46
1 Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung Entscheidungen des OGH Jänner 2017 September 2019 6. November 2019 Dr. Ilse Huber

Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

1

Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

Entscheidungen des OGH

Jänner 2017 – September 2019

6. November 2019

Dr. Ilse Huber

Page 2: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

2

Inhalt

I. Privathaftpflichtversicherung

1. Gefahr des täglichen Lebens:

7 Ob 192/16k - Motorrad auf Rennstrecke; Auslegung von Risikoausschlüssen

7 Ob 18/17y - Tätlichkeit

7 Ob 37/17t - Zünden eines Böllers; Obliegenheiten nach Versicherungsfall

7 Ob 126/17f - Schweißarbeiten

7 Ob 142/17h - Tätlichkeit

7 Ob 145/17z - Messerattacke einer Unzurechnungsfähigen; Verhältnis Haftpflichtprozess zu

Deckungsprozess

7 Ob 13/18i - Wasserbombenschleuder

7 Ob 125/18k - Tätlichkeit; keine Bindung an Freispruch; Verhältnis Haftpflichtprozess zu

Deckungsprozess

7 Ob 243/18p - Tätlichkeit; grob fahrlässige Tötung in vermeintlicher Notwehr

7 Ob 86/19a -Raufhandel; Fußtritt gegen den Kopf

2. Weitere Entscheidungen zur Privathaftpflichtversicherung:

7 Ob 17/17a – Rettungspflicht

7 Ob 180/17x - Hemmung der Verjährung durch Vergleichsgespräche

7 Ob 142/18k - Verhältnis Haftpflichtprozess -Deckungsprozess

7 Ob 39/19i - Mitversichertes Kind; regelmäßiges Einkommen

II. Betriebshaftpflichtversicherung

7 Ob 165/16i - Doppelversicherung des Spitalsarztes

7 Ob 190/16s - Abgrenzung Vertragserfüllung zu Mangelfolgeschaden

7 Ob 13/17p - Ausländisches Recht; direktes Klagerecht; PHG

7 Ob 214/17x - Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des

Schädigers; Gefahrenerhöhung; Kettenschuss bei Holzerntemaschine

7 Ob 227/17y - Nicht gedecktes Erfüllungssurrogat

7 Ob 8/18d - Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des

Schädigers; Personenbeförderung mit Gabelstapler

7 Ob 14/18m - Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften; Fehler des Bauleiters

7 Ob 30/18i - Nicht gedecktes Erfüllungssurrogat

Page 3: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

3

7 Ob 41/18g – Abgrenzung Vertragserfüllung zu Mangelfolgeschaden

7 Ob 60/18a - Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften; grobe Fahrlässigkeit

7 Ob 105/18v - Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des

Schädigers; Absturz bei Dachdeckerarbeiten

7 Ob 81/19s - Nicht gedecktes Erfüllungssurrogat

III. Berufshaftpflichtversicherung

7 Ob 204/16z - Nachhaftung; Ausschlussfrist

7 Ob127/17b - Verhältnis Haftpflichtprozess zu Deckungsprozess

7 Ob 164/17v - Obliegenheiten nach Versicherungsfall; Aufklärungsobliegenheit

7 Ob 177/17f - Direktanspruch nach KAKuG

7 Ob 182/17s - vertraglicher Direktanspruch; claims-made-Prinzip

7 Ob 212/17b - Erfüllungssurrogat in der Pflicht-Haftpflichtversicherung der Ärzte

7 Ob 34/18b - Umfang der Auskunftspflicht des Notars über seine Haftpflichtversicherung

7 Ob 158/18p - Fehlberatung durch Versicherungsangestellten

7 Ob 218/18m - Auslandsklausel

7 Ob 228/18g - Forderung des Versicherungsnehmers zugunsten des Geschädigten

7 Ob 14/19p - Angehörigenausschluss

7 Ob 88/19w - Anerkenntnis des Ersatzanspruchs ohne offenbare Unbilligkeit

7 Ob 139/18v - Fehlende Gewerbeberechtigung des Versicherungsmaklers für

Kreditvermittlung

IV. Bauherrn-Haftpflichtversicherung

7 Ob 195/17b - Schaden am Nachbargrundstück

7 Ob 174/18s - Haftung aus Nachbarrecht oder aus Vertrag?

V. KFZ-Haftpflichtversicherung

7 Ob 49/17g - Haltereigenschaft nach § 2 Abs 2 KHVG

7 Ob 159/18k - Führerscheinklausel

7 Ob 35/19a – Geisterfahrer

7 Ob 137/19w – Verwendung eines Teleskoparmstaplers als Arbeitsmaschine

Page 4: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

4

I. Privathaftpflichtversicherung

1. Gefahr des täglichen Lebens

Allgemeine Ausführungen des OGH

Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ ist nach ständiger

Rechtsprechung so auszulegen, dass der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des

Versicherungsnehmers jene Gefahren umfasst, mit denen üblicherweise im Privatleben eines

Menschen gerechnet werden muss. Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines

Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die

Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen

schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Damit sind aber nicht alle

ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt. Für das Vorliegen einer „Gefahr des

täglichen Lebens“ ist nicht erforderlich, dass sie geradezu täglich auftritt. Vielmehr genügt es,

wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch

seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine geradezu ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei

Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Verhaltens den daraus entspringenden Gefahren

noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen

aus einer Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadensfall ist nämlich eine Fehlleistung

oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers. Plant der Versicherungsnehmer

allerdings die Schadenszufügung von vornherein, so ist dies nicht vom versicherten Risiko

umfasst.

Entscheidungen zur Gefahr des täglichen Lebens

7 Ob 192/16k

Thema: 1. Gefahr des täglichen Lebens

2. Auslegung von Risikoausschlüssen

AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des

Versicherungsnehmers … als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit

Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit auf

Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes,

insbesonders …

aus der nicht berufsmäßigen Sportausübung, ausgenommen die Jagd …

Nicht versichert sind …

Schadenersatzverpflichtungen aus Schäden, die der Versicherungsnehmer oder die

mitversicherten Personen verursachen durch Haltung oder Verwendung … von

Kraftfahrzeugen oder Anhängern, die ein behördliches Kennzeichen tragen müssen oder

Page 5: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

5

tatsächlich tragen im Sinne des Kraftfahrgesetzes (BGBl 267/1967) in der jeweiligen

Fassung…

von Pocket-Bikes…“

Der Kläger nahm mit seinem nicht (mehr) zum Verkehr zugelassenen Motorrad (180 PS, bis

270 km/h) am „Freien Fahren“ auf einer Rennstrecke teil. Alle Teilnehmer mussten einen

Haftungsausschluss gegenüber dem Veranstalter unterschreiben. Bei einer Geschwindigkeit

von 150 km/h fuhr er wegen Bremsproblemen auf den Vordermann auf. Dieser wurde verletzt,

sein Motorrad beschädigt.

Die Deckungsklage wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen, weil Gefahr des täglichen

Lebens verneint wurde. Der OGH hob diese Urteile zur Prüfung der Klagsansprüche auf.

OGH:

1. Gefahr des täglichen Lebens bejaht:

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer geht davon aus, dass – schon wegen der

Aufzählung nach „insbesonders“ – die nicht berufsmäßige Sportausübung als zu den Gefahren

des täglichen Lebens gehörend definiert ist. Da zudem vom Versicherungsschutz bei der nicht

berufsmäßigen Sportausübung nur die Jagd ausdrücklich ausgenommen ist, muss darauf

geschlossen werden, dass alle anderen Tätigkeiten, die von einem durchschnittlichen

Versicherungsnehmer als Sport betrachtet werden, vom Versicherungsschutz umfasst sind. Das

Motorradfahren ist in Österreich beliebt; demgemäß ist auch der Motorradrennsport eine

gebräuchliche Sportart. Dieser kann zulässigerweise auf abgeschlossenen Rennstrecken

ausgeübt werden. Dass dem Kläger allenfalls ein fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen ist,

begründet für sich allein noch nicht eine ungewöhnliche Gefahr.

2. Auslegung von Risikoausschlüssen:

Ausschlüsse sind eng auszulegen. Sie dürfen nicht weiter ausgelegt werden als es ihr Sinn unter

Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zweckes und der gewählten Ausdrucksweise sowie des

Regelungszusammenhanges erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses

als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen.

Pocket-Bikes werden nicht ausschließlich zu Rennsportzwecken eingesetzt. Ein vom Wortlaut

nicht gedeckter Risikoausschluss kann hier nicht durch eine – noch dazu nicht zwingende –

Verallgemeinerung aus anderen Risikoausschlüssen abgeleitet werden.

7 Ob 18/17y

Thema: Gefahr des täglichen Lebens

AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des

Versicherungsnehmers und der … mitversicherten Personen als Privatperson aus den Gefahren

des täglichen Lebens …“

Der bei seiner Lebensgefährtin mitversicherte Kläger mischte sich in Handgreiflichkeiten ein.

Er gab einem Kontrahenten einen „Schupfer“, dieser stieß gegen einen Dritten, der dadurch

Page 6: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

6

schwer verletzt wurde. Der Deckung begehrende Kläger berief sich auf einen „natürlichen

Reflex“.

Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.

OGH:

Keine Gefahr des täglichen Lebens: Keine Gefahr des täglichen Lebens liegt vor, wenn der

Versicherte aktiv in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt war, auch wenn ein

Unbeteiligter verletzt wurde. Ein vernünftiger Durchschnittsmensch gerät üblicherweise gerade

nicht als aktiv Beteiligter in einen Raufhandel, bei dem bewusste Angriffe gegen die körperliche

Unversehrtheit anderer Personen erfolgen. Die Gefahren, die solchen nach allgemeinem

Bewusstsein nicht zu tolerierenden Akten entspringen, gehören nicht zum täglichen Leben.

