikelanteilen in der Misch-

ration und dem Auftreten von Strukturproblemen sicht-

bar gemacht werden können. Negative Auswirkungen

der mechanischen Bearbeitung des Wiederkäuerfutters

auf die Struktur konnten nicht nachgewiesen werden.

Die Untersuchung hat aufgezeigt, dass bezüglich der Be-

wertung von Struktur im Wiederkäuerfutter noch gro-

sse Unsicherheiten bestehen. Die angewandten Struk-

turbewertungssysteme lassen sich nur bedingt auf die in

der Praxis vorherrschenden Gegebenheiten anwenden.

Franz Nydegger und Simon Bolli, Forschungsanstalt

Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

ART-Bericht Nr. 718 2009

Inhalt Seite

Problemstellung 2

Methodisches Vorgehen 2

Systematische Gliederung 2

Planbarkeit und 3 Termingebundenheit

Ergebnisse 3

Schlussfolgerungen 7

Literatur 8

Betriebsführungsarbeiten im AckerbauChristoph Moriz und Andreas Mink, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, E-Mail: [email protected]

Je Hektare und Jahr wenden grössere Betriebe deutlich weniger Arbeitszeit für die Betriebsführung auf. Dieser Zeitbedarf schwankt zwischen 3,6 und 26,2 Arbeitskraftstunden je Hektare und Jahr. Absolut betrachtet erfordert die Betriebsführung im Ackerbau auf den untersuchten Betrieben zwischen 154 und 680 Arbeitskraftstunden je Betrieb und Jahr. Entsprechend dieser grossen Bedeutung der Betriebsfüh-rung muss ihr auch im Rahmen der Arbeitsplanung eine zentrale Stellung zukommen. Vor allem bei hochmecha-nisierten Produktionsverfahren, wie sie im Ackerbau anzutreffen sind, ist mit einem hohen Anteil der Betriebs-

führung am Gesamtarbeitszeitbedarf zu rechnen. Im Durchschnitt bringen die untersuchten Betriebe rund 45 Pro-zent ihrer Arbeitszeit für die Betriebs-führung auf. Dies ist Grund genug, sich intensiv mit dieser Thematik aus-einanderzusetzen und auch in diesen Bereichen Optimierungsmassnahmen zu entwickeln.

Abb. 1: Neben den Feldarbeiten muss im Ackerbau zunehmend die Betriebsführung beachtet werden. (Foto: Marion Riegel, Agroscope ART)

ART-Bericht Nr. 719 2009

Strukturproblematik bei Mischrationen für Hochleistungsherden

Ergebnisse einer Erhebung auf Milchviehbetrieben

Franz Nydegger und Simon Bolli, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, CH-8356 Ettenhausen, E-Mail: [email protected]

Inhalt Seite

Problemstellung 2

Struktur im Wiederkäuerfutter 2

Vorgehen bei der 2 Datenerhebung

Bewertung der Struktur 2 im Wiederkäuerfutter

Ergebnisse 3

Diskussion der Resultate 6

Schlussfolgerungen 7

Literatur 8

Für Rindviehhaltende und die Fütte­rungsberatung wird die Beurteilung der Struktur einer Ration zunehmend wichtig. Sie sollten sich dabei auf zu­verlässige Methoden abstützen kön­nen und die Abhängigkeiten zwischen Bearbeitung des Grundfutters und Einfluss auf dessen Struktur kennen. Eine Untersuchung auf 17 Betrieben hat gezeigt, dass in der Praxis eine Strukturbewertung von Gesamtratio­nen mit Hilfe des Strukturwerts nach de Brabander et al. für Schweizer Ver­hältnisse mit hohen Grassilage­ und Heuanteilen wenig aussagekräftig ist. Trotz relativ guten Strukturwerten setzten zirka zwei Drittel der Betriebe Pansenpuffer ein. Je höher der Kraft­futteranteil in der Gesamtration wird, desto grösser wird auch das Risiko von Strukturproblemen. Ein hoher

Kraftfutteranteil bringt jedoch nicht zwingend Strukturprobleme mit sich. Mit der Schüttelbox­Analyse kann die Mischration untersucht werden. Sie berücksichtigt allerdings die zusätzlich in der Kraftfutterstation verabreichten Ergänzungsfutter nicht, die gerade bei den gefährdeten Hochleistungstie­ren eine entscheidende Rolle spielen. Die Resultate haben gezeigt, dass mit der Schüttelbox­Analyse allenfalls Zu­sammenhänge zwischen den Feinpar­tikelanteilen in der Mischration und dem Auftreten von Strukturproble­men sicht bar gemacht werden können. Negative Auswirkungen der mecha­nischen Bearbeitung des Wiederkäuer­futters auf die Struktur konnten nicht nachgewiesen werden. Die Untersu­chung hat aufgezeigt, dass bezüglich der Bewertung von Struktur im Wie­

Abb. 1: Das Wiederkauen ist für das gute Funktionieren der Verdauung und des Stoffwech-sels der Kuh von grosser Bedeutung.

derkäuerfutter noch grosse Unsicher­heiten bestehen. Die angewandten Strukturbewertungssysteme lassen sich nur bedingt auf die in der Praxis vorherr­schenden Gegebenheiten anwenden.

