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H 20781 | 62. Jahrgang | 01/2011 | www.asg-goe.de A G R A R S O Z I A L E G E S E L L S C H A F T E. V. Tierhaltung Welternährung ASG-Frühjahrstagung in Stralsund Interviews: Prof. Dr. Achim Spiller Dr. Dirk Ahner

A G R A R S O Z I A L E G E S E L L S C H A F ... - asg-goe.de · Martin Wille, StS. a. D., Vorsitzender der Agrarsozialen Gesellschaft e.V. „Klimaschutz ist eine Jahrhundertaufgabe

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H 20781 | 62. Jahrgang | 01/2011 | www.asg-goe.de

A G R A R S O Z I A L E G E S E L L S C H A F T E. V.

Tierhaltung

Welternährung

ASG-Frühjahrstagungin Stralsund

Interviews:Prof. Dr. Achim SpillerDr. Dirk Ahner

1 Am Rande notiert – ASG-Vorsitzender StS. a. D. Dr. Martin Wille2 LandSchau 2011: Personen, Politik, Projekte

- Ländlicher Raum erfordert und fördert Kooperation in sozialen Bereichen- Moderne Lebensmittelerzeugung soll ethisch korrekt sein- Bienen in Stadt und Land- Urbane und soziale Landwirtschaft- Tausche Bild gegen Film – die etwas andere Europareise

10 Ländliche Entwicklung ab 2014: Flexibler, einfacher und innovativer11 Programm der ASG-Frühjahrstagung 2011 in Stralsund12 Tagungsregion Stralsund, Nordvorpommern und Rügen

14 Neues von der agrarpolitischen Bühne: Déjà-vu16 SPD und IG BAU: Bessere Bedingungen für Landarbeiter/-innen

18 Interview mit Prof. Dr. Achim Spiller: Tierschutz – von Feindbildern Abstand nehmen23 Die Kuh ist kein Klima-Killer!26 Lernen auf dem Bauernhof als Bildung für nachhaltige Entwicklung28 Landwirtschaft im Kinderbuch29 Tiergestützte Pädagogik im Bauernhof-Kindergarten33 LSV in Bayern: Befragung 55plus

35 Die Liebe zum Auto gefährdet die Ernährungssicherheit39 Land Grabbing: Investoren im weltweiten Wettlauf um Ackerland

42 Interview mit Dr. Dirk Ahner: Die 2. Säule reicht nicht aus46 Einkommenskombination: AmVieh-Theater auf dem Schafdornerhof

48 Peter Bleser neuer Staatssekretär im BMELV48 Dr. Gerd Wesselmann 60 Jahre

48 Kritischer Agrarbericht 2011: Schwerpunkt Artenvielfalt48 Wege aus der Hungerkrise

Foto Titelseite: Kühe © Andi Taranczuk - Fotolia.com

ASG

Agrarpolitik

Landwirtschaft

Für Sie gelesen

Personalien

Ländlicher Raum

Welternährung

| ASG | Ländlicher Raum | 01/2011 |

Inhaltsverzeichnis

| ASG | Ländlicher Raum | 01/2011 |

Am Rande notiert 1

Alle wollen in die Zukunft blicken, auch und besonders – so scheint mir – zum Themaländlicher Raum. Aus „Unser Dorf soll schöner werden“ ist längst der Wettbewerb „UnserDorf hat Zukunft“ geworden. Auf der Grünen Woche wurden 2011 zum vierten Male Fragender ländlichen Entwicklung in einem „Zukunftsforum“ beraten. Diesjähriges Motto: „ZukunftLand“. Bereits 2008 startete Ministerin Aigner gemeinsam mit dem Landkreistag und demStädte- und Gemeindebund die Aktion „Unser Land. Hier wächst Zukunft“.

Im Freistaat Bayern hat sich in den letzten Wochen Erstaunliches getan. Ein von derStaatsregierung eingesetzter Zukunftsrat hat u. a. darüber nachgedacht, wie sich „dieMetropolregionen und die ländlichen Regionen in die Globalisierung einbinden (lassen)“.Die Analyse der Trends zeige, so der Rat, dass ein Weitermachen wie bisher für die Zukunftkeine Option sein könne. Notwendig sei, dass „potente Städte in der Fläche Bayerns zuüberregionalen Leistungszentren ausgebaut“ und dass „die unterschiedlich strukturiertenRegionen Bayerns entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit entwickelt werden“. Der Hinweisauf eine „Negativspirale in ländlichen Räumen“ und die Forderung nach „annähernd gleich-wertigen Arbeits- und Lebensbedingungen“ brachte dann bei einigen Politikern der Regie-rungs- und Oppositionsparteien das Fass zum Überlaufen. Von einer „Kriegserklärung anden ländlichen Raum“ wurde geredet. Die Empfehlungen, so die Süddeutsche Zeitung,erschüttern die CSU. Warum das? Hat man vergessen, dass der Bundesminister aus deneigenen Reihen kommt und dass Peter Ramsauer unwidersprochen Folgendes festgestellthat (Ländlicher Raum 04/2010): „Gleichwertige Lebensverhältnisse sind und bleiben unserZiel. Aber Gleichwertigkeit bedeutet natürlich nicht Gleichheit.“ Letztlich gehe es darum,„den Menschen überall im Lande eine angemessene Grundversorgung zu bieten“. Das warund ist eigentlich allgemeiner Konsens. Ist dann noch ein „Zukunftsrat ländlicher Raum“erforderlich, wie ihn Hans-Peter Friedrich forderte, als er noch CSU-Landesgruppenchefwar? Vielleicht überdenkt der neue Bundesinnenminister noch einmal seinen Vorschlag,wenn er jetzt gemeinsam mit Peter Ramsauer am Berliner Kabinettstisch sitzen wird.

Der ländliche Raum hat Zukunft, das klingt inzwischen wie eine Beschwörungsformel,die etwas überspielen soll. Nämlich dass in der Bevölkerung vieler Problemregionen mehrUnsicherheit und mehr Ängste bestehen, als viele Politiker wahrhaben bzw. zugebenwollen. Längst ist klar, dass sich in vielen Regionen Hoffnungen und Erwartungen nachErhaltung des Status quo, nach Absicherung der Besitzstände nicht realisieren lassen. Zugroß sind die Herausforderungen und Anpassungszwänge, die sich aus Megatrends wiedem Demografie- und Klimawandel, steigender Verschuldung, dem Streben nach Arten-vielfalt in der Landschaft oder besserer Umweltqualität ergeben.

Aber etwas liegt mir noch am Herzen: die Präsentation des Themas ländlicher Raumauf der Grünen Woche. Obwohl die Messe Berlin die Halle 21 b „LebensTraum Dorf“ eineErfolgsgeschichte nennt und diese fortschreiben möchte, ist keineswegs sicher, ob esgenügend Partner für eine Fortsetzung geben wird. Mein Appell an die bisherigen und allepotenziell in Frage kommenden Partner ist: Lasst uns weitermachen und parallel zur Dis-kussionsplattform des Zukunftsforums einen dauerhaften Hallentreffpunkt „LändlicherRaum“ einrichten. Wo sonst kann den Besuchern der Grünen Woche das Thema ländlicherRaum so lebensnah präsentiert werden? Wie sonst kann die Begeisterung der Menschenaus den Städten und Dörfern des ländlichen Raums aufgenommen und ihnen vermitteltwerden, dass der ländliche Raum in unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen eineZukunft hat?

Ihr

StS. a. D. Dr. Martin WilleVorsitzender des Vorstandes der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.

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LandSchau 2011:

Personen, Politik, ProjekteIn der von der ASG während der Internationalen Grünen Woche Berlin durchgeführten LandSchaustellten ländliche Akteure „ihre“ Regionen, Projekte und Produkte vor. Vertreter von Bundesländern,Kommunen und Verbänden sowie Experten aus Wissenschaft und Praxis diskutierten über aktuelleThemen aus Landwirtschaft, ländlichem Raum und Verbraucherschutz.

Ländlicher Raum erfordert und fördertKooperation in sozialen Bereichen

Die Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume(DVS) stellte auf der LandSchau-Bühne Projektevor, die auf der Zusammenarbeit zwischen Gemein-den und Regionen beruhen. In einer vom DeutschenLandkreistag (DLT) und der Agrarsozialen Gesell-schaft organisierten Gesprächsrunde ging es umKooperation zwecks Sicherung der medizinischenVersorgung im ländlichen Raum.

Vernetzte Jugendarbeit

Die AktivRegionen Südliches Nordfriesland undEider-Treene-Sorge haben Ende 2009 damit begon-nen, ihre Jugendarbeit gemeinsam zu entwickeln,um die Grundversorgung mit pädagogischen undFreizeit gestaltenden Angeboten in der dünn besie-delten Region zu gewährleisten, die Jugendlichenauf die Lebens- und Arbeitswelt vorzubereiten unddie Kompetenz der Akteure in der Kinder- undJugendarbeit zu verbessern. Ute Babbe, zuständigfür die Jugendarbeit in den Aktivregionen, stellteverschiedene Angebote vor. Eine Gelegenheit, dasLeben mit einem Baby realistisch zu erfahren, böten

computergesteuerte Babysimulatoren. Jeweils einWochenende hätten die Jugendlichen die Puppenzuhause, um das Verhalten und die Bedürfnisse ei-nes vier Wochen alten Babys kennenzulernen. Diegespeicherten Reaktionen würden gemeinsam mitden Mädchen ausgewertet. Ein ebenfalls Verant-wortungsbewusstsein und Selbstständigkeit fördern-des Projekt ist JiMs Bar (Jugendschutz im Mittel-punkt). In diesem werden die Jugendlichen zu Bar-keepern, die alkoholfreie Drinks mixen, ausgebildet,um mit Hilfe einer entleihbaren mobilen Cocktailbarbei Dorffesten und anderen Gelegenheiten einenalkoholfreien Treffpunkt für Jugendliche anzubieten.Im Rahmen des Projektes wird darüber hinaus invielen, überwiegend von den Jugendlichen selbstorganisierten Beteiligungsprojekten der Bedarf anOrten und Angeboten für einzelne Altersgruppen inden Gemeinden ermittelt.

Alt werden zu Hause

Möglichst lange in ihrer Wohnung bleiben zu kön-nen, ist der Wunsch vieler alter und behinderterMenschen. Die Arbeitsgemeinschaft Obere VilsEhenbach (AOVE GmbH), ein Zusammenschlussvon neun Kommunen in der Oberpfalz, verwirklicht

„Seit Verabschiedung der europäischen Verordnung für ländliche Ent-wicklung, ELER, ist sehr viel für die ländlichen Räume getan worden.Es wurden viele Projekte und Aktivitäten gefördert und im Sinne derEuropäischen Kommission vernetzt. Ich bin dafür, dass wir die ASGstärker in die Vernetzung einbringen.“Martin Wille, StS. a. D., Vorsitzender der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.

„Klimaschutz ist eine Jahrhundertaufgabe. Wir wollen das 2 Grad-Zielerreichen. In Nordrhein-Westfalen gibt es viele Regionen, die beschlos-sen haben, dass sie energieautark werden wollen. Das bedeutet auch,dass im Bereich erneuerbare Energien viele neue Arbeitsplätze – auchin ländlichen Regionen – entstehen werden.“Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen

„Wir wollen mit den Direktzahlungen zukünftig zweierlei bewirken: eineflächendeckende Landwirtschaft in Europa erhalten und noch stärker,noch gezielter Umweltleistungen für die Gesellschaft durch die Landwirteerbringen lassen, die dafür eine angemessene Vergütung bekommenmüssen.“Prof. Dr. Klaus-Dieter Borchardt, Direktor, Europäische KommissionGeneraldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung

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Martin Wille, Johannes Remmel, Moderatorin Petra

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diesen Wunsch mit dem im Rahmen eines Projekteszum demografischen Wandel erstellten Konzeptes„Alt werden zu Hause“. Mitarbeiterinnen der AOVEerläuterten die Angebote, mit denen individuelleWünsche und Bedürfnisse berücksichtigt werdenund in die sowohl ehrenamtliche Alltagsbegleiter alsauch professionelle Dienstleister eingebunden sind.Neben umfassenden Informationen und dem Auf-bau eines Netzes verschiedener Hilfen würden auchprofessionelle Weiterbildungen für Angehörige undfreiwillige Helfer angeboten, um diesen im wörtli-chen und übertragenen Sinn zu helfen zu pflegen.Zu den Angeboten gehörten auch Kinaesthetics-Schulungen, in denen die Patienten durch die be-wusste Wahrnehmung der eigenen Bewegung ver-lorene Fähigkeiten wieder aufbauen und ihre Selbst-ständigkeit steigern könnten. Pflegende würdenweniger Kraft erfordernde Techniken für Aktivitätendes täglichen Lebens wie An- und Ausziehen er-lernen.

Die Tätigkeit der ehrenamtlichen Alltagsbegleiterspiele eine wichtige Rolle, da die Senioren durchsie, neben der praktischen Hilfe, auch die Möglich-keit bekämen, in Gesprächen ihre eigene Lebenser-fahrung weiterzugeben und Anerkennung und Zu-wendung zu erhalten.

Medizinische Versorgungim ländlichen Raum gefährdet

Zunehmende Schwierigkeiten, die flächendecken-de Versorgung mit Hausärzten sicherzustellen, sindAnlass für Gemeinden, Krankenkassen und Kassen-ärztliche Vereinigungen, Lösungen für dieses Pro-blem zu entwickeln. Die Teilnehmer/-innen der Dis-

kussion sahen die seit langem bestehende unter-schiedliche Vergütung gleicher ärztlicher Leistungenin den Bundesländern, die vor allem im ländlichenRaum zu geringe Entlohnung von Hausbesuchenund eine Vernachlässigung der Allgemeinmedizin inder universitären Ausbildung (in vielen Universitätenfehle sogar eine Professur für Allgemeinmedizin) alsursächlich für die in vielen Regionen zu erwartendeUnterversorgung an. Hinzu käme die hohe Belas-tung von Hausärzten mit oft 120 bis 140 Patientenpro Tag, der Bürokratieaufwand und die fehlendebetriebswirtschaftliche Ausbildung potenzieller „Pra-xisunternehmer“. Dorothy Mehnert, KassenärztlicheBundesvereinigung (KBV), wies auf einen weiterenAspekt, den heute hohen Frauenanteil im Medizin-studium, hin. Frauen seien – mehr noch als ihremännlichen Kollegen – auf familienfreundliche Ar-beitsbedingungen und Kinderbetreuungsmöglich-keiten angewiesen, da nicht zu erwarten sei, dasssich ihre Ehemänner oder Partner mit dem Lebeneines Hausmannes auf dem Land arrangieren wür-den. Diese Gemengelage führe insgesamt zu demTrend, dass die heutigen Absolventen und Absol-ventinnen eines Medizinstudiums überwiegend eineangestellte Tätigkeit im Krankenhaus bevorzugten,selbst wenn sie bei Studienbeginn noch den Wunschgehabt hätten, eine Hausarztpraxis zu führen. Gleich-zeitig würden aufgrund der ungünstigen Altersstruk-tur der heute praktizierenden Landärzte in dennächsten Jahren sehr viele Nachfolger gesucht.

Eine Umverteilung der Gelder im Gesundheits-system zwischen Regionen und Praxen, eine bes-sere regionale Verteilung von Ärzten im Rahmeneiner künftigen Gesundheitsreform sowie Verände-rungen der universitären Ausbildung seien dringend

„Der EU-Beitritt bedeutete für unsereLandwirte vor allem die Öffnung ei-nes riesigen Marktes mit einer hal-ben Milliarde Konsumenten. Wirhaben diese Chance gut genutzt.Polen verwendet die Mittel aus dergemeinsamen Agrarpolitik zur Hälfefür die Modernisierung, für Innova-tionen, für die Wettbewerbsfähigkeit.Ich versuche alle zu ermuntern,weniger für die Beibehaltung desjetzigen Zustands auszugeben, alsvielmehr für die Entwicklung undModernisierung. Wenn heute notwen-dige und tiefgründige Reformenstattfinden, dann wird Europa betei-ligt sein, wenn in 20 oder 30 Jahren50 bis 70 % mehr Nahrungsmittelproduziert werden müssen.“Marek Sawicki,polnischer Landwirtschaftsminister

Schwarz und Prof. Dr. Klaus-Dieter Borchardt

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notwendige Maßnahmen, die auf Bundesebeneumgesetzt werden müssten. „Es ist genug Geld imSystem, aber nicht genug System im Geld“, soThomas Fischer, Landwirtschaftliche Sozialversi-cherung Niedersachsen-Bremen. Welche innovati-ven Lösungsmodelle sich regional erfolgverspre-chend entwickeln, zeigten mehrere Beispiele ausNiedersachsen.

Friedrich Kethorn, Landrat im Landkreis GrafschaftBentheim, erläuterte, wie der Landkreis durch einenKooperationsvertrag zwischen der ansässigenEuregio-Klinik (Lehrkrankenhaus der UniversitätMünster), der KV und niedergelassenen Ärzten diefünfjährige Ausbildung zum Facharzt Allgemeinme-dizin, dem künftigen Hausarzt, sicherstellen will.Gerade die vorgeschriebene zweijährige Beschäfti-gung bei einem niedergelassenen Arzt sei bisher oftnicht realisierbar gewesen, weil zu wenig Ärzte dieentsprechenden Stellen angeboten hätten. Verbes-serungen bei der Kinderbetreuung, im ÖPNV unddes kulturellen Angebots sowie ein Fachkräfte-service, der sich um Arbeitsplätze für die Partnerund Partnerinnen kümmere, sollen zusätzliche An-reize für Ärzte und Ärztinnen schaffen, sich in derGrafschaft Bentheim niederzulassen.

Thomas Fischer bezeichnete die neue, durch dasSozialministerium moderierte, Zusammenarbeitverschiedener Institutionen1 in drei „Zukunftsregio-nen Gesundheit“ in Niedersachsen als zukunfts-weisend. Ein Ziel sei es, die bisherigen Leistungs-

1 In dem auf drei Jahre angelegten Modellprojekt arbeiten die Kommunalen Spitzenverbände Niedersachsen, die Kassenärztliche Vereinigung (KVN),Krankenkassen, die Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN), die Apothekerkammer Niedersachsen und die Krankenhausgesellschaft Niedersachsenzusammen.

2 Die Möglichkeit, neben dem Hauptpraxissitz eine sog. Zweigpraxis zu betreiben, besteht seit 2006. Das Praxisbudget erhöht sich jedoch dadurch nurdann, wenn bestehende Versorgungslücken durch die Zweigpraxis geschlossen werden.

grenzen und Konkurrenzsituationen, z. B. zwischenniedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern, zuüberwinden und damit die High-Tech-Medizin in dieKrankenhäuser und die sprechende Medizin in dieHausarztpraxen zu bringen. Auch bestehende Pro-jekte wie MoNi (Modell für Niedersachsen), bei demqualifiziertes Praxispersonal Hausbesuche überneh-me, seien hilfreich und würden in das neue Modell-projekt integriert.

Eine lokale Lösung wurde in der SamtgemeindeSchladen gefunden, so Karl-Jürgen Heldt, stellv.Bürgermeister. Nachdem mehrere Praxen (teilwei-se unerwartet) geschlossen wurden, war 2008 dieärztliche Versorgung der 6 500 Einwohner der Ver-waltungseinheit stark gefährdet. Mit Hilfe von Praxis-zuschüssen der Samtgemeinde und durch die Initia-tive einzelner Personen konnte innerhalb von neunMonaten ein Ärztezentrum mit Apotheke und Thera-piezentrum in einem ehemaligen Einkaufszentrumaufgebaut werden. Dort haben sich neun Ärzte infünf Zweigpraxen2 niedergelassen, die ein weitesFachspektrum abdecken.

Moderne Lebensmittelerzeugungsoll ethisch korrekt sein

Zwei Gesprächsrunden befassten sich mit derEntwicklung des Fleischkonsums in Deutschlandund weltweit sowie mit der Prozessqualität bei derErzeugung tierischer Produkte, eine weitere mit derPatentierbarkeit von Pflanzensorten und Tierrassen.

„Ministerium für Umwelt und Land-wirtschaft – das ist eine ausgesprochengute Kombination, da Landwirtschaftund Umweltschutz kein Widerspruchsind. Das Eine ist eine Ergänzung desAnderen. Beides in einem Haus fördertdas Verständnis füreinander.“Lucia Puttrich, Hessische Staatsministerinfür Umwelt, Energie, Landwirtschaft undVerbraucherschutz

„Wir wollen Ernährung gewährleisten,dafür haben wir Standards. Unsere Land-wirte in Thüringen sind vorne weg, wastierfreundliche Haltungsmethoden be-trifft. Mit einer Mischung aus Leistungs-fähigkeit und ökologischer Orientierungsind wir gut aufgestellt, auch auf demWeltmarkt.“Christine Lieberknecht, Ministerpräsidentindes Freistaates Thüringen

„95 % der Fläche Thüringens sindländlicher Raum, nur 5 % sind städ-tische Fläche. Insofern spielt dieNähe zwischen Stadt und Land, derländliche Raum als Kultur-, Natur-und Erholungsraum, eine ganzbedeutende Rolle.“Jürgen Rheinholz, Thüringer Ministerfür Landwirtschaft, Forsten, Umweltund Naturschutz

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Nachhaltige Fleischerzeugung undgeringerer Fleischkonsum gefordert

Menge und Produktionsbedingungen des weltweitkonsumierten Fleisches standen im Mittelpunkteiner von ASG und Brot für die Welt organisiertenGesprächsrunde. Schon heute würden 40 % desweltweit angebauten Getreides für die Tierernäh-rung verwendet, so Carolin Callenius, Brot für dieWelt. Zudem würde in Argentinien und Brasilienzum Zweck des Exports in die EU eine Fläche vonder Größe Baden-Württembergs und Bayerns mitmeist gentechnisch verändertem Soja bebaut. Hier-für würden großflächig Wälder abgeholzt, wodurchdie indigene Bevölkerung, die noch zu einem gro-ßen Anteil von der Jagd lebe, um ihre Lebensgrund-lage gebracht würde und es zur Verelendung kom-me. Durch den geplanten Anbau trockenheitsresis-tenter Sorten in Paraguay, sei dort mit den gleichenProblemen zu rechnen. Eine Verschärfung der Situ-ation erfolge auch durch die steigende Nachfragenach Fleisch aufgrund des mit einem erhöhtenFleischkonsum einhergehenden wirtschaftlichenAufschwungs der Schwellenländer China, Indienund Brasilien. Wichtig sei daher, neben der Senkungdes Fleischkonsums in Europa, eine sozial und öko-logisch nachhaltige Fleisch- und Futtermittelproduk-tion weltweit. Brot für die Welt befürworte daher ei-ne höhere Transparenz bei der Warenkennzeich-nung, um Verbrauchern bessere Wahlmöglichkeitenzu eröffnen. Es dürfe jedoch nicht zu einer Verlage-rung des Nachhaltigkeitszieles auf Verbraucher-entscheidungen kommen. Auch die gemeinsameAgrarpolitik der EU müsse künftig das Ziel haben,verstärkt einheimische Futtermittel einzusetzen.

Johannes Röring, MdB/CDU und Landwirt, wiesdarauf hin, dass das in der Fütterung eingesetzteSojaextraktionsschrot nur ein Nebenprodukt desvorwiegend zur Ölproduktion angebauten Sojas3

und damit nicht ursächlich für die Abholzung vonRegenwäldern verantwortlich sei. Zwar befürworteer ein Zertifizierungssystem zur Sicherung derNachhaltigkeit entsprechend der schon bestehen-den Zertifizierung von Palmöl, lehne jedoch „aus-ufernde“ politische Vorgaben ab. Seine Berufsehreals Landwirt schließe eine verantwortungsvolleTierhaltung ein.

Als Beispiel für eine nachhaltige Fleischproduktionerläuterte Jochen Dettmer, Landwirt und Geschäfts-führer Neuland, die Richtlinien des Verbandes. DerEinsatz importierter Futtermittel sei verboten und dieTierhaltung, ähnlich wie bei einigen Bioverbänden,flächengebunden. D. h. die Futtermittel würdenüberwiegend auf dem eigenen Hof erzeugt. Hier-durch würden die Produkte zwar teurer, dies könn-ten die Verbraucher jedoch durch eine Verringerungdes Fleischverzehrs ausgleichen, was auch im Hin-blick auf den Ressourcenschutz sinnvoll sei. DerMarktanteil von Neuland- und Bioerzeugnissen lägebei Fleischprodukten allerdings nur bei 1 %. Ehren-fried Ranft, Rhinland-Fleischerei, Staffelde, Bran-denburg, konnte bisher keinen Trend zu Gunstendes regionalen und traditionell arbeitenden Flei-scherhandwerks feststellen. Im Gegenteil: der Um-satz seines Betriebes hätte in den letzten Jahrenabgenommen. Als Grund hierfür sei der zunehmen-de Kauf von Billigfleisch bei Discountern anzuneh-men.

3 Wertschöpfung aktuell etwa 75 % Öl und 25 % Schrot

„Zum Thema Dioxin: Wir alle sind darumbemüht, eine sachliche Diskussion darü-ber zu führen, wie wir den Verbraucher-innen und Verbrauchern zeigen können,dass unsere Lebensmittel von hoherQualität sind und sie ohne Bedenkengenossen werden können.“Dr. Juliane Rumpf, Ministerin für Landwirtschaft,Umwelt und ländliche Räume, Schleswig-Holstein

„Nicht das Ministerium stärkt dieländlichen Räume, sondern dieBürgerinnen und Bürger. Das be-sondere an den AktivRegionen ist,die ländliche Entwicklung nicht vonoben zu verordnen, sondern vonunten wachsen zu lassen.“Peter Harry Carstensen,Ministerpräsident von Schleswig-Holstein

„Ich setze mich für den Erhaltunserer plattdeutschen Spracheein und arbeite an der Heraus-gabe einer Sammlung vonErzählungen und Gedichtennorddeutscher Dichter auf Plattund auch auf Hochdeutsch.“ Schauspielerin Sabine Kaack(„Diese Drombuschs“, „SOKO“)

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Kennzeichnung von Eiern als Vorbildfür ein Tierschutzlabel für Fleisch

Aus wissenschaftlicher Sicht sei ein Tierschutz-label für Fleischerzeugnisse in vieler Hinsicht zubefürworten, so Prof. Dr. Dr. Matthias Gauly, Institutfür Tierzucht und Haustiergenetik, Uni Göttingen.Auch könnten die bestehenden Haltungssysteme imSinne des Tierschutzes weiter optimiert werden. Ge-rade konventionelle Betriebe hätten durch Maßnah-men, die das Tierwohl steigerten, beispielsweise einerhöhtes Platzangebot, Gelegenheit, sich am Marktzu positionieren. Untersuchungen aus dem BereichMarketing zeigten, dass 20 % der Verbraucher be-reit seien, mehr Geld für eine bessere Tierhaltungzu bezahlen. Es sei ein Erfolg des Tierschutzes,dass die Sensibilität bei Wissenschaft und Konsu-menten steige und heute z. B. über die bisher meistunterlassene Schmerzausschaltung bei der Kastra-tion von Ferkeln geredet werde. Das vom DeutschenTierschutzbund, der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicheLandwirtschaft (AbL) und dem Bund für Umwelt undNaturschutz (BUND) entwickelte und auch heutenoch getragene Qualitätsfleischprogramm Neulandhabe jedoch nur einen verschwindend geringenMarktanteil. Der Neuland-Verband begrüße ein Tier-schutzlabel, erläuterte Martin Steinmann, Landwirt,da hierdurch auch der hohe Tierschutzstandard derMarke Neuland deutlich gemacht werden könne.

