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Eckhard Flohr / Ludwig Gramlich (Hrsg.) Aktuelle Aspekte des Franchising im In- und Ausland Chemnitz 2009

Aktuelle Aspekte des Franchising im In- und Ausland · Ein Chemnitzer Gastvortrag von Rechtsanwalt Prof. Dr ... pol. Robert Fritzsche. Diese ... Franchise-Vertrag, 3. Auflage, München

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Eckhard Flohr / Ludwig Gramlich (Hrsg.) Aktuelle Aspekte des Franchising im In- und Ausland Chemnitz 2009

2

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Prof. Dr. Ludwig Gramlich

3

Entwicklungen im nationalen und internationalen Franchise-Recht

RA Prof. Dr. Eckhard Flohr

5

Franchise-Verträge als multilaterale Vertragsbeziehungen?

Stud. rer. pol. David Adam

21

AGB-Kontrolle von Franchise-Verträgen

Stud. rer. pol. Martin Czikowski

40

Europarechtliche Vorgaben für Franchising

Stud. rer. pol. Isabell Descher

63

Informationsasymmetrie bei Franchise-Systemen – insbesondere bei der

vorvertraglichen Aufklärung

Stud. rer. pol. Lisa Frenzel

85

Mediation bei Franchise-Systemen – eine zukunftsweisende Streitschlichtung?

Stud. rer. pol. Andreas Löwe

105

Franchise-Recht in europäischen Ländern mit Franchise-Gesetzgebung –

Belgien

Stud. rer. pol. Michael Opitz

130

Adressen der Franchise-Wirtschaft,

Materialien zum Franchise-Recht (Hinweise)

144

3

Vorwort

Ein Chemnitzer Gastvortrag von Rechtsanwalt Prof. Dr. Eckhard Flohr im Rahmen des

Wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsseminars im Januar 2008 hat den Anlass dazu

gegeben, angesichts der großen Zahl von Interessenten und der von mehreren Kollegen für

wichtig erachteten Vertiefung von Schnittstellen zu verschiedenen Veranstaltungen der

Studiengänge der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften im Wintersemester 2008/09

(zusammen mit der Professur für Öffentliches Recht und Öffentliches Wirtschaftsrecht) ein

gemeinsames Seminar zu aktuellen Problemen des Franchising auf nationaler und

internationaler Ebene zu veranstalten. An der – nach einem Auftakttermin, bei der die

Themenvergabe und -erläuterung erfolgte – wurden insgesamt 17 schriftliche Arbeiten

vorgelegt und in zwei Blockveranstaltungen von den Seminarteilnehmern multimedial

präsentiert; neben Studierenden der Wirtschaftswissenschaften (Diplom und Bachelor)

nahmen auch Studenten der Wirtschaftspädagogik sowie der Europastudien mit

wirtschaftswissenschaftlicher Ausrichtung teil. Das bereits zu Beginn erkennbare große

Engagement aller Teilnehmer schlug sich in zahlreichen Konsultationen der beiden

Seminarleiter (Prof. Flohr und Prof. Gramlich) nieder; auch die beiden wissenschaftlichen

Mitarbeiterinnen an der Professur Jura I, Frau Dr. Kerstin Orantek und Frau Rechtsanwältin

Katja Ruttkowski, waren nicht nur bei den Seminarsitzungen zugegen, sondern berieten

bereits im Vorfeld, nicht zuletzt im Hinblick auf redaktionelle und organisatorische Fragen.

Technische Unterstützung für die Veröffentlichung leistete Herr Stud. rer. pol. Robert

Fritzsche.

Diese „Rundum-Unterstützung“ zeitigte in den meisten Fällen sehr erfreuliche Ergebnisse.

Sechs besonders gelungene schriftliche Arbeiten werden daher – nach einer nochmaligen

Durchsicht und äußeren Vereinheitlichung – in diesem Buch der Öffentlichkeit vorgestellt;

Prof. Flohr war überdies sofort bereit, einen eigenen Beitrag zur Einführung in die Thematik

zu verfassen, der den Seminararbeiten vorangestellt ist. Besonders hervorzuheben ist das

durchweg gelungene Bemühen der studentischen Arbeiten um eine interdisziplinäre

Darstellung; die juristischen Aspekte fügen sich nahtlos in den größeren wirtschaftlichen

Kontext ein.

Der Erfolg des ersten gemeinsamen Seminarprojekts hat nicht allein die Fakultät bewogen,

die Veranstaltung in den Katalog der regulären Seminarangebote aufzunehmen; vielmehr

soll die damit verfolgte Zielsetzung, aktuelle (rechtliche) Fragen einer weltweit wichtigen

wirtschaftlichen Vertriebs- und Organisationsform Studierenden näher zu bringen, dauerhaft

in jedem Wintersemester fortgesetzt werden. Dabei wird zugleich eine fruchtbare

4

Kooperation von Wissenschaft und Praxis angestrebt und den studentischen Teilnehmern

eine wichtige berufliche Perspektive aufgezeigt.

Univ.-Prof. Dr. iur. Ludwig Gramlich

Professur für Öffentliches Recht und Öffentliches Wirtschaftsrecht

Fakultät für Wirtschaftswissenschaften

Technische Universität Chemnitz

5

Entwicklungen im nationalen und internationalen Franchise-Recht

RA Prof. Dr. Eckhard Flohr

I. Entwicklung und Begriff des Franchising

1. Geschichte des Franchising

Franchising ist nicht nur ein Vertriebskonzept, das in vielfältigen Organisationsformen

Verwendung finden kann. Seit Anfang der siebziger Jahre ist eine deutliche

Internationalisierung der Franchise-Systeme zu erkennen. Der kürzer werdende

Lebenszyklus von Produkten und Geschäftstypen und die steigenden Aufwendungen für

Markteinführungen bei Produkten und Geschäftstypen lassen es angezeigt sein, in räumlich

wachsenden Märkten mit wachsenden finanziellen Anforderungen unter Marketing-, Kosten-

und Know-how-Gesichtspunkten mehr als bisher auf das Franchising als eine Vertriebsform

zurückzugreifen1. Diese Entwicklung wurde zunächst durch die am 01. Februar 1989 in Kraft

getretene und bis zum 31. Dezember 1999 geltende EU-Gruppenfreistellungsverordnung für

Franchise-Vereinbarungen2 gefördert; seit dem 01. Januar 2000 gilt insoweit die EU-

Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindungen3. Diese EU-

Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindungen hat sich genauso wie die

vorangegangene für Franchise-Vereinbarungen zur maßgeblichen Guideline für die

Gestaltung von Franchise-Verträgen entwickelt4.

Franchise-Systeme wurden als funktionsfähige Kooperationssysteme in den USA unmittelbar

nach dem Zessionskrieg durch den Nähmaschinenhersteller Isaac Merit Singer und der

Eröffnung einer Kette von Einzelhandelsgeschäften unter der Lizenz „Singer“ im Jahre 1898

von General Motors und im Jahre 1902 von Rexall eingeführt5. Weitere Vorläufer solcher

Franchise-Systeme waren die sog. „Wagon-Peddlers“ aus Mitte des 19. Jahrhunderts oder

gar schon die von Kirche, König oder Staat an bedeutsame Persönlichkeiten verliehenen

Privilegien im Mittelalter. Letztlich sind als Vorläufer der heutigen Franchise-Systeme die

1 Vgl. zum Ganzen Martinek, in: Handbuch des Vertriebsrechts, 2. Auflage, München 2003, § 18; Skaupy, Fran-chising, S. 176 ff.; Hänlein, DB 2000, 374 und Peckert/Erdmann/Kiewitt, Gründung mit System, mit einem umfas-senden Überblick über die aktuellen Franchise-Systeme des deutschen Markts, Frankfurt 2002. 2 EG-Amtsblatt Nr. L 359/52 – abgedruckt bei Flohr, Franchise-Handbuch, Berlin 1994/96, Gruppe I/I. 3 ABl. L 336, 221 – Entwicklung der EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindungen; siehe auch Flohr, Franchise-Vertrag, 3. Auflage, München 2006, S. 8 ff.: Liebscher/Petsche, EUZW 2000, 400; Metz-laff, BB 2000, 1201; Pukall, NJW 2000, 1375. 4 Vgl. dazu Giesler/Nauschütt, Franchiserecht, 2. Auflage, Bonn 2007, Kap. 2, Rn. 70 ff. mit umfassenden Nachweisen. 5 Zur Entwicklung des Franchising in den USA siehe die Nachweise bei Martinek, Vertriebsrecht, a.a.O., § 18, Rn. 2.

6

Absatzsysteme mit Depositären und Konzessionsären zu nennen, die in Mitteleuropa bereits

in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreitet waren6.

Den Grundstein für das heute business-orientierte Franchising legte 1955 der ehemalige

Milchmixgerätevertreter Ray Kroc mit der Fast-Food-Kette McDonalds.

Trotz aller Entwicklung, die das Franchising – vor allem durch die EU-

Gruppenfreistellungsverordnung für Franchise-Vereinbarungen – erfahren hat und auf der

Grundlage der EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindungen noch

erfahren wird, gilt nach wie vor die Aussage von Medicus7: „Am Franchising ist zunächst

schon der Name erklärungsbedürftig“.

2. Entwicklung des Franchising in den USA

Kurz vor Gründung der Vereinigten Staaten wurden in den amerikanischen Kolonien der

Begriff „Franchise-England“ aufgegriffen, um die staatlichen Konzessionen an Kolonisten zur

Bewirtschaftung des Landes zu bezeichnen, später um Rechte zur Sondernutzung

öffentlicher Sachen oder zur Wahrnehmung staatlich monopolisierter Tätigkeiten zu

gewähren. Allerdings fand der Franchise-Begriff in den USA erst Ende des 19. Jahrhunderts

Verwendung zur Bezeichnung privater unternehmerischer Kooperationen unter Übertragung

von Rechten gegen Leistung von Lizenzgebühren. Bald bezeichnete der Begriff Franchising

in den USA die verschiedensten unternehmerischer Zusammenarbeit beim Absatz von

Waren und Dienstleistungen, soweit dem Absatzmittler irgendeine Erlaubnis oder Gestattung

gegen Leistung von Gebühren verliehen wurde8. Nachdem der Umsatz der Franchise-

Systeme von etwa 65 Milliarden US-Dollar in 1976 auf 178 Milliarden US-Dollar in 1984

angestiegen war, betrug dieser in 2000 800 Milliarden US-Dollar. Damit ist die Hälfte jedes

im Einzelhandel (inkl. Autohandel und Tankstellen) ausgegebenen Dollars in den USA der

Franchise-Wirtschaft zuzuordnen und nunmehr:

Im Jahr 2007 haben in den USA 2.500 Franchise-Systeme und knapp 800.000 Franchise-

Nehmer einen Umsatz von $ 588 Mrd. erwirtschaftet. Gleichzeitig schuf die Franchise-

Wirtschaft in den USA 10 Mio. Arbeitsplätze.

6 Ausführlich dazu sowie zu den historischen Vorgängern des Franchising Tietz, Handbuch Franchising, 2. Aufla-ge, Landsberg/Lech 1991, S. 7 f.; Martinek, Franchising, Heidelberg 1987, S. 33 f. m.w.N. 7 Schuldrecht, Besonderer Teil, 14. Auflage, München 2007, Rn. 608. 8 Ausführlich zum Ganzen Martinek, Franchising, a.a.O., S. 34-36; Tietz, a.a.O., S. 8.

7

3. Entwicklung des Franchising in Europa und Deutschland

Während demgemäß in den USA schon früh der Franchise-Boom einsetzte, begann die

Franchisierung in Europa erst nach 1960 und verlief auch weitaus ruhiger9. Die European

Franchise Federation (EFF) umfassen hier zur Zeit 17 verschiedene nationale Franchise-

Organisationen aus 13 europäischen Ländern – mit nicht allen EU-Mitgliedstaaten,

ausgeschlossen Irland und Luxemburg sowie Norwegen, Ungarn, die Schweiz und

Slowenien. Jede dieser nationalen Franchise-Organisationen stellt gleichzeitig das offizielle

Repräsentationsorgan für die Franchise-Wirtschaft im jeweiligen Land dar.

In Deutschland hat das Franchising erst spät an Bedeutung gewonnen. Insbesondere die

80er Jahre, aber auch die nach der Wiedervereinigung einsetzende Existenzgründungswelle

führte geradezu zu einem Boom des Franchising. Diese Entwicklung hat sich zwar

zwischenzeitlich – insbesondere der in 1999 geführten Diskussion um die

Scheinselbständigkeit der Franchise-Nehmer – abgeschwächt, doch ist Franchising nach wie

vor eine Wachstumssparte. Während in 1995 noch 530 Franchise-Systeme mit 22.000

Franchise-Nehmern einen Gesamtumsatz von 24 Milliarden DM erwirtschafteten, sind

nunmehr in 2007 910 Systeme mit 55.700 Franchise-Nehmern tätig. Insgesamt arbeiteten

441.000 Beschäftigte in der Franchise-Wirtschaft und erzielten so einen Umsatz von EUR

41,5Mrd.10.

II. Begriff des Franchising

1. Franchise-Definition

Nach dem Ehrenkodex des Deutschen Franchise-Verbandes11 wird Franchising wie folgt

definiert:

„Franchising ist ein Vertriebssystem, durch das Waren und/oder Dienstleistungen

und/oder Technologien vermarktet werden. Es gründet sich auf eine enge und

fortlaufende Zusammenarbeit rechtlich und finanziell selbständiger und unabhängiger

Unternehmen, den Franchise-Geber und seine Franchise-Nehmer. Der Franchise-

Geber gewährt seinen Franchise-Nehmern das Recht und legt ihnen gleichzeitig die

Verpflichtung auf, ein Geschäft entsprechend seinem Konzept zu betreiben. Dieses

Recht berechtigt und verpflichtet den Franchise-Nehmer, gegen ein direktes oder

indirektes Entgelt im Rahmen und für die Dauer eines schriftlichen, zu diesem Zweck

9 Vgl. zum Ganzen Tietz, a.a.O., S. 9 f. 10 Angaben des Deutschen Franchise-Verbandes unter www.franchiseverband.com. 11 Abgedruckt in: Jahrbuch Franchising 1999/2000, S. 218 ff.

8

zwischen den Parteien abgeschlossenen Franchise-Vertrages per laufender

technischer und betriebswirtschaftlicher Unterstützung durch den Franchise-Geber

den Systemnamen und/oder das Warenzeichen und/oder die Dienstleistungsmarke

und/oder andere gewerbliche Schutz- oder Urheberrechte sowie das Know-how, die

wirtschaftlichen und technischen Methoden und das Geschäftsordnungssystem des

Franchise-Gebers zu nutzen.“

Dieser Begriff des Franchising entsprach dem in Art. 1 Ziff. 3 der bis zum 31. Dezember

1999 geltenden EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Franchise-Vereinbarung12. Nach der

EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Franchise-Vereinbarungen wurde der Franchise-

Begriff geprägt durch:

� Know-how: Gesamtheit von nichtpatentierten praktischen Erkenntnissen, die auf

Erfahrungen des Franchise-Gebers sowie Erprobungen durch diesen beruhen

und die geheim, wesentlich und identifiziert sind.

� Geheim: das Know-how muss in seiner Substanz, seiner Struktur oder der

genauen Zusammensetzung seiner Teile nicht allgemein bekannt oder nicht leicht

zugänglich sein, wobei der Begriff nicht in dem Sinne zu verstehen ist, dass jeder

einzelne Teil des Know-how außerhalb des Geschäfts des Franchise-Gebers

unbekannt oder unerhältlich sein müsste.

� Wesentlich: das Know-how umfasst Kenntnisse, die für den Verkauf von Waren

oder die Erbringung von Dienstleistungen an Endverbraucher, insbesondere für

die Präsentation der zum Verkauf bestimmten Waren, die Bearbeitung von

Erzeugnissen im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen, die für

die Art und Weise der Kundenbedienung sowie die Führung des Geschäfts in

verwaltungsmäßiger und finanzieller Hinsicht wichtig sind.

� Identifiziert: das Know-how muss ausführlich genug beschrieben sein, um prüfen

zu können, ob es die Merkmale des Geheimnisses und der Wesentlichkeit erfüllt.

Dieser Know-how-Begriff ist nahezu wörtlich identisch mit der seit dem 01. Januar 2000

geltenden EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindungen. Das Know-

how wird nach wie vor als ein geheimes und nicht allgemein zugängliches Know-how

12 EG-ABl. L 359, 52 – abgedruckt bei Flohr, Franchise-Handbuch, a.a.O., Gruppe I/I.

9

umschrieben, anhand dessen das Franchise-System zu identifizieren ist, dessen

Wesentlichkeit betont13 und das für Franchise-Systeme unerlässlich ist14.

Ansonsten muss zur Umschreibung des Franchise-Begriffs auf Textziffer 42 der Guidelines

zur Vertikal-GVO zurückgegriffen werden. Die dort enthaltene Begriffsumschreibung

entspricht der der Franchise-GVO, die der Deutsche Franchise-Verband wiederum in seine

anerkannte Begriffsdefinition einbezogen hat15. Auch in der Rechtsprechung des BGH sucht

man eine Definition des Franchising vergeblich. Zurückgegriffen wird in der Regel auf die

Begriffsumschreibung der Vertikal-GVO.

Es verwundert daher angesichts dieser nur grob umrissenen Konturen und Inhalt des

Franchise-Begriffs nicht, dass vertikale Integrationsprozesse zwischen Industrie und Handel

zu einem „Anweisungsvertrieb“ und damit zu einer mitunter existentiellen Abhängigkeit des

Franchise-Nehmers führen16.

2. Facetten des Franchising

Schon der Begriff des Franchising zeigt, dass die Franchise-Wirtschaft facettenreich ist – von

Produktionsfranchisen bis hin zu Dienstleistungsfranchisen und – mit dem höchsten

Bekanntheitsgrad – die Vergabe von Franchise-Rechten in der sog. Systemgastronomie wie

z.B. Burger King, McDonalds oder Pizza Hut, um nur einige der bekanntesten Franchise-

Systeme der Systemgastronomie zu nennen.

Diese unterschiedlichen Facetten des Franchise-Begriffs zeigen aber auch, dass Franchise-

Recht ein „lebendes“ Recht ist, also ein Rechtsgebiet, das sich fortlaufend fortentwickelt, sei

es im nationalen Bereich durch die Notwendigkeit der Beachtung von Gesetzgebung, soweit

diese für Franchise-Verträge von Bedeutung ist und wechselnden obergerichtlichen

Entscheidungen und im internationalen Bereich, insbesondere wenn es um die rechtlichen

Probleme des Abschlusses von internationalen Master-Franchise-Verträgen geht. Ein

einheitliches internationales Franchise-Recht gibt es nicht17.

Der Abschluss eines Franchise-Vertrages setzt aber auch voraus, dass in entsprechender

Weise die Franchise-Nehmer über die mit dem Vertragsabschluss verbundenen Risiken

belehrt werden. Insofern erstaunt es nicht, wenn im Mittelpunkt der nationalen und

13 Vgl. zum Ganzen Flohr, Franchise-Vertrag, a.a.O., S. 2 ff. 14 Vgl. zum Unerlässlichkeitsbegriff Schulz, in: Gedächtnisschrift für Skaupy, München 2003, S. 333 (346 ff.). 15 Vgl. dazu vor allem Skaupy, NJW 1992, 1785. 16 Zum Ganzen Martinek, in: Festschrift 50 Jahre Bundesgerichtshof, München 2000, S. 101 (111 f. m.w.N.); siehe auch Blaurock, in: Festschrift für Werner, Berlin 1984, S. 24 ff.; Hänlein, DB 2000, 374 f. 17 Vgl. Reif, Internationale Franchiseverträge, Regensburg 2002; Flohr, Masterfranchise-Vertrag, München 2004, S. 2 ff. m.w.N.

10

internationalen Entwicklung des Franchise-Rechts nach wie vor auch die vorvertragliche

Aufklärung, deren Umfang und deren Grenzen stehen18.

III. Entwicklungen im Nationalen Franchise-Recht

Die Entwicklungen im Nationalen Franchise-Recht erstrecken sich nicht nur auf

vertriebsrechtliche Fragen allein, sondern sind gekennzeichnet durch:

• die Diskussion um die Neufassung des Rechts der Widerrufsbelehrung,

• die Frage der Zulässigkeit und des Umfangs von Bezugsbindungen bei

Franchise-Systemen,

• der Möglichkeit des Abschlusses eines Franchise-Vertrages mit einer

Unternehmergesellschaft i.S.v. § 5 a GmbHG,

• der diskutierte Network Governance Kodex und dessen Einfluss auf

Franchise-Systeme,

• die Übernahme von Filialen eines Franchise-Systems durch Franchise-

Nehmer und die daraus resultierende Frage nach der Anwendung der

Vorschriften des Betriebsübergangs i.S.v. § 613 a BGB,

• die Selbständigkeit des Franchise-Nehmers und der neu diskutierte Begriff

des „Solo-Selbständigen“,

• die Rechtsscheinhaftung bei Franchise-Systemen und

• die Haftung des Franchise-Gebers bei Internetportalen des Franchise-

Nehmers nach den Vorschriften des Telemediengesetzes.

1. Neufassung des Rechts der Widerrufsbelehrung

Im Bundestag und Bundesrat wird zurzeit das Umsetzungsgesetz zur EU-

Verbraucherkreditrichtlinie19 beraten. Absicht des Gesetzgebers ist es:

• die Vorschriften des Widerrufsrechts neu zu ordnen,

• die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit des derzeitigen Musters in Anlage 2

zu § 14 BGB Info-VO20 zu berücksichtigen und

• ein rechtsprechungsfestes Muster der Widerrufsbelehrung vorzulegen, um

so zukünftig die Verwerfungskompetenz der derzeitigen Muster-

Widerrufsbelehrung durch Instanzgerichte zu vermeiden.

18 So noch zuletzt OLG Schleswig, NJW-RR 2009, 23 f. 19 BT-Drucks. 16/11643 vom 21.1.2009; BR-Drucks. 848/08 vom 19.12.2008. 20 Umfassend dazu Flohr, ZGS 2008, 289 ff.; ZGS 2009, 203 ff.

11

Die lege ferenda ist davon auszugehen, dass folgende gesetzliche Vorgaben einer

ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung i.S.v. § 355 BGB gestellt werden:

• Hinweis auf das Recht zum Widerruf,

• Hinweis darauf, dass der Widerruf keiner Begründung bedarf und in

Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb der Widerruffrist

erklärt werden kann,

• Name und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist

(Postfach unzureichend) und

• ein Hinweis auf die Dauer und den Beginn der Widerrufsbelehrung, sowie

• darauf, dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung der

Widerrufsbelehrung oder der Sache genügt.

Gleichzeitig wird durch die Neufassung des Gesetzes zum Ausdruck gebracht, dass das

Muster der Widerrufsbelehrung nunmehr Gesetzesrang erhält und mit Verwendung dieses

Musters jeder Franchise-Geber den Voraussetzungen genügt, die § 355 BGB an eine

ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung stellt. § 360 III BGB n.F. stellt nämlich fest, dass eine

einem Franchise-Nehmer gem. § 355 III 1 BGB mitzuteilende Widerrufsbelehrung dann den

Anforderungen von § 355 I BGB und § 360 I BGB genügt, wenn das Muster Anlage 1 zum

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch entspricht, d.h. dieses Muster unverändert

übernommen wird21.

Insoweit sollte zukünftig auf eigenformulierte Widerrufsbelehrungen verzichtet werden, zumal

§ 360 III 3 BGB n.F. diese Möglichkeiten einschränkt und es nur noch zulässt, dass in

Format und Schriftgröße und durch Zusätze, wie die Firma oder ein Kennzeichen des

Franchise-Systems vom amtlichen Muster der Widerrufsbelehrung abgewichen werden darf.

In einem Punkt ist jedoch keine Änderung de lege ferenda zu erwarten. In § 355 IV BGB n.F.

(= § 355 III BGB a.F.) wird nach wie vor festgeschrieben, dass das Widerrufsrecht zeitlich

unbefristet ausgeübt werden kann, wenn die Widerrufsbelehrung – aus welchem Grund auch

immer – vergessen wurde oder nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

2. Bezugsbindung bei Franchise-Systemen

Durch die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 11. April 200722 ist die Bezugsbindung

Franchise-System wieder in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Ausgehend von den

21 Vgl. dazu Flohr, ZGS 2009, 203 ff. 22 VI Kart. 13/06 n.v. – Body Shop; dazu Flohr, BB 2009, 2159.

12

Regelungen der EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindungen sieht

es das OLG Düsseldorf als angemessen an, wenn die Bezugsbindung eines Franchise-

Nehmers auf 80 % seines Einkaufsumsatzes beschränkt wird. Demgegenüber hat der BGH

in seinem sog. Praktiker-Beschluss vom 11. November 200823 allerdings keine Bedenken,

eine 100 %-ige Bezugsbindung als kartell- und zivilrechtlich zulässig anzusehen.

Abschließend ausdiskutiert ist die Frage des zulässigen (kartellrechtlichen) Umfangs eines

Franchise-Vertrages aber noch nicht – auch unter Einbeziehung der Laufzeit des jeweiligen

Franchise-Vertrages24.

Zukünftig dürfte es aber – nicht nur aus kartellrechtlichen Gründen – zu empfehlen sein, die

Bezugsbindung auf 80 % des EK-Umsatzes des Franchise-Nehmers zu beschränken. Wenn

der Franchise-Nehmer 20 % seines Umsatzes mit dem Absatz sog.

Diversifikationsprodukten selbst erzielen kann, so unterstreicht dies dessen

unternehmerische Selbständigkeit. Dies ist von besonderer Bedeutung, vor dem Hintergrund

des erneut diskutierten Begriffs des sog. Solo-Selbständigen und einer etwaigen

Rentenversicherungspflicht des Franchise-Nehmers gem. § 2 Nr. 9 StGB VI25.

3. Unternehmer- oder Verbraucherhandeln

Durch die Entscheidung des BGH vom 24. Februar 200526 steht fest, dass ein Franchise-

Nehmer mit Abschluss des Franchise-Vertrages als dem sog. kaufmännischen Erstgeschäft

seine Unternehmereigenschaft i.S.v. § 14 BGB begründet. Davon ausgenommen sind nur

solche Rechtsgeschäfte, die der Vorbereitung der Existenzgründung dienen. Diese sind nach

wie vor nach der Entscheidung des BGH vom 15. November 200727 dem

Verbraucherhandeln i.S.v. § 13 BGB zuzuordnen. Aber auch wenn durch den Abschluss des

Franchise-Vertrages die Unternehmereigenschaft begründet wird, gilt der Verbraucherschutz

fort, d.h.

• es ist das verbraucherschutzrechtliche Schriftformerfordernis i.S.v. § 492

BGB und

• die Widerrufswertgrenze des § 507 BGB i.H.v. EUR 50.000,00 (de lege

ferenda EUR 70.000,00)

23 KVR 17/08; WM 2009, 344. 24 Dazu ausführlich Böhner, Jahrbuch Franchising 2009, S. 260 ff. 25 Siehe insgesamt zur Rentenversicherungspflicht des Franchise-Nehmers Flohr, in: Praxishandbuch Franchi-sing, München 2003, § 14, S. 437, 459, Rn. 65 ff. m.w.N. 26 ZIP 2005, 622; Vorinstanz OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 641. 27 ZIP 2008, 27.

13

zu beachten. Dabei ist zur Beurteilung der Widerrufswertgrenze ausschließlich auf den

Franchise-Vertrag und nicht auch auf wirtschaftlich mit diesem zusammenhängende

Verträge (wie etwa ein Kaufvertrag über Einrichtung des Franchise-Outlets) abzustellen.

Eine sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise kommt zur Bestimmung der

Widerrufswertgrenze i.S.d. § 507 BGB nicht in Betracht28.

4. Franchise-Nehmer als Unternehmergesellschafter i.S.v. § 5 a GmbHG

Auch Franchise-Nehmer können die Regelungen des GmbH-Modernisierungsgesetzes29

nutzen. Insofern kann auch ein Franchise-Nehmer eine Unternehmergesellschaft i.S.v. § 5 a

GmbHG gründen, wobei sich dann die Frage stellt, ob mit der Gründung einer solchen

Unternehmergesellschaft mit einem Stammkapital von EUR 1,00 nicht der

Verbraucherschutz unterlaufen wird. Eine solche Unternehmergesellschaft ist nämlich

Unternehmer i.S.v. § 14 BGB, so dass dann die Verbraucherschutzvorschriften nicht gelten.

Damit würde sowohl das verbraucherschutzrechtliche Schriftformerfordernis i.S.v. § 492

BGB genauso entfallen wie die Notwendigkeit, die Widerrufswertgrenze i.S.v. § 507 BGB zu

beachten.

So lange der Franchise-Nehmer die Entscheidung, eine Unternehmergesellschaft zu

gründen aus eigener Entscheidung trifft, ist dies nicht zu beanstanden. Es dürfte aber eine

unzulässige Umgehung der Verbraucherschutzvorschriften vorliegen, wenn ein Franchise-

Geber, um den Verbraucherschutz – und damit ein mögliches Widerrufsrecht des Franchise-

Nehmers – zu unterlaufen, als Voraussetzung für den Abschluss eines Franchise-Vertrages

verlangt, dass zunächst eine Unternehmergesellschaft i.S.v. § 5 a GmbHG gegründet wird.

5. Franchise-Verträge und Network Governance Kodex

Zurzeit wird der Network Governance Kodex diskutiert. Dessen Zweck ist es, eine

Vertrauensbasis zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer im Besonderen und

kooperativen Netzwerken im Allgemeinen zu schaffen. Anerkannt wird durch den Network

Governance Kodex der Netzwerkcharakter von Franchise-Systemen30.

Entscheidend ist, dass der Network Governance Kodex, wenn dieser sich umsetzt und

Allgemeingültigkeit erlangt, insbesondere dazu beitragen wird, dass zukünftig nicht nur die

Informationsasymmetrie im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung entfällt und damit

Franchise-Nehmer ihre Entscheidung, einen Franchise-Vertrag abzuschließen, wirtschaftlich

besser einschätzen können, sondern es soll auch durch Transparenz der Entscheidungen

28 Vgl. Brandenburgisches OLG, 4 U 37/05 n.v.; dazu Flohr, BB 2006, 389 (392). 29 Vgl. Wicke, GmbHG, München 2008, § 5 a, Rn. 1 ff. 30 Network Governance, PwC-Studie, Berlin/Düsseldorf 2008, insb. S. 37 ff.

14

des Franchise-Gebers das für den Erfolg eines Franchise-Systems zwingend notwendige

Vertrauen zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer auf eine umfassende

Grundlage gestellt werden.

Die Anwendung des Network Governance Kodex bedeutet aber nicht, dass eine sog.

Netzwerkhaftung31 geschaffen wird. Eine solche Netzwerkhaftung soll angeblich

wechselseitige Verbundpflichten innerhalb eines Franchise-Systems entstehen, so dass

multilaterale Vertragsbeziehungen entstehen. Der Gedanke der Netzwerkhaftung führt

allerdings zur Auflösung der durch das Zivilrecht bestimmten bilateralen Vertragsstrukturen.

Insofern sah der BGH in seiner Entscheidung vom 22. Februar 200632 auch keine

Notwendigkeit, auf die Frage einer Netzwerkhaftung bei Franchise-Systemen einzugehen.

6. Einkaufsvorteile bei Franchise-Systemen

Die Problematik der Behandlung von Einkaufsvorteilen bei Franchise-Systemen dürfte

zwischenzeitlich als ausdiskutiert anzusehen sein. Auf der Grundlage des BGH-Urteils vom

03. Februar 199933 und daran anknüpfend der Apollo Optik-Entscheidung vom 20. Mai

200334 und der daran anschließenden HERTZ-Entscheidung vom 22. Februar 200635 und im

jetzt veröffentlichten Beschluss des Kartellsenates des BGH vom 11. November 200836 steht

fest, dass Einkaufsvorteile nur dann an Franchise-Nehmer auszukehren sind, wenn sich

dazu entweder eine entsprechende Rechtsgrundlage im abgeschlossenen Franchise-Vertrag

findet oder sich zumindest durch eine Auslegung des Franchise-Vertrages nach dem

„Grundsatz der kundenfreundlichsten Auslegung“ ergibt. Gesetzliche Zahlungsansprüche

können im Gegensatz zum Praktiker-Beschluss des Bundeskartellamtes vom 08. Mai 200637

vom Franchise-Nehmer nicht aus §§ 33 I, 20 I GWB hergeleitet werden.

7. Betriebsübergang bei Franchise-Systemen

Wird eine ehemalige Filiale auf einen Franchise-Nehmer als selbständiges Franchise-Outlet

übertragen, liegt ein Betriebsübergang i.S.v. § 613 a BGB vor. Dies bedeutet, dass der

Franchise-Nehmer in einer Unterrichtungsverpflichtung gegenüber den in der ehemaligen

Filiale tätigen Mitarbeitern steht und gleichzeitig auch die Informationsunterrichtungspflichten

i.S.v. § 613 a V BGB zu berücksichtigen hat38.

31 Siehe dazu Böhner, BB 2004, 119; Teubner, Netzwerk als Vertragsverbund, Baden-Baden 2004. 32 BB 2006, 1071 mit Anm. Flohr, BB 2006, 1074 ff. 33 BB 1999, 860. 34 BGH, NJW-RR 2003, 1635. 35 BB 2006, 1071. 36 WM 2009, 344 – Praktiker; dazu Flohr, BB 2009, 2159; Böhner, Jahrbuch Franchising 2009, S. 260 ff. 37 ZIP 2006, 1778. 38 Siehe dazu aus der neueren Rechtsprechung: BAG, BB 2006, 2406; BAG BB 2006, 2409; BAG, BB 2008, 1116; BAG, Urteil vom 21.8.2008, 8 AZR 407/07 n.v.; dazu Schielke, BB 2009, 670; und bezogen auf Franchise-Systeme umfassend Fissl, Jahrbuch Franchising 2009, S. 193 ff.

15

8. Rechtscheinhaftung des Franchise-Gebers

Immer wieder war diskutiert worden, ob ein Franchise-Geber für Handlungen des Franchise-

Nehmers unter Rechtscheingesichtspunkten haften kann. Der BGH hat hierzu mit Urteil vom

18. Dezember 200739 festgestellt, dass die Einheitlichkeit der Marke und die sonstigen

Kennzeichnungen eines Franchise-Systems bei unterschiedlicher Firmierung von Franchise-

Geber und Franchise-Nehmer keine vertragliche Verpflichtung des Franchise-Gebers nach

Rechtscheingrundsätzen begründen40.

9. Haftung des Franchise-Gebers für Internetportal des Franchise-Nehmers

Nach den Regelungen der EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale

Vertriebsbindungen kann einem Franchise-Nehmer nicht untersagt werden, selbst ein

Internetportal zu betreiben. Dem Franchise-Nehmer kann nämlich kein Verbot des sog.

passiven Vertriebs auferlegt werden. Das bedeutet aber nicht, dass damit der Franchise-

Geber von allen Haftungsrisiken eines Internetportals eines Franchise-Nehmers frei gestellt

ist. Durch das OLG Hamburg ist mit Urteil vom 29. Juni 200741 festgestellt worden, dass der

Franchise-Geber gem. § 10 TelemedienG, insbesondere auf Unterlassung in Anspruch

genommen werden kann.

Insofern sind Franchise-Geber in der Verpflichtung im Rahmen des Franchise-Vertrages

darauf hinzuweisen, dass Franchise-Nehmer nur solche Bilder und sonstige Informationen

im Rahmen ihres Internets veröffentlichen dürfen, an denen auch die entsprechenden

Urheberrechte bestehen. Zugleich ist der Franchise-Nehmer verpflichtet, auf Anfrage dem

Franchise-Geber seine Berechtigung nachzuweisen. Letztlich muss insoweit im Rahmen des

Franchise-Vertrages ausdrücklich vereinbart werden, dass der Franchise-Geber im

Innenverhältnis von allen Ansprüchen, die von Dritten ihm gegenüber gem. § 10

TelemedienG geltend gemacht werden, frei gestellt wird42.

IV. Entwicklungen im Internationalen Franchise-Recht

Im Internationalen Franchise-Recht nimmt dessen Kodifizierung zu. Gleichzeitig werden die

Anforderungen, die an die vorvertragliche Aufklärungspflicht des Franchise-Gebers gestellt

39 BB 2008, 812. 40 Siehe dazu Billing, Jahrbuch Franchising 2009, S. 178 ff. 41 5 U 165/06 n.v. 42 Insofern besteht eine Freistellungsnotwendigkeit wie bei einer Haftung des Franchise-Gebers für eine wettbe-werbswidrige Werbung des Franchise-Nehmers gem. § 8 II UWG 2008, dazu: BGH BB 2000, 1959 – Neu in Bie-lefeld I; BGH NJW 1995, 2355, dazu: Flohr/Petsche, Franchiserecht, Rn. 148 f.

16

werden modifiziert. Insofern werden die Entwicklungen im Internationalen Franchise-Recht

geprägt durch:

• eine fortschreitende Kodifizierung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten,

• Änderungen der vorvertraglichen Aufklärung in den USA durch das

Franchising Developing Document (FDD),

• die Kodifizierung des Franchise-Vertrages in Osteuropa und

• den Erlass eines Franchise-Gesetzes in China und anderen osteuropäischen

Staaten

Diese Entwicklungen gilt es bei solchen Franchise-Systemen zu beachten, die international

tätig sind. Dies betrifft insbesondere die vorvertragliche Aufklärung. Hier sind bei der

Internationalisierung im Einzelnen die Länder zu beachten, die die vorvertraglichen

Aufklärungspflichten, die sog. Disclosure Requirements, gesetzlich geregelt haben.

1. Vorvertragliche Aufklärung in den Vereinigten Staaten

Bisher war jeder amerikanische Franchise-Nehmer verpflichtet, auf der Grundlage der FTC-

Rule, d.h. der entsprechenden Regelung der Federal Trade Commission ein Dokument zur

vorvertraglichen Aufklärung auszuarbeiten, das sog. UFOC-Paper (Uniform Franchising

Offering Circular)43. Dieses Franchising Offering Circular war allerdings nur dem

Vertragsabschluss in den Vereinigten Staaten zugrunde zu legen. Aufgrund des sog. Nieman

Case44 stand nämlich fest, dass Franchising Offering Circular nicht solchen Franchise-

Nehmern des Franchise-Systems vor Vertragsabschluss vorzulegen ist, die in den

Vereinigten Staaten tätig sind.

War schon diese Entscheidung international umstritten, so hat nunmehr die FTC erkannt,

dass das sog. Uniform Franchising Offering Circular (UFOC-Paper) zu umfangreich

geworden ist. Es stand eher einer umfassenden vorvertraglichen Aufklärung durch die

Vielzahl der Informationen entgegen. Insofern wird jetzt „checklistenartig“ ein amtliches

Muster zur vorvertraglichen Aufklärung herausgegeben, das sog. Franchising Developing

Document (FDD). Hier sind nur noch die wesentlichen Daten des Franchise-Systems

darzustellen. Insofern hat auch im US-amerikanischen Franchise-Recht die Erkenntnis

gesiegt: weniger ist mehr und das von einer umfassenden vorvertraglichen Aufklärung nicht

gesprochen werden kann, wenn der Franchise-Nehmer geradezu „mit Informationen vor

Vertragsabschluss erschlagen wird“.

43 Vgl. Flohr, Masterfranchise-Vertrag, a.a.O., S. 83 f. 44 Urteil vom 21.6.1999 des 11. Bezirksgerichts – US App. Lexes 1999, 13609; siehe auch dazu Flohr, Masterfranchise-Vertrag, a.a.O., S. 19.

17

2. Vorvertragliche Aufklärung in Europa

Innerhalb der EU ist eine Tendenz der vorschreitenden gesetzlichen Normierung der

vorvertraglichen Aufklärung (Disclosure Requirements) zur Vermeidung einer

Informationsasymmetrie beim Abschluss von Franchise-Verträgen festzustellen.

Solche Gesetze zur vorvertraglichen Aufklärung bestehen innerhalb der EU in:

• Belgien, • Frankreich, • Italien, • Schweden, • Spanien.

Zukünftig wird sich diese „Gesetzgebungswelle“ auch noch auf weitere Staaten erstrecken.

Franchise-Gesetze sind in der Diskussion in:

• Belarus. • Bulgarien, • Estland, • Georgien, • Griechenland, • Litauen, • Moldawien, • Rumänien.

Diese Gesetze beschränken sich im Wesentlich darauf, Kriterien zur vorvertraglichen

Aufklärung zu normieren. Teilweise werden aber auch die Disclosure-Gesetze mit

gesetzlichen Anforderungen an die Franchise-Verträge verbunden, wie in:

• Russland oder • China.

Russland hat sich hingegen darauf beschränkt, Franchising in Art. 54 ZGB zu regeln45.

Während China ein gesondertes Franchise-Gesetz erlassen hat46.

3. Franchise-Gesetz in China

In China hat sich eine Änderung des Rechtsrahmens für internationale Verträge durch den

WTO-Beitritt am 11. Dezember 200147 ergeben.

45 Vgl. Flohr, Masterfranchise-Vertrag, a.a.O., S. 86 f. 46 Vgl. Flohr, Masterfranchise-Vertrag, a.a.O., S. 67 f. 47 Vgl. Hero, Jahrbuch Franchising 2009, S. 389 ff.

18

Das neue Chinesische Kartellrecht entspricht nunmehr Art. 81 EGV, d.h. im Hinblick auf

Franchise-Verträge besteht:

• ein Preisbindungsverbot gegenüber Franchise-Nehmern genauso

• wie das Verbot einer Zweitkonditionenbeschränkung.

Gleichzeitig soll der Schutz geistigen Eigentums verstärkt werden, und zwar durch

Umsetzung von Art. 50 TRIPS (Agreement on trade-related aspects of intellectual

property rights)48.

Letztlich wurde ein Franchise-Gesetz entsprechend US-amerikanischem Franchise-Recht

erlassen, bei dem drei Punkte im Vordergrund stehen:

• Notwendigkeit eines Know-how-Transfers,

• umfassende vorvertragliche Aufklärung und

• Vorgaben an den Inhalt eines Franchise-Vertrages und Festlegung der

Rechte und Pflichten von Franchise-Geber und Franchise-Nehmer.

Durch die Anpassung des chinesischen Franchise-Rechts an die Franchise-Gesetze anderer

Staaten schließt sich mehr und mehr der Kreis des kodifizierten Franchise-Rechts – jedoch

noch nicht in einem solchen Maße, dass vom internationalen Franchise-Recht als einem

transnationalen Recht49 gesprochen werden kann. Hier gilt es die weitere Entwicklung

abzuwarten.

V. Fazit

Diesen unterschiedlichen Entwicklungen im Nationalen und Internationalen Franchise-Recht

tragen auch die Beiträge des Franchise-Seminars Rechnung, das an der TU Chemnitz im

WS 2008/2009 durchgeführt wurde. Die Beiträge befassen sich zum einen mit Franchise-

Verträgen als multilateralen Vertragsbeziehungen (Adam), überprüfen, welche europarecht-

lichen Vorgaben für das Franchising existieren (Descher), und analysieren die Informations-

asymmetrie beim Abschluss von Franchise-Verträgen (Frenzel). Gleichzeitig wird aber auch

48 Vgl. dazu Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 8. Auflage, München 2009, § 14, Rn. 7 ff., mit umfassen-den Nachweisen. 49 Vgl. zum Begriff des Transnationalen Rechts Langen, Transnationales Recht, Heidelberg 1981, S. 13-16; zuvor schon Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Tübingen 1975, S. 7 f. m.w.N.

19

darauf eingegangen, in welcher das Franchise-Recht kodifiziert wird, wobei dies am

Belgischen (Franchise-) Disclosure Gesetz exemplifiziert wird (Opitz).

Da Franchise-Verträge als Musterverträge nach Deutschem Recht der Inhaltskontrolle gem.

§§ 305 ff. BGB unterliegen, wurde auch die Frage einer AGB-Kontrolle von Franchise-

Verträgen im Rahmen des Seminars abgehandelt (Czikowski). Letztlich hat man sich auch

nicht der Tendenz im Internationalen Franchise-Recht verschlossen, Streitigkeiten vor einer

gerichtlichen Auseinandersetzung durch eine Mediation „zu setteln“. Insofern wurde im

Seminar auch der Frage nachgegangen, ob eine Mediation bei Franchise-Systemen als eine

zukunftsweisende Streitschlichtung anzusehen ist (Löwe).

Die einzelnen Seminar-Beiträge zeigen, dass das Franchise-Recht nicht nur isoliert bezogen

auf die deutschen Rechtsnormen gesehen werden kann, sondern auch der internationale

Rechtsrahmen zu beachten ist, wobei sich auch das nationale Deutsche Franchise-Recht

nicht der Tendenz entziehen kann, zunehmend auf die Mediation als Mittel der Konfliktlösung

bei Franchise-Systemen zurückzugreifen.

20

Literaturverzeichnis Kommentare und Gesamtdarstellungen DFV (Hrsg.), Jahrbuch Franchising 1999/2000 DFV/Metzlaff und Liesegang (Hrsg.), Jahrbuch Franchising 2009 Flohr (Hrsg.), Franchise-Handbuch, Berlin 1994/96 Flohr (Hrsg.), Franchising im Wandel. Gedächtnisschrift für Walther Skaupy, München 2003 Flohr, Masterfranchise-Vertrag, München 2004 Flohr, Franchisevertrag, 3. A. München 2006 Flohr/Petsche (Hrsg.), Franchiserecht – Deutschland und Österreich, 2. A. Münster 2008 Geiß/Nehm/Brandner/Hagen (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesgerichtshof, München 2000 Giesler/Nauschütt (Hrsg.), Franchiserecht, 2. A. Bonn 2007 Hadding u.a. (Hrsg.), Festschrift für Winfried Werner, Berlin 1984 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 8. A. München 2009 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Tübingen 1975 Langen, Transnationales Recht, Heidelberg 1981 Martinek, Franchising, Heidelberg 1987 Martinek/Semler/Habermeier (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 2. A. München 2003 Medicus, Schuldrecht BT, 14. A. München 2007 Metzlaff (Hrsg.), Praxishandbuch Franchising, München 2003 Peckert/Erdmann/Kiewitt, Gründung mit System, Frankfurt 2002 Reif, Internationale Franchiseverträge, Regensburg 2002 Skaupy, Franchising, 2. A. München 1995 Teubner, Netzwerk als Vertragsverbund, Baden-Baden 2004 Tietz, Handbuch Franchising, 2. A. Landsberg am Lech 1991 Wicke, GmbHG, München 2008 Aufsätze und Rechtsprechungsübersichten Böhner, Vom Franchisevertrags- zum Franchisenetzwerkrecht, BB 2004, 119 Flohr, Aktuelle Tendenzen im Franchise-Recht, BB 2006, 389 Flohr, Urteilsanmerkung zur HERTZ-Entscheidung des BGH, BB 2006, 1074 Flohr, Widerrufsbelehrung bei Franchise-Verträge und BGB-InformationspflichtenVO, ZGS 2008, 289 Flohr, Das neue Recht der Widerrufsbelehrung und Franchise-Verträge, ZGS 2009, 203 Flohr, Franchising – Bezugsbindung, Einkaufsvorteile und Transparenz, BB 2009, 2159 Hänlein, Franchise – Existenzgründungen zwischen Kartell-, Arbeits- und Sozialver-sicherungsrecht – eine neue Erwerbsform im Aufwind?, DB 2000, 374 Liebscher/Petsche, Franchising nach der neuen Gruppenfreistellungsverordnung (EG) Nr. 2790/99 für Vertikalvereinbarungen, EuZW 2000, 400 Metzlaff, Franchisesysteme und EG-Kartellrecht – neueste Entwicklungen, BB 2000, 1201 Pukall, Die neue Gruppenfreistellungsverordnung für Franchisevereinbarungen, NJW 2000, 1375 Schielke, Anm. zu BAG: Ordnungsgemäße Unterrichtung über den Betriebsübergang, BB 2009, 670 Skaupy, Zu den Begriffen „Franchise“, „Franchisevereinbarungen" und „Franchising", NJW 1992, 1785

21

Franchise-Verträge als multilaterale Vertragsbeziehungen?

Stud. rer. pol. David Adam

1. Einleitung

In Deutschland waren im Jahr 2007 etwa 910 Franchisegeber registriert. Neben dem

Dienstleistungssektor ist das Franchising zunehmend auch in Handel, Handwerk und

Produktion zu finden. Die 55.700 Franchise-Nehmer boten 441.000 Personen die

Möglichkeit, als Angestellte in einem Franchise-System ihr Einkommen zu sichern. Ein

Umsatz von ca. 41,5 Milliarden Euro konnte im Jahre 2007 realisiert werden. Im Vergleich zu

1998 ist das eine Umsatzsteigerung von etwa 132 %. Diese Steigerung macht die

zunehmende Bedeutung der jungen Vertriebsform deutlich.1

Da sich die Entwicklung noch im Anfangsstadium befindet, ist davon auszugehen, dass in

der Zukunft das Potenzial stärker ausgeschöpft wird und dieser Vertriebsform eine

beachtliche Stellung in der Wirtschaftstätigkeit zukommt. Das Franchising benötigt, um

erfolgreich agieren zu können, einen soliden rechtlichen Rahmen und klare Vorgaben. Diese

werden in der Rechtsprechung bislang vergebens gesucht.

In der vorliegenden Arbeit wird zunächst eine Einordnung des Franchising in den

bestehenden Wirtschaftsprozess gegeben. Im Fokus steht dabei die Beziehung des

Franchisegebers zum Franchisenehmer. Aufbauend auf diese Betrachtung werden weitere

Akteure - Lieferanten und weiteren Franchisenehmer - der bilateralen Franchisegeber-

Franchisenehmer-Beziehung zugeordnet. Am Beispiel der Optiker-Kette Apollo wird

versucht, den Netzwerkgedanken aufzugreifen und die damit verbundene Hauptfragestellung

zu klären: Sind Franchise-Verträge als multilaterale Vertragsbeziehungen zu sehen? Dabei

steht die Weitergabe von Einkaufsvorteilen, die aus den Netzwerkbeziehungen resultiert, im

Blickpunkt. Am Beispiel wird eine kontroverse Sicht der Auslegung, Handhabung und

Umsetzung von Rechten und Pflichten verdeutlicht. Die Literatur verfolgt in der Aufarbeitung

des Problems keine einheitliche Linie. Neben der vorrangig vertretenen Meinung wird auch

auf die abweichende Ansicht einzelner Autoren eingegangen. Eine Diskussion der Ansichten

sowie ein Ausblick auf zukünftige Auslegungsmöglichkeiten der Entscheidungen runden die

Betrachtungen ab.

1 Vgl. Infopaket für Franchisegeber, in: Internetpräsentation des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., S. 21 f., www.dfv-franchise.de [18.01.2009].

22

2. Franchising – Eine vertikale Vertriebsform

2.1. Einordnung und Begriffserklärung

Der Begriff Franchise stammt aus dem französischen Sprachgebrauch und bedeutete

ursprünglich die Befreiung von Gebühren.2 Die wörtliche Übersetzung ist nicht mit der

inhaltlichen Bedeutung identisch. Der Inhalt des Wortes stellte sich im Mittelalter heraus, als

mit dem Begriff die Privilegienvergabe an vertrauenswürdige Dritte bezeichnet wurde. Diese

Bevorzugungen erlaubten den Vertrieb von Erzeugnissen, die durch staatliche Produktion

hergestellt wurden. Der Privilegierte bekam im Gegenzug ein Entgelt vom Staat. Im

Britischen Königreich wurde mit Franchise das Einnehmen von Steuern durch vom Königs-

haus entsendete Vertrauensleute beschrieben.3 Diese ausgeübten Rechte in Verbindung mit

erhaltenem Entgelt weisen auf die heute mit dem Begriff Franchise in Verbindung gebrachte

Bedeutung hin.

