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www.medi-learn.de 11 3 3.5 Direktive und non-direktive Gesprächsführung 3.5.1 Direktiver Gesprächsstil Als direktiven Gesprächsstil bezeichnet man Gespräche mit dominantem Gesprächsverhalten des Arz- tes (Arzt stellt Fragen, Patient antwortet), eingeschränkten Äußerungsmöglichkeiten des Patienten. Vorteil dabei ist der rasche Informationsge- winn, Nachteile sind das Risiko diagnostischer Einengung und Probleme beim Aufbau einer guten Arzt-Patient-Beziehung. 3.5.2 Non-direktiver Gesprächsstil Der non-direktive Gesprächsstil geht auf Tech- niken der Gesprächspsychotherapie nach Carl Rogers zurück. Ziel der Gesprächspsychothera- pie ist die Selbstverwirklichung des Patienten, die der Therapeut durch Gespräche unterstützt. Nach Rogers kommt es dabei auf folgende As- pekte der Gesprächsführung an: positive, bedingungslose Wertschätzung des Patienten: Der Arzt/Therapeut soll dem Patienten gegenüber zeigen, dass er ihn als Menschen schätzt, vollkommen unabhän- gig davon, was dieser getan hat. Echtheit/Selbstkongruenz: Der Arzt/The- rapeut soll sich dem Patienten gegenüber ehrlich verhalten, also seine Gefühle diesem gegenüber (z. B. Ärger) nicht verstecken. Empathie (einfühlendes Verstehen): Der Arzt/Therapeut soll sich in die Situation des Patienten hineinversetzen und versuchen, dessen Gefühle zu verstehen. Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhal- te: Der Arzt/Therapeut soll den Patienten darin unterstützen, über seine Gefühle zu sprechen. Non-direktive Gesprächsführung wird auch als klientenzentriert oder patientenzentriert be- zeichnet. Merke! se des anderen ein. Asymmetrische Kontin- genz findet man beim direktiven Gesprächs- stil (s. Kapitel 3.5). Bei asymmetrischer Kontingenz treten häufig ausweichende Gesprächsstrategien auf. Bei- spielsweise stellt ein Patient die Frage „Warum verbessert sich mein Zustand nicht, obwohl ich doch alle Anweisungen befolge?“, die vom Arzt jedoch nicht oder nicht richtig beantwortet wird. Zu diesen ausweichenden Gesprächsstrategi- en gehören: Der Adressatenwechsel = Arzt wendet sich z. B. der Schwester zu, statt dem Patienten zu antworten. Beziehungskommentare = Statt inhaltlich auf die Frage des Patienten einzugehen, kommentiert der Arzt die Art der Frage- stellung. Beispiel: „Wenn Sie mir Vorwürfe machen, werden Ihre Schmerzen auch nicht besser.“ Die Mitteilung funktionaler Unsicherheit. Beispiel: „Nun lassen Sie uns erst mal die Untersuchung beenden, statt zu spekulie- ren.“ Themenwechsel. Beispiel: „Wie sieht es denn mit der Verträglichkeit der Medika- mente aus?“ 3.5 Direktive und non-direktive Gesprächsführung Arzt-Patient-Gespräche können unterschied- lich stark vom Arzt gelenkt werden. Übrigens … Asymmetrische Kontingenz und asym- metrische Kommunikation bezeich- nen dieselbe Gesprächssituation. Ein Beispiel hierfür ist die Visite im Kran- kenhaus: Die Mehrzahl der Sätze wird vom Arzt gesprochen, der Patient stellt durchschnittlich pro Visite nur eine einzige Frage.

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3.5 Direktive und non-direktive Gesprächsführung

3.5.1 Direktiver Gesprächsstil

Als direktiven Gesprächsstil bezeichnet man Gespräche mit – dominantem Gesprächsverhalten des Arz-

tes (Arzt stellt Fragen, Patient antwortet), – eingeschränkten Äußerungsmöglichkeiten

des Patienten.Vorteil dabei ist der rasche Informationsge-winn, Nachteile sind das Risiko diagnostischer Einengung und Probleme beim Aufbau einer guten Arzt-Patient-Beziehung.

3.5.2 Non-direktiver Gesprächsstil

Der non-direktive Gesprächsstil geht auf Tech-niken der Gesprächspsychotherapie nach Carl Rogers zurück. Ziel der Gesprächspsychothera-pie ist die Selbstverwirklichung des Patienten, die der Therapeut durch Gespräche unterstützt.

Nach Rogers kommt es dabei auf folgende As-pekte der Gesprächsführung an: – positive, bedingungslose Wertschätzung

des Patienten: Der Arzt/Therapeut soll dem Patienten gegenüber zeigen, dass er ihn als Menschen schätzt, vollkommen unabhän-gig davon, was dieser getan hat.

– Echtheit/Selbstkongruenz: Der Arzt/The-rapeut soll sich dem Patienten gegenüber ehrlich verhalten, also seine Gefühle diesem gegenüber (z. B. Ärger) nicht verstecken.

– Empathie (einfühlendes Verstehen): Der Arzt/Therapeut soll sich in die Situation des Patienten hineinversetzen und versuchen, dessen Gefühle zu verstehen.

– Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhal-te: Der Arzt/Therapeut soll den Patienten darin unterstützen, über seine Gefühle zu sprechen.

Non-direktive Gesprächsführung wird auch als klientenzentriert oder patientenzentriert be-zeichnet.

Merke!

se des anderen ein. Asymmetrische Kontin-genz findet man beim direktiven Gesprächs-stil (s. Kapitel 3.5).

Bei asymmetrischer Kontingenz treten häufig ausweichende Gesprächsstrategien auf. Bei-spielsweise stellt ein Patient die Frage „Warum verbessert sich mein Zustand nicht, obwohl ich doch alle Anweisungen befolge?“, die vom Arzt jedoch nicht oder nicht richtig beantwortet wird.Zu diesen ausweichenden Gesprächsstrategi-en gehören: – Der Adressatenwechsel = Arzt wendet sich

z. B. der Schwester zu, statt dem Patienten zu antworten.

– Beziehungskommentare = Statt inhaltlich auf die Frage des Patienten einzugehen, kommentiert der Arzt die Art der Frage-stellung. Beispiel: „Wenn Sie mir Vorwürfe machen, werden Ihre Schmerzen auch nicht besser.“

– Die Mitteilung funktionaler Unsicherheit. Beispiel: „Nun lassen Sie uns erst mal die Untersuchung beenden, statt zu spekulie-ren.“

– Themenwechsel. Beispiel: „Wie sieht es denn mit der Verträglichkeit der Medika-mente aus?“

3.5 Direktive und non-direktive Gesprächsführung

Arzt-Patient-Gespräche können unterschied-lich stark vom Arzt gelenkt werden.

Übrigens …Asymmetrische Kontingenz und asym-metrische Kommunikation bezeich-nen dieselbe Gesprächssituation. Ein Beispiel hierfür ist die Visite im Kran-kenhaus: Die Mehrzahl der Sätze wird vom Arzt gesprochen, der Patient stellt durchschnittlich pro Visite nur eine einzige Frage.