Von Klaus-Peter Lucht, KreisbauernverbandRendsburg-Eckernförde, wurde die Forderung nacheinem neuen Label hingegen eher kritisch betrach-tet. Die deutschen Nahrungsmittelpreise seien dieniedrigsten in Europa und die überwiegende Zahlder Konsumenten nicht bereit, mehr zu bezahlen.Auch die Einführung der vom Handel geforderten

„Damit die Menschen im ländlichen Raum inBrandenburg eine Zukunft haben, kämpfen wirgemeinsam mit den Kommunen dafür, dass dieInfrastruktur besser wird und die Arbeitsplätzeerhalten bleiben. Hierfür sind die Mittel aus der2. Säule unabdingbar. Wir brauchen aber auchdie 1. Säule weiterhin zur Unterstützung derlandwirtschaftlichen Betriebe, der kleinen wieder großen.“Jörg Vogelsänger, Minister für Infrastrukturund Landwirtschaft des Landes Brandenburg

„Ein Besuch der Domäne Dalem mitihren Kindern sollte für alle Elternzum Pflichtprogramm gehören. AlsBiobetrieb mit flächengebundenerTierhaltung werden 95 % des Futtersselbst erzeugt, wodurch es hier keinDioxinproblem gibt. Das ist mir alsSenatorin für Verbraucherschutzbesonders wichtig.“Katrin Lompscher, Senatorin für Gesundheit,Umwelt und Verbraucherschutz, Berlin

„Landwirtschaft und Kultur gehenin der Domäne Dalem wunderbarzusammen: ein 450 Jahre altesHerrenhaus, Ackerbau, Viehzucht,Musik, Kulturveranstaltungen. EinMotto der Domäne ‚Vom Acker aufden Teller‘ ist im Bereich Esskulturanzusiedeln.“André Schmitz, StS. für kulturelle Ange-legenheiten, Berlin, und Kuratoriumsvor-sitzender der der Stiftung Domäne Dalem

Qualitätssicherungssysteme (QS) hätte bei denLandwirten nicht zu Mehreinnahmen geführt. Zudemgäbe es bereits verschiede Qualitätsfleischprogram-me mit definierten Haltungsvorschriften. Für denVerbraucher seien die Vorgaben dieser Programmejedoch weder erkennbar noch beurteilbar, so JuttaJaksche, Verbraucherzentrale Bundesverband. Siebefürworte daher einheitliche, gesetzlich festgelegteStandards, ähnlich wie bei der Kennzeichnung vonEiern. Zu begrüßen seien auch privatwirtschaftlicheInitiativen wie sie in den Niederlanden entstandenseien. Solche Aktivitäten eröffneten der heute ausvielen Gründen unter Druck stehenden Landwirt-schaft, die Möglichkeit, in die Offensive zu gehen.

Biopatente schränken Genpool ein

Die Züchtung einer neuen Pflanzensorte für dieLandwirtschaft dauere ca. zehn Jahre und kosteetwa 1 Mio. €, so Christoph Herrling, Bundesver-band Deutscher Pflanzenzüchter. Daher sei es na-heliegend, dass Züchter ein – zeitlich begrenztes –Verwertungsrecht an der neuen Sorte beanspruch-ten. Im Bereich der Pflanzenzucht – nicht aber beider Tierzucht – gebe es in Europa den Sorten-schutz, der den Züchter berechtige, Lizenzgebührenfür den Anbau seiner Sorten zu verlangen. ObwohlSortenschutz und Patentschutz auf den Schutz desgeistigen Eigentums abzielten, seien sie grundsätz-lich zu unterscheiden. Während der Sortenschutzdie durch Zucht erreichte Kombination von Genenals die eigentliche schützenswerte Leistung betrach-te, ziele der Patentschutz auf die Eigenschaft unddas Vorhandensein einzelner Gene ab. Im Rahmendes Sortenschutzes sei es jedem Züchter erlaubt,auf Basis der vorhandenen Sorten weiter zu züchtenund für die Züchtungsprodukte Sortenschutz zu be-

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„EU-Qualitätszeichen für Lebensmittelermöglichen den Verbrauchern, Pro-dukte mit bestimmten Qualitätsmerk-malen, die Herkunft aus einer bestimm-ten Region, die traditionelle Rezepturoder die Erzeugung nach EU-Öko-verordnung, zu erkennen und bietet denHerstellern eine Vermarktungshilfe inder gesamten EU.“Dr. Michael Erhart, Europäische Kommission

Diskussionsrunde zu Bio-Patenten mit Dr. Ursula Monnerjahn, Leiterin desReferats „Biologische Vielfalt und Biopatente“, Bundesministerium für Ernäh-rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, RA’in Inken Lampe, ReferatUmweltrecht, Deutscher Bauernverband e.V., Heike Götz (Moderatorin),Bettina Locklair, Kommissariat der Deutschen Bischöfe, Berlin, ChristophHerrling, Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, Bonn

antragen, bei Pflanzen mit patentierten Genen wäredies nicht mehr möglich. Bestimmte Entwicklungendes Patentrechtes seien daher bedenklich. Herrlingbezog sich hierbei auf die Erteilung von Patentenauf eine Brokkolisorte mit besonderen Inhaltsstoffenund eine Tomate mit geringem Wassergehalt durchdas Europäische Patentamt (EPA). Diese wurdennach Einsprüchen durch die große Beschwerde-kammer des EPA im Dezember 2010 teilweisezurückgenommen.

Wie Dr. Ursula Monnerjahn, Bundesministeriumfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-schutz erläuterte, wurden zunächst die Züchtungs-methode, bei der die sog. markergestützte Selektioneingesetzt wurde, und die Produkte der Züchtung,also Saatgut, Pflanzen und Verarbeitungsprodukte,von Brokkoli und Tomate patentiert. Die marker-gestützte Selektion sei ein gentechnisches Verfah-ren, dass den Züchtungsprozess stark beschleuni-gen könne, jedoch nicht zu einer technischen Ver-änderung des Erbgutes der Pflanzen führe. DieZüchtung selbst erfolge mit traditioneller Kreuzung.Da es sich hierbei um ein im Wesentlichen biologi-sches Züchtungsverfahren handele, habe die Be-schwerdekammer die Patentierbarkeit verneint.Eine Entscheidung über die Patentierbarkeit derProdukte stehe jedoch noch aus. Landwirtschafts-ministerin Ilse Aigner vertrete die Ansicht, dassdiese nicht patentierbar sein sollten.

Bettina Locklair, Kommissariat der DeutschenBischöfe, bezeichnete den Begriff Biopatente alsnicht zutreffend. Es handele sich um die Patentier-barkeit von Pflanzen und Tieren, was sowohl vonder katholischen als auch der evangelischen Kircheabgelehnt werde. Das Europäische Patentrecht,

welches auf der EU-Biopatentrichtlinie basiere,schließe zwar die Patentierbarkeit einer Pflanzen-sorte oder Tierrasse aus, nicht jedoch von Eigen-schaften einer Art. Hierdurch könne es zur Paten-tierung eines Gens kommen, dass bisher schon beivielen Individuen einer Pflanzen- oder Tierart vor-handen sei. Dies sei jedoch eine Entdeckung undkeine Erfindung. Außerdem führe die Nutzung vonPatenten zu höheren Kosten, die vom Verbraucherbezahlt werden müssten, und zur Einschränkungder Biodiversität führten. Saatgutfirmen mit paten-tierten Pflanzen würden es in dieser Situation vor-ziehen, das Angebot ihres nur dem Sortenschutzunterliegenden Saatgutes einzuschränken.

Rechtsanwältin Inken Lampe, Deutscher Bauern-verband e.V., wies ebenfalls auf den durch Patenteeingeschränkten Genpool hin. Züchtern würdenMöglichkeiten der Anpassung an neue Anforderun-gen, z. B. wegen veränderter Umweltbedingungen,genommen und das Saatgutangebot für die Land-wirte eingeschränkt. Bisher bestehe noch nicht dasProblem, dass Landwirte Tiere oder Pflanzen miteinzelnen patentierten Genen besäßen und deshalbmit Lizenzansprüchen konfrontiert würden. Es seijedoch wichtig, für die Zukunft vorzusorgen. Alleinum zu beobachten, welche neuen Patente geplantseien und die Möglichkeit des Einspruchs nutzen zukönnen, müsse viel Geld aufgewendet werden. DieEinspruchsverfahren selbst seien sehr teuer. DerDeutsche Bauernverband setze sich daher für eineVeränderung der gesetzlichen Grundlage ein. Diesbedeute keineswegs, dass die Landwirte technik-feindlich seien. Investitionen müssten sich amorti-sieren, dies solle jedoch im Rahmen des Sorten-schutzes erfolgen.

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Bienen in Stadt und Land

„Die Stadt ist das Schlaraffenland für Bienen“, sodie überraschende Aussage von Wolfgang Fried-richowitz, erster Vorsitzender des ImkervereinsSteglitz e.V., denn es gebe kaum Trachtlücken.Gehe beispielsweise die Lindenblüte zu Ende, diein Berlin wegen der verschiedenen Lindensorten mit4-6 Wochen besonders lang sei, so blühten vieleandere Pflanzen in den Gärten und Parks. Diesmache einen Standortwechsel, wie im ländlichenRaum meist notwendig, überflüssig. Bienenstöckekönnten in Gärten, aber auch auf Dächern aufge-stellt werden. Mehr als 800 Imker seien in Berlinin Vereinen organisiert.

Auch Anke Last, Vorsitzende des Landesverban-des Schleswig-Holsteinischer und Hamburger Imkere.V. bestätigte die gute, durch Kastanie, Akazie,Schnurbaum und Obstbäume gesicherte, Ernäh-rungsgrundlage der Stadtbienen. Niemand müssebefürchten, mit dem Honig Gifte zu sich zu nehmen,da die Biene Fremdstoffe aus dem Nektar heraus-filtere und bei Vergiftungen entweder nicht zumStock zurückfliege oder wegen ihres verändertenGeruchs von anderen Bienen getötet werde. Imländlichen Raum sei die Kooperation zwischenImkern und Landwirtschaft wichtig, um den unacht-samen Einsatz von Bienen schädigenden Spritz-mitteln zu vermeiden und die notwendige Bestäu-bung von Obstkulturen zu gewährleisten. Ein Pro-blem stelle der stark ausgeweitete Anbau von Maisfür die Biogasproduktion dar. Bienenlarven würdenmit Pollen, dem sog. Bienenbrot gefüttert. Handelees sich vorwiegend um Maispollen, würden bei Bie-nen Mangelerscheinungen auftreten, andere Insek-

ten würden ganz verschwinden. Sehr zu begrüßensei daher der in Bayern stattfindende Versuchsan-bau von blühenden Pflanzen als Energiepflanzen.

Holger Loritz, Koordinator beim Netzwerk Blühen-de Landschaft, wies auf die für Bienen wichtige unddurch die moderne Landwirtschaft am stärksten ge-fährdete Pflanzengruppe der Ackerwildkräuter hin.Die Initiative verteile deshalb Samentütchen mitFeldblumenmischungen. Dies sei jedoch, wie auchdie Blühstreifen in der Landwirtschaft, lediglich eineNothilfe. Eine Sicherung der Nahrungsgrundlagevon Honig- und Wildbienen und anderen nektar-und pollensuchenden Insekten sei jedoch möglich,wenn alle weniger ertragreichen Felder eines Land-wirtes naturnah bewirtschaftet würden.

Urbane und soziale Landwirtschaft

Kleingartenanlagen seien, neben öffentlichenGrünanlagen, traditionell Bestandteil des städti-schen Grüns und für das Stadtklima wichtig, soBeate Profé, Senatsverwaltung für StadtentwicklungBerlin. Ihre Beliebtheit steige, da es heute vielenMenschen wichtig sei, sich gärtnerisch zu betätigenund die Früchte ihrer Arbeit zu ernten. Die relativneue Entwicklung, kollektiv und mit geringem finan-ziellen Einsatz Stadtbrachen zu gestalten, beschriebDr. Elisabeth Meyer-Renschhausen, Privatdozentinan der Freien Universität Berlin. In den letzten zehnJahren seien so 35 interkulturelle und/oder Nach-barschaftsgärten in Berlin entstanden, bei denenjeweils 10-35 Personen gemeinsam gärtnerten.Neben der Förderung interkultureller und Genera-tionen übergreifender Kontakte, erfüllten die Gärtenz. B. bei Flüchtlingen wichtige psychosoziale Funk-

Bienenhaltung über den Dächern von Berlin

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Making Of: Harald Heinrich, seine Tochter und dieVideokamera

Antje Schiffers beim Malen in der Steiermark,Gemälde: Hof der Familie Kuttner in Erlauf, Niederösterreich

Tausche Bild gegen Film –die etwas andere Europareise

Unterstützt von der Bundeskulturstiftung und anderenInstitutionen besuchten die Künstler Antje Schiffers undThomas Sprenger gemeinsam mit ihrem kleinen Sohnseit 2007 Bauernhöfe in ganz Europa. Während AntjeSchiffer eine Woche lang ein Bild, meist vom Hof, nachden Wünschen der Gastgeber malte, drehten dieseeinen Film über ihr Leben und Arbeiten. Thomas Spren-ger erläuterte die Funktionsweise der Videokamera,gab Tipps zur Dramaturgie eines Films und half beimabschließenden Schnitt am Computer. 24 Filme vonAgrikulturschaffenden in Deutschland, Österreich, Ru-mänien, Mazedonien, Großbritannien und der Schweizsind bisher entstanden. Während die Bilder auf denHöfen blieben, wurden die Videos bei verschiedenenVeranstaltungen gezeigt. Antje Schiffers und ThomasSprenger berichteten, dass Landwirte die Naturnäheihres Lebens überall als sehr positiv bewerteten, jedochdie hohe Arbeitsbelastung ein europaweit übergreifen-des Thema sei. Die Frage „Will ich das meinen Kindernzumuten?“ würden auch leidenschaftliche Landwirte mit„nein“ beantworten. Unterschiede zeigten sich in derVerbundenheit zum Hof – in England ge-be es meist nur Pachthöfe, ein Umzugsei daher häufig – und in der Einstellungzur eingesetzten Technik. Diese sei vonden Niederländern am positivsten darge-stellt worden. Neben verschiedenen Aus-stellungen wurden die Selbstdarstellun-gen der Familien, Gemälde und Standbil-der aus den Videos in dem Buch „Ich bingerne Bauer und möchte es gernebleiben“ bei argobooks veröffentlicht.

Dagmar Babel, ASG

tionen, da diese durch den Anbau traditionellerPflanzen aus ihrer alten Heimat etwas Vertrauteswiederfinden und sich gleichzeitig ein kleines Stückder neuen Heimat „aneignen“ könnten. Alle Stadt-brachen sollten zur Verfügung gestellt werden,damit ältere Leute, Menschen mit Behinderungenund Kinder wohnungsnah Gärten finden könnten.

Wegen der vor allem bei männlichen Jugendlichenhohen Arbeitslosigkeit in Großstädten seien auchinnerstädtische Biogemüsegärten nach US-ameri-kanischem Vorbild sinnvoll. In den dort von Garten-aktivisten in armen Stadtteilen betriebenen Gärtne-reien hätten Jugendliche die – meist entlohnte –Gelegenheit ökologisch zu Gärtnern. Neben demErlernen einer Ressourcen schonenden Landwirt-schaft zeigten solche Projekte den JugendlichenMöglichkeiten einer sinnvollen Arbeit außerhalb derAuto- oder Computerbranche.

Komplett mobil sind die von der Nomadisch GrüngGmbH initiierten und auf einer gepachteten Flächein Berlin-Kreuzberg angelegten Prinzessinnengär-ten. Gründungsmitglied Robert Shaw bezeichnetedie Kultivierung von Kräutern und Gemüse in trans-portablen Kompost-Kisten wegen der oft zweifelhaf-ten Bodenqualität der städtischen Brachflächen alsideal. Einfache Umzüge machten zudem die Kurz-zeitnutzung von Flächen möglich. Die Pflanzungendienten jedoch nur teilweise der ökologischen Ge-müseproduktion, sondern seien Bildungsgarten undsozialer Treffpunkt für alle und stärkten damit dieNachbarschaft in dem sozial schwachen Quartier.Im Rahmen des Themas „balancity“ – eine Stadt imGleichgewicht“ wurden die Prinzessinnengärten beider Expo 2010 in Shanghai vorgestellt.

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Ländliche Entwicklung ab 2014:

Flexibler, einfacher und innovativerEin fester Bestandteil des Veranstaltungsprogramms im Rahmen der Internationalen Grünen Wocheist in kurzer Zeit das „Zukunftsforum Ländliche Entwicklung“ des Bundeslandwirtschaftsministe-riums geworden. Gemeinsam mit sieben weiteren Organisationen1 hat die Agrarsoziale Gesellschaftin diesem Rahmen das Fachforum „Ländliche Entwicklung ab 2014 – Sprung in die Zukunft?“ durch-geführt.

1 Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften, Deutscher Bauernverband, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund,Johann Heinrich von Thünen-Institut, Landwirtschaftliche Rentenbank, Verband der Landwirtschaftskammern

Die Referenten des Fachforums bei der anschließenden Diskussion mit dem Publikum (v.l.n.r.): Dr. Heinrich Becker (vTI, Moderation),Dr. Josefine Loriz-Hoffmann, Dr. Jürgen Buchwald, Thorsten Hiete, Dr. Christian Bock

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In der neuen Förderperiodebeabsichtige die EU, die Förde-rung der ländlichen Entwicklungso zu gestalten, dass die unter-schiedlichen Herausforderungenin den ländlichen Regionen künf-tig mehr als bisher Berücksich-tigung fänden, erläuterte Dr.Josefine Loriz-Hoffmann, EU-Kommission, GeneraldirektionLandwirtschaft und ländlicheEntwicklung, den 200 Teilneh-mern des Fachforums. Künftigsollten die Förderziele noch stär-ker miteinander vernetzt undressortübergreifend ausgerichtetwerden als bisher. Forderungennach einem stärkeren Agrarbezugder Förderschwerpunkte hielt siefür nicht richtungsweisend.

Dr. Jürgen Buchwald, Abtei-lungsleiter im Ministerium fürLandwirtschaft, Umwelt und Ver-braucherschutz, Mecklenburg-Vorpommern, hält eine größere

Flexibilität in der Förderung fürunverzichtbar. Nur so könne derVielfalt der ländlichen Räume undder unterschiedlichen Entwicklun-gen begegnet werden. Er sprachsich mit Nachdruck dafür aus,künftig Maßnahmen zu stärken,die über den Agrarsektor hinaus-gehen. Auch müsse die derzeiti-ge Kompetenzverteilung zwi-schen EU, Bund, Ländern undKommunen auf den Prüfstandgestellt werden. Notwendig seiweiterhin, eine Kofinanzierungdurch private Dritte zuzulassenund eine Reduzierung des Ver-waltungs- und Kontrollaufwandseinzuleiten, so Buchwald.

Thorsten Hiete, Geschäftsführerder Niedersächsischen Landge-sellschaft, sprach sich für einemaßvolle Weiterentwicklung derländlichen Entwicklungspolitikohne große Brüche aus. Wichtigseien ausreichende Spielräume,

um vor Ort flexibel auf regional-spezifische Entwicklungen rea-gieren zu können. Als geeignetenFörderansatz sah er in diesemZusammenhang z. B. den Aus-bau ressortübergreifender regio-naler Teilbudgets.

Dr. Christian Bock, Landwirt-schaftliche Rentenbank, plädiertedafür, in der ländlichen Entwick-lungspolitik zukünftig verstärktauch Möglichkeiten innovativerFinanzierungskonzepte mitzu-denken und anzuwenden. Sokönnte z. B. mit dem Einsatzrevolvierender Fonds ein zweck-gebundener Kapitalstock aufge-baut werden, wodurch eine Ver-stetigung der Förderung überFörderperioden hinaus möglichwäre. Auch die Einbindung priva-ten Kapitals ließe sich so orga-nisieren und den Gestaltungs-spielraum größer und flexiblerwerden. cz

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ASG-Frühjahrstagung 2011 in Stralsund

Landentwicklung 2020 –Herausforderungen für Landwirtschaft und ländliche Räume

Vor Ort werden Anpassungsstrategien konkret

Mittwoch, 18. Mai 201114.00 - 22.00 Uhr Fachexkursion mit dem Schiff durch den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft

Donnerstag, 19. Mai 20118.00 Uhr Drei Fachexkursionen

19.00 Uhr Perspektiven der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in Mecklenburg-VorpommernDr. Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz des LandesMecklenburg-Vorpommern

Freitag, 20. Mai 20118.30 Uhr Begrüßung

StS. a.D. Dr. Martin Wille, Vorsitzender des Vorstandes der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.Block 1: Den demografischen Wandel als Chance erkennen

Zukunft und Lebensqualität in ländlichen Räumen sichern. Den demografischenWandel gestaltenStS. Dr. Karl Otto Kreer, Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz desLandes Mecklenburg-VorpommernDen integrierten Ansatz in der ländlichen Entwicklung stärker betonen – Konzepteund Vorhaben der BundesregierungRalf Wolkenhauer, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,Leiter der Unterabteilung Ländliche EntwicklungStettiner Haff – von der bundesdeutschen Modellregion zur abgestimmten Regionalent-wicklung – unser Weg heißt RESIDennis Gutgesell, Beigeordneter und 1. Stellvertreter des Landrates, Landkreis Uecker-RandowDiskussion

Block 2: Flächen- und naturschutzbezogene AnpassungsstrategienKlimawandel, Landnutzung und Biodiversität – Chancen erkennen – Synergien nutzenGertrud Sahler, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,Leiterin der Abteilung Naturschutz und nachhaltige NaturnutzungIn unseren Kulturlandschaften umweltverträglich produzieren –Zukunftsvisionen einesLandwirtesDr. Heinrich Graf von Bassewitz, Mitglied im Rat für Nachhaltige EntwicklungEntwicklungen am Bodenmarkt in Mecklenburg-Vorpommern: Intelligentes Flächenmana-gement – Vorteil für Natur und AgrarstandortVolker Bruns, Geschäftsführer, Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern, LeezenDiskussion

13.30 Uhr Ende der Veranstaltung

Das vollständige Tagungsprogramm und Online-Anmeldungen im Internet unter www.asg-goe.de

Gefördert durch:

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Tagungsregion Stralsund, Nordvorpommern und Rügen

Hansestadt Stralsund

Stralsund mit ca. 58 000 Einwohnern liegt imNordosten Mecklenburg-Vorpommerns, am Strela-sund, einem Meeresarm der Ostsee zwischen Rü-gen und dem Festland. 2002 wurde die StralsunderAltstadt gemeinsam mit der Altstadt von Wismarunter dem Titel „Historische Altstädte Stralsund undWismar“ in die UNESCO-Weltkulturerbeliste aufge-nommen. Im 2. Weltkrieg wurde Stralsund schwerbeschädigt und vor allem nach 1990 mit Hilfe vonStädtebauförderung, Stiftungsgeldern und privatenMitteln saniert. Wirtschaftlich spielte nach dem Kriegvor allem der Schiffbau (für die Sowjetunion) mit rd.8 000 Arbeitsplätzen eine große Rolle. 1990 wurdedie Volkswerft zwar zu einer der modernsten Kom-paktwerften Europas umgebaut, in der Großschiffewie Passagier-, Container- und Tankschiffe gebautwerden; allerdings gingen im Rahmen der Neustruk-turierung 5 000 Arbeitsplätze verloren.

Landkreis Nordvorpommern

Stralsund ist fast vollständig vom Landkreis Nord-vorpommern (NVP) umgeben, dessen eiszeitlichgeprägtes Landschaftsbild sich in die drei Land-schaftszonen Ostseeküstengebiet, das im Westenliegende Seengebiet und das nordöstliche Flach-land untergliedern lässt. Der 239 km langen Bod-denküste Nordvorpommerns vorgelagert liegt ein58 km langer, weißer Sandstrand. 5,2 % der Land-kreisfläche befinden sich im Nationalpark Vorpom-mersche Boddenlandschaft. Zum Schutz der vor-handenen Naturressourcen bestehen 15 Natur-schutzgebiete und 8 Landschaftsschutzgebiete.Mit durchschnittlich 49 Einwohnern/km2 ist derLandkreis v. a. im Vergleich zum Bundesdurch-schnitt (229 EW/km2), aber auch zum Landes-durchschnitt (71 EW/km2), dünn besiedelt.

Tourismus

Die Fertigstellung der Autobahn A20 führte zueiner verbesserten Verkehrsanbindung, was einenbedeutenden Einfluss auf die Tourismuswirtschaftsowie das Gewerbe hatte. Schwerpunktmäßig er-streckt sich die Tourismuswirtschaft über die Halb-insel Fischland-Darß-Zingst, wo jährlich ca. 5 Mio.Übernachtungen gezählt werden. Zum Vergleich:Die Einwohnerzahl des gesamten Landkreisesbeträgt 107 000. Ergänzend zu den klassischenStrand-Touristen spricht der Nationalpark Vorpom-mersche Boddenlandschaft Zielgruppen aus demNaturtourismus, z. B. Öko-Tourismus, Wandern,Tierbeobachtungen, an. Im Binnenland entwickelnsich punktuell Erfolg versprechende Ansätze desLandurlaubs wie Radtourismus auf dem alten Bahn-damm zwischen Tribsees und Stralsund, Wasser-wandern auf den Flüssen Recknitz und Trebelsowie saisonverlängernder Kranichtourismus imLandschaftsschutzgebiet „Vorpommersche Bodden-küste“ mit dem Kranichinformationszentrum GroßMohrdorf oder Exklusiv-Urlaub auf einem Schloss.