Der „Schupfer“ war weder Abwehrreaktion noch Reflexhandlung oder Schlichtungsversuch.

7 Ob 37/17t

Thema: 1. Gefahr des täglichen Lebens

2. § 6 Abs 3 VersVG - Obliegenheiten nach Versicherungsfall - Beweislast

3. Prozessuales: 3.1. Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht bekämpfbar

3.2. Berichtigung des Klagebegehrens im Urteil?

Während eines „Brautsingens“ zündete der Kläger mitten unter den Gästen einen Böller, der

ihm von einem Gastgegeben worden war. Der Kläger glaubte, dass es sich um einen

handelsüblichen Böller der Klasse F2 handelte, tatsächlich war es ein Böller der Klasse F3 oder

F4. Es erfolgte keine unverzügliche Schadensmeldung. Die Böllerreste wurden nicht

aufgehoben. Der Kläger begehrte Deckung für den “Schadensfall vom 11. Mai“.

Der Deckungsklage wurde (mit der Formulierung: „in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai“)

stattgegeben. Der OGH wies die Revision zurück.

OGH:

1. Gefahr des täglichen Lebens bejaht:

Das bewusste Schaffen einer Situation, die eine Brandgefahr oder Explosionsgefahr mit sich

bringt, aus bloßem Mutwillen gehört bei Erwachsenen nicht zur Gefahr des täglichen Lebens.

Hier hat aber der Kläger (lediglich) fahrlässig nicht erkannt, dass es sich um einen Böller der

hohen Kategorie handelte.

2. § 6 Abs 3 VersVG - Obliegenheiten nach Versicherungsfall - Beweislast:

Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor

vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit

Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln

ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu.

Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung

nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen,

Page 7: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

7

dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig

begangen habe.

Dass – bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung – die Verletzung weder

auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung und den Umfang der dem

Versicherer obliegenden Leistung einen Einfluss gehabt hat, ist vom Versicherungsnehmer im

Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen. Dem Versicherungsnehmer steht also

der Kausalitätsgegenbeweis offen.

Dass dem Kläger der strikt zu führende Kausalitätsgegenbeweis gelungen ist, weil trotz

Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalls (Schadensmeldung)

und des Unterlassens der Sicherung der Böllerreste dennoch objektiv bewiesen werden konnte,

dass der Kläger mit einem Feuerwerkskörper der Klasse F3 oder F4 hantierte, worauf sich die

Beklagte stützt, ist noch vertretbar.

3.1. Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht bekämpfbar:

Selbst eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren

nicht angefochten werden. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist

mängelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts

überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in

seinem Urteil festhält.

3. 1. Berichtigung des Klagebegehrens im Urteil:

Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom

Kläger gemeint ist. Das Gericht hat ein nur versehentlich unrichtig formuliertes Klagebegehren

richtig zu fassen. Eine in diesem Rahmen geänderte Formulierung ist keine Überschreitung des

Begehrens.

7 Ob 126/17f

Thema: Gefahr des täglichen Lebens

AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des

Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme

der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit …“

Der Kläger wollte seinen PKW selbst reparieren. Er benützte dazu die Lagerhalle seines Onkels.

Dort begann er mit Schweißarbeiten am Unterboden des PKWs. PKW und Halle gerieten in

Brand. Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.

OGH:

Keine Gefahr des täglichen Lebens: Die Abgrenzung zwischen dem gedeckten Eskalieren einer

Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hängt

von den Umständen des Einzelfalls ab.

Schweißarbeiten sind grundsätzlich gefährlich. „Dem Kläger ist durchaus zuzugestehen, dass

insbesondere im ländlichen Bereich ein Teil der Bevölkerung in seiner Freizeit auch (kleinere)

Reparaturen an Fahrzeugen vornimmt. Ausdrücklich festgestellt hat das Erstgericht aber, dass

Page 8: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

8

es sich bei Schweißarbeiten an einem PKW hingegen um keine Freizeitbeschäftigung handelt,

der üblicherweise männliche Landbewohner zwischen 16 und 30 Jahren regelmäßig

nachgehen“.

Solche Arbeiten werden gewöhnlich in einer KFZ-Werkstätte von dazu ausgebildeten und

befugten Fachleuten vorgenommen. Es handelt sich daher um Arbeiten, die in Art und Umfang

einer betrieblichen Tätigkeit gleichkommen und – auch von Bastlern – in der Regel nicht in

Eigenregie vorgenommen werden. Mit der Durchführung von Schweißarbeiten in einem

derartigen Ausmaß muss vielmehr im Privatleben eines Menschen üblicherweise nicht

gerechnet werden.

7 Ob 142/17h

Thema: Gefahr des täglichen Lebens

Der alkoholisierte Kläger belästigte bei einer Bus-Ausflugsfahrt immer wieder mitreisende

Frauen. Nach dem Aussteigen kam es zu einem „Gerangel“ mit einem Ehemann einer der

belästigten Frauen, dann ging der Kläger auf eine um Schlichtung bemühte Frau los er drückte

sie gegen einen Zaun. Dabei stolperte er und fiel auf die Frau, die beim Sturz verletzt wurde.

Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.

OGH: Keine Gefahr des täglichen Lebens

7 Ob 145/17z

Thema: 1. Gefahr des täglichen Lebens

2. Verhältnis Haftpflichtprozess zu Deckungsprozess

AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des

Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme

der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit, insbesondere …

6. aus dem erlaubten Besitz von Hieb-, Stich- und Schusswaffen und aus deren Verwendung als

Sportgerät und für Zwecke der Selbstverteidigung …“

Die Klägerin leidet an einer schizoaffektiven Störung mit akut psychotischem Zustandsbild. Sie

versuchte in unzurechnungsfähigem Zustand (§ 11 StGB), einen Dritten mit einem Messer

umzubringen. Dies wäre als versuchter Mord nach §§ 15, 75 StGB zu qualifizieren, wäre die

Klägerin zurechnungsfähig gewesen; sie wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB in einer Anstalt für

geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht. Die Klägerin wurde vom erheblich verletzten

Opfer unter Berufung auf § 1310 letzter Halbsatz ABGB auf Schadenersatz und Feststellung

der Haftung für künftige Schäden geklagt (in der Folge: Haftpflichtprozess). Die

Haftpflichtversicherung stelle Vermögen der Klägerin dar. Es habe sich eine Gefahr des

täglichen Lebens verwirklicht, wofür der Haftpflichtversicherer (die nunmehrige Beklagte)

einzustehen habe. Die Klägerin begehrte die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten

Page 9: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

9

zur Abwehr des vom Opfer im Haftpflichtprozess erhobenen Anspruchs. Der

Haftpflichtprozess war während des Deckungsprozesses noch nicht rechtskräftig beendet.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren

ab. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.

OGH:

1. Keine Gefahr des täglichen Lebens:

Es liegt auch dann keine Gefahr des täglichen Lebens vor, wenn eine schwere Körperverletzung

im Zustand der vollen Berauschung verübt wird, weil ein Durchschnittsmensch – auch wenn er

erheblich alkoholisiert ist – nicht in die Situation gerät, dass er als aktiv Beteiligter eine schwere

Körperverletzung oder ein Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im

Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 1) StGB begeht.

Auch eine infolge psychischer Erkrankung erfolgte Messerattacke ist keine vom gedeckten

Risiko umfasste Gefahr des täglichen Lebens, in die ein Durchschnittsmensch im normalen

Lebensverlauf üblicherweise gerät.

2. Verhältnis Haftpflichtprozess - Deckungsprozess:

Der Haftpflichtversicherungsanspruch wird fällig, wenn der Versicherungsnehmer (oder ein

Mitversicherter) vom geschädigten Dritten ernstlich auf Schadenersatz in Anspruch genommen

wird

Im Deckungsprozess sind Feststellungen über Tatfragen, die Gegenstand des

Haftpflichtprozesses sind, für den Haftpflichtprozess nicht bindend, daher überflüssig und,

soweit sie getroffen wurden, für die Frage der Deckungspflicht unbeachtlich. Im

Deckungsprozess kommt eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung und des Ergebnisses des

Haftpflichtprozesses bei Beurteilung der Deckungspflicht grundsätzlich nicht in Betracht.

Im vorliegenden Deckungsprozess ist keine dem Haftpflichtprozess vorbehaltene Tatfrage

strittig, sondern die Frage, wie ein unstrittiger Sachverhalt rechtlich zu werten ist. Die rechtliche

Beurteilung, ob sich im unstrittigen Geschehen eine Gefahr des täglichen Lebens verwirklichte,

ist zwar (auch) für die materielle Berechtigung des vom Opfer im Haftpflichtprozess geltend

gemachten Anspruchsgrundes - das Bestehen einer Haftpflichtversicherung - relevant, ebenso

jedoch für die Frage der Verwirklichung des primären Risikos und damit des

Deckungsanspruchs.

Die für die Frage des Inhalts des Versicherungsvertrags, der Verwirklichung des primären

Risikos und damit des Eintritts des Versicherungsfalls der Haftpflichtversicherung

erforderliche rechtliche Beurteilung, ob sich in einem bestimmten Geschehen eine Gefahr des

täglichen Lebens verwirklichte, hat auch dann im Deckungsprozess zu erfolgen, wenn dieselbe

Frage auch für die materielle Berechtigung des von einem Dritten gegen den Versicherten im

Haftpflichtprozess erhobenen Anspruchs (etwa nach § 1310 letzter Halbsatz ABGB) relevant

ist.