Page 34: Heft 3 2010

122 Agrarforschung Schweiz 1 (3): 119–123, 2010

Aktuell

www.agroscope.ch

22.02.2010 / ART Weniger Stress für die Kuh am ArbeitsplatzIn Tänikon (TG) wurde eine europaweit einzigartige expe-

rimentelle Melkwand in Betrieb genommen. Mit ihr lassen

sich die Quellen von Lärm und Vibrationen während des

Melkens messen. Die Resultate werden helfen, die Schwei-

zer Milch qualitativ an der Weltspitze zu halten.

15.02.2010 / ACW Energieeinsparung im GewächshausDie Energie – vor allem Energieeinsparung – steht heute

im Zentrum der Anliegen von Gewächshausbewirtschaf-

terinnen und -bewirtschaftern. Seit 2006 arbeitet die

Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW

an der Temperaturführung durch Temperatur-Integra-

tion (TI) bei Gewächshauskulturen. Diese besondere

Bewirtschaftung führt je nach Kultur zu Energieeinspa-

rungen im Bereich von 10 bis 30 %.

11.02.2010 / ALP Die Zahl der Imker und der Bienenvölker geht europaweit zurückDie Zahl der Bienenvölker ist in Mitteleuropa in den letz-

ten Jahrzehnten zurückgegangen. Die Zahl der Imker

sank sogar europaweit. Damit liegt erstmals ein Gesamt-

überblick auf europäischer Ebene zum Problem des Bie-

nenrückgangs vor. Da auch andere Bestäuber wie Wild-

bienen und Schwebfliegen im Rückgang begriffen sind,

besteht die Gefahr, dass Bestäuberdienstleistungen, von

denen viele Feldfrüchte abhängig sind, nicht mehr erfüllt

werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des IBRA

(International Bee Research Association – internationaler

Bienenforschungsverband). Das Zentrum für Bienenfor-

schung der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posi-

eux ALP ist an der Studie massgeblich beteiligt.

09.02.2010 / ACW Ein amerikanischer Reben-Schädling ist im Tessin angekommenDie aus Nordamerika stammende Rebenminiermotte

Phyllocnistis vitegenella hat unsere Grenzen überschrit-

ten und ist 2009 in den Tessiner Rebbergen des Mendri-

siotto beobachtet worden. Es handelt sich um einen

Kleinfalter, dessen Raupen Miniergänge in den Blättern

bohren. Der Schädling ist wahrscheinlich von Italien her

in unsere Regionen eingewandert. In Europa wurde er

zum ersten Mal 1994 in Venetien (Italien) gemeldet. Er

kommt heute in verschiedenen Gegenden Nordostitali-

ens vor. 2004 wurde er in Slowenien und 2008 in Südita-

lien (Apulien) nachgewiesen. Die Forschungsanstalt Ag-

roscope Changins-Wädenswil ACW wird die Entwick-

lung des Schädlings verfolgen, um seine eigentliche

Schädlichkeit im Tessiner Umfeld zu ermitteln.

04.02.2010 / ART Dünger für den Klimawandel Neben Strassenverkehr, Gewerbe und Industrie trägt

auch die Landwirtschaft zur Emission von Treibhaus-

gasen und damit zum Klimawandel bei. Im Fokus einer

internationalen Konferenz in Solothurn stand die Dün-

gung von Äckern und Wiesen mit Stickstoff.

03.02.2010 / ACWSpirituosenbranche setzt sich die Krone aufDie Vereinigung von fünf Organisationen der Schweizer

Spirituosenbranche ist zustande gekommen: Die neue

Distisuisse wurde gegründet – dank der Vermittlung der

Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil

ACW, der Eidgenössischen Alkoholverwaltung EAV so-

wie der Plattform DARF (Destillate Agroscope Régie

Fédérale des alcools). Die Vision: Die Bündelung der

Kräfte zur Eroberung von Marktanteilen mit qualitativ

hochwertigen Edelbränden aus der Schweiz und Liech-

tenstein.

