24
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee des mündigen Patienten Dr. Stefan Etgeton Bremen, 26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee des mündigen Patienten Dr. Stefan Etgeton

Bremen, 26. Oktober 2012

Page 2: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

DER MÜNDIGKEIT

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 2

Page 3: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

26. Oktober 2012 Seite 3

Mündigkeit als regulative Idee

„Es ist nicht genug, daß wir unserem Willen, es sei aus welchem Grunde, Freiheit zuschreiben, wenn wir nicht ebendieselbe auch allen vernünftigen Wesen beizulegen hinreichenden Grund haben ... Ich sage nun: ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum in praktischer Rücksicht wirklich frei“.

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Immanuel Kant

Page 4: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

26. Oktober 2012 Seite 4

Das spekulative Sein der Freiheit

„Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck und Gegenstand die Freiheit ist, spekulativ ist, so ist diese Idee selbst als solche die Wirklichkeit der Menschen, nicht die sie darum haben, sondern [die] sie sind. … Es ist dies Wollen der Frei-heit nicht mehr ein Trieb, der seine Befriedigung fordert, sondern der Charakter, – das zum trieblosen Sein gewordene geistige Bewußtsein.“

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Page 5: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

26. Oktober 2012 Seite 5

Repressive Mündigkeitszumutung

„Freiheit ist einzig in bestimmter Negation zu fassen, gemäß der konkreten Gestalt von Unfreiheit. Positiv wird sie zum Als ob. … Gesellschaftlicher Nachdruck auf Freiheit als einem Existenten koaliert mit ungeminderter Unterdrückung.“

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Theodor W. Adorno

Page 6: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

DIE IDEE DES MÜNDIGEN PATIENTEN, VERSICHERTEN, KUNDEN

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 6

Page 7: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Nutzerrollen im Gesundheitswesen

Patient/in Versicherte/r Kunde/Kundin Motivlage

akute / chronische Bedürftigkeit

umfassende Risi-koabsicherung

Anbieterwechsel, Gesundheitsmarkt

Status asymmetrisches Verhältnis zum/r Behandler/in

Mitgliedschaft in der jeweiligen Krankenkasse

Vertragsver-hältnis auf Augenhöhe

Wahl-optionen

freie Arztwahl, qualifizierte Therapiefreiheit

Kassenwahl, Wahltarif, Zusatz-versicherung

freie Anbieter-wahl, volle Therapiefreiheit

30. Septermber 2011 Seite 7

„Versorgung verbessern - Patienten informieren“

Page 8: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Versicherte als Kunden – Krankenkassenwechsel

26,1%

6,0%

67,9%

Ja, schon einmal

Ja, schon zweimal oder öfter

Nein

Haben Sie seit 1996 die Krankenkasse gewechselt?

Gesundheitsmonitor 2012 (n = 1.772)

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 8

Page 9: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Zusatzbeitrag als Anreiz zum Kassenwechsel

7,2%

92,8%

Ja

Nein

Haben Sie im Jahr 2010 wegen eines Zusatzbeitrages die Krankenkasse gewechselt?

Gesundheitsmonitor 2012 (n = 1.772)

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 9

Page 10: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Potenzial für Kassenwettbewerb

0,5%

5,4%

94,0%

Ja, auf jeden Fall

Ja, wenn das Angebot stimmt

Nein

Beabsichtigen Sie in nächster Zeit die Krankenkasse zu wechseln?

Gesundheitsmonitor 2012 (n = 1.772)

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 10

Page 11: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

EXKURS: DER „MÜNDIGE“ VERBRAUCHER

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 11

Page 12: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Mündigkeitskonzepte in der Ökonomie

Klassische Ökonomie: homo oeconomicus consumens

Utilitaristische Zielsetzung = individueller Vorteil (Nutzenmaximierung) Überschaubarkeit der

Marktbedingungen (Transparenz als Nebenbedingung) Uneingeschränkt rationales

Verhalten (Rationalprinzip als Verhaltensfiktion)

Verhaltensökonomie: Konsum zwischen Vertrauen & Kontrolle

Hedonistische Zielsetzung = persönlicher Genuss („no risk no fun“) informational overload: neue

Unübersichtlichkeit in übersättigten Märkten bounded rationality: Dominanz

der Erfahrungs- und Vertrauensgüter

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 12

Page 13: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Die Patientenposition im Spannungsfeld zwischen …

…Urvertrauen und Erfahrung und guter Glaube Kompetenzübertragung für das

Behandlungsgeschehen Delegation von (Eigen-)

Verantwortung an Professionelle Qualitätsprozesse im Hintergrund

(Qualitätsmanagement) lebensweltlich: Familie

… Mündigkeit kritische Prüfung autonome Entscheidung über

Diagnose und/oder Therapie Übernahme der Verantwortung für

die Entscheidungsfolgen Nutzer als Schiedsrichter im Quali-

tätswettbewerb (Transparenz) systemisch: Markt

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 13

Page 14: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Auswahl der Anbieter von Gesundheitsinformationen