In der Gegenwart beschreibt Franchising eine moderne Vertriebsform, die der

Distributionspolitik als Teil des Wertschöpfungsprozesses zuzuordnen ist. Bis zum heutigen

Tage gibt es keine einheitliche Definition mit allgemeiner Gültigkeit. Der Deutsche Franchise-

Verband e.V. gibt jedoch eine offiziell anerkannte Auslegung des Begriffes:

„Franchising ist ein vertikal-kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbstständiger

Unternehmer auf der Basis eines vertraglichen Dauerschuldverhältnisses. Dieses System

tritt auf dem Markt einheitlich auf und wird geprägt durch das arbeitsteilige

Leistungsprogramm der Systempartner sowie durch ein Weisungs- und Kontrollsystem zur

Sicherstellung eines systemkonformen Verhaltens. Das Leistungsprogramm des Franchise-

Gebers besteht aus einem Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept, dem

Nutzungsrecht an Schutzrechten, der Ausbildung des Franchise-Nehmers und der

Verpflichtung des Franchise-Gebers, den Franchise-Nehmer laufend und aktiv zu

unterstützen und das Konzept ständig weiterzuentwickeln. Der Franchise-Nehmer ist im

eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig; er hat das Recht und die Pflicht, das

Franchise-Paket gegen Entgelt zu nutzen. Als Leistungsbeitrag liefert er Arbeit, Kapital und

Information.“4

Die folgende Definition geht auf den „European Code of Ethics for Franchising“ zurück; sie

lautet wie folgt:

„Franchising ist ein Vertriebssystem, durch das Waren und/oder Dienstleistungen und/oder

Technologien vermarktet werden. Es gründet sich auf eine enge und fortlaufende

Zusammenarbeit rechtlich und finanziell selbstständiger und unabhängiger Unternehmen,

2 Vgl. Giesler, Patrick / Nauschütt, Jürgen, Einleitung, in: Franchiserecht, Handbuch für die anwaltliche und gerichtliche Praxis, hrsg. v. Giesler, Patrick /Nauschütt, Jürgen, Neuwied / Kriftel 2002, S. 1 (5). 3 Vgl. ebenda. 4 Vgl. Existenzgründung mit System, Ein Leitfaden des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., in: Internetpräsentation des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., S. 4, www.dfv-franchise.de [12.12.2008].

23

den Franchise-Geber und seine Franchise-Nehmer. Der Franchise-Geber gewährt seinen

Franchise-Nehmern das Recht und legt ihnen gleichzeitig die Verpflichtung auf, ein Geschäft

entsprechend seinem Konzept zu betreiben. Dieses Recht berechtigt und verpflichtet den

Franchise-Nehmer, gegen ein direktes oder indirektes Entgelt im Rahmen und für die Dauer

eines schriftlichen, zu diesem Zweck zwischen den Parteien abgeschlossenen Franchise-

Vertrages per laufender technischer und betriebswirtschaftlicher Unterstützung durch den

Franchise-Geber den Systemnamen und/oder das Warenzeichen und/oder die

Dienstleistungsmarke und/oder andere gewerbliche Schutz- oder Urheberrechte sowie das

Know-How, die wirtschaftlichen und technischen Methoden und das Geschäfts-

ordnungssystem des Franchise-Gebers zu nutzen.“5

2.2. Rechtliche Einordnung des Franchising

Diese Begriffserklärung findet sich auch in der bis 31.12.1999 gültigen EU-

Gruppenfreistellungsverordnung für Franchisevereinbarungen (Franchise-GVO)6 wieder. Die

Grundlage der Franchise-GVO bildeten die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH)

aufgestellte Grundsätze für die Vereinbarkeit eines Franchise-Vertrages mit dem

Kartellverbot des EG-Vertrages. Darin werden Wettbewerbsbeschränkungen, die für das

Funktionieren von Franchise-Verträgen nötig sind, von dem bestehenden Verbot des Art. 81

Abs. 1 EGV ausgenommen. Mit Hilfe dieser Grundsätze entwickelte die EG-Kommission die

Franchise-GVO. Am 01.02.1989 trat die neue Verordnung in Kraft, sie stellte somit die

Geburtsstunde des europäischen Franchiserechts dar. Neben der Festlegung, dass

bestimmte Vereinbarungen innerhalb bestehender Franchise-Verträge aus dem

europäischen Kartellverbot ausgenommen sind, regelt die GVO in einer sogenannten

„Weißen Liste“ Verpflichtungen eines Franchisenehmers, die durch die Rechtsprechung als

nicht wettbewerbsbeschränkend angesehen werden, beispielsweise die Alleinbezugsklausel,

Qualitätsklausel, Absatz- und Umsatzklausel oder andere Festlegungen, die zwischen

Franchisenehmer und Franchisegeber durch den Vertrag geregelt werden.7

Neben der „Weißen Liste“ ist die „Schwarze Liste“ innerhalb der Franchise-GVO von

Bedeutung. Darin wird die Überprüfung von Klauseln geregelt, die eine Kollision mit

allgemeinen kartellrechtlichen Verboten darstellen. Die daraus resultierende

Freistellungsverhinderung hat zur Folge, dass eine Einzelfreistellung bezüglich des

entsprechenden Franchise-Vertrages vorgenommen werden musste. Preisbildungsklauseln

stellten dabei den häufigsten Kollisionsgrund dar. Der Franchisegeber darf dem

Franchisenehmer keine Preise vorschreiben, sondern lediglich unverbindliche

5 Vgl. Flohr, E., Franchiserecht als Rechtsgebiet, Franchising als Netzwerk, in: Franchiserecht – Deutschland und Österreich, hrsg. v. Flohr, E. / Petsche, A., 2. Aufl., Münster 2008, S. 1 (3). 6 Kommissions-Verordnung Nr. (EWG) 4087/1988, ABl. EG Nr. L 359, 46. 7 Vgl. EG-Recht, Kartellrecht, in: Internetpräsentation der franchiseSTARTER, www.franchisestarter.de/franchise/recht/eg-recht/ [10.01.2009].

24

Preisempfehlungen aussprechen. Eine weitere Leitlinie, die in der Franchise-GVO

niedergeschrieben steht, besagt, dass es kein Belieferungsverbot aus Wohnsitzgründen

geben darf. Der Franchisenehmer darf Kunden außerhalb des im Vertrag festgeschrieben

Gebietes beliefern, wenn der Vertrag zum Kunden innerhalb des vorgeschriebenen Terrains

abgeschlossen wurde.8

Die Franchise-GVO hatte bis zum 31.12.1999 Bestand und wurde zu diesem Tag außer

Kraft gesetzt. Die EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vertriebsformen (Vertikal-

GVO)9 löste danach die Franchise-GVO ab.10

Die Vertikal-GVO trat am 01.01.2000 in Kraft und ist befristet auf zehn Jahre. Zweck dieser

Ablösung ist die Integration des Franchising in eine Gruppenfreistellungsverordnung, die alle

vertikalen Vertriebsverbindungen enthält. Dadurch, dass keine alleinige

Freistellungsverordnung für Franchising besteht, bleibt die Frage kontrovers, ob das

Franchising weiterhin als gesonderte Vertriebsform gesehen wird oder ob nun eine

Zuordnung zum selektiven Vertrieb vorgesehen ist.11

Grundsätzlich sind in der Vertikal-GVO alle Änderungen bezüglich des Franchising im

Vergleich zur Franchise-GVO geregelt. Hinzu kommt als Neuerung eine Erklärung der

Vorschriften in Form von „Guidelines“, die Kommentaren zu Gesetzestexten ähneln. Bislang

ist die Frage ungeklärt, ob es durch die „Guidelines“ zu Verbesserungen innerhalb der

Franchisegeber-Franchisenehmer-Situation gekommen ist, da eine Effektivitätssteigerung in

diesem Fall noch nicht bestimmt werden kann. Neben der begrifflichen Definition des

Franchising in einer „Guideline“ beschreibt die Vertikal-GVO den Begriff des Know-how als

eine Erkenntnissammlung, die durch praktische Erfahrungen des Franchisegebers

entstanden ist und dem Franchisenehmer für dessen Verkaufsabsicht zur Verfügung gestellt

werden muss. Weiterhin werden Grundlagen zum Vertragsgebiet, zu der Bezugsbindung und

der Laufzeit innerhalb der Vertikal-GVO geregelt. Es existiert wie bei der Franchise-GVO

eine „Schwarze Liste“, die alle Beschränkungen beinhaltet, für die keine Gruppenfreistellung

gewährt wird. Sonstige Beschränkungen, Preisbindungsverbot und eine Regelung bezüglich

der Marktanteile vervollständigen die Vertikal-GVO.12

Da auch im Franchiserecht die EU-Vorgaben den nationalen Regeln vorgehen, ist es bei der

Überprüfung eines Franchise-Vertrages erforderlich, zunächst auf die Vertikal-GVO

zurückzugreifen. Falls eine Prüfung nicht alle Voraussetzungen für die Regelkonformität des

Franchise-Vertrags erfüllt, ist eine Einzelfallbeurteilung nach Art. 81 Abs. 3 EGV

vorzunehmen.13

8 Vgl. Flohr, E., Franchiserecht als Rechtsgebiet, Franchising in Deutschland, in: Franchiserecht – Deutschland und Österreich, hrsg. v. Flohr, E. / Petsche, A., 2. Aufl., Münster 2008, S. 9 (13 f.). 9 Kommissions-Verordnung (EG) Nr. 2790/1999, ABl. EG Nr. L 336, 21. 10 Vgl. Flohr, aaO, S. 14. 11 Vgl. Flohr, aaO, S. 15. 12 Vgl. Flohr, aaO, S. 15 ff. 13 Vgl. Flohr, aaO, S. 25.

25

In Deutschland gibt es bis heute keine eigene gesetzliche Regelung für Franchiserecht.

Vielmehr finden neben Regelungen des allgemeinen Zivil-, Handels-, Gesellschafts-,

Wettbewerbs-, Kartell-, Verbraucherschutz- sowie Arbeits- und Sozialversicherungsrechts

Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) Anwendung.14

Diese werden im weiteren Verlauf der Betrachtungen die Grundlage darstellen, um die

Frage, ob es sich bei Franchiseverträgen um multilaterale Vertragsbeziehungen handelt, zu

beantworten. Prinzipiell werden die Grundsätze für Dauerschuldverhältnisse angewendet.

3. Franchisenehmer und Franchisegeber

Die Vertikal-GVO hat den Rechten, wie beispielsweise Weisungs- und Kontrollrechte, des

Franchisegebers im Wettbewerbsinteresse und in Bezug auf die Unabhängigkeit zum

Franchisenehmer Grenzen gesetzt. Der Franchisegeber ist angehalten, darauf zu achten,

dass unter dem Schirm der Systembindung die Unabhängigkeit seines Partners

aufrechtgehalten wird. Wichtigste Aufgabe des Franchisegebers ist die Bereitstellung seines

Know-how und die Nutzungsgarantie von Marken bzw. Warenzeichen, die dafür sorgen,

dass ein Franchise-System einen hohen Bekanntheitsgrad genießt und somit für potentielle

Franchisenehmer interessant wird. Der besondere Schutz dieser Markenrechte ist von

großer Bedeutung für den Erfolg. Der Franchisegeber hat die Aufgabe, von seiner

Systemzentrale aus Hilfestellung zu Fragen wie Standortentscheidung, Einrichtungsplanung,

Marketing, Buchhaltung, Personal, Qualitätssicherung und Controlling zu leisten und somit

den Franchisenehmer aktiv zu unterstützen. Der Vorteil für den Franchisegeber ist die

Tatsache, dass er sich überwiegend mit strategischen Aufgaben des Franchise-Systems

befassen kann, während die Franchisenehmer mit dem Tagesgeschäft für Umsätze am

Markt sorgen. Die Lizenzgebühren, die jeder Franchisenehmer für die Bereitstellung des

Know-how und Markenrechte zahlt, stellen für den Franchisegeber die Einnahmen neben

sonstigen Gebühren dar. Er verzichtet dabei auf mögliche höhere Renditen, die er durch das

Betreiben von eigenen Unternehmen erzielen könnte.15 Dies schließt allerdings nicht aus,

dass er neben seiner Tätigkeit als Franchisegeber auch ein eigenes Filialnetz betreiben darf.

Dafür trägt er ein geringeres finanzielles Risiko im Falle des Scheiterns des

Franchisenehmers. Einen weiteren Vorteil stellt das vom Franchisegeber aufgebaute System

in Bezug auf Marktforschungsinstrumente dar. Die Kundenstruktur der einzelnen

Franchisenehmer schafft die Möglichkeit, sehr detaillierte Kundenprofile zu erstellen, die für

Marketingmaßnahmen und letztlich für den Erfolg des Systems von Bedeutung sind.16

14 Vgl. Flohr, aaO, S. 26. 15 Vgl. Franchise PORTAL, Franchise-Glossar, Franchise-Lexikon, Stichwortsuche: Franchisegeber, Franchisenehmer, Systemzentrale und Franchise-System, www.franchiseportal.de/wissen-tools/franchise-lexikon.htm [27.12.2008]. 16 Vgl. Franchise PORTAL, Franchise-Glossar, Franchise-Lexikon, Stichwortsuche: Franchisegeber, Franchisenehmer, Systemzentrale und Franchise-System, www.franchiseportal.de/wissen-tools/franchise-lexikon.htm [27.12.2008].

26

Der Franchisenehmer, der prinzipiell ein hohes Maß an sozialen Kompetenzen aufbringen

muss, ist selbständiger Unternehmer, der durch die Lizenzgebühr Know-how und

Markenrechte an einem erprobten Franchise-System erwirbt. Sämtliche Tagesgeschäfte und

betriebswirtschaftlichen Aufgaben muss er selbstständig koordinieren und ist im Falle des

Scheiterns selbst verantwortlich, was als Nachteil gesehen werden kann. Er trägt außerdem

das Risiko, falls ein anderer Franchisenehmer für Imageverlust des gesamten Systems sorgt

(durch Misswirtschaft, Kundenunzufriedenheit, etc.) und somit der Markenname und damit

verbunden das eigene Image geschwächt werden.17

Vorteil für den Franchisenehmer ist der leichte Einstieg in die Selbstständigkeit, da ein

erprobtes und in der Regel erfolgreiches Geschäftskonzept gegen Zahlung von

Lizenzgebühren übernommen wird. Die System-Zentrale organisiert die Betreuung während

der Existenzgründung. Somit ist das Hauptaugenmerk nicht auf die Umsetzung einer

eigenen Geschäftsidee gerichtet, sondern auf die betriebswirtschaftliche Leitung und

Anwendung sozialer Fähigkeiten im Umgang mit eigenen Mitarbeitern, Franchisegeber sowie

den Kunden. Neben den laufenden Lizenzgebühren ist oft eine einmalige Zahlung bei

Gründung des eigenen Unternehmens üblich. Weiterhin werden Gebühren für überregionale

Marketingmaßnahmen fällig.18 Ein Problem in der Franchisenehmer-Franchisegeber-

Beziehung stellen Fragen bezüglich Lieferantenverträgen dar, die in folgenden

Konstellationen auftreten können:

- Franchisenehmer und Lieferant,

- Franchisegeber und Lieferant,

- Franchisenehmer und Franchisegeber sowie

- Franchisenehmer untereinander.

Ob es sich in diesem Fall um eine Vertragsbeziehung handelt, die über die übliche

Bilateralität von Verträgen hinausgeht und als multilaterale Vertragsbeziehung gesehen

werden muss, ist Gegenstand der weiteren Betrachtungen. In diesem Fall müsste das

Franchise-System als Netzwerk betrachtet werden. Innerhalb dieses Netzwerkes könnten

multilaterale Beziehungen zwischen den teilnehmenden Akteuren auftreten, die

gegebenenfalls zu Netzeffekten und daraus resultierenden Verbundpflichten führen.

Zunächst werden daher im Anschluss die rechtlichen Rahmenbedingungen des bilateralen

Franchise-Vertrages dargelegt, bevor die Problematik der Netzwerke auf Franchise-Systeme

übertragen wird.

17 Vgl. Existenzgründung mit System, Ein Leitfaden des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., in: Internetpräsentation des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., S. 4, www.dfv-franchise.de [12.12.2008]. 18 Vgl. Franchise PORTAL, Franchise-Glossar, Franchise-Lexikon, Stichwortsuche: Franchisegeber, Franchisenehmer, Systemzentrale und Franchise-System, www.franchiseportal.de/wissen-tools/franchise-lexikon.htm [27.12.2008].

27

4. Der Franchise-Vertrag als bilaterale Beziehung

Beim Vertrag zwischen Franchisenehmer und Franchisegeber handelt es sich um einen

Typenkombinationsvertrag, in den die oben genannten Gesetzesvorschriften einfließen. Da

es keinen allgemein gültigen Franchise-Mustervertrag gibt, ist der Inhalt auf jedes einzelne

System angepasst. Im Vorfeld des eigentlichen Vertragsabschlusses ist bei Anbahnung

eines solchen vom Franchisegeber einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht nachzukommen.

Diese verpflichtet zur wahrheitsgemäßen Offenlegung aller für das spätere

Vertragsverhältnis relevanten Informationen bezüglich des Franchise-Systems, in das der

künftige Franchisenehmer eintreten will. Dabei sind insbesondere Auskünfte über den

durchschnittlichen Jahresumsatz, den notwendigen Arbeitseinsatz oder die Höhe der

Investitionsausgaben vorzulegen.19

Im Blickpunkt des späteren Vertragsabschlusses steht der Vertrag selbst. Folgende

Aufzählungen müssen in jedem Fall enthalten sein:

In der Präambel werden die Grundlagen bezüglich des Franchise-Systems dargestellt.

Der Gegenstand der Franchise legt alle Marken- und/oder Nutzungsrechte fest, die der

Franchisegeber dem Franchisenehmer zur Verfügung stellt.

In einem weiteren Teil des Vertrages wird das Vertragsgebiet eingegrenzt. Der

Gebietsschutz ist keine zwingende Regelung.

Der inhaltlich wichtigste Teil stellt die Pflichten des Franchisegebers vor. Diese müssen

detailliert beschrieben werden.

Den Franchisegeberpflichten stehen die Zahlungsverpflichtungen des Franchisenehmers

gegenüber.

Neben der Pflicht zur Zahlung allgemeiner Franchisegebühren ist auch die Weitergabe von

Daten zur Marktforschung festgelegt.

Des Weiteren regelt der Franchise-Vertrag die Vertragsdauer und Fragen, die dem Thema

Kündigung zuzuordnen sind. Die Tendenz, dass Franchise-Verträge eine Erstlaufzeit von

fünf Jahren nicht überschreiten sollen, ist zu erkennen, aber noch nicht allgemein festgelegt.

Ein Grundsatz besagt, dass innerhalb der Vertragslaufzeit die Investitionssumme, die der

Franchisenehmer aufbringt, amortisiert werden muss.

Die Beendigung des Franchise-Vertrages wird ebenfalls geregelt und im Vertrag

niedergeschrieben.

Abschließend sind die Widerrufsbelehrungen und das Widerrufsrecht geregelt. Bei dieser

Vielfalt an inhaltlichen Vorgaben wird deutlich, dass es sich bei einem Franchise-Vertrag um

19 Vgl. Flohr, Eckhard, Der Franchise-Vertrag, in: Internetpräsentation des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., S. 1 ff., www.dfv-franchise.de [02.01.2009].

28

ein komplexes und individuell aufgestelltes Vertragswerk handelt und es somit nicht bzw. nur

unter Einschränkungen möglich ist, einen allgemeingültigen Mustervertrag anzufertigen.20

Neben der eben beleuchteten vertraglichen Bilateralität zwischen Franchisenehmer und

Franchisegeber sind auch die Beziehungen zu den Lieferanten und die damit verbundenen

Probleme von Bedeutung. In der weiteren Teil wird auf den Netzwerkgedanken innerhalb des

Franchising eingegangen und die oben genannte Frage der Multilateralität diskutiert.

5. Franchising als Netzwerk

5.1. Voraussetzungen

In den nachfolgenden Betrachtungen wird unter dem vielseitig verwendbaren Begriff des

Netzwerkes eine vertragliche Unternehmenskooperation verstanden.21 Das Franchising ist

dieser Kategorie zuzuordnen.

Das Netzwerk ist dadurch gekennzeichnet, dass es unternehmensübergreifende Projekte

umfasst, die sich aus kooperierenden autonomen Unternehmen ergeben. Dabei ist

Vertrauen eine grundlegende Voraussetzung für das Funktionieren des Netzes. Auch die

Betrachtungsweise als Kombination von Vertrag und Organisation mit

Vertrauensbeziehungen ist legitim.22

Damit das Franchising als Netzwerk behandelt werden kann, muss von der Ansicht Abstand

genommen werden, dass Franchisenehmer ausschließlich als Absatz- oder

Vertriebsvermittler zu sehen sind. Der daraus resultierende Bezug zum Handelsvertreter-,

Kommissionsagentur- und Vertragshändlerrecht führt zu einer differenzierten Betrachtung.

Der Franchisenehmer wird nun als selbstständiger Unternehmer betrachtet, dessen Aufgabe

es ist, die vom Franchisegeber angebotenen Produkte und/oder Dienstleistungen bzw. die

innerhalb des Franchise-Systems gelisteten Produkte und/oder Dienstleistungen von

externen Lieferanten an den Endverbraucher zu verkaufen.23

Um das Franchise-System als Netzwerk zu verstehen, ist es weiterhin erforderlich, neben

den einzelnen vertraglichen Beziehungen zwischen Franchisenehmer und Franchisegeber

auch die Wechselwirkungen der einzelnen, als selbstständige Unternehmer auftretenden

Franchisenehmer zu den Lieferanten zu betrachten. Dabei ist zu beachten, dass sich die

Wechselwirkungen anderer Franchiseteilnehmer auf das eigene unternehmerische Handeln

auswirken können.24 Damit entstehen aus den inneren Vertragsbeziehungen, die das

jeweilige Franchise-System vorgeben auch Effekte, die außerhalb der vertraglichen

20 Vgl. Flohr, Eckhard, Der Franchise-Vertrag, in: Internetpräsentation des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., S. 3 ff., www.dfv-franchise.de [02.01.2009]. 21 Vgl. Teubner, Gunther, Netzwerk als Vertragsverbund, Bd. 5, 1. Aufl., Baden-Baden 2004, S. 35. 22 Vgl. Teubner, a.a.O., S. 42. 23 Vgl. Franchiserecht als Rechtsgebiet, Franchising als Netzwerk, in: Franchiserecht – Deutschland Flohr, E., und Österreich, hrsg. v. Flohr, E. / Petsche, A., 2. Aufl., Münster 2008, S. 1 (2). 24 Vgl. Lange, Werner, Das Recht der Netzwerke, Moderne Formen der Zusammenarbeit in Produktion und Vertrieb, Heidelberg 1998, S. 37.

29

Vorgaben Wirkungen erzeugen. Diese Problematik soll im Folgenden anhand eines Beispiels

verdeutlicht werden. Dabei wird versucht, den Netzwerkgedanken aufzugreifen und

kontrovers zu diskutieren.

5.2. Netzwerkbedingte Vorteilsweitergabe am Beispiel des Apollo-Urteils

Grundlage der Betrachtungen ist as Apollo-Urteil vom 20.05.2003.25 17 Franchisenehmer der

Optiker-Kette Apollo hatten Auskunft vom Franchisegeber darüber verlangt, ob ihnen

Einkaufsvorteile verschwiegen wurden. Dies geschah zunächst außerhalb der

Gerichtsbarkeit. Den Franchisenehmern war aufgrund der vertraglichen Bezugspflicht ein

Lieferantenpool vorgegeben, von dem sie ihre Produkte beziehen mussten. Diese

Lieferanten gewährten Rabatte auf Listenpreise, die im Vorfeld der Zusammenarbeit

ausgehandelt, in offiziellen Rabattlisten dokumentiert und dem Franchise-Vertrag lose

beigefügt wurden. Nun bestand seitens der Franchisenehmer der Verdacht, dass neben den

offiziellen Rabatten sogenannte inoffizielle Differenzrabatte (Kickbacks) an den

Franchisegeber gewährt wurden. Der Verdacht bestätigte sich, als durch ein Versehen

Beweismaterial an die Franchisenehmer übersendet wurde. Diese Beweismittel legten offen,

dass die Lieferanten dem dualen Apollosystem26 auf alle bei ihnen getätigten Einkäufe

Rabatte bis zu 52 Prozent gewähren. Den Franchisenehmern wurden allerdings höchstens

38 Prozent weitergeleitet. Die Franchisenehmer machten von ihrem Zurückhaltungsrecht

gegenüber der Zahlungsverpflichtung von Franchise- und Werbegebühren Gebrauch. Diese

Tatsache und weiter schwelende Konflikte innerhalb des Apollo-Franchise-Systems führten

zur Eskalation, in deren Folge der Franchisegeber mit Massenkündigungen gegen die sich

zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossenen Franchisenehmer reagierte.

Diese setzten ihrerseits ein Zeichen und erhoben bei zehn Kartellkammern Klage.27

Der geltend gemachte Anspruch auf Auskunft und Herausgabe der vorenthaltenen

Einkaufsvorteile ist der Teil der Stufenklage, dem die größte Bedeutung für die weiteren

Betrachtungen beigemessen wird. Die weiteren Bestandteile werden an dieser Stelle

unbeachtet bleiben. Das Problem des Falles wird bereits bei der Betrachtung der

Entscheidungen der Kartellkammern der Landes- und Oberlandesgerichte (OLG) deutlich.

Auf der Grundlage unterschiedlicher Auffassungen und Grundverständnisse der Pflichten

des Franchisegebers in dualen Franchise-Systemen wurden entgegengesetzte

Entscheidungen getroffen.28

25 Siehe dazu: BGH, Urteil vom 20. 5. 2003 - KZR 19/02 - Apollo-Optik; OLG München, http://www.Lexetius.com/2003,2310 [19.01.2009]; Apollo-Optik: Pflicht des Franchisegebers zur Weitergabe von Differenzrabatten an Franchisenehmer, BB 2003, S. 2254 ff. 26 Apollo ist neben Franchisegeber auch Betreiber eines gleichnamigen Filialsystems mit insgesamt über 600 Points of Sales in Deutschland. 27 Vgl. Böhner, Reinhard, Vom Franchisevertrags- zum Franchisenetzwerkrecht, BB 2004, S. 119 (ff.). 28 Vgl. Böhner, aaO, S. 120.

30

Das OLG Düsseldorf29 versteht das Franchising als ein Warenvertriebssystem, das durch

kaufvertragliche Grundsätze geprägt ist. Das OLG Bremen30 sieht im Gegensatz dazu eine

geschäftsbesorgungsdienstvertragliche Grundlage, die auf § 6.3 des Apollo-Franchise-

Vertrages31 anzuwenden ist. Damit sind die Gerichte höherer Instanz gezwungen, zunächst

eine Entscheidung zu treffen, ob die Weitergabe der Vorteile auf vertragliche oder

gesetzliche Anspruchsgrundlagen zu stützen ist. Der Franchisegeber Apollo hatte bei seiner

Berufung vorgetragen, dass der selbst entworfene standardisierte Franchise-Vertrag gegen

die Formerfordernisvorschrift des § 34 GWB a. F. verstoße. Das OLG Düsseldorf vertrat im

Gegensatz zum OLG Bremen diese Auffassung.32

Hernach beschäftigte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Fall und hatte für sein

Urteil drei Entscheidungsmöglichkeiten zur Wahl: Er konnte der vom OLG Düsseldorf

vertretenen Auffassung folgen, dass die lose beigefügten Rabattlisten vertragliche

Nebenabreden darstellen, für die § 34 GWB a. F. nicht eingehalten wurde. Damit wäre

Formnichtigkeit gegeben gewesen. Des weiteren konnte der BGH der Auffassung des OLG

Frankfurt33 folgen, das sich ebenfalls auf die Formnichtigkeit beruft, jedoch nach § 242 BGB

kein Recht des Franchisegebers feststellen konnte, wonach sich der Franchisenehmer auf

eine selbstverschuldete Formnichtigkeit bezieht.34

Im Gegensatz zu diesen beiden Varianten steht die Auslegung des OLG Bremen, welches

eine Formwirksamkeit des Vertrages festgestellt hat, weil es sich bei den Rabattlisten, die

lose beigefügt waren, lediglich um Informationen handele, aus denen die Preise der

Lieferanten hervorgehen. Diese Informationen unterliegen nicht der Formbedürftigkeit.35

Der BGH entschied sich dafür, der Auffassung des OLG Frankfurt zu folgen: Dem

Franchisegeber bleibt verwehrt, sich auf § 242 BGB zu berufen. Die Frage, ob der

Franchise-Vertrag den Schriftformerfordernissen des § 34 GWB a. F. genügen muss, ließ er

offen. Argumente für seine Entscheidung ist der Umstand, dass es ungeachtet der

Formnichtigkeit eine Vorteilserzielung für den Franchisegeber gab, die sich über einen

langen Zeitraum erstreckte. Weiterhin sei der Franchisegeber für den etwaigen Formmangel

selbst verantwortlich und könne sich deshalb nicht auf seine Nichtigkeit berufen.36

Der BGH wies die Behauptung des Franchisegebers zurück, welcher sich darauf berief,

sämtliche Leistungen erbracht zu haben, die er nach dem Inhalt des Vertrages als

Gegenleistung zu den vom Franchisenehmer bezahlten Gebühren erbringen musste. Damit

29 S. dazu OLG Düsseldorf, WuW 2002, S. 235. 30 S. dazu OLG Bremen, WuW 2002, S. 224. 31 Ausschnitt aus § 6.3 unter Punkt 6 des Franchise-Vertrages Weitere Leistungen von Apollo: „Apollo betreut den Partner hinsichtlich der Geschäftsentwicklung und des systemgerechten Betriebsablaufes und gibt Vorteile, Ideen und Verbesserungen zur Erreichung optimaler Geschäftserfolge an den Partner weiter…“, zitiert nach BB 2003, S. 2254. 32 Vgl. Böhner, aaO, S. 120. 33 S. dazu Urteil des OLG Frankfurt/Main, 23.07.2002 – 11 U (Kart.) 55/00. 34 Vgl. Böhner, aaO, S. 120 f. 35 Vgl. Böhner, aaO, S. 121. 36 Vgl. ebenda.

31

war zunächst die Vorentscheidung getroffen, die Weitergabe der Einkaufsvorteile auf

vertraglicher Anspruchsgrundlage zu prüfen.37

Hier kann nun wird der Netzwerkgedanke aufgegriffen und anhand des Apollo-Beispiels in

die Betrachtung eingearbeitet werden: Der BGH richtet bei der Urteilsfindung sein

Augenmerk über das bilaterale Vertragsverhältnis zwischen Franchisegeber und

Franchisenehmer hinaus auf die Verpflichtungen des Franchisegebers gegenüber den

Lieferanten. Damit wird erstmals eine multilaterale Beziehung betrachtet. Die Franchise-

Rechtsprechung sieht bei der Interessenberücksichtigung der Franchisenehmer an der

Erlangung der Einkaufsvorteile, die dem gesamten Apollo-System (also einschließlich der

Franchisenehmer) von den Lieferanten gewährt wurden, einen entscheidenden Aspekt in der

Betrachtung der Beziehung. Die bilaterale Beziehung von Franchisenehmer und

Franchisegeber reicht nicht aus, um die erbrachten Leistungen aller Beteiligten, inklusive der

Lieferanten, zu fixieren. Das heißt, dass es nicht möglich ist, dieses entstandene

Dreiecksverhältnis Franchisenehmer – Franchisegeber – Lieferant mit Hilfe des Franchise-

Vertrages darzustellen. Deutlicher wird dieser Fakt, wenn die Belieferung des

Franchisenehmers durch den Lieferanten betrachtet wird. Franchisenehmer und Lieferant

stehen in einem bilateralen Verhältnis, das heißt, der Franchisenehmer geht mit dem

Lieferanten durch Bestellung von Produkten einen Vertrag ein, dem der Lieferant durch

Lieferung der Ware und der Franchisenehmer durch deren Bezahlung nachkommt. In

diesem Fall spielt der Franchisegeber nur die Rolle, dass er im Vorfeld festgelegt hat, wer

der Lieferant sein darf und welche Rabatte er gewährt bekommt. Der Franchisegeber trägt in

diesem Fall auch nicht das Risiko des Warenabsatzes des Franchisenehmers, was neben

der Kapitalbindung auch ein Insolvenzrisiko bedeuten kann. Es bestehen also zwischen

Franchisegeber und Franchisenehmer Franchise-vertragliche und zwischen

Franchisenehmer und Lieferant kaufvertragliche Beziehungen.38

Der Franchisegeber greift dennoch in das Verhältnis zwischen Franchisenehmer und

Lieferant ein. Er stellt im Apollo-Fall den Anschluss zum Warenbezugssystem der eigenen

Filialen für den Franchisenehmer bereit. Er übernimmt also ohne rechtliche Verpflichtung die

Vertragsverhandlungen mit den Lieferanten, um aufgrund der damit verbundenen

Nachfragemacht (Filialen und Franchisenehmer) eine bessere Verhandlungsbasis zu

schaffen.39

Je mehr Nachfrage von einer Unternehmung ausgeht, umso größer sind die Rabatte, die

gewährt werden können. Der Lieferant kann diese Rabatte letztlich gewähren, weil es für ihn

aufgrund der bestehenden Bezugspflicht der Franchisenehmer sichergestellt ist, dass er auf

einen Kundenstamm bauen kann, der entsprechende Umsätze garantiert. Der

37 Vgl. aaO, S. 121 f. 38 Vgl. Böhner, aaO, S. 121. 39 Vgl. ebenda.

32

Franchisegeber schließt als Treuhänder im Namen der Franchisenehmer und seiner eigenen

Filialen Rahmenverträge ab, von dessen Vorteilen letztlich auch der Franchisenehmer

profitiert.40

Aus Netzwerksicht stellt sich diese Ausgangssituation zusammenfassend wie folgt dar: Die

Filialleiter der einzelnen Standorte sind aufgrund des arbeitsrechtlichen Direktionsrechtes zur

Bestellung bei den gelisteten Lieferanten verpflichtet. Damit ist bereits ein großes Potenzial

vorhanden, welches in die Verhandlungen um Preise und Rabatte eingebracht wird.

Verstärkt wird dieses Potenzial durch das zweite „Standbein“ von Apollo, die

Franchisenehmer, die aufgrund des Franchise-Vertrages ebenfalls gezwungen sind, 80 %

ihrer Produkte bei denselben gelisteten Lieferanten wie die Filialen zu beziehen. So entsteht

für den Franchisegeber eine systemimmanente Geschäftsführungsbefugnis für zentrale

Verhandlungen mit den Lieferanten. Das heißt, ohne dass eine derartige Situation vertraglich

festgelegt ist, ergibt sie sich aus der Dreiecksbeziehung Franchisegeber – Franchisenehmer

– Filiale und der damit verbundenen Bezugspflicht der beiden letztgenannten ein Zustand,

der zur Erlangung von Einkaufsvorteilen genutzt wird. Somit wird deutlich, dass im Fall

Apollo nicht nur das bilaterale Vertragsverhältnis des Franchisegebers und eines einzelnen

Franchisenehmers zu betrachten ist, sondern die gesamte Anzahl an Vertragsbeziehungen

zwischen allen Franchisenehmern und Apollo. Somit folgt, dass jeder einzelne

Franchisenehmer einen Vorteil daraus erzielen kann, wenn in das Gesamtsystem neue

Partner integriert werden, da somit die Verhandlungsposition des Franchisegebers aufgrund

der gestiegenen Verhandlungsmacht verbessert wird. Dadurch ist das Netzwerk als

Konstrukt für Entscheidungen, die den einzelnen Franchisenehmer betreffen,

verantwortlich.41

Daraus leitet sich ab, dass der Franchise-Vertrag nicht nur die Funktion der Organisation des

Leistungsaustausches zwischen Franchisegeber und -nehmer hat, sondern auch einen

organisationsrechtlichen Vertragsgegenstand. Dieser beinhaltet neben der Verpflichtung, die

Franchisenehmer durch Dritte beliefern zu lassen, auch die Weitergabe von Vorteilen, die

aus dem Netzwerk resultieren und nach § 6.3 des Franchise-Vertrages zur Erreichung

optimaler Geschäftserfolge dienen. Damit nimmt der Franchisegeber die führende Rolle im

gesamten System ein. Die daraus resultierenden Pflichten und Aufgaben werden jedoch

nicht explizit im Franchise-Vertrag geregelt, sondern stillschweigend von der anderen

Vertragspartei vorausgesetzt. In der Präambel des Apollo-Franchise-Vertrages deutet

folgende Formulierung auf diese freilich nicht ausdrücklich erwähnten Pflichten hin: „nur

enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Partnern und Apollo sichern

40 Vgl. ebenda. 41 Vgl. ebenda.

33

beiderseitigen Vorteil und bilden die Grundlage einer erfolgreichen

Geschäftsentwicklung.“42,43

Fraglich ist nun, ob es für beide Seiten einen Vorteil gegeben hat oder ob einer der beiden

Vertragsparteien einen Nachteil erleiden musste. Im Rahmen der sogenannten Corporate

identity44 profitieren die Filialen des Systems von den Franchise-Unternehmungen. Die

Franchisenehmer steigern durch ihr weit verbreitetes und somit flächendeckendes Auftreten

das Ansehen des gesamten Apollo-Systems. Umgekehrt ist es den Filialen zu verdanken,

dass die Franchisenehmer bei Verhandlungen zur Vorteilsgewährung bei Preisen und

Rabatten auf ein starkes Rückgrat vertrauen können. Allerdings ist zu bemerken, dass trotz

gegenseitiger Vorteilserzielung ein Wettbewerb zwischen Franchisegeber und seinen Filialen

sowie den Franchisenehmern besteht. Damit entsteht ein Interessenkonflikt im System.45

Da der Franchisegeber sich nicht auf die Rolle des alleinigen Partners der Franchisenehmer

beschränkt, sondern mit deren Hilfe eigene Vorteile für sein Filialsystem erzielt, ist die

nächste Frage, ob es sich um eine Gleichbehandlung der beiden Vertriebszweige handelt.

Denn nur, wenn ein symbiotisches Verhältnis innerhalb des dualen Systems besteht, ist

diese Praxis zu akzeptieren. Im Fall Apollo ist diese Symbiose nicht gegeben. Die Ursache

dafür liegt bei der Vorenthaltung der Einkaufsvorteile. Diese wurden bekanntlich aus der

Nachfragemacht des gesamten dualen Systems erzielt und dennoch nur unvollständig an die

Franchisenehmer weitergegeben. Die entstandenen Vorteile für den Franchisegeber und die

damit verbundenen Nachteilen der Franchisenehmer deuten auf ein Ungleichgewicht hin.

Dadurch ist eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung innerhalb des Systems gegeben.46

Die aus den Einkäufen der Franchisenehmer resultierenden Kickbacks streicht der

Franchisegeber ein, obwohl sie aus den Leistungen des Franchisenehmers hervorgehen und

deshalb auch nur diesen zustehen dürfen. Den Leistungen muss die Systembindung an den

Franchisegeber zugeordnet werden. Daraus ergeben sich die Übernahme des Warenrisikos

und die damit verbundenen Kosten. Deshalb sind die gewährten Vorteile, die von den

Lieferanten vergeben werden, als leistungseigener Vorteil nur den Franchisenehmern

zuzuordnen. Im Apollo-Fall hat der Franchisegeber diese ungleichen

Wettbewerbsbedingungen verschwiegen und dennoch Gleichbehandlung vorgespielt.

Böhner fasst die Gesamtproblematik folgendermaßen zusammen:

„Die dargestellten Netzwerkbeziehungen und die mit zentralen Einkaufsvereinbarungen

erlangten Netzwerkvorteile aufgrund der Belieferung von bezugspflichtigen

Franchisenehmern durch gelistete Streckenlieferanten sind einem dualen Filial-

/Franchisesystem immanent. Sie müssen deshalb bei der Auslegung des vertraglichen

42 Ausschnitt der Präambel des Apollo-Franchise-Vertrages, zitiert nach Böhner, aaO, S. 121. 43 Vgl. Böhner, ebenda. 44 Identität der Bezugspflichten gegenüber den Lieferanten. 45 Vgl. Böhner, aaO, S. 122. 46 Vgl. ebenda.

34

Anspruchs auf Herausgabe der ‚Vorteile zur Erlangung optimaler Geschäftserfolge‘

berücksichtigt werden.“47

Für den Apollo-Fall bezog sich der BGH allerdings nicht auf die durch das Netzwerk

ausgebliebene Vorteilsweitergabe, sondern auf die kundenfreundlichste Auslegung für den

Franchisenehmer. Da im vorliegenden Franchise-Vertrag keine eindeutige Regelung

bezüglich der Weitergabe der erlangten Vorteile getroffen ist und sich der Franchisegeber

auf die Weitergabe von immateriellen Vorteilen aus dem bilateralen Franchise-Vertrag beruft,

kommt es zur Anwendung der Unklarheitenregelung (kundenfreundlichste Auslegung) des §

305 c Abs. 2 BGB.48

Der Franchisegeber versucht mit dem Argument, dass es sich bei den Vorteilen aus § 6.3

des Franchise-Vertrages nicht um finanzielle Vorteile seiner Geschäftsbeziehungen zu den

Lieferanten handelt, die Kickbacks zu rechtfertigen. Der BGH sieht aber im Gegensatz die

Franchise-vertragliche Pflicht zur Weiterleitung aller Einkaufsvorteile als

Entscheidungsgrundlage zu Gunsten der Franchisenehmer.49

Um die Frage, ob es sich bei Franchiseverträgen um multilaterale Vertragsbeziehungen

handelt, endgültig zu beantworten, ist ein weiterer Gedanke aufzugreifen. Ob sich bei

Franchise-Verträgen prinzipiell eine Verbundpflicht bzw. Weiterleitungspflicht sämtlicher

Systemrabatte und Einkaufsvorteile ergibt, soll im Folgenden näher betrachtet werden.

Zunächst muss Klarheit bestehen, wem die Netzvorteile in Form von Einkaufsvorteilen

zuzuordnen sind. Wie oben dargelegt, sind die erzielten Einkaufsvorteile vollständig an den

Franchisenehmer weiterzugeben und, wenn nicht ausdrücklich im Franchise-Vertrag

geregelt, nicht als Kickbacks vom Franchisegeber einzubehalten.

5.3 Bezug zur Sixt- und Hertz-Entscheidung

Neben dem bereits geschilderten Apollo-Fall muss in diesem Zusammenhang auf zwei

weitere, diese Thematik betreffende Entscheidungen hingewiesen werden.

Zum einen ist das Urteil im Fall des Autovermieters Sixt vom 02.02.1999 zu nennen.50 Neben

den Großabnehmermengenrabatten wurden geheim gehaltene Werbekostenzuschüsse an

Sixt gezahlt, die aber innerhalb des dualen Systems (Filialnetz und Franchise-

Unternehmungen) nicht an die Franchisenehmer weitergereicht wurden. Der BGH hat

festgestellt, dass es für die Franchisenehmer keinen gesetzlichen Anspruch gibt, um die

Herausgabe der Kickbacks zu verlangen. Das Gericht bejahte in diesem Fall eine

Weitergabe der Werbekostenzuschüsse, weil diese dem im Franchise-Vertrag deklarierten

47 Böhner, Reinhard, Vom Franchisevertrags- zum Franchisenetzwerkrecht, in: BB 2004, Heft 3, S. 119-124, S. 122. 48 Vgl. Böhner, aaO, S. 122.. 49 Vgl. ebenda. 50 Urteil des BGH vom 02.02.1999 – KZR 11/97. Umgehung des Preisbindungsverbots durch Franchisegeber - "Sixt", BB 1999, S. 860 ff.

35

Einkaufsvorteilen zuzuordnen sind. Allgemein wurde damit festgestellt, dass die vertragliche

Gestaltung relevant für eine Weitergabeentscheidung ist.51 Damit ist der Nachteil

ausgeglichen, den der Franchisenehmer auf sich nehmen muss, weil er in seiner

unternehmerischen Freiheit eingeschränkt wird, wonach er seine Produkte von im Franchise-

Vertrag vorgeschriebenen Lieferanten beziehen muss. Da die Zugeständnisse aus dem

Vermögen der Lieferanten stammen und nicht vom Franchisegeber, ist es nach Ansicht der

Gerichte angemessen, diese an den Franchisenehmer weiterzugeben.52

Das Urteil im oben beschriebenen Apollo-Fall bestätigte am 20.05.2003 diese Auslegung.

Das dritte relevante Urteil wurde am 22.02.2006 im Verfahren des Autovermieters Hertz

gefällt.53 Dabei wurden die bereits erwähnten Grundsätze bestätigt. Inhaltlich wurde dabei

die Frage geklärt, ob Einkaufsvorteile, die dem Franchisegeber von einer Tochtergesellschaft

zufließen, an den Franchisenehmer weiterzuleiten sind. Diese Frage wurde verneint und auf

das Sixt-Urteil verwiesen, indem festgestellt wurde, dass es keine gesetzliche Grundlage zur

Weiterleitung von Einkaufsvorteilen gebe, sondern vielmehr die vertragliche Gestaltung

ausschlaggebend für eine Weitergabepflicht ist. Der geforderte Anspruch der

Franchisenehmer könnte sich lediglich aus einem Vertrag mit der Tochtergesellschaft

ergeben und gegen diese geltend gemacht werden. Ein Anspruch gegen den

Franchisegeber ergebe sich nicht.54

Mit diesem Urteil wird die hauptsächlich von Böhner vertretene Theorie abgelehnt, wonach

eine Franchise-Netzwerkhaftung und daraus resultierende Verbundpflichten existieren.55

5.4 Fazit

An dieser Stelle soll ein kurzer Rückblick auf das bisher Behandelte mit einem Zwischenfazit

erfolgen:

Es gibt keine gesetzliche Anspruchsgrundlage für Franchisenehmer, eine Auszahlung von

Kickbacks vom Franchisegeber zu verlangen. Die Differenzrabatte entspringen aus vom

Franchisenehmer generierten Umsätzen, die durch Leistung mit den Systemlieferanten dem

Gesamtsystem zufließen. Dennoch ist es vertraglichen Gestaltungsaspekten geschuldet,

dass in den drei Pilot-Fällen Sixt, Apollo und Hertz eine Weiterleitung der Kickbacks vom

BGH durchgesetzt wurde. Die kundenfreundlichste Auslegung des Franchise-Vertrages

spielte dabei die entscheidende Rolle.56

51 Vgl. Flohr, Eckhard, Franchising – Einkaufsvorteile und Kartellrecht, BB 2007, S. 6 (7). 52 Vgl. ebenda. 53 Urteil des BGH vom 22.02.2006 VIII ZR 40/04; Verpflichtung des Franchisegebers zur Auszahlung von Einkaufsvorteilen an Franchisenehmer aufgrund Franchisevertrags, BB 2006, S. 1071 ff. mit Kommentar von Flohr, Eckhard. 54 Vgl. Flohr, Eckhard, Franchising – Einkaufsvorteile und Kartellrecht, BB 2007, S. 6 (11 f.). 55 Vgl. ebenda. 56 Vgl. Flohr, aaO, S. 7.

36

Der Franchise-Vertrag stellt formal ein bilaterales Verhältnis zwischen Franchisegeber und

Franchisenehmer dar. Darin werden die bereits bezeichneten Pflichten und Leistungen

beschrieben, die beide Vertragsparteien zu erfüllen haben. Die Multilateralität ergibt sich erst

aus der Einbeziehung der Lieferanten und möglicher Partner, die aus einem dualen

Franchise-Filialsystem in den Geschäftsprozess eingreifen. Am Beispiel der Weitergabe von

Einkaufsvorteilen wird deutlich, dass es für diese Art von Netzwerken noch keine einheitliche

Handhabung in der Gesetzgebung gibt. Lediglich aus Passagen des Franchise-Vertrages

lassen sich Ansprüche gegenüber dem Franchisegeber geltend machen, nicht aus dem

Netzwerk selbst.

Die ausgangs erwähnte Diskrepanz zwischen den verschiedenen Gerichtsurteilen im Fall

Apollo ergibt sich jedoch nicht aus den ungenauen Formulierungen der

Unterstützungsklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Franchise-Verträge,

sondern aus der funktionalen Abhängigkeit in den Markt-, Vertrags- und Organisa-

tionsbeziehungen der Beteiligten. Wenn die Gerichte in diesem Fall nur die Fragestellung

verfolgen, wie diese Unterstützungsklauseln auszulegen sind, dann werden die Netzeffekte

systematisch unberücksichtigt gelassen.57

Die Gerichte, die sich gegen einen Anspruch auf Weiterleitung von Vorteilen entschieden

haben, lassen bei einer Rekonstruktion des Franchiseleitbildes die kaufrechtlichen

Ansprüche von isolierten Vertragsbeziehungen zwischen den Lieferanten, Franchisegebern

und Franchisenehmern erkennbar werden. Im anderen Fall wird das System selbst zum

Bezugspunkt der Entscheidung gemacht. Dabei wird auf Erwartungen abgestellt, die sich nur

aus dem System selbst ergeben können. Damit bezieht der BGH in seiner Auslegung

Aspekte ein, die die vertragliche Bilateralität des Franchise-Systems übersteigen. Somit ist

es in der Zukunft möglich, eine Argumentation zu führen, die sich mit dem Thema

Netzwerklogik und Netzwerkeffekte befasst. Die Frage, ob die Multilateralität eine Ursache

für die Netzwerkeffekte ist, bleibt zunächst unbeantwortet.58

Einen Ausblick, wie sich die Zukunft gestalten könnte, gibt der letzte Abschnitt der

Ausarbeitung.

6. Ausblick

Im Sixt-Urteil war aufgrund der vertraglichen Gestaltung die Pflicht des Franchisegebers zur

Weitergabe von Einkaufsvorteilen an den Franchisenehmer klar begründet. Eine andere

Auslegung kam nicht in Frage. Lediglich durch Dritte (Lieferanten, Hersteller etc.) auferlegte

Weitergabeverbote von Einkaufsvorteilen sind nach der Entscheidung nicht zu begründen,

da es sich in diesem Fall nicht um eine Maßnahme des Franchisegebers handelt. Die

57 Vgl. Teubner, Gunther, Profit sharing als Verbundpflicht? Zur Weiterleitung von Netzvorteilen in Franchise-Systemen, ZHR 168 (2004), S. 1 (2). 58 Vgl. Teubner, aaO, S. 3.