Page 10: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

10

7 Ob 13/18i

Thema: Gefahr des täglichen Lebens - „Wasserbombenschleuder“

AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des

Versicherungsnehmers und der … mitversicherten Personen als Privatperson aus den Gefahren

des täglichen Lebens …“

Der Kläger hat auf einem Festgelände mit zwei Freunden eine „3-Mann-

Wasserbombenschleuder“ in einer „Wasserbombenschlacht“ eingesetzt. Dabei wurde eine

unbeteiligte Frau verletzt.

Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.

OGH:

Keine Gefahr des täglichen Lebens: Die Warnhinweise im Verkaufsportal, die

Bedienungsanleitung sowie das äußere Erscheinungsbild und die Mechanik der Verwendung

der Schleuder weisen das Gerät im Einsatz gegen Personen wegen der absehbaren Energie und

Geschwindigkeit der abgefeuerten Geschosse als offenkundig gefährlich aus. Der vom Kläger

in seiner Revision betonte Umstand, dass mit der Schleuder nicht gezielt geschossen werden

könne, macht das Gerät nicht harmloser, sondern unberechenbarer und daher gefährlicher. Dass

dabei an der Schlacht unbeteiligte und daher auf das Geschehen nicht fokussierte Personen in

Mitleidenschaft gezogen werden können, liegt beim Einsatz einer solchen Schleuder auf einem

Festivalgelände ebenfalls auf der Hand.

7 Ob 125/18k

Thema: 1. Gefahr des täglichen Lebens - Angriff auf Fußgänger

2. Keine Bindungswirkung eines Freispruchs, aber Bindungswirkung des

Haftpflichtprozesses

AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des

Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens …“

Der Kläger (VN) lief bei einer Auseinandersetzung mit erhobener Axt auf zwei Fußgänger zu,

ließ dann die Axt zwar fallen, drängte aber den einen Spaziergänger mit seinem Oberkörper

immer weiter nach hinten, wobei dieser verletzt wurde, und bedrohte ihn zudem mit dem

Umbringen. Im Strafverfahren wurde der Kläger freigesprochen.

Die Deckungsklage des Versicherungsnehmers wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision

zurück.

OGH:

1. Keine Gefahr des täglichen Lebens

Es liegt auch dann keine Gefahr des täglichen Lebens vor, wenn eine schwere Körperverletzung

im Zustand der vollen Berauschung verübt wird, weil ein Durchschnittsmensch – auch wenn er

erheblich alkoholisiert ist – nicht in die Situation gerät, dass er als aktiv Beteiligter eine schwere

Körperverletzung oder ein Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im

Page 11: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

11

Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 1) StGB begeht. Auch eine

infolge psychischer Erkrankung erfolgte Messerattacke ist keine solche vom gedeckten Risiko

umfasste Gefahr des täglichen Lebens, in die ein Durchschnittsmensch im normalen

Lebensverlauf üblicherweise gerät.

2. Keine Bindungswirkung eines Freispruchs, aber Bindungswirkung des

Haftpflichtprozesses

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gibt es keine Bindung des

Zivilrichters an ein freisprechendes Strafurteil. Dies gilt sogar dann, wenn aufgrund des

Beweisverfahrens vom Strafgericht festgestellt wurde, dass der Beschuldigte die ihm zur Last

gelegte Tat gar nicht begangen hat.

Jedoch das im Haftpflichtprozess ergangene Urteil hat die Bindungswirkung, dass die

Ersatzpflicht des Versicherten nach Bestand und Betrag im Deckungsprozess gegen den

Versicherer nicht nachgeprüft werden darf, sofern dieser sich am Haftpflichtprozess beteiligt

hatte oder wenn er – wie hier – von diesem Verfahren verständigt wurde und ihm Gelegenheit

zur Nebenintervention geboten worden ist.

Wird der Versicherungsnehmer zum Schadenersatz verurteilt, dann ist der Versicherungsfall

abgeschlossen. Die Feststellung im Haftpflichtprozess, dass der Versicherungsnehmer den

Schaden in einer bestimmten Eigenschaft oder Tätigkeit verursacht hat, kann im

Deckungsprozess nicht mehr nachgeprüft werden.

Im Haftpflichtprozess zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer wird über

sein schädigendes Verhalten und seine Verantwortung dem Geschädigten gegenüber

abgesprochen. Das ergehende Urteil ist die Grundlage für die Frage, ob dem Geschädigten

überhaupt ein Schadenersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer wegen des von ihm

gesetzten Verhaltens zusteht, den der Versicherer allenfalls decken muss.

Auch die die Rechtsposition des Versicherungsnehmers belastenden Tatsachenfeststellungen

im Urteil des Haftpflichtprozesses sind im Deckungsprozess zu beachten.

7 Ob 243/18p

Thema: Gefahr des täglichen Lebens - vermeintliche Notwehr

Der Kläger drückte mit Knien und Ellbogen längere Zeit auf den Rücken des von ihm auf den

Boden geworfenen Vaters, der dadurch erstickte. Das Strafgericht ging von einer

Notwehrüberschreitung aus.

Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück

OGH:

Keine Gefahr des täglichen Lebens: Eine grob fahrlässige Tötung unter Anwendung derart

massiver Gewalt ist keine Gefahr des täglichen Lebens, auch wenn der Kläger in einer

vermeintlichen Notwehrsituation handelte.

Page 12: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

12

7 Ob 86/19a

Thema: Gefahr des täglichen Lebens - Fußtritt auf den Kopf

Vor einem Lokal kam es zwischen dem Kläger und einer Gruppe von vier Personen zu

wechselseitigen Beleidigungen und schließlich zu Tätlichkeiten. Dabei versetzte der Kläger,

der am Fuß festgehalten wurde, mit dem anderen Fuß dem am Boden Liegenden einen Fußtritt

auf den Kopf.

Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.

OGH:

Keine Gefahr des täglichen Lebens: Selbst eine in einer vermeintlichen Notwehrsituation aus

Furcht vorgenommene unangemessene Körperverletzung, nach aktiver Beteiligung an

Provokationen, ist keine Gefahr des Lebens.

2. Weitere Entscheidungen zur Privathaftpflichtversicherung

7 Ob 17/17a

Thema: Rettungspflicht

§ 62 VersVG: „(1) Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, beim Eintritt des

Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu

sorgen und dabei die Weisungen des Versicherers zu befolgen; er hat, wenn die Umstände es

gestatten, solche Weisungen einzuholen. Sind mehrere Versicherer beteiligt und haben diese

entgegenstehende Weisungen gegeben, so hat der Versicherungsnehmer nach eigenem

pflichtgemäßen Ermessen zu handeln.

(2) Hat der Versicherungsnehmer diese Verpflichtungen verletzt, so ist der Versicherer von der

Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, dass die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf

grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grobfahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur

Leistung insoweit verpflichtet, als der Umfang des Schadens auch bei gehöriger Erfüllung der

Verpflichtungen nicht geringer gewesen wäre“.

Die nunmehrige Klägerin war Beklagte in einem Haftpflichtprozess, an dem der

Haftpflichtversicherer als Nebenintervenient beteiligt war. Weder sie noch der

Haftpflichtversicherer haben im Haftpflichtprozess eine Berufung gegen das für sie negative

Urteil erhoben. Der Haftpflichtversicherer lehnt die Deckung ab, weil die Klägerin keine

Berufung erhoben und dadurch gegen ihre Rettungspflicht verstoßen habe.

Der Deckungsklage wurde stattgegeben. Der OGH wies die Revision zurück.

OGH:

Dass das Berufungsgericht (die Kenntnis der wesentlichen Umstände des Haftpflichtprozesses

bei der beklagten Versicherungsnehmerin unterstellend und unter Zugrundelegung der offenbar

von der Beklagten ohnedies geplanten Erhebung einer eigenen Berufung) die der Beklagten

Page 13: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

13

auch angekündigte Entscheidung der Klägerin, keine eigene Berufung einbringen zu wollen,

nicht als auf Vorsatz oder groben Verschulden beruhend beurteilte, zumal sie damit rechnen

konnte, dass die Beklagte ihr in dieser Situation eine entsprechende Weisung erteilen würde,

ist jedenfalls vertretbar. Es ist nämlich keinesfalls offensichtlich oder auch nur zu vermuten,

dass der beklagte Versicherer ein (gesondertes) Interesse an der Erhebung eines Rechtsmittels

durch die Klägerin als Versicherungsnehmerin (hier als Versicherte) selbst haben könnte, wenn

er als deren Nebenintervenient ohnehin unbeschränkt die Möglichkeit hat, seinen

Rechtsstandpunkt im eigenen angekündigten und auch eingebrachten Rechtsmittel Rechnung

zu tragen.

7 Ob 180/17x

Thema: Hemmung der Verjährung durch Vergleichsgespräche

Die Klägerin wurde im Jahr 1999 im Alter von 2 Jahren vom Hund des beklagten

Versicherungsnehmers gebissen. Der Haftpflichtversicherer hat eine Regulierungsvollmacht.

Er verzichtete auf die Einrede der Verjährung bis Ende 2006, dann noch weiter bis zur

Volljährigkeit der Klägerin am 4.3.2015. Auch danach wurden Regulierungsverhandlungen

durch den Haftpflichtversicherer mit der Klägerin geführt. Am 31.8.2015 lehnte der

Haftpflichtversicherer weitere Zahlungen ab, weil mit 4.3.2015 Verjährung eingetreten sei.

Das Erstgericht wies die Klage der Verletzten gegen den Versicherungsnehmer ab. Das

Berufungsgericht verneinte mit Zwischenurteil die Verjährung. Der OGH wies die Revision

zurück.

