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Kurs 3424 – Arbeitspsychologie 1 5 Wirkungen und Folgen von Arbeit und psychischer Arbeitsbeanspruchung Arbeit verändert Mensch und Umwelt Positive Effekte durch Arbeit selten genutzt gerade positive Folgen können Hinweise auf eine humanorientierte Arbeitsgestaltung geben Positive und negative Wirkungen von Arbeitsbeanspruchung (Merksatz!) die arbeitspsychologische Terminologie „Beanspruchung“ und „Beanspruchungsfolgen“ sind nicht negativ, sondern neutral zu verstehen sie können sowohl positive (gesundheitsförderliche, persönlichkeitsförderliche) Ausprägungen haben als auch negative (Fehlbeanspruchungen, Stress und Burnout etc.) Wirkung von Arbeitsbeanspruchung ist im Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie Ressourcen und anderen gesundheitsförderlichen Bedingungen abhängig. steht in komplexer Beziehung mit anderen Lebens- und Tätigkeitsbereichen 5.1 Gesundheit WHO - Herstellung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen Gesundheit = die Fähigkeit und Motivation, ein wirtschaftlich und sozial aktives Leben zu führen Problem: sehr personalistisch orientiert Gesundheit umfasst körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden Gesundheitsförderung = allen Menschen in höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen (WHO) Gesundheitsförderung schafft sichere, anregende, befriedigende und angenehme Arbeits- und Leistungsbedingungen. Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein (WHO) Projekte der betrieblichen Gesundheitsförderung von den Krankenkassen und Berufsgenossenschaften initiiert

5 Wirkungen und Folgen von Arbeit und psychischer ... · „Appraisal“ ist für Lazarus das zentrale Konstrukt mit Coping und Ressourcen befassen sich schwerpunktmäßig andere

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Kurs 3424 – Arbeitspsychologie

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5 Wirkungen und Folgen von Arbeit und psychischer Arbeitsbeanspruchung

� Arbeit verändert Mensch und Umwelt

� Positive Effekte durch Arbeit selten genutzt

� gerade positive Folgen können Hinweise auf eine humanorientierte Arbeitsgestaltung geben

Positive und negative Wirkungen von Arbeitsbeanspruchung (Merksatz!)

� die arbeitspsychologische Terminologie „Beanspruchung“ und „Beanspruchungsfolgen“ sind nicht negativ, sondern neutral zu verstehen

� sie können sowohl positive (gesundheitsförderliche, persönlichkeitsförderliche) Ausprägungen haben als auch negative (Fehlbeanspruchungen, Stress und Burnout etc.)

� Wirkung von Arbeitsbeanspruchung ist im Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie Ressourcen und anderen gesundheitsförderlichen Bedingungen abhängig.

� steht in komplexer Beziehung mit anderen Lebens- und Tätigkeitsbereichen

5.1 Gesundheit

WHO - Herstellung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen

Gesundheit = die Fähigkeit und Motivation, ein wirtschaftlich und sozial aktives Leben zu führen

� Problem: sehr personalistisch orientiert

Gesundheit umfasst körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden

Gesundheitsförderung = allen Menschen in höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen (WHO)

Gesundheitsförderung schafft sichere, anregende, befriedigende und angenehme Arbeits- und Leistungsbedingungen.

Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein (WHO)

Projekte der betrieblichen Gesundheitsförderung von den Krankenkassen und Berufsgenossenschaften initiiert

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Beziehungen zwischen Arbeitsbedingungen als Ursachen und Folgen wie Stress- und Beanspruchungsreaktionen und deren langfristige Folgen

Betriebliche Gesundheitsförderung = ein Zweig der arbeitspsychologischen praxisorientierten Forschung

Strategien der Prävention

� haben nicht nur die Verhinderung von Krankheit zum Ziel, sondern die Herstellung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen

� Berücksichtigung des Verhaltens des einzelnen Mitarbeiters und der Verhältnisse des Betriebs

Präventionsaufgaben gesetzlich verankert

� Arbeitsschutzgesetz

� Betriebsverfassungsgesetz

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5.1.1 Fehlbeanspruchungen

Psychische Belastungen führen erst im Zusammentreffen mit den individuellen Leistungsvoraussetzungen zur Beanspruchung

� identische Belastungen können zu unterschiedlichen Beanspruchungen führen

� unterschiedliche Belastungen können zu gleichen Beanspruchungen führen

Fehlbeanspruchungen (Def.)