Agrarwirtschaft

Die Landwirtschaft im Landkreis Nordvorpommernstellt neben dem Tourismus einen wichtigen Wirt-schaftszweig dar. 68 % der Fläche wird landwirt-schaftlich genutzt, davon 81 % als Ackerland und19 % als Grünland. Die Bewirtschaftung erfolgtdurch etwa 470 Betriebe, die schwerpunktmäßig imMarktfruchtbau (Weizen, Gerste, Raps) und in derRinderhaltung (Milchvieh, Mutterkühe) tätig sind.Etwa 8,5 % der Fläche wird von 43 größtenteilskleineren und mittelgroßen (< 200 ha) Betriebenökologisch bewirtschaftet. Da es nur wenige verar-beitende Betriebe der Ernährungswirtschaft undkaum regionale Vermarktungsstrukturen wie Bau-

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ernmärkte, Direktvermarktung oder Kooperatio-nen mit Gastwirten gibt, erfolgt eine Vermark-tung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse meistunveredelt. Zzt. existieren 18 Biogasanlagen(fertig, in Planung und im Bau) im Kreisgebiet,die durch die Landwirte mit Biomasse beliefertwerden; neuerdings entstehen für diesen Zweckauch Kurzumtriebsplantagen. 19 % des Land-kreises sind bewaldet – mehr als 50 % mit Na-delbäumen. Insbesondere die Kiefer prägt gan-ze Landstriche. Etwa 30 % der Landkreisflächestehen unter den Schutzkategorien National-park, Naturschutzgebiet oder Landschafts-schutzgebiet, woran ihr hoher ökologischerStellenwert zu erkennen ist; die größte Moor-landschaft Mitteleuropas befindet sich in einembeispiellosen Renaturierungsprozess. In dennaturnahen Landschaften ist im Sommer eineVielfalt an Vögeln, u. a. Störchen, Kranichen,Gänsen und Kormoranen, anzutreffen.

Rügen und Hiddensee

Berühmt sind die kilometerlangen Strändeund die Steilküsten Rügens, der größten InselDeutschlands. Besonders eindrucksvoll ist derberühmte Kreidevorsprung der Stubbenkam-mer, der Königsstuhl im Nationalpark Jasmund.Jährlich sind auf Rügen, Hiddensee und denweiteren zum Landkreis Rügen gehörendenInseln etwa 6,1 Mio. Übernachtungen zu ver-zeichnen. Mit 70 Einwohnern/km² ist Rügen deram zweitdichtesten besiedelte Landkreis Meck-lenburg-Vorpommerns. Neben dem Tourismusnimmt auch hier die Landwirtschaft mit einerähnlichen Anbaustruktur wie im Landkreis NVPeinen wichtigen Stellenwert ein. Zahlreiche Be-triebe leben heute von Einkommenskombinatio-nen wie Urlaub auf dem Bauernhof, Solar- oderBiogaserzeugung. Mit Tagen der offenen Höfewird der Bevölkerung und den Feriengästen einEinblick in die Landwirtschaft gewährt.

Von Stralsund aus mit dem Boot erreichbar istdie autofreie Insel Hiddensee. Als kulturellesZentrum gilt der Ortsteil Kloster mit der Insel-kirche und dem Friedhof. Vom 70 m hohenLeuchtturm reicht der Blick bis Dänemark. Diedurchschnittliche Sonnenscheindauer liegt aufHiddensee bei 1 850 Stunden pro Jahr. Damitnimmt die Insel eine Spitzenstellung in Deutsch-land ein. Im Kulturhistorischen Museum in Stral-sund kann der nach einer Sturmflut 1872 gefun-dene „Hiddenseer Goldschatz“ aus dem 9. Jh.(eine Wikingerarbeit) bewundert werden. ro fa

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Neues von der agrarpolitischen Bühne:

Déjà-vuNeue alte kritische Töne, überraschende Offensiven und irgendwie Bekanntes in Berlin

Geschichte wiederholt sich …

Schon längere Zeit nicht mehrhat ein Präsident des DeutschenBauernverbandes eine nicht-grüne Landwirtschaftsministerinderart in den Senkel gestellt. DieLandsfrau Ilse Aigner, bekannter-maßen Mitglied einer traditionellmit dem Verband befreundetenPartei, habe „eine populistischeTierschutzdebatte losgetreten,ohne Rücksicht auf die fatalenFolgen für die deutschen Bauern-familien“, erklärte Gerd Sonnleit-ner unlängst. Seiner Einschät-zung nach will Aigner die hiesigenLandwirte die Zeche für die Unfä-higkeit der Bundesregierung zah-len lassen, höhere Standards imTierschutz auf internationalerEbene durchzusetzen. Die Minis-terin verrenne sich völlig undopfere historisch gewachseneKulturgüter in der Tierhaltung„opportunistisch und wider besse-res Wissen dem Zeitgeist“. Ent-täuschte Liebe eines Verschmäh-ten, Kränkung des nicht Einge-weihten? Wir wissen es nicht.

2005 hatte Sonnleitner in seinerBilanz der sich dem Ende neigen-den rot-grünen Leidensjahre derdamaligen Ressortchefin RenateKünast vorgehalten, sie habe mitihren nationalen Alleingängen kei-nerlei Rücksicht auf Wettbewerbund Einkommen der Betriebe –und damit der Bauernfamilien –genommen. Sie habe sich insbe-sondere im Tierschutz von popu-listischen Motiven leiten lassenund es nicht vermocht, sich in Eu-ropa und darüber hinaus Gehörzu verschaffen und Fortschrittezu erreichen. Damals war es u. a.Künasts Kampf für die „Freiheitder Hühner“, der den organisier-ten Berufsstand dauerhaft auf diePalmen trieb. Und heute?

lieber auf die Selbstheilungskräfteder mit dem Image von osteuro-päischen Panzerknackern ausge-statteten Futtermittelwirtschaft,um schließlich gerade noch recht-zeitig einen Aktionsplan aus demHut zu zaubern, mit dem sich dieGemüter einstweilen beruhigenließen. Kurzzeitig soll der Minis-terin das Funke-Schicksal ge-droht haben, und zwar nachdemdie von der politischen Klassenoch immer hochgeschätzte Bild-Zeitung die Ministerin in einer ge-wohnt tiefschürfenden und über-aus sorgfältig aufbereiteten Ana-lyse als „ungeaignert“ abgemeierthatte.

Geschichte wiederholt sich …

Obwohl die möglicherweise kri-minellen Umtriebe eines holstei-nischen Chemieunternehmers mitStasi-Vergangenheit ähnlich wiedie Verfütterung von infiziertemTiergewebe an Wiederkäuer En-de des letzten Jahrhunderts aufden ersten Blick nicht unbedingtzwingend im direkten Zusam-menhang mit der Unterbringungvon Borsten-, Feder- und Rind-vieh stehen, brachen sich heutewie damals genau diese Debat-ten in der politischen und media-len Aufarbeitung Bahn. Dabeikam nicht zuletzt die immerwieder spannende Frage einer„industrialisierten Landwirtschaft“auf die Tagesordnung, wort- undzahlreich angeprangert von mehrals 20 000 Demonstranten imBerliner Regierungsviertel. Selbstdas geflügelte und mittlerweileetwas angestaubte Wort der„Agrarwende“ tauchte aus derVersenkung auf, wenn auch(noch?) nicht im Wortschatz deraktuellen Ministerin.

Seitdem das Bundesverfas-sungsgericht im Herbst letztenJahres die rechtliche Grundlagefür die Kleingruppenhaltung vonLegehennen für ungültig erklärthatte, weil eine Anhörung im Rah-men der Rechtssetzung nicht be-ratungsoffen durchgeführt wordensei, ist das Thema wieder auf demTisch. Aus dem Hause Aigner warzunächst wenig zu hören, außerdass man den formalen Fehlerheilen, sonst aber in Sachen Huhnkeine weiteren Maßnahmen zuergreifen gedenke. Grundlegendgeändert hat sich das erstaun-licherweise mit der sog. Dioxin-krise, die seit Anfang des Jahresund rechtzeitig vor der GrünenWoche Medien und Öffentlichkeitin permanenten Erregungszu-stand versetzte. Bei manchemder ohnehin ständig im leichtenAlarmzustand befindlichen Haupt-stadtjournalisten wurden dabeiJagdinstinkte freigesetzt, die andie letzten Ministertage einesgewissen Karl-Heinz Funke erin-nerten. Der hatte seinerzeit nichtwahrhaben wollen, warum ihmdenn eine englische Rinderkrank-heit den deutschen Ministerstuhlkosten könnte.

Geschichte wiederholtsich nicht …

Für Ministerin Aigner nahm diegeheimnisvolle Odyssee dioxin-haltiger Futterfette eines schles-wig-holsteinischen Unternehmensvia Futtermittelhersteller und nord-westdeutsche Futtertröge in bun-desdeutsche Verbrauchermägenebenfalls existenzbedrohendeAusmaße an. Dummerweise er-klärte sich die Ministerin unterHinweis auf die Länder zunächstfür nicht dioxinzuständig, machtedann den Eindruck, sie vertraue

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Geschichte wiederholtsich nicht …

Hinsichtlich des regelmäßig wie-derkehrenden Dioxingeschehenskommen die Protagonisten inte-ressanterweise in unterschiedli-chen Zeiten zu konträren Schluss-folgerungen. Beim letzten Dioxin-skandal Anfang 2005 sah sich diefür diese Themen prädestinierteMinisterin Künast nach dem Fundvon erhöhten Dioxinwerten inFreilandeiern veranlasst, Forde-rungen nach Abschaffung derFreilandhaltung vehement entge-genzutreten und als durchsich-tigen Versuch zu entlarven, ihr„ans Bein zu pinkeln“. Heutefordert ihre Nach-NachfolgerinAigner als eine Konsequenz ausder Entdeckung von Dioxin inSchweinefutter eine vollständigeAbschaffung der Käfighaltung fürLegehennen und ihre Entlassungin die offenbar nahezu endlosenWeiten der Freiland- und Boden-haltung.

Geschichte wiederholt sich …

Für eine Landwirtschaftsminis-terin, die sich um Zustimmungbeim Wahlvolk müht, ist das Wohl-wollen von 80 Mio. potenziellenund Möchtegern-Tierschützernallemal lohnender als ungeteilterZuspruch eines zahlenmäßigschrumpfenden Berufsstandessowie eines ohnehin niemals voll-ständig zufriedenzustellenden Be-rufsverbandes. Gar nicht nachtra-gend forderte Aigner in einemoffensiven Rundumschlag in derBild-Zeitung und zur Überra-schung von Freund und Feindeinen raschen Ausstieg aus derbetäubungslosen Ferkelkastration,ein Verbot des Schenkelbrandesbeim Pferd, bessere Haltungsbe-dingungen für Kaninchen und fürZirkustiere gleich mit. Eingespeistwerden sollen diese Festlegun-gen in einen ergebnisoffenenDiskussionsprozess. Dabei sollenüber mehrere Monate hinweg

Vertreter von mehr als 40 Interes-sengruppen und Institutionen vomAgrarBündnis über den Deut-schen Volkshochschul-Verbandund den Deutschen Lehrerbundbis zur Deutschen Gesellschaftfür Hauswirtschaft sowie Mei-nungsbildnern wie Die Zeit undFAZ (warum eigentlich nichtBild?) ebenso ihre Auffassungenzum Besten geben wie jeder Inte-ressierte im Internet. Kommuni-kationsstrategen im Agrarressorthaben die Themen „Umwelt“,„Tierhaltung“, „Ernährungssiche-rung und Weltagrarhandel“ sowie„Lebensmittel“ auf die Tagesord-nungen gesetzt. Münden soll die-ses wahrhaft gigantische Vorha-ben in einer (mehrbändigen?)„Charta für Landwirtschaft undVerbraucher“. Entsteht vielleichtsogar ein neues „Grünes Buch“,wenn dieser Begriff in hoffentlichnicht allzu ferner Zeit nicht mehrvon einem nordafrikanischen Des-poten okkupiert wird? So oder so,im Ergebnis wird der Diskus-sionsprozess, wie in solchen Fäl-len üblich. wichtige Impulse fürdie weitere öffentliche Diskussiongeben und vor allem deutlich ma-chen, „wir kümmern uns!“.

Nicht bestätigt haben sich aller-dings Informationen, nach denender im Umgang mit Wutbürgernerfahrene Heiner Geißler dieModeration der Charta-Diskus-sionen übernehmen wird. Statt-dessen wurden mit den Professo-ren Hartwig de Haen und LuciaReisch renommierte Wissen-schaftler gewonnen, die ansons-ten bei den anstehenden Happe-nings nicht auf der Gästelistestehen. Möglicherweise wird dasWerk daher doch den einen oderanderen Hinweis enthalten, wo-hin die Reise gehen könnte mitder hiesigen Land- und Ernäh-rungswirtschaft im 21. Jahrhun-dert. Eins immerhin steht bereitsjetzt fest: Am Ende werden wirk-lich alle mal wieder darüber ge-redet haben …

Übrigens hatte die Vor-Vorgän-gerin zu Beginn ihrer Amtszeit miteinem mehrmonatigen Diskursvon lediglich 30 gesellschaftlichenGruppen und Organisationen dieBlaupause geliefert. Damals ginges um das vergleichsweise kon-krete Thema „Grüne Gentechnik“.Dieser Diskurs erbrachte von allenSeiten die nachdrückliche Bekräf-tigung bestehender Positionen.Lediglich einige politische Beob-achter, die die eigentliche Zielset-zung nicht erkannten, sprachendespektierlich von einer „Palaver-Runde“.

Geschichte wiederholtsich nicht …

Überhaupt keine Parallelen wei-sen die grüne und die schwarzeMinisterin in ihrer Personalpolitikaus. Neigen Grüne im Allgemeinenund ehedem Frau Künast im Be-sonderen dazu, sich mit ideolo-gisch gefestigten Getreuen zu um-geben, scheut ihre Nach-Nach-folgerin nicht, auch Andersdenken-den Verantwortung zu übertragen.Wie sonst ist die Bestellung vonPeter Bleser zum Parlamentari-schen Staatssekretär im Bundes-landwirtschaftsministerium zu er-klären? Dem rheinland-pfälzischenCDU-Politiker dürften die Tier-schutzvorstellungen seiner neuenChefin ähnlich zusagen wie eingemeinsamer Kinoabend mit KurtBeck. Großen Verdruss dürfte demLandwirtschaftsmeister aus derEifel ferner die Aussicht bereiten,sich regelmäßig mit Tierschützern,Umweltaktivisten, Ökos und ande-ren Außenseitern der Gesellschaftüber die Gestaltung einer künftigenAgrarpolitik auseinanderzusetzen.Möglicherweise wird ihm die Che-fin eines Tages die Geschichte vonder Köchin und dem Kellner nahe-bringen müssen. Spätestens dannkönnte für Bauernpräsident Sonn-leitner erneut der Zeitpunkt gekom-men sein, zur Bauernbefreiungaufzurufen. Rainer Münch

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SPD und IG BAU:

Bessere Bedingungen für Landarbeiter/-innenSPD und Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Um-

welt (IG BAU) wollen die Situation der Arbeitnehmerund Arbeitnehmerinnen in der Land- und Forstwirt-schaft künftig stärker in den Fokus der Agrarpolitikrücken. Im Mittelpunkt steht die Forderung nachbesseren Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmerim grünen Bereich. Vorrangig ist dabei für SPD undIG BAU eine angemessene Entlohnung. Benötigtwerde eine Lohnuntergrenze auf tarifvertraglicherBasis. Gleichzeitig wird ein flächendeckender ge-setzlicher Mindestlohn befürwortet. Für Saisonar-beitskräfte müsse es grundsätzlich die gleichenRechte und Pflichten geben wie für heimische Ar-beitnehmer. Hier müsse das Prinzip gelten „gleicherLohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“. WeitereSchwerpunkte werden auf einen erhöhten Arbeits-und Gesundheitsschutz sowie einen Ausbau der be-ruflichen Qualifikation gelegt. „Wir sehen sowohl dieTarifvertragsparteien als auch die Politik gefordert“,betonte IG BAU-Abteilungsleiter Holger Bartels inBerlin. Für SPD-Agrarsprecher Dr. Wilhelm Pries-meier entscheidet sich an der Situation der Arbeit-nehmer die Zukunft der deutschen Landwirtschaft.

Sozialstandards unverzichtbar

„Ohne attraktive Arbeitsplätze bleibt die notwendi-ge Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in der Land-wirtschaft Makulatur“, so Priesmeier, der zugleichauf die steigende Bedeutung der Lohnarbeitskräftein der Landwirtschaft verwies. Die wachsenden An-

forderungen an die Tätigkeiten in der Landwirtschaftseien ohne qualifizierte Arbeitnehmer nicht zu erfül-len. Angesichts der sich bereits abzeichnenden Ar-beitskräfteknappheit gerade in ländlichen Regionenseien die Betriebe gut beraten, sich der Diskussionum vernünftige Sozialstandards und angemesseneEntlohnung zu stellen.

Gegen Billiglöhne

IG Bau-Vertreter Bartels warnte vor falschen Er-wartungen an die künftige Beschäftigung in derLandwirtschaft: „Wer glaubt, mit Billiglöhnen denHerausforderungen begegnen zu können, liegtdaneben.“ Während beispielsweise Frankreich miteinem gesetzlichen Mindestlohn die Richtung vor-gebe, würden hierzulande im Agrarbereich vielfachLöhne gezahlt, die nicht einmal eine Existenz si-chernde Rente ermöglichten. Die Folge seien z. T.gravierende Verzerrungen in grenznahen Regionen.Handlungsbedarf sieht Bartels im Hinblick auf dieSaisonarbeitnehmer in der Landwirtschaft. Es seibezeichnend, dass von Seiten der Arbeitgeber bis-lang keinerlei Signale zu erkennen seien, Verhand-lungen über eine Neufassung der Ende dieses Jah-res auslaufenden Tarifverträge aufzunehmen. Of-fenbar gingen die Arbeitgeber davon aus, ihren Ar-beitskräftebedarf künftig mit Wanderarbeitern ausDrittstaaten wie der Ukraine und Weißrussland de-cken zu können. Diese Art von Lohndumping werdees mit der Gewerkschaft jedoch nicht geben. nc

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Gemeinsame Erklärung zu Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer-innen und Arbeitnehmer im deutschen Gartenbau und in der deut-

schen Land- und Forstwirtschaft

Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutzder SPD-Bundestagsfraktion und der IG BAU

Aufgrund des Strukturwandels und geänderter gesellschaftlicher Anforderungen haben sich die Ansprüchean das Wissen und Handeln der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Gartenbau und in der Land- undForstwirtschaft verändert. Für die insgesamt ca. 1 Mio. Vollzeitarbeitskräfte im Gartenbau und in der Land-und Forstwirtschaft bedeutet dieses zusätzliche Herausforderungen. Ein zukunftsfähiger Gartenbau undeine zukunftsfähige Land- und Forstwirtschaft sind auf gut qualifizierte, motivierte und sozial-ökologischverantwortungsvolle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angewiesen.

Der technologische Fortschritt, aber auch die gesellschaftlichen Anforderungen an den deutschen Garten-bau und die deutsche Land- und Forstwirtschaft, erfordern eine gute Ausbildung und eine lebenslange Fort-und Weiterbildung. Innovative und kreative Ideen werden nicht nur von den Unternehmerinnen und Unter-nehmern erwartet, sondern auch von deren Mitarbeitern.

Die Förderung und der Erhalt sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze sind gerade im ländlichen Raumvon besonderer Bedeutung. Hier müssen der Gartenbau und die Land- und Forstwirtschaft im eigenenInteresse einen Beitrag leisten. Das Image einer Branche spielt bei der Berufswahl junger Menschen, aberauch bei der Bereitschaft zur Fort- und Weiterbildung bereits dort Beschäftigter eine entscheidende Rolle.Nicht zuletzt entscheiden die Arbeitsbedingungen und die Perspektiven zur persönlichen Weiterentwicklungüber die Zukunftsfähigkeit unseres Gartenbaus und unserer Land- und Forstwirtschaft.

Zu den Arbeitsbedingungen gehört nicht nur eine angemessene Entlohnung, die eine spätere Existenzsichernde Rente ermöglicht. Die Arbeitsbedingungen müssen so ausgestaltet sein, dass die Arbeitskraftdauerhaft erhalten bleibt. Die Arbeit in der Land- und Forstwirtschaft gehört zu den gefährlichsten über-haupt. Mehr Prävention im Gesundheitsschutz und intensivere Arbeitsschutzmaßnahmen sind angesichtsvon durchschnittlich 200 Toten pro Jahr dringend erforderlich.

Die Landwirtschaft ist in besonderen Spitzenzeiten (Ernte von Obst und Gemüse) darauf angewiesen,Saisonarbeitskräfte zu beschäftigen. Diese befristet eingestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmermüssen die gleichen Rechte und Pflichten wie deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben.

Deshalb setzen wir uns ein für

vernünftige Sozialstandards mit einer Lohnuntergrenze auf tarifvertraglicher Basis (Entsendegesetz). Einflächendeckender gesetzlicher Mindestlohn als Lohnuntergrenze muss geschaffen werden.

verbesserten Arbeits- und Gesundheitsschutz, um tödliche Unfälle nachhaltig zu reduzieren. Die Arbeits-schutzprävention und die Gesundheitsvorsorge in den Betrieben muss gestärkt werden.

gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Die Land- und Forstwirtschaft muss in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen werden, damit Mindestlohntarifverträge für allgemeinverbindlich erklärtwerden können. Der Arbeitskräftebedarf in saisonalen Spitzenzeiten kann problemlos durch Arbeitneh-mer innerhalb der EU gedeckt werden.

berufliche Qualifikation: Die berufliche Qualifikation ist Voraussetzung für die Stärkung der Wettbewerbs-fähigkeit der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebe und die Verbesserung der entlohntenBeschäftigung.

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Tierschutz: Von Feindbildern Abstand nehmenProf. Dr. Achim Spiller, Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der UniversitätGöttingen, über Perspektiven der Nutztierhaltung in Deutschland, legitime Diskussionen überGrößenbegrenzungen bei Ställen sowie Versäumnisse der Fleischwirtschaft.

Die herkömmliche landwirtschaftliche Nutztierhaltung istim Zusammenhang mit dem Dioxin-Skandal erneut in dieöffentliche Diskussion geraten, obwohl es zumindest keinendirekten ursächlichen Zusammenhang gibt. Überrascht Siedas?

Spiller: Nein. Wir wissen aus unseren Forschungsarbeiten,dass das Image der Tierhaltung und Fleischproduktion inDeutschland seit geraumer Zeit sehr schlecht ist. Es gab jaauch vor relativ kurzer Zeit ein Dioxinproblem in der Bio-branche, das nicht im Entferntesten solche Aufmerksamkeiterfahren hat. Aber für Kommunikationsforscher ist es nichtsÜberraschendes, wenn eine imagemäßig angeschlageneBranche bei einem solchen Problem einen Kommunika-tions-GAU erlebt. Da entsteht ein sich selbst verstärkenderTeufelskreis, der durch einfache PR-Arbeit nicht mehrauflösbar ist.

Die Berichterstattung über die Tierhaltung in allgemeinenMedien ist überaus kritisch und von Begriffen wie „Massen-tierhaltung“ und „Tierquälerei“ bestimmt. Stimmen Sie dieserEinschätzung zu?

Spiller: Schon vor Dioxin haben wir in der erwähntenStudie festgestellt, dass Massentierhaltung sowohl in denklassischen Medien als auch im Internet das am stärkstendiskutierte Agrarthema der vergangenen drei Jahre ist. Esist daher nur folgerichtig, wenn ein Futtermittelproblem vonden Medien hier eingeordnet wird.

Welche Ursachen sehen Sie?

Spiller: In der Forschung sprechen wirvom sog. „Framing-Effekt“, wenn ein neuesThema von Journalisten in einen vorhande-nen Interpretationsrahmen, also den Frame,eingeordnet wird. Die öffentliche Diskussionist immer viel einfacher gestrickt als dieFachrealität, weil die Leser und Zuschauergenauso wie die Journalisten in einer hochkomplexen Diskussion vereinfachen müs-sen. Hinzu kommt, dass es in den allgemei-nen Medien keine Agrarfachjournalistenmehr gibt. Die Nutzung eines Frames wieMassentierhaltung ist gut geeignet, weilman dann ein leicht verständliches Inter-pretationsmuster zur Verfügung hat.

Hat die Branche – Erzeuger, Fleischindus-trie – durch eigene Versäumnisse zu ihremnegativen Image beigetragen?

Spiller: Eindeutig ja. Und zwar in ersterLinie, weil sich die Fleischwirtschaft spätes-tens seit der BSE-Krise aus der öffentlichenDiskussion zurückgezogen hat. Damalshaben viele Verantwortliche erlebt, wie jaebenfalls ein Futtermittelproblem von Politikund Medien zu einer Frage der industriellenAgrarproduktion und der Massentierhaltungstilisiert wurde. Erinnert sei nur an den da-maligen Bundeskanzler Schröder und sei-nen Begriff der Agrarfabriken. Aus diesennegativen Erfahrungen haben viele Land-wirte und Verarbeiter die nachvollziehbare,aber verhängnisvolle Konsequenz gezogen,dann doch lieber nichts mehr zu sagen.Viele Journalisten haben mir berichtet, dasssie fast nie Interviews und Drehgenehmi-gungen in der Branche bekommen. Damitüberlässt man das Feld den Kritikern. 70 %der Berichterstattung über die konventionel-le Land- und Ernährungswirtschaft in denQualitätszeitungen wie FAZ oder Spiegelsind heute kritisch, im Internet sind es sogarfast 90 %. Wer nicht antritt, hat schonverloren.

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„Rund 40 % der Deutschenpräferieren eher eine Hin-wendung der Ernährungs-wirtschaft zu einer natur-nahen Produktion, während60 % die Preisvorteile einerproduktivitätsorientiertenErnährungswirtschaftbevorzugen.“

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Sehen Sie eine Chance, dass die Branche aus derDefensive heraus kommt?