37

Einschränkung zur Weitergabe der Vorteile durch einen Dritten ist gesetzlich nicht

abgesichert und somit legitim. Bei dieser Ausgangssituation ist damit zu rechnen, dass in

Zukunft durch etwaige Absprachen von Dritten und Franchisegebern die Weiterleitung der

Kickbacks unterbunden werden könnte und der Franchisenehmer nicht auf die eigentlich ihm

zustehenden Vorteile bestehen kann.59

Im Apollo-Fall wurde geklärt, was unter Vorteilen, die zur Erlangung optimaler

Geschäftserfolge führen, zu verstehen ist. Neben der Weitergabe von Know-how und

anderen immateriellen Werten zählen auch wirtschaftliche Vorteile zu dieser begrifflichen

Vorgabe. Dabei wurden neben den Vorteilen, die aus dem Innenverhältnis (bilaterale

Franchisebeziehung zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer) herrühren, auch

Vorteile einbezogen, die aus dem Außenverhältnis (Beziehungen der Filialen und

Franchiseunternehmer zu den Lieferanten) resultieren. Die Auslegung zugunsten der

Franchisenehmer wird mit der Auffassung begründet, dass der BGH die Interessen beider

redlicher Partner berücksichtigt sieht. Konkret ist damit eine Auslegung aufgrund

vertraglicher Passagen gemeint.60

Es kann in Zukunft passieren, dass bei Zusagen des Franchisegebers, ihre

Franchisenehmer bei der Warenbeschaffung zu unterstützen, die systemimmanente Pflicht

zur Weitergabe aller Einkaufsvorteile daraus abgeleitet wird. Dieser für den

Franchisenehmer leistungseigene Vorteil entsteht aus dem Netzwerk. Der Vorteil soll ihm

gewährt werden, weil es für ein Franchise-System förderlich ist, ein leistungsstarkes und

damit verbunden nachfragestarkes Netz zu generieren. Es wäre für den Franchisenehmer

kein Anreiz geboten, wenn er auf die durch das Netzwerk entstandenen Vorteile verzichten

müsste. In dem Fall hätte er, ohne ein Franchiseverhältnis einzugehen, als „freier

Unternehmer“ gleiche handelsübliche Rabatte erzielen können, mit dem Vorteil, keine

Bezugspflichten befolgen zu müssen. Mit den Gebühren, die er an den Franchisegeber zahlt,

erwirbt er das Recht, bei den Lieferanten als Kunde mit Großhändlerstatus bedient zu

werden.61

Eine weitere Folge für die Zukunft ist für die vertragliche Gestaltung zu sehen. Viele

Franchisegeber werden zeitnah ihre Verträge in der Art und Weise abändern bzw. haben

dies schon getan, dass Klauseln die auf eine allgemeine Vorteilsweitergabe schließen

lassen, entfallen bzw. so umformuliert werden, dass sich keine Pflichten zur Weitergabe von

Einkaufsvorteilen daraus ableiten lassen. Die Systemimmanenz soll damit unterbunden

werden. Spätestens dann ist es erforderlich, den Netzwerkgedanken des Franchising-

Systems in die rechtlichen Auslegungen einzubeziehen62. Ob diese Praxis jedoch mit dem

Grundgedanke des Franchising, als leistungsstarkes Gefüge zu agieren, vereinbar ist, bleibt 59 Vgl. Böhner, Reinhard, Vom Franchisevertrags- zum Franchisenetzwerkrecht, BB 2004, S. 119 (123). 60 Vgl. ebenda. 61 Vgl. ebenda. 62 Vgl. Teubner, aaO, S. 15.

38

abzuwarten und ist äußerst fraglich. Dazu ist die Problematik der Netzwerkhaftung bzw.

netzwerkbedingter Weiterleitung von System-Rabatten bisher zu oberflächlich betrachtet

worden. Die Gerichte berufen sich aktuell auf Ansprüche, die aus Verträgen und den damit

verbunden Pflichten resultieren.

Eine generelle Verfahrensweise, wie mit Netzwerken und den damit verbundenen Pflichten

umzugehen ist, gibt es (noch) nicht. Da sich das Franchising als vertikale Vertriebsform

weiter auf dem Erfolgsweg befindet und in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen

wird, ist eine klare gesetzliche Regelung unbedingt erforderlich. Die Antwort auf die Frage,

ob sich der Franchise-Vertrag im Rahmen einer eventuellen gesetzlichen Grundlage von

bilateraler zu multilateraler Vertragsbeziehung wandeln wird, bleibt Spekulation. Momentan

ist der Franchise-Vertrag als eine bilaterale Beziehung zu betrachten, aus der sich

situationsbedingt multilaterale Verknüpfungen mit entsprechenden Folgen ergeben können.

Ob sich das Franchisevertragsrecht zum Franchisenetzwerkrecht entwickeln wird, bleibt

abzuwarten.

39

Literaturverzeichnis I. Schriften Böhner, Reinhard, Vom Franchisevertrags- zum Franchisenetzwerkrecht, BB 2004, S. 119-124 Flohr, Eckhard, Franchise-Vertrag, Bd. 30, 3. Aufl., München 2006 Flohr, Eckhard, Franchising – Einkaufsvorteile und Kartellrecht, BB 2007, S. 6-12 Flohr, Eckhard / Petsche, Alexander, Franchiserecht – Deutschland und Österreich, 2. Aufl., Münster 2008 Giesler, Patrick / Nauschütt, Jürgen, Franchiserecht, Handbuch für die anwaltliche und gerichtliche Praxis, 1. Aufl., Neuwied / Kriftel 2002 Lange, Werner, Das Recht der Netzwerke, Moderne Formen der Zusammenarbeit in Produktion und Vertrieb, 1. Aufl., Heidelberg 1998 Teubner, Gunther, Netzwerk als Vertragsverbund, Bd. 5, 1. Aufl., Baden-Baden 2004 Teubner, Gunther, Profit sharing als Verbundpflicht? Zur Weiterleitung von Netzvorteilen in Franchise-Systemen, ZHR 168 (2004), S. 1-18 II. Rechtsprechung BGH, Urteil vom 20. 5. 2003 - KZR 19/02 - Apollo-Optik, BB 2003, S. 2254 ff. BGH, Urteil vom 2.2.1999 - KZR 11/97 - Sixt, BB 1999, S. 860 ff. BGH, Urteil vom 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – Hertz, BB 2006, S. 1071 ff. mit Kommentar von Eckhard Flohr OLG Bremen, Urteil vom 6.12.2001 - Kart 2/2001 -, WuW 2002, S. 224 OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.11.2001 - Az. U (Kart) 11/01 -, WuW 2002, S. 235 III. Internet EG-Recht, Kartellrecht, in: Internetpräsentation der franchiseSTARTER, www.franchisestarter.de/franchise/recht/eg-recht/ [10.01.2009] Existenzgründung mit System, Ein Leitfaden des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., in: Internetpräsentation des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., S. 4, www.dfv-franchise.de [12.12.2008] Flohr, Eckhard, Der Franchise-Vertrag, in: Internetpräsentation des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., S. 1 ff., www.dfv-franchise.de [02.01.2009] Franchise PORTAL, Franchise-Glossar, Franchise-Lexikon, Stichwortsuche: Franchisegeber, Franchisenehmer, Systemzentrale und Franchise-System, www.franchiseportal.de/wissen-tools/franchise-lexikon.htm [27.12.2008] Infopaket für Franchisegeber, in: Internetpräsentation des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., S. 21 f., www.dfv-franchise.de [18.01.2009]

40

AGB-Kontrolle von Franchise-Verträgen

Stud. rer. pol. Martin Czikowski

1. Einleitung

1.1. Problemstellung

„Franchisewirtschaft weiter auf Wachstumskurs“ so betitelte der Deutsche Franchise-

Verband (DFV) eine eigene Pressemitteilung im April 20081. Tagtäglich werden wir in

Deutschland mit Franchisesystemen konfrontiert. Bei den allseits bekannten und global

agierenden Fastfood Unternehmen wie McDonalds, Subway oder Burger King ist es

größtenteils bekannt, dass es sich um Franchisesysteme handelt. Allerdings beschränkt sich

das Vertriebssystem Franchising nicht nur auf diese etablierten Marken sondern besitzt in

fast allen Sektoren der Wirtschaft Vertreter und ist daher von erhöhter Relevanz für die

deutsche Wirtschaft. Die 910 Franchisegeber unterhielten im Jahr 2007 55.700 Ableger, die

von Franchisenehmern geführt wurden2.

Rechtliche Grundlagen dieser Verhältnisse sind die Franchise-Verträge. Um den

unterschiedlichen Interessen beider Vertragsparteien beim Franchising gerecht zu werden,

gilt es eine Ausgewogenheit des Vertragsinhalts herzustellen. Im Idealfall sollte keine Partei

unangemessen benachteiligt werden. Es hat sich im Laufe der Zeit gezeigt, dass bestimmte

Klauseln immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen der Vertragskontrahenten

führen. Daher ist bei der Ausarbeitung von Franchise-Verträgen darauf zu achten, dass

diese einer eventuellen richterlichen Inhaltskontrolle standhalten und die einzelnen Klauseln

somit wirksam bleiben.

1.2. Fragestellung und Vorgehensweise

Welche Vertragsbestimmungen tendieren zur Unwirksamkeit? Wie wünscht sich der Gesetz-

geber die Ausgestaltung eines Franchise-Vertrages? Im Schrifttum finden sich Hinweise zu

möglicherweise problematischen Klauseln. Im Sinne gegen die Generalklausel des Gebotes

von Treu und Glauben des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB verstoßen nach Flohr3 dabei häufig u. a.

folgende Klauseln: Bezugsbindungen, Mindestumsatz, Absatzvorgaben, Laufzeit- bzw. Kün-

digungsregelungen und Nebentätigkeitsverbote.

1 DFV, Franchisewirtschaft weiter auf Wachstumskurs. 2 Ebenda. 3 Flohr, Franchise-Vertrag, S. 41. Eine detailliertere Auflistung mit zugehörigen Gerichtsentscheidungen über wirksame und unwirksame AGB-Klauseln bietet: Emde, MDR 2007, 994.

41

Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gebietet dem AGB-Verwender eine klare

Formulierung der Klauseln. Flohr4 listet daher u. a. folgende Klauseln auf, die im Hinblick auf

das Transparenzgebot zu überprüfen sind:

„Festlegungen von Mindestumsätzen und Mindestabsatzmengen bei einem gleichzeitigen

Verbot von Querlieferungen innerhalb des Franchisesystems; Vereinbarung eines außeror-

dentlichen Kündigungsrechts bei Nichterzielen von Absatzzielen des Franchisenehmers

unter Berücksichtigung der den Franchisenehmer insoweit treffenden sog.

„Bemühenspflicht“.

Die Problematik der o. g. kritischen Klauseln werde ich in der Arbeit anhand von Praxisfällen5

und deren Einschätzung durch den Bundesgerichtshof (BGH) darstellen. Zuvor möchte ich

einen skizzierten Überblick über Inhalt und Prüfung von AGB geben, um ein Verständnis für

den vorliegenden spezifischen Fall eines Franchise-Vertrages zu schaffen. Danach folgen

Erläuterungen zum Franchise-Vertrag an sich und Erklärungen, weshalb Franchise-Verträge

als AGB angesehen werden können.

Den BGH-Entscheidungen sind kurze Einführungen vorgelagert, die die Meinungen des

Schrifttums zu den Gefahren der jeweiligen Klauseln sammeln. Anschließend, nach den Ur-

teilsdarlegungen präsentiere ich neue Entwicklungen und Meinungen aus dem Schrifttum zur

Thematik.

Am Ende der Arbeit fasse ich die Ergebnisse zusammen und ziehe ein Fazit.

1.3. Forschungsstand

Grundlegende Arbeiten über die Inhaltskontrolle von Franchise-Verträgen, die auch in diese

Arbeit einflossen, lieferten Ekkenga6 und Zwecker7. Auch in den Standardwerken zum

Thema Franchising von Martinek8, Skaupy9 und Flohr10 wird auf eine AGB-Kontrolle

hingewiesen und deren Praxisrelevanz geschildert. Dazu erscheinen periodische Aufsätze

zur Entwicklung des Vertriebsrechts und aktuelle Urteilskommentare in den juristischen

Fachzeitschriften, die das Thema vertiefen und Tendenzen festzuhalten versuchen.

Wiedergegebener Meinungsstand ist das Jahr 2007. Dadurch können Auswirkungen der Kfz-

Vertragshändler-Entscheidungen nur komprimiert geschildert werden. Für eine umfassende

Aufarbeitung der möglichen Folgen fehlt es noch an entsprechenden Anmerkungen aus dem

Schrifttum und Folgeurteilen.

4 Flohr (Fn. 3), S. 43. 5 Die Praxisfälle beziehen sich nicht nur auf Franchisesysteme, sondern auch auf Vertragshändlersysteme. Es hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass Vertragshändler-Verträge als ein Subtypus von Franchise-Verträgen zu betrachten sind. Mit Angabe weiterer Beispiele aus dem Schrifttum für diese Annahme: Ekkenga, Die Inhalts-kontrolle von Franchise-Verträgen, S. 19. 6 AaO (Fn. 5). 7 Inhaltskontrolle von Franchise-Verträgen. 8 Moderne Vertragstypen II. 9 Franchising. 10 AaO (Fn. 3).

42

2. Vorüberlegungen

2.1. Überblick zu AGB

2.1.1. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

Als Ursprung für die heutigen §§ 305-310 BGB diente das Gesetz zur Regelung des Rechts

der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz), das aus insgesamt 30 Paragraphen

bestand11. Auf Grundlage dieses Gesetzes sollen vor allem Verbraucher einen höheren

Schutz gegenüber Unternehmen und Kaufleuten genießen. Dabei variiert das AGB-Gesetz in

der Schutzintensität, da die unterschiedlichen vertragspartizipierenden Parteien kategorisiert

werden. Oftmals besteht eine Interessendivergenz12 zwischen dem Verwender der AGB und

seinem Kontrahenten, die durch die einseitige Machtverteilung zugunsten des Verwenders

dem Vertragspartner nur die Option der Annahme oder die der Ablehnung überlässt. Durch

eine Inhaltskontrolle der verwendeten AGB soll ein verzerrtes Kräfteverhältnis verhindert

werden und einer alleinigen Lastenverteilung zum Nachteil des Verbrauchers durch die

Unwirksamkeit von in dem Vertragsabschluß einfließenden Klauseln entgegengewirkt

werden13.Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts14 erfolgte die Aufhebung des

AGB-Gesetzes und eine fast identische Übernahme in das BGB.

2.1.2. Aufbau, Bestandteile und Prüfung der §§ 305 bis 310

Die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch AGB umfassen fünf Paragra-

phen. Konzipiert sind die Paragraphen vom Gesetzgeber so, dass detaillierte Definitionen

von Klauselwirksamkeitsgrenzen der Rechtssprechung vorbehalten sind15. Während § 305

BGB Ansprüche an das Vorliegen von AGB und deren Einbeziehung definiert, regelt § 306

BGB die Rechtsfolgen im Falle einer Nichteinbeziehung bzw. der Unwirksamkeit von AGB.

Anhand des § 307 BGB erfolgt die Inhaltskontrolle der beanstandeten AGB. Welche Klau-

selinhalte der Gesetzgeber für unwirksam erachtet, beschreiben §§ 308, 309 BGB. In wel-

cher Konstellation welche Paragraphen anzuwenden sind, erläutert anschließend der § 310

BGB. Das Prüfungsschema für die AGB verlangt zuerst eine Untersuchung ob, nach Defi-

nition des § 305 BGB, AGB vorliegen beziehungsweise welcher Anwendungsbereich nach §

310 BGB gilt. Im Folgeschritt erfolgt eine Kontrolle, ob eine Einbeziehung der AGB gemäß

§§ 305 Abs. 2, 305b, 305c BGB in dem zu prüfenden Vertrag vorliegt. Anschließend kommt

es zu einer Inhaltskontrolle des Vertrages in der Reihenfolge der §§ 309, 308, 307 BGB,

welche jedoch nach Art des Anwendungsbereiches variiert und in bestimmten Fällen zu einer

Reduktion der Prüfung auf § 307 BGB bzw. zu einer Unanwendbarkeit der §§ 308 f. BGB

11 BGBl. 1976 I, S. 3317. 12 Als Beispiel: Es besteht ein Autonomieinteresse seitens des Franchisenehmers, der Aufgrund seiner hohen In-vestitionen möglichst viel Entscheidungsgewalt beansprucht, was aber nicht dem Anliegen des Franchisegebers gerecht werden kann. Vertiefend und mit mehreren Aspekten: Ekkenga, AG 1989, 301 (302). 13 Zwecker (Fn. 7), S. 32 f. 14 BGBl. 2001 I, S. 3138. 15 Berger/ Kleine, BB 2007, 2137.

43

führt. Rechtsfolgen bei einem Vertragsmangel anhand §§ 305 ff. BGB werden über § 306

BGB geregelt16.

2.1.3. § 305 BGB – Einbeziehung

§ 305 BGB regelt den sachlichen Anwendungsbereich der AGB, daher deren Einbeziehung.

Nach § 305 Abs. 1 BGB sind AGB alle Vertragsbedingungen die für eine Vielzahl17 an Ver-

trägen gelten, vom Verwender gestellt werden und vorformuliert sind. Die Schranke der

Einzelaushandlung setzt § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. Irrelevant ist, welche Arten von Forde-

rungen vorliegen und welcher Rechtsnatur der Vertrag ist.

Für eine Einbeziehung der AGB in den Vertrag für die Konstellation Unternehmer � Ver-

braucher gelten erheblichere Anforderungen der §§ 305 Abs. 2 Nr. 1, 305 Abs. 2 Nr. 2, 305

Abs. 2, 2. Hs., 305b und 305c Abs. 1 BGB. In einem Vertragsszenario Unternehmer � Un-

ternehmer können diese vernachlässigt werden. Für alle persönlichen Anwendungsbereiche

sind die §§ 305b, c BGB wichtig. § 305b BGB regelt den Vorzug einer individuellen Abrede

über Vertragsbestimmungen gegenüber AGB. Außerdem werden durch § 305c BGB überra-

schende und mehrdeutige Klauseln nicht Bestandteil des Vertrages. Dies bezieht sich auf

solche Bestimmungen, die für den Betroffenen der vom Verwender gebrauchten Klauseln

objektiv ungewöhnlich sind und dieser nicht mit solchen Bestimmungen zu rechnen hätte18.

2.1.4. § 306 BGB – Rechtsfolgen

Zwar folgt nach § 139 BGB aus einer Teilnichtigkeit eine vollständige Nichtigkeit des

Rechtsgeschäftes, jedoch gilt dies nicht ausnahmslos für AGB. § 306 BGB regelt den rechts-

wirksamen Fortbestand (Abs. 1) oder die Nichtigkeit (Abs. 3) eines geschlossenen Ver-

trages. AGB können so nach Abs. 1 unwirksam bzw. aufgrund eines Verstoßes gegen die

Einbeziehungsregelungen des § 305 BGB zum Teil oder im Ganzen nicht Vertrags-

bestandteil geworden sein. Sie ändern jedoch nichts am Status Quo des vereinbarten

Rechtsgeschäftes. Grund dafür sind die hohen Richtlinien zum Schutz von Verbrauchern. Es

wird im Allgemeinen von einem erhöhten Interesse der dem Verwender der AGB gegen-

überstehenden Partei an der Aufrechterhaltung des Vertrages19 ausgegangen.

2.1.5. § 307 BGB -Inhaltskontrolle

Bevor § 307 Abs. 2 BGB die Bewertungsbestimmung konkretisiert, regelt § 307 Abs. 1 BGB

grundsätzlich die Unwirksamkeit von AGB durch seine Generalklausel. Demnach werden alle

Bestimmungen in AGB unwirksam, die gegen den allgemeinen Grundsatz von Treu und

16 Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, S. 46 ff. 17 Als unterste Grenze wird von einer Anzahl von drei vorformulierten Verträgen ausgegangen, BGH, NJW 1998, 2286 (2287). 18 Palandt, BGB, S. 405 ff. 19 AaO (vorige Fn.), S. 417 Rn. 1.

44

Glauben gerichtet sind bzw. wenn durch die beanstandete Bestimmung eine

unangemessene Benachteiligung vorliegt. Die Klauseln sollen objektiv klar und verständlich

sein. Ist die Klausel dies nicht, spricht man von Intransparenz20.

Durch gesetzliche Regelbeispiele wird die allgemein verfasste Auslegung in § 307 Abs. 2

BGB zusätzlich konkretisiert. Unwirksam kann eine Vertragsbestimmung demnach auch wer-

den, wenn gegen die Grundgedanken gesetzlicher Vorschriften verstoßen wird oder aber

das Vertragsziel aufgrund von Einschnitten in den sich aus der Vertragsnatur ergebenden

Rechten oder Pflichten, nicht erzielt werden kann21.

2.1.6. §§ 308, 309 BGB – Klauselverbote mit/ohne Wertungsmöglichkeit

Der Gesetzgeber hat mit den §§ 308, 309 BGB spezielle Verbote für Klauseln erteilt und so-

mit den Grundsatz des § 307 Abs. 1 BGB konkretisiert. Die in § 308 BGB verbotenen Klau-

seln sind charakterisiert durch Rechtsbegriffe, die nicht eindeutig bestimmt sind und daher in

der Inhaltskontrolle einer richterlichen Wertung unterliegen22.

Eine Konkretisierung der Rechtsgedanken des § 307 Abs. 2 BGB beinhaltet § 309 BGB. Im

Gegensatz zum § 308 BGB bezieht sich der § 309 BGB auf Vertragsbestimmungen, die

keine unbestimmten Rechtsbegriffe verwenden und daher nicht einer richterlichen Wertung

bedürfen. Vertragsbestimmungen, die Klauseln verwenden, welche Merkmale der unter §

309 BGB aufgeführten wertungsunabhängigen Klauseln besitzen, sind somit ohne

richterliche Charakterisierung unwirksam23.

2.1.7. § 310 BGB -Anwendungsbereich

Das Differenzierungsgebot des § 310 Abs. 1 BGB begrenzt durch den jeweiligen

persönlichen Anwendungsbereich die Wirkungen der AGB. Für die verschiedenen möglichen

Szenarien gelten jeweils andere Einbeziehungsgrundlagen bzw. eine geminderte oder

stärkere Inhaltskontrolle. Ein Hauptaugenmerk fällt dabei auf die Betrachtung der §§ 13, 14

BGB, die bestimmen, ob es sich bei der dem Verwender gegenüberstehenden Vertragspartei

um einen Verbraucher oder Unternehmer handelt. Aufgrund der Relevanz für die Tiefe der

Inhaltskontrolle und der daraus resultierenden rechtlichen Folgen für Klauseln, ist diese

Beurteilung Weichen stellend. Für die Konstellation Unternehmer � Verbraucher ergibt sich

nach § 310 Abs. 3 BGB eine Inhaltskontrolle der §§ 307 bis 309 BGB. Hingegen beschränkt

§ 310 Abs. 1 BGB die Prozedur. Bei einem Unternehmer � Unternehmer-Szenario reduziert

§ 310 Abs. 1 BGB die Inhaltskontrolle der AGB auf § 307 BGB mit seiner Generalklausel24

20 AaO (Fn. 18), S. 422 Rn. 2 21 AaO (Fn. 18), S. 425 Rn. 25 22 AaO (Fn. 18), S. 444 Rn. 1. 23 AaO (Fn. 18), S. 450 Rn. 2 24 Palandt, aaO (Fn. 18), S. 422 Rn. 2, S. 427 Rn. 40; Allgemein zum Prüfungsschema Brox/Walker (Fn. 16), S. 46 ff.

45

Der verfolgte Zweck ist eine Vereinfachung des unternehmerischen Geschäftsverkehrs, da in

diesem Fall von einer AGB-Vertrautheit der Verwendergegenseite ausgegangen

wird25.Zudem weisen die §§ 305a BGB und § 310 Abs. 2 BGB Sondervorschriften auf, die im

zu prüfenden Fall zu berücksichtigen sind.

2.2. Beziehungen zwischen AGB und Franchise-Verträgen

2.2.1. Der Franchise-Vertrag

Die vorzufindende rechtliche Komplexität eines Franchise-Vertrages ist auch dem Umstand

geschuldet, dass in Deutschland – im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Staaten

– keine „Zementierung“ eines allgemeinen Franchise-Rechts in das deutsche Recht

stattfand. Franchise-Verträge bedienen sich verschiedenster Gesetzesregelungen aus

unterschiedlichen Rechtsgebieten26 bzw. orientieren sich an diskrepanten Entscheidungen

auf Landesgerichtsebene und an einigen, vom Bundesgerichtshof (BGH) getroffenen, Grund-

satzentscheidungen27 Entsprechend dieser Charakterisierung wird im Schrifttum sowie in der

Rechtsprechung von einem Typenkombinationsvertrag ausgegangen28. Aufgrund der

beidseitigen Interessen, den Vertrag auf eine größere Dauer auszulegen29, wird in diesem

Zusammenhang auch von einem Dauerschuldverhältnis30 gesprochen.

Grundsätzlich besitzt der Verwender Vertragsautonomie31 , unterliegt jedoch den Schranken

der verfassungsmäßigen Ordnung. Zusätzlich wird die Gestaltung eines Franchise-Vertrages

durch zwei rechtliche Vorgaben und einer Eventualität beeinflusst.

Auf europäischer Ebene wirkt die am 1. Januar 2000 in Kraft getretene EU-Gruppenfreistel-

lungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindungen (Vertikal-GVO)32 auf den Vertragsinhalt

ein. Von großer Relevanz für Franchise-Verträge sind im deutschen Recht die §§ 305 bis

310 BGB33 , die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts34 aus dem AGBG in

das BGB implantiert wurden. Die §§ 305 bis 310 BGB greifen durch ihre Funktion als Gestal-

tungsgrenzen gezielt in die Privatautonomie der Kontrahenten ein, um unangemessene Be-

nachteiligungen durch das ungleiche Kräfteverhältnis zu unterbinden35

25 Berger /Kleine, BB 2007, 2137 (2138) 26 Flohr nennt hierbei: allgemeines Zivil-, Handels-, Gesellschafts-, Wettbewerbs-, Kartell-, Verbraucherschutz-, sowie Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, aaO (Fn. 3), S. 17. 27 Auf einzelne Grundsatzentscheidungen wird im Kapitel 3 der Arbeit eingegangen. 28 Martinek (Fn. 8),S. 69 ff.; Zwecker (Fn. 7), S.19 f. 29 Beide Parteien können nach allgemeiner Auffassung nur von einem längerfristigen Vertragsverhältnis profitie-ren. Weitere Ausführungen dazu im Kapitel: 3.2. 30 Franchising als Dauerschuldverhältnis; aus der Rspr.: BGH NJW 1985, 1894 (1895); aus dem Schrifttum: Flohr (Fn. 3); Erdmann, BB 1992, 795; Stoffels, DB 2004, 1871; Liesegang, BB 1991, 2381. 31 Die Vertragsfreiheit ist jedenfalls als ein Bestandteil des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. 32 EG Nr. 2790/1999. Diese Verordnung listet u. a. schwarzen Klauseln auf, welche in Bezug auf die Vertrags-umsetzung untersagt sind und demnach nicht nach Art. 81 Abs. 3 EGV freigestellt sind. In einer Guideline (ähn-lich einem Kommentar) fügt die EU-Kommission Erklärungen bei, in welcher Art und Weise sie die einzelnen Regelungen auslegt. 33 Bis Ende 2001 §§ 1 bis 24 AGBG. 34 Oben, Fn. 14. 35 Zwecker (Fn. 7). 81.

46

Als eine potenzielle dritte Form von Inhaltsrichtlinien für die Vertragsregelungen gelten die

Leitsätze zur Vertragsgestaltung durch den DFV, dem so genannten Ethikkodex. Diese Vor-

gabe ist in der Vertragsrealisierung für Franchisegeber erforderlich, die Mitglieder oder asso-

ziierte Mitglieder im bzw. des DFV sind. Zu beachten ist jedoch, dass diese Leitsätze kein

geltendes Recht ersetzen, sondern nur Anhaltspunkte für die Beurteilung in einer gerichtli-

chen Überprüfung sind.

Ein vom Gesetzgeber gewünschter Franchise-Vertrag sollte demzufolge dem Franchi-

segeber und den -nehmern in Hinblick auf ihre partnerschaftliche Zusammenarbeit eine

rechtswirksame Grundlage für die beidseitigen Pflichten und Leistungen geben. Liesegang36

ist der Meinung, dass dem Franchisegeber eine schnelle Reaktionsmöglichkeit auf sich

verändernde Marktumstände etwa im Beschaffungs- und Absatzmarkt gegeben werden

muss, jedoch darf daraus kein Freibrief und eine damit einhergehende einseitige

Lastenverteilung zum Vorteil des Franchisegebers vonstatten gehen. AGB müssen daher

dem Systembetreiber einen definierten Spielraum ermöglichen.

Aufgrund der unikalen Gegebenheiten, die jedes Franchising mit sich bringt, existiert kein auf

jedes Franchisesystem anwendbarer Mustervertrag. Es bedarf eines optimalen, auf das

jeweilige Franchisesystem abgestimmten Vertragswerks unter Beachtung der aktuellen

Rechtsprechung. Anhaltspunkte für die Gestaltung von Franchise-Verträgen geben Bei-

spielverträge, die, teils mit Erläuterungen, zur Grundorientierung für potenzielle

Franchisenehmer und Franchisegeber beitragen können37.

2.2.2. Der Franchise-Vertrag als AGB

Der einheitliche Gedanke des Franchising mündet für die Teilnehmer nicht nur im gleichar-

tigen systemexternen Auftreten durch die einheitliche Ausgestaltung der Lokalitäten, in

denen der Kontakt mit den Endverbrauchern hergestellt wird, sondern bezieht sich auch auf

die systeminternen rechtlichen Konditionen. Zur Stärkung des Vertrauensverhältnisses

zwischen den Parteien ist es notwendig, dass allen Systemteilnehmern homogene Pflichten

und Leistungen auferlegt bzw. gewährt werden. Schlussfolgernd kann man also sagen: Um

ein leistungsstarkes Vertriebssystems zu organisieren und zu kontrollieren, bedarf es einer

objektiven und kongruenten Betreuung seitens des Franchisegebers allen partizipierenden

Franchisenehmern gegenüber. Ein solches Ziel erwirkt nicht nur das beidseitige Streben

nach wirtschaftlicher Rentabilität, sondern auch der § 242 BGB38. Aus diesen Vorgaben folgt,

dass der Franchisegeber den Franchisenehmern Franchise-Verträge, die die Eigenschaften

von Formularverträgen erfüllen, bereitstellt. Zudem erzielt der Verwender der Formular-

36 Der Franchise-Vertrag, S. 10. 37 Beispiele hierfür: Flohr: Partnerschaftliches Franchising durch vorvertragliche Aufklärung und Vertragsgestal-tung, S. 16; IHK Stuttgart: Der Franchise-Vertrag; Deutschen Gesellschaft für Verbraucherschutz e.V.: Muster-Franchise-Vertrag ohne Erläuterungen. 38 Flohr (Fn. 3), S. 41; Fn. 6, S. 110 ff.; Skaupy (Fn. 9), S. 129.

47

verträge daraus einen Nutzen, denn der ihm obliegende Geschäftsverkehr kann durch diese

Maßnahme rationalisiert werden39.Damit sich für beide Vertragsparteien ein wirtschaftlicher

Erfolg einstellt, sollte der Franchisegeber mehr als drei Franchisenehmer40 finden, die eine

entsprechende Übereinkunft unterzeichnen. Mit diesen genannten Eigenschaften erfüllt der

Franchise-Vertrag die Einbeziehungsmerkmale des § 305 Abs. 1 BGB. Es handelt sich um

einen Formularvertrag, der für eine Vielzahl von Verträgen die gleichen Vertrags-

bestimmungen enthält und dessen Ausarbeitung einer Vertragspartei, dem Verwender

obliegt41.Der Franchise-Vertrag unterliegt demnach der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB.

Allerdings existieren auch kritische Stimmen, die Franchise-Verträge nicht als AGB sehen.

Demnach sei ein Franchise-Vertrag nur der äußere Rahmen, ein Korsett, des beidseitigen

Verhältnisses, das Stabilität generiert. Unter diesen Blickwinkel transformiert der Franchise-

Vertrag zu einer Organisationsverfassung, die eine zwischen den sich gegenüberstehenden

Parteien gewollte Asymmetrie beinhaltet, da nur durch so einen Gestaltungsinhalt und klar

zugewiesenen Weisungsbefugnissen seitens des Franchisegebers ein Franchisesystem

seine volle Leistungsfähigkeit entfalten kann.

Formell würde dieser kritischen Ansichten folgend eine AGB-Kontrolle von Franchise-Ver-

trägen schon deshalb scheitern, da § 305 Abs. 1 S. 3 BGB eine Option zum Aushandeln ein-

zelner Vertragsbedingungen bietet. Solch eine Einzelaushandlungsmöglichkeit besteht aber

bei Franchise-Verträgen nicht, da der Geschäftserfolg ein uniformes Auftreten aller beteilig-

ten Teilnehmer erfordert und somit den Systemgeber zur Vertragsgleichheit zwingt42.Diese

Gedankenkonstrukte geben jedoch ungeachtet dessen nicht die herrschende Meinung

wieder.

2.2.3. AGB-Inhaltskontrolle von Franchise-Verträgen

Unbestritten ist die passive und schwache Verhandlungsposition des Franchisenehmers bei

der Ausgestaltung des Franchise-Vertrages. Oftmals steht dieser nur vor der Wahl der Ab-

lehnung oder der Annahme. Werden diese Umstände beim Zustandekommen des Rechts-

geschäftes berücksichtigt, wird deutlich, weshalb der Gesetzgeber den Franchisenehmer in

Bezug auf mögliche, für ihn unvorteilhafte Klauseln, schützt. In welchem rechtlichen Ausmaß

dieser Schutz geschieht, war lange Zeit im Schrifttum diskutiert worden. Die AGB-In-

haltskontrolle weist ausgehend vom persönlichen Anwendungsbereich des § 310 BGB zwei

Hauptschemata auf: Zum einen die im Umfang eingeschränkte Inhaltskontrolle bei einer

Unternehmer-Unternehmer-Konstellation und die uneingeschränkte Inhaltskontrolle im Falle

39 Zwecker (Fn. 7), S. 97. 40 So Flohr (Fn. 3), S. 43. 41 Die Einbeziehungsmerkmale des § 305 Abs. 1 wurden im Kapitel 2.1.3 kurz umrissen. Im Schrifttum dazu: Ekkenga (Fn. 5), S. 20; Liesegang (Fn. 36), S 9; Stoffels, DB 2004, 1871; Zwecker (Fn. 7), S. 81; Skaupy (Fn. 9), S. 128. 42 Diese Ansichten zusammenfassend und mit Angabe zu vertiefender Literatur: Zwecker (Fn. 7), S. 98 ff.

48

einer Unternehmer-Verbraucher-Sachlage43. Diskussionsbedarf entstand, da es sich bei

einem Franchisenehmer auch um einen Existenzgründer handeln könnte, und es stellte sich

die Frage, wie dieser rechtlich einzuordnen sei – als Unternehmer oder als Verbraucher. Aus

einer fehlenden einheitlichen Rechtssprechung resultierten zwei Gedankenkonstrukte44.

Vorherrschende Meinung war, dass ein Franchisenehmer generell als Unternehmer anzu-

sehen sei, auch wenn es sich, wie in einer Vielzahl von Fällen in der Realität um einen

Existenzgründer handelte45.Aus Sicht der Franchisenehmer wäre eine Bewertung als Ver-

braucher nach § 13 BGB von Vorteil. In dieser Position würden für den Verbraucher be-

schränkte geschäftliche Erfahrungen angenommen, wodurch dieser besonders schutz-

bedürftig wäre und der geschlossene Vertrag unter diesen Umständen u. a. einer

uneingeschränkten Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 bis 310 BGB unterliege.

Prasse46 als ein Verteidiger der vollständigen Inhaltskontrolle begründet seine Ansicht damit,

dass ein Existenzgründer der zukünftig als Franchisenehmer auftreten will, durch die Rege-

lung des § 507 BGB ein Verbraucher sei. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass Existenz-

gründer, die eine Finanzierungshilfe im Sinne des § 507 BGB bis zu einer Höhe von 50.000

Euro aufnehmen, den Vorschriften des Verbraucherdarlehens gemäß den §§ 491 ff. BGB un-

terliegen. Daher sei zu folgern, dass der Gesetzgeber den Begriff des Verbrauchers nach §

13 BGB erweitere und Existenzgründer mit einschließe. Des Weiteren argumentiert Prasse

in Anbetracht des Wortlautes „in Ausübung“ innerhalb des § 14 BGB, der einen Unternehmer

dadurch definiert, dass eben diese Ausübung innerhalb seiner selbständigen beruflichen Tä-

tigkeit geschieht. Ein Existenzgründer sei hingegen in Begriff der „Aufnahme“ einer selbst-

ständigen beruflichen Tätigkeit. Stoffels47 wies daraufhin hin, dass es sich bei Franchiseneh-

mern in vielen Fällen mitnichten um geschäftlich erfahrene Personen handelt, sondern im

Gegenteil diese oftmals erst durch Lehrgänge Unternehmer im Sinne der Rechtsdefinition

nach § 14 BGB werden.

Die Rechtsprechung hingegen schloss sich der überwiegenden Mehrheit des Schrifttums an,

dass auch im Falle einer Existenzgründung bei einem Franchisenehmer von einem Un-

ternehmer im Sinne des § 14 auszugehen war48.So entschieden das OLG Oldenburg49, das

43 Vgl. oben, Kapitel 2.1.7. 44 Aus Sicht des OLG Koblenz handelt es sich bei einem Existenzgründer nicht um einen Unternehmer: NJW 1987, 74. Zu Entscheidungen, die die Auffassung vertreten, dass es sich bezüglich dieses Sachverhalt um einen Unternehmer handelt, unten, Fn. 49 - 51. 45 Alleine 2004 wählten 2.000 Existenzgründer das Franchisemodell. Von 1992 bis 2002 nutzten insgesamt 12.000 Menschen diesen Weg zum Aufbau einer geschäftlichen Existenz. Vgl. Franchisestarter.de: Pressemittei-lung. 46 Prasse, ZGS, 2002, 354 ff. Unterstützend aus dem Schrifttum für die These, dass ein geschlossener Formular-vertrag von Existenzgründer der uneingeschränkten Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 bis 310 kann angesehen wer-den: Palandt (Fn. 18), § 310 Rn. 3. 47 DB 2004, 1872. 48 Beispielhaft hierfür u. a. Erdmann, BB 1992, 795, Ekkenga (Fn. 5), S. 43 f.; Martinek (Fn. 8), S. 123. Der EuGH entschied schon1997, dass Verbraucherschutz in Hinsicht auf Existenzgründung nicht anwendbar sei, WM 1997, 1549 (1551). 49 DB 2002, 423 (424).

49

OLG Rostock50 und schlussendlich der BGH, dass eine Unternehmertätigkeit schon dann

vorliegt, „wenn das betreffende Geschäft im Zuge der Annahme einer gewerblichen oder

selbständigen beruflichen Tätigkeit (sog. Existenzgründung) geschlossen wird“51.

Dieser Beschluss hat zur Folge, dass künftig für Existenzgründer beim Abschluss eines

Franchise-Vertrages, im Falle einer Inhaltskontrolle der Vertragsbedingungen, derselbige

nicht mehr den strengeren Klauselverboten nach §§ 308, 309 BGB unterliegt, sondern das

Hauptaugenmerk auf die Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und das Trans-

parenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB liegt.

3. Strittige Klauseln

3.1. Einkaufsvorteile

Der Franchisegeber ist je nach Größe des von ihm geleiteten und verwalteten Systems dem

Hersteller der von ihm vertriebenen Güter gegenüber in einer komfortablen Verhandlungspo-

sition. Die geballte Nachfragekraft aller angeschlossenen Systemteilnehmer gibt dem Fran-

chisegeber die Option, höhere Rabatte auf die von ihm bzw. seinen Systemmitgliedern zu

vertreibenden Güter auszuhandeln. Es kommt jedoch vor, dass die volle Rabatthöhe nicht

den Systemmitgliedern zufließt sondern diese, als so genannte „Kick-backs“, vom Hersteller

an den Franchisegeber weitergeleitet werden52. Somit entzweien die Einkaufsvorteile die

Vertragsakteure, und es besteht eine Divergenz der Interessen.

Im umkämpften Markt ist größtenteils das Preisargument ausschlaggebend, weshalb jede

dem Franchisenehmer verwehrte Preisreduzierung aufgrund fehlender und nicht weiter-

gereichter Einkaufsrabatte genau das Gegenteil bedeuten könnte und daher das Vor-

enthalten des Einkaufspreisvorteils den Geschäftserfolg nicht optimiert, sondern reduziert.

Der Franchisesystembetreiber hingegen hat ein ausgeprägtes Interesse, seine gebotene

Dienstleistung, in diesem Fall das Verhandeln mit dem Hersteller, angemessen vergütet zu

erhalten, und daher besteht kein reales Interesse daran, die volle Rabatthöhe an seine

Systemmitglieder weiterzuleiten.

3.1.1. Die „Sixt“-Entscheidung

Die beanstandete Klausel (§ 3 S. 1) lautete:

„S. wird den Unterlizenznehmer bei dem Einkauf von Fahrzeugen in der Weise unterstützen,

dass er ihm die Möglichkeit einräumt, zu den in den Großabnehmerabkommen vereinbarten

Konditionen Fahrzeuge zu beziehen, soweit die Hersteller dies zulassen“53

50 ZVI 2003, 332. 51 NJW 2005, 1273 (1273). 52 Kickbacks werden teilweise im Franchising als eine zusätzliche Vergütung für administrativen Aufwand des Franchisegebers angesehen. Zu den Einflüssen des „Praktiker-Beschlusses“ des BGH auf diese Gegebenheit: Flohr, BB 2007, 6 (11). 53 Zitiert nach BGH, NJW 1999, 2671 (2671).

50

Im BGH-Urteil vom 2. Februar 199954 urteilten die Richter, dass diese in den vom Franchise-

geber verwendeten Formularverträgen enthaltene Klausel nicht gegen das Transpa-

renzgebot verstößt und keine unangemessene Benachteiligung des Franchisenehmers

gemäß § 9 Abs. 1 AGBG55 darstellt. Begründet wurde die Wirksamkeit der Klausel damit,

dass die deutsche Rechtsordnung keine rechtliche Verpflichtung kennt, die den Fran-

chisegeber zur Weitergabe seiner erzielten Einkaufsvorteile verpflichtet. Zudem hängt die

beanspruchende Leistung nicht vom Gutdünken des Verwenders ab, sondern liegt in der

Entscheidungsgewalt eines Dritten. Offenbar hielt der BGH insbesondere den Klauselinhalt

„soweit die Hersteller dies zulassen“, für hinreichend transparent56.Die Aussagekraft dieser

Klausel kann nach Meinung des BGH für einen „am Geschäftsleben teilnehmenden Ge-

werbetreibenden keinem Zweifel unterliegen“57.

In Anbetracht des Gebotes, dass den Verwender die Transparenz nicht überfordern darf und

daher ihm die Ausarbeitung einer allgemein verständlichen Version obliegt, ist die Klausel

wirksam. Eine detaillierte Aufstellung der Einkaufsvorteile ist dem Verwender nicht zumutbar

und würde eine ständige Überarbeitung des Vertragswerks nach sich ziehen. Sofern neue

Vertragsabschlüsse zu veränderten Konditionen mit einer dritten Partei (Hersteller) ab-

geschlossen würden, müssten diese demnach in allen Franchise-Verträgen aktualisiert und

aufgeführt werden.

Auch das Begehren, diese Klausel entsprechend der Generalklausel des § 9 Abs. 1 AGBG

des Gebotes von Treu und Glauben für unwirksam zu erklären, wurde zurückgewiesen. Der

Verwender der AGB schränkt kein zustehendes Recht der Franchisenehmer ein, sondern

beschränkt dies vorher durch den Zusatz, dass er Einkaufsvorteile weiterleite, wenn die

Hersteller das akzeptieren. Es bestehe daher keine prinzipielle Verpflichtung, die Ein-

kaufsvorteile weiterzuleiten, sondern nur im individuellen Fall nach einer Billigung seitens

des Franchisegebers.

3.1.2. Die „Apollo-Optik“-Entscheidung

Die beanstandete Klausel (§ 6.3: Weitere Leistungen von Apollo) besagt:

„Apollo betreut den Partner hinsichtlich der Geschäftsentwicklung und des systemgerechten

Betriebsablaufs und gibt Vorteile, Ideen und Verbesserungen zur Erreichung optimaler

Geschäftserfolge an den Partner weiter“58.

Mit dem Urteil vom 20. Mai 200356 entschied der Kartellsenat des BGH in Bezug auf die

vorliegende Klausel anhand des im Zweifel für die Klauselinterpretation richtungweisenden

Grundsatzes der „kundenfreundlichsten Auslegung“. Diesen Bewertungsmaßstab entnah-

54 BB 1999, 860 = NJW 1999, 2671. 55 § 9 Abs. 1 AGBG entspricht jetzt § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. 56 Der BGH begründet die Transparenz anhand der Begriffsauslegung in früheren Urteilen, u. a.: BB 1989, 1499. 57 BGH, BB 1999, 860 (864). 58 Zitiert nach BGH, NJW-RR 2003, 1635 (1636).

51

men die Richter aus § 305c Abs. 2 BGB. Demnach gehen alle Zweifel, die bei einer Aus-

legung von AGB entstehen können, zu Lasten des Verwenders. Begründet wurde der Be-

schluss mit dem allgemeinen Verständnis der Klausel in § 6.3. Diese nennt eine Weiter-

leitung u. a. von Vorteilen an den Vertragspartner ohne jeden Vorbehalt, wie er etwa im

„Sixt“-Fall zur Geltung kam59.

Insbesondere die nicht hinreichende Konkretisierung des Klauselinhalts der Vorteilsweiter-

gabe, die sich in einer materiellen aber auch immateriellen Art und Weise vollziehen könne,

ging zu Lasten des Verwenders, Apollo-Optik. Der Kläger fasste die Vertragsbestimmung so

auf, dass ihm auch alle materiellen Vorteile weitergereicht werden und daher ihm die Kom-

pletthöhe der von Apollo-Optik gegenüber Herstellern ausgehandelten Rabatte zustünde.

Das Gericht folgte dieser Auffassung und argumentierte, dass als die in der Klausel

beschriebenen „Vorteile“ auch diejenigen anzusehen sein, die durch die Nachfragemacht

des Franchisegebers am Markt entstehen und so zu Preisvorteilen im Einkauf führen. Ge-

rade diese Weiterleitungen von Einkaufsvorteilen seien, so der BGH, von verständigen und

redlichen Franchisenehmern als eine Maßnahme zur Erhöhung der Geschäftserfolge zu

verstehen. Darüber hinaus wäre es aus Sicht der Richter erforderlich gewesen, aufgrund der

aus der Klausel stammenden Franchisegeberpflicht den Franchisenehmern die Höhe der

von den Herstellern verrechneten Rabatte offen zu legen.

Eine positive Vertragsverletzung fand weiterhin dadurch statt, dass Apollo-Optik als Franchi-

segeber es den Herstellern untersagte, den Franchisenehmern die volle Rabatthöhe zu-

kommen zu lassen. Zusätzlich veranlasste Apollo-Optik, dass die Hersteller gegenüber den

Franchisenehmern die auf den Preislisten angegebenen höheren Preise geltend machten

und die Differenz zwischen beiden Preisen an Apollo-Optik ging.

3.1.3. Zusammenfassung und Tendenzen

Die besprochenen Entscheidungen des BGH verdeutlichen, dass es auf die jeweilige

sprachliche Gestaltung der Klauseln ankommt und wie diese von der anderen Vertragspartei

zu verstehen sind. Flohr60 stellt dabei, resultierend aus dem beschriebenen Apollo-Urteil,

folgende Forderung an die inhaltliche Gestaltung eines Franchise-Vertrages: „konkrete und

tatsächliche Wiedergabe der Wirklichkeit“.

Wird eine Weiterleitung von Vorteilen erwähnt, muss der Franchisegeber die „kundenfreund-

lichste“ Auslegung gemäß § 305 c Abs. 2 BGB gegen sich gelten lassen. Zugleich muss die

Klausel auch klar formuliert sein, um nicht gegen das Transparenzgebot im Sinne von § 307

Abs. 1 S. 2 BGB zu verstoßen61.Wenn der Systembetreiber Vorteile mit anführt, sollte er sie

zugleich klar definieren, damit diese Vertragsbestimmungen auch bei einer richterlichen In-

59 Siehe dazu oben, Kap. 3.1.1. 60 DStR 2004, 93 (97). 61 AaO (Fn. 3), S. 158 f.

52

haltskontrolle wirksam bleiben. Inwiefern der Systembetreiber eine Verpflichtung hat, Ein-

kaufsvorteile auszuhandeln, ist auch noch strittig62.

Der BGH hat zwei Ausnahmen für Leistungsweitergaben zugelassen, auch für den Fall, dass

seitens des Franchisenehmers ein vertraglicher Anspruch auf diese besteht: (1) wenn eine

ausdrückliche Kennzeichnung des eventuellen Vorbehalts von Einkaufsvorteilen in der

Klausel vorhanden ist und (2) wenn der Hersteller die Weitergabe der Einkaufsvorteile dem

Systembetreiber untersagt63.

Fraglich bleibt weiterhin, ob der Franchisenehmer gegenüber dem Franchisegeber ein Aus-

kunftsbegehren über die Höhe der mit den Herstellern ausgehandelten Einkaufsvorteile be-

sitzt. Das bloße Inaussichtstellen von systemimmanenten Vorteilen seitens des Franchise-

gebers rechtfertigt Haagers Sichtweise folgend ein Auskunfts- und Partizipationsverlangen

des Franchisenehmers64. Nach der Auffassung von Flohr machte der BGH65 mit seiner

„Hertz“-Entscheidung deutlich, dass ein Auskunftsverlangen über Einkaufsvorteile gem. §§

666, 667 BGB dann nicht begründet ist, wenn der Franchisenehmer keinen Zah-

lungsanspruch besitzt. Eine vertragliche Regelung über den Verbleib der Einkaufsvorteile

erübrige zudem alle Informations- und Auszahlungsansprüche. Dies ist auch bei einem Ver-

tragsabschluß eines Franchisenehmers mit der Tochterfirma des Franchisegebers rechtens.

Daraus folge seiner Meinung nach zudem eine Abkehr vom Gedanken einer „Franchise-

Netzwerk-Haftung“66. Böhner67 dagegen deutet die „Hertz-Entscheidung“ dahingehend so,

dass ein Auskunftsverlangen gemäß §§ 675, 666, 242, 667 BGB auch ohne eine vertragliche

Verpflichtung zur Auskehrung von Einkaufsvorteilen bestehen bleibt.

Das OLG Düsseldorf68 entschied in dieser Frage, dass dem Franchisenehmer kein Aus-

kunftsanspruch gegenüber dem Franchisegeber über die Höhe der erhaltenen Ein-

kaufsvorteile zusteht, wenn keine Vertragsbestimmung solche eine Weiterleitung vorsieht.

Eine bloße Pflicht zur Abgabe zentraler Leistungen reiche demnach nicht aus, ein Begehren

auf Auskunft zu rechtfertigen69.

62 Flohr, BB 2007, 6 (9). 63 Flohr, BB 2006, 389 (393). 64 NJW 2004, 1220 (1222). 65 BB 2006, 1071 (1075) mit Anmerkung von Flohr. 66 Vor allem Böhner verfolgte in seinem Aufsatz in: BB 2004, 119 den Gedanken einer Franchisenetzwerkver-trages. Aufgrund der rechtlichen Risiken, die beim Einkauf beim Lieferanten auf Seiten der Franchisenehmer und nicht der Franchisegeber liegen, plädiert er für eine Auskehrung aller Vorteile zugunsten der Franchisenehmer. 67 Einen guten Überblick über beide Positionen bietet Emde, BB-Special 3, 2007, 3 (11 f.). 68 Entscheidung vom 13.12.2006, BB 2007, 738 69 Eine Zusammenfassung der Entscheidung bespricht Emde, in: BB 2008, 2755 (2759)

53

3.2. Außerordentliche/ordentliche Kündigungen und Laufzeiten von Franchise-

Verträgen

3.2.1. Problemstellung

Häufiger Streitpunkt bei Franchise-Verträgen ist die Frage der Kündigung. Allgemein gilt zu

beachten, dass beiden Vertragsparteien eine außerordentliche Kündigung auf Grundlage

„wichtiger Gründe“ vorbehalten werden muss, wobei eine Abmahnung oder eine Ab-

lehnungsandrohung vorzuliegen hat bzw. diese entbehrlich sein kann, wenn sie den

Anforderungen des § 323 Abs. 2 BGB entspricht. Die wichtigen Gründe sollten, wenn sie

Vertragsbestanteil werden sollen, genauestens definiert werden, müssen an einem Fehl-

verhalten der Gegenseite anknüpfen und den Anforderungen des § 314 BGB gerecht

werden. Skaupy70 gibt als Beispiele, die in die Vertragsbestimmungen als „wichtige Gründe“

übernommen werden könnten, an: Imagebeschädigungen, Zwangsvollstreckungen und Kon-

kursverfahren71.