= Beanspruchungen, die sich aus einer Diskrepanz zwischen den individuellen Leistungsvoraussetzungen und den durch die Arbeitsaufgabe und den objektiven Ausführungsbedingungen (Arbeitsbedingungen) resultierenden Anforderungen ergeben

� Diskrepanz kann Lernprozesse auslosen � dann u.U. persönlichkeitsförderlich

� Diskrepanz zu hoch � dann eher (gesundheits-)schädlich

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Fehlbeanspruchungen nach Richter (1998)

� Beanspruchungsformen sind aus der handlungsregulationstheoretischen Tradition beschrieben worden!

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Differenzierungsmerkmale unterschiedlicher Formen der psychischen Fehlbeanspruchung

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Übung:

1. Als was wird im Kontext von Fehlbeanspruchungen ein Zustand gesteigerter Gereiztheit,

unlustbetonter Spannungen und Widerwillen gegenüber der Fortsetzung einer spezifischen

Arbeitstätigkeit bezeichnet?

(a) Psychische Ermüdung.

(b) Reaktanz.

(c) Vigilanz.

(d) Psychische Sättigung.

5.1.2 Stress, Stressfolgen und Burnout

Das transaktionale Stressmodell von Lazarus

Reizorientierte Stressmodelle

� Fokus auf den stressauslösenden Bedingungen bzw. Reizen (Stressoren)

� Stressoren entsprechen den Belastungen im Belastungs-Beanspruchungs-Konzept

Reaktionsorientierte Stressmodelle, Selyes AAS

� Fokus auf individuellen Stressreaktionen

� postuliert wird eine unspezifische Reaktion des Organismus, die unabhängig von den auslösenden Situationen sei

� Allgemeines Adaptationssyndrom (Selye)

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Das Stressmodell von Lazarus

���� problemlösungsorientiertes und emotionsorientiertes Coping empirisch gut belegt

� „Appraisal“ ist für Lazarus das zentrale Konstrukt

� mit Coping und Ressourcen befassen sich schwerpunktmäßig andere Theorien / Forscher

Kosten von Stress

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Stressauslöser

� Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Umwelt und den Bewältigungsmöglichkeiten der Person

� Kontrollverlust vs. wahrgenommene Kontrollmöglichkeiten � abhängig vom Entscheidungs- und Kontrollspielraum

Familienrollen durch hohe Anforderungen bei gleichzeitig niedriger Kontrolle gekennzeichnet - nach Karasek hoch stressreich

� Beispiel arbeitsbezogener vs. familienbezogener Stress:

� Arbeit mildert die Effekte von Ehestress, wohingegen Elternschaft die Auswirkungen von arbeitsbezogenem Stress verschlimmert

Life Experience Survey (LES)

� Erfassung allgemeiner Stressoren im Lebenskontext

ABER: solche Stressor-orientierten Verfahren sind umstritten, weil sie das komplexe transaktionale Geschehen nicht mit einbeziehen und auch die „daily hassles“ nicht berücksichtigen

Stressoren im organisationalen Leben

Intuitiv sinnvolle Kategorien, aber ohne theoretische Fundierung (nach Sonnentag & Frese, 2003):

� Physical stressors

� Task-related job stressors

� Role stressors, social stressors, work-schedule-related stressors

� Career-related stressors

� Traumatic events

� Stressful change process

oder nach rollentheoretischem Ansatz (Katz & Kahn)

� role overload

� role conflict

� role ambiguity

oder nach handlungsregulatorischem Ansatz

� Stress aus Regulationsanforderungen

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Stressreaktionen und Stressfolgen Beispiele für Beanspruchungsfolgen bzw. Stressreaktionen (Udris & Frese, 1999)

Stressreaktionen sind nicht auf den Bereich begrenzt, in dem sie entstanden sind!