Spiller: Es gibt Ansätze, die Hoffnung machen.Es gründen sich neue Organisationen für eine bes-sere Öffentlichkeit. Entscheidend ist, dass einigegroße Unternehmen erkennen, dass sie Farbe be-kennen müssen. Auf die Dauer schaden sie sichauch selbst, wenn sie sich in den für Außenstehen-de ja kaum transparenten Branchenstrukturen „ver-stecken“. Die Top 3 der deutschen Fleischwirtschaftsind so groß, dass sie auch ohne bekannte Markengegenüber der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtigsind. Hier hat sich zum Glück auch gerade in denvergangenen zwei Jahren ein Bewusstsein für dieBedeutung der gesellschaftlichen Akzeptanz dermodernen Tierhaltung entwickelt.

Was muss sie tun?

Spiller: In der PR-Forschung werden für diesenFall zwei Strategiealternativen vorgeschlagen: Ers-tens: aggressiv dagegenhalten oder zweitens denDialog suchen. Angesichts des PR-Desasters dervergangenen zehn Jahre sehen wir eigentlich keineChance mehr für die erste Strategie. Auch die Ziga-rettenindustrie hat damit verloren. Besser wäre eineumfassende Corporate Social Responsibility Strate-gie, und dazu finden sich bei führenden Unterneh-men ja auch erste spannende Ansätze.

In der Diskussion um die Nutztierhaltung spielenethische Fragen ebenso eine Rolle wie Umweltas-pekte oder auch gesundheitliche Themen, in denensich jeweils eine Vielzahl gesellschaftlicher Gruppenengagiert. Die Branche betont demgegenüber im-mer wieder ökonomische Notwendigkeiten. Redetman aneinander vorbei?

Spiller: In unserer aktuellen Medienstudie, die ichvorhin schon angesprochen habe, können wir zei-gen, dass eine Argumentation über ökonomischeNotwendigkeiten und Preisvorteile in den Medienschwierig durchzusetzen ist, obwohl der größereTeil der Verbraucher preiswerte Produkte schätzt.Auf Verbraucherebene können wir zeigen, dass dasvon uns als 60/40-Regel bezeichnete Verhältnis zu-trifft. In vielen verschiedenen Konsumentenerhebun-gen – nicht nur von uns – zeigt sich immer wieder,dass rund 40 % der Deutschen eher eine Hinwendungder Ernährungswirtschaft zu einer naturnahen Produk-tion präferieren, während 60 % die Preisvorteile ei-ner produktivitätsorientierten Ernährungswirtschaftbevorzugen. Dies sieht am Ladentisch natürlich heu-te deutlich anders aus. Zum einen, weil der Mensch

als Verbraucher nicht immer so handelt wie er alsBürger denkt, zum anderen, weil die Brancheteilweise ihr Angebot für die Zielgruppe der 40 %noch nicht gut entwickelt hat.

Auf welcher Grundlage ist eine Verständigungmöglich?

Spiller: Beide Seiten müssen von ihren Feindbil-dern Abstand nehmen. Es nützt nichts, wenn Land-wirte und Fleischunternehmen als „Fleischmafia“bezeichnet werden. Aber es ist auch nicht besser,wenn Tier- und Umweltschutzgruppen als „Spenden-fischer“ gesehen werden, denen es nicht um dieSache, sondern nur um neue Spendeneinnahmengeht. Genauso wenig wie Unternehmer nur ihrenGewinn im Kopf haben und ihr Gewissen ausge-schaltet haben, ist es ein Zerrbild, wenn man dieBranchenkritiker pauschal diskreditiert. MeineÜberzeu-gung aus vielen Gesprächen mit beidenSeiten ist, dass nur im persönlichen Dialog auf vie-len Ebenen diese Feindbilder einer realistischenSichtweise weichen werden.

Die Einsicht in die Notwendigkeit einer stärkerenvertikalen Integration und einer intensiven Kooperati-on in Wertschöpfungsketten ist im Veredlungsbereichinzwischen zunehmend verbreitet. Für die Öffentlich-keit ist dies allerdings ein Indiz für eine nicht gewollteIndustrialisierung. Ist dieses Dilemma auflösbar?

Spiller: Wir haben in Göttingen in einer Reihe vonForschungsarbeiten gezeigt, dass es nicht unbedingtzu einer vertikalen Integration im Rotfleischbereichkommen muss. Und in den vergangenen Jahren sinddie unabhängigen Landwirte in den Veredelungs-regionen genauso erfolgreich wie Schlachtunter-nehmen, die sich auf ihre Kernkompetenzen spe-zialisiert haben. Die Öffentlichkeitsarbeit ist aberetwas anderes, hier sollte man eng kooperieren.Auch Institutionen wie QS übernehmen zunehmendwichtige Koordinationsfunktionen.

Im Zusammenhang mit dem Dioxinskandal wurdescharfe Kritik an QS geübt. Halten Sie die Kritik fürberechtigt?

Spiller: QS ist aus meiner Sicht ein wichtiger Bau-stein einer zukunftsfähigen Fleischwirtschaft. Dafürtrete ich als Mitglied des Kuratoriums von QS auchseit vielen Jahren ein. Unter anderem fordere icheine Ausrichtung der Qualitätskontrolle auf die Ent-deckung von Betrug. Viele Branchenvertreter habenja in der Dioxinkrise kommuniziert, bei Betrug seiauch das beste Qualitätssicherungssystem machtlos.

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Das stimmt nicht. Wir haben seit geraumer Zeitkonkrete Vorschläge für eine stärkere Risikoorien-tierung der Kontrolle vorgelegt, z. B. mehr unange-meldete Stichprobenkontrollen, Schwerpunktkon-trollen an besonders kritischen Punkten sowie eineschärfere Überwachung der Arbeit der Zertifizierer.Einiges hat QS inzwischen auch aufgegriffen. Aberzugegeben: die jetzt beim Dioxinskandal aufgefalle-ne Lücke, dass die Probenergebnisse hier nicht wieetwa beim Salmonellenmonitoring zentral erfasstwerden, habe ich auch nicht gesehen.

Was muss sich ändern?

Spiller: QS muss stärker auf die Schwachpunkteentlang der Kette ausgerichtet werden. Und hier istteilweise das Einstimmigkeitsprinzip in den Len-kungsgremien von QS ein Problem. Nehmen Siedas Beispiel Salmonellenmonitoring: in der Land-wirtschaft ist hier viel passiert, aber wo ist das Moni-toring auf der Ebene der Schlachtunternehmen?Die Herausforderungen können aber nicht alleinvon den QS-Mitarbeitern gelöst werden, die enga-gierte Mannschaft bei QS braucht vielmehr nochstärkere Unterstützung aller Unternehmen der Bran-che, die an der Bekämpfung der Schwachstelleninteressiert sind. Und um abschließend noch einmalauf den Dioxinfall zurückzukommen: eine Branchemit schlechter Reputation unter Generalverdachtmuss alles dafür tun, Risiken aktiv einzudämmen.

Die Politik reagiert auf die kritischen öffentlichenDiskussionen i. d. R. mit schärferen ordnungs-rechtlichen Vorgaben. Wie beurteilen Sie entspre-chende Aktivitäten, wie sie aktuell wieder zu beob-achten sind?

Spiller: Auch dazu haben wir vor einigen Jahrenam Beispiel der Gammelfleischskandale eine Studiegemacht. Da sich die Branche versteckt hat und diePolitik unter Druck stand, hatte sie ja kaum eine an-dere Wahl, als ihre klassischen Instrumente wiestärkere öffentliche Kontrollen hervorzuholen – wohlwissend, dass mit einer traditionellen Kontrolle aufregionaler Ebene die Probleme einer internationalarbeitsteiligen Fleischwirtschaft nicht mehr zu be-kämpfen sind. Aber wo waren denn im aktuellenDioxinfall die Branchenvertreter, die der Öffentlich-keit erklärt haben, dass es ja bei QS ein Dioxin-monitoring gibt, wie dieses funktioniert und wie manes noch weiter verbessern muss, damit es auchbetrügerisches Verhalten zumindest mit einerhöheren Wahrscheinlichkeit aufdeckt?

Welche Empfehlungen geben Sie der Branche,um im politischen Meinungsbildungsprozess hin-reichend wahrgenommen zu werden?

Spiller: Das Problem ist nicht, dass die Branche inder Lobbyarbeit schlecht aufgestellt wäre. Vielmehrhat sich die politische Arena verändert. Die Politikerhaben quer durch alle Parteien erkannt, dass sichim Agrarbereich viel weniger Stimmen gewinnenlassen als mit Verbraucherthemen. Diese Entwick-lung ist nicht mehr rückgängig zu machen.

Warum ist es nicht gelungen, die Kleingruppen-haltung der Legehennen als neue Haltungsformzu etablieren?

Spiller: Weil die strategische Richtung der Bran-chenkommunikation unklar war. Über lange Zeithinweg haben viele Branchenvertreter die klassi-sche Käfighaltung verteidigt und die Kleingruppen-haltung als Fehlweg dargestellt. Sie wurde überwie-gend erst dann als Lösung vorgestellt, als die Dis-kussion um die Käfighaltung verloren war. UnserPlädoyer ist es daher, frühzeitig und im aktivenDialog mit den verschiedensten gesellschaftlichenGruppen zukunftsfähige Strategien zu definieren.An einem anderen Beispiel: Betäubungslose Ferkel-kastration oder Schwanzkupierung sollte die Bran-che nur dann verteidigen, wenn sie wirklich glaubt,diese Produktionsformen langfristig öffentlich ak-zeptiert zu bekommen. Kann man in einer Fernseh-diskussion, in der Bilder dazu gezeigt werden, argu-mentativ bestehen? Wenn nein, dann sollten selbststrategische Ausstiegsszenarien entwickelt werden,um das Image nicht weiter zu gefährden. Wenn ja,dann muss dies auch aktiv und öffentlich vor denKritikern verteidigt werden. Und dann benötigt manwissenschaftliche Studien, die zeigen, dass es auchunter optimierten Bedingungen z. B. nicht ohneSchwanzkupieren geht. Wie auch immer die Bran-che sich entscheidet: stillzuhalten und zu hoffen,dass „dieser Kelch“ an ihr einfach vorüber geht,hilft nicht.

Mit dem Wegfall der Centralen Marketing-Gesell-schaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) ist imgemeinschaftlichen Marketing eine erhebliche Lückeentstanden. Sehen Sie erfolgversprechende Ansät-ze einzelner Branchen, diese Lücke zu schließen?

Spiller: Neben neuen Branchenorganisationenwie etwa dem Verein „Wir produzieren Fleisch“, dieallerdings bei weitem noch nicht über das Budget

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der CMA verfügen, sind es diegroßen Unternehmen, die hiergefordert sind. Es war ja gera-de das Problem der CMA,dass in zunehmend konzen-trierten Branchen ein Gemein-schaftsmarketing an seineGrenzen stößt. Gefordert sinddie Unternehmen und nochmehr die Unternehmer, denneine personelle Kommunika-tion, wo Menschen mit ihrerganzen Persönlichkeit für eineAuffassung stehen, ist un-gleich glaubwürdiger. Wir ha-ben in der erfolgreichen deut-schen Fleischbranche vieleUnternehmerpersönlichkeiten.Hier muss ein Ruck durch dieBranche gehen.

Welche finanziellen Mittelsind erforderlich für ein erfolg-reiches Branchenmarketing?

Spiller: Mit einigen wenigenhunderttausend Euro wirdman nicht weit kommen. DerDioxinfall war vier Wochenjeden Tag auf den Titelseitender Medien. Rechnen Siediese Negativberichterstat-tung mal in Werbeausgabenum, die benötigt würden, umeine gleich große Positivwer-bung zu machen. Der Betragdürfte überschlägig bei mehrals 100 Mio. € liegen. WennSie dann noch bedenken,dass eine redaktionelle Be-richterstattung für den Ver-braucher glaubwürdiger alsjede Werbeanzeige ist, dannkann man sich das finanzielleAusmaß des Dioxinskandalsvorstellen, der noch größer istals das Preistief der letztenWochen. Es ist daher keineeinfache Frage des Geldes,sondern im Vordergrund stehteine neue Branchenstrategie.

Wie beurteilen Sie die Aussichten für eine stärkere Marktdifferen-zierung im Fleischbereich?

Spiller: Wenn rund 40 % der deutschen Verbraucher der produk-tivitätsorientierten Agrar- und Ernährungswirtschaft skeptisch gegen-überstehen, dann ist es wichtig, für diese Zielgruppe möglichst guteMarktangebote zu schaffen. Die Preisbereitschaft dieser Zielgruppeist im Durchschnitt höher. Aber wenn z. B. Bio-Geflügel heute imLaden rund das Dreifache kostet, ist es dann so erstaunlich, wennder Marktanteil unter 1 % liegt? Hier bedarf es innovativer Marke-tingkonzepte, um diese Lücke zu füllen. Dazu kann auch ein glaub-würdiges Label für Animal Welfare gehören, für das wir uns inGöttingen zzt. einsetzen. Dies stößt nicht überall und gerade inden landwirtschaftlichen Verbänden nicht auf Gegenliebe. Von dahermöchte ich betonen: Es geht uns nicht um die Diskriminierung desMarktes, sondern um Marktdifferenzierung, um die Chancen, mitglaubwürdigen und pfiffigen Marketingkonzepten einen Teil derkritischen 40 % zu erreichen und damit natürlich auch Wertschöp-fung zu erzielen.

Welche Voraussetzungen müssen Tierschutzsiegel erfüllen, umim Markt wahrgenommen und eine Rolle spielen zu können?

Spiller: In erster Linie muss jedes Produkt, das für besonderesTierwohl steht, glaubwürdig sein. In Anbetracht des schlechtenBranchenimages wird es einzelnen Unternehmen schwer fallen,diese Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit und bei kritischen Stake-holdern zu finden. Von daher ist es unser Ansatz, innovative Unter-nehmen, den Deutschen Tierschutzbund und kompetenteTierethologen zusammenzubringen.

„Die Politiker haben querdurch alle Parteien erkannt,dass sich im Agrarbereichviel weniger Stimmengewinnen lassen als mitVerbraucherthemen. DieseEntwicklung ist nicht mehrrückgängig zu machen.“

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Wie ist der Stand Ihrer Aktivitäten zur Schaffungeines Labels auf privatwirtschaftlicher Basis?Welche Vorteile haben privatwirtschaftlich getrage-ne Siegel gegenüber staatlichen?

Spiller: Wir setzen als Konzept auf ein freiwilliges,mehrstufiges Label. Gerade werden dafür die Krite-rien für Schwein und Masthähnchen entwickelt. Einfreiwilliges und privatwirtschaftliches Konzept kannan dieser Stelle schneller sein als der Staat. Abernatürlich freut es uns, dass viele Politiker gerade inden vergangenen Monaten ihre Unterstützung sig-nalisiert haben. Auch dies kann zur Glaubwürdigkeitin der Öffentlichkeit beitragen. Sollten Unternehmenmit missbräuchlichen Animal Welfare-Siegeln oderWerbeaussagen verstärkt auf dem Markt auftreten,wäre sogar eine staatliche Regelung notwendig, sowie es für Bio in den 1990er Jahren der Fall war.

Die Konzentration in der Nutztierhaltung schreitetimmer weiter voran. Dies gilt insbesondere für denGeflügel- und den Mastschweinebereich. Gleichzei-tig geht die Akzeptanz größerer Anlagen in der Be-völkerung immer weiter zurück. Warum sind Land-bewohner immer weniger bereit, Tierhaltungsan-lagen in ihrem unmittelbaren Umfeld zu akzeptieren?

Spiller: Weil die Landwirtschaft auch in den Dör-fern in die Minderheit geraten ist. Gerade im Um-land der Städte wohnen heute viele Menschen, dieden ökonomischen Stellenwert der Tierhaltung nichtkennen oder nicht für wichtig halten. Darüber hinausgibt es in den Kernregionen der Veredelung, in de-nen der Stellenwert ja noch deutlich ist, verstärktinnerlandwirtschaftliche Nutzungskonflikte, bei de-nen sich die Berufskollegen nicht selten selbst dasLeben schwer machen.

Bedarf es einer Art „Selbstbescheidung“ derBranche, um bestimmte Größenordnungen nichtzu überschreiten?

Spiller: Das ist eine spannende Frage: Es gibt jaauch in der Landwirtschaft viele, die bei Größenord-nungen von 100 000 Schweinen Bauchschmerzenhaben. Größe ist zwar per se kein Tier- oder Um-weltschutzproblem. Aber in einer EuropäischenUnion, die mit beachtlichen Mitteln die Landwirt-schaft nicht zuletzt auch deshalb stützt, weil sieregionalpolitische Ziele verfolgt, ist die Diskussionum Größenbegrenzungen genauso legitim wie dieFrage der Schaffung von „Agroparks“. Genau umdiese Fragen werden wir aber öffentlich ringen müs-sen. Und der derzeitige Zustand, bei dem Verbrau-

cher in einer unserer Studien auf die Frage, beiwelcher Schweineanzahl für sie „Massentierhaltung“beginnt, 300 Mastplätze nennen, ist sicherlich ziem-lich weit von der Realität der aktuellen Stallneubau-ten entfernt.

Sehen Sie die Politik gefordert, regulierendeinzugreifen?

Spiller: Mir wäre es viel lieber, wenn in der Land-wirtschaft selbst eine offene Diskussion um die Zu-kunft der Tierhaltung geführt würde. Darin müssenwichtige gesellschaftliche Gruppen wie z. B. dieKirchen oder Journalisten integriert werden. Wirwissen aus niederländischen Beispielen, dass eineschnelle gesetzliche Regulierung auch viele nega-tive Folgen haben kann.

Hat die landwirtschaftliche Nutztierhaltung inhochentwickelten Gesellschaften Perspektivenund wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Spiller: Ich denke nicht, dass wir in 20 oder 50Jahren nur noch künstliches Fleisch essen werden.Und noch viel weniger sinnvoll ist es, die Tierhal-tung und Fleischproduktion aus Deutschland nachBrasilien zu verdrängen. Betrachtet man aber dielangfristige gesellschaftliche Entwicklung, lässt sicherkennen, dass wir nach einer Phase der „Meatifi-cation“, in der der Fleischkonsum der Verbraucherstark angestiegen ist, gerade an der Schwelle ste-hen, an der sich ein Rückgang des Pro-Kopf-Kon-sums, aber auch eine stärkere Marktdifferenzierungund damit auch neue Wertschöpfungspotenzialeabzeichnen. Dies lässt sich statistisch nicht nur fürDeutschland, sondern auch für Länder in Skandi-navien oder Österreich nachweisen.

Rainer Münch

Prof. Dr. Achim Spiller (46 Jahre) ist seit April 2000Universitätsprofessor am Department für Agrar-ökonomie und Rurale Entwicklung der Georg-August-Universität Göttingen. Er hat dort denLehrstuhl „Marketing für Lebensmittel und Agrar-produkte“ inne. Seine Forschungsschwerpunktesind: Lebensmittelqualität und sicherheit, Marken-führung, Management im Agrarbusiness, Konsu-mentenverhalten, Marktforschung und Biolebens-mittel. Er ist u. a. Mitglied im wiss. Beirat desBundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz für „Agrarpolitik und ländli-che Entwicklung“ und Mitglied im Kuratorium derQS-GmbH Deutschland.

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Die Kuh ist kein Klima-Killer!Anita Idel*

In der öffentlichen Diskussion scheint alles ganz einfach: Die Kuh ist ein Klima-Killer. Punkt! Landwirteund ihre Betriebe sind nach dieser Logik CO2-Schleudern, die man eigentlich aus dem Verkehr ziehensollte. Generell ist es inzwischen üblich geworden, Vergleiche zwischen Landwirtschaft und Verkehranzustellen. Hauptproblem der Landwirtschaft, so hören und lesen wir: das klimaschädliche Rindvieh.

* Dr. med. vet. Anita Idel, Tierärztin, Mediatorin und Lead-Autorin des Weltagrarberichts, www.anita-idel.de1 T. Würger (2010): „Das Rülpsen der Rinder“, in: Der Spiegel, Ausgabe 42/2010, Seite 68

Und tatsächlich – es rülpst im Minutentakt Methan indie Atmosphäre. Und gelegentlich furzt es auch noch... Kühe werden dabei mit Autos verglichen – und ver-lieren: Denn ihre Emissionen bestehen nicht nur ausKohlendioxid, sondern auch aus Methan, das vielfachschädlicher ist für das Klima als CO2. Als scheinbarlogische Konsequenz wird zur Lösung des Problemsernsthaft gefordert, Landwirte sollten mehr Schweineund Hühner halten anstelle der behornten Methan-monster und Verbraucher mehr Chicken Wings undSchweineschnitzel essen statt Rindersteak.1

Was ist an dieser Diskussion falsch? Beinahe alles.Erstens wirft man einen sehr oberflächlichen, d. h. vorallem pauschalierenden Blick auf die Landwirtschaft,statt zwischen verschiedenen Agrarsystemen zu un-terscheiden: von nachhaltig Ressourcen schonendbis energieaufwändig industrialisiert. Zweitens be-schränkt sich der Blick auf nur ein Klimagas, dasMethan, ohne die Stickstoffdüngung und damit dasviel relevantere Lachgas einzubeziehen und weiterüber den Tellerrand zu schauen. Denn drittens zählenzum Gesamtbild nicht nur Emissionen, sondern auchdie positiven Effekte grasender Wiederkäuer: IhrPotenzial, zur Humusbildung und damit zur Klima-entlastung beizutragen, wird in Gänze unterschlagen.Deshalb meine Gegenthese: Bei näherem Hinsehenund vollständiger Bilanzierung haben manche Kuhund mancher Bauernhof mit nachhaltiger Grünland-nutzung das Potenzial zum Klimaschützer.

Zunächst zeigt sich, dass die Fixierung auf das Me-than aus dem Pansen von Kuh und Co. selbst dannzu kurz greift, wenn sich die Beurteilung auf Emissio-nen beschränkt. Denn nicht von Methan, sondern vonLachgas (N2O) geht die größte agrarische Bedrohungfür das Klima aus: 75 % des gesamten Lachgas-Ausstoßes in Europa werden von der Landwirtschaftverursacht. Methan ist 25-mal klimaschädlicher alsCO2, aber Lachgas ist 296-mal schädlicher. Lachgaswird vor allem infolge der Stickstoffdüngung freigesetzt.1-3 % des Stickstoffdüngers werden in Lachgas um-gewandeltI. Der Anbau von Futterpflanzen für MillionenSchweine, Hühner, Puten und Rinder ist mit intensiverDüngung verbunden und belegt den Großteil der land-wirtschaftlich nutzbaren Flächen. Bereits mehr als einDrittel der weltweiten Getreideernte wird an das sog.Nutzvieh verfüttert.

Stehen Kuh und Co. aber auf der Weide, also auf demGrünland, dann fressen sie – nachhaltiges Weidema-nagement vorausgesetzt – nicht nur keine mit synthe-tischem Stickstoffdünger gemästeten Futterpflanzen,sondern pflegen unsere Landschaften. Sie halten Grün-,Weide- und Steppenland intakt. Dauerbegrüntes Landspeichert große Mengen Kohlenstoff: nicht nur in denoberflächlichen Graspflanzen, sondern vor allem imBoden. Entscheidend ist die dauerhafte Bedeckung mitmehrjährigen Gräsern, deren biologische Aktivität durchnachhaltiges Beweidungsmanagement gefördert wirdund so letztlich zur Humusbildung beiträgt.

Grasslands of the World

2005 veröffentlichte die WelternährungsorganisationFAO auf fast 500 Seiten eine Bestandsaufnahme derweltweiten Graslandvorkommen – Grasslands of theWorld.II Während wir aus Gewohnheit von Grünlandsprechen, verfügt Grasland in (semi-)ariden Regionennach einer Regenzeit nur für begrenzte Zeit über dasbei uns so selbstverständliche Grün. Klimaexperten,die Grasslands Carbon Working Group, untersuchendie Bedeutung des Graslandes für die Kohlenstoff-speicherung und veröffentlichen länderspezifische

Dünger insgesamt(1961 = 31.2 Mt)

Stickstoffdünger(1961 = 11.6 Mt)

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961

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1960 1970 1980 1990 2000 2011

Zunahme des (Stickstoff-)Düngerverbrauchs weltweit (1961-2005)

Quelle: FAO

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Informationen zu den Gras-Ökosystemen.III DerenGesamtfläche beträgt 52,5 Mio. km². Somit bedecktGrasland über 40 % der Landfläche der Erde2 IV undca. 70 % der Flächen, die die FAO der Landwirtschaftzuordnet. Dennoch – das Wissen über seine speziel-len und je nach Klimazone unterschiedlichen Eigen-schaften ist erstaunlich wenig verbreitet. Weil völligunterschätzt, kommt Grasland in Debatten über dieZukunft unseres Planeten meistens gar nicht vor.V

Das könnte sich ändern. Das muss sich ändern.

Die gigantischen Grasslands of the World speichernin ihren Böden mehr als ein Drittel des globalen Koh-lenstoffs. In Steppenböden wird regional mehr als80 % der Biomasse in den Wurzeln vermutet.VI Weilaber dem Grünland bislang so wenig Bedeutung bei-gemessen wird, liegt darin zzt. vor allem ein großesRisiko. Denn wird Grünland umgepflügt, führt das zuerheblichen Verlusten von Kohlenstoff und Biomasseaus dem Boden – in vielen Regionen bis zu einemDrittel der gespeicherten Menge.VII Bisher dominiertedie steigende Nachfrage nach eiweiß- und energie-reichem Futter für die industrialisierte Landwirtschaftbei der Abholzung von Regenwald und dem Umbruchvon Grünland. Inzwischen fordert zudem der Energie-verbrauch seinen Tribut. Viele Monokulturen sind ausenergetischer Sicht absurd, wenn man den zu ihrerErzeugung notwendigen Input, vor allem den Ener-gieverbrauch, vom Output abzieht. Das gilt für denexpandierenden Anbau von Hochleistungstierfutterebenso wie für die Produktion von Agrarkraftstoffen.Denn nachhaltig genutztes Grünland kann pro Flä-cheneinheit mehr nutzbare Energie hervorbringen alsEthanol aus Mais oder Soja. Und gleichzeitig kann eseinen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgaseund zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit leisten.VIII

In mehrjährigen Versuchen in den USA lag der Grün-landertrag nach einem Jahrzehnt 238 % über derErnte der Monokulturen.IX

Globale Landschaftsgärtner

Eine tragende Rolle für die Humusentstehungspielen die Wurzeln der Gräser. Man könnte ver-einfacht sagen: Die Wurzeln von heute sind derHumus von morgen. Die Wurzelbildung hängtdirekt vom Rhythmus der Beweidung ab. Ganzentscheidend ist dabei, dass dem Grasland beider Beweidung immer wieder eine Pause gegönntwird, während derer das abgefressene und mit denExkrementen der Tiere versorgte Grasland rege-neriert. Mit der Energie der Sonne kann frischesGras wachsen und zusätzliche Wurzelmasse aus-bilden. Ein Anschauungsmodell für diesen Prozess– einschließlich der Regenerationszeit – sind dieriesigen Gnu-Herden, die heute noch durch Afrikaziehen. Was man dort auf Safaris erleben kann, istgleichsam ein Blick in die Naturgeschichte, denndiese Regionen sind wie alle anderen Grasslandsof the World in Koevolution zwischen den Grä-sern und den Grasern entstanden. Während dieWisent- und Auerochsen-Herden, die die Bödenund Landschaften Eurasiens mitgeprägt haben,seit langem aus dem kollektiven Gedächtnis ver-schwunden sind, erinnern sich noch heute Ameri-kaner an Geschichten ihrer Vorfahren über dieeinst riesigen Bison-Herden. Schätzungen überdie Zahl der Bisons, die die Prärien Nordamerikasbeweideten, liegen noch für das frühe 19. Jahr-hundert bei mehr als 30 Mio. Heute weisen dienordamerikanischen Böden Humusverluste vondurchschnittlich mehr als 25 % auf. Das betrifftauch die teilweise sogar meterdicken Prärie-böden, auf denen nun seit Jahrzehnten Mono-kulturen mit Soja, Mais oder Getreide angebautwurden. Aber je besser die Gunstlagen, destoschwerer tun wir Menschen uns oft damit zuerkennen, dass der Boden bzw. seine Frucht-barkeit schwindet.