Gesetzlich liegt gemäß § 314 Abs. 1 S. 2 BGB ein wichtiger Grund vor, wenn dem kündigen-

den Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der

beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Be-

endigung oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Im Prinzip

ist der Begriff des „wichtigen Grundes“ auslegungsfähig jedoch sollte der aktuellen Recht-

sprechung Beachtung geschenkt werden, da kein allgemein gültiger Katalog für die Beur-

teilung des Begriffes vorliegt72.

Vorgebeugt wird durch diese Regelung seitens des Gesetzgebers dem Umstand, dass die

Kündigung als ein Druckmittel seitens des Systembetreibers missbraucht werden kann.

Zugleich gibt sie jedoch dem Systembetreiber die Möglichkeit, als Bestrafungsinstrument zu

dienen73.Für eine ordentliche Kündigung gilt zu beachten, dass die Fristen angemessen sein

müssen74..

Wichtig für die Beurteilung von Laufzeiten ist die Feststellung, dass von beiden Vertragsak-

teuren kein kurzfristiger, ökonomischer Erfolg angestrebt wird, sondern eine langfristige Ko-

operation75. Durchgesetzt hat sich die Ansicht, die Laufzeit der Franchise-Verträge sollten so

abgestimmt sein, dass sie dem Franchisenehmer die Gelegenheit gegeben, die fran-

chisesystemrelevanten Investitionen zu amortisieren76.Diese Kosten des Franchisenehmers

fallen meist für spezifische systemgleiche Güter an, die, wenn überhaupt, nur mit Verlusten

wieder auf dem freien Markt zu veräußern sind. Franchise-Verträge mit hohen Laufzeiten

70 AaO (Fn. 9), S. 138. 71 Eine Übersicht über weitere, relevante Gründe bietet Liesegang, Der Franchise-Vertrag, S. 43 f. 72 Ebenda. 73 Zwecker (Fn. 7), S. 182 f. 74 Flohr (Fn. 3), S. 217 mit Beispielen und Nachweisen 75 Stoffels, DB 2004, 1871 (1871). 76 Dazu aus dem Schrifttum: Flohr, BB 2006, 389 (395); Liesegang, BB 1991, 2381 (2384); Stoffels, DB 2004, 1871 (1874 ff.).

54

dienen daher vorrangig den Franchisenehmern77, wobei nicht außer Acht gelassen werden

darf, dass der Franchisegeber bei langen Laufzeiten mit langfristigen Einnahmen, konstanter

Präsenz am Point of Sale und Erfahrenheit der Teilnehmer rechnen kann.

Angesichts der Unangemessenheitsregel in der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB sollte

der AGB-Verwender genauestens die Laufzeitlänge überprüfen, denn überlange Bindungen

sind besonders anfällig für eine richterliche Inhaltskontrolle. Es sollte im Interesse des Fran-

chisegebers liegen, für sein System charakteristische Lösungen zu finden, um einer Unwirk-

samkeit der Klausel entgegenzuwirken78. Nicht unberücksichtigt, neben den Anfangsinvesti-

tionen, sollte die Dauer der bisherigen Marktrepräsentanz des Franchisegebers bleiben.

Unerprobte Systeme langfristig vertraglich aneinander zu binden, könnte für beide Seiten

negative Folgen haben.

Daraus ist zu folgern, dass die Vertragslaufzeit von Franchise-Verträgen nicht ver-

allgemeinert werden kann, sondern von individuellen Faktoren abhängen, die es zu beachten

gilt79.

3.2.2. Die „Apollo-Optik“-Entscheidung

Die beanstandete Klausel (§ 12.4: Dauer und Beendigung des Vertrags) besagt:

„Jede der Vertragsparteien ist berechtigt, diesen Vertrag, dessen Durchführung ein

besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten voraussetzt, aus wichtigem

Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Ein wichtiger Grund ist insbe-

sondere die grobe Verletzung des Vertrags. … Ohne dass ein wichtiger Grund im Sinne des

Gesetzes vorliegt, kann im Übrigen jede Partei diesen Vertrag mit einer Frist von drei Mona-

ten zum Monatsende dann kündigen, wenn das Vertrauensverhältnis ernsthaft gestört ist“80.

Der BGH begründet die Unwirksamkeit dieser Klausel des Apollo-Optik Franchise-Vertrages

mit einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB. Demnach setzt sich

diese Vertragsbestimmung über geltendes Gesetz – in diesem Fall § 314 BGB – hinweg.

Nach Ansicht des Gerichtes ist für einen außergewöhnlichen Grund, der nach § 314 BGB

eine Aufhebung des Dauerschuldverhältnisses ohne Einbeziehung der Kündigungsfrist er-

lauben würde, kein rechtfertigendes Interesse deutbar. Weiterhin ist der Franchisenehmer

stark beeinträchtigt, da der Franchisegeber Apollo-Optik willkürlich das Vertragswerk kün-

digen und somit ein schutzwürdiges Interesse des Franchisenehmer verletzten könnte. Die-

ses besteht nach Ansicht des BGH in der Amortisation der zu Vertragsbeginn entstandenen

Investitionskosten beim Franchisesystemeintritt in einem nennenswerten Umfang. Dieses

Interesse habe der Franchisegeber als Verwender der AGB bei der Gestaltung zu beachten.

77 Liesegang (Fn. 36), S. 10. 78 Stoffels, DB 2004, 1871 (1875). 79 Flohr nennt: Art des Geschäftes, Kapitaleinsatz, persönliche Wünsche und Verhältnisse der Vertragsparteien, aaO (Fn. 3), S. 213. 80 Zitiert nach BGH, NJW-RR 2003, 1635 (1636).

55

3.2.3. Die CITROËN-Entscheidung

Die beanstandeten Klauseln besagten (X § 3 S. 1, 2: Vertragsdauer/Kündigung):

„1. Dieser Vertrag ist außerordentlich kündbar mit sofortiger Wirkung, wenn ein wichtiger

Grund vorliegt.

2. Ein wichtiger Grund liegt unbeschadet der Möglichkeit der Geltendmachung sonstiger

Gründe, z.B. insbesondere für eine Kündigung durch CITROËN, dann vor, wenn der Händler

seiner Absatzförderungspflicht, beschrieben in Ziffer III 2, insbesondere dadurch nicht nach-

kommt, dass die vereinbarten Absatzzahlen für Vertragsware (neue CITROËN Perso-

nenkraftwagen) keine 70% der Jahresvereinbarung oder Festlegung durch den Sach-

verständigen erreichen und keine 70% des in dem jeweiligen Bundesland geltenden

Marktanteils für das Fabrikat CITROËN erreicht werden und der Händler in der Folgezeit von

6 Monaten nach Abmahnung vereinbarte oder durch Sachverständige festgesetzte Jah-

resziele im Absatz der Vertragsware (neue CITROËN Personenkraftwagen) weiterhin (an-

teilsmäßig) nicht erreicht. Für die Berechnung wird CITROËN die Besonderheiten im Ver-

tragsgebiet berücksichtigen, die zu Lasten des Händlers sich im Rahmen der Nicht-

erreichung der Jahresziele ausgewirkt haben“81.

Der BGH82 erkannte an, dass die Vertragsbestimmung trotz ihrer Gültigkeit auch für neu ab-

geschlossene Händlerverträge nicht den vorherigen Entscheidungen zur Laufzeit von

Franchise-Verträgen entgegensteht. Inhaltlich ist der Klausel zu entnehmen, dass eine

früheste Kündigung nach zwei Jahren erfolgen kann, da die Begutachtung der Zahlen, ob ei-

ne Verfehlung des vorgegebenen Mindestumsatzes vorliege, erst nach einem Jahr vorge-

nommen wird. Infolge der daraus resultierenden Abmahnung und der Neuvorgabe von Min-

destabsatzzahlen durch einen Sachverständigen ergebe sich eine Mindestvertragslaufzeit,

die zwei Jahre nicht unterschreiten würde. Diese Mindestlaufzeit entspreche auch den

Bedingungen einer Mindestfrist für eine ordentliche Kündigung gemäß GVO 1400/200283.

Jedoch besitzt, so entschied der BGH, die Vertragsbestimmung einen Mangel an Angemes-

senheit dem Händler gegenüber gemäß § 307 BGB. Der beanstandete Händlervertrag

ermöglichte dem Verwender die Kündigung auch für den Fall, dass sich die andere

Vertragspartei nach besten Kräften mühe, aber das Absatzziel aufgrund nicht zu ver-

tretenden Umständen nicht erreicht. Fraglich ist, ob die Klausel kartellrechtlich zu

beanstanden sei, da nach alter GVO84 eine im Wesentlichen gleich lautende Klausel vom

EuGH85 als mit dem Art. 4 I Nr. 3 der damaligen GVO vereinbar bezeichnet wurde.

81 Zitiert nach BGH, GRUR 2005, 62 (63). 82 GRUR 2005, 62 ff.; einen Überblick über die wirksamen und unwirksamen Klauseln des Citroen-Urteils bietet Emde, BB 2005, 391. 83 Art. 3 Abs. 5 lit. b. der GVO 1400/2002/EG erlaubt eine Kündigungsfrist von zwei Jahren. 84 D. h. GVO 1475/95/EWG v. Juni 1995. 85 Slg. 1998, I-2055.

56

Ungeachtet dieser Eventualität ist nach Auffassung der Richter keine Vereinbarkeit der Ver-

tragsbestimmung mit § 307 BGB zu erreichen. Der BGH argumentiert, dass eine außer-

ordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses nur angesichts eines besonderen

Grunds möglich sei, den § 314 Abs. 1 S. 1 BGB definiert. Demnach tritt – verkürzt - ein solch

wichtiger Grund ein, wenn dem kündigenden Teil eine weitere Zusammenarbeit im in-

dividuellen Fall, unter Abwägung der beidseitigen Interessen, nicht zugemutet werden kann.

Die Verfehlung eines vorgegebenen Umsatzzieles sei allerdings kein besonderer Grund,

befanden die Richter. Demgegenüber steht, als akzeptables Motiv für eine Kündigung aus

wichtigem Grund, ein zu verzeichnender Umsatzrückgang. Unter diesen Umständen bestehe

der Verdacht einer Pflichtverletzung seitens des Gekündigten.

Der BGH begründet seine Auffassung mit der Rechtsprechung und der Meinung des Schrift-

tums86. Im Falle einer individualvertraglichen Regelung über Gründe, die zu einer außeror-

dentlichen Kündigung berechtigen, müssten diese objektiv erheblich sein.878 Solche objek-

tiven und vor allem erheblichen Gründe, so urteilten die Richter, seien nicht ersichtlich, wes-

halb nach der Inhaltskontrolle des CITROËN-Händlervertrages die Klauseln X § 3 S. 1, 2 den

Händler gemäß § 307 BGB unangemessen benachteiligen.

3.2.4. Zusammenfassung und Tendenzen

Auch weiterhin werden sich die Gerichte bei Inhaltskontrollen von Franchise-Verträgen ins-

besondere mit den Vertragsbestimmungen auseinandersetzen, die die Kündigung aus

„wichtigem Grund“ betreffen. Motiv dafür ist die Interpretationsdehnbarkeit des Begriffes

„wichtiger Grund“, da kein richterlicher Beispielskatalog existiert. Maßstab gebend bleiben

daher die einzelnen Entscheidungen des BGH und die daraus folgenden Grenzen für die

Wirksamkeit der Klauseln.

Zu beachten ist neben den in diesem Beitrag dargestellten Urteilen, dass ein rechts-

wirksamer Kündigungsgrund auch dann vorliegt, wenn ein Franchisenehmer das vorhandene

Potenzial bewusst nicht ausnutzt und seine Pflichten hinsichtlich der Förderung des

Umsatzes schuldhaft verletzt. Bei einer langjährigen Vertragslaufzeit von 20 Jahren muss

der Systembetreiber ein dauerhaft unrentables Unternehmen nicht akzeptieren, auch wenn

der Franchisenehmer seinen Vertragspflichten zur Betriebsführung nachkommt88.

Durch die BGH-Entscheidung vom 13.07.200489 erlangen die Anordnungen der Vertikal-

GVO den Status einer Leitbild- und Ordnungsfunktion im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

Dementsprechend sind Vertragsbestimmungen gemäß § 307 BGB unwirksam, wenn in

86 Für die Kündigung aufgrund eines Umsatzrückganges: BGH, WM 1982, 632; gegen die Kündigung aufgrund verfehlter, vorgegebener Umsätze Küstner/Thume, Rdnr. 1976 ff. 87 Der BGH bezieht sich auf NJW-RR 1988, 1381. 88 Zusammenfassend mit jeweiligen Urteilen Emde, BB 2008, 2755 (2760). 89 Oben, Fn. 82.

57

ihnen enthaltene Beschränkungen nicht durch die Vertikal-GVO vom Verbot des Art. 81 Abs.

1 EGV freigestellt sind90.

Von großer Bedeutung für die Zukunft ist auch die BGH-Entscheidung „Kfz-Vertragshändler

III“ vom 8. Mai 200791. Die GVO 1400/2002 sieht für eine ordentliche Kündigung eine Zwei-

Jahres-Frist vor, wobei abweichend von dieser Regelung eine einjährige Frist als wirksam

gilt, wenn die Umstrukturierung des gesamten oder wesentlichen Teils des Vertriebsnetzes

notwendig ist. Nicht als einen generellen Grund für eine notwendige Umstrukturierung des

Vertriebssystems sah der EuGH die Neueinführung der GVO 1400/2002 an. Jedoch überließ

dieser den nationalen Gerichten die Entscheidungen für konkrete Fälle, da im einzelnen Fall

eine Umstrukturierung notwendig sei. Der BGH entschied, die Wirksamkeit der Kündigung

außer Acht gelassen, dass dem Systemgeber gemäß § 306 Abs. 3 keine Festhaltung am

Vertrag zugemutet werden kann und der Vertrag im Ganzen mit Ende der Übergangfrist der

GVO 1400/2002 unwirksam sei. Es besteht nach Ansicht der Richter keine Pflicht seitens

des AGB-Verwenders, Altverträge. an neue Verordnungen anzupassen, wenn dies für sie

eine unzumutbare Härte gemäß § 306 Abs. 3 BGB darstellen würde. Folglich müssen

Systembetreiber die alten Verträge nicht kündigen, sondern können auf deren Nichtigkeit mit

dem Ablauf der durch die Rechtsänderung zugestandenen Umstellungsfrist setzen92.

Bezüglich der Laufzeitregelungen werfen die europäischen Verordnungen auch neue Fragen

auf. Die Vertikal-GVO sieht ein Wettbewerbsverbot nur für eine Vertragsdauer von bis zu fünf

Jahren vor und setzt damit eine Laufzeitgrenze93.Soll der Franchise-Vertrag länger laufen,

um z. B. dem Franchisenehmer eine öffentliche Finanzierung zu ermöglichen, bliebe nur die

Möglichkeit, einen neuen Franchise-Vertrag vorzulegen. Fraglich ist jedoch, wie in einem

solchen Fall mit der Eintrittsgebühr verfahren werden soll, da ein Franchise-Vertrag ein For-

mularvertrag ist und daher keine Individualabrede vorsieht.

Vorsicht ist bei überlangen Franchise-Verträgen nicht nur aufgrund der Vertikal-GVO gebo-

ten. Lange Vertragslaufzeiten schränken den Franchisenehmer in der Bewegungsfreiheit ein

und können daher gemäß § 138 BGB bzw. 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam werden. Als

ausschlaggebende Aspekte für die Angemessenheit von Laufzeiten von Franchise-Verträgen

sind daher der Kapitalaufwand und die Vorgaben der Vertikal-GVO zu sehen.

90 Flohr, BB 2006, 389 (395). 91 NJW 2007, 3568. 92 Zusammenfassend mit jeweiligen Urteilen Emde in: BB 2008, 2705. 93 Die fünf Jahre sind als Grenze zu sehen, da bei einer längeren Laufzeit die Bezugsbindung wegfällt und daher das Franchising für den Franchisegeber nachteilig werden kann. Bedingung ist, dass die Bezugsbindung seitens des Franchisegebers in den ersten 5 Jahren über 80% in beträgt. Will der Systembetreiber ein längeres Wettbe-werbsverbot durchsetzen, muss er den Franchisenehmer schon vorher eine niedrige Bezugsbindung zugestehen, was auch nicht in seinem Interesse liegen kann. Daher wird er sich wohl für eine über 80%ige Bezugsbindung aussprechen und die Laufzeit daher auf fünf Jahre beschränken, weshalb man bei dieser Laufzeitlänge von einer Grenze sprechen kann. Umgehen kann er diese Beschränkung nur durch einen langfristigen Untermietvertrag mit dem Franchisenehmer; Flohr (Fn. 3), S. 214 f.

58

3.3. Mindestabsatzmengen

Skaupy94 unterstreicht den wirtschaftlichen Sinn von Mindestabsatzmengen, da diese Orien-

tierungsmaßstäbe für die Franchisenehmer bilden und zudem als Instrument des Franchise-

gebers in Bezug auf die Entwicklung eines ökonomischen Ansporns fungieren könnten. Min-

destabnahmepflichten verstoßen nicht gegen die Verhältnismäßigkeit, da sie das Koope-

rations- und Vertrauensverhältnis zwischen beiden Parteien unterstreichen. Dement-

sprechend führen willkürliche Vorgaben im Sinne des alleinigen Vorteils des Systemgebers

zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Systems.

3.3.1. Die CITROËN-Entscheidung

Die beanstandeten Klauseln lauten (§ 2 S. 1, 2 Mindestabsatz, Lager-, Vorführfahrzeuge):

„1. Der Händler ist verpflichtet, sich zu bemühen, jährlich (Kalenderjahr) innerhalb des Ver-

tragsgebiets Vertragsware (neue CITROËN Personenkraftwagen) und CITROËN Original-Er-

satzteile jeweils von CITROËN bezogen mindestens in dem Umfang abzusetzen, der von

CITROËN und dem Händler einvernehmlich festgesetzt worden ist.

2 Bei fehlendem Einvernehmen über die jährliche Mindestmenge erfolgt die Festsetzung

durch einen Sachverständigen, der insbesondere anhand der im Vertragsgebiet bisher

erzielten Verkäufe und Vorausschätzungen für zukünftige Verkäufe in diesem Gebiet und der

Markterwartung im Bundesgebiet sowie unter Berücksichtigung der Modell- und Ver-

triebspolitik der CITROËN DEUTSCHLAND AG eine Festsetzung vornehmen wird“95.

Unter Ausklammerung von kartellrechtlichen Aspekten, so der BGH96, sei bei einer reinen

vertragsrechtlichen Betrachtungsweise die Klausel über den Mindestabsatz (S. 1) keine un-

angemessene Benachteiligung gemäß § 307 BGB und daher nicht zu beanstanden. Eine

Bezugsverpflichtung in Dauerschuldverhältnissen sei weitläufig anerkannt als Gegenleistung

für das Recht, in einem definierten Raum die Waren des Systembetreibers exklusiv anzu-

bieten97.

Allerdings schränkt die Vertragsbedingung den Wettbewerb dadurch ein, dass dem

Systemteilnehmer vorgeschrieben wird, bis zur Erreichung einer vom Systemgeber de-

finierten Mindestabsatzmenge, die Waren exklusiv von ihm zu beziehen. Die Behinderung

des Wettbewerbs liege demnach dadurch vor, dass dem Systemteilnehmer untersagt ist,

Ware von anderen Vertragshändlern zu erwerben. Querlieferungen unter den einzelnen

Händlern des Vertriebsystems werden somit unterbunden, weshalb keine Freistellung ge-

mäß Art. 4 I lit. c der GVO 1400/2002 vorliegt. Die von Citroen verwendete Ver-

tragsbestimmung falle somit unter die „schwarzen Klauseln“98.

94 AaO (Fn. 9), S. 134. 95 Zitiert nach BGH, GRUR 2005, 62 (63). 96 Oben, Fn. 82. 97 Der BGH bezieht sich auf NJW 2001, 2331. 98 Der BGH beruft sich bei dem Bsp. auf: NJW 2001, 2331.

59

Keine Intransparenz der Klausel gemäß § 307 BGB liegt laut dem BGH beim im Satz zwei

verwendeten Begriff der „Modellpolitik“ vor. Die Vorgabe von Umsatzzielen durch den Ver-

wender der AGB müsse anhand bestimmter objektiver und nachprüfbarer Kriterien und Da-

ten für den Systemteilnehmer nachvollziehbar sein. Die Modellpolitik des Herstellers erfülle

die erforderlichen Eigenschaften der Transparenz. Somit sei kein Grund gegeben, zu ver-

muten, der Vertragshändler sei durch diesen Bestandteil zur Ermittlung von Umsatzzielen

unangemessen benachteiligt. Anders legen die Richter den Begriff der Vertriebspolitik aus.

Vertriebspolitik ist nach Ansicht des BGH ein konturloser Begriff.

Durch die Mannigfaltigkeit der Auslegungsmöglichkeiten des Wortes „Vertriebspolitik“ ist eine

willkürliche Steuerung seitens des Sachverständigen zum Vorteil des Verwenders und zum

daraus resultierenden Nachteil des Vertragshändlers möglich. Mit der Verwendung dieses

Begriffes sei es unproblematisch, aktiv und interessengelenkt in den Prozess des Wa-

renabsatzes einzugreifen und somit Mindestabgaben zum eigenen Vorteil zu beeinflussen.

Daher, so urteilte der BGH, war die beanstandete Klausel nicht mit dem Transparenzgebot

gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vereinbar und somit insgesamt unwirksam.

3.3.2. Zusammenfassung und Tendenzen:

Bei der Gestaltung etwaiger Klauseln zu Mindestabsatzmengen muss das Transparenzgebot

des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB beachtet werden. Dieses gebietet dem AGB-Verwender eine

Formulierung der Klauseln so, dass die andere Vertragspartei diese ohne hinzugezogenen

Rechtsbeistand verstehen kann. Jedoch sollen die Ansprüche an das Transparenzgebot

dem Verwender auch nicht unangemessen benachteiligen. Zusätzliche Bedeutung erfährt §

307 Abs. 1 S. 2 durch die GVO für vertikale Vertriebssysteme99. Vertragsbestimmungen, die

gemäß dieser Verordnung nicht vom Verbot des Art. 81 EGV Abs. 1 freigestellt sind, erfüllen

zugleich den Tatbestand der Intransparenz und sind daher unwirksam. Emde100 steht

demzufolge auf dem Standpunkt, dass Mindestabsatzmengen nicht in AGB garantiert

werden können. Eine Option für eine „Art“ Mindestabsatzmenge wäre eine entsprechende

Vertragsbestimmung über Mengenrabatte.

4. Fazit

Zwar verfolgen die beiden Parteien eines Franchise-Vertrages dasselbe Ziel, den wirtschaftli-

chen Erfolg, jedoch sind die Ansichten, wie dieses Ziel zu erreichen und zu gewährleisten ist,

teils grundverschieden. Dabei obliegt es dem Verwender der Franchise-Verträge, dem Fran-

chisegeber, für eine ausgewogene inhaltliche Gestaltung der Verträge Sorge zu tragen. Ein

Interessensausgleich sollte dabei oberste Priorität genießen. Werden z. B. die Rechte des

99 Schwarze Klauseln sind in Art. 4 GVO der 1400/2002/EG aufgeführte Vertragsbestimmungen, die nach dem „alles oder nichts“-Prinzip nicht freistellungsfähig sind. 100 Emde, MDR 2007, 994 (999).

60

Franchisenehmers zu sehr eingeschränkt oder sind dessen Pflichten mit dem freien

Wettbewerb nicht vereinbar, halten die Klauseln keiner richterlichen Überprüfung stand. Wie

sich der BGH die inhaltliche Gestaltung von bestimmten Vertragsbestimmungen vorstellt,

verdeutlichte er in mehreren Entscheidungen. Zu beachten gilt im Allgemeinen, dass im

Zweifel über den Inhalt der Klausel immer die kundenfreundlichste Auslegung angewendet

wird. Franchisegeber sollten daher tunlichst darauf achten, dass ihre Verträge im Wortlaut für

die gegenüberstehenden Franchisenehmer klar und verständlich sind bzw. sollten sie objek-

tive Überlegungen anstellen, wie ihre verwendeten Klauseln von den Franchisenehmern zu

verstehen sind. Der Einhaltung des Gebotes von Transparenz ist daher ein entscheidendes

Kriterium bei der inhaltlichen Gestaltung von Vertragsbestimmungen. Zudem dürfen die

Klauseln die Franchisenehmer nicht unangemessen benachteiligen. Aufgrund der Leitbild-

und Ordnungsfunktion der Vertikal-GVO werden dementsprechend alle Vertrags-

bestimmungen unwirksam, die nicht zu einer Freistellung gemäß Art. 81 Abs. 1 EGV führen.

Von daher ist insbesondere den „schwarzen Klauseln“ dieser Verordnung Aufmerksamkeit

zu schenken, um der Unwirksamkeit einzelner Vertragsbedingungen vorzubeugen.

Strittig werden weiterhin die Frage bleiben, ob ein grundsätzliches Auskunftsverlangen der

Franchisenehmer über Einkaufsvorteile besteht, sowie die Kriterien für außerordentliche

Kündigungen. Hingegen hat der europäische Gesetzgeber mit dem Inhalt der Vertikal-GVO

eine Meßlatte für die Laufzeitregelung von Franchise-Verträgen gesetzt. Wie diese Vorgabe,

die für manche Franchisesysteme zu kurz bemessen scheint, im Nachteilsfall bezüglich des

Franchisenehmers zu behandeln ist, muss sich noch zeigen.

61

Literaturverzeichnis

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62

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63

Europarechtliche Vorgaben für Franchising

Stud. rer. pol. Isabell Descher

1. Einleitung

„In der Regel erleichtert ein Blick in das Gesetz die Rechtsfindung beim Ausgestalten von

Verträgen – nicht so beim Franchising.“ (Eckhard Flohr)1

„Franchising“ kennzeichnet ein spezifisches, auf Partnerschaft basierendes Vertriebssystem,

welches das Ziel der Verkaufsförderung verfolgt. Dabei räumt ein Unternehmen, der sog.

Franchise-Geber, meist mehreren Partnern, den sog. Franchise-Nehmern, das Recht ein, mit

seinen Produkten / Dienstleistungen unter seinem Namen ein Geschäft zu betrieben.

Weltweit existieren über 12.000 Franchise-Geber und 800.000 Franchise-Nehmer. Auch in

Deutschland erfreut sich das Franchising als Vertriebsform zunehmender Beliebtheit: betrug

1995 die Anzahl von Franchise-Systemen in Deutschland erst 530, so sind es nunmehr 8502.

Im Gegensatz zu anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist das Franchise-Recht

in Deutschland jedoch gesetzlich nicht geregelt, wodurch bei der Vertragsgestaltung

zahlreiche Urteile und Einzelgesetze bedacht werden müssen. Auf europäischer Ebene stellt

die Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 2790/99 für vertikale Vertriebsverträge und

aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (Vertikal-GVO) eine Richtlinie für grundlegende

Regelungsinhalte eines Franchise-Vertrages dar3.

Die vorliegende Seminararbeit beschäftigt sich im ersten Teil mit einer einführenden Über-

sicht zum Themengebiet „Europarecht“ sowie den wesentlichen Inhalten des EG-Wettbe-

werbsrechts. Im zweiten Teil werden vertikale Beschränkungen und ausgewählte Aspekte

der Vertikal-GVO hinsichtlich ihrer Bedeutung für Franchise-Verträge genauer betrachtet.

2. Zum Begriff „Europarecht“

2.1. Grundlagen

„Europarecht“ ist ein Sammelbegriff und beschreibt das im europäischen Raum geltende ob-

jektive Recht, d. h. die Summe aller in Europa wirksamer zwischenstaatlicher Normen, wel-

che meist Teil internationaler Verträge sind4.

1 Vgl. Flohr, E.: Der Franchise-Vertrag, in: www.dfv-franchise.com, S.1, 11.11.2008. 2 Vgl. www.franchiseverband.com, 22.10.2008. 3 Vgl. Flohr, E.: Der Franchise-Vertrag, in: www.dfv-franchise.com, S.1, 11.11.2008. 4 Vgl. Rohde, C./Lorenzmeier, S.: Europarecht – Schnell erfasst, 1999, S. 3.

64

2.1.1. Europarecht im engeren Sinne

Das Europarecht im engeren Sinne5 setzt sich zusammen aus dem Recht der Europäischen

Gemeinschaften (Gemeinschaftsrecht) und den Normen, welche die neuen Formen der Zu-

sammenarbeit im Rahmen der Europäischen Union regeln. In ihrer Gesamtheit bilden sie die

„Säulen“ der Europäischen Union:

Abb. 1: Die „Säulen“ der Europäischen Union

2.1.2. Europarecht im weiteren Sinne

Neben der Europäischen Union mit den drei Gemeinschaften gilt es, andere Formen der

institutionalisierten Zusammenarbeit in Europa zu beachten, die Bestandteile des

Europarechts im weiteren Sinne sind.

Das Vertragssystem der Europäischen Union nimmt wiederkehrend Bezug auf die

Organisationen zwischenstaatlicher Zusammenarbeit in Europa, insbesondere:

� Europarat mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK),

� Westeuropäische Union (WEU),

� Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und

� Europäische Freihandelsassoziation (EFTA).

2.2. Rechtsquellen des Europäischen Rechts

Die Rechtsquellen des Europarechts können in zwei Gruppen aufgeteilt werden: das primäre

und das sekundäre Gemeinschaftsrecht. Zwischen beiden Gruppen besteht eine

Normenhierarchie: das primäre Gemeinschaftsrecht steht im Rang über dem sekundären.

Sekundäres Gemeinschaftsrecht ist demnach nur dann wirksam, wenn es dem Primärrecht

nicht entgegen steht und keine zwingende Rechtsfolge des primären Gemeinschaftsrechts

ausschließt. Dabei ist es zulässig und notwendig, dass das sekundäre Gemeinschaftsrecht

das Primärrecht konkretisiert und in dessen Sinne ausgelegt wird6.

5 Vgl. Herdegen, M.: Europarecht, 2003, S. 1-5. 6 Vgl. Arndt, H.-W.: Europarecht, 1998, S. 47.

Erste Säule:

Zweite Säule:

Dritte Säule:

Europäische

Gemeinschaften (EG)

Gemeinsame Sicherheits-

u. Außenpolitik (GASP)

Polizeiliche und justizielle

Zusammenarbeit in

Strafsachen (PJZS)

Europäische Union

65

� Gründungsverträge: EWGV

(jetzt: EGV), EAGV, EGKSV

(seit 2002 außer Kraft)

� Spätere Änderungen,

z. B. die Einheitliche Europäische

Akte (EEA) (1986)

� Verträge: Vertrag von

Maastricht (1992), Vertrag von

Amsterdam (1997), Vertrag von

Nizza (2001) einschließlich bei-

gefügter Protokolle

� Beitrittsverträge neuer

Mitgliedsstaaten

2.2.1. Primäres Gemeinschaftsrecht

Das primäre Gemeinschaftsrecht besteht aus drei Komponenten: den Gründungsverträgen,

den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und dem Gewohnheitsrecht.

Abb. 2: Zusammensetzung des primären Gemeinschaftsrechts

Das primäre Gemeinschaftsrecht entfaltet seine rechtliche Wirkung gegenüber den Mitglieds-

staaten unmittelbar, da diese an das Primärrecht, insb. an die Normen der drei

Gründungsverträge, gebunden sind.

2.2.2. Sekundäres Gemeinschaftsrecht

Das Sekundärrecht ist dem primären Gemeinschaftsrecht untergeordnet. Die bedeutendsten

Rechtsakte des Sekundärrechts sind in Art. 249 I EGV zusammengefasst7:

„Zur Erfüllung ihrer Aufgabe und nach Maßgabe dieses Vertrages erlassen das Europäische

Parlament und der Rat gemeinsam, der Rat und die Kommission Verordnungen, Richtlinien

und Entscheidungen, sprechen Empfehlungen aus oder geben Stellungnahmen ab.“

Für sämtliche Rechtsakte gilt dabei der „Grundsatz der enumerativen Einzelermächtigung“:

� Gemeinschaftsorgane dürfen nur in den zugewiesenen Bereichen tätig werden, und

7 Vgl. Europarecht – Textausgabe, 1999, S. 112.

Primärrecht

Geschriebenes

Gemeinschaftsrecht

Ungeschriebenes

Gemeinschaftsrecht

� Allgemeine Rechtsgrundsätze:

vgl. Art. 288 II EGV: außerver-

tragliche Haftung der Gemein-

schaft „nach den allgemeinen

Rechtsgrundsätzen […]“

� Weitere anerkannte allgemeine

Rechtsgrundsätze

� Grundrechte des Gemeinschafts-

rechts

� Allgemeine Prinzipien, wie z. B.

das Rechtsstaatsprinzip, Sozial-

staats- oder Demokratieprinzip

� Gewohnheitsrecht: kann sowohl

auf Stufe des Primärrechts als

auch auf Stufe des sekundären

Gemeinschaftsrechts entstehen

� Voraussetzungen: allgemeine

Rechtsüberzeugung und ständige

Übung

[praktisch spielt das Gewohnheitsrecht

noch eine untergeordnete Rolle]

66

� Handlungen dürfen ausschließlich in der vorgesehenen Rechtsform vorgenommen

werden.

Dabei gilt es zu beachten, dass die rechtliche Einordnung einer Maßnahme nicht durch

deren formale Bezeichnung durch das erlassende Organ, sondern durch ihren objektiven

Inhalt bestimmt wird8.

Nachfolgend sind die Adressaten sowie die Wirkung der unterschiedlichen Rechtsakte des

sekundären Gemeinschaftsrechts aufgelistet:

Rechtsakt Adressaten Wirkung

Verordnung alle Mitgliedsstaaten sowie Gemeinschafts-

angehörige

in allen Teilen verbindlich

Richtlinie alle oder bestimmte Mitgliedsstaaten nur bzgl. des

vorgegebenen Ziels

verbindlich

Entscheidung bestimmte Mitgliedsstaaten oder Personen in allen Teilen verbindlich

Empfehlung alle oder bestimmte Mitgliedsstaaten; andere

Gemeinschaftsorgane oder Einzelpersonen

unverbindlich

Stellungnahme anderes Gemeinschaftsorgan, bestimmte

Mitgliedstaaten oder unbestimmter

Adressatenkreis

unverbindlich

Abb. 3: Übersicht der Rechtsakte des Sekundärrechts9

3. EG-Wettbewerbsrecht

3.1. Verhältnis des europäischen zum nationalen Wettbewerbsrecht

Das europäische Wettbewerbsrecht erstreckt sich auf sämtliche Mitgliedstaaten und verfolgt

das Ziel, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu schützen.

Demnach findet das Gemeinschaftsrecht im Rahmen seines räumlichen Geltungsbereiches

auf alle Verhaltensweisen oder Maßnahmen Anwendung, die spürbare Auswirkungen inner-

halb des Gemeinsamen Marktes haben10. Diese Wettbewerbsregeln erstrecken sich zudem

auf Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten, sofern diese – etwa über Tochtergesellschaften –

Wettbewerbsverzerrungen im Gemeinsamen Markt hervorrufen11.

Der persönliche Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts spiegelt sich in seinen Norm-

adressaten wider: öffentliche und private Unternehmen (unabhängig von ihrer Rechtsform).

Der europarechtliche Unternehmensbegriff ist weit auszulegen und umfasst jegliche Tätigkeit

8 Vgl. Arndt, H.-W.: Europarecht, 1998, S. 49. 9 Quelle: in modifizierter Form übernommen von: Streinz, R.: Europarecht, 2003, S. 156. 10 Vgl. Europarecht von A-Z, 2003, S. 394. 11 Vgl. Streinz, R.: Europarecht, 2003, S. 352.

67

in der Erzeugung oder im Geschäftsverkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen12,

unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art der Finanzierung. Dahingegen gelten

Einrichtungen, die ausschließlich soziale Aufgaben ohne Gewinnabsicht wahrnehmen, nicht

als Unternehmen13.

Kollisionen zwischen dem europäischen Wettbewerbsrecht und dem Kartellrecht des GWB

(Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) sind in dreierlei Aspekten möglich:

Tatbestände, Verfahren und Rechtsfolgen.

Tatbestände: Während das Gemeinschaftsrecht Wettbewerbsverstöße betrachtet, die

Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel haben, beurteilt das nationale

Wettbewerbsrecht denselben Sachverhalt hinsichtlich seiner innerstaatlichen

Auswirkungen14. Da beide Normen unterschiedliche Schutzbereiche haben, verneint die sog.

Zweischrankentheorie grundsätzlich das Auftreten von Kollisionen. Es besteht jedoch die

Möglichkeit, dass in bestimmten Fällen, in denen die Wettbewerbsordnung des

Gemeinsamen Marktes berührt wird, das nationale Recht noch einschlägig ist15.

Verfahren: Parallele Verfahren vor nationalen Kartellbehörden (nach nationalem Kartellrecht)

und vor der Kommission (nach europäischem Wettbewerbsrecht) im gleichen Fall sind daher

durchaus zulässig16. Dabei darf die praktische Wirksamkeit („effet utile“) der Wettbewerbsre-

geln nicht eingeschränkt werden17.

Rechtsfolgen: Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts ist grundsätzlich bei paralleler

Rechtsanwendung zu beachten18. Folgende Konstellationen sind hierbei zu unterscheiden:

� Eine Maßnahme ist nach Gemeinschaftsrecht und nach nationalem

Wettbewerbsrecht verboten: � Es entstehen keinerlei Konflikte, jedoch muss eine

Doppelsanktion desselben Fehlverhaltens vermieden werden19.

� Eine Maßnahme ist nach Gemeinschaftsrecht verboten, jedoch nach nationalem

Recht erlaubt: � Das Gemeinschaftsrecht (und damit das Verbot) setzt sich durch.

� Eine Maßnahme wurde von der Kommission nach Art. 81 III EGV freigestellt: � Die

Mitgliedstaaten dürfen dieser Entscheidung nicht durch Anwendung ihres nationalen

Wettbewerbsrechts die Wirksamkeit nehmen. Strittig ist hierbei, inwieweit das für

Gruppenfreistellungsverordnungen gilt20.

� Die Maßnahme fällt nicht unter Art. 81 I, II EGV: � Das Gemeinschaftsrecht ist nicht

anwendbar. Die Mitgliedstaaten sind in der Anwendung des nationalen Rechts frei21.

12 Vgl. Europarecht von A-Z, 2003, S. 394. 13 Vgl. Schäfer, P.: Studienbuch Europarecht, 2006, S. 230. 14 Vgl. Europarecht von A-Z, 2003, S. 394. 15 Vgl. Streinz, R.: Europarecht, 2003, S. 351. 16 Vgl. Europarecht von A-Z, 2003, S. 395. 17 Vgl. Streinz, R.: Europarecht, 2003, S. 352. 18 Vgl. Streinz, R.: Europarecht, 2003, S. 351. 19 Vgl. Europarecht von A-Z, 2003, S. 395. 20 Vgl. Europarecht von A-Z, 2003, S. 395. 21 Vgl. Streinz, R.: Europarecht, 2003, S. 352.

68

3.2. Ziele und Rechtsnormen der Wettbewerbsaufsicht

Die Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft sowie ihrer Mitgliedstaaten unterliegt dem Grundsatz

einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb:

„Die Tätigkeit der Mitgliedsstaaten und der Gemeinschaft […] umfasst […] die Einführung

einer Wirtschaftspolitik, die auf einer engen Koordinierung der Wirtschaftspolitik der

Mitgliedsstaaten, dem Binnenmarkt und der Festlegung gemeinsamer Ziele beruht und dem

Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“ (Art. 4 I

EGV)22

Aus dieser Zielsetzung heraus umfasst die Tätigkeit der Gemeinschaft ein System, das den

Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt (Art. 3 I lit. g EGV).

Der freie Wettbewerb kann sowohl durch unternehmerisches Handeln als auch durch Eingrif-

fe der Mitgliedsstaaten gefährdet werden:

� Unternehmerische Maßnahmen sind u. a. Preisabsprachen (vgl. Art. 81 EGV) oder

missbräuchlicher Umgang mit marktbeherrschenden Stellungen (vgl. Art. 82 EGV),

� Eingriffe der Mitgliedsstaaten umfassen Beihilfen (vgl. Art. 87-89 EGV) oder auch den

Betrieb öffentlicher Monopolunternehmen (vgl. Art. 86 EGV).

Die Art. 81 – 89 EGV beinhalten das primäre Wettbewerbsrecht auf Ebene der Gemeinschaft

und verfolgen den Zweck, den Wettbewerb sozusagen vor sich selbst zu schützen.

Sämtliche Maßnahmen, die den Wettbewerb behindern oder verfälschen und auf diese

Weise den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten spürbar negativ beeinflussen, sind

deshalb verboten.

In erster Linie dienen die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages dem freien, unverfälschten

und gleichen Wettbewerb der Unternehmen im Binnenmarkt23. Darüber hinaus sollen aber

auch die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft der europäischen Wirtschaft auf dem

Weltmarkt gestärkt werden (Art. 3 I lit. m EGV)24.

Im Zuge der Betrachtungen der vorliegenden Seminararbeit soll lediglich auf die Artikel des

ersten Abschnitts des EG-Wettbewerbsrechts (Vorschriften für Unternehmen) eingegangen

werden, da die Art. 87 – 89 EGV (Staatliche Beihilfen) kaum inhaltliche Berührungspunkte

mit dem Problemkreis der Gruppenfreistellungsverordnungen bieten25.

22 Vgl. Europarecht – Textausgabe, 1999, S. 11. 23 Vgl. Schäfer, P.: Studienbuch Europarecht, 2006, S. 228 - 229. 24 Vgl. Herdegen, M.: Europarecht, 2003, S. 333. 25 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 1 II. 2. a) Rn. 4.

69

3.3. Kartellrecht (Art. 81 EGV)

3.3.1. Art. 81 I EGV: Kartellverbot

„Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen

Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte

Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen

geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs

innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken […].“

(Art. 81 I EGV)26

� Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die wirt-

schaftlich selbständig sind, verfolgen das Ziel, entweder die eigene oder die Wettbe-

werbsfreiheit Dritter zu beschränken27.

� Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sind von lediglich gleichförmigem Ver-

halten (Parallelverhalten) von Unternehmen am Markt zu unterscheiden. Sie

umfassen Aktivitäten der Koordinierung und Zusammenarbeit, die u. a. das

Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potenziellen Mitbewerbers beeinflussen

sollen28.

� Unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder auch nur potenziell geeignet ist ein Ver-

halten, wenn es die Freiheit des Handelns gefährden kann29.

Das Kartellverbot des Art. 81 I EGV gilt uneingeschränkt

� für Vereinbarungen bzgl. Preis-, Quoten-, Kunden- oder Gebietsabsprachen

zwischen Wettbewerbern und

� für Vereinbarungen mit Abnehmern, die eine Preisbindung der Zweiten Hand (sog.

Hardcore-Vereinbarungen) bezwecken30.

Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 I EGV bedürfen keines schriftlichen Vertragsab-

schlusses. Es genügt eine tatsächliche Willensüberseinstimmung zwischen den beteiligten

Unternehmen, z. B. mündlich geäußert in einem "gentlemen’s agreement".

Nicht unter das Kartellverbot fallen dagegen Kartellabsprachen von geringer Auswirkung auf

den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und auf den Wettbewerb im Binnenmarkt31.

Gemäß der Bagatell-Bekanntmachung (auch de-minimis-Bekanntmachung32) der Kommis-

sion fallen erst Absprachen mit spürbaren Folgen für Handel und Wettbewerb im Gemeinsa-

26 Vgl. Europarecht – Textausgabe, 1999, S. 38 - 39. 27 Vgl. Europarecht von A-Z, 2003, S. 692. 28 Vgl. Europarecht von A-Z, 2003, S. 6 - 7. 29 Vgl. Europarecht von A-Z, 2003, S. 398. 30 Vgl. www.frankfurt-main.ihk.de/recht/themen/wettbewerbsrecht/kartellrecht/, 28.10.2008. 31 Vgl. Schäfer, P.: Studienbuch Europarecht, 2006, S. 230 - 231.

70

men Markt in den Anwendungsbereich des Art. 81 I EGV. Die Schwellenwerte für die Spür-

barkeit betragen demnach

� bei horizontalen Absprachen 10% und

� bei vertikalen Absprachen 15% des Gesamtumsatzanteils der beteiligten

Unternehmen am Gemeinsamen Markt.

Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen bezeichnen dabei ein Zusammenwirken von

Unternehmen, die auf dem gleichen Markt zueinander in Konkurrenz stehen, wohingegen

vertikale Beschränkungen zwischen Partnern vereinbart werden, die auf unterschiedlichen

Wirtschaftsstufen tätig sind und nicht untereinander im Wettbewerb stehen. Hierzu zählen u.

a. Absprachen zwischen Herstellern und Absatzmittlern, langfristige Belieferungsverträge

oder auch vereinbarte Ausfuhrbeschränkungen zwischen Tochtergesellschaften eines

Konzerns in verschiedenen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft.

Eine Kontrolle dieser vertikalen Absprache ist einerseits unerlässlich, um eine Abschottung

nationaler Märkte gegen Importe aus anderen Mitgliedstaaten zu verhindern. Andererseits

stellt sie einen erheblichen Einschnitt in die privatautonome Vertragsgestaltung dar. Die

Gleichbehandlung horizontaler Absprachen mit vertikalen Bindungen ist daher in der Rechts-

politik umstritten33.

3.3.2. Art. 81 II EGV: Rechtswirkung

„Die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig“ (Art. 81 II

EGV)34

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die unter das Verbot des Art. 81 I EGV fallen, sind

demnach automatisch nichtig. Dies erstreckt sich auch auf das Zivilrecht, ohne dass ein

Rückgreifen auf § 134 BGB (Verstoß gegen Verbotsgesetz) nötig ist. Darüber hinaus zählt

Art. 81 I EGV zu den Schutznormen nach § 823 II BGB (Schadensersatzpflicht), wodurch die

beteiligten Unternehmen zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet werden können35.

3.3.3. Art. 81 III: Ausnahmen vom Kartellverbot

Die Kommission gewährt Befreiungen vom Kartellverbot des Art. 81 I EGV in Form von

Gruppenfreistellungs-Verordnungen.

„Die Bestimmungen des Absatzes 1 können für nicht anwendbar erklärt werden auf

- Vereinbarungen oder Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen,

32 Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gem. Art. 81 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beschränken (de minimis); ABl. EG 2001 Nr. C 368, S. 13. 33 Vgl. Herdegen, M.: Europarecht, 2003, S. 335 - 336. 34 Vgl. Europarecht – Textausgabe, 1999, S. 39. 35 Vgl. Schäfer, P.: Studienbuch Europarecht, 2006, S. 230.

71

- Beschlüsse oder Gruppen von Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen,

- aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen oder Gruppen von solchen […]“ (Art. 81 III

EGV)36

Die Freistellung ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die in Summe

vorliegen müssen37:

� angemessene Beteiligung der Verbraucher am Gewinn, der durch die Freistellung

entsteht,

� Verbesserung der Erzeugung von Waren oder Förderung des technischen bzw. wirt-

schaftlichen Fortschritts,

� Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen zur Erreichung dieser Ziele und

� Sicherung eines funktionierenden Wettbewerbs am verbleibenden Markt.

3.3.4. Reform des Kartellrechts

Durch die Verordnung (EG) 1/200338 wurde das Kartellverfahrensrecht 2004 grundsätzlich

neu gestaltet. An die Stelle der früheren Anmelde- und Genehmigungsverfahren ist das Sys-

tem der Legalausnahme getreten. Daraus ergeben sich39:

Vorteile Nachteile

bürokratische Erleichterungen für beteiligte

Unternehmen

geringere Rechtssicherheit durch

Legalausnahmeregelung

Kartelle werden so lange als legal

angesehen, wie sie nicht von einer

Wettbewerbsbehörde als unzulässig erklärt

werden

das Risiko einer Fehleinschätzung, ob

kartellrechtliche Absprachen zulässig sind,

trägt das Unternehmen selbst

in Zweifelsfällen ist es Unternehmen

möglich, bei der Kommission nachzufragen

Verstöße gegen das Kartellverbot können

erhebliche Risiken nach sich ziehen

Abb. 4: Vor- und Nachteile der Kartellrechtsreform

3.4. Verbot des Monopolmissbrauchs (Art. 82 EGV)

3.4.1. Tatbestand

Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung

einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen

36 Vgl. Europarecht – Textausgabe, 1999, S. 39. 37 Vgl. Schäfer, P.: Studienbuch Europarecht, 2006, S. 231. 38 VO (EG) Nr. 1/2003 v. 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln; Abl. EG 2003 Nr. L 1, S. 1. 39 Vgl. www.frankfurt-main.ihk.de/recht/themen/wettbewerbsrecht/kartellrecht/, 28.10.2008.

72

Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den

Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen. […]“ (Art. 82 EGV)40

� Für die missbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht sind drei Fallgruppen

vorstellbar41:

- der Ausbeutungs-Missbrauch zum Nachteil von Verbrauchern oder Abneh-

mern, z. B. durch das Erzwingen unangemessener Preise (Art. 82 II lit. a)

EGV) oder das Aufdrängen sachfremder Zusatzleistungen

(Koppelungsverbot, Art. 82 II lit. d) EGV),

- der Behinderungs-Missbrauch, u. a. die Einschränkung der Erzeugung (Art.

82 II lit. b) EGV), Anwendung unterschiedlicher Absatzbedingungen für identi-

sche Leistungen (Art. 82 II lit. c) EGV) und

- der Marktstruktur-Missbrauch, etwa durch exklusive Vertriebssysteme oder

den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen an Konkurrenzunternehmen.

� Entscheidende Kriterien für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung sind die

Unternehmensstruktur, das Zulieferersystem, die Marktanteile sowie die

Marktzutrittsbedingungen42.

� Der Missbrauch der Marktmacht durch Monopole oder auch Oligopole muss Auswir-

kungen auf den Binnenmarkt habe und den Handel zwischen Mitgliedsstaaten

spürbar beeinträchtigen43.

3.4.2. Rechtsfolgen

Art. 82 EGV enthält keine ausdrückliche Rechtsfolge. An das Missbrauchsverbot können öf-

fentlichrechtliche und zivilrechtliche Folgen geknüpft werden. Bei schuldhaften Verstößen

kann die Europäische Kommission Geldbußen oder Zwangsgelder verhängen (Art. 5 und 23

VO Nr. 1/2003), zivilrechtliche Folgen regeln sich nach nationalem Recht44.

3.5. Fusionskontrolle

3.5.1. Allgemeines

Zur Regelung der Kontrolle von Fusionen erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 139/2004

(sog. Fusionskontroll-Verordnung)45, die auf Zusammenschlüsse von „gemeinschaftsweiter

Bedeutung“ Anwendung findet (Art. 1 I, II der Verordnung (EG) Nr. 139/2004)46.

40 Vgl. Europarecht – Textausgabe, 1999, S. 39. 41 Vgl. Schäfer, P.: Studienbuch Europarecht, 2006, S. 237. 42 Vgl. Herdegen, M.: Europarecht, 2003, S. 339. 43 Vgl. Schäfer, P.: Studienbuch Europarecht, 2006, S. 237. 44 Vgl. Streinz, R.: Europarecht, 2003, S. 359 - 360. 45 VO (EG) Nr. 139/2004 v. 20.1.2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“); ABl. EG Nr. L 24, S. 1. 46 Vgl. Herdegen, M.: Europarecht, 2003, S. 345.