� spillover-Effekte von der Arbeit in die Freizeit und vice versa

� sinnvoll: Total-workload-Ansatz

� während Männer sich nach der Arbeit zu Hause erholen, steigt der Stress bei den Frauen weiter an

Weitere stresstheoretische Ansätze

Die Beziehung zwischen Arbeitsbedingungen und Stressreaktionen: 4 theoretische Modelle

� P-E-Fit-Theory (Harrison, 1978)

� Effort-Reward-Imbalance-Modell = Modell beruflicher Gratifikationskrisen (Siegrist, 1996)

� Job Strain Model = Demands-Control-Model (Karasek, 1979, 1990)

� Vitamin-Modell (Warr, 1987)

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Pathogene Trias

= gleichzeitiges Auftreten folgender Merkmale:

� hoher Arbeitsintensität

� niedriger Handlungsspielraum

� geringe soziale Unterstützung

Widerstand gegen Veränderung als Stressreaktion

� Stress als Wiederanpassungsaufwand durch Ereignisse, die z.B. auch die eigenen Ressourcen bedrohen

Stressauslösende Arbeitsbedingungen stehen in negativem Zusammenhang mit Arbeitsleistung

� Stressoren, insbes. Rollenambiguität und situationale Beschränkungen wirken sich nicht nur auf die Gesundheit aus, sondern auch negativ auf die Arbeitsleistung

� Meta-Analyse von Gilboa et al. (2008)

Methoden zur Erfassung der psychophysischen Beanspruchung, z.B.

� Skala „Irritation“ von Mohr et al. (2005) � subjektiv wahrgenommene emotionale und kognitive Beanspruchungen (8 Items)

� Kurzfragebogen zur Erfassung des Gesundheitszustands von Bullinger & Kirchberger (1998) = SF-12 bzw. SF-36 � erhebt psychische und körperliche Gesundheit

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Burnout = Syndrom emotionaler Erschöpfung, Depersonalisation und persönliche Leistungsrestriktionen

zumeist in interaktions-intensiven Arbeitstätigkeiten

� langfristige berufliche Beanspruchungen, die von Persönlichkeitsveränderungen bis zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen reichen

Messung von Burnout

� Maslach Burnout Inventory (MBI)

� Oldenburg Burnout Inventory (OBI) � 2 Dimensionen: exhaustion und disengagement

unbefriedigende Situation in der Burnout-Forschung

� Uneinigkeit, ob Burnout ein eigenständiges Syndrom ist oder ob nicht eher die Dimensionen des Burnouts als eigenständige Fehlbeanspruchungen zu betrachten sind

Burnout-Muster sind abhängig von Arbeitsbelastungsmustern in verschiedenen Berufsgruppen

� Studie von Scheuch & Seibt (2007) � Lehrer und Erzieher � arbeitsbedingte Faktoren wiesen eine stärkere Beziehung zu Burnout-Symptomen auf als persönlichkeitsbezogene Faktoren

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Stressbewältigung

Bewältigungsarten und Copingfunktionen nach Lazarus bzw. Lazarus & Folkman

� problemlösendes vs. emotionsregulierendes Coping

4 Bewältigungsarten:

� Suche nach Informationen

� direktes Handeln

� Unterlassung von Handlungen

� intrapsychisches Coping

Subjektive Intentionalität beim Coping stärker berücksichtigen!

4 Facetten bzw. Regulationsziele nach Schwarzer (2000)

� Regulation von Emotionen

� Lösung des zugrundeliegenden Problems

� Erhaltung des Selbstwerts

� Steuerung von sozialen Interaktionen

Schwierigkeit der Operationalisierung von „Erfolg“ bei der Stressbewältigung

� kurzfristige Bewältigung vs. langfristiger Wirkung

� Beurteilung des „Erfolgs“ durch wen: Selbst- vs. Fremdbeurteilung?

Messverfahren Stressbewältigung

� z.B. Stressverarbeitungsfragebogen (SVF) von Erdmann & Janke (2008) � erfasst 19 verschiedene Copingstrategien

Flexibilität in der Wahl der Bewältigungsstrategien

� Anpassung der Person an die Umweltbedingungen

� Anpassung der Umweltbedingungen durch und an die Person

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5.1.3 Ressourcen und andere gesundheitsförderliche Faktoren

Die Theorie der Ressourcenerhaltung (COR-Theorie) von Hobfoll � Gegenentwurf zum transaktionalen Konzept von Lazarus

� zentrales Konstrukt = Ressource

� multiaxiales Copingmodell

Annahmen

� tatsächlicher und drohender Ressourcenverlust ist immer stressreich, weil damit Copingkapazitäten eingeschränkt werden

� Individuum gestaltet seine Lebensumstände so, dass es seine eigene Integrität und die seiner Familie /sozialen Gruppe zu schützen versucht

Stress =

Reaktion auf die Umwelt, in der

� der Verlust von Ressourcen droht,

� der tatsächliche Verlust von Ressourcen eintritt oder

� der adäquate Zugewinn von Ressourcen nach einer Ressourceninvestition versagt bleibt.