2 Nicht einberechnet sind die Eisflächen Grönlands und der Antarktis, wo es bisher kein Grünland gibt. In Europa wächst auf einem Viertel der Landfläche Grünland.

Mischbeweidung: wichtig – für die geschlossene Grasnarbe unddie Biodiversität; hier Wasserbüffel und Galloway-Rinder

Geschlossene Grasnarbe: wichtig – auch im Winter

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Geniale Futterverwerter

So betrachtet, entsteht bei der Berücksichti-gung des Kohlenstoffkreislaufs nicht nur eineandere Klimabilanz, sondern auch ein völliganderer Blick auf die Landwirtschaft und dieWiederkäuer. Nicht die Kuh ist der Gau, son-dern landwirtschaftliche Systeme, die unsereNutztiere vom Grasland aussperren und sie mitimmer eiweißreicherem Kraftfutter aus Mais,Soja und Getreide zu Nahrungskonkurrentendes Menschen machen. Denn je nach Systemist Kuh eben nicht gleich Kuh. Kühe, Schafeund Büffel besitzen die großartige Fähigkeit, inSymbiose mit ihren Mikroorganismen im Pan-sen Weidefutter in Milch und Fleisch umzuwan-deln. So gesehen sind Rinder nicht nur keineschlechten, sondern geniale Futterverwerter.Deshalb sind sie zur Nutzung derjenigenFlächen prädestiniert, die nicht beackert, aberwie Almen oder Grassteppen durch nachhaltigeBeweidung vor Erosion geschützt werden kön-nen. Hingegen sind Milch und Fleisch aus Inten-sivproduktion nur scheinbar billig. Die Rechnungkommt später. Auf dieser Rechnung stehenauch die verdrängte biologische Vielfalt, dasumgebrochene Grünland und die damit verbun-dene CO2-Freisetzung sowie der für den Futter-mittelanbau gerodete (Regen-)Wald.

Ja, Kühe rülpsen Methan. Dennoch sind sieund andere Wiederkäuer unverzichtbar für dieWelternährung – durch ihren Beitrag zur Erhal-tung der Bodenfruchtbarkeit und zur Begren-zung des Klimawandels in nachhaltiger Weide-haltung. Deshalb müssen wir nicht nur die Kuhrehabilitieren, sondern auch die Systemfragestellen. Die Entscheidung, ob wir mit Kühen dasKlima killen oder das Klima schützen, liegt beiuns.

LiteraturI Schulze, E. D. (2010): Ausschussdrucksache 17(10)101-D.

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz. Fragenkatalog für die Öffentliche AnhörungLandwirtschaft und Klimaschutz am Mittwoch, 22. Februar2010 in Berlin

Schulze, E. D.; Luyssaert, S.; Ciais, P.; Freibauer, A.;Janssens I. et al. (2009): Importance of methane andnitrous oxide for Europe’s terrestrial greenhouse-gasbalance. Nature Geoscience, pp 842-850.

II Sutti, J. M.; Reynolds, S. G. and C. Batello (Eds.) (2005):Grasslands of the World. FAO, Rom.

White, R., Murray, S. and M. Rohweder (2000): 387-400.

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung GlobaleUmweltveränderungen (WBGU) (2009): Welt im Wandel –Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung.WBGU, Berlin, S. 37-39.

III Zum CO2-Speicherpotenzial von Grünland vgl. FAO (2009):Grasslands. Enabling their Potential to contribute toGreenhouse Gas Mitigation, Rome.

IV White, R., Murray, S. and M. Rohweder (2000): Pilotanalysis of global ecosystems. Grassland Ecosystems.WRI, Washington.

V Sutti et al. (2005) a.a.O.VI Reichholf, J. H. (2004): Der Tanz um das goldene Kalb.

Der Ökokolonialismus Europas. Berlin, S. 126-127.

Grace, J., San Jose, J., Meir, P., Miranda, H. and R.Montes. 2006. Productivity and carbon fluxes of tropicalsavannas. Journal of Biogeography 33, pp 387-400.

VII Guo, L. and R. Gifford (2002): Guo, L. and R. Gifford(2002): Soil carbon stocks and land use change. A metaanalysis. Global Change Biol. 8, pp 345-360, Oxford.

VIIITilman, D.; Hill, J. and C. Lehman (2006): Carbon-negativebiofuels from low-input high biodiversity grassland biomass.Science Vol. 314, pp 1598-1600.

IX Tilman et al. (2006) a.a.O.

Weitere Informationen sind in demBuch von Anita Idel „Die Kuh istkein Klima-Killer! Wie die Agrar-industrie die Erde zerstört und waswir dagegen tun können“, Metro-polis-Verlag, Marburg, 210 Seiten,18 € (http://www.metropolis-verlag.de/Die-Kuh-ist-kein-Klima-Killer!/820/book.do) nachzulesen.

Rinderzucht auf Lebensleistung

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Lernen auf dem Bauernhofals Bildung für nachhaltige Entwicklung

Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine Argumentationshilfe des Bundesforums LernortBauernhof für diejenigen, die gegenüber Kultusministerien, Schulträgern usw. bemüht sind, denBauernhof (LOB) als wichtigen Ort für ein handlungs- und erlebnisorientiertes Lernen zu vermitteln.

1. Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln prägte Wissen und Einstellungen

Bis in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war die Selbstversorgung mit Grundnahrungsmittelnaus der eigenen kleinen Landwirtschaft in unserem Land noch weit verbreitet. Von Kind auf bekam man mit,wie wichtig es war, für die eigene Familie rechtzeitig vorzusorgen, d. h. im Frühjahr zu säen, im Sommer dieheranwachsenden Pflanzen zu pflegen und im Herbst für den Winter zu ernten – im Kreislauf der Natur.Das Ernährungsbewusstsein und -verhalten war geprägt von dem, was der eigene Garten und Acker überdas Jahr hergab. Erdbeeren zu Weihnachten z. B. waren unbekannt.

Zugleich wurde einem bereits als Kind vermittelt, dass ohne Aufwand (Zeit, menschliche und tierische Ar-beitskraft usw.) und Verantwortungsbewusstsein kein ausreichender Ertrag zu erwarten war. Jedes Famili-enmitglied hatte seinen Beitrag zu leisten für eine gedeihliche Entwicklung von Pflanzen und Tieren, ohnesich damals des Begriffsinhalts von „Nachhaltigkeit“ mit seinen heute für wichtig gehaltenen drei Dimensio-nen „Ökonomie“, „Ökologie“ und „Soziales“ bewusst gewesen zu sein.

2. Nunmehr zunehmende Wissens- und Erfahrungsdefiziteüber die Herstellung von Lebensmitteln

Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist inzwischen sehr stark rückläufig. Der strukturelle Wandelwird weitergehen. Auf eigene Erfahrungen beim verantwortungsvollen Säen, Pflegen und Ernten von Pflan-zen oder bei der artgerechten Tierhaltung können nur noch wenige Menschen zurückgreifen. Und die Zahlwird stetig kleiner. Das spielt in den Augen unserer Bevölkerung im Grunde keine Rolle. Denn unser Essenkommt im Bewusstsein der Verbraucher kontinuierlich aus den Regalen der Supermärkte. Zwischen derjahreszeitlich ausgerichteten Produktion von Nahrungsmitteln auf den Äckern und in den Ställen und denlebensnotwendigen alltäglichen „Mahlzeiten“ besteht für viele Menschen keine Verbindung mehr. Das Wis-sen, dass zunächst Kraft und Zeit in etwas investiert werden muss, bevor man es ernten oder genießenkann, ist jungen Menschen zwar theoretisch zu vermitteln. Dieses bleibt jedoch nur oberflächlich haften,solange es nicht durch eigene Erfahrungen lebendig und nachhaltig wird.

Hieraus resultiert eine erhebliche gesamtgesellschaftliche Herausforderung: Zunehmende Entfremdungder Kinder und Jugendlichen – der Verbraucher von morgen – von den zentralen Lebensgrundlagen, wieBoden und Wasser, biologischer Vielfalt und einer gesundheitlich ausgerichteten Ernährung. Dem mussverstärkt in unserem Bildungssystem entgegengewirkt werden. Letztlich geht es um die auch angesichtsdes drohenden Klimawandels immer wichtigere Bereitschaft der Menschen, sich für eine nachhaltigeEntwicklung (BNE) einzusetzen.

Unter „Nachhaltiger Entwicklung“ wird ein Prozess verstanden, der „die Bedürfnisse der Gegenwartbefriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre (eigenen) Bedürfnisse nicht befriedigenkönnen“ (Brundtland-Report, 1987).

3. Unsere gesellschaftliche Chance:Der Bauernhof als integrierter Lernort im Bildungssystem

Auf Bauernhöfen ist es möglich, den nachhaltigen Umgang mit Pflanzen und Tieren selbst zu erfahren unddaraus prägende Erkenntnisse für das eigene weitere Leben abzuleiten. Diese Möglichkeit zu nutzen, sollkeine Konkurrenz zu den Lernorten Kindergarten und Schule sein; sie soll ergänzenden Charakter haben.Der ergänzende Charakter soll darin zum Ausdruck kommen, dass der Lernort Bauernhof integraler Teil desformalen Bildungssystems ist.

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Lehrplänen sollen die Anbieter von „Lernort Bauernhof“ entnehmen (können), was an Dienstleistungen vonihnen erwartet wird. Wer diese Dienstleistungen nachfragt, soll sich darauf verlassen können, dass demAnforderungsprofil qualitätsbewusst entsprochen wird. Im Einzelnen können/sollen beim Lernen auf demBauernhof durch entsprechende Methoden folgende Ziele verfolgt bzw. Inhalte vermittelt werden:

a) Wissen erwerben- Grundlagenwissen über natürliche Zusammenhänge; Kreislaufdenken; Produzieren je nach Jahreszeit- Herkunft von Lebensmitteln, ihre regionale Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung;- Anbau- und Bewirtschaftungsformen und ihre Bedeutung für eine vielfältige Kulturlandschaft;- Erkennen und Bewertung von Alternativen für gesundheitsbewusste und umweltorientierte Ernährungsweisen;- Einsicht in globale Herausforderungen und Konsequenzen für lokales Handeln.

(nicht abschließend)

b) Individuelle Kompetenzen erwerben wie Bewertungskompetenz, Sozialkompetenz, Gestaltungskompetenz- durch Gelegenheit zu praktischem, konkretem Handeln („Lernen durch Tun“);- durch Auseinandersetzung mit Widersprüchen und Zwängen bei der Verwirklichung von ökonomischen,

- ökologischen und sozialen Zielen einer nachhaltigen Entwicklung;- durch Interessenartikulation und -findung im Hinblick auf die berufliche Orientierung Jugendlicher;- durch realistische Einschätzung, dass alles Leben natürlichen Prozessen unterliegt: Von der Fortpflanzung- über Geburt, Jugend, Alterung bis zum Tode;- durch Übertragung von neuen Erkenntnissen in das eigene Lebensumfeld;- durch Übernahme von Mitverantwortung und Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein;- durch Erfolgserlebnisse und positive Stimulierung von Engagement.

(nicht abschließend)

4. Wichtig für den Erfolg: Vernetzung und Zusammenarbeit der landesweiten bzw. regionalen Akteure

Das nachhaltige Funktionieren des Lernortes Bauernhof steht und fällt mit der Vernetzung und Kooperationregionaler Partner, die den Lernort einerseits nachfragen (Kindergärten, Schulen, Elterninitiativen) und ihnandererseits entsprechend den Erziehungszielen und Lehrplänen qualifiziert anbieten (landwirtschaftlicheBetriebe, Schulbauernhöfe). Jede Seite ist gefordert, sich hier einzubringen.

Auf der Seite der potenziellen Nachfrager ist zunächst einmal die Beschäftigung mit den grundsätzlichenMöglichkeiten notwendig, was auf Bauernhöfen im Sinne eines Lernprozesses für eine nachhaltige Entwick-lung erfahrungs- und erlebnisorientiert vermittelt wird und werden kann. Ferner gilt es, die spezifischenLernziele und Anforderungen für den jeweiligen Träger, z. B. als Curriculum, konkret zu beschreiben.

Auf der anderen Seite haben die landwirtschaftlichen Betriebe, die daran interessiert sind, als Lernort zufungieren, ein entsprechendes Angebot (Produkt) zu entwickeln und bei Bedarf ggf. im Dialog mit der Nach-frageseite fortzuschreiben. Qualifizierte Leistungen landwirtschaftlicher Betriebe als außerschulischer Lernortbedürfen einer motivierenden, finanziellen Honorierung; sonst können die Leistungen nicht nachhaltig er-bracht werden. Als Finanzierungsquellen bieten sich öffentliche Fördermittel (von Land, Kommunen), dieBildung von Elterninitiativen, Fördervereinen oder Stiftungen an.

Regionale Koordinationsstellen sollen zwischen den Trägern von Bildungsmaßnahmen (z. B. Schulen) undinteressierten landwirtschaftlichen Betrieben vermitteln, um einerseits den Lehrpersonen die Durchführungeines erfahrungs- und erlebnisorientierten Lernens auf Bauernhöfen organisatorisch zu erleichtern. Anderer-seits sollen sie den Anbietern qualifizierter Programme u. a. beim Marketing behilflich sein. Dieses Marketingwird umso erfolgreicher sein, je transparenter und glaubwürdiger nachgewiesen werden kann, dass der Er-werb von Schlüsselqualifikationen wie Urteils- und Entscheidungsfähigkeit auf Bauernhöfen im Rahmen quali-fizierter Programme gelingt. Über die Notwendigkeit einer verlässlichen Zertifizierung ist in Abhängigkeit vonden weiteren Erfahrungen zu entscheiden.

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5. Bundesforum als „Runder Tisch“ interessierter Organisationen und Institutionen

Für die Verwirklichung der o. a. wichtigen gesellschaftlichen Ziele spielt das Bundesforum „LernortBauernhof“1 eine zentrale Rolle. Dieses Forum hat im Sinne eines die Ländergrenzen und damit Bil-dungszuständigkeiten übergreifenden Runden Tisches folgende Aufgaben:

- „Lernen auf dem Bauernhof“ in Lehrplänen und Schulprogrammen voranzubringen,

- bundesweit Fortbildungsmaßnahmen für Lehrpersonen und landwirtschaftliche Familien zu koordinieren und mit den Landesstellen inhaltlich zu strukturieren,

- Qualitätsstandards untereinander abzustimmen,

- Begleitmaterial, Leitfäden für den Unterricht usw. so aufzubereiten, dass Vielfalt und Übersichtlichkeit gewahrt sind,

- regionale Vermittlungs- und Koordinationsstellen organisatorisch und fachlich zu unterstützen.

Entscheidend für den Erfolg des „Lernortes Bauernhof“ ist und bleibt das starke Engagement derAkteure vor Ort, um Lernen auf dem Bauernhof als Konzept einer Bildung für Nachhaltige Entwicklungumzusetzen.

1 Das Bundesforum „Lernort Bauernhof“ wurde 2006 in Bonn unter dem Dach des information.medien.agrar e.V. (i.m.a) gegründet, um alleOrganisationen und Institutionen, die mit dem Vermitteln lernortbezogener Informationen und mit der Umsetzung von Aktionen auf Bauernhöfenbefasst sind, zu einer verstärkten Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg zusammenzuführen.Der Vorsitz liegt bei Prof. Dr. Hermann Schlagheck. Die Geschäftsstelle ist erreichbar unter: Bundesforum „Lernort Bauernhof“,c/o information.medien.agrar e.V., Adenauerallee 127, 53113 Bonn, Tel. (0228) 97 99 37-4, Fax (0228) 97 99 37-5, [email protected],www.lernenaufdembauernhof.de.

Landwirtschaft im KinderbuchHäufig stehen Eltern und Großeltern vor der Aufgabe, aus der

Fülle des Angebots an Kinderbüchern zum Thema „Bauernhof“auszuwählen. Diese überarbeitete i.m.a-Kinderbuchliste stelltempfehlenswerte Titel zum Thema Bauernhof für Kinder ver-schiedenen Alters vor. In der vierten Auflage wurden Neuer-scheinungen aus den letzten Jahren berücksichtigt. Die ausge-wählten Bücher belegen, wie vielfältig und abwechslungsreichdie Landwirtschaft in unserer modernen Industriegesellschaft ist.Sie sollen dazu beitragen, dass sich Kinder von heute – unddamit Verbraucher von morgen – altersgerecht und doch sorealistisch wie möglich das Leben und Arbeiten auf Bauernhöfenmit Spaß und Freude erschließen können.

Bestellung: information.medien.agrar e.V. (i.m.a),Tel. (0228) 97 99 37-0, [email protected]

Download: pdf unter www.ima-agrar.de/Medien.medien.0.html

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Tiergestützte Pädagogikim Bauernhof-KindergartenDr. Inge A. Strunz*

Werden Tiere als ein interaktivesElement in das pädagogischeGesamtkonzept eines Kindergartensintegriert, so eröffnen sich wertvolleLernchancen, zumal sich dieZielsetzungen einer tiergestütztenPädagogik mit denen der Bildungfür nachhaltige Entwicklungverbinden lassen.

* Dr. Inge A. Strunz, Pädagogik mit Tieren (PÄ-TI), Wolketsweiler, [email protected], http://pae-ti.de/1 Exemplarisch sei auf folgende Publikationen verwiesen: Olbrich/Otterstedt 2003; Heymann-Szagun 2008; Strunz/Thomas 2010.2 Ein Überblick über die Teilkompetenzen der Gestaltungskompetenz findet sich in der Broschüre Programm Transfer-21 (S. 8ff).3 Stoltenberg, Ute (2008): Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich. Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg.

Workshop "Bildung und Wissen als Motoren für eine nachhaltige Entwicklung". Stuttgart: Vortrag v. 25.06.2008.4 Gebauer/Nobuyuki (2005, S. 45) und Zemanek (1992, S. 13) weisen darauf hin, dass Tiere durchaus auch negative Reaktionen (Angst, Ekel etc.)

bis hin zu Phobien hervorrufen können.

Tiergestütztes Lernenim Bauernhof-Kindergarten

Wissenschaftliche Studien sowie eine Vielzahl anPraxisberichten legen den Schluss nahe, dass einepositive Kind-Tier-Beziehung die kindliche Entwick-lung in unterschiedlichen Kompetenzbereichengünstig beeinflusst1. Darüber hinaus ist die realeBegegnung mit Tieren vermutlich ein bedeutsamerMotivationsfaktor für den Erwerb von Basiskompe-tenzen, die für ein vom Nachhaltigkeitsgedankengeprägtes Denken und Handeln grundlegend sind.

Damit Teilkompetenzen einer Bildung für nach-haltige Entwicklung2 bereits schon im Elementar-bereich anzubahnen sind, müssen vorschulischeBildungseinrichtungen Lern-, Erfahrungs- und Ge-staltungsort zugleich sein3. Bauernhof-Kindergär-ten, die Kinder (altersgemäß) in die Lebens- undArbeitswelt eines Hofes einbinden, sind solche Orte.Kleine Kinder machen hier in einem spannendenUmfeld und in direktem Kontakt mit (Nutz-)Tierenelementare Naturerfahrungen und entdecken ihrBewusstsein für die Tierwelt und unsere Umwelt.Dies ist der Ausgangspunkt für eine handlungs- underfahrungsorientierte Vermittlung von Basiswissenüber natürliche Zusammenhänge sowie über dieHerkunft, Produktions- und Verarbeitungsweise von

Lebensmitteln. Zugleich erfahren sich die Kinderdurch ihre aktive Beteiligung am landwirtschaftli-chen Geschehen (beispielsweise wenn sie bei dentäglich anfallenden Stallarbeiten oder bei der Anlageeines Beetes mithelfen) als unverzichtbare, verant-wortungsvolle (Mit-)Gestalter der gemeinsamenLebenswelt.

Tiere als Miterzieher

Den Tieren fällt die Rolle eines Miterziehers zu, dasie den Kindern Zuverlässigkeit, Einfühlungsvermö-gen, Rücksichtnahme, Verzicht, Respekt etc. abver-langen. Grundbedingung ist der Aufbau einer posi-tiven Beziehung zum Tier, was jedoch nur gelingt,wenn Kinder lernen, sich gegenüber dem Tier/denTieren angemessen zu verhalten und mit ihm/ihnenachtsam umzugehen. Impulsivität sowie ungestü-mes, lautes Verhalten wird die meisten Tiere eherzu einem abwehrenden Verhalten und schließlichzum Rückzug veranlassen.

Da Tiere bei Kindern überwiegend positive Emo-tionen4 hervorrufen, stellen tiergestützt arbeitendeEinrichtungen für den Abbau unerwünschter Verhal-tensweisen und das Einüben eines positiven Sozial-verhaltens ein besonders geeignetes Übungs- undLernfeld dar. Vernooij und Schneider (2008, S. 25)

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Beziehungsaufbau Kind – Tier

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schreiben: „Erfahrungen von Bindung und Vertrau-en, von Zuverlässigkeit und Zuneigung im Umgangmit Tieren, können wertvolle Hilfen auch für zwi-schenmenschliche Beziehungen sein“.

Lernen am Modell

Um eine vertrauensvolle Mensch-Tier-Beziehungzu erfahren, benötigen Heranwachsende Vorbilder,die Orientierung bieten und zu ethisch motiviertemHandeln anregen5. Wie dies in der Praxis aussehenkann, wird in nachfolgendem Interviewausschnittdeutlich:

„Im Bauernhof-Kindergarten leiten erfahrene Erzie-herinnen die Kinder zu einem friedvollen Miteinandersowie zu einem rücksichtsvollen Umgang vonMensch und Tier an. Das Kind entwickelt so allmäh-lich für das Mitgeschöpf Tier ein ‚Gespür‘. Es lernt,mit der Zeit, behutsamer mit anderen Lebewesenumzugehen. Was darf ich? Was darf ich nicht? Undich denke, dass die Kinder nicht nur empathiefähigwerden, sondern zugleich eine enorme Sozialkom-petenz entwickeln. […] Es kommt mitunter vor, dasssich mehrere Kinder zusammenschließen, um dieHühner zu jagen. Dann werden sie nicht nur von derErzieherin davon abgehalten, sondern sie erklärtihnen, weshalb man die Hühner nicht über dieganze Wiese scheuchen sollte. Die Erzieherinnenund der Landwirt sind Vorbilder im rücksichtsvollenUmgang mit den Tieren. Sie zeigen den Kindern,wie schön es sein kann, sich einem Huhn ganzlangsam zu nähern und allmählich das Vertrauendes Tieres zu gewinnen, das sich dann vielleicht einpaar Körner abholt. Solche positiven Erlebnissemotivieren die Kinder, selbst achtsamer im Umgangmit den Tieren zu sein und sich diesen gegenüberrücksichtsvoller zu verhalten.“ (Muhs6 im Gesprächmit der Autorin 2010).

Tiere als Lernhelfer

Doch werden im Umgang mit Tieren nicht nurRücksichtnahme und Empathie geübt, sondern eskönnen zugleich angemessene Formen der Selbst-behauptung erlernt werden, wie eine Erzieherinberichtet:

„Am Anfang haben sie [die Kinder] die Erfahrunggemacht, dass die Hühner sie picken können. Eini-gen Kindern macht das gar nichts aus. Andereziehen ihre Winterschuhe an.“

Im Kontakt mit Tieren erhöht sich zugleich dieSelbstaufmerksamkeit, sodass die Selbstwahrneh-mung der Kinder steigt. Der Vergleich von Menschund Tier liefert Informationen über den eigenen Kör-per, über artspezifische Verhaltensweisen und (be-grenzte menschliche) Fähigkeiten. So machen „dieKinder z. B. den Schreitest, um herauszufinden, obSchweine oder Kinder lauter schreien können“(Muhs im Gespräch mit der Autorin, 2010). Allmäh-lich entwickelt sich ein realistisches Bild von deneigenen Stärken und Schwächen7. „Formen ver-zerrter Wahrnehmung von sich selbst, von anderen,von Situationen, z. B. bei Kindern mit Verhaltens-auffälligkeiten, können im Kontakt mit dem Tierdeutlich werden und in einem behutsam unterstüt-zenden Prozess unter Umständen korrigiert wer-den“ (Vernooij/Schneider 2008, S. 113).

In der intensiven Beschäftigung mit dem Tier/denTieren kann die Wahrnehmung zugleich auf be-stimmte Dinge gelenkt werden (z. B. kann das Kinddie Körpersprache des Tieres „lesen“ lernen oderdas Sozialverhalten einer Tierfamilie beobachten).Selbst Tiere, denen man sich nicht nach Belieben

5 Vgl. Meves/Illies 1981, S. 72; Bauer 2006, S. 19ff6 Anne-Marie Muhs ist Gründerin und Leiterin des bundesweit 1. Bauernhof-Kindergartens (2000) sowie Koordinatorin für Bauernhof-Kindergärten der

Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof e. V. (BAGLoB). Weitere Informationen unter: www.hofschlachterei-muhs.de7 Vgl. Schwarzkopf/Olbrich 2003, S. 264

Angeleitetes Beobachten förderteine differenzierte Wahrnehmung

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nähern kann um sie zu streicheln, eignen sich hier-für. Durch gezielte Lenkung der Wahrnehmung (z. B.konzentriertes Hinhören; behutsames Abtasten; be-wusstes Erschnuppern; aufmerksames Beobachten)entdecken Kinder häufig bislang nicht Wahrgenom-menes. Tiere übernehmen dabei stets, über die Mitt-lerfunktion in der Kind-Natur-Beziehung hinausge-hend, die Rolle von Lernhelfern, etwa auch dann,wenn es um die Weiterentwicklung kommunikativerFähigkeiten von Kindern geht, denn sie regen dazuan, das Beobachtete und Erlebte zu versprachlichen.