73

Die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Fusionen wird damit im sekundären Gemein-

schaftsrecht normiert.

Nach Art. 1 II und Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 liegt eine gemeinschaftsweite

Bedeutung eines geplanten Unternehmenszusammenschlusses vor, wenn:

� der Gesamtumsatz (weltweit) aller beteiligten Unternehmen 5 Mrd. € übersteigt und

sich der gemeinschaftliche Umsatz von mindestens zwei der fusionierenden Unter-

nehmen auf mehr als 250 Mio. € beläuft oder

� der Gesamtumsatz (weltweit) der beteiligten Unternehmen lediglich über dem

Schwellenwert von 2,5 Mrd. € liegt, aber verschiedene Schwellen im Rahmen des

gemeinschaftsweiten Umsatzes nicht eingehalten werden,

� es sei denn, die fusionierenden Unternehmen erwirtschaften jeweils mehr als zwei

Drittel ihres gemeinschaftsweiten Umsatzes im selben Mitgliedsstaat47.

Die o. g. Umsatzschwellen sind relativ hoch angesetzt, so dass in der Mehrzahl der Fälle der

Erwerb von mittelständigen Unternehmen durch Großunternehmen nach nationalem

Fusionskontrollrecht beurteilt wird48.

3.5.2. Vorbeugende Fusionskontrolle

Die Fusionskontrolle hat im Gegensatz zum Kartellverbot (Art. 81 EGV) und dem Monopol-

missbrauchsverbot (Art. 82 EGV), die vorrangig nach Beginn der Wettbewerbsbeeinträchti-

gung einsetzen, vorbeugenden Charakter. Der Vollzug der Fusionskontroll-Verordnung fällt

ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Europäischen Kommission. Nationales Wett-

bewerbsrecht findet somit auf Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung

keine Anwendung.

3.6. Öffentliche Unternehmen (Art. 86 EGV)

„(1) Die Mitgliedsstaaten werden in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf

Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine diesem

Vertrag […] widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten.

(2) Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols habe, gelten die Vorschriften dieses

Vertrages, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften

nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich

verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt

werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft. […] (Art. 86 EGV)49

47 Vgl. Schäfer, P.: Studienbuch Europarecht, 2006, S. 239 - 240. 48 Vgl. Streinz, R.: Europarecht, 2003, S. 361. 49 Vgl. Europarecht – Textausgabe, 1999, S. 41.

74

� Zu öffentlichen Unternehmen zählen sämtliche Unternehmen, auf welche die

öffentliche Hand einen dominierenden Einfluss besitzt.

� Als Beispiel für besondere oder ausschließliche Rechte ist die (bis Ende 2007

befristete) Exklusivlizenz der Deutschen Post AG für bestimmte Postsendungen (§ 51

I S.1 Postgesetz) zu nennen50.

� Die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln ist für Dienstleistungen von allgemeinem

wirtschaftlichen Interesse jedoch eingeschränkt.

� Die Anwendung des EG-Vertrages ist dann unwirksam, wenn sie die Aufgabenerfül-

lung dieser Unternehmen rechtlich oder tatsächlich verhindert. Eine bloße Behinde-

rung oder Erschwerung ist dagegen zulässig51.

4. Vertikale Beschränkungen

Franchise-Vereinbarungen enthalten neben den Bestimmungen zum Geschäftskonzept

regelmäßig eine Kombination unterschiedlicher vertikaler Beschränkungen, insb. selektiver

Vertrieb, Wettbewerbsverbot und/oder Alleinvertriebsvereinbarungen sowie schwächere

Ausprägungen der genannten Beschränkungen52.

Die Definition von „Franchise-Vereinbarungen“ findet sich in Art. 1 III Franchise-GVO:

„Franchise-Vereinbarungen sind Vereinbarungen, in denen ein Unternehmen, der Franchise-

Geber, es einem anderen Unternehmen, dem Franchise-Nehmer, gegen unmittelbare oder

mittelbare finanzielle Vergütung gestattet, eine Franchise zum Zwecke der Vermarktung

bestimmter Waren und/oder Dienstleistungen zu nutzen. Sie müssen den folgenden

Gegenstand enthalten:

- die Benutzung eines gemeinsamen Namens oder Zeichens sowie die einheitliche

Aufmachung der vertraglich bezeichneten Geschäftslokale und/oder Transportmittel;

-die Mitteilung von Know-how durch den Franchise-Geber an den Franchise-Nehmer;

- eine fortlaufende kommerzielle oder technische Unterstützung des Franchise-Nehmers

durch den Franchise-Geber während der Laufzeit der Vereinbarung.53“

4.1. Negative Wirkungen vertikaler Beschränkungen

Markenzwang: Der Käufer wird beispielsweise durch Wettbewerbsverbote, Mengenvorgaben

oder Koppelungsgeschäfte zum ausschließlichen Vertrieb bestimmter Markenprodukte ver-

pflichtet, was grundsätzlich zur Marktabschottung führt.

Vertriebsbeschränkungen: Gegenstand derartiger Vereinbarungen ist die Beschränkung auf

nur einen / eine begrenzte Anzahl von Käufern seitens des Lieferanten, wodurch der Käufer-

50 Vgl. Herdegen, M.: Europarecht, 2003, S. 348. 51 Vgl. Streinz, R.: Europarecht, 2003, S. 363. 52 Europarecht von A-Z, 2003, S. 254. 53 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 8 B I. 2. b) Rn. 42.

75

kreis in einem bestimmten Gebiet / auf eine spezifische Kundengruppe limitiert wird.

Mögliche Konsequenzen sind:

� Abschottung des Beschaffungsmarktes,

� Erleichterung von Absprachen zwischen Lieferanten / Händlern oder

� Schwächung oder Ausschluss des Markenwettbewerbs54.

Vertikale Preisbindung: Absprachen in Bezug auf Mindest- oder Fixpreise können eine voll-

ständige Abschaltung des marktinternen Preiswettbewerbs zur Folge haben. Zugleich

können vereinbarte Preisobergrenzen oder Preisempfehlungen eine

wettbewerbsbeschränkende Wirkung zeigen.

Marktaufteilung: Alleinbezugsverträge oder Vereinbarungen mit Gebiets- oder Kundenzutei-

lungen schränken die Wahlfreiheit des Käufers im Hinblick auf den Kauf oder Weiterverkauf

eines bestimmten Produktes ein, was einen gravierenden Rückgang des marktinternen Wett-

bewerbs mit sich bringen kann55.

4.2. Positive Wirkungen vertikaler Vereinbarungen

Lösung des Trittbrettfahrerproblems: Das Problem des Trittbrettfahrers ist vielschichtig und

wird jeweils unterschiedlich gelöst:

� ein Händler profitiert von den Verkaufsförderungsmaßnahmen eines Konkurrenten �

Abhilfe können u. a. Alleinvertriebsvereinbarungen schaffen;

� ein Lieferant genießt dadurch Vorteile, dass seine Produkte in denselben Geschäfts-

räumen angeboten werden, in die ein Konkurrenzunternehmen zuvor investiert hat �

Wettbewerbsverbote wirken dem entgegen;

� ein Käufer informiert sich in einem Geschäftslokal über ein bestimmtes Produkt, kauft

es aber anschließend bei einem Konkurrenten (u. a. sog. Gütesiegel-Trittbrettfahrer)

� zumindest in der Anfangsphase von Produkteinführungen werden meist Beschrän-

kungen wie z. B. Alleinvertrieb oder selektiver Vertrieb vereinbart.

Erschließung neuer Märkte: Durch das Einräumen eines Gebietsschutzes kann der Händler

dahingehend unterstützt werden, dass andere Händler am Eintritt in den relevanten Markt

gehindert werden und sich die getätigten Investitionen durch höhere Preise schneller

amortisieren56.

Lösung des Hold-up-Problems bei Investitionen und Kow-how: Langfristige asymmetrische

Investitionen können eine vertikale Beschränkung, maximal bis zur Kostendeckung, rechtfer-

tigen. Tätigt der Lieferant die Investitionen, kommen ein Wettbewerbsverbot oder eine Men-

54 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 7 I. 1. Rn. 1 - 3. 55 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 7 I. 1. Rn. 4 - 5. 56 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 7 I. 2. Rn. 6 - 8.

76

genvorgabe in Betracht, im umgekehrten Fall u. a. eine Alleinbelieferungsverpflichtung. Ana-

log kann die Übertragung von Know-how ein Wettbewerbsverbot im Rahmen vertikaler Be-

schränkungen begründen, z. B. beim Franchising.

Größenvorteile beim Vertrieb: Durch Einschränkung des Weiterverkaufs von Produkten auf

eine begrenzte Anzahl von Vertriebshändlern, z. B. über selektiven Vertrieb mit Mengenvor-

gaben, kann ein Hersteller den nötigen Größenvorteil erreichen, um die Einzelhandelspreise

seiner Produkte zu senken.

Unzulänglichkeiten der Kapitalmärkte: Ausschließlichkeitsvereinbarungen können den Ver-

tragsparteien zusätzliche Sicherheiten bieten, falls von Seiten der Banken und Aktienmärkte

nur unzureichend Kapital zur Verfügung gestellt wird. Gewährt beispielsweise der Lieferant

dem Kunden ein Darlehen, so sind damit regelmäßig Wettbewerbsverbote verbunden.

Sicherung von Einheitlichkeit und Qualität: Beispielsweise beim selektiven Vertrieb und beim

Franchising können bestimmte Standards zur Sicherung von Einheitlichkeit und Qualität

bewirkt werden, die einen Beitrag zur Absatzsteigerung leisten können und darüber hinaus

das Markenimage verbessern57.

4.3. Zusammenfassung und Beurteilung

Aufgabe des EG-Wettbewerbsrechts ist es, die negativen Folgen vertikaler Beschränkungen

abzuwenden. Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) sollen dabei mit Hilfe einer umfas-

senden Bewertung gewährleisten, dass die Vorteile der in den von ihnen erfassten Vereinba-

rungen integrierten vertikalen Beschränkungen deren Nachteile überwiegen58.

Positive Wirkungen negative Wirkungen

Lösung des Trittbrettfahrerproblems

Erschließung neuer Märkte Markenzwang

Lösung des Hold-up-Problems bei

Investitionen und Know-How Vertriebsbeschränkungen

Größenvorteile beim Vertrieb

Unzulänglichkeiten der Kapitalmärkte Vertikale Preisbindung

Sicherung von Einheitlichkeit und Qualität Marktaufteilung

Abb. 5: Gegenüberstellung positiver und negativer Wirkungen vertikaler Beschränkungen

Dem wirtschaftlichen Umfeld ist bei der Beurteilung vertikaler Beschränkungen besonderes

Augenmerk zu schenken, da die gegebenen Rahmenbedingungen die Wirkung vertikaler Be-

57 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 7 I. 2. Rn. 9 - 12. 58 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 7 I. Rn. 1.

77

schränkungen verstärken oder abschwächen können. Zudem beeinflussen die unterschiedli-

chen vertikalen Beschränkungen den Wettbewerb in unterschiedlicher Stärke59.

Marktmacht – Marktkonzentration: Vertikale Beschränkungen haben regelmäßig keine spür-

baren Auswirkungen auf einen Markt und sind nicht in der Lage, Preise über dem Marktpreis

durchzusetzen, falls auf dem relevanten Markt keine Konzentration vorherrscht.

Markenwettbewerb – markeninterner Wettbewerb: Die Kommission bewertet vertikale Be-

schränkungen, welche den Markenwettbewerb eindämmen, weitaus negativer als solche, die

lediglich den markeninternen Wettbewerb blockieren. Dagegen ist zu beachten, dass bei feh-

lendem Markenwettbewerb auch eine Vertriebsbeschränkung geeignet ist, die Auswahlmög-

lichkeiten des Verbrauchers beträchtlich einzuschränken60.

Ausschließlichkeitsbindung – Mengenvorgabe: Ausschließlichkeitsbindungen, die einem

Händler den Warenbezug von einem bestimmten Lieferanten vorschreiben, haben nach Ein-

schätzung der Kommission eine stärkere Abschottungswirkung als Mengenvorgaben, da der

Händler hierbei auch Waren von Dritten beziehen kann.

Markenware – Nicht-Markenware: Vertikale Beschränkungen weisen bei Nicht-Markenwaren

tendenziell geringere negative Wirkungen auf, da diese leichter substituierbar sind als

Markenprodukte und hierbei eine schwächere Produktdifferenzierung charakteristisch ist.

Kombination mehrerer vertikaler Beschränkungen: Entgegen dem Grundsatz, dass mehrere

vertikale Beschränkungen gemeinsam einen größeren negativen Einfluss auf den Markt

haben als eine einzelne Beschränkung, kann eine Kombination von vertikalen

Beschränkungen unter bestimmten Voraussetzungen einen gegenteiligen Effekt auslösen.

Kumulative Wirkung: Gemäß der sog. Bündeltheorie liegt eine kumulative Wirkung vertikaler

Vereinbarungen dann vor, wenn mehrere Lieferanten / Käufer ähnliche Vereinbarungen tref-

fen, was zum Stillstand von Innovationen oder zu dauerhaft überhöhten Preisen führen kann.

Übertragung von Know-how: Je stärker eine vertikale Beschränkung mit der Übertragung

von Know-how verbunden ist, desto eher können Beschränkungen zum Schutz dieses

Know-hows bzw. von Investitionsaufwendungen gerechtfertigt werden.

Einführung neuer Produkte / Erschließung neuer Produktmärkte: Die Vereinbarung von ver-

tikalen Beschränkungen sollte nach Ansicht der Kommission im Rahmen der Einführung ei-

nes gänzlich neuen Produktes auf maximal zwei Jahren nach Markteinführung begrenzt wer-

den. Grund dafür sind Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Marktanteils, der bei

Produktneuheiten sehr hoch ausfallen kann61.

59 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 7 I. 3. Rn. 13. 60 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 7 I. 3. Rn. 14 - 15. 61 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 7 I. 3. Rn. 16-21.

78

5. Vertikal-GVO und „Guidelines“

5.1. Hintergrund

Der Erlass der Verordnung Nr. 4087/88 über die Anwendung des EG-Kartellverbotes auf

Gruppen von Franchise-Vereinbarungen (Franchise-GVO)62 stellt die Geburtsstunde des

europäischen Franchise-Rechts dar.

Da die Franchise-GVO bis Ende 1999 befristet war, wurde sie von der Kommission durch die

Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 2790/99 für vertikale Vertriebsverträge und aufeinander

abgestimmte Verhaltensweisen (Vertikal-GVO)63 ersetzt. Analog zur Franchise-GVO verfolgt

diese Verordnung den Zweck, Verträge vom Verbot des Art. 81 EGV auszunehmen, enthält

jedoch wesentlich allgemeinere Regelungen für sämtliche vertikale Vereinbarungen. Der

Franchise-Begriff wird in der Vertikal-GVO nicht mehr darlegt64.

Die nachfolgende Darstellung entspricht der offiziellen Definition von „Franchising“ der Eu-

ropean Franchise Federation (EFF) 65:

„Franchising ist ein Vertriebssystem, durch das Waren und/oder Dienstleistungen und/oder

Technologien vermarktet werden. Es gründet sich auf eine enge und fortlaufende

Zusammenarbeit rechtlich und finanziell selbständiger und unabhängiger Unternehmen, den

Franchise-Geber und seine Franchise-Nehmer. Der Franchise-Geber gewährt seinen

Franchise-Nehmern das Recht und legt ihnen gleichzeitig die Verpflichtung auf, ein Geschäft

entsprechend seinem Konzept zu betreiben. Dieses Recht berechtigt und verpflichtet den

Franchise-Nehmer, gegen ein direktes oder indirektes Entgelt im Rahmen und für die Dauer

eines schriftlichen, zu diesem Zweck zwischen den Parteien abgeschlossenen Franchise-

Vertrags bei laufender technischer und betriebswirtschaftlicher Unterstützung durch den

Franchise-Geber, den Systemnamen und/oder das Warenzeichen und/oder die

Dienstleistungsmarke und/oder andere gewerbliche Schutz- oder Urheberrechte sowie das

Know-how, die wirtschaftlichen und technischen Methoden und das Geschäftssystem des

Franchise-Gebers zu nutzen.“

Lediglich der Begriff des Know-how ist in der Vertikal-GVO erfasst und beschreibt ein Paket

nicht patentierter praktischer Kenntnisse, die geheim, wesentlich und identifiziert sind, auf Er-

fahrungen des Franchise-Gebers basieren und durch ihn erprobt wurden.

� Geheim ist das Know-how unter der Prämisse, dass es weder allgemein bekannt

noch leicht zugänglich ist.

� Als wesentlich sind Kenntnisse anzusehen, welche für den Franchise-Nehmer uner-

lässlich sind zum Zwecke des (Weiter)Verkaufs der Vertragswaren oder -dienstleis-

tungen. 62 ABl. EG Nr. L 359, S. 46. 63 ABl. EG Nr. L 336, S. 21. 64 Vgl. www.franchisestarter.de, 22.10.2008. 65 Vgl. www.dfv-franchise.com, 11.11.2008.

79

� Identifiziert meint eine ausreichend detaillierte Beschreibung des Know-hows, um die

Erfüllung der beiden erstgenannten Merkmale prüfen zu können66.

5.2. Allgemeines

Von Änderungen, die durch das Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle67 am 01.07.2005 hervoge-

rufen wurden, sind bei Vertikalvereinbarungen insb. innerstaatlich wirkende Vertriebsverträge

betroffen. Ziel der 7. GWB-Novelle war es, das deutsche an das europäische Kartellrecht an-

zugleichen, um unabhängig von der Anwendbarkeit des deutschen oder europäischen

Kartellrechts ein einheitliches Niveau zu schaffen.

Vertikalvereinbarungen werden nunmehr erstmals dem Kartellverbot in § 1 GWB unterwor-

fen, welches stärker an Art. 81 I EGV angepasst wurde. In § 2 I GWB wurde ein allgemeiner

Freistellungstatbestand eingefügt, der sich an Art. 81 III EGV orientiert. Darüber hinaus ent-

hält Art. 2 II GWB eine dynamische Verweisung auf alle europäischen Gruppenfreistellungs-

vereinbarungen, die zu Art. 81 III EGV erlassen wurden.

Nach der Vertikal-GVO sind vertikale Vereinbarungen grundsätzlich freigestellt, sofern der

Marktanteil des Lieferanten nicht über 30% liegt. Ausgenommen von der Freistellung sind

sog. schwarze Klauseln nach Art. 4 vGVO, welche die Anwendung der GVO für sämtliche im

Vertrag enthaltene Klauseln sperrt. Des Weiteren enthält Art. 5 vGVO gelbe Klauseln, die

ebenfalls nicht freigestellt sind, aber die Freistellung anderer Klauseln nicht sperrt68.

Abb. 6: schwarze und gelbe Klauseln der Vertikal-GVO69

Die Leitlinien zur Vertikal-GVO sollen den Unternehmen als Hilfestellung dienen, vertikale

Vereinbarungen nach Maßgabe der EG-Wettbewerbsregeln selbst zu beurteilen70.

66 Vgl. www.franchiseverband.com, 22.10.2008. 67 Vom 7.7.2005, BGBl. I S. 1254. 68 Vgl. Kirchhain, S.: Die Gestaltung von innerstaatlich wirkenden Vertriebsverträgen nach der 7. GWB-Novelle, S. 168 - 169, in: www.wiso-net.de, 27.10.2008. 69 Quelle: in modifizierter Form übernommen von: www.jura.uni-augsburg.de (2007_06_04.pdf), 8.10.2008.

nicht freistellungsfähig

Schwarze Klauseln (Art. 4 vGVO)

- „Alles-oder-Nichts“-Prinzip -

Gelbe Klauseln (Art. 5 vGVO)

- Isolierte Unwirksamkeit -

� Preisbindung der zweiten Hand (lit. a)

� Beschränkungen des Gebietes oder des

Kundenkreises (lit. b)

� Beschränkung des aktiven und passiven

Verkaufs an Endverbraucher in selektiven

Vertriebssystemen (lit. c)

� Beschränkung von Querlieferungen in se-

lektiven Vertriebssystemen (lit. d)

� Verkaufsbeschränkungen für Lieferanten

von Einbau- / Ersatzteilen (lit. e)

� Freistellungsfähigkeit von Wettbewerbs-

verboten (lit. a)

� Freistellungsfähigkeit nachträglicher Wett-

bewerbsverbote (lit. b)

� (Boykott-)Verbot von gezielten Konkur-

renzklauseln in selektiven Vertriebssyste-

men (lit. c)

80

5.3. Preispolitik

Eine Preisbindung verpflichtet den Käufer, bestimme Preise beim Weiterverkauf nicht zu

unter- oder zu überschreiten71 und stellt in Vertikalverträgen eine schwarze Klausel nach Art.

4 lit. a vGVO dar, die nicht freistellungsfähig ist:

„Die Freistellung […] gilt nicht für vertikale Vereinbarungen, die mittelbar oder unmittelbar, für

sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen unter der Kontrolle der

Vertragsparteien folgendes bezwecken:

a) die Beschränkung der Möglichkeiten des Käufers, seinen Verkaufspreis selbst

festzusetzen; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit des Lieferanten, Höchstverkaufspreise

festzusetzen oder Preisempfehlungen auszusprechen, sofern sich diese nicht infolge der

Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen durch eine der Vertragsparteien

tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken“ (Art. 4 lit. a vGVO).

Das Verbot der Preisbindung wird seit Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle in § 1 GWB geregelt.

Nach dem neuen deutschen Kartellrecht sind jedoch Höchstpreisbindungen zulässig (§ 2 II

GWB i. V. m. Art. 4 lit. a 2. HS vGVO). Voraussetzung dafür ist, dass die Höchstpreisbin-

dungen nicht faktisch durch Ausübung von Druck oder die Gewährung von Anreizen durch

eine der Vertragsparteien wie Fest- oder Mindestverkaufspreise wirken.

Da Höchstpreisbindungen häufig eine wettbewerbsfördernde Wirkung aufweisen, stellen sie

regelmäßig keinen Verstoß gegen das Kartellverbot dar. Die Höchstpreisbindung kann

beispielsweise eingesetzt werden, um das Problem der doppelten Gewinnspannenerhöhung

zu lösen. Weiterhin ist die Anwendung in wettbewerbspolitischer Sicht sinnvoll, um

überhöhte Endverkaufspreise für Markenartikel zu verhindern.

Auch auf dem Gebiet der Meistbegünstigungsklauseln brachte die 7. GWB-Novelle einige

Änderungen. Demnach verstoßen diese gegen das Kartellverbot, wobei Meistbegünstigungs-

klauseln zu Lasten des Lieferanten freigestellt sind, sofern dessen Marktanteil 30% nicht

übersteigt. Diese pauschale Freistellung (vgl. § 2 II GWB i. V. m. Art. 2 I S. 2, Art. 3 I vGVO)

ist jedoch kritisch zu sehen, da Meistbegünstigungsklauseln auf Grund ihrer beträchtlichen

wettbewerbswidrigen Wirkungen vielfach den Freistellungsvoraussetzungen nicht genügen.

Unverbindliche Preisempfehlungen fallen häufig nicht unter den § 1 GWB. Tritt dieser Fall

ausnahmsweise doch ein, so sind sie nach § 2 II GWB i. V. m. Art. 4 lit. a 2. HS vGVO

zulässig. In Analogie zu Höchstpreisbindungen ist Voraussetzung hierfür, dass die Preisem-

pfehlungen nicht durch die Ausübung von Druck oder die Gewährung von Anreizen durch

eine der Vertragsparteien wie Fest- oder Mindestverkaufspreise wirken72.

70 Vgl. http://eur-lex.europa.de, 20.11.2008. 71 Vgl. www.jura.uni-augsburg.de (Vertikale_Wettbewerbsbeschraenkungen.pdf), 28.10.2008. 72 Vgl. Kirchhain, S.: Die Gestaltung von innerstaatlich wirkenden Vertriebsverträgen nach der 7. GWB-Novelle, S. 172 - 175, in: www.wiso-net.de, 27.10.2008.

81

5.4. Bezugsbindungen

Geht der Käufer eine durch den Franchise-Vertrag geregelte Alleinbezugsverpflichtung ein,

so ist er dazu verpflichtet, seinen gesamten Warenbedarf ausschließlich vom Lieferanten zu

beziehen73. Derartige Verpflichtungen fallen unter die Wettbewerbsverbote der Vertikal-GVO.

Vom Kartellverbot des Art. 81 I EGV sind lediglich solche Bestimmungen ausgenommen, die

dem Schutz des gewerblichen / geistigen Eigentums des Franchise-Gebers dienen74 oder für

den Erhalt und das Funktionieren des Franchisesystems unerlässlich sind.

Neben der Alleinbezugspflicht umfassen die Wettbewerbsverbote des Art. 1 lit. b vGVO auch

Verpflichtungen eines Käufers, mehr als 80% seiner Einkäufe von Vertragswaren bei einem

Lieferanten zu beziehen75.

5.5. Vertragliches / nachvertragliches Wettbewerbsverbot

„’Wettbewerbsverbote’ sind alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen, die den

Käufer veranlassen, keine Waren oder Dienstleistungen herzustellen, zu beziehen, zu

verkaufen oder weiterzuverkaufen, die mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen im

Wettbewerb stehen […]“ (Art. 1 lit. b vGVO)

� Dem Käufer ist es sowohl unmittelbar, d. h. persönlich,

� als auch mittelbar, d.h. über Dritte, Treuhänder oder sonstige Mittelspersonen, unter-

sagt, in Konkurrenz zum Franchise-System zu treten76.

Eine Freistellung vertraglicher Wettbewerbsverbote nach der Vertikal-GVO ist nur dann

denkbar, wenn die Dauer der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen nicht mehr als

fünf Jahre beträgt (vgl. § 2 II GWB i. V. m. Art. 5 lit. a 1. HS vGVO).

Falls eine Gruppenfreistellung nicht in Betracht kommt, ist eine Freistellung direkt nach § 2 I

GWB zu prüfen. Eine derartige Freistellung ist jedoch eher unwahrscheinlich, wenn bspw.

die nötigen Effizienzvorteile nicht ersichtlich sind. Vertragliche Wettbewerbsverbote sind folg-

lich nach § 1 GWB i. V. m. § 134 BGB (Verstoß gegen Verbotsgesetz) grundsätzlich nich-

tig77.

Für nachvertragliche Wettbewerbsverbote kommt eine Freistellung vom Kartellverbot nach

Art. 5 lit. b vGVO nur unter der folgenden Voraussetzung in Betracht:

73 Vgl. www.franchiseportal.de, 18.11.2008. 74 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 8 B I. 9. c) Rn. 197. 75 Vgl. www.dr-liesegang.de (Alleinbezugsverpflichtung.pdf), 18.11.2008. 76 Vgl. Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2003, § 8 B I. 7. c) ee) Rn. 107. 77 Vgl. Kirchhain, S.: Die Gestaltung von innerstaatlich wirkenden Vertriebsverträgen nach der 7. GWB-Novelle, S. 176, in: www.wiso-net.de, 27.10.2008.

82

„[…] dass diese Verpflichtungen [des Käufers]

- sich auf Waren oder Dienstleistungen beziehen, die mit den Vertragswaren oder -

dienstleistungen im Wettbewerb stehen,

- sich auf Räumlichkeiten und Grundstücke beschränken, von denen aus der Käufer

während der Vertragsdauer seine Geschäfte betrieben hat, sowie

- unerlässlich sind, um ein dem Käufer vom Lieferanten übertragenes Know-how zu schützen

[…]“ (Art. 5 lit. b vGVO)

Die Freistellung ist hierbei jedoch nur möglich, wenn das nachvertragliche Wettbewerbsver-

bot auf die Dauer von einem Jahr nach Beendigung der Vereinbarung begrenzt ist. Darüber

hinaus besteht die Möglichkeit, dem Käufer die Nutzung und Offenlegung von nicht allge-

mein bekannt gewordenem Know-how zeitlich unbegrenzten Beschränkungen zu

unterwerfen (vgl. Art. 5 lit. b vGVO).

Allgemein lässt sich festhalten, dass eine große Anzahl von Altverträgen

Wettbewerbsverbote enthalten, deren Laufzeiten fünf Jahre übersteigen.

Fraglich ist nunmehr, ob derartige Vereinbarungen gem. § 139 BGB (Teilnichtigkeit) mit einer

entsprechend kürzeren Laufzeit geltungserhaltend aufrechterhalten werden können. Dies ist

der Fall, wenn davon auszugehen ist, dass die geringere Laufzeit dem tatsächlichen oder

vermuteten Parteiwillen entspricht. Der geltungserhaltenden Reduktion überlanger Wettbe-

werbsverbote steht auch nicht entgegen, dass die nichtigen Klauseln oftmals Bestandteil von

AGB sind, da diese bei nachträglicher Unwirksamkeit von Verträgen auf Grund von Geset-

zesänderungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist78.

5.6. Vertragsdauer

Aktuell tendiert die Rechtsprechung dazu, bei Erstlaufzeiten von über fünf Jahren eine Ein-

schränkung der unternehmerischen Selbstständigkeit des Franchise-Nehmers zu vermuten,

was eine Nichtigkeit des Franchise-Vertrages gem. § 138 I BGB (sittenwidriges Rechtsge-

schäft) zur Folge hat. Die Laufzeit eines Franchise-Vertrages kann jedoch nur schwer verall-

gemeinert werden, da sie sich stets auf den jeweiligen Franchise-Vertrag bezieht und u. a.

davon abhängig ist, welche Investitionen der Franchise-Nehmer zu tätigen hat. Grundsätzlich

ist davon auszugehen, dass sich die Investitionen des Franchise-Nehmers innerhalb der Ver-

tragslaufzeit amortisiert haben müssen.

Es gilt zu beachten, dass mit steigenden Investitionen die Bindungen zunehmen können,

wodurch ein Wettbewerbsverbot (Art. 4 vGVO) auch für einen längeren Zeitraum als fünf

Jahre vereinbart werden kann. Voraussetzung hierfür sind „vertragsspezifische Investitionen“

78 Vgl. Kirchhain, S.: Die Gestaltung von innerstaatlich wirkenden Vertriebsverträgen nach der 7. GWB-Novelle, S. 176-179, in: www.wiso-net.de, 27.10.2008.

83

(vgl. Tz. 116 Nr. 4 Guidelines Vertikal-GVO79), die im Franchise-Vertrag mit ihrer Höhe und

der Amortisationsdauer anzugeben sind, um eine längere Erstlaufzeit zu begründen. Demzu-

folge wird der Franchise-Nehmer über die Fünf-Jahres-Frist hinaus an ein vertraglich verein-

bartes Wettbewerbsverbot gebunden.

Ein Anspruch auf Vertragsverlängerung aus § 242 BGB (Treu und Glauben) nach Ablauf der

Erstvertragslaufzeit wurde bisher abgelehnt.

Die maximale Festlaufzeit von zwei Jahren aus § 309 Ziff. 9 a BGB (Klauselverbote ohne

Wertungsmöglichkeit) bei Dauerschuldverhältnissen findet auf Franchise-Verträge keine An-

wendung.

Während der vertraglich vereinbarten Laufzeit ist eine fristlose Kündigung aus wichtigem

Grund durch beide Vertragsparteien möglich, da dieses Recht seit der Schuldrechtsreform in

§ 314 I BGB (Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund) geregelt ist80.

6. Fazit

Franchising in seiner heutigen Form fand seinen Ursprung am 02.03.1955 mit dem wohl

bekanntesten Franchise-System weltweit: „Mc Donald’s“. Es befindet sich seither im Wachs-

tum und entwickelt sich permanent weiter81. Angesichts dessen war die deutsche Rechtswis-

senschaft in den vergangenen Jahren bestrebt, dem Vertragstyp Franchising ein

interessengerechtes juristisches Regelungsprogramm zuzuordnen82. Die gesetzliche

Regelung für Franchise-Systeme in Deutschland steckt jedoch noch in den Kinderschuhen,

sodass auch weiterhin auf andere Rechtsquellen zurückgegriffen werden muss, bspw.:

� Entscheidungen des BGH/anderer Zivilgerichte,

� Regelungen des Handels- und Wettbewerbsrechts,

� Normen des Sozialrechts sowie

� Bestimmungen zum Verbraucherschutz- und AGB-Recht.

Durch den Vorrang des EG-Rechts vor nationalem Recht stellt allerdings die Vertikal-GVO

eine allgemein gültige Leitlinie zur Gestaltung von Franchise-Verträgen dar, deren Missach-

tung zur Nichtigkeit des Franchise-Vertrages nach Art. 81 I EGV ggf. i. V. m. § 134 BGB

(Verstoß gegen Verbotsgesetz) führt83.

79 Vom 13.10.2000, ABl. EG Nr. C 291, S. 1 - 44 80 Vgl. Flohr, E.: Der Franchise-Vertrag, in: http://www.dfv-franchise.com (Franchisevertrag%20in% 20Deutschland.pdf), S. 5-7, 11.11.2008. 81 Vgl. www.franchiseverband.com, 22.10.2008. 82 Vgl. Ratay, R.: Franchise-Systeme und Preisbindungsverbot nach deutschem und EG-Kartellrecht, 1993, S.1. 83 Vgl. Flohr, E.: Vom Franchise-Vertrag zum Verhaltenskodex für Unternehmensnetzwerke, in: www.fatm.de (VortragsfolienFlohr.pdf), S. 4 - 9, 11.11.2008.

84

Literaturverzeichnis I. Schriften Arndt, H.W.: Europarecht, 3. Aufl., Heidelberg 1998 Epp, W.: Franchising und Kartellrecht, Köln, Berlin, Bonn, München 1994 Europarecht – Textausgabe (o. V.), 11. Aufl., Baden-Baden 1999 Europarecht von A-Z – Das Recht der europäischen Union nach dem Vertrag von Nizza , 3. Aufl., München 2003 Herdegen, M.: Europarecht, 8. Aufl., München 2006 Kirchhain, S.: Die Gestaltung von innerstaatlich wirkenden Vertriebsverträgen nach der 7. GWB-Novelle, WuW – Wirtschaft und Wettbewerb 2008, S. 167-179, in: www.wiso-net.de/ webcgi?START=A20&DOKM=702158_ZECO_0&WID=59852-20000581352211 (27.10.2008) Liebscher, C./Flohr, E./Petsche, A.: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 1. Aufl., Wien 2003, http://beck-gross.digibib.net/bib/default.asp?vpath=/bibdata/Komm/ LiFlPeHdbEUGrFrVO/Buch/cont/LiFlPeHdbEUGrF (27.10.2008) Ratay, R.: Franchisesysteme und Preisbindungsverbot nach deutschem und EG-Kartellrecht: eine juristische und ökonomische Analyse, München 1993 Rohde, Ch./Lorenzmeier, S.: Europarecht – Schnell erfasst, 2. Aufl., Berlin, Heidelberg 1999 Schäfer, P.: Studienbuch Europarecht – Das Wirtschaftsrecht der EG, 3. Aufl., Stuttgart u. a. 2006 Streinz, R.: Europarecht, 6. Aufl., Heidelberg 2003 II. Rechtstexte Mitteilung der Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. EG Nr. C 291 vom 13.10.2000, S. 1-44 Verordnung (EWG) Nr. 4087/88 der Kommission vom 30. November 1988, ABl. L 359 vom 28.12.1988, S. 46-52 Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999, ABl. L 336 vom 29.12.1999, S. 21-25 III. Internetquellen Ethikkodex für Mitglieder und assoziierte Mitglieder des Deutschen Franchise-Verbandes e. V., in: www.dfv-franchise.com/wcms/Clients/138200320121715/Documents/124/ Ethikkodex%20-2004.pdf (11.11.2008) Flohr, E.: Der Franchise-Vertrag, in: www.dfv-franchise.com/wcms/Clients/ 138200320121715/Documents/863/Franchisevertrag%20in%20Deutschland.pdf (11.11.2008) www.dr-liesegang.de/pdf/DFV-Newsletter09-2007-Alleinbezugsverpflichtung.pdf (18.11.2008) www.fatm.de/ifhm/de/studium/veranstaltungsangebot/bachelor/2008_SS/data_5446/VortragsfolienFlohr.pdf (11.11.2008) www.franchiseportal.de/franchise-lexikon/Alleinbezugsverpflichtung.htm (18.11.2008) www.franchisestarter.de/franchise/recht/eg-recht/ (22.10.2008) www.franchiseverband.com (22.10.2008) www.frankfurt-main.ihk.de/recht/themen/wettbewerbsrecht/kartellrecht/ (28.10.2008) www.jura.uni-augsburg.de/de/prof/lehrbeauftragte/heinichen_christian/veranstaltungen_ss-2007/Kartellrecht_1/Materialien_Kartellrecht_2007_Jura/materialien_skript/ 02_Vertikale_Wettbewerbsbeschraenkungen.pdf (28.10.2008) www.jura.uni-augsburg.de/prof/lehrbeauftragte/heinichen_christian/veranstaltungen_ss2007/ Kartellrecht_1/Materialien_Kartellrecht_2007_Jura/materialien_vorlesungsfolien/ 2007_06_04.pdf (28.10.2008) www.raupach.de/docroot/medialib/mandanten/juris/0011_01-05-2008_forum_juris_01_08.pdf (18.11.2008)

85

Informationsasymmetrie bei Franchisesystemen –insbesondere bei der

vorvertraglichen Aufklärung

Stud. rer. pol. Lisa Frenzel

1. Einleitung

Franchising als kooperative Vertriebsform gewinnt zunehmend an Bedeutung1. Jedoch gibt

es als rechtlichen Rahmen keine spezielle Franchisegesetzgebung im deutschen Recht. Da

aber vor Vertragsschluss des Franchisevertrages sowohl dem Franchisegeber als auch dem

Franchisenehmer in Bezug auf Informationen über das Franchiseverhältnis wesentliche

Dinge fehlen, also eine Informationsasymmetrie besteht, muss vorvertraglich eine

gegenseitige Aufklärung stattfinden, damit beide eine Entscheidung mit abschätzbaren

Folgen treffen können. Aufgrund der fehlenden Angabe über konkrete aufklärungspflichtige

Sachverhalte soll in dieser Seminararbeit hauptsächlich dargestellt werden, welche

Informationen der Franchisenehmer und der Franchisegeber brauchen, um in voller Kenntnis

der Sachlage2 entscheiden zu können. D.h. es wird beschrieben, welche Informationen

jeweils der Franchisenehmer und -geber benötigen, damit die Informationsasymmetrie

minimiert wird. Dabei wird auf den existierenden Ethikkodex des Deutschen

Franchiseverbandes eingegangen und werden maßgebliche Grundsätze aus Literatur und

Rechtsprechung herausgearbeitet. Zusätzlich erhält der Leser durch Erläuterung möglicher

Motive der Nichtaufklärung vorab einen Einblick in die denkbaren Ursachen der bestehenden

Informationsasymmetrie.

2. Grundlagen

Doch zunächst ist es notwendig, die zentralen Begriffe Franchising und Informa-

tionsasymmetrie zu definieren und eine Unterscheidung der Arten der Nichtaufklärung

vorzunehmen.

2.1. Definition Franchising

Franchising ist ein langfristig angelegtes3, absatzförderndes Vertriebssystem4 in Form eines

arbeitsteiligen, vertikal-kooperativ organisierten Absatzsystems5. Dabei sind

1 Braun, Frank, Aufklärungspflichten des Franchisegebers bei den Vertragsverhandlungen, NJW 1995, S. 504. 2 Deutscher Franchiseverband, Ethikkodex, Ziffer 3.3. 3 Vgl. Ethikkodex, Ziffer 2.1. 4 Vgl. Deutscher Franchiseverband, Der Begriff Franchising, 2004, http://www.dfv-franchise.de/, Franchise-Geber, [1.12.2008]. 5 Rauser, Karl Th. / Bräutigam, Peter, Franchising: Grundlagen und einige aktuelle Rechtsprobleme, DStR 1996, S. 587.

86

Franchisenehmer und Franchisegeber rechtlich unabhängige Partner6, wobei der

Franchisegeber dem Franchisenehmer gestattet, sein gesamtes Geschäftssystem zu

nutzen.7 Als Gegenleistung zahlt der Franchisenehmer eine Eintrittsgebühr sowie eine

laufende, umsatzorientierte Nutzungsgebühr (Franchisegebühr) und verpflichtet sich, unter

anderem die Waren ausschließlich beim Franchisegeber zu kaufen bzw. ausschließlich das

Know-How des Franchisegebers anzuwenden (je nach Franchisetyp).8

2.2. Definition Informationsasymmetrie

Informationsasymmetrie ist eine Wissensdifferenz zwischen zwei Individuen. Dies sind

können im vorliegenden Kontext die zwei Vertragspartner, nämlich der Franchisenehmer und

der Franchisegeber. Informationsasymmetrie heißt dann, dass einer der Vertragspartner

weniger als der andere in Bezug auf das abzuschließende Geschäft weiß.

Vom beidseitiger Informationsasymmetrie ist in vorliegender Arbeit die Rede, wenn es

Sachverhalte des Geschäftes gibt, bei denen der eine besser informiert ist, aber auch

solche, bei denen der andere besser informiert ist.

2.3. Unterscheidung zwischen falscher und unterlassener Aufklärung

Liegt eine beidseitige Informationsasymmetrie zwischen Franchisenehmer und

Franchisegeber bereits bei Vertragsverhandlungen vor, so trifft beide eine vorvertragliche

Aufklärungspflicht, weil bereits bei den ersten Vertragsverhandlungen ein vorvertragliches

Vertrauensverhältnis entsteht.9 D.h. beide müssen den jeweils anderen über alle für das

Geschäft wesentlichen Punkte10 aufklären. Wird gegen diese Aufklärungspflicht verstoßen,

ist zwischen unterlassener und unrichtiger Aufklärung zu unterscheiden.11 Diese

Unterscheidung ist notwendig, da man für unterlassene anders als für unrichtige Aufklärung

haftet12. Dies wird unten noch genauer beschrieben. Ist in vorliegender Arbeit allgemein von

Nichtaufklärung die Rede, ist die eben genannte Unterscheidung nicht enthalten.

3. Informationsasymmetrien im Franchisesystem

Informationsasymmetrie besteht im Franchisesystem sowohl aus der Perspektive des

Franchisenehmers als auch aus der des Franchisegebers. Es liegt also eine beidseitige

6 Vgl. Mattmüller, Roland, Zur Vorteilhaftigkeit von Franchisesystemen, Ursachen und Lösungsansätze der Informationsasymmetrie, in: Möhlenbruch, Dirk (Hrsg.), Der Handel im Informationszeitalter, Wiesbaden, 2002, S. 187 (203). 7 Vgl. Skaupy, Walther, Zu den Begriffen „Franchise“, „Franchisevereinbarungen“ und „Franchising“, in: NJW 1992, S. 1785. 8 Vgl. Mattmüller, a.a.O. , S. 191. 9 Vgl. Syncon, International Franchise Consultants Österreich, Was bedeutet die vorvertragliche Aufklärungspflicht für Franchise-Geber bzw. Franchise-Nehmer?, www.syncon.de/frequently_asked_questions/download_faq/frage8.pdf, [29.10.2008]. 10 Vgl. Deutscher Franchiseverband, Ethikkodex, Ziffer 3.3. 11 Vgl. Franchisestarter, Franchise-Recht, Vorvertragliche Aufklärungspflichten, www.franchisestarter.de/franchise/recht/vorvertragliche-aufklaerungspflichten/, [29.10.2008]. 12 Vgl. Franchisestarter, a.a.O..

87

Informationsasymmetrie vor. Bezüglich der Person des Franchisenehmers, inklusive dessen

beruflicher Fähigkeiten13, dessen finanzieller Lage14 und dessen Absichten bezüglich des

Geschäfts bzw. der Partnerschaft15 ist vor jeglicher Aufklärung der Franchisegeber der

Unwissendere. Das Franchisesystem, insbesondere dessen Erfolgsaussichten16, die

erzielten Umsätze der einzelnen Franchisebetriebe17 und die Anzahl erfolgreicher

Franchisepartner18 betreffend, ist der Franchisenehmer ursprünglich der Unwissendere.

Diese Wissensdifferenz soll grundsätzlich durch beiderseitige Aufklärungspflichten beseitigt

werden. Wieso trotzdem ein solches Wissengefälle existiert, soll zunächst allgemein und

dann durch Betrachtung beider Perspektiven erläutert werden.

3.1. Ursachen der Informationsasymmetrie

Allgemein ergibt sich eine Informationsasymmetrie daraus, dass in der Realität keine

vollkommenen Märkte existieren.19 D.h. zum einen haben die Marktteilnehmer keine

vollständigen Informationen. Zum anderen handelt jedes Individuum, im Sinne einer

(juristischen) Person, am Markt als Nutzen- bzw. Gewinnmaximierer. Da ein

Wissensvorsprung meist zu höherem Eigennutzen führt als geteiltes Wissen, ist das

Individuum von sich aus nicht bereit, sein Wissen preiszugeben und damit seinen Nutzen zu

teilen. Deutlich wird dies, wenn man den Arbitrageur betrachtet20, der seine Gewinne nur

dadurch erzielt, dass er von lokalen oder zeitlichen Preisdifferenzen Kenntnis hat. Würde er

dieses Wissen teilen, würde seine Möglichkeit, Gewinne zu erzielen, sinken bzw. komplett

zerstört werden, weil Unternehmen bei Kenntnis dieser Preisunterschiede ihre Preise

anpassen würden.

In Bezug auf das Franchisesystem kann ein Wissengefälle zusätzlich daraus resultieren,

dass ein genau definierter Inhalt der Aufklärung des Partners in Form von Gesetzen nicht

gegeben ist. Es gibt zwar den Ethikkodex des Deutschen Franchiseverbandes, der die

Aufklärung über alle für das Franchiseverhältnis wichtigen Informationen21 vorschreibt, doch

beinhaltet diese Formulierung keine Angaben über konkrete, aufklärungspflichtige Punkte.

Folglich kann man diese Formulierung als unbestimmten Rechtsbegriff ansehen, der dazu

führen kann, dass Aufklärungslücken entstehen und somit Informationsasymmetrie vorliegt.

13 Vgl. Fleischer, Holger, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, eine rechtsvergleichende und interdisziplinäre Abhandlung zu Reichweite und Grenzen vertragsschlußbezogener Aufklärungspflichten, München 2001, S. 184. 14 Vgl. Weiß, Frank, Vorvertragliche Aufklärung bei Franchise-Verträgen: Grenzen der Aufklärungspflicht, 23.11.2007, www.ratgeberrecht.eu/vertrag-aktuell/vorvertragliche-aufklaerung-bei-franchise-vertraegen-grenzen-der-aufklaerungspflicht.html, [29.10.2008]. 15 Vgl. Mattmüller, a.a.O., S. 193. 16 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 17 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 18 Vgl. Franchiseportal, Vorvertragliche Aufklärungspflichten, 2000 - 2008, www.franchiseportal.de/franchise-lexikon/Vorvertragliche-aufklaerungspflicht.htm, [29.10.2008]. 19 Vgl. Fleischer, a.a.O, S. 96. 20 Vgl. Fleischer, a.a.O., S. 97. 21 Ethikkodex, Ziffer 3.3.

88

Also sind allgemein der unvollkommene Markt und der fehlende konkret formulierte

rechtliche Rahmen ursächlich für das Bestehen von asymmetrischer Informationsverteilung.

Nachfolgend soll erläutert werden, über welche Informationen der Franchisegeber, aber nicht

der Franchisenehmer verfügt und warum sie verschwiegen oder falsch angegeben werden.

3.1.1. Perspektive des Franchisegebers – Motive für seine Nichtaufklärung

Welche Gründe könnte der Franchisegeber nun haben, Informationen an seinen potentiellen

Franchisenehmer nicht vollständig oder falsch zu geben? Denn auf den ersten Blick scheint

die falsche oder unvollständige Aufklärung im Widerspruch zum kooperativen

Franchisesystem zu stehen.

Aus der Eigenschaft eines jeden Marktteilnehmers, nach Gewinnmaximierung zu streben,

lässt sich das erste Motiv für Nichtaufklärung ableiten. Um sein Franchisesystem und damit

seine Gewinne zu vergrößern, muss der Franchisegeber Franchisenehmer anwerben. Da

man mit einem erfolgreichen System Franchisenehmer besser und schneller akquiriert, kann

der Franchisegeber dazu verleitet werden, sein System erfolgreicher darzustellen als es ist.

So ist es auch in der Praxis vorgekommen, als nämlich ein Franchisegeber, der in der

Immobilienbranche tätig ist, seine Scheiterungsquote geringer angab und die Kosten- und

Umsatzplanungen verschönerte, so dass dem Franchisenehmer ein höherer Jahresumsatz

prognostiziert wurde.22 Ein weiteres Beispiel für Falschangaben zur Anwerbung von

Franchisenehmern stammt aus dem Jahr 1988. Dabei warb ein Franchisegeber, der

bayerische Mehlspeisen produziert und verkauft, ebenfalls mit einem risikoarmen Konzept

und machte falsche Angaben über Gewinnchancen.23 Zusätzlich gab er eine große Anzahl

erfolgreicher Franchisenehmer an, was in Wirklichkeit nicht der Fall war.24

Der zweite Grund für Nichtaufklärung durch den Franchisegeber resultiert daraus, dass

möglicherweise nach den Verhandlungen zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer

kein Vertrag zustande kommt. Tritt ein Vertragsschluss nicht ein, verfügt der

Franchisenehmer über Informationen über das Franchisesystem und könnte diese als

Konkurrent ausnutzen.25 Folglich kann diese Ungewissheit über einen Vertragsabschluss

den Franchisegeber hemmen, detaillierte Daten über sein System vorvertraglich vollständig

preiszugeben. Der Franchisenehmer könnte also aus Angst vor Wissensverlust bzw. zur

Vermeidung von Eigennutzenreduzierung durch geteiltes Wissen Informationen

unvollständig angeben oder zurückhalten.

22 Vgl. OLG München, BB 2001, S.1759 (1759). 23 Vgl. OLG München, NJW 1994, S. 667 (667). 24 Vgl. Giesler, Patrick, Vorvertragliche Haftung des Franchisegebers, Dezember 2004, www.franchiserecht.de/sonder3.htm, [2.12.2008] . 25 Vgl. Goebel, Jörn, Franchiserecht, Vorvertragliche Haftung, www.rechtsanwalt-franchising.de/franchiserecht.html, [2.12.2008].

89

Als drittes Motiv kommt folgendes in Betracht: Falls ein Franchisegeber sein

Franchisesystem neu gründet oder es in einem anderen Land etablieren möchte, verfügt er

nicht über Daten von erprobten Franchisebetrieben26. Da eine Erprobung durch den

Franchisegeber ein wesentlicher Grund für den Franchisenehmer ist, sich in Form eines

Franchisebetriebes selbstständig zu machen27, ist es schwieriger, Franchisenehmer zu

gewinnen, wenn man keine Erprobungsdaten hat. Deshalb kann der Franchisegeber im

Zuge der Erreichung seines Zieles, ein Franchisesystem neu oder in einem fremden Land

aufzubauen28, dazu verleitet werden, nicht vorhandene Prognosedaten selbst zu schätzen

bzw. sie aus anderen Ländern zu übernehmen. Diese haben folglich keine solide, erprobte

Basis, obwohl er sie als solche angibt. Somit erfolgt eine Falschangabe.

Zusammenfassend gibt es also drei Motive des Franchisegebers, die dazu führen, dass er

seinen potenziellen Franchisepartner nicht vollständig oder falsch aufklärt.

Im Folgenden wird nun die Perspektive des Franchisenehmers eingenommen und erläutert,

welche Gründe er haben könnte, Informationen seinerseits zurückzuhalten bzw. falsche

anzugeben.