Objektressourcen materielle Dinge

z.B. Kleidung, Auto, Haus

Bedingungsressourcen nicht-materielle Merkmale

z.B. Familienstand, Alter, Gesundheit, Arbeitsplatz

Persönliche Ressourcen Fähigkeiten und Eigenschaften der Person

z.B. soziale Kompetenzen, Selbstwirksamkeit

Energieressourcen sind beim Erwerb weiterer Ressourcen hilfreich

z.B. Zeit, Geld, Wissen

� jede Veränderung (z.B. durch kritische Lebensereignisse) kann unter dem Aspekt des Ressourcengewinns bzw- -verlusts bewertet werden

� individuelle Kosten-Nutzen-Bilanz beeinflusst das Stresserleben und das weitere Handeln

� Verlust von Ressourcen kann das Individuum vulnerabler machen � Verlustspirale � zunehmend mehr Ressourcen können verloren gehen

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Multiaxiales Copingmodell

= Einordnung von Copingstrategien auf 3 Dimensionen:

aktiv / passiv Ausmaß der Copingaktivitäten

prosozial / antisozial soziale Dimension

direkt / indirekt Direktheit

� Konsequenzen bestimmter Bewältigungsstrategien sind auch kulturabhängig!

Bewertung von Hobfolls COR-Theorie

� empirische Befundlage (noch) nicht so sehr aussagekräftig

� Potenzial im Bereich Work-Family-Conflict

� Kritik: eher Modell zur Erklärung sozialer Konflikte und Konfliktbewältigung (statt zur Erklärung von individuellem Stresserleben und Stressumgang)

Die salutogentische Perspektive � Lazarus pathogenetisch, Antonovsky salutogenetisch, Hacker sanogenetisch

Antonovsky

� es gibt keine spezifisch krankmachenden Stressoren

� die Art der Erkrankung wird von einer individuellen dispositionellen Vulnerabilität (=überdauernde Verletzlichkeit) bestimmt und nicht von dem Profil der belastenden Einflüsse

Bedeutung Salutogenese

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Salutogenese und Sense of Coherence (SOC): Antonovskys Perspektivenwechsel

Konzept von Öffentlichkeit angenommen, aber Forschung kritisiert Konstruktvalidität

� hohe negative Korrelationen mit Angst und Depressivität

Bedeutsame Korrelationen zwischen SOC und psychosomatischen Beschwerden

� also weniger ein allgemeiner Zusammenhang von SOC und Gesundheit, sondern tendenziell zu psychosomatischen Beschwerden, z.B. Schlafstörungen, Appetitmangel, Kopfschmerzen (Korrelationen um -.50)

Akzeptanz des Salutogenetischen Modells / Kohärenzgefühl in der wissenschaftlichen Forschung

� bislang nicht in größerem Umfang zur Kenntnis genommen

� weiterhin pathogenetische und defizitorientierte Sichtweise in vielen Studien

� SOC wird so gut wie gar nicht beforscht (schade!!!)

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Personale Ressourcen

Persönlichkeitsvariablen haben bedeutsamen Einfluss auf Gesundheitsverhalten der Mitarbeiter, z.B.

� Kontrollüberzeugungen

� Hardiness

� Selbstwirksamkeitserwartungen

� Kohärenzsinn

Erfassung z.B. mit AVEM (Schaarschmidt & Fischer, 2003)

� ist eine Art Persönlichkeitstypologie arbeitsbezogenen Bewältigungsverhaltens

Wechselwirkung personale – organisationale Ressourcen

= Beziehungen zwischen Situation und Person

� nicht nur personalistische Perspektive einnehmen!

Organisationale Ressourcen

Sanogenetische Perspektive

= Perspektive Hackers und der Handlungsregulationstheorie

� welche Bedingungen in der Arbeit erhalten die Menschen gesund?

Kurzfristige positive Beanspruchungsreaktionen und langfristige Beanspruchungsfolgen

Merkmale der Arbeitstätigkeit als organisationale Ressourcen

z.B.

� Handlungsspielraum, Autonomie etc. (siehe Kapitel 4)

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Gesundheitliche Beschwerden und Krankenstand in Abhängigkeit von der Vollständigkeit von Arbeitstätigkeiten

Person-Job-Fit

Flow bei angereicherten Aufgaben mit optimalem Anforderungs-Bewältigungs-Fit

Soziale Ressourcen � soziale Unterstützung spielt bedeutende Rolle

� Evidenz für die direkte gesundheitsförderliche Wirkung von sozialer Unterstützung (Meta-Analyse von Viswesvaran et al., 1999)

Matching-Hypothese (Dormann & Zapf, 1999)

� soziale Unterstützung ist nur dann hilfreich, wenn sie auf die speziellen Anforderungen der Belastungssituation abgestimmt ist!