OGH:

Den österreichischen Gesetzen ist keine allgemeine Regulierungsvollmacht des

Haftpflichtversicherers zu entnehmen. Es entscheidet sich nach der dem Versicherungsvertrag

zugrunde liegende Bedingungslage, ob der Versicherer die Befugnis hat, eine Erklärung des

Verjährungsverzichts für den Versicherungsnehmer abzugeben.

Der Beklagte hat seinem Haftpflichtversicherer eine Regulierungsvollmacht im Sinn des Art

8.2. AHVB 1993 erteilt. Diese umfasst im „Rahmen seiner Verpflichtung zur Leistung alle ihm

zweckmäßig erscheinenden Erklärungen“ des Versicherers. Einer zustimmenden Erklärung des

Versicherungsnehmers zur Ausübung der Regulierungsvollmacht durch den Versicherer bedarf

es nicht. Vielmehr kann der Versicherer die Regulierungsvollmacht etwa auch dann wirksam

wahrnehmen, wenn der Versicherte der mehrfachen außergerichtlichen Aufforderung des

Geschädigten, ein Haftungsanerkenntnis für zukünftige Unfallfolgen abzugeben, nicht

nachkommt.

Das Führen von Vergleichsgesprächen des Versicherers im Rahmen seiner

Regulierungsvollmacht nach Art 8.2. AHVB kann die Hemmung der Verjährungsfrist

bewirken. Die Verjährung tritt nicht ein, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen

unverzüglich, dh in angemessener Frist, die Klage eingebracht wird. Dies ist hier zu bejahen.

Page 14: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

14

7 Ob 142/18k

Thema: Risikoausschluss Vorsatz; Verhältnis Haftpflichtprozess – Deckungsprozess

Die Klägerin (VN) und war auf einem Dorffest in Tätlichkeiten mit einer alkoholisierten Frau

verwickelt, die schließlich stürzte und sich dabei verletzte. Die Verletzte begehrt deshalb in

einem Schreiben ihres Rechtsanwalts Schadenersatz, wobei sie behauptet, die Klägerin habe

sie angegriffen. Ein Haftpflichtprozess war (noch) nicht anhängig, als die Klägerin die

Deckungsklage einbrachte. Darin behauptete sie, sie habe die sehr aggressive Geschädigte in

Notwehr von sich gestoßen.

Die Vorinstanzen gaben der Deckungsklage statt. Der OGH wies die Deckungsklage ab.

OGH:

Die Frage der zivilrechtlichen Haftpflicht des Versicherungsnehmers ist im Haftpflichtprozess

zwischen ihm und dem Geschädigten zu klären, während der Befreiungsanspruch des

Versicherungsnehmers, wenn er strittig ist, zwischen ihm und dem Versicherer im

Deckungsprozess geprüft werden muss. Die Frage, ob der Versicherer Versicherungsschutz zu

gewähren hat, ist also von jener zu trennen, ob der Versicherungsnehmer dem Dritten

Schadenersatz schuldet. Im Deckungsprozess sind deshalb Feststellungen über Tatfragen, die

Gegenstand des Haftpflichtprozesses sind, für den Haftpflichtprozess nicht bindend, daher

überflüssig und, soweit sie getroffen wurden, für die Frage der Deckungspflicht unbeachtlich.

Im Deckungsprozess kommt eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung und des Ergebnisses

des Haftpflichtprozesses bei Beurteilung der Erfolgsaussichten grundsätzlich nicht in Betracht.

Einen Sonderfall bilden Tatsachen, die für die Beurteilung sowohl der Berechtigung des

Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers als auch dessen Haftung entscheidungsrelevant

sind. Zu entscheidungsrelevanten Tatsachen sind im jeweiligen Prozess Feststellungen zu

treffen. Im Deckungsprozess ist das Bestehen des Deckungsanspruchs zu prüfen und es bedarf

der dafür notwendigen Feststellungen, so etwa zur Beurteilung des Vorliegens der Gefahr des

täglichen Lebens.

Grundsätzlich ist nach bisheriger Rechtsprechung der Deckungsanspruch des

Haftpflichtversicherten durch das versicherte Risiko spezialisiert und von dem vom

Geschädigten erhobenen Anspruch abhängig, dh unter Zugrundelegung des vom Geschädigten

behaupteten Sachverhalts. Von diesem Grundsatz ist (auch beim vorweggenommenen

Deckungsprozess) nicht abzugehen, andernfalls hätte es der Versicherungsnehmer in der Hand

durch bloße, dem Anspruch des Geschädigten widersprechende, Behauptungen Deckung zu

erlangen.

Grundlage für die Prüfung, ob ein gedeckter Versicherungsfall vorliegt, ist daher der geltend

gemachte Anspruch ausgehend von den vom Geschädigten behaupteten Sachverhalt.

Da die Geschädigte ihren Schmerzengeldanspruch auf eine der Klägerin vorgeworfene

Vorsatztat stützt, ist die Deckung nach Art 7.2 AHVB 2012 ausgeschlossen.

Sollte in einem späteren Haftpflichtprozess die Geschädigte ihren Anspruch abweichend davon

auf fahrlässige Körperverletzung stützen oder wäre dies das Ergebnis des Haftpflichtprozesses,

so ist dies als neue (gesonderte) Anspruchserhebung gegenüber dem Haftpflichtversicherten zu

werten, die vom Versicherer ohne Bindung an den vorliegenden Deckungsprozess zu prüfen

ist. Im vorliegenden Verfahren wird nämlich nur die Deckung des von der Geschädigten

Page 15: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

15

erhobenen Anspruchs formal, ohne den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt, geprüft. Ergibt

die Prüfung des Lebenssachverhalts im Haftpflichtprozess einen anderen Anspruch, so steht

diesem der Ausgang des vorweggenommenen Deckungsprozesses nicht entgegen.

7 Ob 39/19i

Thema: Mitversichertes Kind - eigenes regelmäßiges Einkommen

Nach den AHVB/EHVB 1993 sind mitversichert die „minderjährigen Kinder des

Versicherungsnehmers … diese Kinder bleiben darüber hinaus bis zur Vollendung des 25.

Lebensjahres mitversichert, soferne und solange sie über keinen eigenen Haushalt und kein

eigenes regelmäßiges Einkommen verfügen.“

Die 18-jährige Tochter des Klägers verletzte bei einem Schiunfall eine Schifahrerin und wurde

von deren Sozialversicherer auf den Ersatz der Sozialversicherungsleistungen geklagt. Die

Tochter des Klägers wohnte damals bei den Eltern und bezog eine Lehrlingsentschädigung von

860 EUR im Monat.

Das Erstgericht gab der Deckungsklage statt, das Berufungsgericht wies die Klage ab. Der OGH

bestätigte die Klageabweisung.

OGH:

Die drei Voraussetzungen - Alter nicht über 25 Jahre, kein eigener Haushalt und kein eigenes

regelmäßiges Einkommen – müssen kumulativ vorliegen. Einkünfte aus einer

Lehrlingsentschädigung im letzten Lehrjahr (hier von 860 EUR pro Monat) sind jedenfalls als

eigenes regelmäßiges Einkommen iSd AHVB 1993 und EHVB 1993 anzusehen.

Page 16: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

16

II. Betriebshaftpflichtversicherung

7 Ob 165/16i

Thema: Doppelversicherung des Spitalsarztes; Verhältnis § 59 zu § 67 VersVG

Die Klägerin war Haftpflichtversicherer des Trägers eines Krankenhauses. Mitversichert waren

auch die im Krankenhaus angestellten Ärzte, darunter ein Facharzt für Unfallchirurgie, der auch

selbst haftpflichtversichert war. Durch eine Fehlbehandlung während einer Operation erlitt ein

Patient schwere gesundheitliche Schäden. Deshalb leistete die Klägerin als

Haftpflichtversicherer des Krankenhausträgers an den Patienten Entschädigungszahlungen. Sie

begehrt nun vom Haftpflichtversicherer des Facharztes (=Beklagte) die Zahlung der Hälfte ihrer

bisherigen Zahlungen und die Feststellung, dass die beklagte Partei verpflichtet sei, der

klagenden Partei die Hälfte aller zukünftigen Schadenersatzzahlungen und Regressforderungen

zu ersetzen. Das Risiko der Tätigkeit Facharztes sei gemäß § 59 VersVG doppelt versichert

gewesen. Die Beklagte wendete ein, dass die Doppelversicherung höchstens in jenem

Schadensausmaß vorliege, das vom behandelnden Arzt persönlich zu vertreten wäre. Der

Regressanspruch des Krankenhausträgers sei um eine Mitverschuldensquote

(Organisationsverschulden, Verschulden anderer Mitarbeiter) zu kürzen. Auf den Rest sei das

Dienstnehmerhaftungsprivileg anzuwenden. Es bestehe kein Vorrang des § 59 Abs 2 VersVG

gegenüber § 67 VersVG.

Dem Klagebegehren wurde (im Wesentlichen) stattgegeben. Der OGH bestätigte die

Klagsstattgebung.

OGH:

Dasselbe Interesse und dieselbe Gefahr sind hier doppelt versichert. Beide Versicherer sind

dem Arzt gegenüber aus den Versicherungsverträgen verpflichtet, Haftpflichtansprüche des

von ihm geschädigten Patienten zu ersetzen. Die Klägerin hat die Ansprüche des Patienten bis

jetzt befriedigt. Da die klagende von der beklagten Versicherung im Hinblick auf den gleich

großen Haftungsrahmen zu Recht den Ersatz der Hälfte der von ihr geleisteten Ersatzbeträge

fordert, kann der Hinweis auf ein Organisationsverschulden des Krankenhauses den

Rückgriffsanspruch nicht schmälern.