3.1.2. Perspektive des Franchisenehmers – Motive seiner Nichtaufklärung

Das erste Motiv des Franchisenehmers lässt sich analog zum ersten Motiv des

Franchisegebers bestimmen. Da auch der Franchisenehmer am Marktgeschehen teilnimmt,

ist sein Handeln ebenfalls von dem Willen, seinen Gewinn zu maximieren, gesteuert. Eine

Möglichkeit, mehr Gewinn zu erzielen, besteht für den Franchisenehmer, wenn er sich wie

ein Trittbrettfahrer verhält.29 Dabei nutzt er die Bekanntheit und den Ruf des

Franchisesystems aus, um für sich Kunden zu gewinnen. Doch um seinen eigenen Gewinn

zu erhöhen, reduziert er seine Kosten, indem er die konzessionierten Waren oder

Dienstleistungen unter dem Qualitätsstandard anbietet.30 Um dieses Vorhaben aber erst

einmal verwirklichen zu können, muss er ein Franchisepartner des Systems werden. Dies

erreicht er nur, wenn er seine oben genannten Absichten dem Franchisegeber verschweigt

bzw. ihm falsche Angaben zu seiner Leistungsbereitschaft, in das Gesamtsystem zu inves-

tieren, macht.31

Das zweite Motiv, welches dem Franchisenehmer unterstellt werden kann, lässt sich parallel

zum dritten Motiv unter Einbezug des ersten Motivs des Franchisegebers betrachten.

Genauso wie der Franchisegeber will sich der Franchisenehmer mit der Partnerschaft

unternehmerisch etablieren. Um diesen Prozess der Etablierung zu beschleunigen oder

26 Vgl. Giesler, Patrick, Güntzel, Volker, Franchising: Aufklärungspflichten und kein Ende?, NJW 2007, S. 3102. 27 Vgl. Goebel, a.a.O. 28 Vgl. Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3102. 29 Vgl. Mattmüller, a.a.O., S. 198. 30 Vgl. Mattmüller, a.a.O, S. 198. 31 Vgl. Mattmüller, a.a.O, S. 193.

90

überhaupt erst einmal entstehen zu lassen (d. h. um einen Vertragsabschluss

herbeizuführen), kann der Franchisenehmer sich erfolgreicher bzw. attraktiver darstellen, als

er tatsächlich ist. Das ist möglich, indem er z. B. Falschangaben zu seinen persönlichen

Eigenschaften, beruflichen Fähigkeiten und zu seiner finanziellen Lage macht.32 Dabei kann

eine Falschangabe zu finanziellen Möglichkeiten z. B. in Form der Angabe einer mündlichen

Kreditzusage der Bank, die tatsächlich nicht existiert, geschehen. Bezüglich der persönlichen

Eigenschaften wäre ein Verschweigen der oben genannten „Trittbrettfahrerabsicht“ denkbar.

Eine Falschangabe zu beruflichen Fähigkeiten ist als eher unwahrscheinlich einzustufen, da

man heutzutage Zeugnisse vorlegen muss, die die eigene berufliche Fähigkeit belegen.

Zuvor wurden mögliche Motive der Informationszurückhaltung vorgestellt, die gleichzeitig

Ursachen der asymmetrischen Informationsverteilung vor Abschluss des Franchisevertrags

darstellen. Nun ist darauf einzugehen, warum diese Informationsasymmetrie zu überwinden

ist. Dazu wird nachfolgend erläutert, warum eine vollständige Aufklärung beider

Vertragspartner, des Franchisegebers und des Franchisenehmers, notwendig ist.

3.2. Notwendigkeit der vollständigen Aufklärung

Mit dem Franchisevertrag binden sich sowohl der Franchisenehmer als auch der

Franchisegeber langfristig.33 Aus diesem Grund ist es wichtig, dass beide eine wirtschaftliche

Entscheidung treffen können. Entscheidungen werden wirtschaftlich getroffen, wenn vorher

geprüft wird, ob man durch die Entscheidung sein Ziel verwirklichen bzw. Gewinne erzielen

kann und welches unternehmerische Risiko damit verbunden ist.

Der Franchisenehmer muss also vorher kalkulieren, ob und ab wann er Gewinne erzielen

kann34 und welche Faktoren sein unternehmerisches Risiko beeinflussen. Für seine

Erwartungsrechnung benötigt er folglich alle Komponenten der zu erwartenden

Aufwendungen und Erträge, die er dann einander gegenüberstellt. Da er sich zum

Franchising entschlossen hat, kann er dabei auf einer bereits erprobten Kalkulationsbasis

des Franchisegebers aufbauen35. Des Weiteren muss er abschätzen können, mit welcher

Wahrscheinlichkeit seine Erwartungen eintreten. Er muss also mögliche

Risikoeinflussfaktoren kennen und deren Eintrittswahrscheinlichkeit in seine Kalkulation

einbauen. Welche Komponenten der Erwartungsrechnung und welche Risikoeinflussfaktoren

der Franchisegeber ihm deswegen im Detail schuldet, soll später genauer aufgezählt

werden.

Damit auch der Franchisegeber eine wirtschaftliche Entscheidung treffen kann, benötigt er,

genau so wie der Franchisenehmer, Informationen, die seine Chancen und Risiken besser

32 Vgl. Mattmüller, a.a.O., S. 193; Weiß, a.a.O. 33 Vgl. Goebel, a.a.O. 34 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 35 Vgl. Böhner, Reinhard, Bestand und Ausmaß der vorvertraglichen Aufklärungspflicht des Franchisegebers – das „Aufina“-Urteil unter der Lupe, BB 2001, S.1749.

91

überschaubar machen36. Dabei kommt es bei dem Franchisegeber weniger auf die

Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen an, weil er diese nicht in demselben

Ausmaß wie der Franchisenehmer hat. Vielmehr ist er daran interessiert, seinen

Systemerfolg zu festigen und auszudehnen37. Dafür muss er das Risiko, einen ungeeigneten

Franchisenehmer auszuwählen, minimieren. Welche Informationen er dazu vom

Franchisenehmer benötigt, soll ebenfalls später (unter 5.) dargestellt werden.

4. Aktuelle rechtliche Lage in Deutschland

Die vorvertragliche Aufklärung betreffend muss, wie bereits unter 2.3. erwähnt,

unterschieden werden, ob eine falsche oder eine unvollständige Aufklärung vorliegt, da

beides eine unterschiedliche Haftung begründet. Die erste Variante ist kein spezielles

Problem des Franchising38 und führt zu einer Haftung nach dem BGB (siehe 4.1). Die zweite

Variante ist ein speziell das Franchising betreffendes Problem.39 Dafür gibt es in

Deutschland keinen gesetzlichen Rahmen. Jedoch ist eine Orientierung an dem Ehrenkodex

des Deutschen Franchisingverbandes und den Grundsätzen von Rechtsprechung und

Literatur möglich.40

4.1. Gesetze

Wie eben erwähnt gibt es in Deutschland keine Gesetze, die die Aufklärungspflichten bei

Franchising festlegen.41 Allerdings gibt es Gesetze, die eine Haftung begründen, falls einer

der Partner vor dem Vertrag falsche Angaben macht. Diese werden hier jedoch nur kurz

vorgestellt, weil die Haftung für Falschangaben zwar in den Kontext der vorvertraglichen

Aufklärung gehört, sie aber zeitlich nach Vertragsschluss einzuordnen ist und nicht direkt mit

dem Thema der Schaffung symmetrischer Informationen vor dem Vertrag in Verbindung

steht.

Liegt ein Fall der bewussten Falschangabe vor, ist gem. § 123 BGB für geäußerte, falsche

Angaben, die zu dem Vertragsabschluss geführt haben, zu haften (arglistige Täuschung)42.

Der Getäuschte kann in diesem Fall den Vertrag anfechten. In der Folge wird der Vertrag

rückwirkend beseitigt.43 Bei Täuschung kann der Getäuschte außerdem

Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo, d.h. je nach Sachlage aus §§ 311, 280

BGB44 bzw. aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 S. 2 BGB45, geltend machen.

36 Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3099. 37 Vgl. Goebel, a.a.O. 38 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 39 Vgl. Giesler, a.a.O. 40 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 41 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 42 Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3099. 43 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 44 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 45 Vgl. Goebel, a.a.O.

92

Doch da diese Gesetze lediglich nach Vertragsschluss eingreifen und somit nicht direkt das

Problem der vorvertraglichen asymmetrischen Informationsverteilung lösen, werden sie nicht

weiter vertieft. Stattdessen wird nachfolgend auf die Richtlinien des Deutschen

Franchiseverbandes eingegangen und erläutert, welche Vorgaben sie zur vorvertraglichen

Aufklärung machen.

4.2. Richtlinien des Deutschen Franchiseverbandes zur vorvertraglichen Aufklärung

– der Ethikkodex

Der Richtlinienkatalog, der den folgenden Ausführungen zugrunde liegt, ist eine Neufassung

des Ethikkodexes der European Franchise Federation46 und trat am 1.1.1992 in Kraft.47 Er

beinhaltet die wesentlichen Vorschriften fairer Verhaltensweisen für die Franchise-Praxis in

Europa48 und gilt für Mitglieder des Deutschen Franchise-Verbandes49 (als „Self Regulation“).

Allgemein schreibt dieser Kodex einen fairen, sachlichen und direkten Umgang miteinander

vor.50

Im Folgenden werden diejenigen Vorschriften des Ethikkodexes näher betrachtet, die

sich auf die vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Franchisegebers und des

Franchisenehmers beziehen.

4.2.1. Vorvertragliche Aufklärungspflichten des Franchisegebers

Ziffer 3.1:

Werbung für die Gewinnung von Franchisenehmern soll ohne Zweideutigkeiten und ohne

irreführende Angaben erfolgen.

Der Franchisegeber ist also verpflichtet, bei der Anwerbung potentieller Franchisenehmer

sein System nicht zu verschönern, indem er sein System nicht eindeutig beschreibt, vielmehr

muss er klare Angaben zu diesem machen.

Ziffer 3.2:

Alle Anzeigen und jedes Werbematerial zum Zwecke der Franchisenehmergewinnung, die

direkt oder indirekt auf von dem einzelnen Franchisenehmer zu erwartende, in Zukunft

mögliche Ergebnisse, Zahlen oder Verdienste eingehen, haben sachlich richtig und

unmissverständlich zu sein.

Der Franchisegeber soll demnach eine solide Kalkulationsbasis liefern, wobei diese

realistisch fundiert und eindeutig formuliert sein muss. Des Weiteren muss er auch alle

Angaben, die indirekt auf diese Kalkulation wirken, sachlich und eindeutig darstellen. Denn

auch indirekt können zweideutige, missverständliche und damit falsch in die Kalkulation

46 Ethikkodex, Einleitung. 47 Skaupy, a.a.O., S. 1785. 48 Ethikkodex, Einleitung. 49 Ethikkodex, Einleitung. 50 Ethikkodex, Ziffer 2.4.

93

einbezogene Angaben die Prognose so abändern, dass der Franchisenehmer falsch

kalkuliert und möglicherweise eine Fehlentscheidung trifft.

Ziffer 3.3:

Um es den angehenden Franchisenehmern zu ermöglichen, jede bindende Abmachung in

voller Kenntnis der Sachlage zu treffen, wird ihnen innerhalb einer angemessenen Frist vor

der Unterzeichnung dieser bindenden Abmachung ein Exemplar des gültigen

Verhaltenskodexes ebenso wie die vollständige und genaue schriftliche Offenlegung aller für

das Franchiseverhältnis wichtigen Informationen und Unterlagen übergeben werden.

Der Franchisegeber ist also verpflichtet, dem Franchisenehmer schriftlich vorzulegen, was

dieser benötigt, um eine wirtschaftliche Entscheidung treffen zu können. Was das im Detail

ist, bleibt hier mit dem Begriff aller für das Franchiseverhältnis wesentlichen Punkte noch

unbestimmt. Doch dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird durch die Vorgaben aus Literatur

und Rechtsprechung genauer spezifiziert. Als angemessene Frist ist dabei ein Zeitraum von

mindestens zehn Tagen anzusehen.51

4.2.2. Vorvertragliche Aufklärungspflichten des Franchisenehmers

Ziffer 4:

Ein Franchisegeber sollte nur solche Franchisenehmer auswählen und akzeptieren, die

aufgrund einer sorgfältigen Überprüfung in ausreichendem Umfang über die notwendigen

Grundkenntnisse, die Ausbildung, die persönliche Eignung und die finanziellen Mittel

verfügen, um einen Franchisebetrieb zu führen.

Diese Ziffer setzt voraus, dass vor dem Vertragsschluss auch der Franchisenehmer

eindeutige, unmissverständliche und wahrheitsgemäße Angaben zu seiner Person und

seinen finanziellen Mittel macht.

Die genannten Vorgaben aus dem Ethikkodex des Deutschen Franchiseverbandes gelten

nur für dessen Mitglieder. Deswegen sind zudem Grundsätze aus Literatur und

Rechtsprechung vonnöten, denn diese sind für alle Franchisepartner in Deutschland

maßgeblich. Nachfolgend werden also ergänzende und ähnliche Grundsätze aus Literatur

und Rechtsprechung vorgestellt.

4.3. Vorgaben aus Literatur und Rechtsprechung

Wegen des Mangels an Gesetzen orientiert sich die Franchisepraxis insbesondere auch in

Bezug auf die Aufklärungspflichten sehr stark an der Rechtsprechung und Literatur.52 In

Bezug auf die Rechtsprechung hat dabei das Urteil des OLG München vom 16.9.1993

besondere Bedeutung. Das Urteil formuliert zwei Leitsätze53:

51 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 52 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 53 Advogarant, Wirtschaftsrecht – Franchising I,

94

Grundsatz 1

Der Franchisegeber muss den Franchisenehmer richtig und vollständig über die Rentabilität

des Systems unterrichten.54

Grundsatz 2

Der Franchisegeber, der wegen der vorvertraglichen Aufklärungspflicht schadens-

ersatzpflichtig ist, kann dem Franchisenehmer nicht als Mitverschulden entgegenhalten, dass

er leichtfertig den Anpreisungen des Franchisegebers vertraut hat.55

Zu beachten ist, dass der Grundsatz 1 bis in die jüngere Vergangenheit maßgeblich war.

Doch wurde mit dem Urteil des OLG Schleswig vom 22. Januar 2008 diesbezüglich eine

Änderung herbeigeführt.56 Folglich ist dieser Grundsatz nicht mehr maßgebend und wird nur

wegen seiner bisherigen Bedeutung aufgeführt.57

Grundsatz 2 bringt zum Ausdruck, dass die vorvertragliche Aufklärung auf dem Prinzip von

Treu und Glauben basiert58. Denn man darf auf Angaben, die der andere macht, vertrauen

und muss sie nicht im Einzelnen nachprüfen, um nicht dem Einwand von Mitverschulden

ausgesetzt zu sein.59

Zusätzlich zu den eben genannten Grundsätzen haben sich außerdem noch mehrere in

Rechtsprechung und Literatur entwickelt:

Grundsatz 3

Jede Partei muss sich grundsätzlich selbst über Marktverhältnisse, also Chancen und

Risiken, informieren60. Liegen jedoch besondere, individuelle Umstände vor, die nur einer

Partei bekannt61, jedoch wesentlich für die Entscheidung des anderen sind, dann muss der

Wissende den Unwissenden über diese Umstände aufklären.62

Grundsatz 4

Bereits mit dem ersten Kontakt des Franchisegebers und des potentiellen Franchisenehmers

entsteht ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis, welches eine Aufklärungspflicht des

Franchisegebers begründet.63

Grundsatz 5

Dabei gilt für den Franchisegeber, dass er den Franchisenehmer vollständig, wahr-

heitsgemäß und unmissverständlich aufzuklären hat64 und diese Informationen schriftlich

www.advogarant.de/Infocenter/Rechtsinfo/Wirtschaftsrecht/Allgemein/Franchising1.html, [2.12.2008]. 54 Vgl. OLG München, NJW 1994, S. 667 (667). 55 Ebenda. 56 Vgl. OLG Schleswig, NJW 2009, S. 64 - 66. 57 Zu beachten dazu auch Grundsatz 13 (unten). 58 Vgl. Deutscher Franchising Service, Franchisegeber müssen sich in Acht nehmen!, Vorvertragliche Aufklärungspflichten: Das muss Ihnen der Franchisegeber vor Vertragsschluss sagen, 2005, www.consultor.de/download/steuer-recht1205.pdf, [29.10.2008], S. 1. 59 Vgl. OLG München, NJW 1994, S. 667 (667). 60 Vgl. Böhner, a.a.O., S.1750. 61 Hier alles bezüglich des Franchisesystems bzw. der Person des Franchisenehmer. 62 Vgl. Böhner, a.a.O., S.1750. 63 Vgl. Franchisestarter, a.a.O.

95

vorlegen muss65. Wenn man von beidseitiger Aufklärungspflicht ausgeht, ist auch umgekehrt

zu beachten, dass der Franchisenehmer den Franchisegeber richtig und vollständig

aufzuklären hat66.

Grundsatz 6

Insbesondere darf der Franchisegeber bei der Anwerbung sein System nicht erfolgreicher

darstellen als es tatsächlich ist und falsche Vorstellungen über das System erwecken.67

Grundsatz 7

Der Umfang, in dem der Franchisegeber den Franchisenehmer aufzuklären hat, hängt davon

ab, welchen Informationsbedarf und welche Möglichkeiten der eigenen

Informationsbeschaffung der Franchisenehmer hat und welche Informationsmöglichkeiten

und welche Funktion dem Franchisegeber zuzuschreiben sind68.

Grundsatz 8

Wenn der Franchisegeber mit besonderen Eigenschaften des Systems wirbt, ist er auch zu

einer besonderen im Sinne von umfangreicherer Aufklärung verpflichtet.69

Grundsatz 9

Der Franchisegeber hat dem Franchisenehmer eine Kalkulationsgrundlage zu liefern, die auf

Testdaten von Pilotbetrieben bzw. von vergleichbaren Franchisebetrieben beruht.70 Sie muss

Erfahrungswerte bezüglich Umsatz, Investitionen und Erträgen von bisherigen

Franchisebetrieben widerspiegeln71 und für den Franchisenehmer nachvollziehbar sein.72

Grundsatz 10

Existiert keine Erprobung und damit keine Testdaten, hat dies der Franchisegeber

anzugeben.73 Es dürfen keine Testdaten geschätzt werden74.

4.4. Grenzen der Aufklärungspflicht

Grundsatz 11

Grundsätzlich muss der Aufklärungspflichtige nur über das aufklären, was er auch selbst

weiß75. Er ist also nicht verpflichtet, Informationen zu beschaffen, um sie dann ohne weiteren

Eigennutzen weiterzugeben.76

64 Vgl. Franchisingrecht (o.V.), DB 2003, S.1055. 65 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 66 Vgl. Weiß, a.a.O. 67 Vgl. OLG Hamburg,, DB 2003, S. 1054 (1055). 68 Vgl. Böhner, a.a.O., S. 1750. 69 Vgl. Goebel, a.a.O. 70 Vgl. Böhner, a.a.O., S.1749. 71 Vgl. Böhner, a.a.O., S.1749; Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3100. 72 Giesler, a.a.O. 73 Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3102. 74 Vgl. OLG Hamburg, DB 2003, S. 1054 (1055). 75 Vgl. Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3101. 76 Vgl. Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3101.

96

Grundsatz 12

Die Aufklärung darf durch den Franchisenehmer nicht als Erfolgs- bzw. Rentabilitätsgarantie

verstanden werden.77 D.h. die Aufklärung soll dem Franchisenehmer nicht die Entscheidung

und damit das unternehmerische Risiko abnehmen, was durch eine Garantie der Fall wäre.78

Grundsatz 13

Dem Franchisegeber wird nicht die Funktion des Unternehmensberaters zuerkannt. Das hat

zur Folge, dass der Franchisegeber nicht verpflichtet ist, den Franchisenehmer umfassend

über die Rentabilität der Franchisekonzeption aufzuklären.79

Grundsatz 14

Betriebsgeheimnisse und wesentliche Teile des Know-How müssen nicht vorvertraglich

preisgegeben werden.80

5. Schaffung von Informationssymmetrie vor Vertragsschluss

Ausgehend von der Notwendigkeit der Aufklärung, d.h. der Schaffung von Infor-

mationssymmetrie81, soll nun zusammengestellt werden, was diese charakterisiert und wie

sie im Detail geschaffen werden kann.

5.1. Allgemeine Bestandteile der Informationssymmetrie

Wodurch ist nun Informationssymmetrie gekennzeichnet? Informationssymmetrie drückt aus,

dass theoretisch alle exakt die gleichen Informationen haben. Da dies in der Praxis durch die

Eigenschaften des unvollkommenen Marktes (fehlende Markttransparenz), durch den

Wirtschaftsliberalismus und durch die Aufklärungspflichten nicht vollständig möglich ist, kann

man auch von Informationssymmetrie ausgehen, wenn beide diejenigen Informationen des

anderen haben, die sie zu einer Entscheidung mit abschätzbaren Folgen benötigen - wenn

das Wissensgefälle also minimiert wird und sie eine Entscheidung bei Kenntnis der

gegebenen Sachverhalte und abschätzbaren Einflussfaktoren treffen können.

Welche Informationen das nun im Detail, auf das Franchisesystem bezogen, sind, wird im

Folgenden zusammengestellt. Dabei werden erst die Sachverhalte aufgezählt, über die der

Franchisegeber grundsätzlich aufzuklären hat. Danach werden dann in Form von drei

Fallunterscheidungen Einschränkungen bzw. Erweiterungen des Umfangs vorgenommen.

Zusätzlich wird erläutert, ob diese von den Aufklärungspflichten gedeckt werden oder nicht.

Für den Fall der Nichtdeckung soll eine Empfehlung zur Informationsbeschaffung gegeben

werden.

77 Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3099. 78 Vgl. Weiß, a.a.O. 79 Vgl. OLG Schleswig, NJW 2009, S. 64 - 66. 80 Braun, a.a.O., S. 504. 81 Vgl. oben, 3.2.

97

5.2. Informationsbedarf des Franchisenehmers

5.2.1. Grundsätzlicher Informationsbedarf

Wie bereits unter 3.2 erläutert, benötigt den Franchisenehmer alle Informationen, um

Ausgaben und Einnahmen gegenüberstellen, also die Zeit der Anfangsverluste82 und die

Dauer bis zur Gewinnschwelle83 abschätzen zu können. Zusätzlich muss er das

unternehmerische Risiko und mögliche Risikoeinflussfaktoren antizipieren können. Für die

Gegenüberstellung von Ausgaben und Einnahmen kann der Franchisenehmer gemäß

Grundsatz 5 eine Kalkulationsbasis vom Franchisegeber verlangen, die wahrheitsgemäß,

unmissverständlich, schriftlich formuliert und vollständig sein muss. Außerdem muss sie auf

Daten eines Testbetriebes bzw. eines vergleichbaren Franchisebetriebes beruhen und für

den Franchisenehmer nachvollziehbar sein84. Die Kalkulationsbasis soll dem

Franchisenehmer ermöglichen, seine Gewinnchancen85 prognostizieren zu können.

Deswegen muss sie grundsätzlich folgende Daten enthalten:

- Höhe der Eintritts- und Franchisegebühr86,

- Höhe der Anfangsinvestitionen (u. a. in Form von Ladenausstattung, Anmietung eines

Büros, Personal etc.)87,

- Arbeits- und Kapitaleinsatz88

- Höhe der Mindestumsätze89,

- Umsatz- und Gewinnerwartungen90,

- Umsatz-, Kosten- und Ertragserwartungen der einzelnen Systembetriebe91,

Doch die Angaben können entweder aufgrund von Motiv 1 (Anwerbung) des

Franchisegebers falsch oder aufgrund von Motiv 2 unvollständig sein oder aufgrund von

Motiv 3 (Gewinnung trotz fehlender Daten) nicht auf Testdaten basieren. Dies soll zwar

durch die Grundsätze 5, 9 und 10 verhindert werden, doch ist eine Falschangabe dennoch

möglich. Da aber eine realistische Prognose für den Franchisenehmer von existentieller

Bedeutung92 ist, weil eine falsche Basis der Prognose dazu führen kann, dass die

Gewinnschwelle weiter nach hinten verschoben wird, so dass der Franchisenehmer seine

Verluste nicht mehr decken kann und folglich seinen Betrieb aufgeben muss, sollte der

Franchisenehmer versuchen, das Risiko einer Falschangabe zu verringern. Das kann er

82 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 83 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 84 Vgl. Franchisingrecht, DB 2003, S.1056. 85 Vgl. Franchising.de, Franchising–Vorvertragliche Aufklärung, www.franchising.de/aufklaerung.html [29.10.2008]. 86 Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3100. 87 Mattmüller, a.a.O., S. 194. 88 Deutscher Franchising Service, a.a.O., S.2. 89 Franchising.de, Der richtige Franchisegeber, a.a.O. 90 Braun, a.a.O., S. 504. 91 Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3100. 92 Vgl. Goebel, a.a.O.

98

z.B., wenn er sich bei bereits etablierten Franchisenehmern informiert93, inwieweit die

Kalkulationsbasis auf realistischen Zahlen beruht und ob der Franchisegeber tendenziell vor

Vertragsschluss wahrheitsgemäße und vollständige Angaben macht. Außerdem könnte sich

der Franchisenehmer selbst erkundigen, wie viele Franchisenehmer des Franchisesystems

bereits am Markt existieren94.

Um mögliche Risiken bei der Kalkulation einbeziehen zu können, benötigt der

Franchisenehmer vom Franchisegeber Informationen über

- die Wirkungsweise und Erfolgsaussichten95 des Franchisesystems96,

- seine Leistungen und Vorteile97,

- die finanzielle Lage des Franchisegebers98 (z.B. in Form von Bankreferenzen99),

- die Anzahl erfolgreich bestehender Franchisebetriebe100,

- die Scheiterungsquote bzw. die Fluktuationsrate101,

- Wesen und Funktionsweise des Marketing- und Werbekonzepts102

- die Abhängigkeit des Konzeptes vom Standort,

- die aktuelle, wirtschaftliche Position am Markt103

zu informieren. Diese Punkte sind unter dem Begriff alle für das Franchiseverhältnis

wesentlichen Umstände104 enthalten und somit von den Aufklärungspflichten gedeckt. Dabei

ist strittig, ob in der umfassenden Aufklärungspflicht des Franchisegebers die Lieferung einer

Standortanalyse, also eine Eignungsempfehlung des Standortes und die Angabe über

Kunden- und Konkurrenzexistenz enthalten ist. Es gibt Meinungen, die das bejahen105.

Dagegen spricht aber zum einen, dass gem. Grundsatz 3 davon auszugehen ist, dass sich

der Franchisenehmer selbst diese Information am Markt beschaffen kann, da sie von der

Umwelt abhängt und nicht allein vom Franchisegeber106, und zum anderen, dass der Fran-

chisegeber diese Standortanalyse selbst beschaffen müsste, was gemäß Grundsatz 11 nicht

seine Pflicht ist.107 Denn er hat zwar Aufklärungspflichten, aber diese stellen keine

Informationsbeschaffungspflichten dar.108

93 Vgl. Böhner, a.a.O., S.1750. 94 Vgl. Hanrieder, Manfred, Franchising – Planung und Praxis, Neuwied, 1991, S. 63. 95 Erfolgsaussichten müssen gemäß dem Urteil des OLG Schleswig vom 22.1.2008 (NJW 2009, S. 64 - 66) nicht vom Franchisegeber vermittelt werden. Der Franchisenehmer sollte sich daher diese Information selbst am Markt, z.B. von anderen Franchisenehmern des Systems, beschaffen. 96 OLG München, BB 2001, S. 1759 (1760). 97 Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3100. 98 Syncon, International Franchise Consultants Österreich, a.a.O. 99 Syncon, International Franchise Consultants Österreich, a.a.O. 100 Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3100. 101 Franchising.de, Der richtige Franchisegeber, a.a.O. 102 Vgl. Goebel, a.a.O. 103 Schimansky, Annika, Der Franchisevertrag nach deutschem und niederländischem Recht, 2003, S. 301. 104 Ethikkodex, Ziffer 3.3. 105 Vgl. Braun, a.a.O., S. 505. 106 Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3101. 107 Vgl. Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3101. 108 Giesler/ Güntzel, a.a.O., S. 3101.

99

Bezüglich der Risikoabschätzung ist zusätzlich Grundsatz 8 zu beachten, der zur Folge hat,

dass, wenn der Franchisegeber mit besonderen Erfolgsmöglichkeiten wirbt, er auch

besonders zur Aufklärung über gescheiterte Franchisenehmer verpflichtet ist109. In diesem

Fall würde der Franchisegeber dem Franchisenehmer zusätzlich nennen müssen, wer und

warum gescheitert ist110.

Neben Informationen zu Gewinnchancenbeurteilung und Risikoabschätzung muss der

Franchisenehmer zu seiner wirtschaftlichen Entscheidung richtige und umfassende

Informationen über das Wesen des Franchisegebers erhalten. Solche Informationen sind

- Gründung, Entwicklung und Verbreitung des Franchisesystems111,

- Firmenname112,

- Sitz113,

- Handelsregisterauszug bzw. Gewerbeanmeldung114,

- Personen mit Entscheidungsbefugnis115 und

- Schutz- oder Urheberrechte des Franchisegebers116.

Es könnte jedoch aufgrund des zweiten Motivs des Franchisegeber (Angst vor Konkurrenz)

und Grundsatz 14 nicht dazu kommen, dass der Franchisenehmer umfassend vor

Vertragsschluss über das Wesensmerkmale des Systems aufgeklärt wird. Es muss also ein

Mittelmaß der Franchisegeber-Aufklärung gefunden werden117, so dass der Franchisegeber

vorvertraglich nicht alles preisgibt, der Franchisenehmer aber trotzdem darüber informiert ist,

wie er seine Gewinne künftig erzielen kann.

Da für eine Falschangabe dieser Punkte keine Motive gefunden wurden, werden sie als

unproblematisch angesehen und nicht weiter erläutert.

Alle genannten Informationen zur Antizipation von Gewinnchancen und

Risikoeinflussfaktoren und Informationen zum Franchisesystem an sich benötigt der

Franchisenehmer regelmäßig, um eine wirtschaftliche Entscheidung treffen zu können. Doch

gem. Grundsatz 7 hängt die Aufklärungspflicht auch vom Informationsbedarf des

Franchisenehmers ab. Dazu werden drei Fallunterscheidungen dargestellt.

5.2.2. Abweichender Informationsbedarf des Franchisenehmers, der Existenzgründer

ist

Der Informationsbedarf des Franchisenehmers im Sinne des Grundsatzes 5 bestimmt sich u.

a. dadurch, ob er Existenzgründer, also Verbraucher gemäß § 13 BGB, oder bereits

109 Vgl. Goebel, a.a.O. 110 Vgl. Goebel, a.a.O. 111 Schimansky, a.a.O., S. 301. 112 Schimansky, a.a.O., S. 301. 113 Schimansky, a.a.O., S. 301. 114 Schimansky, a.a.O., S. 301. 115 Vgl. Syncon, International Franchise Consultants Österreich, a.a.O. 116 Ethikkodex, Ziffer 1. 117 Vgl. Goebel, a.a.O.

100

Kaufmann, also Unternehmer nach § 14 BGB ist118. Denn als Verbraucher wird man durch

das Gesetz als stärker schutzbedürftig erachtet119. Folglich ist der Informationsbedarf eines

existenzgründenden Franchisenehmers wesentlich höher als eines bereits unternehmerisch

tätigen. Das hat zur Folge, dass die Aufklärungspflicht des Franchisegebers mindestens die

unter 5.2.1. enthaltenen Punkte umfassen muss, jedoch weiterreichend sein sollte.120 D.h.

sie sollte um allgemeine Informationen und Hilfestellungen bezüglich der unternehmerischen

Tätigkeit ergänzt werden. Im Gegensatz dazu sind die unter 5.2.1. genannten Punkte

ausreichend, falls der Franchisenehmer schon als Unternehmer tätig ist.

5.2.3. Abweichender Informationsbedarf des Franchisenehmers, der bereits die

Branche kennt

Der Umfang der Aufklärungsbedürftigkeit hängt außerdem davon ab, ob der Fran-

chisenehmer bereits in der Branche tätig ist, und somit schon branchenspezifisches Wissen

hat, oder nicht.121 So hat der Franchisegeber ihn ausführlicher122 über die Wirkungsweise

des Konzeptes und der Position des Systems auf dem Markt aufzuklären, wenn er

branchenfremd ist. Bei Branchenkenntnis kann also davon ausgegangen werden, dass der

Franchisenehmer bereits einschätzen kann, wie das System am Markt steht, und muss

folglich nicht so ausführlich darüber aufgeklärt werden.

5.2.4. Abweichender Informationsbedarf des Franchisenehmers, der das

Franchisesystem bereits kennt

Ein Extremfall der Branchenkenntnis liegt vor, wenn der Franchisenehmer bereits das

System kennt. Das kann z.B. der Fall sein, dass er ein ehemaliger Mitarbeiter des

Franchisegebers ist123, der sich nun als Franchisenehmer selbstständig machen möchte. In

diesem Falle tendiert sein Informationsbedarf gegen Null und damit ist er nicht

aufklärungsbedürftig124. Demnach ist der Franchisegeber nicht verpflichtet, über alle unter

5.2.1. genannten Punkte aufzuklären.

5.3. Informationsbedarf des Franchisegebers

5.3.1. Grundsätzlicher Informationsbedarf

Wie bereits unter 3.2 erwähnt, benötigt der Franchisegeber Angaben über den

Franchisenehmer, um einen geeigneten Partner auswählen zu können. Geeignet ist der

Franchisenehmer, der aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten und finanziellen

118 Vgl. Advogarant, a.a.O. 119 Vgl. Giesler, a.a.O. 120 Vgl. Giesler, a.a.O. 121 Vgl. Goebel, a.a.O. 122 Vgl. Goebel, a.a.O. 123 Vgl. Franchisestarter, a.a.O. 124 Vgl. Franchisestarter, a.a.O.

101

Möglichkeiten125 in der Lage ist, den Franchisebetrieb eigenständig zu führen und der

bemüht ist, sich für das Wachstum seines Franchise-Betriebes126 und die Wahrung der

gemeinschaftlichen Identität und des guten Rufs des Gesamtsystems einzusetzen.127 Um

das vor Vertragsschluss möglichst gut beurteilen zu können, schuldet der Franchisenehmer

dem Franchisegeber gemäß Grundsatz 5 i.V.m. Grundsatz 3 wahrheitsgemäße und

vollständige Angaben über

- sich und seine Bereitschaft, in das Gesamtsystem zu investieren128,

- seine persönlichen Eigenschaften (Kompetenz, Fleiß, Sorgfalt, Fairness, Offenheit,

Ehrlichkeit)129,

- seine beruflichen Qualifikationen130 und

- seine finanziellen Möglichkeiten131.

Die Informationspflicht des Franchisenehmers über diese Sachverhalte wird zwar durch

Grundsatz 3 und 5 gedeckt, doch kann sich der Franchisegeber aufgrund der Existenz des

Motiv 2 des Franchisenehmers nicht vollständig sicher sein, dass der Franchisenehmer

wahrheitsgemäße Angaben macht. Um dennoch einen geeigneten Franchisenehmer

auszuwählen, kann der Franchisegeber den Betrag seiner Eintrittsgebühr so hoch setzen,

dass nur derjenige Franchisenehmer dem System beitritt, der langfristig gewillt ist, in das

System zu investieren, da sich sonst die hohe Eintrittsgebühr für ihn nicht rechnet.132

5.3.2. Abweichender Informationsbedarf des Franchisegebers, der den

Franchisenehmer bereits kennt

Wenn der Franchisenehmer dem Franchisegeber bereits bekannt ist, weil dieser schon

einmal für ihn gearbeitet hat, so kann man analog zu 5.2.4 festhalten, dass auch dann die

Aufklärungspflichten des Franchisenehmers gegen Null tendieren.

6. Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es zwar in Deutschland keinen speziellen

gesetzlichen Rahmen für Franchising gibt, doch sind die wesentlichen Vorgaben durch das

BGB, den Ethikkodex des Deutschen Franchisingverbandes und durch Vorgaben aus

Literatur und Rechtsprechung vorhanden. Es erfordert jedoch für die unerfahrenen

Franchisenehmer und -geber einigen Aufwand, diese in vollem Ausmaß zu erfassen.

Deshalb wurde hier Arbeit versucht, eine Zusammenstellung der aufklärungspflichtigen

125 Vgl. Weiß, a.a.O. 126 Ethikkodex, Ziffer 2.3. 127 Vgl. Mattmüller, a.a.O., S. 195. 128 Vgl. Mattmüller, a.a.O., S. 197. 129 Jungwirth, Birgit, Franchising, Chancen und Risiken aus Sicht österreichischer Franchise-Nehmer, Wien, 1994, S. 78. 130 Vgl. Goebel, a.a.O. 131 Vgl. Goebel, a.a.O. 132 Vgl. Fleischer, a.a.O., S.95 – 98; Mattmüller, a.a.O., S.196 - 198.

102

Sachverhalte zu schaffen und den Leser dafür zu sensibilisieren, dass aufgrund

verschiedener Motive der jeweiligen Marktteilnehmer, aber auch durch bestimmte exogene

Größen (Wirtschaftsliberalismus, Grenzen der Aufklärung) eine vollständige

Informationssymmetrie nicht möglich ist.

103

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104

II. Rechtsprechung OLG Hamburg, Urteil v. 30.12.2002 – 5 U 220/01, DB 2003, 1054-1056 OLG München, Urt. v. 16.09.1993 – 6 U 5495/92, NJW 1994, 667-668 OLG München, Urt. v. 24.4.2001 - 5 U 2180/00, BB 2001, 1759-1762 OLG Schleswig 22.01.2008 - 1 W 27/07, NJW 2009, S. 64-66

105

Mediation bei Franchise-Systemen – eine zukunftsweisende Streit-

schlichtung?

Stud. rer. pol. Andreas Löwe

1. Einleitung

Franchise-Systeme stellen heute eine etablierte Form wirtschaftlicher Kooperation dar. Der

Begriff des Franchising ist nicht abschließend eindeutig geklärt, in der Regel finden sich aber

Begriffserklärungen wie die folgende Definition von Erich Kaub:

„Franchising ist ein vertikal-kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbstständiger

Unternehmen auf der Basis eines vertraglich geregelten Dauerschuldverhältnisses. Dieses

System tritt am Markt einheitlich auf und wird geprägt durch das arbeitsteilige

Leistungsprogramm der Systempartner sowie durch ein Weisungs- und Kontrollsystem zur

Sicherung eines systemkonformen Verhaltens. […] Der Franchise-Nehmer ist im eigenen

Namen und für eigene Rechnung tätig; er hat das Recht und die Pflicht, das Franchise-Paket

gegen Entgelt zu nutzen. Als Leistungsbeitrag liefert er Arbeit, Kapital und Information“.1

Allein in Deutschland existieren ca. 200 Franchise-Systeme.2

Wie man der o.g. Definition entnehmen kann, besteht in der Regel eine engere Beziehung

zwischen Franchisegeber (FG) und Franchisenehmer (FN) sowie zwischen den Franchise-

nehmern untereinander, und wie alle Beziehungen kann auch diese durch Konfliktfälle

erheblich beeinträchtigt werden, woran selbst klare Bestimmungen innerhalb der Franchise-

Verträge nichts ändern mögen.

Dabei hat sich ergeben, dass eine gerichtliche Klärung der Streitigkeiten nicht immer die

beste Lösung im Sinne der Parteien bedeutet, die oft eine längere Zusammenarbeit vor sich

liegen haben und denen deshalb an einem intakten Verhältnis zueinander gelegen sein

sollte.

Aus diesem Grunde und anderen treffen auch hier Möglichkeiten der außergerichtlichen

Streitbelegung immer häufiger auf offene Ohren.3

Zu diesen neuen Verfahren zählt auch die Mediation, um die es in dieser Arbeit vorrangig ge-

hen soll. Dabei wird sie zunächst im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung darge-

stellt nach Begrifflichkeit, Funktionsweise und Formen, um in einem weiteren Schritt zu un-

tersuchen, inwieweit dieses Verfahren für Franchise-Konflikte geeignet und zukunftsweisend

sein kann - vor allem auch für Deutschland.

1 Zit. nach Wirtschaftskammer Österreichs: Leitfaden zum Franchising, S. 7. 2 Vgl. www.dfv-franchise.de. 3 Vgl. Flohr, Franchise-Vertrag, S. 270.

106

2. Außergerichtliche Streitbeilegung

2.1. Die ADR-Bewegung

Den Ausgangspunkt für die Professionalisierung der verschiedenen außergerichtlichen

Streitbeilegungsmethoden bildete die Ende der 1960-er Jahre in den USA einsetzende ADR-

Bewegung. Die Abkürzung steht für Alternative Dispute Resolution.

Ursache hierfür war die starke Überlastung der US-amerikanischen Gerichte, die spätestens

in den siebziger Jahren zu umfangreichen Diskussionen zwischen Akademikern, Richtern

und Anwälten über Alternativen führte. Dadurch setzte ein Prozess der Suche nach neuen

Konfliktlösungsmodellen ein, die keines Gerichtes bedürfen, wobei zunehmend

interdisziplinär vorgegangen wurde. Die Komplexität aller möglichen Konfliktfäller ließ gar

keine ausschließlich juristische Betrachtung zu, und so fanden u. a. auch kulturanthro-

pologische Ansätze ihren Weg in die Diskussion. Bis 1990 hatten alle Bundesstaaten der

USA wenigstens ein dispute resolution program. Dabei kann ADR ein zwingendes Vorver-

fahren zum Gerichtsprozess oder eine freiwillige Alternative darstellen oder auch die

Normsetzung von Bundesbehörden unterstützen.

Mit der Bewegung gingen auch eine zunehmende Verbreitung des ADR-Angebots im priva-

ten Sektor und die Professionalisierung in diesem Bereich einher.4

2.2. Formen von ADR

Im Wesentlichen unterscheidet man bei ADR zwischen drei verschiedenen Hauptverfahren:

Arbitration, Negotiation und Mediation bzw. Schiedsgerichtsbarkeit, Verhandlung und Me-

diation. Diese bilden die drei Grundsäulen von ADR.5

Bei der Schiedsgerichtsbarkeit unterscheiden sich Schiedsgericht und Schiedsgutachten.

Auf deutsche Verhältnisse bezogen gehört ersteres zu den bindenden Verfahren, da ein

Schieds-Spruch gem. § 1055 ZPO einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht, was für letzteres

nicht zutrifft, weshalb es zu den nichtbindenden Verfahren zählt. Bei den privaten

Schiedsgerichten ist weiterhin zwischen nationalen und internationalen sowie ad hoc und

institutionell gebildeten zu unterscheiden. Ad hoc-Schiedsgerichte geben sich eine eigene

Verfahrensordnung, während letztere die nach den Regeln einer Institution verfahren.

Schiedsgutachten betrachten nur einen Teilaspekt eines Konfliktes und klären seine

Tatbestandsmerkmale oder sie entscheiden kleinere Streitigkeiten um einzelne Belange und

klären diese verbindlich. Die Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit liegen vor allem in der Ein-

instanzlichkeit, der Möglichkeit, auf gewisse gerichtliche Formalitäten verzichten zu können,

und ggf. einer internationalen Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs.6

4 Vgl. Breidenbach: Mediation. Struktur, Chancen und Risiken von Vermittlung im Konflikt, S. 11 - 13, 21. 5 Vgl. Mannhart: Mediation im System der außergerichtlichen Streitbeilegung dargestellt anhand von Patent-rechtsstreitigkeiten, S. 28. 6 Vgl. Mannhart, aaO, S. 43 - 52 und Giesler: Franchising und Recht. Streitlösung in Franchise-Systemen.

107

Verhandlungen verfolgen das Ziel einer souveränen selbstständigen Konfliktlösung unter

den Parteien ohne Einfluss von außen. Zu unterscheiden sind hier vor allem Macht-, Recht-,

Interessen- und Transformationsansatz. Beim Machtansatz treten die Parteien als Konkur-

renten auf und versuchen die für sie jeweils beste Lösung herauszuholen, ohne große Rück-

sicht auf den anderen zu nehmen - der Stärkere gewinnt. Dabei kann es auch zum Einsatz

extrem unfairer Mittel kommen, welche u. U. die Grenzen der Legalität sprengen. Der

rechtliche Ansatz versucht das Machtspiel zu dämmen und gewisse Regeln einzuführen,

wobei man sich am geltenden Recht orientiert. Dahinter steht der Gedanke, dass das Recht

ja genau zu diesem Zwecke gesetzt wurde. Es geht also um die schlichte Einhaltung der

rechtlichen Normen, ohne gerichtliche Verfahren erforderlich zu machen. Im interessen-

basierten Ansatz suchen die Parteien bei der Verhandlung nach einer Lösung, die ihre

dahinter stehenden tieferen Interessen befriedigt, d.h. dass eine Verhandlung hier nicht nur

auf die Einigung bezüglich konkreter Streitsachen abzielt, sondern versucht, das Wesen der

Standpunkte zu ergründen und sie in entsprechend kooperativer Weise und ggf. auch

langfristig in eine gemeinsame Lösung münden zu lassen. Hinter konkreten Forderungen

stehen hierbei grundsätzlichere Belange, die auch anders befriedigt werden können.

Verhandlungen nach dem transformativen Ansatz wollen die Konflikthandhabung grundle-

gend verändern und verbessern. Hier wird vor allem Wert auf das moralische und

persönliche Wachsen der Parteien gelegt, das es ihnen ermöglichen soll, ihre Kommu-

nikationskanäle qualitativ deutlich zu heben.7

Den Ansätzen liegen folgende Verhandlungsstrategien zugrunde: Vermeidung (den Konflikt

ignorieren und schweben lassen), Anpassung (großen Wert auf die Beziehung legen und

eigene Belange dafür zurückstecken), Konkurrenz (Machteinsatz), Kompromiss (gegen-

seitige Abstriche für faire Lösung, ohne komplette Zufriedenheit zu erreichen) und Kollabo-

ration/Kooperation (Suche nach für beide Seiten gewinnbringender Lösung).8

Verhandlungen stellen mehr oder weniger die Grundform der Konfliktbeilegung dar, die auch

der Mediation zugrunde gelegt wird. Aus diesem Grunde sind o. g. Ansätze ebenso für die

Mediation relevant, da der Mediator seine Tätigkeit nach ihnen ausrichtet. Natürlich treten

diese Formen selten in Reinform auf und vermischen sich in der Regel - schon gar nicht ha-

ben die Parteien diese konkreten Konzepte im Hinterkopf, wenn sie verhandeln -, trotzdem

ist ihre isolierte Betrachtung erforderlich, um die einzelnen Aspekte des Konfliktverhaltens

der Parteien ausfindig zu machen, zu verstehen und zu analysieren, damit ihnen, falls

angebracht, angemessen begegnet werden kann.

Die dritte Grundsäule stellt, wie bereits erwähnt basierend auf der Verhandlung, die Media-

tion dar, welche unten im dritten Abschnitt ausführlicher behandelt werden wird.

7 Vgl. Barsky: Conflict Resolution for the Helping Professions, S. 64 – 66. 8 Vgl. Barsky aaO, S. 42 – 43. und Mannhart, aaO, S. 61 – 63.

108

Weiterhin existieren in den USA fünf speziellere Verfahrenstypen. Dies sind: court-annexed

arbitration, early neutral evaluation, summary jury trial, special master und mediation.9 Die

Verfahren sind sich alle sehr ähnlich, sollen hier aber mit Rücksicht auf die Begrenzung der

Thematik nicht behandelt werden.

2.3. Zweck außergerichtlicher Streitbeilegung

Welche Motive sind ausschlaggebend für die zunehmende Durchsetzung außergerichtlicher

Konfliktlösungswege? Dahinter stecken sowohl wirtschaftliche, individuell-private als auch

gesamtgesellschaftliche Interessen.

Im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sinne wichtig ist in jedem Falle eine Entlastung

der Justiz. Lange Prozesszeiten sind anstrengend, aufwändig und in der Regel äußerst kos-

tenintensiv, wobei gerade Deutschland in diesem Punkt am besten organisiert ist und mit

einem recht effektiven Justizsystem aufwarten kann.10 Trotzdem kann es nicht schaden,

wenn eine Selektion durch außergerichtliche Verfahren dazu führt, dass nur wesentliche Fäl-

le vor Gericht landen, denn damit ist auch eine qualitativ höherwertige inhaltliche Auseinan-

dersetzung durch die Richter mit diversen Problematiken besser gewährleistet. Für den

Einzelnen entstehen ebenfalls durch Gerichtsverfahren zum Teil erhebliche Kosten, was

gerade in schlechter wirtschaftlicher Situation - ob nun als Kleinunternehmen oder privater

Haushalt - sehr problematisch werden kann, so dass den Betroffenen an einer weniger kos-

tenintensiven Möglichkeit gelegen sein muss. Kosten können auch emotionaler Natur sein

und sehr belastend wirken. Für Unternehmen und auch Individuen mag ebenfalls die Stär-

kung der Privatautonomie wichtig sein. Im pragmatischen Sinne bedeutet dies eine bevor-

zugte Selbstkontrolle, d.h. auch Bedingungen der Vertraulichkeit und Konfliktbeile-

gungsprivatisierung in größtmöglichem Umfang durch Unternehmen, wirtschaftliche

Verbände, Haushalte etc. Ideologisch betrachtet, steckt hinter diesem Gedanken der Wille

zur Realisierung einer Zivilgesellschaft, in der informelle Absprachen gegenüber dem impe-

rativen Recht gestärkt und die Privatautonomie als natürlicher menschlicher Wesenszug her-

vorgehoben werden sollen. Damit einher geht wiederum die Vorstellung von der Stärkung

der Gemeinschaft. Durch eine erhöhte Bereitschaft zur und Notwendigkeit der Selbst-

kontrolle sollen die innergesellschaftliche Solidarität und der zwischenmenschliche

Zusammenhalt gestärkt werden. Es wird also implizit vermutet, dass auf diesem Wege auch

der Utopie eines freundlichen und friedlichen Miteinander näher gekommen werden könne,

indem man den Menschen gar keine andere Wahl lässt, als sich immer stärker auf selbst-

ständige Weise zu arrangieren. Das wiederum könnte in die Diskussion um die Machbarkeit

einer Anarchie führen, aber es ist kaum anzunehmen, dass die ADR-Bewegung und ihre

Vertreter so weit denken. Was aber definitiv im Interesse letzterer liegt, ist ein verbesserter

9 Vgl. Breidenbach, aaO, S.13 – 17. 10 Vgl. Mannhart, aaO, S. 6.

109

Zugang zum Recht. Beabsichtigt wird dadurch, dass auch sozial Schwächere oder

Kleinunternehmen angemessen ihre Rechte wahrnehmen können, indem ihnen der Zugang

durch wesentlich geringere Kosten stark erleichtert wird. Allerdings besteht hierbei u. U. das

Problem der Durchsetzbarkeit und Verbindlichkeit außergerichtlicher Einigungen, die zwar

bei Schiedssprüchen weitestgehend gewährleistet ist, aber sich gerade bei

Mediationslösungen, vor allem im grenzüberschreitenden Verhältnis, als recht schwierig

erweisen kann, wie noch zu sehen sein wird, sodass fraglich ist, ob überhaupt ein besser

Rechtszugang erreicht werden kann.11

Weitere Motive für ADR sind eine u.U. angemessenere Erfassung komplexer

Zusammenhänge hinter Konflikten gegenüber dem vereinfachenden Charakter vom Recht.

Das zielt auf die bereits erwähnte Ergründung des Wesens der Interessen ab. Außerdem

werden Konfliktlösungen auf internationaler Ebene durch verschiedene Rechtsordnungen

erschwert, und eine internationale Anerkennung von Urteilen kann keineswegs gewährleistet

werden. Deshalb sollen vor allem Schiedsgerichte und Mediation hier abhelfen, trotz der

angedeuteten fortbestehenden Schwierigkeiten bei letzterer.12 Das Vertrauen in die Ein-

haltung der gemeinsam erreichten Lösung und die Tatsache, dass für die Erarbeitung dieser

Zeit und Kosten aufgewendet wurden, müssen damit ggf. für entsprechende Sicherheiten

sorgen.