� d.h. soziale Unterstützung muss nicht immer positive Wirkung haben � insbes. wenn vermehrte Abhängigkeiten entstehen, inadäquate Unterstützung gegeben wird oder Erwartungen an die Unterstützung enttäuscht werden � wirkt zusätzlich belastend!

Messung von sozialer Unterstützung

z.B. Skala „Soziale Unterstützung“ von Frese (1989): erfasst 3 Aspekte

� affektive Unterstützung, Bestätigung und Hilfe

� differenziert nach den Quellen Vorgesetzte, Kollegen und (Ehe-)Partner bzw. Freunde / Bekannte

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Fazit

� Ressourcenperspektive = wichtige Perspektive für Prävention und Förderung von Gesundheit

� Frage sollte nicht personalisiert werden

� Verhaltensprävention wird überbetont, Verhältnisprävention wird aufgrund der Komplexität des zu verändernden Systems zu wenig berücksichtigt

� personenbezogene versus organisationsbezogene Intervention stärker verzahnen

5.2 Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung

Folgen partialisierter Arbeit für Persönlichkeits- und Gesundheitsentwicklung

Befunde aus Längsschnittstudien:

� Entwicklung psychosomatischer Beschwerden

� Qualitätsverluste der Freizeit

Persönlichkeitsförderlichkeit / Kompetenzentwicklung

� Arbeitsort wird zum Lernort

� Theorie des arbeitsimmanenten Lernens = Arbeitssituation zentrales Mittel zur Kompetenzentwicklung und Formung der Persönlichkeit (Baitsch, 1980)

Längsschnittliche Designs erforderlich

5.3 Arbeit - Freizeit - Familie: Mensch-Arbeit-Beziehung

3 Aspekte:

� Work Life Balance (auch: Life Domain Balance)

� Geschlechtereinfluss

� Bedeutung der Erwerbslosigkeit

5.3.1 Work-life-balance und work-family-balance Zentrale Lebensbereiche= Arbeit, Freizeit und Familie

Generalisationshypothese

� Arbeit wirkt sich je nach Gestaltung positiv oder negativ auf das Privatleben aus

Kompensationshypothese

� negative Effekte durch die Arbeit können durch positive Erfahrungen im Privatleben kompensiert werden

Die beiden Hypothesen schließen sich nicht aus, generelle Wechselwirkung zwischen den Lebensbereichen wird nicht mehr bestritten!

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Problem: einheitlicher Theorierahmen liegt nicht vor, Methodik vielfach ungeeignet

� Schwierigkeiten, den dynamischen Prozess des „Balancierens“ abzubilden

� werden die Anforderungen aus der Umwelt in allen Lebensbereichen größer, wird der Raum für das autonome Handeln des ICH immer kleiner!

Theoretische Basis von Studien, die diese Wechselwirkungen untersuchen

� häufig COR-Theorie von Hobfoll, aber auch:

� Crossover-Theorie (Bakker et al. 2008)

� Job-Demand-Job-Control-Modell von Karasek

� untersucht werden verschiedene Formen der Arbeit-Familie-Interaktion

Definition Work Family Conflict

= a within-person across-domains transmission of demands and consequent strain from one area of life to another

� intrapersoneller Konflikt!

� kommt durch den Übertrag von Belastungen und Beanspruchungen aus einem Lebensbereich in einen anderen zustande

Positive und negative work-family interaction (WFI) und Burnout: A longitudinal study of reciprocal relations

� Längsschnittstudie von Innstrand et al. (2008), 2 Messzeitpunkte, 2-Jahres-Intervall

� über 2.000 Personen aus unterschiedlichen Berufgruppen

� Basis: COR-Theorie

3 kausale Modelle für WFI-Burnout-Beziehung

� normale Beziehung = WFI ist ursächlich für Burnout

� reverse Beziehung = WFI wird durch Burnout determiniert

� Wechselwirkungsbeziehung

Ergebnisse: ???

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Mehr unentgeltliche Hausarbeit als Erwerbsarbeit !