Soweit der beklagte Haftpflichtversicherer des Spitalsarztes im Fall seiner Inanspruchnahme

Regressmöglichkeiten behauptet und in diesem Zusammenhang auch auf die §§ 2, 3 und 6 DHG

verweist, setzt er sich darüber hinweg, dass im Fall der Doppelversicherung § 59 Abs 2 VersVG

als Sonderregelung jeder anderen Regressregelung, insbesondere auch dem § 67 Abs 1 Satz 1

VersVG nach hM jedenfalls dann vorgeht, wenn der Schädiger – wie hier – der

Versicherungsnehmer eines Vertrags ist, durch den die Doppelversicherung entstanden ist.

Damit wird vermieden, dass ein Versicherer etwa über eine Legalzession nach § 67 Abs 1

Satz 1 VersVG etwas erlangt, was er nach § 59 Abs 2 VersVG im Wege des Ausgleichs wieder

erstatten müsste. Demnach erwirbt der nach § 59 Abs 2 VersVG regressberechtigte Versicherer

nicht den vertraglichen Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den anderen

Versicherer, sondern hat nur den Ausgleichsanspruch nach der zitierten Bestimmung.

Page 17: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

17

Dementsprechend kann sich der andere Versicherer nicht auf Haftungsprivilegien nach dem

DHG berufen.

Der konkreten schadenersatzrechtlichen Beurteilung und damit der konkreten Belastung eines

Versicherers gegenüber dem anderen (mit oder ohne Anspruchsübergang nach § 67 VersVG)

kommt keine Bedeutung zu, weil sie weder mit dem versicherten Interesse noch mit der

versicherten Gefahr zu tun hat und so vom Gesetz nicht vorgesehen ist. Es kommt bei der

Bestimmung der Anteile nur darauf an, welche konkreten Beträge (wenn auch der Höhe nach

mit den jeweils vereinbarten Versicherungssummen begrenzt) von den einzelnen Versicherern

vertragsgemäß ohne Vorliegen einer Doppelversicherung – als wären die anderen Verträge

nicht vorhanden – zu zahlen wären. Die Versicherer hier haben den Schaden je zur Hälfte zu

tragen. Auf das Verhältnis der jeweiligen Versicherungssummen kommt es nicht an.

7 Ob 190/16s

Thema: Abgrenzung Vertragserfüllung/Gewährleistung / Erfüllungssurrogat zu

Mangelfolgeschaden

AVB: „Was ist nicht versichert (Risikoausschlüsse)

1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 AHVB fallen insbesondere nicht

1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel …

1.3 die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung ...

9. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden, die

an den vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder seine Rechnung von Dritten)

hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen infolge einer in der Herstellung, Lieferung

oder Montage liegenden Ursache entstehen.

10. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an

10.5 jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung,

Benützung oder einer sonstigen Tätigkeit sind.“

Die Versicherungsnehmerin (Bauunternehmen) wurde mit der Errichtung einer Betondecke und

Bauarbeiten an einem darunter liegenden Keller beauftragt. Der Keller sollte vermietet und als

Musikproberaum untervermietet werden. Bei der Ausführung der übernommenen Arbeiten

wurde keine - dem damaligen Stand der Technik entsprechende - Wärmedämmung außen

angebracht. Nach Fertigstellung, Vermietung und Untervermietung kam es wegen der

fehlenden Wärmeisolierung zu einem Wassereintritt in die Kellerräume. Die nachträgliche

Anbringung einer Wärmedämmung außen wäre nur mit einem enormen Aufwand möglich

gewesen. Die Mieterin ließ schließlich eine (fast ebenso wirksame) Wärmedämmung innen

anbringen und die durch den Wassereinbruch verursachten Schäden in den Kellerräumen

sanieren. Die Versicherungsnehmerin wurde zur Haftung für sämtliche Schäden verurteilt. Ihr

Betriebshaftpflichtversicherer lehnte die Deckung ab.

Das Erstgericht wies die Deckungsklage ab, das Berufungsgericht gab ihr teilweise statt. Der

OGH hob die Urteile zur Verfahrensergänzung auf.

Page 18: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

18

OGH:

In der Haftpflichtversicherung soll das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer übertragen

werden. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die den Gläubiger in den

Genuss der ordnungsgemäßen Leistung bringen sollen. Gedeckt sind hingegen Schäden aus

mangelhafter Vertragserfüllung (Mangelfolgeschäden, Begleitschäden), die jenseits des

Erfüllungsinteresses des Gläubigers liegen. Erfüllungsansprüche oder Ansprüche auf

Erfüllungssurrogate sind auch Ansprüche auf die Kosten der Mängelbehebung. Darüber hinaus

gehende Schäden gehören dann dazu, wenn sie zwangsläufig mit der Verbesserung verbunden

sind. Durch die Anbringung der inneren Wärmedämmung wurde dasselbe generelle Ziel wie

durch die von der Klägerin geschuldete Herstellung der äußeren Wärmedämmung verfolgt und

auch – nahezu – erreicht.

Die von der Mieterin durchgeführten Arbeiten dienten damit letztlich der Herstellung der von

der Klägerin mangelhaft erbrachten Leistungen. Die dafür aufgewendeten Kosten stellen

„Mängelnebenkosten“ dar, die als Erfüllungssurrogat anzusehen sind.

Bei den Maßnahmen, die zugleich der Beseitigung des Mangels des vom Versicherungsnehmer

geschuldeten Werks und der Behebung eines Folgeschadens dienen, handelt es sich um

Maßnahmen mit Doppelcharakter. Daher ist hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten, die

versicherungsrechtlich der Gewährleistung und dem Erfüllungssurrogat zugeschlagen werden,

eine Differenzierung vorzunehmen. Ausgeschlossen sind jene Kosten, die ausschließlich der

Verbesserung der bedungenen Werkleistung dienen. Hat die mangelhafte Werkleistung des

Versicherungsnehmers hingegen bereits Folgeschäden an anderen Sachen angerichtet, dann

sind diese Schäden gedeckt und nur jene Kosten ausgeschlossen, die für die Beseitigung des

Mangels selbst aufgewendet werden. Mangels ausreichender Feststellungen ist eine

Differenzierung zwischen Erfüllungssurrogat und Mangelfolgeschäden derzeit nicht möglich,

die Feststellungen sind entsprechend zu ergänzen.

7 Ob 13/17p

Thema: 1. Anwendung von ausländischem Recht

2. direktes Klagerecht nach deutschem § 115 VVG nur bei Pflicht-

Haftpflichtversicherung

3. keine Pflicht-Haftpflichtversicherung nach dem PHG

Die durch ein Produkt geschädigten Kläger klagten den deutschen

Betriebshaftpflichtversicherer eines Herstellers. Strittig ist das direkte Klagerecht der

Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer.

Die Direktklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.

OGH:

1. Anwendung von ausländischem Recht:

Fremdes Recht ist wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden und es kommt

in erster Linie auf die Anwendungspraxis nach der Rechtsprechung des betreffenden

Auslandsstaats an. Wenn dieser Lösungsansatz keine eindeutige Antwort ergibt, ist der

Page 19: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

19

herrschenden fremden Lehre zu folgen. Das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten

Gerichtshofs für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO ohne Bedeutung

Es ist auch nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, einen Beitrag zur Auslegung

ausländischen Rechts zu liefern.

2. Direktes Klagerecht nach deutschem § 115 VVG nur bei Pflicht-

Haftpflichtversicherung:

Es entspricht der herrschenden deutschen Rechtsprechung und Lehre, dass ein direktes

Klagerecht nach § 115 Abs 1 Z 2 VVG nicht schon dann besteht, wenn der

Versicherungsnehmer in Insolvenz verfällt, sondern nur dann, wenn eine Pflichtversicherung

vorliegt und keine bloß freiwillige Haftpflichtversicherung. Es entspricht ebenfalls der

herrschenden deutschen (und österreichischen: § 158b VersVG) Lehre, dass eine bloße Pflicht

zur Deckungsvorsorge, die dem Versicherungsnehmer Handlungsalternativen eröffnet und

auch durch andere geeignete Vorkehrungen als den Abschluss einer Haftpflichtversicherung

erfüllt werden kann, einer Pflichtversicherung nicht gleichzuhalten ist.

3. Keine Pflicht-Haftpflichtversicherung nach dem PHG:

Nach § 16 PHG sind Hersteller und Importeure von Produkten verpflichtet, in einer Art und in

einem Ausmaß, wie sie im redlichen Geschäftsverkehr üblich sind, durch das Eingehen einer

Versicherung oder in anderer geeigneter Weise dafür Vorsorge zu treffen, dass

Schadenersatzpflichten nach diesem Bundesgesetz befriedigt werden können. Schon aus dem

völlig eindeutigen Gesetzeswortlaut folgt, dass § 16 PHG keine Versicherungspflicht anordnet,

steht es doch den betreffenden Unternehmern frei, auch andere Vorsorgemaßnahmen zu

ergreifen. Dies entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers.

7 Ob 214/17x

Thema: Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des

Schädigers (dazu auch 7 Ob 8/18d und 7 Ob 105/18v); Gefahrenerhöhung; Kettenschuss

bei Holzerntemaschine

Der Inhaber eines Forstbetriebs ließ einen Radbagger zu einer Holzerntemaschine umbauen.