Lernen mit Tieren berücksichtigt die Lebenswelt derKinder und kann, durch spezifische Themen, Lern-materialien und Medien (z. B. Bilderbücher, Fotos,Filme, Tierfiguren, Spiele, Experimente, Bastelanlei-tungen), systematisch erweitert und vertieft werden.Möglichkeiten des Wissenstransfers existieren zwei-felsohne, beispielsweise wenn das Gelernte auf dieeigene Heimtierhaltung übertragen wird. So berichteteine Kindergärtnerin von einem dreijährigen Mäd-chen, das seine Eltern regelmäßig daran erinnert,dass auch die Kaninchen zu Hause gemistet werdensollten.

(Schwierige) Kinder heute

Kinder nehmen ab dem 4. Lebensjahr von sichaus spielerisch Kontakt zu Tieren auf und versu-chen, eine Beziehung zum Tier aufzubauen8.Allerdings entwickeln nicht alle Kinder positiveemotionale Bindungen zu Tieren; sie könnendaher die damit verbundenen Gefühle nichtangemessen zum Ausdruck bringen9. Dass diesfür die verantwortlichen Erzieherinnen beson-dere Herausforderungen mit sich bringt, wurdeim Gespräch mit ihnen deutlich:

„Gerade Integrationskinder sind schwierig.Solche Aggressionskinder drehen mit ihrenGefühlen z. T. völlig durch, und dann ist es sehrwichtig, dass ein Erwachsener dabei ist. Wirlassen die Kinder nicht alleine in den Stall rein.[…] Es gibt wirklich viele Kinder, die denken: Daskleine Meerschweinchen, das kann ich ja malhochnehmen. Und dann lassen sie es runter-fallen. Also das ist auch schon vorgekommen.Da bedarf es einer ganz konsequenten Beglei-tung und immer wieder dem Beibringen derRegeln: Was brauchen Tiere? Tiere sind Lebe-wesen! Euch tut das auch weh, wenn man miteuch so umgeht! Und das ist für manche Kindernicht ganz einfach nachzuvollziehen.“

Neben den maßgeblichen kulturellen Deutungs-mustern sind es die auf biografischen Erfahrun-gen basierenden individuellen Wertvorstellungen,die die Einstellung eines Kindes zur Mitwelt prä-gen. So wird ein negatives Naturkonzept aufnegative Erlebnisse, auf ein anregungs- undhandlungsarmes Lernumfeld sowie auf einedefizitäre emotionale Umwelt zurückgeführt10.

Bauernhof-Kindergärten – innovativevorschulische Bildungseinrichtungen

Bauernhof-Kindergärten, die Heranwachsen-den Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten eröffnen,die sich am zukunftsfähigen Leitbild der Nach-haltigkeit orientieren, zielen auf die Entwicklungvon Gestaltungskompetenz, denn die nachfol-gende Generation soll in Natur- und Umwelt-belangen selbstbestimmt handeln und für diegemeinsame natürliche Lebensumwelt Verant-wortung tragen können. Bauernhof-Kindergärtensind damit Impulsgeber für die nachhaltige Ent-wicklung einer Region.

8 Vgl. Zemanek 1992, S. 49 Vgl. Meves/Illies, 1981, S. 7210Vgl. Gebauer/Nobuyuki 2005, S. 57ff; Braun 2009, S. 142f

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Literatur

Bauer, Joachim (2006): Spiegelneurone. Nervenzellen für dasintuitive Verstehen sowie für Lehren und Lernen. In: Caspary,Ralf et al: Lernen und Gehirn. Der Weg zu einer neuen Päda-gogik. Freiburg im Breisgau: Herder

Braun, Anna Katharina (2009): Wie Gehirne laufen lernen,oder: „Früh übt sich, wer ein Meister werden will“. Überlegun-gen zu einer interdisziplinären Forschungsrichtung „Neuro-pädagogik“. In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik.Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren undLernen. Weinheim: Beltz

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2009): Berichtder Bundesregierung zur Bildung für eine nachhaltige Entwick-lung. Berlin. Online verfügbar unter: www.bmbf.de/pub/bericht_fuer_nachhaltige_entwicklung_2009.pdf (Zugriff: 12/2009)

Gebauer, Michael/Nobuyuki, Harada (2005): Wie Kinder dieNatur erleben. Ergebnisse einer kulturvergleichenden Studie inJapan und Deutschland. In: Unterbruner, Ulrike/Forum Umwelt-bildung (Hrsg.): Naturerleben. Neues aus Forschung & Praxiszur Naturerfahrung. Innsbruck: Studienverlag

Heymann-Szagun, Elke (2008): Tiergestützte Frühförderung –Etablierung und Evaluation. Abschlussarbeit „TiergestützteTherapie/Tiergestützte Pädagogik“ am Institut für SozialesLernen mit Tieren, Wedemark. Online verfügbar unter:www.szagun.de/tiergestuetzt/images/Abschlussarbeit.pdf(Zugriff: 11/2010)

Meves, Christa/Illies, Joachim (1981): Geliebte Gefährten.Tiere als Hausgenossen und Miterzieher. Freiburg: Herder

Olbrich, Erhard/Otterstedt, Carola (2003): Menschen brauchenTiere. Grundlagen und Praxis der tiergestützten Pädagogik undTherapie. Stuttgart: Kosmos

Programm Transfer-21: www.transfer-21.de/ (Zugriff: 07/2009)

Otterstedt, Carola (2007): Mensch und Tier im Dialog. Kommu-nikation und artgerechter Umgang mit Haus- und Nutztieren.Methoden der tiergestützten Arbeit und Therapie. Stuttgart:Kosmos

Schwarzkopf, Andreas/Olbrich, Erhard (2003): Lernen mitTieren. In: Olbrich, Erhard/Otterstedt, Carola (Hrsg.): Menschenbrauchen Tiere. Grundlagen und Praxis der tiergestütztenPädagogik und Therapie. Stuttgart: Kosmos

Strunz, Inge A./Thomas, Shannon (2010): Animal-SupportedEnvironmental Education in a German-English Zoo Preschool.In: Bilingual Preschools, Volume I. Learning and Development.Ed. by Kristin Kersten, Andreas Rohde, Christina Schelletter,Anja K. Steinlen. Trier: Wissenschaftlicher Verlag

Vernooij, Monika A./Schneider, Silke (2008): Handbuch dertiergestützten Intervention. Grundlage, Konzepte, Praxisfelder.Wiebelsheim: Quelle & Meyer

Zemanek, Michaela (1992): Psychologische Perspektiven derMensch-Tier-Beziehung. Institut für Psychologie, UniversitätWien. Online verfügbar unter: http://iemt.at/files/622.pdf (Zugriff:03/2010)

11 Strunz/Thomas 2010

Dass tiergestützt arbeitende vorschulische Bil-dungseinrichtungen Lernangebote einer Bildungfür nachhaltige Entwicklung erfolgreich mit demfrühen Erwerb von Fremdsprachenkenntnissenverzahnen können, belegen neuere Untersuchungs-ergebnisse11. Für eine lernförderliche Gestaltungdes Kindergartenalltags scheint es zudem sinnvoll,folgende Aspekte zu berücksichtigen:

Es muss ein differenziertes pädagogischesKonzept existieren, das auch die verantwor-tungsvolle Arbeit mit den Tieren spiegelt;

die Erzieherinnen sollten, was das Tätigkeitsfeldder ‚Tiergestützten Pädagogik‘ betrifft, über einequalifizierte (Zusatz-)Ausbildung verfügen;

die Lernergruppen sind zahlenmäßig zu be-grenzen (ca. zehn Kinder pro Gruppe);

für Kinder muss die (beaufsichtigte) persönlicheKontaktaufnahme zu (ungefährlichen) Tierenmöglich sein;

zusätzlich zu Tieren und realen Dingen solltenaltersgemäße Lehr- und Lernmaterialien (Bü-cher, Spielfiguren, Fotos etc.) zum Einsatzkommen;

Das Einbeziehen weiterer Lernorte, an denenTiere eine Rolle spielen (z. B. Wald, Tierpark)sowie die Zusammenarbeit mit externen Exper-ten (z. B. Förster, Tierpfleger) ermöglichen esKindern, zusätzliche Erfahrungen zu sammelnund ihr Wissensspektrum zu erweitern;

bereits Vorschulkindern ist die globale Perspek-tive nicht vorzuenthalten, denn gerade Kinderfragen und fragen und fragen …

Obwohl Tiere für viele Kinder von großer Bedeu-tung sind und Fachleute auf den Mehrwert von Tie-ren für kindliche Erziehungs- und Bildungsprozes-se hinweisen (u. a. Meves/Illies 1981), wird derRolle und Wirkung von Tieren in Bildungseinrich-tungen bislang zu wenig forschungsrelevanteBedeutung beigemessen.

Konsens ist, dass bereits in der frühkindlichenLebensphase die Basis für ein verantwortungs-volles Mensch-Natur-Verhältnis und damit auchfür ein Nachhaltigkeitsverständnis zu legen ist.Für viele Familien ist die Haltung und Versorgungeines Tieres jedoch oftmals nicht möglich. Tier-gestützt arbeitende vorschulische Bildungseinrich-tungen werden daher in Zukunft wohl zunehmendan Bedeutung gewinnen.

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LSV in Bayern:

Befragung 55plusMichael Holzer*

Nirgendwo sonst in der Gesellschaft gibt es eine Berufsgruppe wie die Landwirte und Bäuerinnen,die weit über die übliche Altersgrenze hinaus arbeitet. Wohl keine andere Sozialversicherung hatprozentual so viele ältere Menschen versichert, wie die Landwirtschaftliche Sozialversicherung.Damit diese gesund alt werden können, haben die Landwirtschaftlichen Sozialversicherungen (LSV)in Bayern Bäuerinnen und Bauern, die 55 Jahre und älter sind, befragt. Ziel der LSVen ist es, ausdieser Befragung maßgeschneiderte Gesundheitsangebote zu entwickeln und anzubieten. Und weildie Landwirtschaft in ihrer Altersstruktur der übrigen Gesellschaft um Jahre voraus ist, ist es für dieGesellschaft insgesamt interessant, wie die LSV mit dieser Herausforderung umgeht.

* Michael Holzer, Land- und forstwirtschaftliche Sozialversicherung Niederbayern/Oberpfalz und Schwaben (LSV NOS), Landshut, Tel. (0871) 696-471,[email protected]

Das Besondere an der LSVist, dass sie für die Landwirts-familien Berufsgenossen-schaft (LBG), Alterssicherung(LAK), Kranken- und Pflege-kasse (LKK/LPK) in einemist. Im Idealfall betreut sie ih-re Kunden das ganze Lebenlang. Ihr oberstes Ziel musses sein, dass der Mensch ge-sund alt werden kann. Dasdient dem Menschen und ist,aus Kostengesichtspunktenbetrachtet, gut für das Sys-tem.

Die LSV steht dabei vor ei-ner besonderen Herausforde-rung: In Bayern sind mehr als60 % der LKK-VersichertenAltenteiler, also Rentner. Aufeinen Beitragszahler kom-men in der LAK mehr als zweiRentenempfänger. Über 40 %der neuen Unfallrenten (we-gen eines schweren Unfalls)erhalten Personen, die60 Jahre und älter sind. DieLandwirtschaft ist der demo-grafischen Entwicklung derAllgemeinheit um Jahre vo-raus, muss Herausforderun-gen jetzt bewältigen und kannnicht darauf warten, was dieAllgemeinheit tut. Vielleichtkann sie in dem einen oderanderen Bereich sogarModellcharakter haben.

Die gefragt, die’s angeht –Befragungsaktion 55plus

Besserer Kundendienst, maßge-schneiderte Angebote für mehr Ge-sundheit und Sicherheit sowie so-ziale Absicherung bis ins hohe Altersind die Ziele der Sozialversiche-rung für ihre Kunden. Um maßge-schneiderte Angebote entwickeln zukönnen, musste die LSV mehr überdie Bedürfnisse der Versichertenwissen. Zusammen mit den Land-frauen im Bayerischen Bauernver-band (BBV) startete sie in Bayerneine große Befragungsaktion –55plus. Mit dieser Aktion solltenz. B. folgende Fragen beantwortetwerden:

Warum arbeiten Land- undForstwirte bis ins hohe Alter?

Wie gesund/krank sind sie?

Wie stellen sich die Menschen imAlter von 55plus ihre Zukunft vor?

Über 8 000 Fragebögen habendie Ortsbäuerinnen auf den Be-trieben verteilt. Ihrem Engagementist es zu verdanken, dass fast 40 %der Fragebögen zurückgesandtwurden. Wissenschaftlich begleitetwurde die Befragung vom Institutiqpr an der Sporthochschule Köln.

Arbeit ist eine Quelle vonVitalität – auch im Alter

„Ich arbeite, weil mich die Arbeitgesund erhält“ – das war für 75 %der Befragten einer der Gründe,warum sie im Alter noch weiterar-beiten wollen. Arbeit ist also eineQuelle von Vitalität – auch im Alter.Was bedeutet das für die LSV?Wenn Sie den älteren Landwirtenempfiehlt, die unfallträchtige Wald-arbeit der Maschine oder den Pro-fis zu überlassen, muss sie Alter-nativen anbieten können. Sie mussdie Frage beantworten: Was istaltersgerechte Arbeit?

Arbeit ist eine Quelle von Vitalität. Die Frage, die sich aber stellt: Was ist altersgerechte Arbeit?

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Sturzprävention alsGesundheitsangebot

Die Befragten sind bis ins hoheAlter aktiv. Sie räumen auf, ge-hen nachschauen, rechen zusam-men, misten und füttern. Sie sindalso viel auf den Beinen, waszum einen gesund ist, zum ande-ren aber ist es meist ein Sturz,der den Oberschenkelhals bre-chen lässt und aus dem bis dahinmobilen Altenteiler einen Pflege-fall macht. Das will die LSV NOSverhindern. Sie hat sich deshalbzum Ziel gesetzt, auf dem Landflächendeckend Sturzpräven-tionskurse anzubieten. Dazuarbeitet sie mit dem BayerischenTurnverband (BTV) und den Orts-bäuerinnen des BBV zusammen.Ausgebildet durch den BTV ste-hen der LSV NOS in ihrem Dienst-gebiet bisher über 40 speziellausgebildete Übungsleiter zurVerfügung. Die Ortsbäuerinnenorganisieren die Kurse, für dieeine große Nachfrage besteht,unter dem Titel „Standfest und fitdurchs Leben“ in den Dörfern. Ingut einem Jahr wurden bereits100 Kurse durchgeführt. Trainiertwird nach dem sog. Ulmer-Mo-dell, das insbesondere ein inten-sives Muskelaufbautraining mitGewichtsmanschetten zum Inhalthat. „Seitdem ich den Kurs be-sucht habe, kann ich wieder vielleichter die Treppe zum Melk-stand rauf und runter gehen“, sodie Rückmeldung einer AllgäuerBäuerin.

Experten sagen voraus, dass dieSturzprävention ein zentrales The-ma für unsere alternde Gesell-schaft und das Gesundheitswesenwerden wird. Insofern sollten alleAkteure im Gesundheitswesen,aber auch Städte und Gemeinden,Vereine und Verbände zusammen-arbeiten, um eine flächendecken-de Sturzprävention aufzubauen.

Entlastung fürpflegende Angehörige

Die Befragung ergab, dass in derLandwirtschaft ca. dreimal so häu-fig Angehörige zu Hause gepflegtwerden, wie in der übrigen Bevöl-kerung. Die Pflegearbeit wird zu-sätzlich zur anderen Arbeit erledigt– vor allem durch die Bäuerinnen.Dies führt dazu, dass sie körper-lich und seelisch stark belastetsind. „Wir sind eure Kranken vonmorgen“, sagte eine Bäuerin, dieseit vielen Jahren ihren Schwie-gervater pflegt. Um diesen Men-schen zu helfen, bieten schon vieleLSVen in Deutschland Trainings-und Erholungswochen für pflegen-de Angehörige an. Dort lernen sieTipps und Tricks zur Pflege; aberauch, wie sie etwas für sich selbsttun können. Die LSV NOS hataufgrund der Befragung ihr Ange-bot noch ausgeweitet und sichzum Ziel gesetzt, Angehörigen-gruppen ins Leben zu rufen. Zu-dem wurden Pflegeberater aus-gebildet, die die Pflegepersonenund ihre Angehörigen zu Hauseberaten.

Die Zahl derer, die gepflegtwerden müssen, wird weitersteigen. Die häusliche Pflegewird auch in den Städten und inden außerlandwirtschaftlichenFamilien von großer Bedeutungwerden.

Betriebsübergabe –ein Gesundheitsthema

Betriebsübergabe ist ein The-ma für fast jeden Zweiten in derLandwirtschaft über 55 Jahre.Ist die wirtschaftliche Zukunftdes Hofes geklärt? Was istrechtlich zu beachten? Derar-tige Fragen bilden häufig nurdie Spitze eines Eisberges. Un-ter der Oberfläche verbergensich weitere Fragen: Werde ichnach der Hofübergabe noch ge-braucht? Wie sieht mein Lebennach der Übergabe aus? Dieseund viele weitere ungeklärteFragen gehen zu Lasten derGesundheit. Dass die Hofüber-gabe ein Gesundheitsthema ist,hat die Befragung 55plus ein-drucksvoll aufgezeigt. Deshalbbietet die LSV NOS ihren Kun-den im Rahmen eines Projektesein spezielles Seminar dazu an.Gefördert wird das Projekt vomBayerischen Staatsministeriumfür Umwelt und Gesundheit. Essoll u. a. feststellen, ob auchandere Berufsgruppen ähnlicheProbleme haben – z. B. fami-liengeführte Handwerksbetrie-be.

Krafttraining gegens Stürzen – macht Muskeln und Spaß Tipps und Tricks zur Pflege entlastendie Pflegeperson und geben Sicherheit

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Die Liebe zum Auto gefährdet die ErnährungssicherheitCarolin Callenius*

Es ist unbestreitbar: Der Einsatz fossiler Treibstoffe ist Hauptverursacher des Klimawandels. AlsAlternative wird die Herstellung von Treibstoffen aus Pflanzen als Königsweg einer ökologischenund nachhaltigen Energieerzeugung proklamiert. Doch solange der immense Energiehunger anhält,werden Agrartreibstoffe nur wenige Prozente des Energiebedarfs abdecken können. Sie bergen aberauch ökologische und soziale Risiken. Vor allem die Ernährungssicherheit von marginalisiertenGruppen ist durch die Konkurrenz der Agrartreibstoffe stark gefährdet.

* Carolin Callenius, Brot für die Welt, Tel. (0711) 21 59 741, [email protected] Eine aktuelle Studie der deutschen Bundesregierung konstatiert, dass etwa die Förderung von Erdöl maximal bis 2035 weiter gesteigert werden kann –

selbst wenn man zunehmend auf die teure Erschließung von Ölsanden, Schwerstölen oder Erdgaskondensaten setzt http://www.bgr.bund.de/cln_160/nn_323902/DE/Gemeinsames/Oeffentlichkeitsarbeit/Pressemitteilungen/BGR/bgr-101214.html

2 Brot für die Welt, Vereinigte Evangelische Mission (2011): Palmöl. Entwicklungen und Gefahren eines boomenden Marktes3 Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (2010): Daten und Fakten, Entwicklung der Anbaufläche. URL: http://www.nachwachsenderohstoffe.de/

service/daten-und-fakten/anbau/

Noch vor vielen Jahren wurden Agrartreibstoffeals eine mögliche Lösung für verschiedene Fragengesehen. Agrartreibstoffe sollen besonders umwelt-freundlich sein, weil sie den Verbrauch fossiler Roh-stoffe reduzieren und weil der Atmosphäre Treibstoff-gase entzogen werden. Neben dem Klimaschutzversprach man sich Energiesicherheit angesichtsder endlichen Erdölvorkommen1 und Impulse fürdie ländliche Entwicklung.

Allen voran die Europäische Union setzte sich ehr-geizige Ziele. 10 % sollen Erneuerbare Energien2020 im Transportsektor ausmachen. Doch nichtnur Europa, auch die USA (15 % bis 2017), Indien(20 % bis 2017), China (15 % bis 2020) und Brasi-lien (25 % Ethanol und 5 % Biodiesel-Beimischung)haben nationale Beimischungsvorgaben gesetzt.Damit wird eine politisch motivierte Nachfrage er-zeugt und die Produktion von Raps, Soja und Palm-öl für Biodiesel und Zucker, Mais und Weizen fürEthanol angeheizt.

Ernährungs- und Engergiesicherungkonkurrieren um Land und Wasser?

Die hohen Ausbauziele verheißen eine kontinuier-lich steigende Nachfrage nach Biomasse, die vieleEntwicklungsländer hoffen bedienen zu können. Sieweisen immer mehr Flächen als potenziell für dieAgroenergieproduktion geeignet aus. Zumeist wirddabei beteuert, die Flächenexpansion sei ohne Ge-fährdung der Ernährungssicherheit und der biologi-schen Vielfalt möglich. Daran jedoch mehren sichdie Zweifel.

Zwar belegen Agrartreibstoffe bisher nur einenkleinen Teil der landwirtschaftlichen Flächen, aberihre Produktion wird in vielen Ländern von Seiten

der Politik in hohem Maße gefördert. In Äthiopienbeispielsweise bietet derzeit der äthiopische Land-wirtschaftsminister Tefera Derbew weitere 3,6 Mio. haLand an ausländische Großinvestoren an. Die indo-nesische Regierung behauptet, es gebe 24 Mio. ha,die für die Umwandlung in Ölpalmplantagen geeig-net seien.2

Weltweit wachsen die Anbauflächen für Energie-pflanzen. In Deutschland ist im Vergleich zu den1990er Jahren der Anbau von nachwachsendenRohstoffen um ca. das Fünffache gestiegen.3 Dochum beim heutigen Stand der Technik auch nur 20 %des weltweiten Ölbedarfs über nachwachsendeRohstoffe zu decken, bräuchte man zwei Drittelder gesamten Ackerflächen der Welt.

Bereits bei der Landnutzung kollidieren die ZieleEnergiesicherung und Ernährungssicherung, dennBoden und Wasser sind auch Grundlagen für dasÜberleben der Kleinbauernfamilien. Partnerorgani-sationen von „Brot für die Welt“ in Papua Neugui-nea, Kolumbien, Brasilien und Sierra Leone berich-ten, dass der Aufkauf und die Pacht von großenLändereien vor Ort zunehmend zum Problem wer-den. Auf dem gleichen Land, das Bauern und Bäu-erinnen benötigen, um darauf Mais, Reis, Bohnenund Gemüse anzubauen, wollen Staaten oder Kon-zerne Exportprodukte, Futtermittel und Energie-pflanzen produzieren. Dazu nehmen sie vorzugs-weise beste Böden, die eine gute Infrastrukturan-bindung an Exporthäfen haben. Marginales, brach-liegendes Land aber dient meist als Begründungfür die Bepflanzung mit Energiepflanzen. Doch gibtes wirklich ungenutzte Flächen, die problemlos inAgrotreibstoffplantagen umgewandelt werden kön-nen? Die meisten vermeintlichen Brachen dienenindigenen Bevölkerungsgruppen, die ihre Tiere

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hüten, Wildfrüchte nutzen oder extensiv Landwirt-schaft betreiben, als Lebensgrundlage. Eine Um-wandlung dieser Gebiete bedeutet die Zerstörungihres Lebensraumes. Dadurch sind weltweit mög-licherweise 60 Mio. Menschen von Vertreibung be-droht. Sie bezeichnen die neue Landvergabe alsLandraub (engl. „Landgrabbing“), denn es sindüberwiegend bäuerliche Familien, die keine siche-ren Bodenrechte nachweisen können, die vertriebenoder überredet werden, ihr Land billig zu verkaufen.80 % der heute hungernden Menschen leben aufdem Land. Sie blicken angesichts dieser Entwick-lungen in eine ungesicherte Zukunft. Denn auf denstark mechanisierten Plantagen werden nur wenige(gut bezahlte) Arbeitsplätze geschaffen.

Teller oder Tank? Der Getreidepreis steigt

Ein großes Risiko für die Sicherung der Welter-nährung liegt aber in den Preiseffekten, die von derAgroenergieproduktion ausgehen. Auch wenn ihreWirkungen auf die derzeitig steigenden Preise nichtgenau auszumachen sind, so liegt unwidersprochenein enger Zusammenhang vor.

So wurde 2007/2008 fast ein Viertel der gesamtenMaisproduktion in den USA für die Bioethanolpro-duktion verwendet, fünf Jahre zuvor waren es nur11,9 %4. Dies ließ die Exportpreise für Mais aus denUSA um ca. zwei Drittel ansteigen. Die Wirkungenauf Mexiko, das zu 80 % von Maisimporten aus denUSA abhängt, wurden unter dem Begriff Tortilla-Kri-se weltweit bekannt. Denn schon minimale Preisän-derungen sind für arme Haushalte, vor allem Land-

lose, städtische Arme und bäuerliche Betriebe mitwenig Fläche Existenz bedrohend. 50-80 % ihresEinkommens müssen sie für ihre Ernährung ausge-ben.