Quellen des Work Family Konflikts

� Zeitproblem

� Verhaltensweisen, die sich aus der Arbeitsrolle ergeben

Rollenproblematik und Geschlechterthematik

Struktur bei der Arbeit - Jonglieren in der Familie – Flüchten Eltern in die Erwerbsarbeit?

� Problem Familienarbeit: Mangel an Struktur, fehlende Grenzen, kaum Selbstwirksamkeit und Handlungskontrolle

� Vorteil Erwerbsarbeit: positive Herausforderungen, Eigenständigkeit, feste Strukturen, positives Feedback, Selbstachtung, soziale Beziehungen

Bietet Erwerbsarbeit Erholung von Familienarbeit?

� möglicherweise für Frauen

Taylorisierung der Familienarbeit?

� Hochschilds Studie als Beleg für Ambivalenz der neuen post-tayloristischen Arbeitsstrukturen für Familie und privaten Lebensbereich

� Selbstökonomisierung und Selbstbindung an Unternehmensziele zu Lasten der Familie

Deutschland hat zwar günstigere Zeitbedingungen als USA, aber die Schwächung der Attraktivität der Familie durch die gleichzeitige Attraktivierung der Erwerbsarbeit ist übertragbar

5.3.2 Geschlechterspezifische Unterschiede der Wirkungen und Folgen von Arbeit

Unterschiede Männer und Frauen basieren auf Forschungsverzerrung

� empirische Befunde werden verallgemeinert, auch wenn nur Daten zu Männern erhoben wurden

� bei Frauen werden häufiger Aspekte der privaten Lebenssituation und Personmerkmale berücksichtigt, Arbeitsbedingungen werden vernachlässigt

= „Gender Model“

Gender differences

� deutliche Unterschiede bei Männern und Frauen in der Erholungsphase

Das Modell der Entstehung psychophysiologischer Veränderungen auf Grund akuter

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Beanspruchungen durch ungünstige Arbeitsbedingungen nach Melin & Lundberg

Belastungs-Beanspruchungs-Kompensation oder Allokation durch Arbeit / Freizeit?

� beides

Sowohl Arbeitsbedingungen als auch Haushaltskontext beeinflussen die krankheitsbedingten Fehlzeiten von Männern wie von Frauen, allerdings in unterschiedlicher Form

Die anhand von Analysen des Soziökonomischen Panels (SOEP) gefundenen Ergebnisse von Beblo und Ortlieb (2005) weisen aus,

� dass sowohl für Frauen als für Männer die Arbeitsbedingung "wenig Belastungen" am bedeutendsten für geringere krankheitsbedingte Fehlzeiten ist.

� Für Frauen ist zudem die Variable "soziales Umfeld" wichtiger als die Bedingung "Autonomie".

� Bei Männern ist dies anders herum, dort hat die Autonomie neben den Belastungen die höchste Relevanz.

�Ausmaß an geleisteter Hausarbeit und Kinderbetreuung beeinflusst zwar die krankheitsbedingten Fehltage bei Männern, nicht aber bei Frauen.

Expansionist Theory von Barnett und Hyde

Rahmen für eine neu ausgerichtete Erforschung von Geschlechterunterschieden und -rollen und dem Verhältnis von Arbeitstätigkeit und Familie

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5.3.3 Arbeit, Erwerbslosigkeit und Nicht-Erwerbsarbeit

psychische Störungssymptome durch Arbeitslosigkeit verursacht

� Meta-Analyse von Paul & Moser (2001)

� psychisch belastete Menschen werden zudem leichter und länger arbeitslos

ABER: Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf psychische Gesundheit sind deutlich stärker als umgekehrt

Übung

1. Was ist mit Total-workload-Ansatz in der Beanspruchungsforschung gemeint?

(a) Neben den Zeiten der Erwerbsarbeit werden auch Zeiten der Arbeitstätigkeit im

Haushalts-/Familienkontext mit berücksichtigt.

(b) Neben den Zeiten der Erwerbsarbeit werden auch Freizeitaktivitäten mit

berücksichtigt.

(c) Zur Arbeitszeit werden die Fahrtzeiten zur Arbeitsstelle mit gerechnet.

(d) Zu den Arbeitszeiten werden die Erholungszeiten mit gerechnet.

2. Worauf legt Hobfoll im Unterschied zu Lazarus das Hauptaugenmerk in seiner Theorie?

(a) auf Coping-Prozesse

(b) auf Bewertungsprozesse

(c) auf Ressourcen

(d) auf Stressoren