Die Verglasung der Fahrerkabine wurde dabei nicht geändert. Der Austausch mit einer

stärkeren Kunststoffverglasung unterblieb, weil das Risiko eines Unfalls durch einen

Kettenschuss gegen die Fahrerkabine, die beim Hersteller des Umbaus debattiert wurde,

allgemein für gering gehalten wurde. Nach einer ÖNORM wäre aber eine solche stärkere

Verglasung einzubauen gewesen. Diese ÖNORM war niemandem bekannt. Auch das

Arbeitsinspektorat bemängelte die Verglasung nicht.

In der Folge kam es zu einem Kettenschuss, Teile der gerissenen Kettensäge drangen in die

Fahrerkabine ein und verletzten den Fahrer schwer. Die stärkere Kunststoffverglasung hätte die

Wirkung wesentlich abgeschwächt.

Die Sozialversicherer des verletzten Arbeiters erhoben eine Klage zur Feststellung der

Deckungspflicht des Haftpflichtversicherers des Arbeitgebers.

Page 20: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

20

Die Vorinstanzen wiesen die Klage wegen des Vorliegens einer Gefahrenerhöhung ab. Der

OGH hob die Urteile zur Ergänzung des Verfahrens durch weitere Feststellungen zur Frage der

Gefahrenerhöhung und zum Risikoausschluss der vorsätzlichen Schadensherbeiführung auf.

OGH:

Die Möglichkeit der Sozialversicherer zur Erhebung einer derartigen Deckungsklage wurde mit

der zu 7 Ob 8/18d und 7 Ob 105/18v wiedergegebenen Begründung bejaht.

Das Vorliegen des Risikoausschlusses des bewussten Verstoßes gegen Rechtsvorschriften

wurde vom OGH verneint, weil dem Versicherungsnehmer die einschlägige ÖNORM nicht

bekannt war.

Zur Frage der Gefahrenerhöhung führte der OGH aus:

Die Vorinstanzen waren rechtlich der Meinung, die Beklagte sei nach § 23 Abs 1, § 25 Abs 1

VersVG leistungsfrei. Diese Ansicht kann auf Basis der vom Erstgericht getroffenen

Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden:

Eine Gefahrenerhöhung nach § 23 Abs 1 VersVG ist eine nachträgliche Änderung der bei

Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände, die den Eintritt des

Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht und den

Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versicherung aufzuheben oder

nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen. Darunter wird ein Gefährdungsvorgang verstanden, der

seiner Natur nach geeignet ist, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen,

dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadenverlaufs bilden kann und damit den

Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist. Die Gefahrenerhöhung setzt –

mit der Einschränkung, dass es sich nicht nur um einen Zustand handeln darf, der plötzlich

aufgetreten ist und in Kürze wieder behoben sein sollte – immer einen gewissen Dauerzustand

voraus. Dem Versicherungsnehmer muss klar sein, dass seine Verhaltensweise geeignet ist, die

Gefahr des Eintritts des Versicherungsfalls zu vergrößern. Es muss ihm zumindest ein der

positiven Kenntnis gleichkommendes schwerwiegendes Nichtwissen um die

Gefahrenerhöhung anzulasten sein. Auch das Unterlassen der Beseitigung einer (unabhängig

vom Willen des Versicherungsnehmers eingetretenen) Gefahrenerhöhung ist „Vornahme“

derselben im Sinn des § 23 Abs 1 VersVG. Zu einer Gefahrenerhöhung im Sinn des § 23 Abs

1 VersVG kann es auch durch den Einsatz gefahrenträchtiger Fahrzeuge kommen.

7 Ob 227/17y

Thema: nicht gedecktes Erfüllungssurrogat

AVB: „Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht1.1. Ansprüche aus

Gewährleistung für Mängel; 1.2. Ansprüche soweit sie (…) über den Umfang der gesetzlichen

Schadenersatzpflicht hinausgehen; 1.3. die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der

Erfüllung tretende Ersatzleistung“.

Die Klägerin war beauftragt, mit einer Folie ein Ausgleichsbecken wasserdicht auszukleiden.

Die Klägerin hat diese Arbeiten mangelhaft ausgeführt, sodass es zu Wasseraustritten kam. Die

Klägerin begehrt den Ersatz der Kosten für die Leckortung und die Errichtung eines

Page 21: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

21

provisorischen Ausgleichsbeckens, das zur Aufrechterhaltung der Bademöglichkeit für Gäste

des Hotels der Aufraggeberin erforderlich war.

Die Klage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision der Klägerin zurück.

OGH:

In der Betriebshaftpflichtversicherung ist grundsätzlich nicht die Ausführung der bedungenen

Leistung versichert. Die Versicherung erstreckt sich daher nicht auf Erfüllungssurrogate. Der

Versicherungsschutz umfasst nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse des Dritten

an der Leistung des Versicherungsnehmers hinausgeht. Unter „Ansprüche aus der

Gewährleistung für Mängel“ fallen nicht nur die Kosten der Behebung des Mangels an sich,

sondern auch jene der vorbereitenden Maßnahmen, die zur Mängelbehebung erforderlich sind.

Demnach ist hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten, die versicherungsrechtlich der

Gewährleistung und dem Erfüllungssurrogat zuzuschlagen sind, wie folgt zu differenzieren:

Ausgeschlossen sind jene Kosten, die ausschließlich der Verbesserung der bedungenen

Werkleistung dienen. Hat die mangelhafte Werkleistung des Versicherungsnehmers hingegen

bereits Folgeschäden an anderen Sachen angerichtet, dann sind diese Schäden gedeckt und nur

jene Kosten ausgeschlossen, die für die Beseitigung des Mangels selbst aufgewendet werden.

Bei der Leckortung handelte es sich um eine (vorbereitende) Maßnahme der Mängelbehebung.

Das provisorische Ausgleichsbecken ersetzte vorläufig die ursprünglich mangelhafte Leistung

der Klägerin und ist daher Erfüllungssurrogat.

7 Ob 8/18d

Thema: Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des

Schädigers (dazu auch 7 Ob 214/17x und 7 Ob 105/18v); Personenbeförderung mit

Gabelstapler

AVB: „Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen der Personen,

die den Schaden, für den sie von einem Dritten verantwortlich gemacht werden, rechtswidrig

und vorsätzlich herbeigeführt haben. Dem Vorsatz wird gleichgehalten

eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schadeneintritt mit Wahrscheinlichkeit

erwartet werden musste, jedoch in Kauf genommen wurde (zB im Hinblick auf die Wahl einer

kosten- und/oder zeitsparenden Arbeitsweise)“

Ein in seinem Betrieb mitversicherter Lagerleiter sollte auf Anordnung des Produktionsleiters

Schaumstoffteile vom obersten Regal einer Lagerhalle holen. Der Lagerleiter ließ einen

Lagerarbeiter auf die Gabel eines Staplers steigen und hob ihn damit etwa 5 m in die Höhe,

obwohl er wusste, dass dies verboten ist. Im Bereich der Dachbalken wurde die Hand, mit der

sich der Lagerarbeiter festhielt, zerquetscht.

Die Sozialversicherer des Arbeiters erhoben Klage gegen den Haftpflichtversicherer des

Arbeitgebers, mit der sie die Feststellung begehrten, der Haftpflichtversicherer sei gegenüber

Page 22: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

22

dem Arbeitgeber aus dem Fehlverhalten des mitversicherten Lagerleiters schuldig,

Deckungsschutz für ihre Regressansprüche zu gewähren.

Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.

OGH:

Zur Rechtsfrage, ob der Sozialversicherer zu einer solchen direkten Klage gegen den

Haftpflichtversicherer überhaupt berechtigt ist, führte der OGH aus wie in der zeitlich kurz

davor ergangenen Entscheidung 7 Ob 105/18v, die im Folgenden dargestellt wird. Der OGH

fasste dazu zusammen: Der Sozialversicherungsträger, der den Schädiger nach § 334 ASVG in

Anspruch nehmen und damit einen eigenständigen Rückgriffsanspruch geltend machen will, ist

in Bezug auf die Haftpflichtversicherung geschädigter Dritter im Sinn der §§ 156, 157 VersVG.

Sein Feststellungsinteresse ist (ua) dann zu bejahen, wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht

verneint und der Versicherungsnehmer nichts weiter unternimmt. Diese Voraussetzungen sind

im vorliegenden Fall erfüllt.

Dennoch ist die Klage wegen des vorliegenden Risikoausschlusses abzuweisen:

Der Lagerleiter, der sich entgegen mehrfachen Verhaltenshinweisen bewusst über

Betriebsvorschriften betreffend die Verwendung eines Gabelstaplers hinwegsetzt und damit

eine Person zum Zweck einer Warenmanipulation anhebt, handelt vorsätzlich im Sinn des

Risikoausschlusses nach Art 6.2 AHVB 2004, weshalb die Deckungspflicht des

Haftpflichtversicherers entfällt.

7 Ob 14/18m

Thema: 1. Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften;

2. Fehler des Bauleiters

AVB: „Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall

grob fahrlässig herbeigeführt wurde und bewusst – insbesondere im Hinblick auf die Wahl

einer kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise – den für den versicherten Betrieb oder Beruf

geltenden Gesetzen, Verordnungen oder behördlichen Vorschriften zuwidergehandelt wurde,

und zwar durch einen Versicherungsnehmer oder dessen gesetzlichen Vertreter oder dessen

Entscheidungsträger im Sinn des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (BGBl Nr 151/2005) in

der jeweils geltenden Fassung bzw über Veranlassung oder mit Einverständnis einer dieser

Personen“.