31,0% 28,9%

25,5% 22,0%

12,3% 11,7% 9,6%

6,3% 4,0%

2,8% 1,2%

0,4% 1,5%

Kostenlose Apotheken-Zeitschriften

Krankenkassen-Zeitschriften

Tageszeitungen

Arzt (beim Arzt persönlich oder über Material in der…

Fernsehsendungen, Radio

Internet: spezielle Gesundheits-Seiten und Portale

(Fach-) Bücher, Lexika

Wochen-Zeitschriften (z. B. Stern, Spiegel, Focus, Zeit)

Krankenkasse (Internetportal, Anruf)

Internet: Gesundheitsseiten großer Zeitungen,…

Patientenverbände, Selbsthilfegruppen

Call Center, Telefonberatung

Sonstige Quellen

Genutzte Informationsquellen nach Häufigkeit Gesundheitsmonitor 2010 (n = 1.789)

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 14

Page 15: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Glaubwürdiger Absender von Information

25%

16%

16%

16%

9%

2%

2%

12%

Verbraucherschutz

Patientenberatung

Krankenkasse

Ärzteverband

staatl. Einrichtung

wisssenschaftl. Institut

Selbsthilfe

Keiner

Wer soll über Ärzte informieren? Gesundheitsmonitor 2006 (n = 1.572)

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 15

Page 16: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Relevanz von Qualitätsinformationsbedarf für Patienten

87,7%

86,1%

80,4%

72,1%

59,3%

37,6%

23,0%

10,5%

Behandlungshäufigkeit

Ärztequalifikation

Patientenerfahrungen

Komplikationen

Personelle Ausstattung

Behandlungsanteil

Trägerschaft

Bettenzahl

Welche Informationen helfen bei der Kliniksuche? Gesundheitsmonitor 2010 (n = 1.233)

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 16

Page 17: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Mündigkeit im Arzt-Patient-Verhältnis

83,0%

14,7%

1,8%

0,5%

Nein, ich würde nicht darüber hinweggehen

Ich würde vielleicht darüber hinweggehen

Ja, ich würde darüber hinweggehen

Keine Angabe

Reaktion auf unverständliche Aufklärung durch den Arzt / die Ärztin

Gesundheitsmonitor 2010 (n = 1.789)

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 17

Page 18: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Patientenrechte und Patient-Arzt-Verhältnis

36,9%

52,3%

9,6%

1,1%

Nein

Teils / teils

Ja

Keine Angabe

Bestehen auf Patientenrechten stört das Vertrauensverhältnis zum Arzt aus

Gesundheitsmonitor 2010 (n = 1.789)

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 18

Page 19: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Patientenrechte und Behandlungsverhältnis

50,1%

37,9%

10,0%

2,1%

Nein

Teils / teils

Ja

Keine Angabe

Bestehen auf Patientenrechten wirkt sich negativ auf die ärztliche Behandlung aus

Gesundheitsmonitor 2010 (n = 1.789)

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 19

Page 20: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

26. Oktober 2012 Seite 20

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Vertrauen mit existenziellem Risiko

Page 21: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

Vom Paternalismus zur geteilten Verantwortung

Vertrauen zum Arzt ergibt sich nicht mehr automatisch aus der Funktion („weißer Kittel“), sondern muss erworben, verdient und gerechtfertigt werden durch:

- Erfahrung: eigene oder vermittelte (z.B. Bewertungsportale)

- Transparenz: objektiv, unabhängig, vergleichend (z.B. Qualitätsberichte)

- Anerkennung der eigenen Grenzen (Abschied vom „Halbgott“)

Partnerschaft setzt Mitarbeit des Patienten voraus

- eigenständige Informationsbeschaffung

- Beteiligung an Behandlungsentscheidungen (SDM)

- Anerkennung und Transparenz über die eigenen Grenzen (Adhärenz)

Patient und Arzt nehmen gemeinsam Systemverantwortung wahr

- gemeinsames Interesse an Qualität und Wirtschaftlichkeit der Behandlung

- Partizipation auch auf der Systemebene

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 21

Page 22: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

DIE IDEE

26. Oktober 2012

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Seite 22

Page 23: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

26. Oktober 2012 Seite 23

Die „Idee“ in ihrem „regulativen Gebrauch“ „eine Idee (focus imaginarius)“ ist „eigentlich nur ein heuristischer und nicht ostensiver Begriff, und zeigt an, nicht wie ein Gegen-stand beschaffen ist, sondern wie wir, unter der Leitung desselben, die Beschaffenheit und Verknüp-fung der Gegenstände der Erfahrung überhaupt suchen sollen.“

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Immanuel Kant

Page 24: 4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee ...Das spekulative Sein der Freiheit „Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck

26. Oktober 2012 Seite 24

Die „Idee“ als Einheit von Begriff und Wirklichkeit „die Idee … ist … nicht nur als ein Ziel zu betrachten, dem sich anzu-nähern sei, das aber selbst immer eine Art von Jenseits bleibe... Der Gegenstand, die objektive und sub-jektive Welt überhaupt sollen mit der Idee nicht bloß kongruieren, sondern sie sind selbst die Kongruenz des Begriffs und der Realität; diejenige Realität, welche dem Begriffe nicht entspricht, ist bloße Erscheinung, das Subjektive, Zufällige, Willkür-liche, das nicht die Wahrheit ist. “

4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft

Georg Wilhelm Friedrich Hegel