Neben dem Preisanstieg für das Grundnahrungs-mittel Tortilla führten die steigenden Maispreiseauch zum Preisanstieg von anderen Nahrungs-mitteln. Zum einen wird Mais in dieser Situationdurch Reis und Weizen substituiert, und zum an-deren führen hohe Maispreise zu einer Ausweitungdes Anbaus zu Lasten von anderen Feldfrüchten.Das zunehmende Wachstum des Ethanolsektorswird die Nachfrage nach Getreide längerfristigverstärken, was die Nahrungsmittelverfügbarkeitverschärfen wird.5

Der Agrarausblick der OECD-FAO prognostiziert,dass die Preise für Nahrungsmittel bis 2019 um40 % steigen werden, zum Großteil wegen der stei-genden Nachfrage nach Bioenergie. Auch die Stu-die des Joint Research Centres (JRC), die im Auf-trag der EU-Kommission angefertigt wurde, kommtzu dem Schluss, dass die EU-Biospritpolitik zueinem 6,5-prozentigen Anstieg der Getreidepreisebis zum Jahr 2020 führen könnte. Jedoch steigenAgrarpreise nicht linear, vielmehr sind sie durchPreisschwankungen charakterisiert – die sog.Volatilität. Aufgrund der sehr niedrigen Getreide-vorräte wird vermutet, dass die Preisausschlägenoch größer werden. Auch der Ausbau der Agro-energie scheint die Volatilität zusätzlich zu erhöhen,da es zu einer engeren Kopplung von Agrar- undErdölpreisen kommt. Diese Kopplung ist besonders

Illegale Brandrodung im Gran Chaco in Argentinien. Stämme, Äste und Zweige des gebrochenen Waldes werden auf denzukünftigen Feldern verbrannt

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4 Chand, R. (2008): Rising global food Prices: Implications for India. National Centre for Agricultural Economics & Policy Research. New Delhi (S. 6)5 Brown L. (2008): Why Ethanol Production Will Drive World Food Prices Even Higher. URL: http://www.earth-policy.org/index.php?/plan_b_updates/

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bei jenen Agrarprodukten ausgeprägt, die nun ver-mehrt zur Energieerzeugung verwendet werden. Beiden Zuckernotierungen etwa lässt sich bereits einehohe Korrelation mit dem überaus volatilen Erdöl-preis beobachten. Die Vereinten Nationen machendarauf aufmerksam, dass dieser Effekt ebenfalls dieErnährungssicherheit beeinträchtigt: „Größere Preis-volatilität kann noch schädlicher für die Ernährungs-sicherheit sein als langfristige Trends, da Armekurzfristige Preisausschläge für gewöhnlich nichtverkraften können.“6

Die gestiegenen Agrarpreise können nur dann zueiner Revitalisierung der ländlichen Räume führen,wenn strukturelle Änderungen durchgeführt werden,die garantieren, dass Agrartreibstoffe weder die bäu-erlichen Betriebe vertreiben noch die Lebensmittel-produktion ersetzen. Deshalb müssen lokale Agrar-systeme neu ausgerichtet werden, Menschen undUmwelt in den Mittelpunkt der ländlichen Entwick-lung gestellt werden statt die Gewinne weniger Kon-zerne zu steigern. Dies ist eine Frage der Ernäh-rungssouveränität: das Recht der Menschen, selberüber ihre Nahrungsmittelproduktion zu bestimmen.

Ökologische Folgeschädentreffen vor allem die Armen

Die positive Klimawirkung ist sehr umstritten, wennman den gesamten „Lebenszyklus“ – von der Rodungbis zum Tank – von Agrartreibstoffen betrachtet. Di-rekte Wirkungen von Abholzung, Trockenlegung vonMooren, Kultivierung von Grünland, aber auch durchden Einsatz von Düngemitteln und Maschinen ver-ursachen weit größere Emissionen als durch diepflanzlichen Energieträger eingespart wird.

Eine positive Klimabilanz wird außerdem in Fragegestellt, wenn indirekte Auswirkungen der Projektemit eingerechnet werden. Ein Beispiel dafür ist dieAbwanderung der Rinderhaltung weiter in den Ama-zonas Regenwald, wenn auf den bisherigen Weide-flächen jetzt Sojapflanzen angebaut werden. Dieseindirekten Landnutzungsänderungen, die nicht ein-mal unbedingt in der gleichen Region der Welt auf-treten müssen, machen es sehr schwer, die Treib-hausgasemissionen – und damit die ökologischeNachhaltigkeit – von Agrotreibstoffen zu bewerten.Noch weniger wird berücksichtigt, dass durch dieLandnutzungsänderungen auch Menschen vertrie-ben werden können.

Umweltbelastungen der Plantagenwirtschaft wir-ken sich zunächst unmittelbar vor Ort aus. Die Zer-störung der Ökosysteme verändert zuerst das loka-le Klima: insbesondere die Niederschlagshäufigkeitund -intensität. Ferner ist die Produktionsweise häu-fig gekennzeichnet von hohem Einsatz von Pflan-zenschutzmittel, Wasserverschmutzung, Rückgangvon Artenvielfalt, Bodenverdichtung und Erosion:Probleme, die die Produktionsgrundlagen sofort undlangfristig zerstören.

Energie für die Versorgung vor Ort

Erneuerbare Energien bergen ein großes Poten-zial, wenn sie nicht nur in zentralisierten Versor-gungsstrukturen, sondern auch dezentral zur kos-tengünstigen Versorgung der marginalisierten Be-völkerungsgruppen auf dem Land und in der Stadtanwendbar sind. Ein großer Teil der Menschheitleidet unter dezidierter Energiearmut. 1,6 Mrd. Men-schen haben keinen Zugang zu Strom, müssen auf

Zuckerrohrplantage in Tansania – aus Zuckerrohr wird Ethanol

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6 UN-Energy (2007): Sustainable Bioenergy: A Framework for Decision Makers. United Nations, S. 34.

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ein grundlegendes Gut wie elektrisches Licht verzichten. 2,4 Mrd.Menschen sind zum Kochen oder Heizen noch immer auf denEigenverbrauch traditioneller Biomasse wie Brennholz oder Holz-kohle angewiesen. Am größten ist die Abhängigkeit in Subsahara-Afrika: Hier verbrennen über 80 % der Bevölkerung feste Biomas-se.7 Diese Energieform ist aber weder nachhaltig noch effizient:Der Holzeinschlag trägt zur Entwaldung bei, die Brennholzsucheverschlingt immer mehr Zeit und Arbeitskraft, vor allem von Frau-en, und der Zukauf von Holz bedeutet eine hohe finanzielle Belas-tung. Für die Ernährungssicherheit ist jedoch eine ausreichendeund stabile Energieversorgung unverzichtbar.

Wie dabei ein sinnvoller Biomasse-Beitrag im Rahmen aller er-neuerbaren Energien aussehen kann, lässt sich nur unter Berück-sichtigung des lokal verfügbaren und nachhaltig nutzbaren Flächen-potenzials bestimmen. Großflächiger Energiepflanzenanbau, derdie Nahrungsproduktion, die traditionellen Rechte lokaler Gemein-schaften und den Erhalt natürlicher Ökosysteme gefährdet, istsicher keine tragfähige Option. Daher ist es unverzichtbar, die lo-kale Bevölkerung in Flächennutzungsentscheidungen, die den An-bau nachwachsender Energierohstoffe in ihren Siedlungsgebietenvorsehen, einzubeziehen.

Nachhaltigkeitsverordnung braucht Sozialkriterien

Längst ist klar, dass sich der übermäßige Konsum in Europa ne-gativ auf Menschen und Umwelt auswirkt. Für Agrartreibstoffe ha-ben die Europäische Union und Deutschland Nachhaltigkeitskrite-rien für die Produktion und Verarbeitung von Energiepflanzen ent-wickelt. Danach dürfen ab dem 1. Januar 2011 nur Energiepflanzeneingesetzt werden, die zu jedem Zeitpunkt der Produktionskettenachhaltig produziert werden. Die Politik versucht so, die negati-ven Folgen der Agrartreibstoffverordnung zu mindern. So dürfenbeispielsweise keine Urwälder zur Gewinnung von Agrartreibstof-fen gerodet oder ökologisch wertvolle Flächen in Plantagen umge-wandelt werden. Die gesetzlich vorgeschriebene Zertifizierung derAgrartreibstoffe beschränkt sich aber nur auf Umweltaspekte und

enthält keine Regelungen für die so-zialen Folgen. Weder das Menschen-recht auf Nahrung, noch die internati-onalen Normen zum Arbeitsschutzoder die Rechte indigener Völker ge-hören zum gesetzlich vorgeschrie-benen Kriterienkatalog. Das bedeutet,dass die Menschen vor Ort trotz Zer-tifizierung nicht vor Vertreibung undunsicherer Ernährung geschützt sind.Nachhaltigkeit bezieht sich nicht nurauf die Umwelt, sondern muss immerauch als soziale Nachhaltigkeit ver-standen werden. „Brot für die Welt“fordert daher, dass die Nachhaltig-keitsverordnung nachgebessert wer-den muss.

Nachfrage mäßigen

Längst wissen wir, dass die neuenKraftstoffe keineswegs veränderteKonsummuster oder einen Umbauder auf Erdöl basierenden Wirtschaftvoraussetzen. Lenkt das Ziel, einengrößeren Teil des Energiebedarfsdurch Biomasse-Importe aus Ent-wicklungsländern zu decken, alsoeher von der Notwendigkeit einerdrastischen Verbrauchssenkung ab?

Die Notwendigkeit eines Umsteu-erns kann kaum bestritten werden:Steigt etwa die Treibstoffnachfragetatsächlich wie prognostiziert weiteran, wird die Beimischung von Agro-sprit nicht zu einer Minderung desheutigen Verbrauchs von fossilenTreibstoffen führen können. In einemsolchen „business as usual“-Szenariowürden die Beimischungen das ge-samte Nachfragewachstum lediglichein wenig dämpfen – mit allen Konse-quenzen der damit einhergehendenTreibhausgasemissionen. Auch wennwir alternative Energien massiv aus-bauen, so eine aktuelle Shell-Studie,würden sich bald allein mit dem heu-tigen Verbrauch „CO2-Emissionen ineinem für Menschen gefährlichen Maßerhöhen“8. So plädiert selbst Shell füreine „Mäßigung der Nachfrage“ undBeachtung der „Grenzen“, die „demWachstum“ mancher Energieträgergesetzt seien.

7 UNDP/World Bank (2006): Energy Services for the Millennium Development Goals8 Shell Energy Scenarios to 2050 - An era of volatile transitions: http://www-static.shell.com/static/aboutshell/downloads/aboutshell/signals_signposts.pdf

Was ist von E10 zu halten?

Die Verunsicherung bei Millionen Autofahrern ist groß,seit im Januar das Benzin mit einem 10-prozentigenEthanol-Anteil angeboten wird. Doch es ist die Sorgeum das eigene Auto, nicht die Besorgnis um Klima undWelternährung, weshalb Verbraucher zögerlich zugreifen.Mehr Ethanol-Beimischung heißt aber auch mehr Importeaus Entwicklungsländern. Von der Gesamtverbrauchs-menge stammen bereits jetzt 40 % aus Importen.

Brot für die Welt regt an, die „Bruchlandung“ bei derEinführung des E10-Treibstoffs als Gelegenheit zunutzen,die Gesamtquote für die Beimischung zu hinter-fragen. Die verschiedenen Energiegemische E5 und B7(Diesel mit 7 % Beimischung) und jetzt E10 sollen dieQuote von 6,25 % erfüllen. Im Moment kann nichtgarantiert werden, dass diese Importmengen sozialund ökologisch unbedenklich sind.

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Land Grabbing:

Investoren im weltweiten Wettlauf um AckerlandEvelyn Bahn*

Seit drei Jahren häufen sich die Berichteaus vielen Entwicklungsländern, dassstaatliche und private Investoren groß-flächig Ackerland aufkaufen oder pach-ten. Auf dem Land sollen in erster LinieNahrungsmittel und Energiepflanzen fürden Export angebaut werden. Währendeinige internationale Entwicklungsinsti-tutionen und viele Regierungen die aus-ländischen Direktinvestitionen in denländlichen Sektor begrüßen, kritisierenVertreter von Kleinbauernorganisationenden Landrausch der Investoren als ein

„Grapschen“. Sie be-fürchten, dass die lokaleBevölkerung den für ihreErnährungsgrundlagewichtigen Zugang zuLand und Wasser verliert.Vor diesem Hintergrundhat sich der englischeBegriff „Land Grabbing“durchgesetzt, um diegroßflächigen Landnah-men zu umschreiben.

Für das wachsende Interessean Ackerland ist eine Kombinati-on aus Faktoren verantwortlich:Die steigende Nachfrage nachEnergiepflanzen für die Produkti-on von Agrarkraftstoffen, der gro-ße Bedarf an Futtermitteln für dieMassentierhaltung, der prognos-tizierte Anstieg der Weltbevölke-rung sowie die zu erwartendenAuswirkungen des Klimawandelsauf die Landwirtschaft spieleneine Rolle. Als im Jahr 2008 dieWeltmarktpreise für Grundnah-rungsmittel explodierten, beka-men zudem viele Länder ihreAbhängigkeit von Nahrungsmit-telimporten zu spüren und derWettlauf um landwirtschaftlicheNutzflächen beschleunigte sich.Insbesondere devisenreiche Re-gierungen und Staatsbetriebe ausden Golfstaaten sowie Südkoreaund China sicherten sich in Folgeder Nahrungsmittelkrise groß-flächig Land, um sich von denschwankenden Weltmarktpreisenunabhängig zu machen. Bei In-vestoren aus Europa und denUSA handelt es sich um Unter-nehmen, die auf der Suche nachAnbauflächen für die Gewinnungvon Energiepflanzen sind. Zudem

haben die Verknappung der Res-source Ackerland und der prog-nostizierte Agrarboom das Inte-resse von Banken und Invest-mentfonds geweckt. Im Kontextder globalen Finanzkrise wirdAckerland als sichere und Profitversprechende Finanzanlagegesehen. Die Preise für Acker-land sind in vielen Ländern Afri-kas und Südostasiens deutlichniedriger als im internationalenDurchschnitt. Pachtpreise inÄthiopien liegen beispielsweisebei unter 10 $/ha und Laufzeitenwerden in der Regel auf ein Jahr-hundert festgelegt. Die Anlegerspekulieren auf Wertsteigerungendurch die Verknappung von Land.Allein in Deutschland werdenmittlerweile über dreißig verschie-dene Fonds angeboten, die mitca. 5 Mrd. € direkt oder überBeteiligungen in Ackerland inves-tieren.1

Landkäufe vongewaltigem Ausmaß

Abgesehen von zahlreichenMedienberichten über großflächi-ge Landgeschäfte und einigenFallstudien ist die empirische

Datenlage über das Ausmaß derneuen Landnahmen undurchsich-tig. Ein Grund für die fehlendenInformationen ist, dass die Land-geschäfte so lange wie möglichverschwiegen werden und dieVerträge der Öffentlichkeit nichtzugängig sind, um Proteste ausder Bevölkerung zu umgehen.Auch der jüngste Bericht derWeltbank über das „wachsendeglobale Interesse an Agrarland“bezieht sich in erster Linie aufMedienberichte und kam zu demSchluss, dass allein im ZeitraumOktober 2008 bis August 2009Landgeschäfte über 46,6 Mio. haangekündigt oder abgeschlossenwurden, was etwa dem Staatsge-biet Schwedens entspricht. DieFlächen des verkauften oderverpachteten Ackerlands be-laufen sich im Durchschnitt auf40 000 ha, wobei ein Viertelaller Projekte sogar mehr als200 000 ha umfassen. In ihremBericht geht die Weltbank zudemdavon aus, dass mehr als 70 %der geplanten Landverkäufe oder-pachten mit Regierungen derSubsahara-Staaten abgeschlos-sen werden.2 Auch wenn es sichnicht um empirisch ermittelte

* Evelyn Bahn, Referentin für Welternährungsfragen, INKOTA-netzwerk. Tel. (030) 42 08 20 255, [email protected]. Unter www.inkota.de/landgrabbingkönnen betroffene Länder auf einer interaktiven Weltkarte nachgelesen werden.

1 Profundo/FIAN (2010): German investment funds involved in land grabbing. www.fian.de/online/index.php?option=com_remository&Itemid=160&func=startdown&id=352

2 Weltbank (2010): Rising Global Interest in Farmland. Can It Yield Sustainable and Equitable Benefits? http://siteresources.worldbank.org/INTARD/Resources/ESW_Sept7_final_final.pdf

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Land Grabbing:

Investoren im weltweiten Wettlauf um AckerlandEvelyn Bahn*

Seit drei Jahren häufen sich die Berichteaus vielen Entwicklungsländern, dassstaatliche und private Investoren groß-flächig Ackerland aufkaufen oder pach-ten. Auf dem Land sollen in erster LinieNahrungsmittel und Energiepflanzen fürden Export angebaut werden. Währendeinige internationale Entwicklungsinsti-tutionen und viele Regierungen die aus-ländischen Direktinvestitionen in denländlichen Sektor begrüßen, kritisierenVertreter von Kleinbauernorganisationenden Landrausch der Investoren als ein

„Grapschen“. Sie be-fürchten, dass die lokaleBevölkerung den für ihreErnährungsgrundlagewichtigen Zugang zuLand und Wasser verliert.Vor diesem Hintergrundhat sich der englischeBegriff „Land Grabbing“durchgesetzt, um diegroßflächigen Landnah-men zu umschreiben.

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Daten handelt, weist der Welt-bankbericht auf vier entscheiden-de Aspekte hin, die die neuenLandgeschäfte prägen und diedurch weitere Fallstudien zu ein-zelnen Ländern bekräftigt wer-den. Das Interesse an Ackerlandhat in den vergangenen Jahrendeutlich zugenommen. Zudemhandelt es sich um Flächen ge-waltigen Ausmaßes, was daraufschließen lässt, dass die Investo-ren auf industrielle Produktions-systeme zur Bearbeitung derFlächen setzen. Betrachtet mandie Hauptzielländer (beispiels-weise Äthiopien, Kongo, SierraLeone, Tansania oder Kambod-scha) fällt auf, dass insbesondereStaaten mit einer schwachenRechtsstruktur und unklarenLandeigentums- und Landnut-zungsrechten ins Visier der Inves-toren geraten sind. Die Investorenkommen mit dem Versprechen,Arbeitsplätze zu schaffen, dieInfrastruktur zu verbessern unddamit zu einer positiven Entwick-lung beizutragen. Paradoxerwei-se sind viele der betroffenen Län-der seit Jahrzehnten von Hungers-nöten betroffen und weite Teileder Bevölkerung leiden unterMangelernährung3.

Agrarinvestitionen gefährdenErnährungssouveränität

Die hohe Korruptionsrate in vie-len der betroffenen Länder führtdazu, dass die lokale Bevölke-rung in die Verhandlung über dasLand nur unzureichend oder garnicht einbezogen wird. Vertreterder staatlichen Eliten handeln dieVerträge mit den Investoren ausund in vielen Fällen werden Fa-milien, die das Land bislang be-wirtschafteten, erst nach Ab-schluss des Vertrags über dieEinzelheiten informiert. Die Folgeist, dass Kleinbauern z. T. gewalt-sam von ihrem Land vertrieben

werden. Das Politikmagazin „Re-port Mainz“ deckte gemeinsammit der Menschenrechtsorganisa-tion FIAN auf, dass drei Invest-mentfonds der Deutschen BankGruppe in einen thailändischenZuckerrohrkonzern investieren.Mithilfe von bestochenen Solda-ten und Polizisten vertrieb derKonzern 400 Reisbauern und ihreFamilien in Kambodscha von ih-ren Feldern. Während die betrof-fenen Familien ihre Lebens- undErnährungsgrundlage verlorenhaben, wird das Zuckerrohr nachEuropa exportiert. Eine Entschä-digung für den Verlust des Acker-landes haben die Bauern nichterhalten.4 In anderen Fällen be-hauptet die lokale oder nationaleRegierung, dass es sich bei denAgrarflächen um ungenutztesLand handelt. Doch oftmals han-delt es sich um Weideland vonNomaden. Immer öfter verlierenauch Fischerfamilien ihren Zu-gang zu Fischgründen oder dasWasser wurde durch den Einsatzvon Pestiziden auf den umliegen-den Feldern verschmutzt. DieMenschen in den Entwicklungs-ländern verlieren jedoch nicht nurihre Existenzgrundlage als Produ-zenten und Produzentinnen. Dadie Produktion für den lokalenBedarf durch den Anbau für denExport in die Investorenländerverdrängt wird, sind sie auch vonsteigenden Nahrungsmittelprei-sen betroffen.

Mit den großflächigen Landnah-men verletzten die Regierungenund Investoren direkt das Men-schenrecht auf Nahrung, das völ-kerrechtlich in Artikel 11 des Inter-nationalen Pakts über wirtschaftli-che, soziale und kulturelle Rechteverankert ist. Aber auch weitereRechte wie das im UN-Sozialpaktverbriefte Recht auf angemesse-nes Wohnen und das davon ab-geleitete Recht auf Schutz vor

Vertreibung oder der Schutz derLandrechte indigener Völker wer-den durch das Land Grabbingverletzt.

Neue Landnahmenmanifestieren industrielleLandwirtschaft

Neben den negativen sozialenAuswirkungen der Investitionen inLand bergen die Großprojekteauch erhebliche ökologische Risi-ken, wie den Verlust von Wäl-dern, der Biodiversität und derBodenfruchtbarkeit sowie einenerhöhten Treibhausgasausstoß.Allen Investoren geht es um eineexportorientierte Agrarproduktionmit möglichst hohen Erträgen undProduktivitätsgewinnen. Durchdie Agrarinvestitionen werden in-dustrielle Produktionsmechanis-men, die auf den Anbau von Mo-nokulturen, den Einsatz von Pes-tiziden und Düngemitteln, dieVerwendung von gentechnischverändertem Saatgut sowie mas-siven Verbrauch von Wassersetzen, manifestiert. Die Land-nahmen stellen damit auch eineAneignung von Wasserressour-cen dar und Bauernorganisatio-nen in den Entwicklungsländernsprechen bereits vom sog. „WaterGrabbing“.

UnverbindlicheVerhaltensappellesind keine Lösung

Die Weltbank hat eine Reihefreiwilliger Verhaltensregeln auf-gestellt, mit denen auf die nega-tiven Auswirkungen von LandGrabbing reagiert werden soll.Ziel ist es, eine „Win-Win-Situati-on“ zu erreichen, bei der auch dielokale Bevölkerung von den Inves-titionen, beispielsweise durch dieSchaffung von Arbeitsplätzen, In-frastruktur und Technologietrans-fer, profitieren soll. Der Weltbank-

3 Einen Überblick zu den Ländern, in denen Investoren Land kaufen oder pachten, bietet eine interaktive Weltkarte des INKOTA-netzwerks unter:www.inkota.de/landgrabbing

4 Report Mainz; 8. November 2010: www.swr.de/report/landgrabbing/-/id=233454/nid=233454/did=7133132/mpdid=7137196/kmrcxa/

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vorschlag stößt bei Nichtregie-rungsorganisationen als Ver-such, das Modell einer export-orientierten Wachstumsstrate-gie für die Landwirtschaft inden Entwicklungsländern zuverteidigen und die Landnah-men zu legitimieren, auf breiteAblehnung. Auch beim Welt-ernährungsausschuss, einemUN-Gremium, in dem Regie-rungen, zivilgesellschaftlicheOrganisationen und verschie-dene UN-Institutionen vertretensind, wurden die Weltbank-Prinzipien kritisch diskutiert undlediglich zur Kenntnis ge-nommen5. Dringend benötigtwerden verbindliche Regelnund die Einklagbarkeit funda-mentaler Menschenrechtedurch natürliche Personen,Nichtregierungsorganisationenund Personengruppen. Für denUN-Sozialpakt fehlt ein solchesIndividualbeschwerderechtbisher aufgrund ausstehenderRatifizierung durch eine aus-reichende Zahl von UN-Staa-ten. Auch die Bundesregierunghat das Zusatzprotokoll bislangnicht unterzeichnet.

Derweilen schreitet der Aus-verkauf von Land ungebremstfort. Doch auch die lokalenProteste nehmen zu: In Tansa-nia, Madagaskar und Ghanastießen Landnahmen durchausländische Unternehmen aufmassiven Widerstand der Be-völkerung. Beim Weltsozial-forum in Dakar im Februar2011 war „Land Grabbing“ ei-nes der meist diskutierten The-men und wurde von den zivil-gesellschaftlichen Organisa-tionen scharf verurteilt.

In Tansania und Mosambikdiskutieren die Regierungenmittlerweile über ein Aussetzenaller Landprojekte für den An-bau von Energiepflanzen, diefür den Export bestimmt sind.Hier könnte auch die Bundes-regierung ansetzen, um dengroßflächigen Landnahmenund deren negativen Auswir-kungen etwas entgegenzuset-zen. Die politischen Ziele zurBeimischung von Agrarkraft-stoffen sollten ausgesetzt undfür den Import von Energie-pflanzen aus Entwicklungslän-

dern sollte ein Moratorium verhängtwerden. Generell gilt, dass bevor Landverkauft oder verpachtet wird, ge-meinsam mit den lokalen Gemeindenumfangreiche Untersuchungen derökologischen und sozialen Folgendurchgeführt werden. Dabei müssenauch indirekte Landnutzungseffekte,die Flächenkonkurrenz zwischenNahrungsmittel- und Energiepflanzen-produktion sowie die Einhaltung vonSozialstandards berücksichtigt werden.In den betroffenen Ländern sollte dieErnährungssicherheit absolute Prioritätgenießen und unterstützt werden. Nurso kann das Recht der Bevölkerungauf angemessene, gesunde und lokalproduzierte Nahrungsmittel gewähr-leistet werden.

INKOTA-Dossier 7 „Dieneue Landnahme: Derglobale Süden im Aus-verkauf“ mit Beiträgenu. a. von NnimmoBassey, Uwe Hoering,Thilo Hoppe und Arndtvon Massenbach.28 Seiten, 2,50 €,Bestellungen: INKOTA-netzwerk, www.inkota.de,[email protected],Tel. (030) 420 820 20

1 Committee on World Food Security (2010): Thirty-sixth Session, Final Report.

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Die 2. Säule reicht nicht ausDr. Dirk Ahner, Generaldirektor, DG REGIO, Europäische Kommission,über die Notwendigkeit eines breiten Politikansatzes für ländliche Räume,die Chancen einer stärkeren Koordinierung der Regionalpolitik und dieKonsequenzen des demografischen Wandels

Die ländliche Ent-wicklungspolitik derEU wurde mit derAgenda 2000 undder Schaffung einer2. Säule der Gemein-samen Agrarpolitik(GAP) auf eine neueGrundlage gestellt.Sie gelten als einerder Architekten. Wiebeurteilen Sie imRückblick die Ein-richtung einer 2. Säu-le unter dem Dachder GAP?