Prinzipiell hat ADR erhebliche Vorteile zu bieten, die gerade für die Qualität einer außerge-

richtlichen Konfliktlösung gegenüber einem Gerichtsurteil sprechen. Für die Mediation wird

es aber wichtig sein zu klären, inwieweit durch eine solche Lösung auch Sicherheiten hin-

sichtlich der Einhaltung erreicht werden können.

3. Mediation als außergerichtliches Verfahren

3.1. Begriff

3.1.1. Allgemeine Grobdefinition

Der Begriff der Mediation umfasst sehr viele Aspekte, die auch vom kulturellen Hintergrund

abhängen. Daher ist kaum möglich, eine eindeutige und konkrete Definition zu formulieren.

Das liegt zum einen an dem Begriff selbst, hat jedoch auch mit verschiedenen existierenden

Mediationsformen zu tun.

Im Wesentlichen beschreibt folgende Formulierung den Inhalt aber genügend angemessen:

Mediation stellt ein (in der Regel informelles) Verfahren der außergerichtlichen Streitbeile-

gung dar, bei dem ein neutraler Dritter - der sog. Mediator -, der das Vertrauen der Konflikt-

parteien besitzt, diese bei ihren Verhandlungen auf verschiedene mögliche Weisen unter-

stützt, aber keine Entscheidungsmöglichkeiten inne hat.13

11 Vgl. Mannhart, aaO, S. 7 – 14. 12 Vgl. Mannhart, aaO, S. 15 – 26. 13 Vgl. Mannhart, aaO, S. 79, sowie Breidenbach, aaO, S. 1, und Barsky, aaO, S. 116.

110

3.1.2. Schwierigkeiten klarer begrifflicher Bestimmung

Der Begriff stammt von dem englischen Wort mediation und ist mit der amerikanischen ADR-

Bewegung groß aufgekommen. Grob ins Deutsche übersetzt bedeutet er Vermittlung.

Mediation als Verfahren jedoch hat eine spezifischere Bedeutung. Das deutsche Verständnis

von Mediation entspricht allgemein obiger Definition unter Annahme eines nicht entschei-

dungsbefugten neutralen Dritten. Im englisch-amerikanischen Sprachgebrauch meint me-

diation jedoch nicht nur Mediation im engeren Sinne, sondern auch Vermittlung und Schlich-

tung.14 Schlichtung wiederum ist aber ein recht weit fassbarer Begriff, der alles zwischen ei-

ner Konfliktlösung auf dem Verhandlungswege ohne bindende Entscheidung von außen und

einer direkten verbindlichen Klärung des Streitgegenstandes durch einen Dritten erfassen

kann. Außerdem liegt der unter 3.1.1. gegebenen Definition eine feste Konzeption zugrunde,

die strukturell klar aufgebaut ist, während die Schlichtung keine wirkliche Methodik aufweist.

Damit unterscheidet sich dieser Mediationsbegriff bedeutend vom geläufigen deutschen. Er

bildet lediglich einen Oberbegriff für seine Unterformen, genauso wie Vermittlung nur der

Oberbegriff für die speziellere Mediation im deutschen Sprachgebrauch ist.15

Der englische Begriff wird hier jedoch keine weitere Rolle mehr spielen. Die Orientierung

erfolgt an der deutschen Wortbedeutung, weil gerade die spezifischere Mediationsform für

Franchise-Systeme wohl eher von Bedeutung sein dürfte, wenn Deutschland der wesentliche

Standort ist.

3.2. Mediationsarten

Mediation lässt sich in verschiedene Ausformungen differenzieren. Dabei kommt es darauf

an, welches Differenzierungskriterium gewählt wird. So ist zum Beispiel eine Unterscheidung

nach der Eingriffsintensität des Mediators möglich. Allerdings orientiert sich diese am Ver-

fahren und wird daher erst im nächsten Punkt Beachtung finden. Darüber hinaus wird sie

durch die Zielsetzung des Mediationsverfahrens bestimmt, welche sich im Prinzip aus den

verschiedenen Verhandlungsansätzen und -strategien ergibt, die oben unter 2.2. dargestellt

wurden. Es scheint aus diesem Grunde sinnvoller, das Ziel als Kriterium zu verwenden, da

hierdurch das Wesen des Verfahrens besser erfasst wird. Davon ausgehend ergeben sich

folgende Mediationsformen bzw. -projekte:

3.2.1. Service-Delivery Project

Dieses Verfahren zielt auf eine schnelle und effiziente Beilegung konkreter Konflikte ab.

Hierdurch sollen sowohl für die Konfliktparteien als auch für die Justiz Entlastungen von

Kosten und anderen Belastungsarten erreicht und die unterschiedlichen Interessen der Par-

teien ausreichend befriedigt werden. Der Vergleich wird generell als bessere Alternative zum

14 Vgl. Mannhart, aaO, S. 75. 15 Vgl. Mannhart, aaO.., S. 70 – 71.

111

Gerichtsurteil wahrgenommen. Allerdings läuft es tendenziell eher auf eine schnelle denn

eine qualitativ hochwertige Lösung hinaus, so dass die Effizienz die Qualität weitestgehend

dominiert. Das Maß an Verhandlungsmacht kann hierbei äußerst entscheidend sein. Bei

geringer Ressourcenverfügbarkeit für eine Partei wird die Wahrscheinlichkeit recht groß sein,

dass sie trotz möglicher guter Aussichten in einem Gerichtsverfahren dieses meidet, weil sie

zum einen ein Verfahren nicht finanzieren will und zum anderen das Bedürfnis nach einer

schnellen Streitbeilegung - welches auch aus der wirtschaftlichen Situation resultieren mag -

diesen Verhandlungsnachteil noch vergrößert.16

Insofern kann also keineswegs von einer freiwilligen Teilnahme und fairen Voraussetzungen

die Rede sein. Die eine Partei erklärt sich lediglich bereit, weil ihr kaum etwas anderes übrig

bleibt, und es ist unwahrscheinlich, dass ein faires, zufrieden stellendes Ergebnis erreicht

würde. Wiederum stellt sich dann die Frage, ob sie nicht trotzdem das für sie bestmögliche

herausgeholt hat, wenn sie sowieso die Kosten eines Gerichtsverfahrens nicht hätte tragen

können. Gerade aber unter Beachtung der Möglichkeiten der Prozesskostenhilfe und der

Aussicht auf ein begünstigendes Urteil mit Kostenrückerstattung sollte dieses Argument

kaum Bestand haben, wenn man von schwerwiegenden wirtschaftlichen Situationen einer

Partei als mögliches Szenario absieht.

Deshalb dürfte das Service-Delivery Project wohl nur dann geeignet sein, wenn beide

Parteien ähnliche Verhandlungsmacht vorweisen können.

3.2.2. Individual-Autonomy Project

Eine Konfliktlösung unter Selbstbestimmung hat hier absoluten Vorrang. Außerdem sollen

persönliche Fähigkeiten für die Handhabung künftiger Konfliktsituationen im Sinne von Er-

ziehung vermittelt werden. Damit wird die Ausgleichung der inhaltlichen Mängel des Service-

Delivery Project verfolgt. Die Erziehung tritt aber hinter das Autonomiebedürfnis zurück und

würde eher als positiver Nebeneffekt auftreten. Da dieses Verfahren weniger dem Zeitdruck

ausgesetzt ist, bleibt auch mehr Raum für eine intensivere inhaltliche Auseinandersetzung,

bei der der Mediator auch die Möglichkeit hat, möglicherweise vorhandene Nachteile hin-

sichtlich der Verhandlungsmacht durch sein Wirken auszugleichen, wobei er aufpassen

muss, nicht parteiisch zu wirken, um kein Misstrauen bei der anderen Partei zu schüren.

Eine Ausrichtung an Autonomie bedeutet aber auch, dass das Verfahren es hürdenlos

zulassen muss, wenn die Parteien sich doch für einen Gerichtsprozess entscheiden.17

Individual-Autonomy scheint ein stark interessenbasiertes Mediationsverfahren zu sein, wel-

ches große Rücksicht auf die persönlichen Belange der Parteien nimmt und ihre Eigenheiten

akzeptiert. Damit orientiert es sich auch eher an einer echten inhaltlichen Annäherung,

welche das Verhältnis der Parteien integriert, lässt auf der anderen Seite den Parteien aber

16 Vgl. Breidenbach, aaO, S. 119 und 213 – 222. 17 Vgl. Breidenbach, aaO, S. 120 und 224 – 232.

112

jegliche Freiheiten, sich vom Verfahren abzuwenden. Weiterhin bemüht es sich,

Verhandlungsmacht zu begegnen. Aus diesen Gründen ist es für langwierige Beziehungen

zwischen den Konfliktparteien sehr gut geeignet.

3.2.3. Access-To-Justice Project

Wie bereits der Name sagt, beabsichtigt diese Form einen besseren Zugang der Parteien

zum Recht - in der Regel, wenn ein Gerichtsverfahren einfach zu teuer werden würde.

Dass informelle Verfahren leichter zugänglich sind, stellt wohl ein Faktum dar. Aber ob durch

Mediation ein besserer Rechtszugang ermöglicht werden kann, ist ziemlich fragwürdig. Denn

wo Verhandlungsmacht die Überhand gewinnt, wird die Aussicht, „zu seinem Recht zu kom-

men“, wieder zunichte gemacht, da der Mediator den schwächeren Part auch nicht unter-

stützen kann, wenn er nicht der Manipulation und Parteilichkeit beschuldigt werden will und

damit das Verfahren gefährden möchte.18

Natürlich könnte man an dieser Stelle einwenden, dass der Mediator beim Individual-Auto-

nomy Project den Schwächeren doch auch unterstützen darf. Der Unterschied besteht aber

darin, dass die Parteien dort auch ein stärkeres Interesse an ihrer Beziehung und Autonomie

der Konfliktlösung haben, während mindestens eine Partei beim Access-To-Justice lediglich

zu ihrem Recht kommen will. Es kommt also mehr auf die Absichten und Motivationen der

Parteien als auf den Mediator an. Genau genommen richtet der Mediator sein Agieren ten-

denziell am Bedürfnis der Parteien aus.

Das Access-To-Justice Project ist aufgrund seiner kaum gegebenen Vorteile außer Acht zu

lassen.

3.2.4. Reconciliation Project

Übersetzt handelt es sich bei Reconciliation um Versöhnung. Eine Mediation, die

Versöhnung beabsichtigt, ist äußerst manipulationsanfällig. Der Mediator kann durch eine

überzogene „Harmonie-Ideologie“ - mit der er den Parteien regelrecht ein schlechtes Gewis-

sen einredet, wenn sie nicht zu einer Einigung kommen, indem er ihnen Ideale des sozialen

Miteinander vorhält - eine Lösung erzwingen und die Parteien dazu bringen, einen Schein-

frieden zu schließen, mit dem wohl keine von beiden im Regelfall nachhaltig zufrieden sein

dürfte.

Reduziert man das Ziel jedoch auf eine bloße Akzeptanz des Standpunktes der anderen

Seite, so gestaltet sich das Ganze schon weitaus realistischer. Dabei gilt es, Vorurteile aus-

zumerzen und die Parteien zu einer insgesamt realistischeren Formulierung der eigenen Po-

sition zu bewegen, die der anderen Seite mehr Verständnis entgegenbringt.19 Damit hätte

man hinsichtlich der Kommunikationsqualität im Konflikt sogar etwas Wesentliches erreicht,

18 Vgl. Breidenbach, aaO, S. 233 – 237. 19 Vgl. Breidenbach, aaO, S. 237 – 242.

113

wobei dies eigentlich auch Bestandteil des Individual-Autonomy Project ist und daher die

Eigenständigkeit des Reconciliation Project in Frage stellt.

Prinzipiell ist aber der Gedanke der Horizonterweiterung der beteiligten Parteien grundsätz-

lich zu bejahen, während eine ultimative Versöhnung abzulehnen ist, da sie maximal als Ne-

benprodukt erreicht werden kann.

3.2.5. Social-Transformation Project

Die Absicht liegt darin, dass durch die Mediation ein Plus für die Gesellschaft entstehen soll,

bspw. bezüglich der allgemeinen Streitkultur. Es ist aber kaum anzunehmen, dass die Par-

teien irgendein Interesse daran haben, ihren persönlichen Privatkonflikt auf eine kollektive

Ebene zu heben, da sie in erster Linie eine Lösung ihres eigenen Problems anstreben. Aus

diesem Grunde müsste der Mediator extrem manipulativ vorgehen und seine wahren Ab-

sichten verbergen, was mit Sicherheit nachteilig für das Verhandlungsergebnis sein würde.20

Ein gesellschaftlicher Zugewinn mag sicherlich wünschenswert sein, erscheint aber vor dem

Hintergrund der Individualität der Konflikte, um die es hier geht, als eigenständiges Ziel äu-

ßerst illusorisch.

Weiterhin lässt sich auch nach ergebnisorientierter und therapeutischer Mediation unter-

scheiden.21 In erstere lässt sich am ehesten Service Delivery und Access To Justice ein-

ordnen, während Reconciliation einen klaren therapeutischen Zweck verfolgt. Individual

Autonomy scheint beide Ansätze vereinen zu wollen und dürfte auch nicht zuletzt deshalb

die größte Aufmerksamkeit verdienen. Im Hinblick auf Franchinsing-Systeme wird es hier

auch um solch einen Medationsansatz gehen, da er Interessen und Beziehungen berück-

sichtigt.

Weiter treten Mischformen22 mit anderen Verfahrenstypen auf, die hier aber keine weitere

Rolle spielen sollen.

3.3. Verfahrensweise

3.3.1. Aufgaben des Mediators und Verfahrensgrundsätze

Der Mediator als „neutraler Dritter“ ist, wie die Bezeichnung schon aussagt, zur Unparteilich-

keit/Neutralität verpflichtet, kann aber, wie bereits oben erwähnt, durchaus Maßnahmen er-

greifen, um die Verhandlungsposition einer schwächeren Partei im Sinne von Fairness zu

verbessern bzw. überhaupt die Verhandlungsbalance zu halten. Er kann die Neutralität auch

verletzen, wenn er in der Einigung einen Verstoß gegen die Öffentliche Ordnung und gelten-

des Recht sieht. Die Neutralität ist also im Kontext anderer wichtiger Belange zu be-

20 Vgl. Breidenbach, aaO, S. 242 – 247. 21 Vgl. Mannhart, aaO, S. 81. 22 Siehe dazu Mannhart, aaO, S.85 – 92.

114

trachten.23 Wichtig ist ebenfalls der allgemeine Grundsatz der Vertraulichkeit.24 Das be-

deutet, dass der Mediator gegenüber Dritten - auch der anderen Partei - Stillschweigen über

Inhalte zu wahren hat, es sei denn, ihm wird die Erlaubnis erteilt, Informationen auch ander-

weitig zu verwenden. Damit sind auch mögliche Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren

eingeschlossen, in denen der Mediator nicht als Zeuge auftreten noch Informationen -

welcher Art und Form auch immer - aushändigen darf.25 Probleme könnte es in Deutschland

hierbei hinsichtlich der Reichweite dieses Grundsatzes geben. Dies betrifft Beweis-

mittelbeschränkungen und Zeugnisverweigerungsrechte. Da hier vornehmlich privatrecht-

liche Konflikte thematisiert werden, findet der Verwaltungsprozess keine Beachtung und

stattdessen werden nur die Bestimmungen des Zivilprozesses betrachtet. Grundsätzlich

findet die Dispositionsfreiheit, abgeleitet aus § 138 Abs. 3 und §§ 288 ff. ZPO, wonach auf

bestimmte Beweismittel verzichtet werden kann, auch Anwendung auf den Mediator. Dazu

bedarf es einer Vertraulichkeitsvereinbarung, wobei Verstöße gegen diese durch Einrede

aufzuzeigen sind. Erfasst sind nur Informationen, an denen ein berechtigtes und erkenn-

bares Interesse der Parteien besteht, wobei dies äußerst subjektiv zu sehen ist, sodass sich

kaum Schwierigkeiten in diesem Punkt ergeben sollten, wenn Vertraulichkeiten protokolliert

werden. Weiterhin kann man davon ausgehen, dass der Mediator in den

Anwendungsbereich des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO fällt und damit ein Zeugnisver-

weigerungsrecht aus persönlichem Grund hat. In bestimmten Berufsgruppen steht ihm die-

ses so oder so zu.26 Außerdem ist die Vertraulichkeit auch in Art. 7 Abs. 1 der Europäischen

Mediationsrichtlinie geregelt.27 Insofern sollte die Vertraulichkeit im deutschen Zivilprozess

Bestand haben.

Prinzipiell hat sich der Mediator in seinem Agieren aber an die Vorgaben des Mediations-

vertrages zu halten. So hat er bspw. das Ergebnis auf seine generelle Rechtswirksamkeit zu

prüfen, wenn er Rechtsanwalt ist. Zumindest sollte er aber über rechtliches Grundwissen im

jeweiligen Bereich verfügen und durch spezielles Fachwissen die Parteien effizient unterstüt-

zen können. Gerade bei Beziehungskonflikten sind außerdem Kenntnisse aus kommunika-

tionswissenschaftlich-psychologischen Disziplinen, ggf. sogar interkulturelles Wissen, er-

forderlich, um die Verständigung zu unterstützen. Der Mediator sollte auch dafür sorgen,

dass der Blick für die Komplexität eines Konfliktes nicht verloren geht, und Zusammenhänge

zwischen einzelnen Aspekten aufzeigen sowie Emotionen kontrollieren, um Eskalationen zu

vermeiden. Er kann sich dazu sowohl der Einzelgespräche als auch gemeinsamer Sitzungen

bedienen.28

23 Vgl. Breidenbach, aaO, S. 169 - 179 , S. 256 - 258 und 288. 24 Vgl. Art 7 I ICC ADR Rules. 25 Vgl. Art 7 II ICC ADR Rules. 26 Vgl. Mannhart, aaO, S. 144 - 146 und S. 148 – 150. 27 Vgl. Eidenmüller / Prause: Die europäische Mediationsrichtlinie…, S. 6. 28 Vgl. Mannhart, aaO, S. 153 – 162.

115

Je nachdem kann der Mediator in einer interessen- und beziehungsbasierten Mediation eine

Katalysatorrolle einnehmen, wo er für die Einhaltung der Umgangsregeln sorgt, einen chair-

man spielen, welcher lediglich den Prozessablauf bestimmt, oder einen enunciator, der die

Informationsbasis der Parteien zu erweitern sucht, mit Hilfe seines Fachwissens auf Folge-

fragen verweist und das Konfliktwesen analytisch aufzuklären versucht. Als prompter inter-

pretiert und reformuliert er die Aussagen und Positionen der Parteien, um den Konflikt inhalt-

lich zu koordinieren, indem er Aspekte hervorhebt und andere zur Vernachlässigung anregt.

Wenn er jedoch Bewertungen vornimmt, so stellt er einen evaluator dar. Dabei geht es ihm

um eine realistischere Beurteilung der eigenen Positionen durch die Parteien und um

Dämpfung von Erwartungen. Ein leader bringt eigene Einigungsvorschläge, während ein Bo-

te lediglich Informationen überbringt, wobei der Umgang mit diesen und ihre Darlegung

höchst manipulativ geschehen kann.29

Praktisch werden diese sieben Rollen des Mediators eher gemischt auftreten und ihre Aus-

übung vom Konfliktgegenstand und der jeweiligen Verhandlungsphase abhängen.

3.3.2. Verfahrensablauf

Laut Barsky lässt sich ein Mediationsverfahren in sieben Phasen einteilen30:

In der Vorbereitungsphase werden fast sämtliche Angelegenheiten durch den/die Media-

tor(en) geklärt, die den Rahmen für das Verfahren bilden. Dazu gehören u. a. die Kon-

taktierung der Parteien, die Sicherstellung der Eignung von Mediation, Art und Ort(e) der Sit-

zungen, Kommunikationskanäle, Sicherstellung des Zugangs der Parteien zur Rechts-

beratung, Gespräche mit den Anwälten und anderen Entscheidungsträgern mit Erlaubnis der

Parteien und die Übereinkunft, wer am Verfahren teilnimmt.

Darauf folgt die Orientierungsphase. Hier wird der Mediationsprozess und seine Funktions-

weise vorgestellt. Die Parteien werden über ihre Eigenverantwortung für das Verfahren auf-

geklärt, ein Zeitplan aufgestellt, die Parteien auf ihre Verhandlungsfähigkeiten (z.B.

Machteinsatz, Fairness etc.) getestet, Prozessstandards und -grundsätze verständlich

dargelegt. Weiterhin versucht der Mediator bereits, Vertrauen zwischen den Parteien aufzu-

bauen, Einzelheiten der Mediationsvereinbarung werden geklärt und die Vereinbarung

schließlich geschlossen. Es findet eine Ergründung der Motive der Parteien für die Entschei-

dung zur Mediation statt und wird eine Einschätzung der Art des Konfliktgegenstandes

vorgenommen. Die Parteien können auch zur Planung Stellung nehmen und Einwände

erheben, sich ggf. sogar zurückziehen. Geschieht dies nicht, dann werden sie einzeln für das

Verhandeln befähigt und „trainiert“. In den ersten beiden Phasen sollte der Mediator sich ggf.

29 Vgl. Breidenbach, aaO, S. 150 – 157. 30 Vgl. Barsky, aaO, S.150 – 156.

116

benötigte Fachkenntnisse aneignen und sich mit möglichen Organisationsstrukturen(von

unternehmen) vertraut machen.31

Mit der Problemdefinition beginnt die dritte Phase. In dieser dürfen die Parteien ihre Belan-

ge herauskristallisieren und Gefühle ablassen, wobei der Mediator dem Ganzen Grenzen zu

setzen hat. Er muss über verschiedene Techniken das Verständnis zwischen den Parteien

sicherstellen und gegebene Informationen reflektieren. Die Kernanliegen der Parteien sollte

er verständlich zusammenfassen und Gemeinsamkeiten herausstellen sowie eine Einigung

über den Fortgang des Verfahrens hinsichtlich der Reihenfolge der Abhandlung der Konflikt-

punkte nach Prioritäten erreichen. Es folgt eine Analyse der tiefer liegenden Interessen. Bei

allem hat er möglichst seine Neutralität zu wahren.

Im nächsten Schritt findet eine Erforschung der Interessen und Bedürfnisse statt. Die

Parteien sollen dabei mit Hilfe des Mediators ihre Gefühle zum Problemgegenstand klar

deutlich machen und die der anderen reflektieren. Es ist die Aufgabe des Mediators, sie zum

Informationsaustausch zu ermutigen, ihnen das Gefühl einer sicheren Umgebung zu geben,

ein angemessenes emotionales Klima beizubehalten und die Diskussion auf das für den

Zeitpunkt Wesentliche zu konzentrieren. Eingriffe können hier zur Herstellung der Machtba-

lance, Erwiderung von Emotionen oder Auflösung von Pattsituationen stattfinden.

Auf dieser Basis wird dann die direkte Verhandlung und Problemlösung angegangen, in

der das Ziel einer Einigung geklärt werden soll. Die Thematik wird hier nun spezifischer, und

der Mediator kann „ältere“ Belange, die außer Acht gelassen wurden, wieder auf den Tisch

bringen. Dabei werden die Parteien zu einer Problembetrachtung aus verschiedenen Per-

spektiven animiert, um eine Palette von Lösungen für jeden Aspekt zu entwickeln, unter de-

nen dann die besten bei der Selektion bestehen bleiben. Durch Einbeziehung von Experten

ist dahingehend weitere Unterstützung möglich. Wenn eine kooperative Problembehandlung

funktioniert, kann der Mediator seine Kontrolle über den Prozess auch zunehmend an die

Parteien abgeben. Werden Zugeständnisse vorgeschlagen, so kann er Kompensations-

vorschläge machen. Hinsichtlich emotionaler Aspekte versucht er persönliche Angele-

genheiten von der Verhandlung zu trennen, die Wirkungen des Verhaltens der Parteien auf

die Verhandlung zu verdeutlichen und ggf. auch die Verhandlungsfertigkeiten der Parteien zu

stärken und alle Anliegen diskutieren zu lassen. Des Weiteren gilt es u. U. kulturelle Ver-

ständnisschwierigkeiten zu überwinden, die Erwartungshaltung der Parteien durch ver-

schiedene verbale Techniken zu ändern und potentielle Verhaltensänderungen für künftige

Konfliktsituationen anzuregen. Darüber hinaus dürfen auch dritte Parteien, die nicht am Ver-

handlungstisch sitzen, aber in irgendeiner Art und Weise involviert sind, nicht ausge-

schlossen werden bzw. können Außenstehende generell in die Erarbeitung einer Einigung

einbezogen werden. Natürlich liegt es auch am Können des Mediators, die Parteien bei

31 Vgl. Mannhart, aaO, S. 171.

117

heftigen Auseinandersetzungen am Tisch zu halten, indem er ihnen bspw. die Kosten einer

nichtmediativen Lösung aufzeigt.

Ist diese zentrale und schwierige Phase abgeschlossen, kann die Ausarbeitung der Abma-

chung beginnen, wo es um die Fixierung der Inhalte und die Einhaltung bzw. Wahl von

Förmlichkeiten geht. Dazu gehört die Art der Sprache des Abkommens (mündlich, schriftlich,

Klartext, Juristensprache etc.), die Festlegung eines Rahmens (Zeit, Orte etc.) für die Folge-

zeit und Umsetzung des Abkommens und vor allem, welchen Status die Abmachung haben

soll hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit - ein Anwalt als Mediator kann einen Mediationsver-

gleich gut absichern, ein Gerichtsbeschluss über den Konsens der Parteien gibt ebenfalls

hinreichend Sicherheit, während bspw. ein informeller Brief schlechter rechtlich abgesichert

ist. Die Einigung muss auf ihre Realitätsentsprechung überprüft, Unvorhersagbarkeiten

müssen abgeschätzt, die Verpflichtungen der Parteien verdeutlicht und die inhaltliche Um-

setzung inkl. Sanktionsmöglichkeiten festgelegt werden. Vorbehalte und Zweifel können die

Parteien jetzt noch einmal anmelden und ggf. darüber diskutieren und Änderungen vor-

nehmen. Ansonsten wird der Mediator den Mediationsprozess zusammenfassen und die

Parteien das Abkommen schließen lassen. Gibt es keine Einigung, so berät er u. a. für den

Fortgang der Konfliktbehandlung und versucht die Gefühle und Frustrationen der Parteien zu

ergründen und bietet sich ggf. für eine künftige Mediation an.

Die letzte Phase, Follow-Up genannt, findet schon außerhalb des Verfahrens statt und be-

inhaltet die Kontaktaufnahme des Mediators zu den Parteien, um ein gewisses Feedback

über die Verhandlung, das Verfahren und seinen Ausgang einzuholen. Darüber hinaus wird

für den Rückgriff auf Mediation auch in der Zukunft geworben.

Diese Sieben-Phasen-Einteilung hat keinen Allgemeingültigkeitscharakter und stellt lediglich

eine Variante dar, die aber für beziehungsintensive und interessenbasierte Mediation sehr

geeignet scheint. Man könnte daraus auch 4 Phasen formulieren, indem man einfach die

ersten beiden zu einer Vorbereitungsphase zusammenfasst, wie auch die vierte und fünfte

zu einer Konfliktbehandlungsphase, sowie die letzten beiden als Abschlussphase ansieht.

Das Wesen der Mediation ist hier aber gut erfasst, und es sind lediglich die Einhaltung o. g.

Grundsätze durch den Mediator zu berücksichtigen.

3.4. Vor- und Nachteile

In diesem Abschnitt soll Mediation als außergerichtliches Verfahren anhand seiner Vorzüge

und Nachteile bewertet werden, die sich zum Großteil aus den vorherigen Ausführungen

ergeben haben. Zunächst erfolgt eine Zusammenfassung der Vorteile.

Ein wesentliches Plus von Mediation ist ihre starke Berücksichtigung von Interessen und

Emotionen gegenüber dem Gerichtsverfahren und die damit u. U. deutlich stärkere Er-

fassung der Komplexität eines Konfliktes und des Beziehungsgeflechtes der Parteien. Ver-

118

rechtlichung kann einen Konflikt zu stark vereinfachen und auf zu wenige Aspekte

reduzieren, so dass der Konfliktherd nicht beseitigt wird. Ein Mediator wird jedoch versuchen,

die Tiefe der Interessen zu ergründen und Einigungen fördern, die auf lange Sicht für beide

Seiten von Vorteil sind. Insofern gestaltet sich Mediation für langwierige Beziehungen als

besser geeignet. Dies begründet sich auch darin, dass im Mediationsprozess die Spielarten

des Umgangs miteinander trainiert und gefördert werden können, so dass eine Interna-

lisierung von grundsätzlichen Regeln wie Fair play, aber auch des Willens zur eigen-

ständigen Konfliktbehandlung möglich ist, was beim Gerichtsverfahren fast auszuschließen

ist. Auf der anderen Seite würde eine stärkere autonome Orientierung auch zur Entlastung

der staatlichen Justiz beitragen. Auch für die Beendigung langwieriger Geschäftsbe-

ziehungen - Aspekte sind hier z. B. vertragliche Rückabwicklungen - scheint Mediation sinn-

voller, da die Beteiligten die Konfliktlage genauer kennen als ein Richter und deshalb stärker

an einer Lösung im Sinne einer kooperativen Problemlösung teilhaben sollten, während ein

radikaler Einschnitt in das Beziehungsgeflecht schwerwiegende Nachwirkungen haben

kann.32 Daran anknüpfend ist prinzipiell auch von einer größeren Sachnähe des Mediators

zum Konfliktgegenstand gegenüber dem Richter auszugehen, da die Parteien den Mediator

frei wählen können und diese Wahl oftmals auf Experten fällt. Im Interesse langfristiger Bin-

dungen ist sicherlich auch eine umfassendere Sicht auf Streitsachverhalte gegeben, d.h. die

durch den Mediator möglicherweise vermittelte Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln, ggf.

überhaupt erst zu erkennen, dass nicht nur die eigene Partei durch den Konflikt belastet

wird, sondern auch die andere Seite und generell ein größeres Verständnis füreinander

aufzubringen. Diese Erhaltung der Qualität der Kommunikationskanäle stellt einen sehr

wichtigen Aspekt für das Funktionieren des Miteinanders dar. Durch den Mediator kann fall-

weise aber auch erst ein offener Umgang der Parteien miteinander hergestellt werden,

indem er diese zur Offenlegung ihrer Anliegen und Gefühle mit Hilfe von bestimmten

Kommunikationsmethodiken animiert33, und gerade für schwächere Verhandlungspartner

kann Mediation eine Möglichkeit sein, überhaupt verhandeln zu können, ohne von der

Machtüberlegenheit des anderen erdrückt zu werden, indem der Mediator zumindest ver-

sucht, das Machtungleichgewicht mit seinem Wissen und Können etwas auszubalancieren.

Weiterhin stellt Mediation allgemein auch ein Diskussionsforum dar, in dem Anliegen ge-

äußert werden können. Ein für Unternehmen besonders wichtiger Aspekt findet sich noch im

Vertraulichkeitsgrundsatz, denn dieser gibt ihnen die Möglichkeit, unangenehme, mögli-

cherweise rufschädigende, öffentliche Auseinandersetzungen zu umgehen34, so dass selbst

für Parteien mit hoher Verhandlungsmacht dies ein sehr einleuchtendes Motiv zur Teilnahme

32 Vgl. Mannhart, aaO, S. 115. 33 Vgl. Mannhart, aaO, S. 113. 34 Vgl. Breidenbach, aaO, S. 249.

119

an einer Mediation sein dürfte. Zuletzt sind noch die Kosten- und Zeiteinsparungen durch

Umgehung teurer formeller und zudem nicht selten langwieriger Verfahren zu nennen.

Mit dem Ende des Verfahrens und dem Abschluss des Mediationsvergleichs könnten sich

Probleme ergeben. Eine kooperative Einigung lässt zwar auch auf eine kooperative Umset-

zung hoffen, im Falle von trotzdem dahingehend auftretenden Streitigkeiten stellt sich die

Frage der Durchsetzbarkeit des Vergleichs, vor allem wenn es sich um international verbun-

dene Unternehmen handelt. Eine Möglichkeit der Vollstreckung ist die Formulierung als An-

waltsvergleich - wenn der Mediator Anwalt ist - nach § 796a Abs. 1 ZPO, der entweder durch

richterlichen Beschluss (§ 796b ZPO) oder einen Notar (§ 796c ZPO) für vollstreckbar (§ 794

Abs. 1 Nr. 4b ZPO) erklärt werden muss. Ist der Vergleich auf die Abgabe einer Willenser-

klärung gerichtet, so kann jedoch kein Vollstreckungstitel erlangt werden. Auch die interna-

tionale Durchsetzbarkeit ist auf den ersten Blick schwierig.

Ist der Mediator Notar, so kann er den Vergleich auch durch eine notarielle Urkunde (§ 794

Abs. 1 Nr. 5 ZPO) absichern, für die die gleichen Bestimmungen wie für den Anwaltsver-

gleich gelten.

Eine weitere Option stellt der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut dar. Voraussetzung

hierfür ist aber, dass während der Mediation und zum Vergleichszeitpunkt auch ein Schieds-

verfahren zum Streitgegenstand stattfinden muss (§ 1053 Abs. 1 ZPO). Dieser

Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut ist zwar international vollstreckbar, da weiträumig

anerkannt, aber übt natürlich auch gewissen Zwang auf die Parteien aus, sich einem

Schiedsverfahren zu unterwerfen, und ist damit auch mit mehr Aufwand und Kosten

verbunden35, so dass Vorteile der Mediation verloren gehen.

Diese Varianten der Durchsetzung erzeugen für die Parteien einen gewissen Aufwand, der

die Effektivität von Mediation behindert, und auch die internationale Durchsetzung ist nicht

immer gewährleistet. Um hier Abhilfe zu schaffen und zur näheren Bestimmung wesentlicher

Aspekte wurde im Mai 2008 vom Rat der EG die europäische Mediationsrichtlinie verab-

schiedet36. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 dieses Rechtsakts kann eine schriftliche Vereinbarung

per Antrag vollstreckbar gemacht werden. Dafür stehen die o. g. Varianten zur Verfügung.

Damit ist zumindest das Problem der Vollstreckbarkeit auf europäischer Ebene gelöst -

zumindest, wenn die Richtlinie in den Mitgliedstaaten umgesetzt wurde -, da entsprechende

Regelungen EG-weit Geltung haben. Auch Deutschland ist damit gezwungen, in den

nächsten drei Jahren ein Mediationsgesetz oder wenigstens speziellere Regelungen zu

verabschieden37, was bisher auf kein großes Interesse gestoßen ist. Das mag zum einen

daran liegen, dass es tendenziell in Deutschland eher üblich ist, die Konflikte direkt und

konfrontativ auszutragen und persönliche Beziehungen sachlich-inhaltlichen Positionen 35 Zu allen drei Optionen vgl. Mannhart, aaO, S. 183 – 190. 36 Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. EU Nr. L 136, S. 3. 37 Vgl. Eidenmüller / Prause, aaO, S. 1 – 13.

120

unterzuordnen. Weiterhin betreibt der Staat ein wirksames soziales Netz, welches dazu führt,

dass eine größere Unabhängigkeit von familiären und persönlichen Netzwerken herrscht,

was die Beendigung von Beziehungsverhältnissen deutlich erleichtert. Es ist fast möglich zu

sagen, dass sich die Deutschen nach ihrer Mentalität eher bevormunden lassen anstatt

selbstständig nach Lösungen für ihre Konflikte zu suchen.38 Aus diesen Gründen ist wohl

auch die Aufklärungsarbeit in Deutschland bezüglich Mediation so gering, so dass Mediation

kaum bekannt ist, bisher eher verhältnismäßig wenig Spezialisten vorhanden sind, folglich

auch eine gewisse Skepsis dem Verfahren gegenüber herrscht - welche so oder so vor-

handen ist - und es nur eher selten zur Anwendung kommt.39 Die Mediationsrichtlinie dient

jedoch allgemein der Förderung der Mediation und deshalb wird sich die öffentliche Auf-

klärung wohl künftig auch verstärken und Mediation mehr Anerkennung finden, wobei Vor-

bereitungen schon getroffen werden, die darüber hinaus auch auf mögliche Regelungen für

den innerstaatlichen Bereich abzielen.40

Außerhalb der EG bleibt das Durchsetzbarkeitsproblem aber bestehen, ebenso wie die zu-

sätzlichen Voraussetzungen, um einen Vollstreckungstitel zu erhalten. Dahingehend stellt

sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, ein internationales Mediationsübereinkommen zu

schließen, welches für die beigetretenen Staaten die Vollstreckbarkeit von Media-

tionsvergleichen regelt, im Sinne des New Yorker Übereinkommens für die internationale

Schiedsgerichtsbarkeit von 1958. Eine solche Vereinbarung könnte eine sofort bindende

Wirkung und Vollstreckbarkeit eines Mediationsvergleichs festlegen, indem er bspw. dem

Spruch eines Schiedsgerichts gleichgesetzt wird. Das widerspräche allerdings der Tatsache,

dass es sich hierbei um zwei verschiedene Verfahren handelt.41 In dem Sinne wäre ein Me-

diationsvergleich auch einem Urteil fast gleichgestellt. Das Gericht wird aber dann zuständig,

wenn die Parteien nicht mehr in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbstständig zu regeln,

jedoch widerspricht das gerade einem Grundgedanken der Mediation - der Privatautonomie.

Die Parteien entschließen sich freiwillig zur Mediation, um selbstständig mit Hilfe Dritter ihre

Probleme zu behandeln, und deshalb sollten sie auch freiwillig getroffene Abmachungen ein-

halten. Dies scheint der tiefere wesentliche Sinn von Mediation zu sein, die Parteien zur

autonomen und qualitätsreichen Konfliktklärung zu befähigen. Es mutet auch unsinnig an,

einen derartigen Prozess durchzustehen, um sich dann nicht an die Abmachungen zu halten.

Aus diesem Grunde kann ein Mediationsvergleich mit zwingender Wirkung hier kaum dien-

lich sein.

Gegenüber Effizienzgesichtspunkten wird dieses Argument sicherlich ins Wanken geraten,

aber für den Fall, dass es doch zu Streitigkeiten kommt, ist mit der Mediationsrichtlinie der

38 Vgl. Potsch-Ringeisen, Stefanie: Mediation als Methode der Konfliktbearbeitung in der deutsch-chinesischen Wirtschaftskooperation, S. 5. 39 Vgl. http://www.mediationsakademie-berlin.de/mab-berlin/meta-seiten/faq/ 40 Vgl. http://www.bundestag.de/wissen/analysen/2008/eu-mediationsrichtlinie.pdf. 41 Vgl. Mannhart, aaO, S. 196 - 206.

121

EG und den Möglichkeiten des nationalen Rechts ausreichend Vorsorge getroffen. Auch in-

ternational, vor allem in den USA, ist Mediation weit verbreitet, und deshalb sollte es auch

mit Konfliktpartnern von dort keine Schwierigkeiten geben. Insofern ergibt sich daraus kein

Nachteil der Mediation.

Wirkliche Nachteile von Mediation stellen in jedem Falle die Manipulationsmöglichkeiten des

Mediators dar. Wenn er es dadurch schafft - z.B. mit Hilfe eines Harmoniedrucks, indem er

eine Einigung zum selbstständigen Wert erhebt -, ein Abkommen zu erreichen, so kann dies

u. U. nur einen Scheinfrieden darstellen, der jederzeit gefährdet ist. Es ist auch möglich,

dass sich die Parteien mit weitaus weniger zufrieden geben, als für sie möglich wäre, u. U.

rechtliche Ansprüche komplett aufgeben, weil der Mediator unter Umständen die Erwar-

tungshaltung zu stark gesenkt hat, so dass sie am Ende vielleicht schlechter dastehen, als

dies bei einem Gerichtsverfahren mit Urteil der Fall wäre.42 Unterschiedliche Verhandlungs-

machtverhältnisse führen trotz der Fähigkeiten des Mediators in der Mediation auch zu

Problemen, weil dadurch die Fairness nicht mehr gewährleistet werden kann. Könnte eine

Partei jederzeit auf ein Gerichtsverfahren umsteigen, die andere aber nicht, weil ihr die Mittel

fehlen, so hat letztere eine deutlich schlechtere Verhandlungsposition inne und wird sich

unter Umständen jeglicher Lösung beugen, unabhängig davon, wie unzufrieden sie damit ist.

Daher ist Mediation bei ausgeglichenen Machtverhältnissen am geeignetsten. Schwierig ge-

staltet sie sich auch bei hohem Eskalationsgrad der Emotionen, ist da eigentlich kaum noch

möglich, da der Mediator hier aufgrund der festgefahrenen Situation so gut wie gar nicht

mehr vermitteln kann.43 Bei wirtschaftlichen Auseinandersetzungen wird das Verfahren

verkompliziert und erheblichen Hindernissen ausgesetzt, wenn mehrere Personen beteiligt

und Einigungen über einfachste Aspekte des Verfahrens großen Diskussionen ausgesetzt

sind. Darüber hinaus besteht oftmals auch unter den Unternehmensrepräsentanten selbst ei-

ne große Uneinigkeit, und Vertreter haben teilweise nur eingeschränkte Entscheidungs-

gewalt in der Sache und sind zur Rücksprache mit ihren Vorgesetzten verpflichtet.44

Offensichtlich überwiegen die Vorzüge des Mediationsverfahrens klar seine Nachteile. Trotz-

dem ist das Verfahren nicht uneingeschränkt und auch nicht für sämtliche Streitigkeiten an-

wendbar. Das hängt entscheidend auch von der Art des Konflikts, seinen Ausmaß, dem

Beziehungsgeflecht oder auch von den Machtverhältnissen zwischen den Parteien ab. Ob

Mediation nun für Franchise-Systeme geeignet ist, soll im nächsten Punkt erörtert werden.

42 Vgl. Breidenbach, aaO, S. 176 und 191. 43 Vgl. Mannhart, aaO, S. 117 44 Vgl. Mannhart, aaO, S. 129 – 130.

122

4. Mediation und Konflikte in Franchise-Systemen

4.1. Möglichkeiten der Konfliktlösung

Inwieweit Mediation für Franchise-Systeme als Verfahren zur Konfliktlösung geeignet ist,

lässt sich natürlich nur in Relation zu anderen Verfahren und Wegen beurteilen. In dem Ma-

ße, in dem das hier möglich ist, soll das auch geschehen. Dabei kann in großem Umfang auf

die Inhalte der vorhergehenden Abschnitte zurückgegriffen werden, die den Stoff dazu schon

weitestgehend aufbereitet haben. Hier sollen noch ggf. spezielle Eigenheiten im Franchising

berücksichtigt werden.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Franchise-Vertrag sehr viele Sachverhalte klar

und ausführlich regelt. Trotz allem treten Lücken auf, in die Konfliktpotential fließen kann,

manche Sachverhalte lassen sich nicht abschließend regeln, und andere ergeben sich un-

vorhergesehen. Kommt es nun zum Konfliktfall, so sind ebenfalls zahlreiche Sachverhalte

nach deutschem Recht durch das BGB, HGB und andere Rechtsquellen geregelt, die bspw.

auch Bezug auf arbeitsrechtliche Aspekte nehmen, ferner durch Rechtsprechung der jeweils

zuständigen Gerichte.45 Insofern können grundsätzlich Konflikte in Form eines normalen Zi-

vilprozesses vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen werden, wofür die Bestimmungen

der Zivilprozessordnung gelten.

Auch ADR-Verfahren sind Möglichkeiten der Konfliktbeilegung für Franchise-Systeme. Die

Mediation findet im nächsten Abschnitt Beachtung, deshalb geht es hier nur um die Schieds-

gerichtsbarkeit. Bedingung für ein Schiedsverfahren ist der Abschluss eines Schiedsgerichts-

vertrages, und weiterhin muss eine diesbezügliche Regelung im Franchise-Vertrag auf-

genommen sein. Hier haben die Parteien die Möglichkeit, facherfahrene Schiedsrichter ein-

zusetzen, die Streitfälle inhaltlich sicherlich besser und schneller entscheiden können als ein

gewöhnlicher Richter. Von Vorteil ist auch die Nichtöffentlichkeit der Verhandlungen, was ge-

rade die Franchise-Unternehmen hinsichtlich ihres Rufes interessieren dürfte. Ein Schieds-

spruch entscheidet abschließend, ist verbindlich und vollstreckbar, macht aber jegliches

Gerichtsverfahren und den Einsatz von Rechtsmitteln fast unmöglich. Darüber hinaus ist ein

Schiedsgerichtsverfahren auch teurer als ein erstinstanzliches Gerichtsverfahren, weil die

Schiedsrichter extra Honorare erhalten. Problematisch ist ebenfalls die Auferlegung der Kos-

ten auf den Verlierer, was gerade aus der Beziehungsperspektive im Franchising einen

nachhaltig faden Beigeschmack hinterlassen und das Verhältnis belasten könnte. Außerdem

haben auch hier die Parteien den Ausgang des Verfahrens nicht selbst in der Hand.46

Die minimalste Form der Konfliktbearbeitung stellt wohl die Schlichtung dar. Damit ver-

bunden sind die Systembeiräte. Die Anrufung der Beiräte ist jeglichem weiteren Schritt der

Streitbehandlung vorgelagert, es sollen/müssen also vor dem Gerichtsverfahren seriöse Lö-

sungsversuche durch Verhandlungen unternommen werden, erst dann ist der Weg zum Ge-

45 Vgl. Flohr, Franchise-Vertrag, S.17 und 65 ff. 46 Vgl. Flohr, aaO, S. 270 - 272 und Giesler, aaO.

123

richt eröffnet. Der Beirat dient somit vorrangig der Kommunikation im Sinne des Franchise-

Systems und kann durch eine Schlichtungsklausel auch bei Konfliktfällen zwischen den Sys-

temmitgliedern schlichten47, wobei ihm keine Entscheidungskompetenz zusteht. Der Beirat

berücksichtigt damit zwar die Bedeutung der Beziehung in Franchise-Systemen und zeichnet

sich auch durch Sachnähe aus, stellt aber mit Sicherheit kein auf Vermittlung spezialisiertes

Gremium dar, so dass eine Schlichtung kaum optimal durchgeführt werden kann.

Es bleibt festzuhalten, dass Franchise-Systeme ihre eigenen Mechanismen haben, um mit

Konflikten fertig zu werden, aber auch auf staatliche Gerichte oder private Anbieter zurück-

greifen können. Vor- und Nachteile der einzelnen Möglichkeiten wurden ausreichend erläu-

tert. Für Mediation im Franchising wird es entscheidend sein, welche Vorzüge das Verfahren

gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit und den Beiräten aufweisen können.

4.2. Mediationsregeln des deutschen Franchise-Verbandes

Speziell für Franchise-Systeme, die mit Deutschland verbunden sind bzw. innerhalb

Deutschlands, bietet der Deutsche Franchiseverband (DFV) ein Mediationsverfahren an. Er

hat dazu Regeln aufgestellt, die in 14 Punkten zusammengefasst sind. Es sollen hier nicht

alle Einzelheiten wiedergegeben, sondern diese nur grob zusammengefasst und Wichtiges

hervorgehoben werden.

Bedingung, um am Verfahren teilnehmen, zu können ist zunächst einmal die Mitgliedschaft

im DFV. In den folgenden Punkten wird erläutert, welche Angaben zusätzlich zum Mediati-

onsantrag, der schriftlich zu erfolgen hat, zu machen sind, inklusive einer kurzen Streit-

beschreibung, der Angabe, ob eine Mediationsvereinbarung im Franchise-Vertrag vorliegt,

und der Zahlung einer Bearbeitungsgebühr. Die DFV-Geschäftsstelle muss den Antrag dann

bestätigen. Nun erfolgt die Auswahl eines Mediators durch die Parteien, oder er wird anhand

seiner Eignung durch den DFV-Vorstand bestimmt. Danach muss dieser innerhalb einer Wo-

che schriftlich bestätigen sowie dem DFV bestimmte Dokumente zukommen lassen, eine

Vertraulichkeits- und Unabhängigkeitserklärung eingeschlossen. Die Zahlung von Vor-

schüssen für die Kosten des Verfahrens sowie die hälftige Aufteilung der Kosten - wenn

nichts anderes vereinbart ist - werden ebenfalls durch die Mediationsregeln geregelt. Es hat

dann die Festlegung des Verfahrensortes innerhalb einer Woche, sowie die Zusendung ei-

nes Positionspapiers zur Streitsache durch die Parteien an den Mediator eine Woche vor Sit-

zungsbeginn zu erfolgen. Für die Mediationssitzung sind ein halber oder ein ganzer Tag als

Zeitspannen vorgesehen, und sie sollte maximal vier Stunden dauern. wobei eine Verlän-

gerung beantragt werden kann. Es werden weiterhin Ereignisse aufgeführt, die das Ende des

Verfahrens im positiven oder negativen Sinne bedeuten. Hinweise auf die Grenzen der Ver-

traulichkeit im deutschen Recht und zu Notwendigkeiten der Umsetzung eines Vergleiches

47 Vgl. Flohr, aaO, S.248 - 250 und Giesler, aaO.

124

sind ebenso vorzufinden wie eine Auflistung von Material und Informationen, die ggf. keine

Verwendung vor Gericht finden dürfen, und Schweigeverpflichtungen des Mediators sowie

das Verbot, als entscheidungsbefugter Dritter, als Vertreter einer Partei oder ähnliches ohne

Zustimmung aller Parteien aufzutreten. Den letzten Punkt bildet eine Versagung einer

Inanspruchnahme von Rechtsschutz durch Dritte gegen den DFV, seine Mitarbeiter und den

Mediator wegen vermeintlicher Mängel im Mediationsverfahren.48

Damit orientiert sich der DFV an den allgemeinen internationalen Mediationsgrundsätzen,

wie ersichtlich geworden sein sollte. Es werden bestimmte Fristen und Formalitäten genauer

geregelt, aber es sind keine wesentlichen Unterschiede zu erkennen. Etwas ungewöhnlich

mutet die Beschränkung auf eine Mediationssitzung an, die innerhalb eines bestimmten

zwingenden Zeitraumes abgeschlossen sein muss, wenn sie nicht verlängert wurde. Es ist

fraglich, ob komplexe Streitigkeiten innerhalb einer Sitzung gelöst werden können, zumal ein

derartiges Zeitlimit auch Druck auf die Parteien ausübt, was eigentlich dem Mediationswesen

widerspricht. Sicherlich sollte auch eine gewisse Effektivität gewahrt werden, die sich auch

an der Zeitspanne messen lassen muss, aber eine großzügigere Regelung wäre hier viel-

leicht angebracht. Allerdings besteht bei Bedarf die Möglichkeit der Verlängerung, so dass

hierin eine Kompensation zu finden ist. Trotzdem erscheint dieses enge allgemeine Zeitlimit

als unnötige Behinderung des Prozessflusses. Da dies aber eher die Wirkung einer Lappalie

in sich trägt und die Mediationsregeln sonst weitestgehend mit dem allgemeinen Standard

übereinstimmen, lassen sich bisherige Erkenntnisse dazu verwenden einzuschätzen, in-

wieweit Mediation für Franchise-Systeme geeignet ist.