02.02.2010 / ALP Futtermittelkontrollen im Dienste gesunder LebensmittelDie Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP

hat den Auftrag, alle in den Handel gebrachten Futter-

mittel für Heim- und Nutztiere zu kontrollieren. Damit

stellt sie die erste Kontrollinstanz in der Lebensmittel-

kette dar. 2009 hat sie 1727 Proben erhoben und analy-

siert. Die Anzahl beanstandeter Proben lag im Bereich

des Vorjahrs.

M e d i e n m i t t e i l u n g e n

Page 35: Heft 3 2010

123Agrarforschung Schweiz 1 (3): 119–123, 2010

V e r a n s t a l t u n g e n

März 2010

19.3.2010ART-TagungAgroscope Teckenholz-Tänikon ARTReckenholz, Zürich

April 2010

15.4.2010Vergleich von FutterbewertungssystemenAgroscope Liebefeld-Posieux ALPPosieux

22.4.20105. BioforschungstagungAgroscope Liebefeld-Posieux ALPPosieux

22.4.2010Zustand der Biodiversität in der SchweizAgroscope Reckenholz-Tänikon ARTReckenholz, Zürich

30.4.20105. Jahrestagung Netzwerkpferdeforschung SchweizSchweizerisches Nationalgestüt SNGAvenches

Mai 2010

05. – 06.05.201010. Tagung – Landtechnik im AlpenraumAgroscope Reckenholz-Tänikon ART, Feldkrich, Österreich

06.05.2010Landwirtschaftliche und veterinärmedizinische Tierernährungsforschung im VerbundALP, ETHZ, Vetsuisse-Fakultäten Universitäten Zürich und Bern ETH Zürich

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen und www.an.ipas.ethz.ch

Juni 2010

03.06. – 05.06.2010IGN-Tagung 2010: Internationale Gesellschaft für NutztierhaltungAgroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, Ettenhausen

18.06. – 20.06.2010Tage der offenen Tür 2010Agroscope Changins-Wädenswil ACWChangins, Nyon

Aktuell

N e u e I n t e r n e t l i n k s

Informationen zur Kälberforschung und zur Gesundheit von Milchkühen

www.calfnotes.com

Diese Webseite bietet aktuelle Informationen bezüglich

der neusten Forschungsresultate über Kälber und ihre

Bedeutung für die Praxis. CalfNotes ist eine amerikani-

sche Website. Alle Informationen werden ausschliesslich

in Englisch angeboten.

www.portal-rind.de

Interessante Artikel zur Gesundheit von Milchkühen fin-

det man auf der deutschen Website Portal-rind.de.

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

April 2010 / Heft 4

• Vogelgefährdung durch Pflanzenschutzmittel?

Risikoprognosemodelle und Monitoring,

M. Gandolfi ACW

• Kaltvernebelung – Stärken und Schwächen eines

Applikationsverfahrens für Pflanzenschutzmittel

in Gewächshäusern, J. Ruegg ACW

• Eignung verschiedener Holsteinlinien für

die Kälbermast, N. Roth und P. Kunz SHL

• Bio-Landbau Schweiz – wer sind Aus-,

wer sind Einsteigende? A. Ferjani ART

• Tagung Netzwerk Pferdeforschung, D. Burger SNG

Die Gruppe Ökotoxikologie der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW prüft, ob und wie Pflanzen und Tiere mit einem Pflanzenschutzmittel in Kontakt kommen können, und ob sie dadurch gefährdet sind oder nicht. (Foto: Markus Jenny)

V o r s c h a u

Page 36: Heft 3 2010

Aktuelles zum BiorindIm Zentrum steht das Rindvieh im Biolandbau. Aktuelle For-schungsresultate zum Futterbau, zur Rindviehzucht, zur Tierge-sundheit und zur Produktqualität werden vorgestellt.

OrtForschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALPRte de la Tioleyre 4Postfach 64CH -1725 Posieux

Programm und Anmeldungwww.agroscope.admin.ch (Veranstaltungen: 5. Bioforschungs-tagung)

VeranstalterAgroscope und FiBL

Stations de rechercheAgroscope Changins-Wädenswil ACWAgroscope Liebefeld-Posieux ALPAgroscope Reckenholz-Tänikon ART

Schweizerische EidgenossenschaftConfédération suisseConfederazione SvizzeraConfederaziun svizra

22. April 2010

5.Bioforschungstagung

5_journée_information_recherche_bio_2010_V2_De.indd 1 25.01.2010 15:28:00