Ahner: Der Wunsch,die ländliche Entwick-lungspolitik auf eineneue Grundlage zustellen und sie zur2. Säule der gemein-samen Agrarpolitik

zu machen, stand in engem Zusammenhang mitden Reformbemühungen in der 1. Säule der GAP,der Markt- und Einkommenspolitik. Die Maßnah-men im Rahmen der ländlichen Entwicklungspoli-tik sollten den Landwirten die Anpassung an dieneuen Marktbedingungen erleichtern und auf Ver-änderungen im ländlichen Raum hinwirken. Dabeistanden die Modernisierung landwirtschaftlicherBetriebe, die Bereitstellung öffentlicher Güter durchLandwirte, vor allem im Umweltbereich, und dieSchaffung neuer Arbeitsplätze im Vordergrund.Die Ansiedlung der ländlichen Entwicklungspolitikunter dem Dach der GAP sollte es darüber hinauserleichtern, Mittel von der 1. in die 2. Säule derGAP zu überführen, was bislang allerdings nurbegrenzt geschehen ist, etwa im Rahmen derReform von 2003. Insgesamt glaube ich auchheute noch, dass die Schaffung einer 2. Säule derGAP damals richtig und sinnvoll war und auchheute noch ist. Aber für sich allein reicht sie nichtaus, die Entwicklung ländlicher Räume voranzu-bringen. Sie ist vielmehr auf das enge Zusammen-spiel mit anderen Politikbereichen angewiesen.

Warum ist es bis heute nicht gelungen, die „Geburts-fehler“ einer unzureichenden Mittelausstattung gegen-über der klassischen Agrarpolitik und einer starken Aus-richtung der Fördermaßnahmen auf den Agrarbereichzu beheben?

Ahner: Als Befürworter der ländlichen Entwicklungs-politik hätte ich mich 2006 natürlich über eine bessereMittelausstattung gefreut. Und persönlich hätte ich mirauch eine stärkere Ausrichtung der Fördermaßnahmenauf die Entwicklung des ländlichen Raumes insgesamtgewünscht. Dennoch glaube ich, dass sich mit rd.70 Mrd. € über sieben Jahre schon einiges in Gangbringen lässt. Darüber hinaus lassen die EU-Verord-nungen den Mitgliedsstaaten, und in vielen Fällen auchden Regionen, eine erhebliche Gestaltungsfreiheit beiihren ländlichen Entwicklungsprogrammen. Dennochhaben viele Mitgliedsstaaten beschlossen, den Schwer-punkt auf Landwirtschaft und Umwelt zu setzen.

Ist das der Geburtsfehler der ländlichen Entwicklung?

Ahner: Ich glaube nicht. Die ländliche Entwicklungs-politik unter das Dach der GAP zu bringen und siedurch einen Europäischen Landwirtschaftsfonds für dieEntwicklung des ländlichen Raums (ELER) zu fördern,macht eigentlich nur dann wirklich Sinn, wenn sie vor-rangig auf die landwirtschaftliche Bevölkerung und de-ren Tätigkeiten ausgerichtet ist, Reformprozesse derGAP begleitet und die Anpassung an neue Entwicklun-gen fördert.

Welche positiven Erfahrungen sind aus Ihrer Sicht mitder bisherigen Förderpolitik in ländlichen Räumen ver-bunden, die in eine künftige Politikgestaltung einfließenkönnten?

Ahner: Die ländliche Entwicklungspolitik hat die An-passung der Landwirtschaft an die Reformen der GAPerleichtert. Sie hat geholfen, Landwirte verstärkt für denUmweltschutz zu interessieren und Umweltbelange inihre Tätigkeit einzubeziehen. Und sie hat zur Schaffungneuer Arbeitsplätze und neuer Einkommensmöglich-keiten beigetragen. In all diesen Bereichen können sichdie Ergebnisse sehen lassen. Andere Auswirkungen derländlichen Entwicklungspolitik scheinen mir ebenfallswichtig: Die Zusammenarbeit von lokaler, regionaler,

Dr. Dirk Ahner, Jahrgang 1946,studierte Wirtschaftswissenschaftenan der Ruhruniversität Bochum.Nach einem zwischenzeitlichenForschungsaufenthalt in Frankreichpromovierte er 1976 in Bochum undarbeitete im Anschluss daran zweiJahre am Institut für angewandteWirtschaftsforschung in Tübingen.Seit 1978 ist er bei der EuropäischenKommission beschäftigt. Dort leiteter derzeit als Generaldirektor dieGeneraldirektion Regionalpolitik.

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nationaler und europäischer Ebene zugunsten derEntwicklung im ländlichen Raum hat an Intensitätzugenommen. Die Beteiligung von Organisationender Zivilgesellschaft an der Gestaltung und der Um-setzung der Politik hat sich verbessert. Und mitLEADER ist ein Modell zur Förderung lokaler Ent-wicklungsinitiativen geschaffen worden, das dieBürger vor Ort motiviert und mobilisiert und wahr-scheinlich genau deswegen so beachtliche Ergeb-nisse aufweisen kann.

In den Förderprogrammen der 2. Säule dominiertnach wie vor der Agrarbezug. Gleichzeitig spielt dieLandwirtschaft jedoch für die meisten ländlichenRegionen und deren Entwicklung keine dominieren-de Rolle mehr. Teilen Sie diese Einschätzung mitBlick auf Europa?

Ahner: Die Landwirtschaft ist, zusammen mit derForstwirtschaft, der wichtigste Nutzer und Managervon Land in Europa. Sie bildet die Basis für dieSicherheit und Qualität unserer Ernährung. WichtigeDienstleistungen der ländlichen Ökosysteme, wiez. B. die Bereitstellung von sauberem Trinkwasseroder der Erhalt der Landschaft für Erholungsräume,hängen davon ab, wie die Landwirtschaft arbeitet,wie sie das Land bewirtschaftet, wie sie mit ihm um-geht. Mit anderen Worten: Die Landwirtschaft hatentscheidenden Einfluss auf unser Leben und unse-re Lebensqualität, in den ländlichen wie in den städ-tischen Räumen. Ich glaube, diese Rolle kann mangar nicht hoch genug einschätzen. Sie kann auch,zumindest indirekt, einen wirtschaftlichen Einflusshaben, z. B. auf die Attraktivität von Standorten,einschließlich städtischer Standorte. Aber es istauch richtig, dass die direkte wirtschaftliche Be-deutung der Landwirtschaft, gemessen an ihrem An-teil an der Erstellung des Bruttosozialprodukts undan der Bereitstellung von Arbeitsplätzen, zurückge-gangen ist. Er bleibt aber nach wie vor bedeutend,wenn man die gesamte Wertschöpfungskette, alsovor allem die Lebensmittelindustrie, mit einbezieht.

Gibt es einen Widerspruch zwischen dem Agrar-und Umweltbezug der 2. Säule und dem Wunschnach einer harmonischen, einer ausgewogenen wirt-schaftlichen, sozialen und territorialen Entwicklungin ganz Europa, ländliche Räume eingeschlossen?

Ahner: Eigentlich doch wohl nur dann, wenn mandie 2. Säule isoliert und als die einzige Entwicklungs-politik für den ländlichen Raum sieht. Genau dasaber wäre in meinen Augen falsch. In dieser Förder-periode (2007-2013) sehen die Mitgliedsstaaten imRahmen der europäischen Regionalpolitik noch

einmal rund 60-70 Mrd. € aus dem europäischenFonds für Regionalentwicklung (EFRE) für Investiti-onen zur Entwicklung ländlicher Räume vor, undzwar fast ausschließlich außerhalb des Agrarbe-reichs. Dies ändert das Gesamtbild damit gewaltig:Nimmt man ELER und EFRE zusammen, dann sindknapp 140 Mrd. € an EU-Mitteln in dieser Förder-periode für ländliche Gebiete vorgesehen und da-von ungefähr 70-80 Mrd. für Investitionen außerhalbdes Agrarbereichs (60-70 Mrd. aus dem EFRE und15 Mrd. aus dem ELER). Diese Summen schließennoch nicht die Ausgaben des Europäischen Sozial-fonds in ländlichen Gebieten ein und die Beträgeerhöhen sich darüber hinaus noch einmal deutlich,wenn man den nationalen Anteil an der Finanzie-rung hinzu rechnet. Insgesamt ergibt sich somit einebeachtliche Summe für die Entwicklung ländlicherRegionen. Die Frage ist allerdings, ob die verschie-denen Finanzinstrumente tatsächlich so eingesetztwerden, dass sie sich vor Ort in den ländlichen Re-gionen gezielt ergänzen und Synergien entwickeln.Genau daran sollten wir arbeiten.

Berücksichtigt die EU-Regionalpolitik bereits Zieleder ländlichen Entwicklungspolitik? Braucht die EUverschiedene Fonds mit der gleichen Zielsetzung?

Ahner: Als Investitionspolitik für die regionale Ent-wicklung in ganz Europa verfügt die europäischeRegionalpolitik über ein breites Instrumentarium,das natürlich auch in ländlichen Regionen zum Ein-satz kommt. Ich habe bereits einige Zahlen dazuerwähnt. Der ausgeprägte Agrar- und Umweltbezugder ländlichen Entwicklungspolitik ergänzt sich sehrgut mit dem breiten Ansatz der Regionalpolitik mitihren Förderschwerpunkten in den Bereichen Inno-vation, Investitionen in mittelständischen Unter-nehmen (KMU) und Infrastruktur (Erziehung, For-schung-, Umwelt, Verkehr, IT und Energie). DerLissabon-Vertrag hebt ausdrücklich das Ziel des„territorialen Zusammenhaltes“ als Teil der ange-strebten „harmonischen Entwicklung“ in Europa her-vor. Dies bedeutet u. a., dass wir in Zukunft nochstärker als bisher auf die Entwicklung sog. funktio-naler Räume achten werden. Das Zusammenwirkenvon Stadt und Land spielt in diesem Zusammen-hang eine besonders wichtige Rolle, in ausgeprägtländlichen Gebieten ebenso wie in Metropolregio-nen. Die Regionalpolitik fördert vor allem Bereicheaußerhalb der Landwirtschaft aktiv. Es gibt kleinereÜberschneidungen zwischen den beiden Politik-bereichen, die ich aber eher für hilfreich als für lästighalte. Im Wesentlichen ergänzen sich die beidenBereiche sehr gut. Fraglich ist allerdings, ob dieseKomplementarität überall bereits voll genutzt wird.

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Verlautbarungen aus der GD AGRI zufolge soll eskünftig einen strategischen Rahmen für alle Fondsgeben. Was bedeutet das?

Ahner: Beide Politiken sind aufgefordert, zur Er-reichung der Ziele von Europa 2020, der Leitstrate-gie der EU für dieses Jahrzehnt, beizutragen. DieStrategie will ein intelligentes, nachhaltiges und inte-gratives Wachstum in Europa erreichen und hat sichdazu eine Reihe von Zielen gesetzt, z. B. in Bezugauf Beschäftigung, Bildung, Forschung und Innova-tion sowie im Kampf gegen Armut und sozialen Aus-schluss. Dazu ist der Beitrag aller EU-Politiken, undnatürlich auch der nationalen und regionalen Politi-ken gefragt. Der ländlichen Entwicklungspolitik undder Regionalpolitik mit ihren Investitionen und ihrenUmweltmaßnahmen fällt dabei eine besonders wich-tige Rolle zu. Das gleiche gilt für die Sozial- undBeschäftigungspolitik. Der strategische Rahmen solldie Vision von Europa 2020 und ihre großen Ziele inkonkrete vorrangige Schwerpunkte für unsere Poli-tikbereiche übersetzen. Dabei arbeiten wir ebenfallseng mit anderen Generaldirektionen zusammen.Wir wollen gemeinsam eine deutlich bessere Koor-dination erreichen als bisher.

Wie?

Ahner: Die Arbeit ist in vollem Gange und es istnoch zu früh, über Ergebnisse zu sprechen. Aberdas Ziel ist klar. Wir wollen gemeinsam Schwer-punkte für die Förderung festlegen. Wir wollen dieUmsetzung dieser Schwerpunkte in konkrete Pro-gramme und Projekte vereinfachen. Wir wollen dieRegeln, die für die einzelnen Fonds gelten, stärkereinander angleichen. Und wir wollen die Umsetzungvor Ort übersichtlicher machen und eine bessereVerzahnung der einzelnen Instrumente ermögli-chen. Ein praktisches Beispiel sind in diesem Zu-sammenhang die gemeinsamen Begleitausschüs-se, wie sie heute schon in einigen Bundesländernmit Erfolg praktiziert werden. Auch die Möglichkeitvon Multi-Fonds-Programmen muss noch einmalüberdacht werden.

Welche strategischen Überlegungen stellt die GDREGIO für eine tragfähige ländliche Entwicklungs-politik außerhalb der bisherigen Förderarchitekturan?

Ahner: Aus unserer Sicht existiert schon heuteeine tragfähige und erfolgreiche ländliche Entwick-lungspolitik. Aber es gibt Raum für Verbesserungen.Was wir uns für den nächsten Programmzeitraumwünschen, ist ein besseres Zusammenspiel der

verschiedenen Politikbereiche, ihre stärkere Verzah-nung in den ländlichen Regionen und eine Vereinfa-chung bei der Umsetzung zu Gunsten der Projekt-träger vor Ort.

Die Bundesländer sind zurückhaltend gegenübereinem Ausbau der ländlichen Entwicklungsförde-rung. Zum einen sind die meisten aufgrund derHaushaltslage gezwungen, ihre Verwaltungen zu-rückzufahren. Zum anderen fällt die Kofinanzierungangesichts von Haushaltszwängen zunehmendschwerer. Wie kann die Kommission diesen Res-triktionen Rechnung tragen?

Ahner: Die Kommission ist sich dieser Schwierig-keiten durchaus bewusst. Sie betrifft auch anderePolitikbereiche. Wir bemühen uns gemeinsam mitden Kollegen von Bund und Ländern, die Verwal-tung der Fonds zu erleichtern. Dabei stellt sich übri-gens immer wieder heraus, dass die Kontinuität derderzeitigen Regeln in der nächsten Periode in denAugen vieler Kollegen, die mit der Programmver-waltung beauftragt sind, als ein wichtiges Elementder Vereinfachung angesehen wird. Die Kofinanzie-rung ist aus meiner Sicht wichtig. Zum einen ist sieein Ausdruck der geteilten Verantwortung für einegemeinsame Aufgabe. Zum anderen führt sie dazu,dass alle Beteiligten genauer überlegen, wo und wieinvestiert werden soll.

Wer sind aus Ihrer Sicht die am besten geeignetenTräger einer erfolgversprechenden ländlichen Ent-wicklungspolitik? Wie ist deren Rolle zu stärken?

Ahner: Die Ländliche Entwicklungspolitik hat sichim letzten Jahrzehnt ein insgesamt recht gut funktio-nierendes institutionelles System erarbeitet. Dassollten wir nicht ohne Not umstellen. Die wichtigsteAufgabe scheint mir jetzt zu sein, dass wir das be-stehende System besser mit den Systemen in an-deren Politikbereichen, allen voran der Regional-politik, verzahnen. Mit Blick auf das Ziel des territori-alen Zusammenhalts wird es darüber hinaus inZukunft notwendig sein, der lokalen Ebene im insti-tutionellen System eine stärkere Beachtung zuschenken.

Welche Folgen hat der demografische Wandel fürdie Entwicklung ohnehin strukturschwacher länd-licher Räume?

Ahner: Der demografische Wandel wird Europa –und hier vor allem Nord-, Mittel- und Osteuropa – inden nächsten Jahrzehnten besonders stark treffen.Die ersten Auswirkungen spüren wir schon jetzt. Bis

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2020 werden etwa ein Drittel der europäischenRegionen einen Rückgang ihrer Bevölkerungerleben. Unter ihnen sind viele ländliche Regio-nen, einschließlich ihrer Kleinstädte. Aber es gibtderzeit auch eine Reihe ländlicher Räume, vorallem in Süd- und Westeuropa, die aufgrund ihrerattraktiven Lebensbedingungen von einem Bevöl-kerungszuzug profitieren. Dennoch bleiben dieAlterung und der Rückgang der Bevölkerung eineernst zu nehmende Herausforderung. Denken Sienur an die Aufrechterhaltung von vitalen öffentli-chen Dienstleistungen wie Transport oder den Zu-gang zu einer guten Gesundheits- und Schulver-sorgung. Viele ländliche Räume stehen hier heuteschon vor Problemen, die sie nicht allein lösenkönnen. Ich habe leider keine Patentlösung dafür,aber ich denke, dass wir diese Fragen in unseremDialog mit den Mitgliedsstaaten und Regionennoch gezielter als bisher angehen müssen. Gera-de hier nimmt uns der Lissabon-Vertrag mit demZiel des territorialen Zusammenhaltes in diePflicht.

Müssen wir akzeptieren, dass einzelne Regio-nen von der Entwicklung abgehängt werden?

Ahner: Ob Regionen von der Entwicklung ab-gehängt werden oder nicht, hängt oftmals vondem Handeln der politischen Entscheidungsträgersowie der wirtschaftlichen und sozialen Akteurevor Ort ab. Im Rahmen der ländlichen Entwick-lungspolitik und der Regionalpolitik sind Förder-instrumente geschaffen worden, die den regiona-len und lokalen Akteuren helfen sollen, maßge-schneiderte Konzepte zu entwickeln, die die Situ-ation vor Ort positiv verändern können. Dabei gehtes nicht nur um Geld. Wir bieten auch Dialog, Rat,und Fachkenntnis an, damit die verfügbaren Mittelgut genutzt werden können. Und wir fördern dieMöglichkeit, mit anderen Regionen zusammenzu-arbeiten, sich mit ihnen auszutauschen, zu ver-netzen und sich so durch die Erfahrungen undIdeen anderer anregen zu lassen, um die eigeneSituation zu verbessern. Ich würde mich riesigfreuen, wenn all diese Möglichkeiten noch bessergenutzt würden. Wir können und wollen nicht inBrüssel entscheiden, was gut für die schottischenHighlands oder die ägäischen Inseln ist. Was wirdagegen anbieten können, ist Hilfe zur Selbsthilfe.Und das werden wir auch weiterhin tun.

Halten Sie die in Deutschland im Grundgesetzverankerte Forderung einer Gleichwertigkeit derLebensbedingungen im gesamten Bundesgebietauf längere Sicht für tragfähig?

Ahner: Die Herstellung von gleichwertigenLebensbedingungen ist ein großartiges Ziel desGrundgesetzes. Es hat in Deutschland zu enor-men Anstrengungen geführt, eine auch geogra-fisch ausgewogene Entwicklung zu erreichen.So war die Entwicklung in den östlichen Bun-desländern in den zwei Jahrzehnten nach derWiedervereinigung für mich sehr eindrucksvoll.Einige Regionen haben sich in diesem Zeitraumzu den wettbewerbsfähigsten Regionen in Eu-ropa entwickelt. Ich freue mich, dass unserePolitik dazu beitragen konnte.

Ist das Ziel übertragbar auf die EU?

Ahner: Zumindest indirekt wird es auf euro-päischer Ebene aufgegriffen. Hier wird es als„harmonische Entwicklung“ und „wirtschaftliche,soziale und territoriale Kohäsion“ beschrieben.Wir müssen jedoch auch anerkennen, dassUnterschiede zwischen Regionen in Deutsch-land und Europa immer existiert haben undauch weiterhin existieren werden. Dies hat imRahmen der Regionalpolitik zu einer starkenKonzentration der Fördermittel auf jene Regio-nen geführt, die in ihrer Entwicklung deutlichzurücklagen, um sie in ihren Entwicklungs-anstrengungen zu unterstützen und den not-wendigen strukturellen Wandel zu beschleu-nigen. In den anderen Regionen sollen überdie Förderung im Rahmen der RegionalpolitikAnreize gegeben werden, Wettbewerbsfähig-keit, Wachstum und Beschäftigung weiter zustärken, und zwar im Einklang mit den Ent-wicklungszielen, die sich die EU gesetzt hat.

In Deutschland kocht die Diskussion um einemögliche Konzentration der Förderung aufMetropolregionen gegenüber einer Förderungin der Fläche immer wieder hoch, zuletzt durcheinen Vorschlag des von der bayerischenStaatsregierung eingesetzten Zukunftsrates.Wie ist Ihre Position?

Ahner: Die Diskussion über eine möglicheKonzentration der Förderung auf Metropol-regionen scheint mir aus europäischer Sichtkein so heißes Thema zu sein. Prinzipiell seheich keinen Widerspruch zwischen der Förde-rung von städtischen und von ländlichen Räu-men. Im Gegenteil: Beides muss zusammen-wirken, um erfolgreich zu sein, um territorialenZusammenhalt zu gewährleisten.

Rainer Münch

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Einkommenskombination:

AmVieh-Theater aufdem SchafdornerhofDr. Michael Rittershofer*

Gerade mal vier Schafe leben auf demSchafdornerhof. Das wäre nun wirklichnicht der Rede wert, wenn – ja wenn danicht noch so viel anderes auf demEinödhof im Schwindegger Hinterlandgeboten würde. Zwei Lamas, zwei Ponysund eine Handvoll Hasen leisten denSchafdorner Schafen Gesellschaft.„Unsere Showtiere“ sagt Hans Reichl,der Bauer vom Schafdornerhof, für denLandwirtschaft nur ein Standbein ist.Weitere sind ein Kulturbetrieb mit demtreffenden Namen „AmVieh-Theater“,ein Biocafé und ein Biohotel.

* Dr. Michael Rittershofer, Tagwerk e.V., Tel. (08081) 93 79 50, [email protected]

Biobetrieb Schafdornerhof

Seit dem 15. Jahrhundert exis-tiert der Schafdornerhof. 30 haAckerland, 5 ha Wiesen und 5 haWald haben der Familie seit jeherihr Auskommen gesichert. Einstattlicher Vierseithof in geschütz-ter Lage am Südwesthang, mitBachlauf, Weiher und Obstwiese– die perfekte Idylle. Hier kommtHans Reichl 1975 zur Welt undschon als 18-Jähriger übernimmter den Hof von seinem Vater,der zu diesem Zeitpunkt bereits47 Berufsjahre hinter sich hat.Bullenmast, Milchvieh und Zu-ckerrübenanbau sind die Schwer-punkte des elterlichen Betriebs.Hans Reichl geht zum Studiumnach Weihenstephan: Wirtschafts-ingenieur mit Fachrichtung Agrar-wesen. Ob er im Studium auf dieIdee des Ökolandbaus gestoßenist? „Das hat sich eher in meinemsozialen Umfeld ergeben“ sagt er.„Ich hab viele Leute kennenge-lernt, die mich sehr beeindruckthaben, und die waren meistensim Ökobereich tätig“, erzählt er.

So reift bei ihm der Entschluss,den Schafdornerhof auf biologi-sche Bewirtschaftung umzustel-len. Im Jahr 2000 tritt er demAnbauverband Naturland bei,später wird er auch Mitglied beiTAGWERK – einem Verein undeiner Genossenschaft zur Ver-marktung kontrolliert biologischerLebensmittel.

Wie hat der Vater auf dieUmstellung reagiert? „So ganzverstehen wollte er es nicht“sagt Reichl. „Aber er hat jagewusst, wie’s geht, er hat dieZeit vor der Chemie noch ge-kannt“. Das ist für den Jung-bauern eine große Hilfe undbewahrt ihn vor groben Fehlernund Missernten.

Freilichtbühne

Hotel aus baubiologischen, heimischenMaterialien mit ErdwärmeheizungFo

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Am

Vieh

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Heute betreibt Hans Reichl eineJungrinderaufzucht für den Betriebseiner Schwester und auf denFeldern gedeihen Ackerbohnen,Erbsen, Winterweizen, Sommer-gerste, Mais und Kleegras.

AmVieh-Theateraus Leidenschaft

Von seiner Größe her ist derHof gerade so an der Grenze derWirtschaftlichkeit. „Ich hab über-legen müssen: geh ich nebenherin die Arbeit oder bau ich mir waszusätzlich auf“, sagt Hans Reichl.Und entscheidet sich für letzte-res: 2004 eröffnet er eine Frei-lichtbühne am Schafdornerhof.„Ich hab schon als Schüler meineLeidenschaft fürs Theater ent-deckt“, erzählt er. Durch positiveResonanz des Publikums be-stärkt, baut er die Idee Schritt fürSchritt weiter aus. In Astrid Wöhrlfindet er eine ideale Partnerin fürseine Ziele. Sie ist gelernte Bank-kauffrau, hat das gleiche Studiumwie er absolviert und ist gebürtigeMünchnerin. Die Theaterleiden-schaft und das Faible für gutesbiologisches Essen teilen die bei-den von Anfang an miteinandert.„Wir sind eine typische Stadt-

Freilichtbühne – Café – Biergarten – BioHotel

Schafdorn 184419 Schwindegg

Tel. (08086) 947 [email protected]

Land-Partnerschaft“ sagt AstridWöhrl und vielleicht liegt darin dasErfolgsgeheimnis eines Kulturbe-triebs, der städtisches und ländli-ches, traditionelles und modernesPublikum gleichermaßen ansprichtund begeistert.

Biohotel und Café

Der Verkauf der Bullen und derZuckerrübenquote erbrachte dasStartkapital für ein neues Gebäudeneben dem alten Vierseithof. Einmoderner Bau aus baubiologischen,heimischen Materialien, mit Erd-wärmeheizung und einer pfiffigenInneneinrichtung – hierfür bekam erden Architekturpreis des Landkrei-ses Mühldorf verliehen. Dieses Ge-bäude beherbergt einen Tagungs-raum, einige Hotelzimmer und eineGastronomieküche. Im Ensemblemit dem Theaterstadel und demBarhäusl mit der großen Terrasseist nun bei jedem Wetter jede Formvon Veranstaltung und Bewirtungmöglich. Eine Vielzahl an Hochzei-ten und Geburtstagsfeiern wurdenhier schon ausgerichtet, danebenKleinkunst, Open-Air-Kino, Konzer-te und Kindertheater. „Von April bisOktober ist jedes Wochenende waslos“, sagt Astrid Wöhrl. Zum sonn-

täglichen Biergartenbetrieb kommenvor allem junge Eltern, die ihren Kaf-fee auf der Terrasse genießen, wäh-rend ihre Kinder durchs weitläufigeGelände streifen.

Das Tagungsprogramm wollen HansReichl und Astrid Wöhrl noch weiterausbauen und auch selber Seminarezu verschiedenen Themen anbieten,z. B. „Kunst im Wald“. „Die Ideenkommen mittlerweile von den Gäs-ten“, sagt Hans Reichl, von Künstlern,Erlebnispädagogen und anderen Ak-teuren. „Wir sind eine Kreativplatt-form, ein Ort der vielen Möglichkeiten“– und Unternehmungslust blitzt ausseinen Augen.

Eltern und Kinder fühlen sich im sonntäglichen Biergartenbetrieb wohl Sympathieträger Alpaka Berti

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