Für die Vereinbarung einer Mediation als Konfliktbehandlungsverfahren in einer

Franchisebeziehung muss eine entsprechende Regelung in den Franchise-Vertrag eingefügt

werden. Die Mediation ist dann dem Gerichtsverfahren als Voraussetzung zwingend vorge-

ordnet und macht die Schlichtungsfunktion des Beirats überflüssig.49

4.3. Potentielle Streitfälle in Franchise-Systemen

In Franchise-Systemen spielt die Beziehung der Systempartner zueinander eine große Rolle,

weil sie über einen längeren Zeitraum - der nach der gängigen deutschen Rechtsprechung

bis zu fünf Jahre betragen kann50- miteinander verbunden und in gewisser Weise aufein-

ander angewiesen sind. Insofern sind die Menschen und ihre Persönlichkeiten hier beson-

ders wichtig, weil sie durch ihr Verhalten die Harmonie im System wesentlich beeinflussen.

Daher ergeben sich für das Franchising Ziel-, Rollen-, Macht-, Kommunikations- und Ver-

teilungskonflikte, welche aus verschiedenen Ursachen, die oft in Zusammenhang mit den

Persönlichkeiten stehen können, heraus entstehen. Mögliche negative Verhaltensweisen der

48 Vgl. http://www.wenke-hamburg.de/partner2.php. 49 Vgl. Flohr, aaO, S. 251 – 252. 50 Vgl. Flohr, Der Franchise-Vertrag, S. 5.

125

Systempartner können so zum Beispiel Moral Hazard, d.h. die Zurückhaltung von Leistungen

oder Post-Agreement-Jockeying, das Ausnutzen der gegenseitigen Angewiesenheit zur Um-

verteilung von Kooperationsrenten, sein. Diese sind dem opportunistischem Verhalten zu-

zuordnen, dürften aber weniger häufig auftreten, eben aufgrund des Beziehungsgeflechts.

Aus dem Verhalten und seiner Motivation können dann Konflikte um verschiedene Gegen-

stände entstehen. Dazu gehören Mängel bei der Umsetzung der Systempakete, Gebühren,

Werbeaktionen, Bezugsverpflichtungen/Preisbindungen, Gebietsschutz, Systemanpassung

oder auch bspw. Strategieänderungen.51

Es bleibt wesentlich, die hohe Wichtigkeit der Beziehung und der beteiligten Menschen mit

ihren Persönlichkeiten festzuhalten. Die grundsätzliche Eignung von Mediation dabei als Ver-

fahren zu klären, ist nun Inhalt des nächsten und letzten Abschnittes.

4.4. Mediation zukunftsweisend für Franchising in Deutschland?

Welche Form der Streitbehandlung allgemein geeignet ist, hängt zunächst einmal von We-

sen und Inhalt des Konfliktes ab. Handelt es sich bspw. lediglich um die Festsetzung von

Geldbeträgen oder Gebührenhöhen in nicht äußerst empfindlichem Ausmaß, so mag, soweit

nicht noch mehr dahinter steckt und die Emotionen niedrig bleiben, eine bindende Ent-

scheidung eines Dritten in Form eines Richters oder Schiedsrichters am dienlichsten sein,

aufgrund der Zeitersparnis bei eher geringen Kosten.

Weiterhin muss für eine Beurteilung der Mediation bezüglich des Franchising überlegt wer-

den, worauf im Hinblick auf Konflikte die Parteien und das System als solches Wert legen

bzw. was im Wesen des Systems liegt. Zum einen können Konflikte als integrativer Bestand-

teil der Fortentwicklung der Parteien und des Systems wahrgenommen werden52, d.h. dass

das System und die Parteien mit Hilfe von Konflikten dazulernen und dadurch (zusam-

men)wachsen. In diesem Sinne sind sicherlich auch das Bewusstmachen von Konflikten und

Konflikttraining als Prävention von bedeutendem Interesse, womit ebenfalls die Schaffung

einer bestimmten Systemkultur und von Vertrauen angesprochen werden.53 Da es sich um

ein kooperatives betriebswirtschaftliches System handelt, welches im Wettbewerb mit an-

deren Marktteilnehmern steht und dazu in der Regel auch einen Ruf zu verlieren hat, kann

es außerdem nur in seinem Interesse liegen, seine Streitigkeiten nicht-öffentlich auszutragen

und diverse Informationen zu schützen.

Sobald der Konflikt ein größeres Ausmaß annimmt, gestaltet sich ein Gerichtsverfahren für

die Parteien eher unangenehm, da aufgrund dessen Öffentlichkeit die Vertraulichkeit und

Geheimhaltung von Informationen und des Verfahrens an sich nicht mehr gewährleistet wer-

den kann. Aus o. g. Gründen wird dies kaum im Interesse der Parteien liegen. Ein Schieds-

51 Vgl. Ziegler, Konflikte und ihre Handhabung in Franchise-Systemen, S. 1 – 2. 52 Vgl. Frauenhuber, Konflikte in Franchise-Systemen, S. 1. 53 Vgl. Ziegler, aaO, S. 3.

126

gerichtsverfahren würde diesen Nachteil zwar wettmachen, ansonsten jedoch sämtliche

wesentliche Probleme, die das Gerichtsverfahren auch mit sich bringt, ebenfalls aufweisen.

Dazu gehört die mangelnde Rücksichtnahme auf komplexe Beziehungsverhältnisse. Wenn

in Franchise-Systemen bei der Konfliktbehandlung ein Dritter eintritt und gewaltsam eine

Lösung erzwingt, dann kann das zum einen dazu führen, dass mindestens auf einer Seite

eine große Unzufriedenheit mit dem Ergebnis herrscht, eine Partei in der Regel der Verlierer

sein wird und zu diesem negativen Gefühl dazu auch noch die Verfahrenskosten zu tragen

hat. In solchen Fällen ist die wichtige Tiefenstruktur des Konfliktes nicht erfasst, dieser damit

auch nicht gelöst und könnte jederzeit wieder aufbrechen. Für Franchise-Systeme können

derartige Dauerzwistigkeiten gezwungenermaßen nur schädlich sein - in Form von erheb-

lichen Kommunikations- oder Koordinationsproblemen zwischen den einzelnen Partnern -,

was wiederum Wettbewerbsnachteile bedeutet-, Umsatzverluste, Imageschäden und unnö-

tige zusätzliche Kosten. Insofern dürfte auch der Lerneffekt für den künftigen Umgang mit

Streitigkeiten anzuzweifeln sein, da insoweit kein autonomer Verhandlungsprozess statt-

findet, der das Vertrauen zwischen den Parteien aufbaut und sie zu selbstständigen krea-

tiven Ideen ermutigt bzw. den Umgang miteinander schult und ggf. das gegenseitige Ken-

nenlernen fördert. Stattdessen wird ihnen die Entscheidungsgewalt durch einen Dritten abge-

nommen. Die Vorstellung, dass annähernd jede größere Streitigkeit zu einem Verfahren vor

einem Gericht oder Schiedsgericht führt, sollte jedoch dazu führen, sich mehr miteinander zu

engagieren. Nur so kann sich ein System stabil und harmonisch weiterentwickeln, um effek-

tiv zu wirtschaften. Entweder die Konfliktparteien schaffen es, sich auf autonomer Basis al-

lein zu arrangieren, oder sie können die Hilfe eines Dritten hinzuziehen, der keine Ent-

scheidungsgewalt inne hat – eines Mediators.

Die Mediation hat für Franchise-Systeme also sehr wohl erhebliche Vorzüge gegenüber dem

Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren. Aus den vorherigen Darlegungen ergibt sich, dass

die Mediation alle Aspekte, die für das Franchise-System hinsichtlich der Konflikthand-

habung als wesentlich erachtet wurden, erfüllt. Die Vertraulichkeit steht außer Frage, die

Nichtöffentlichkeit ist ebenso gewährleistet. Der Mediator besitzt spezielle Kompetenzen, die

ein Richter oder Schiedsrichter nicht hat. Zwar kann letzterer ein Fachmann im Konflikt-

bereich sein, letztendlich ist aber nicht davon auszugehen, dass er zu einer geschickten Ver-

handlungsführung fähig ist, die die Parteien einander näher bringt. Das aber ist der Trumpf

des Mediators. Zum einen kann er so ein gewisses Autonomiebedürfnis befriedigen und

auch in die Richtung der künftig selbstständigen Konfliktbehandlung und -lösung hinarbeiten,

damit das System und seine Mitglieder harmonieren, zum anderen aber auch erhebliche

Kosteneinsparungen für die Parteien bewirken, wenn sie, statt lediglich eine Entscheidung

vorgesetzt zu bekommen, in der autonomen Streitbeilegung regelrecht ausgebildet,

zumindest aber weitergebildet und ihnen unverzichtbare Fertigkeiten vermittelt werden.

127

Dadurch sollte eine bessere Abstimmung der Systemglieder untereinander gut gewährleistet

sein, damit darauf aufbauend wirtschaftlicher Erfolg erzielt werden kann. Der Erfolg der Me-

diation liegt hierbei also in der Nachhaltigkeit. Schlussendlich sollte eine Mediationslösung

auch weniger zu Unzufriedenheit führen als alle anderen Optionen, da die Parteien an der

Erarbeitung selbst stark beteiligt sind. Hinsichtlich der Durchsetzbarkeit eines Media-

tionsvergleichs werden sich für Franchise-Systeme kaum Schwierigkeiten ergeben, da - von

den vorhandenen nationalen und internationalen Regelungen abgesehen - die Parteien so

stark aufeinander angewiesen und in ein Beziehungsnetz verflochten sind, dass sie nicht

einfach mühsam erarbeitete Lösungen zu einem neuen Konfliktgegenstand werden lassen

und damit das System gefährden, zumal eine eigenständige Lösung auch ihr eigener Wille

war. Deshalb ist von einer freiwilligen Einhaltung grundsätzlich auszugehen. Ähnliche Über-

legungen lassen sich ebenso bezüglich der Machtverhältnisse anstellen.

Gibt es also einen Verhandlungswillen - und den sollte es aufgrund der langfristigen Bindung

fast immer geben -, so ist Mediation für Konflikte in Franchise-Systemen auch in Deutsch-

land wohl am besten geeignet, sofern es nicht um eine Beendigung des Verhältnisses

insgesamt geht.

5. Zusammenfassung

Ziel der Arbeit war es zu klären, ob Mediation eine geeignete und zukunftsträchtige Form der

Konfliktlösung für Franchise-Systeme in Deutschland darstellt.

Dazu wurde Mediation zunächst in den Kontext der außergerichtlichen Streitbeilegung all-

gemein eingeordnet, um dann im nächsten Schritt dieses spezielle Verfahren zu erläutern.

Dabei hat sich herausgestellt, dass es zwar verschiedene Formen gibt, die hier auch nicht

abschließend aufgeführt worden sind, sich jedoch für Franchise-Systeme das Individual-

Autonomy Project sowie eine Abwandlung des Reconciliation Projects im Sinne eines ge-

nerellen interessenbasierten Ansatzes vermischt am meisten anbieten. Von diesem Ansatz

ausgehend folgten eine kurze Darstellung eines möglichen Verfahrensablaufs und eine Be-

trachtung hinsichtlich von Vorteilen und Nachteilen des Verfahrens.

Auf dieser Basis erfolgte daraufhin eine konkrete Bewertung von Mediation für Franchise-

Systeme, wobei festgestellt wurde, dass diese Streitbeilegungsmethode grundsätzlich zu be-

jahen ist, weil sie die Komplexität eines Konfliktes gegenüber anderen Verfahren am besten

erfasst, sensibel mit den Belangen der Parteien umgeht, um eine konstruktive Verhandlungs-

kultur bemüht ist, die ebenfalls mit einer grundsätzlichen Absicht der Verbesserung der auto-

nomen Konfliktlösungsfähigkeit einhergeht und damit absolut im Sinne einer langwierigen

Beziehung ist, die bei Franchise-Systemen vorliegt. Prinzipiell wird darauf abgezielt,

Schäden für das Franchise-System zu vermeiden, indem der Umgang der Systemmitglieder

mit dem Ziel einer allgemeinen weitgehenden Harmonie positive Förderung findet. Zwar

128

können sich aus ungleichen Verhandlungsmachtverhältnissen der Konfliktparteien Schwie-

rigkeiten ergeben, die aber aufgrund der hohen gegenseitigen Angewiesenheit innerhalb des

Systems hier nicht überzubewerten sind, da sie es sich kaum leisten können, durch un-

befriedigende Lösungen für wenigstens eine Seite einen dauerhaften Konfliktherd aufrecht

zu erhalten. In diesem Sinne bestehen auch hinsichtlich der Durchsetzbarkeit kaum Beden-

ken, da von einer kooperativen Umsetzung auszugehen ist und bestehende nationale und

internationale Regelungen genügend Absicherung bieten.

Nachdenklich könnte lediglich der bisherige geringe Rückgriff auf Mediation in Deutschland

sowie diesbezüglich kaum vorhandenen Regelungen stimmen. Dabei stellt sich die Frage

nach einer „Bevormundungsmentalität“ der Deutschen, jedoch auch nach mangelnder Infor-

mation über Mediation in Deutschland. Die Mediationsrichtlinie der EG versucht, diesen Zu-

stand europaweit zu ändern, und insofern bleibt zu hoffen, dass in der nächsten Zeit eine zu-

nehmende Aufklärung auch in Deutschland sowie konkretere (gesetzliche) Regelungen Ein-

zug finden werden, die zu einer breiten Nutzung von Mediation führen. Dem ist grundsätzlich

optimistisch entgegen zu blicken.

129

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130

Franchise-Recht in europäischen Ländern mit Franchise-Gesetzgebung –

Belgien

Stud. rer. pol. Michael Opitz

1. Wofür steht der Begriff Franchise?

Spätestens seit der Wiedervereinigung Deutschlands und der damit verbundenen

Verbreitung von McDonald’s taucht der Begriff „Franchise“ auch im Sprachgebrauch in den

neuen Bundesländern immer häufiger auf. Die Marke McDonald‘s gilt weithin als Synonym

für Franchise. Seit dem Jahr 1955 entwickelt McDonald’s ein weltweit sehr erfolgreiches

Franchise-System, das inzwischen mehr als 5000 Existenzgründern zur Selbstständigkeit

verholfen hat.1 Doch nicht nur McDonald’s, sondern auch viele bekannte Unternehmen

bauen auf das Geschäftsmodell Franchise. So gab es im Jahr 2007 910 Franchise-Geber

und ca. 55700 Franchise-Nehmer in Deutschland, darunter Unternehmen wie OBI

(Heimwerkermärkte), Reno (Schuhhandel), TUI (Reisebüros), Schülerhilfe (Nachhilfe) oder

Fressnapf (Tiernahrung).2 Diese kurze Aufzählung zeigt, dass sich Franchise in vielen

Wirtschaftszweigen etabliert hat und nicht nur ein Modell für Fast-Food-Ketten ist. Insgesamt

erwirtschafteten die im Franchise-Sektor tätigen Unternehmen in Deutschland im Jahr 2007

einen Umsatz von 41,5 Mrd. Euro und beschäftigten 441000 Mitarbeiter.3 Vergleicht man

diese Daten mit den Zahlen aus dem Jahr 1996, als die Franchise-Wirtschaft einen Umsatz

von 12,8 Mrd. Euro generierte und 250000 Mitarbeiter beschäftigte, wird die steigende

Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges deutlich.

Doch was ist Franchise eigentlich?

Jedem Besucher eines McDonald’s-Restaurants dürfte das immer gleiche Erscheinungsbild

der Fast-Food-Tempel aufgefallen sein. Die gleichen Produkte, die gleiche Kleidung der

Mitarbeiter oder die gleichen Preise in jeder McDonald’s Filiale in Deutschland stechen sofort

ins Auge. Doch diese Auffälligkeiten sind nur ein kleiner Teil dessen, was hinter dem Begriff

„Franchise“ steht. Der Deutsche Franchise-Verband e.V. definiert Franchising wie folgt:

„Franchising ist ein vertikal-kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbstständiger

Unternehmer auf der Basis eines vertraglichen Dauerschuldverhältnisses. Dieses System

tritt auf dem Markt einheitlich auf und wird geprägt durch das arbeitsteilige Leistungs-

programm der Systempartner sowie durch ein Weisungs- und Kontrollsystem zur Sicher-

stellung eines systemkonformen Verhaltens. Das Leistungsprogramm des Franchise-Gebers

besteht aus einem Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept, dem Nutzungsrecht 1 Vgl. DFV – Deutscher Franchise-Verband e.V., Existenzgründung mit System, Ein Leitfaden des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., www.dfv-franchise.de/, 1.1 Die Definition des Begriffs Franchise. 2 Vgl. INFO-Paket des Deutschen Franchise-Verband e.V., www.dfv-franchise.de/, 3.1 Hitliste der Top-20 Franchise-Geber in Deutschland. 3 Vgl. INFO-Paket des Deutschen Franchise-Verband e.V., www.dfv-franchise.de/, 3.2 Die Entwicklung der Franchise-Wirtschaft.

131

an Schutzrechten, der Ausbildung des Franchise-Nehmers und der Verpflichtung des

Franchise-Gebers, den Franchise-Nehmer laufend und aktiv zu unterstützen und das

Konzept ständig weiterzuentwickeln. Der Franchise-Nehmer ist im eigenen Namen und auf

eigene Rechnung tätig; er hat das Recht und die Pflicht, das Franchise-Paket gegen Entgelt

zu nutzen. Als Leistungsbeitrag liefert er Arbeit, Kapital und Information.“4

Diese Definition zeigt die Komplexität des Franchise-Systems auf. Genauer kann auch noch

zwischen Franchise als Bezeichnung einer Unternehmensform und Franchising als

Bezeichnung der unternehmerischen Tätigkeit mit Hilfe des Systems unterschieden werden.5

Franchise und Franchising beziehen sich somit nicht nur auf ein einheitliches Marktauftreten

der Franchise-Nehmer und des Franchise-Gebers, sondern beinhalten auch eine enge

Verbindung zwischen dem Lizenzgeber und dem Lizenznehmer. Grundlage dieser

Verbindung ist ein Dauerschuldverhältnis, welches die auf längere Zeit angestrebte

Verbindung zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer regelt.

Der Franchise-Geber übernimmt dabei die Verantwortung für eine Vielzahl von Dingen, wie

z.B. für die Produktbeschaffung, Konzepte für den Vertrieb, aber auch für die Schulung und

Ausbildung des Franchise-Nehmers sowie dessen Unterstützung im fortlaufenden

Geschäftsbetrieb. Außerdem überlässt er dem Franchise-Nehmer Nutzungsrechte an

seinem Franchise-System und stattet ihn mit dem nötigen Know-how aus.

Der Franchise-Nehmer hingegen verpflichtet sich, die vom Franchise-Geber offerierten

Leistungen anzunehmen und dafür ein Entgelt zu entrichten sowie sich den Standards und

Vorgaben des Franchise-Gebers anzupassen und diese zu übernehmen.

Die eingangs erwähnten McDonald’s Filialen verkörpern somit viel mehr als nur äußerliche

Gemeinsamkeiten. Der Betreiber der Filiale wird durch McDonald’s nicht nur bei der

Einrichtung und Ausgestaltung der Filiale unterstützt, sondern auch im weiteren

Geschäftsbetrieb. Auch Produktinnovationen und neue Marketingkonzepte des Franchise-

Gebers muss der Filialbetreiber übernehmen. Dafür entrichtet der Lizenznehmer nicht nur

ein Entgelt für die Erteilung der Lizenz des Franchise-Gebers, sondern im Fall von

McDonald’s zusätzlich noch eine Art Pacht für die Nutzung der Filiale.

Diese enge Verbindung der beiden Vertragspartner lässt viele Vorteile entstehen, die das

Franchising-System sehr lukrativ machen. So investiert der Franchise-Nehmer in ein

erprobtes Geschäftskonzept, das sich bereits bewährt hat.6 Weiterhin ermöglicht das

Franchise-System dem Franchise-Nehmer Vorteile bei der Finanzierung seiner

Selbstständigkeit sowie Vorteile beim Markteintritt, der Imagepflege oder der

Arbeitsorganisation. Trotz der Bindung an das Franchise-System ist der Franchise-Nehmer

4 DFV – Deutscher Franchise-Verband e.V., Existenzgründung mit System, Ein Leitfaden des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., www.dfv-franchise.de/, 1.1 Die Definition des Begriffs Franchise. 5 Vgl. www.dfv-franchise.de/ 6 Vgl. DFV – Deutscher Franchise-Verband e.V., Existenzgründung mit System, Ein Leitfaden des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., www.dfv-franchise.de/, 1.4 Vorzüge des Franchise.

132

selbstständiger Unternehmer und eigenverantwortlicher Akteur, der durch Einsatz und

Engagement sein Einkommen selbst beeinflussen kann. Der Franchise-Geber profitiert von

der schnellen Expansionsmöglichkeit, die das Franchise-System bietet, und kann seine

Unternehmenserweiterung mit relativ geringen finanziellen Mitteln durchführen.

Trotz dieser zahlreichen Vorteile des Franchise-Systems bestehen auch Risiken und

Nachteile, die vor allem den Franchise-Nehmer betreffen. Häufig besteht ein sehr großes

Ungleichgewicht bei der Risikoverteilung zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer. Der

Franchise-Nehmer muss hohe Anfangsinvestitionen tätigen und ein hohes unter-

nehmerisches Risiko eingehen, während der Franchise-Geber häufig zu nur geringen

vertraglichen Sicherheiten verpflichtet ist. Vor allem die vorvertragliche Informationspflicht

des Franchise-Gebers ist oftmals sehr eingeschränkt oder gar nicht vorhanden, was zu einer

Informationsasymmetrie zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer führen kann.

Am Beispiel Belgiens, einem Land mit spezieller Franchise-Gesetzgebung, soll nachfolgend

untersucht werden, ob diese Fehlstellung zwischen Franchise-Nehmer und Franchise-Geber

behoben oder zumindest gemindert werden kann, und wenn ja – auf welche Art und Weise.

2. Einflüsse Europas auf den Franchise-Vertrag

Die gesetzlichen Grundlagen für Franchise-Verträge sind in Europa sehr unterschiedlich.

Während in einigen europäischen Staaten wie Deutschland oder Österreich keine speziellen

Gesetze gelten, wurden in anderen Ländern gesonderte Regelungen eingeführt. Für alle

Staaten der Europäischen Union gelten jedoch die Bestimmungen der EU-Grup-

penfreistellungsverordnung für vertikale Vertriebsbindungen und für alle nationalen

Franchise-Verbände der Europäische Verhaltenskodex der European Franchise Federation

(EFF). Die Grundideen dieser beiden Regelungen sind häufig in die speziellen Vorschriften

der einzelnen nationalen Gesetzgebungen mit eingeflossen.

2.1. Die Gruppenverordnung für vertikale Vertriebsbindungen

Durch die EU-Gruppenverordnung für vertikale Vertriebsbindungen7 wird versucht, die

Informationsasymmetrien zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer zu verringern.

Zu diesem Zweck hat der Franchise-Geber dem Franchise-Nehmer neben dem Franchise-

Vertrag auch ein Franchise-Handbuch auszuhändigen. Franchise-Vertrag und Franchise-

Handbuch sollen sich dabei ergänzen. Die Hauptleistungspflichten sollen weiterhin im

Vertrag, die Nebenleistungspflichten und der Know-how-Transfer im Handbuch dokumentiert

werden.8

7 Verordnung Nr. 2790/1999 der Kommission über die Anwendung von Artikel 81 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen vom 27.10.1999 vom 22.12.1999, ABl. EG Nr. L 336, S. 21 - 25. 8 Vgl. Syncon, International Franchise Consultants Österreich,

133

Im Allgemeinen sind folgende Punkte der EU-Gruppenverordnung für vertikale

Vertriebsbindungen, die den Inhalt des Franchise-Vertrages beeinflussen, zu nennen:

- Wettbewerbsverbote nach Beendigung des Franchise-Vertrages zu Lasten des

Franchise-Nehmers sind stark eingeschränkt.

- Wettbewerbsverbote während der Vertragslaufzeit können nicht generell ausgesprochen

werden, sondern unterliegen bestimmten Richtlinien.

- Der Franchise-Nehmer kann nicht generell verpflichtet werden, alle Waren ausschließlich

vom Franchise-Geber zu beziehen.

- Gebietsbeschränkungen und Gebietsschutzvereinbarungen dürfen nicht zu

Beschränkungen von Kunden des Franchise-Systems oder des Franchise-Nehmers

führen.

- Preisbindungen des Franchise-Nehmers, die zu Fest- oder Mindestpreisen führen, sind

verboten.

Durch diese Regelungen wird der Franchise-Nehmer gestärkt und sein unternehmerisches

Risiko verringert. Die oftmals ungleiche Machtverteilung zugunsten des Franchise-Gebers

wird durch diese Regelungen zumindest etwas gemindert und verhilft dem Franchise-

Nehmer zu mehr Rechten.

2.2. Der Verhaltenskodex der European Franchise Federation

Der Verhaltenskodex der European Franchise Federation ist eine Zusammenstellung von

Vorschriften für faire Verhaltensweisen bezüglich der Franchise-Praxis in Europa.9 Der

Kodex wurde in Abstimmung mit der EU-Kommission erarbeitet und soll gewisse

Mindeststandards für die Franchise-Praxis in Europa festlegen. In dem Verhaltenskodex wird

zunächst geklärt, was unter Franchise zu verstehen ist; danach werden in Leitsätzen die

Pflichten des Franchise-Gebers und des Franchise-Nehmers dargelegt und

Minimalvoraussetzungen genannt, die in jedem Franchise-Vertrag zwingend enthalten sein

müssen. Dadurch wird zwar einerseits die Vertragsautonomie eingeschränkt, andererseits

aber ein fairer Umgang zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer gefördert. Vor

allem durch das Festlegen von Mindestvoraussetzungen, die ein Franchise-Vertrag enthalten

muss, wird den Vertragsparteien, vorrangig dem Franchise-Nehmer, mehr

Planungssicherheit ermöglicht.

www.syncon.de/frequently_asked_questions/download_faq/frage5.pdf, 5. Was bedeutet die EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vertriebsbindungen, die seit 30.06.2000 in Kraft ist, für mich bzw. für mein Franchise-System?. 9 Vgl. Ethikkodex für Mitglieder, assoziierte Mitglieder und assoziierte Experten des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., www.dfv-franchise.de/.

134

3. Die Franchise-Gesetzgebung in Belgien

3.1. Kurzcharakteristik Belgiens

Das Königreich Belgien mit der Hauptstadt Brüssel ist ein Staat in Westeuropa und

Gründungsmitglied der Europäischen Union. Die wichtigsten Institutionen der EU haben in

Brüssel ihren Sitz, wodurch die Stadt einen hohen Bekanntheitsgrad in der heutigen Zeit

erlangt hat.

Eine Besonderheit Belgiens ist sicherlich, dass es im Land drei anerkannte Amtssprachen

gibt: Deutsch, Niederländisch und Französisch. Diese Mehrsprachigkeit spiegelt auch den

immer noch anhaltenden politischen Konflikt zwischen den Niederländisch sprechenden

Flamen und der französischsprachigen Bevölkerung im Land wider. Auffallend ist, dass 72%

der Wirtschaft Belgiens dem Dienstleistungssektor zugeordnet werden, nur 27% der

Industrie und nur 1% der Agrarwirtschaft (Stand 2003). Der hohe Anteil des

Dienstleistungssektors verdeutlicht die Wichtigkeit eines funktionierenden Franchise-

Gesetzes, da Franchising fast ausschließlich im Dienstleistungsbereich anzutreffen ist. Im

Jahr 2006 gab es in Belgien ca. 100 Franchise-Geber und ca. 3500 Franchise-Nehmer mit

ca. 30 000 Mitarbeitern, die insgesamt einen Umsatz von ca. 2,4 Mrd. Euro generierten.10

3.2. Die Entwicklung der Franchise-Gesetzgebung in Belgien

Ein Franchise-Gesetz trat erstmals am 1. Februar 2006 in Belgien in Kraft. Vor diesem

Zeitpunkt gab es keine speziellen Regelungen für die Franchise-Praxis. Der Franchise-

Vertrag wurde allgemein als „formloser Vertrag ohne Gesetzliche Grundlage“ bezeichnet und

lediglich dem allgemeinen Vertrags- und Schuldrecht unterworfen.11 Somit waren die

Verpflichtungen und Rechte der beiden Vertragsparteien nur sehr unzureichend definiert.

Dies hatte vor allem eine erhebliche Machtverschiebung zugunsten des Franchise-Gebers

zur Folge. Potentielle Franchise-Nehmer hingegen wurden zur Zurückhaltung gezwungen,

denn das unternehmerische Risiko war für sie sehr hoch. Auch die Ehrenkodizes der

nationalen Franchise-Verbände konnten diesen Zustand nicht grundlegend verändern. So

traten einige Franchise-Geber diesen Verbänden nicht bei und umgingen somit die

verpflichtenden Kodizes.

Auf Grund der zunehmenden Bedeutung von Franchise in der Wirtschaftswelt versuchte die

belgische Gesetzgebung mit dem ersten Franchise-Gesetz dieser Entwicklung Rechnung zu

tragen. Die erste Fassung des Gesetzes beschränkte sich jedoch hauptsächlich auf die

vorvertragliche Situation und versuchte die Informationsasymmetrien zwischen Franchise-

Geber und Franchise-Nehmer zu verringern. Zu diesem Zweck sollten beide Vertrags-

parteien sowohl die notwendigen Informationen für eine genauere juristische und

10 Vgl. www.fbf-bff.be/franchise_en_belgique.php?lang=nl. 11 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Entwicklungen, S. 6.

135

wirtschaftliche Einschätzung liefern als auch die ausschlaggebenden Vertragsklauseln

offerieren.12 Da dieses erste Gesetz aber nur Minimalregelungen bezüglich der Vorin-

formation für den Vertragsabschluss beinhaltete, konnte es die komplexen Probleme der

Franchise-Praxis nicht lösen.

So blieben u. a. folgende Punkte von diesem Gesetz unberührt und als Probleme der

Franchise-Praxis bestehen:

Wie war zu verfahren,

- wenn sich der Franchise-Geber als unfähig erwies, ein Franchise-System zu leiten,

- wenn es Vertragsklauseln dem Franchise-Geber ermöglichten, den Vertrag ohne

Kontrolle zu kündigen,

- wenn die Laufzeit des Vertrages so kurz war, dass es dem Franchise-Nehmer nicht

möglich war, seine getätigten Investitionen zurückzuerwirtschaften,

- wenn der Franchise-Nehmer nach Beendigung des Vertrages noch Waren oder Produkte

besaß, für die er keine Verwendung mehr hatte und die er nicht mehr veräußern konnte,

- wenn der Franchise-Nehmer sich Wettbewerbsklauseln fügen musste, die es

verhinderten, dass er seinen erlernten Beruf ausüben konnte,

- wenn der Franchise-Nehmer über die Verlängerung des Vertrages im Ungewissen

gelassen wurde, wodurch ihm zusätzliche Kosten entstanden?

Es bleibt somit festzuhalten, dass das Gesetz vom 1. Februar 2006 zwar ein erster Schritt

zur Aufhebung der Ungleichheit zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer war, den

speziellen Anforderungen an die Franchise-Praxis jedoch nicht gerecht wurde.

Aus diesem Grund wurde dieses Gesetz mit dem Ziel erweitert, minimale Regle-

mentierungen festzulegen, die über die vorvertragliche Informationsphase hinausreichen und

somit den Besonderheiten des Franchise-Vertrages gerecht werden.13

Grundlage der weiteren Ausführungen dieser Arbeit bildet das Gesetz vom 1. Februar 2006

mit den entsprechenden Ergänzungen.

3.3. Zustandekommen des Franchise-Vertrages

Welche Voraussetzungen und Bedingungen erfüllt sein müssen, damit zwischen Franchise-

Geber und Franchise-Nehmer ein gültiger Kontrakt zustande kommt, wird im belgischen

Gesetz in Art. 2, 3 und 4 geregelt. So gibt Art. 2 eine weit reichende Definition des

Franchise-Vertrages.14 In Art. 2 des Gesetzes wird erläutert, dass sich das Gesetz auf kom-

merzielle Partnerschaften bezieht, die zwischen zwei Parteien geschlossen werden, welche

12 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Entwicklungen, S. 6. 13 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Entwicklungen, S. 6. 14 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Kommentierung der Artikel, Art. 2, S. 9.

136

in eigenem Namen und Interesse handeln. Eine der beiden Parteien räumt der anderen das

Recht ein, gegen Vergütung ein System (Franchising) zum Vertrieb von Produkten oder zur

Versorgung mit Dienstleistungen zu nutzen. Das System muss dabei einen oder mehrere der

folgenden Punkte beinhalten:

- eine allgemeine Marke,

- einen allgemeinen kommerziellen Namen,

- die Übertragung von Know-how,

- die Versorgung mit kommerzieller oder technischer Hilfe.

Durch die enge Definition dessen, was der belgische Gesetzgeber unter Franchise versteht,

soll verhindert werden, dass das Gesetz umgangen wird. Zudem soll bewerkstelligt werden,

dass alle Aktivitäten, die dem Franchise zuzuordnen sind, auch vom Gesetz erfasst werden.

Weiterhin muss der Franchise-Geber nach Art. 3 mindestens einen Monat vor Ver-

tragsabschluss dem Franchise-Nehmer einen Vorentwurf des Vertrages sowie ein spezielles

Dokument zur vorvertraglichen Aufklärung zukommen lassen.15 In diesem Zeitraum darf der

Franchise-Geber vom Franchise-Nehmer keinerlei Vergütung verlangen.

Das spezielle Dokument zur vorvertraglichen Aufklärung umfasst zwei Schwerpunkte: Zum

einen wichtige vertragliche Bestimmungen nach Art. 4 § 1 und zum anderen - nach Art. 4 § 2

– Fakten, die zur korrekten Beurteilung der Geschäftsbeziehungen innerhalb des Franchise-

Vertrages beitragen.16 Unter den Schwerpunkt der wichtigen vertraglichen Bestimmungen

fallen u. a. Punkte wie:

- Festlegung der Verpflichtungen für beide Vertragsparteien,

- Folgen der Nichteinhaltung der Verpflichtungen,

- Art und Weise, wie die Gebühren berechnet werden, die der Franchise-Nehmer zu

entrichten hat,

- Laufzeit des Vertrages sowie Konditionen, unter denen sich die Laufzeit verlängert,

- Kündigungsbedingungen des Vertrages, insbesondere unter Beachtung der Aufgabe

getätigter Investitionen.

Unter den zweiten Schwerpunkt – Fakten, die zur korrekten Beurteilung der

Geschäftsbeziehungen innerhalb des Franchise-Vertrages beitragen - fällt die Regelung

formaler und wirtschaftlicher Gesichtspunkte, wie z.B.:

- Name, Anschrift und Aktivitäten der die Rechte gewährenden Partei (Franchise-Geber),

- Übersicht über die letzten drei Jahresabschlüsse des Franchise-Gebers,

- Überblick über die Marktsituation, die voraussichtliche Marktentwicklung und die

aktuellen Marktanteile des Franchise-Systems,

15 Vgl. Giesler / Nauschütt, Franchise-Recht, 2. Aufl., Köln 2008, S. 1130. 16 Vgl. Giesler / Nauschütt, Franchise-Recht, 2. Aufl., Köln 2008, S. 1131.

137

- Einblick in Größe und Entwicklung des Franchise-Systems, insbesondere ein Überblick

über die Anzahl der geschlossenen und beendeten Franchise-Verträge der letzten drei

Jahre sowie die Anzahl der Verträge, die nicht verlängert wurden,

- Überblick über Investitionsvolumen und entstehende Kosten für den Franchise-Nehmer

bei Eintritt in das Franchise-System und während der Vertragslaufzeit sowie über die

Regelung bei Beendigung des Vertrages.

Weiterhin haben sowohl der Franchise-Geber als auch der Franchise-Nehmer das Recht,

von der jeweils anderen Vertragspartei in schriftlicher Form den Inhalt des Franchise-

Vertrages und eventueller Nachträge zu verlangen.17 Dies kann während der gesamten

Zeitdauer der Vertragsausführung geschehen.

Die Klauseln des Vertrages müssen gemäß Art. 7 klar und verständlich formuliert sein. Ist

dies nicht der Fall, werden sie zugunsten des Empfängers interpretiert.18

Kommt der Franchise-Geber seiner Informationspflicht gegenüber dem Franchise-Nehmer

nicht oder nicht ausreichend nach, kann der Franchise-Nehmer gemäß Art. 5 des Gesetzes

die Ungültigkeit des Vertrages innerhalb von zwei Jahren nach dessen Abschluss geltend

machen.19

3.4. Pflichten des Franchise-Gebers

Wie im Abschnitt 3.3 dargelegt, hat der Franchise-Geber durch die vorvertragliche Auf-

klärungspflicht nach den Art. 2 und 3 bereits eine große Anzahl an Pflichten zu erbringen,

bevor der Franchise-Vertrag überhaupt Gültigkeit erlangt. Unabhängig davon unterliegt der

Franchise-Geber aber auch Verpflichtungen, die während der gesamten Vertragsdauer gültig

sind.

Der Franchise-Geber ist nach Art. 5 verpflichtet, dem Franchise-Nehmer alle Veränderungen

am Franchise-System, die die wirtschaftliche Nutzung beeinflussen können, mitzuteilen

sowie eine Geschäftspolitik zu betreiben, die im Sinne des Franchise-Systems ist.20

Weiterhin ist der Franchise-Geber nicht nur verpflichtet, sein Know-how an den Franchise-

Nehmer weiterzugeben, sondern ihn auch während der gesamten Vertragsdauer ausführlich

zu betreuen sowie ihm den Gebrauch der Geschäftsbezeichnung und der Marken zu ge-

statten.21 Zudem muss der Franchise-Geber die Produkte oder Dienstleistungen des Fran-

chise-Systems aktualisieren und wettbewerbsfähig halten. Der Gesetzgeber beabsichtigt

17 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 4, S. 21. 18 Vgl. Belgium - Franchise Legislation, Law relative to pre-contractual information in the framework of agreements of commercial partnership, Art. 7. 19 Vgl. Belgium - Franchise Legislation, Law relative to pre-contractual information in the framework of agreements of commercial partnership, Art. 5. 20 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 5, S. 22. 21 Vgl. Giesler / Nauschütt, Franchise-Recht, 2. Aufl., Köln 2008, S. 1130.

138

damit, die Verpflichtung des Franchise-Gebers zur kontinuierlichen kaufmännischen und

technischen Unterstützung als eine grundsätzliche Pflicht im Franchising zu verankern.22

Damit soll dem hohen Investitionsrisiko und den laufenden Kosten durch Zahlung der

Vergütung durch den Franchise-Nehmer Rechnung getragen werden.

Zusätzlich muss der Franchise-Geber die Wettbewerbsfähigkeit seines Systems darlegen,

indem er gemäß Art. 6 ein Konzept ausgearbeitet hat, welches seit mindestens einem Jahr

und in mindestens einem Pilotprojekt erfolgreich am Markt teilnimmt.23 Dadurch sollen

wirtschaftliche Risiken minimiert und Konkursfälle in Serie vermieden werden.

3.5. Pflichten des Franchise-Nehmers

Ebenso wie der Franchise-Geber unterliegt auch der Franchise-Nehmer Regeln und

Pflichten, denen er während der gesamten Vertragsdauer nachkommen muss.

Im Gesetzestext sind nur bei der Definition von Franchise in Art. 2 Vergütungszahlungen des

Franchise-Nehmers erwähnt. Eine gesonderte Darlegung von Zahlungsverpflichtungen im

Gesetzestext erfolgt nicht, d.h. die Art und Weise der Vergütung wie auch die Höhe und Ver-

gütungsmodalitäten werden im belgischen Franchise-Recht nicht näher geregelt und

unterliegen damit der Vertragsautonomie.

Gemäß Art. 7 ist der Franchise-Nehmer jedoch verpflichtet, entsprechend dem gemein-

samen Interesse der Mitglieder des Franchise-Netzes zu handeln und das Know-how des

Franchise-Gebers, dessen Rechte geistigen Eigentums und das Image des Franchising zu

wahren.24 Der Franchise-Nehmer integriert sich in das bestehende Franchise-System und

muss durch seine damit verbundene Zugehörigkeit zum System auch die Regeln und Ver-

einbarungen, die im gemeinsamen Interesse liegen, akzeptieren und annehmen.

Weiterhin unterliegt der Franchise-Nehmer einem gewissen Wettbewerbsverbot während der

Vertragslaufzeit. Nach Art. 11 § 1 kann es dem Franchise-Nehmer vertraglich verboten

werden, eine andere wirtschaftliche Tätigkeit als die Nutzung des Franchise-Geschäftes

auszuführen.25 Der Franchise-Geber kann dadurch sicherstellen, dass der Franchise-

Nehmer sich voll und ganz auf den Betrieb des Franchise-Geschäftes konzentriert und keine

andere wirtschaftliche Tätigkeit nebenbei betreibt.

22 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Kommentierung der Artikel, Art. 5, S. 12. 23 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 6, S. 22. 24 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 7, S. 22. 25 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Kommentierung der Artikel, Art. 11, S. 24.

139

3.6. Dauer und Beendigung des Franchise-Vertrages

Der Franchise-Vertrag kann gemäß Art. 8 auf eine befristete oder unbefristete Dauer ge-

schlossen werden.26 Wird die Laufzeit des Vertrages nicht festgelegt, wird dies als un-

befristete Dauer gedeutet.27 Jedoch muss die Vertragsdauer dem Franchise-Nehmer ermög-

lichen, die von ihm getätigten Investitionen und laufenden Kosten, die durch die Nutzung des

Franchise-Systems entstehen, zu decken, denn zu kurze Vertragslaufzeiten, vorzeitige

Vertragsauflösungen oder Nichtverlängerungen von Verträgen könnten den Franchise-

Nehmer sonst in große wirtschaftliche Nöte treiben. Der Gesetzgeber versucht durch diese

Regelung, dem Franchise-Nehmer die Amortisierung seiner getätigten Investitionen zu

ermöglichen. Somit richtet sich die Mindestdauer des Vertrages – außer danach, ob eine

befristete oder unbefristete Vertragslaufzeit gilt - auch nach der Höhe der Investitionen, die

der Franchise-Nehmer aufbringen muss. Diese Regelung findet keine Anwendung, wenn

sich der Franchise-Geber vertraglich dazu verpflichtet, den Franchise-Nehmer für die

Kosten, die durch die Beendigung des Vertrages entstanden sind, zu entschädigen.28

Weiterhin gilt, dass der Franchise-Geber verpflichtet ist, dem Franchise-Nehmer die

Kündigung fristgerecht mindestens sechs Monate vor Ablauf des Vertrages zuzustellen.29

Oftmals zieht der Franchise-Geber aus der Nutzung des Franchise-Systems durch den

Franchise-Nehmer dauerhafte wirtschaftliche Vorteile, die durch den Franchise-Geber nicht

ausreichend entgolten werden.

Um diese Fehlgewichtung zu beheben, hat der Franchise-Nehmer gemäß Art. 9 am Ende

des Franchise-Vertrages Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für:

- Werbekosten, die in Übereinstimmung mit dem Franchise-Geber entstanden sind und die

weiterhin dem Franchise-Geber zugute kommen,

- erheblichen Wertzuwachs des Kundenkreises, den der Franchise-Nehmer auf Grund

seiner Tätigkeit entwickelt, erweitert und in das System eingebracht hat und der auch

weiterhin dem Franchise-Geber zur Verfügung steht und ihm einen bedeutenden Nutzen

verschafft.30

Dieser Anspruch auf eine Entschädigung besteht nicht, wenn der Vertrag nicht wegen

- Alters des Franchise-Nehmers, 26 Vgl. Gesetzesvorlage, zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Artikel 8, S.23. 27 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 8, S. 23. 28 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 8, S. 23. 29 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 8, S. 23. 30 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 9, S. 23.

140

- Invalidität des Franchise-Nehmers,

- Krankheit des Franchise-Nehmers oder

- schweren Verfehlungen des Franchise-Gebers

beendet wird oder durch schwere Verfehlungen des Franchise-Nehmers endet.31 Auch ist es

möglich, dass der Franchise-Nehmer nach Beendigung des Franchise-Vertrages auf Waren

und Produkten sitzen bleibt, weil er keinerlei Vermarktungsmöglichkeiten mehr dafür hat.

Auch in diesem Fall hat der Franchise-Nehmer einen Anspruch auf eine Entschädigung, die

auf Grundlage des Einkaufswertes der Waren und Produkte, die nicht veraltet oder überholt

sein dürfen, berechnet wird.32

Ist eine Zusammenarbeit zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer auf Grund

außergewöhnlicher Gründe definitiv nicht mehr möglich, kann jede Partei den Vertrag ohne

Einhaltung der Kündigungsfrist vor Ablauf der Laufzeit des Vertrages und vorbehaltlich aller

Schadenersatzbeträge gemäß Art. 10 beenden33. Was genau unter „außergewöhnliche

Gründe“ zu verstehen ist, ist in jedem Einzelfall von einem Gericht zu klären. Damit ergeben

sich Spielräume und Grauzonen, welche die Rechtsprechung wohl erst im Laufe der Zeit

aufhellen kann.

Übernimmt nach Beendigung des Franchise-Vertrages der Franchise-Geber oder ein Dritter

das Geschäft des Franchise-Nehmers oder wurde der Vertrag auf Grund schwerer

Verfehlungen des Franchise-Nehmers beendet, kann der Franchise-Nehmer nach Art. 11 § 2

mit einem Wettbewerbsverbot belegt werden.34 Dieses Wettbewerbsverbot darf jedoch

höchstens für die Dauer eines Jahres nach Beendigung des Franchise-Vertrages wirksam

sein und ist auf das Gebiet beschränkt, in dem der Franchise-Nehmer als Konkurrent zum

Franchise-Geber auftreten könnte.35 Wie weit sich dieses Gebiet erstreckt, ist sicherlich auch

eine Auslegungsfrage, speziell bei landesweit oder sogar weltweit agierenden Franchise-

Gebern. So ist es aus ökonomischer Sichtweise schwer vorstellbar, einen ehemaligen

Franchise-Nehmer ein ganzes Jahr lang in ganz Belgien vom Wettbewerb auszuschließen.

Weiterhin ist zu erwähnen, dass Regelungen anderer Wettbewerbsgesetze des Landes

Belgien unberührt bleiben und sich somit durchaus gegensätzliche Ansatzpunkte der

gesetzlichen Regulierung ergeben können. 31 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 9, S. 24. 32 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 9, S. 24. 33 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 10, S. 24. 34 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 11, S. 24. 35 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 11, S. 25.

141

Auch kann - nach Art. 12 - vertraglich festgelegt sein, dass der Franchise-Geber ein

Vorkaufsrecht auf das Geschäftsvermögen des Franchise-Nehmers hat.36

Der Franchise-Nehmer hat dann - nach Bekanntgabe der Absicht des Franchise-Gebers,

dieses Vorkaufsrecht wahrzunehmen - zwei Monate Zeit, dem Franchise-Geber ein höheres,

unwiderrufliches Angebot eines Dritten vorzulegen. Der Franchise-Geber wiederum hat

danach 30 Tage Zeit, dieses Angebot zu überbieten. Geschieht dies nicht, steht es dem

Franchise-Nehmer frei, sein Geschäftsvermögen an den Dritten zu veräußern. Dem

Franchise-Nehmer soll es mit dieser Regelung ermöglicht werden, sein Geschäftsvermögen

zu einem angemessenen Wert zu veräußern. Zudem soll verhindert werden, dass der

Franchise-Nehmer durch vertragliche Klauseln gezwungen ist, sein Geschäftsvermögen mit

Wertverlust abzutreten.

3.7. Inkrafttreten und Anwendungsbereich

Das ursprüngliche Gesetz trat am 1. Februar 2006 in Kraft.37 Die Erweiterung des Gesetzes

gilt für alle neu abgeschlossenen, erneuerten oder verlängerten Franchise-Verträge und

findet Anwendung auf alle laufenden Verträge zwei Jahre nach Inkrafttreten.38 Der

Anwendungsbereich bezieht sich auf alle Franchise-Systeme, die ihren wirtschaftlichen

Schwerpunkt im Land Belgien haben.

Abweichungen vom Gesetz sind nur dann zulässig, wenn der Franchise-Nehmer durch diese

Abweichung besser gestellt wird als durch Regelungen des Gesetzes oder wenn der

Franchise-Nehmer die Definition der „kleinen Gesellschaft“ nach Art. 15 der

gesellschaftsrechtlichen Gesetzgebung nicht erfüllt.39 Rechtliche Regelungen anderer

Staaten können nicht berücksichtigt werden, es gelten ausschließlich die Bestimmungen des

belgischen Franchise-Rechtes unter Beachtung europäischer Regelungen.

4. Bewertung

Mit der Novellierung des belgischen Franchise-Gesetzes ist es dem Gesetzgeber sicherlich

gelungen, die Differenz zwischen der starken Vertragspartei, dem Franchise-Geber, und der

schwächeren Vertragspartei, dem Franchise-Nehmer, zu verringern. Ob es damit jedoch

gelungen ist, die beiden Parteien vor Vertragsabschluss und auch während der

Vertragsdauer gleich stark zu machen, bleibt fraglich.

36 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 12, S. 25. 37 Vgl. Belgium - Franchise Legislation, Law relative to pre-contractual information in the framework of agreements of commercial partnership, Art. 10. 38 Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 15, S. 26. 39Vgl. Gesetzesvorlage zur Regelung des Franchise-Vertrages über die vorvertragliche Phase hinaus im Hinblick auf die Verbesserung der kaufmännischen Praktiken in diesen Bereich, 10. Juli 2006, Gesetzesvorlage, Art. 15, S.26

142

Der Franchise-Geber muss ohne Zweifel weiterreichende Informationen über sein Franchise-

Konzept offenlegen als dies vor der Gesetzeseinführung der Fall war. Dem Franchise-

Nehmer wird ein ausführlicherer Einblick in das System gewährt, wodurch potentielle Risiken

besser zu erkennen sind. Auch wird der Franchise-Nehmer durch das Gesetz besser bei

geschäftsschädigendem Verhalten des Franchise-Gebers geschützt, und willkürliche Akte

der Vertragspartner werden so gut wie ausgeschlossen. Vor allem in Hinblick auf

Planungssicherheit und Kontinuität beim Betrieb des Franchise-Geschäftes hat der

Franchise-Nehmer durch das Gesetz mehr Sicherheit. Auch das finanzielle Risiko des

Franchise-Nehmers wird verringert, vor allem dadurch, dass der Franchise-Nehmer nach

Vertragsende nicht mehr auf getätigten Investitionen sitzen bleibt. Im Allgemeinen werden

die Pflichten des Franchise-Gebers sowohl während der vorvertraglichen Aufklärungspflicht

als auch während der Vertragsdauer genauer definiert. Nachteilige Klauseln und

Vertragsbedingungen zu Lasten des Franchise-Nehmers kann der Franchise-Geber nicht

mehr so leicht in den Vertrag einbauen, da viele Aspekte durch das Gesetz genau geregelt

werden.

Trotz alledem bleibt auch weiterhin ein beachtliches Risiko für den Franchise-Nehmer

bestehen. Er ist kein freier Unternehmer, der alle Entscheidungen allein treffen kann,

sondern Mitglied in einem System, an dessen Regeln und vertragliche Bestimmungen er

gebunden ist. Diese Teilhabe am Franchise-System bewirkt Vorteile, aber auch Zwänge und

Verpflichtungen, die den Franchise-Nehmer als Unternehmer einengen.

Der Franchise-Nehmer muss abwägen, ob das wirtschaftliche Risiko und die

Verpflichtungen, die er mit dem Eintritt in das Franchise-System eingeht, dem möglichen

Nutzen in einem angemessenen Verhältnis gegenüberstehen. Diese Abwägung ist durch das

Franchise-Gesetz in Belgien für potentielle Franchise-Nehmer besser möglich als vor dem

Gesetzeserlass.

143

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Adressen der Franchise-Wirtschaft

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• Ethikkodex des Deutschen Franchise-Verbandes:

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• Leitfaden des Deutschen Franchise-Verbandes „Existenzgründung mit System“:

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