Die Klägerin wurde mit Revisionsarbeiten im Druckschacht eines Kraftwerks beauftragt. Es

sollte dabei der Innenanstrich der rund 4 m breiten Stahl-Rohrleitung, die im Inneren des Bergs

talwärts führt, mittels Strahlgut entfernt werden. Die Geschäftsführung setzte dafür einen

Angestellten als Bauleiter ein. Zur Durchführung dieser Strahlarbeiten wurde ein für die

Baustelle angefertigten Strahl- und Bedienerwagen verwendet. Die Stromversorgung im

unmittelbaren Arbeitsbereich erfolgte über einen Baustromverteiler, der sich am Strahlwagen

befand. Während der Arbeiten kam es zu einem Ausfall der für die Revisionsarbeiten eigens

Page 23: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

23

errichteten Entstaubungsanlage, sodass das vorhandene Staubgemisch nicht mehr abgesaugt

werden konnte. Es entwickelte sich ein Brand, wodurch die Rohre im Druckrohrleitungssystem

verformt wurden.

Der auf Deckung geklagte Versicherer behauptete, Ursache des Ausfalls der

Entstaubungsanlage sei ein Kurzschluss im Baustromverteiler gewesen, der auf eine bewusste

Verletzung der Pflicht der Klägerin zu wöchentlichen und zu sechsmonatigen Kontrollen des

von der Klägerin eingesetzten Geräts der grob fahrlässig handelnden Klägerin zurückzuführen

sei.

Das Erstgericht gab der Deckungslage statt. Das Berufungsgericht hob das Urteil zur

Verfahrensergänzung, ob eine wöchentliche Überprüfung stattgefunden habe, auf. Der OGH

gab der Deckungsklage statt.

OGH:

1. Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften:

Beide Voraussetzungen - grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls und bewusster

Verstoß gegen Rechtsvorschriften - müssen kumulativ vorhanden sein. Die Leistungsfreiheit

des Versicherers setzt nicht (bloß) das Kennenmüssen, das heißt einen grob fahrlässigen

Verstoß gegen Vorschriften voraus, sondern einen bewussten, das heißt vorsätzlichen Verstoß.

Der Versicherungsnehmer muss die Verbotsvorschrift zwar nicht in ihrem Wortlaut und in

ihrem ganzen Umfang kennen, er muss sich aber bei seiner Vorgangsweise bewusst sein, dass

er damit gegen Vorschriften verstößt, muss also das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit seiner

Handlungsweise haben.

2. Fehler des Bauleiters:

Der Bauleiter ist zweifellos weder Versicherungsnehmer noch gesetzlicher Vertreter der

Versicherungsnehmerin. Dass er maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung des

Verbands ausübte, sohin Entscheidungsträger nach der hier allein allenfalls in Betracht

kommenden Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 3 VbVG war, ist weder behauptet noch festgestellt.

Nach der ständigen Rechtsprechung führen Fehlhandlungen, die vom Erfüllungsgehilfen des

Versicherungsnehmers gesetzt werden, dem nicht eine im Sinn des Abschnitt A Z 3 EHVB

genannte Funktion zukommt, nicht zum Wegfall des Versicherungsschutzes, selbst wenn der

Erfüllungsgehilfe einen Auftrag selbständig ausführt.

Selbst wenn es zutreffen würde, dass der Bauleiter eine wöchentliche Kontrolle des Verteilers

unterlassen hätte, wäre dies der Klägerin nicht zuzurechnen.

7 Ob 30/18i

Thema: Nicht gedecktes Erfüllungssurrogat

AVB: „Unter die Versicherung fallen insbesondere nicht

Page 24: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

24

Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;

Ansprüche, soweit sie aufgrund eines Vertrages oder einer besonderen Zusage über den

Umfang der gesetzlichen Schadenersatzpflicht hinausgehen;

die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung …“

Es geht um eine Pflicht-Haftpflichtversicherung im Baumeistergewerbe.

Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.

OGH:

In der Betriebshaftpflichtversicherung ist grundsätzlich nicht die Ausführung der bedungenen

Leistung versichert. Die Versicherung erstreckt sich daher auch nicht auf Erfüllungssurrogate.

Die Kosten für die von einem Dritten vorgenommene Verbesserung der mangelhaften Leistung

des Versicherten fallen daher ebenfalls nicht in die Betriebshaftpflichtversicherung. Als

Erfüllungssurrogat werden dabei diejenigen Schadenersatzansprüche bezeichnet, durch die ein

unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand eines abgeschlossenen Vertrags

geltend gemacht wird. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die den

Gläubiger in den Genuss der ordnungsgemäßen Leistung bringen sollen. Gedeckt sind hingegen

Schäden aus mangelhafter Vertragserfüllung (Mangelfolgeschäden, Begleitschäden), die

jenseits des Erfüllungsinteresses des Gläubigers liegen. Der Begriff „Erfüllungssurrogat“ deckt

sich nicht mit dem haftungsrechtlichen Begriff des Schadenersatzrechts wegen Nichterfüllung,

sondern ist eine eigenständige versicherungsrechtliche Rechtsfigur.

Der Haftungsausschluss nach Art 7.1.1 und Art 7.1.3 AHVB 2004 entspricht ganz allgemein

dem Grundsatz der Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer

zu übertragen; aus ihm geht klar hervor, dass unter die Versicherung weder die Erfüllung noch

Erfüllungssurrogate fallen. Derartige Ausschlussklauseln sind auch in der Baubranche üblich;

Bedenken gegen die Bedingungen in Richtung § 879 Abs 3 ABGB (oder § 864a ABGB, § 6

Abs 3 KSchG) bestehen nicht.

7 Ob 41/18g

Thema: Abgrenzung Gewährleistung - Mangelfolgeschaden

Die VN = Klägerin stellte in einem Haus einen Bodenbelag her, der mangelhaft war. Nach dem

dritten Verbesserungsversuch der VN beauftragten die Hauseigentümer einen

Sachverständigen zur Prüfung, ob der Belag nun in Ordnung ist. Nach dem Gutachten war der

Belag weiterhin mangelhaft. Dadurch verlängerte sich die Fertigstellung des gesamten

Bauvorhabens, was wiederum Mehrkosten für die Bauaufsicht verursachte. Außerdem fielen

Kosten für die Abwicklung der Schadenersatzansprüche durch einen Rechtsanwalt an.

Die Klägerin begehrte Deckung für die von ihr zu ersetzenden Beträge, nämlich den Ersatz der

Mängelbehebungskosten, der Sachverständigengebühren, des Aufwands für die Bauaufsicht

und der Anwaltskosten.

Page 25: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

25

Das Erstgericht gab der Klage teilweise statt, das Berufungsgericht wies die Klage zur Gänze

ab. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.

OGH:

Die Betriebshaftpflichtversicherung deckt keine Ansprüche auf Gewährleistung für Mängel,

keine Ansprüche auf die Erfüllung von Verträgen und auch nicht die an die Stelle der Erfüllung

tretende Ersatzleistung. In der Betriebshaftpflichtversicherung ist demnach grundsätzlich nicht

die Ausführung der bedungenen Leistung versichert. Die Versicherung erstreckt sich auch nicht

auf Erfüllungssurrogate. Daher ist der Ersatz der Mängelbehebungskosten nicht gedeckt.

Bei den Sachverständigenkosten und den Aufwand für die Bauaufsicht handelt es sich um einen

Teil des Erfüllungsvorgangs und um einen nicht gedeckten Vermögensschaden.

Nach Art 5.2. AHVB/EHVB 2005 umfasst die Versicherung zwar auch die den Umständen

nach gebotenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Feststellung und Abwehr einer

von einem Dritten behaupteten Schadenersatzpflicht, und zwar auch dann, wenn sich der

Anspruch als unberechtigt erweist. Die Auslegung dieser Klausel nach dem Maßstab des

durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers ergibt jedoch, dass dieser

Versicherungsschutz nicht die Kosten der Feststellung und Abwehr jeglicher Ansprüche

umfasst, sondern nur jener, die grundsätzlich von der Deckungspflicht des Versicherers umfasst

sind. Die Kostendeckung für die Anspruchsfeststellung und -abwehr soll nicht weiter reichen

als das materiell gedeckte Risiko.

7 Ob 60/18a

Thema: 1. Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften

2. Grobe Fahrlässigkeit

AVB: „Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall

grob fahrlässig herbeigeführt wurde und bewusst – insbesondere in Hinblick auf die Wahl einer

kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise – den für den versicherten Betrieb oder Beruf

geltenden Gesetzen, Verordnungen oder behördlichen Vorschriften zuwidergehandelt wurde“

Der Kläger verwendete jahrelang einen Hubkorb zur Beförderung von Personen, obwohl er

schon bei der Abnahme der Anlage wusste, dass die Personenbeförderung verboten ist und er

darüber hinaus von dem die jährlichen Überprüfungen durchführenden Ziviltechniker laufend

auf diesen Umstand hingewiesen wurde.

Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.

OGH:

1. Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften:

Beide Voraussetzungen - grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls und bewusster

Verstoß gegen Rechtsvorschriften - müssen kumulativ vorhanden sein. Der

Page 26: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

26

Versicherungsnehmer muss die Verbotsvorschrift zwar nicht in ihrem Wortlaut und in ihrem

genauen Umfang kennen, er muss sich aber bei seiner Vorgangsweise bewusst sein, dass er

damit gegen Vorschriften verstößt, muss also das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit seiner

Handlungsweise haben. Eine behördliche Vorschrift liegt auch dann vor, wenn es sich um eine

individuelle Anordnung der Behörde durch Bescheid handelt.

2. Grobe Fahrlässigkeit:

Grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn sich das Handeln des Schädigers auffallend aus

der Menge der unvermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens heraushebt.

Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste,

dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit

muss offenkundig so groß sein, dass es naheliegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes

Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen. Zur Annahme grober Fahrlässigkeit

ist es erforderlich, dass bei Vorliegen eines objektiv groben Verstoßes dem Kläger dies auch

subjektiv schwer vorwerfbar sein muss. Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die

Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu

einer Sorgfaltsanspannung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des

Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des

Handelnden in Betracht. In diesem Sinn ist für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass

grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste naheliegende Überlegungen nicht

angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen.

7 Ob 105/18v

Thema: Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des

Schädigers (dazu auch 7 Ob 214/17x und 7 Ob 8/18d); Absturz bei Dachdeckerarbeiten

Bei Dachdeckerarbeiten stürzte ein Arbeiter vom Dach und verletzte sich schwer. Der

Sozialversicherer des Arbeiters erhob Klage gegen den Haftpflichtversicherer des Arbeitgebers

des verletzten Arbeiters, mit der sie die Feststellung begehrte, der Haftpflichtversicherer sei

gegenüber dem Arbeitgeber und dem Vorarbeiter schuldig, Deckungsschutz für ihre

Regressansprüche zu gewähren. Sie behauptete, der Arbeiter sei völlig ungesichert gewesen,

wovon der Vorarbeiter gewusst habe.

Wesentlich war auch hier zunächst die Rechtsfrage, ob der Sozialversicherer zu einer solchen

direkten Klage gegen den Haftpflichtversicherer überhaupt berechtigt ist.

Das Erstgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht hob das Urteil auf. Der OGH bestätigte

die Urteilsaufhebung wegen verschiedener noch offener Fragen.

OGH:

Der am Versicherungsvertrag nicht beteiligte geschädigte Dritte kann den Versicherer

grundsätzlich nicht direkt in Anspruch nehmen. Dennoch kann er eine Klage auf Feststellung

der Deckungspflicht des Versicherers – bezogen auf den Versicherungsnehmer – erheben; vor

Page 27: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

27

allem dann, wenn dem geschädigten Dritten der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt

entzogen zu werden droht; etwa durch Verjährung oder durch Ablauf der Frist des § 12 Abs 3

VersVG, die auch durch die Klage des Dritten gewahrt werden kann, oder wenn der Versicherer

seine Eintrittspflicht verneint und der Versicherungsnehmer nichts weiter unternimmt.

Der Sozialversicherer, der den Schädiger nach § 334 ASVG in Anspruch nimmt, macht damit

einen eigenständigen Rückgriffsanspruch geltend. Er ist in Bezug auf die

Haftpflichtversicherung geschädigter Dritter iSd §§ 156, 157 VersVG. Sein

Feststellungsinteresse besteht - wie ausgeführt -vor allem dann, wenn dem geschädigten Dritten

der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt entzogen zu werden droht, etwa durch

Verjährung oder durch Ablauf der Frist des § 12 Abs 3 VersVG, die auch durch die Klage des

Dritten gewahrt werden kann, oder wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht verneint und der

Versicherungsnehmer nichts weiter unternimmt.

7 Ob 81/19s

Thema: Nicht gedecktes Erfüllungssurrogat

Art 7 AHVB: „Ausschlüsse vom Versicherungsschutz:

Unter die Versicherung … fallen insbesondere nicht

Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel …

Die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung …“

Nach dem Versicherungsvertrag besteht auch ein „erweiterter Versicherungsschutz für das

Produktehaftpflichtrisiko“; die Regelungen dazu sind teils im Vertragstext selbst, teils in den

EHVB enthalten.

Die Klägerin stellt Fassadenbeschichtungen und Anstriche her. Sie ist Mitversicherte in der

Betriebs- und Produktehaftpflichtversicherung ihrer Muttergesellschaft.

Die von ihr auf den Markt gebrachten Produkte NanoporTop und NanoporColor entsprachen

nicht den von ihr beschriebenen Eigenschaften wie Selbstreinigungseffekte durch Fotokatalyse.

Es kam bei sämtlichen damit hergestellten Hausfassaden und Anstrichen binnen weniger

Wochen zu einer Veralgung und zu Pilzbefall. Infolge dieser Beeinträchtigungen der Fassaden

wurden die verarbeitenden und an den Endverkäufer abgebenden Unternehmen, die

NanoporColor und NanoporTop angeboten hatten, gegenüber ihren Kunden

gewährleistungspflichtig. Sie wandten sich diesbezüglich an ihre Distributoren, die die

Beanstandungen an die Klägerin weitergaben. Diese veranlasste, dass die verschmutzten

Fassaden mit Hochdruckstrahl abgestrahlt und in der Folge mit von der Klägerin beigestelltem

Biozid behandelt wurden. Dann wurde ein Anstrich mit NanoporColor aufgebracht. Diese

Arbeiten wurden von Drittunternehmen ausgeführt.

Die Klägerin begehrte Deckung ihrer damit verbundenen Aufwendungen.

Das Erstgericht gab im Wesentlichen der Klage statt, das Berufungsgericht wies die Klage ab.

Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.

Page 28: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

28

OGH:

Die von der Klägerin auf den Markt gebrachten Endbeschichtungen für Fassaden verfügten

nicht über die von ihr zugesicherten Eigenschaften (fotokatalytische Wirkung). Die Kosten der

letztlich von der Klägerin veranlassten Sanierung (Abstrahlen der Fassade mit Hochdruck,

Behandlung mit Biozid und Anstrich mit NanoporColor) durch von ihr beauftragte

Unternehmen wurden ausschließlich zur Mängelbeseitigung und ordnungsgemäßen

Herstellung der von der Klägerin geschuldeten funktionsfähigen Oberflächenbeschichtung

aufgewendet. Sie liegen innerhalb des Erfüllungsinteresses und sind damit von der

Basisdeckung der Betriebshaftpflichtversicherung nach Art 7.1 AHVB ausgeschlossen, worauf

bereits das Berufungsgericht zutreffend verwies.

Die Auslegung der Vereinbarung des Erweiterten Produktehaftpflichtrisikos (Abschnitt A, Z 2,

Pkt 4.1 EHVB) ergibt im Zusammenhang mit den Vertragsregeln, dass die Kosten der

Nachbesserung auch nicht unter den Versicherungsschutz der erweiterten Produktehaftpflicht

fallen. Das geltend gemachte Erfüllungssurrogat ist insgesamt nicht in den Versicherungsschutz

eingeschlossen.

Page 29: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

29

III. Berufshaftpflichtversicherung

7 Ob 204/16z

Thema: 1. Nachhaftungsfrist ist Ausschlussfrist

2. claims-made-Prinzip

AVB: „Art 2. Zeitliche Begrenzung der Haftung

(1) Der Versicherer haftet nur für solche Schäden, die während der Wirksamkeit des

Versicherungsschutzes erstmals schriftlich geltend gemacht werden …

(2) Der Versicherer haftet auch für solche Verstöße, die während der Wirksamkeit des

laufenden Vertrages oder der vereinbarten Rückwirkungsdauer eingetreten sind und während

dem in der Police bestimmten Nachhaftungszeitraum angezeigt werden.

(3) Verlängert sich das Versicherungsverhältnis über den im Versicherungsschein genannten

Zeitpunkt hinaus nicht, so sind auch solche Schadenersatzansprüche versichert, welche

innerhalb der im Versicherungsschein vereinbarten Nachhaftungsperiode nach Vertragsablauf

geltend gemacht werden, jedoch nur, sofern sich der Verstoß während der Versicherungsdauer

oder der vereinbarten Rückwirkungsdauer ereignet hat … .

Art 5.

1. Versicherungsfall

Versicherungsfall ist die erstmalige schriftliche Anspruchserhebung des tatsächlich oder

vermeintlich Geschädigten gegenüber dem Versicherungsnehmer im direkten Zusammenhang

mit dem versicherten Risiko, aufgrund eines Vermögensschadens als Folge von Verstößen

gegen gesetzliche Bestimmungen privatrechtlichen Inhalts, wobei nur solche

Versicherungsfälle gedeckt sind, die im zeitlichen Geltungsbereich gemäß Artikel 2 dieser

Bestimmungen liegen.

2. Schadensanzeige …“

Ein Vermögensberater war vom 1.12.2002 bis 1.3.2006 beim beklagten Versicherer

haftpflichtversichert. Der Kläger brachte 2014 eine auf Schadenersatz wegen Fehlberatung im

Jahr 2005 gestützte Klage gegen den Vermögensberater (=Versicherungsnehmer) ein. Der

Haftpflichtversicherer wurde davon Ende 2014 verständigt. Anfang 2015 brachte der Kläger

auch eine Klage gegen den Haftpflichtversicherer ein, mit der er (unter anderem) die

Feststellung der Deckungspflicht des Versicherers gegenüber dem Vermögensberater

(=Versicherungsnehmer) begehrte.

Die Klage gegen den Haftpflichtversicherer wurde abgewiesen. Der OGH bestätigte die

Klagsabweisung.

OGH:

Ausschlussfristen sind grundsätzlich nicht objektiv ungewöhnlich, sondern zur

Risikobegrenzung üblich. Bloß wenn der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Ausschlussfrist

keine wie immer gearteten Hinweise darauf haben kann, dass sich ein Versicherungsfall

während der Vertragszeit ereignet haben könnte, ist der Anspruchsverlust auch im Fall der

Page 30: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

30

unverzüglichen Meldung nach § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich

nach § 864a ABGB zu beurteilen Im Gegensatz zur Rechtsansicht der Revision liegt hier aber

keine damit vergleichbare Fallgestaltung vor:

Bei Zusammenschau der einschlägigen AVB-Bestimmungen ergibt sich, dass der

Versicherungsfall (erst) mit der erstmaligen schriftlichen Anspruchserhebung eintritt und

nicht etwa bereits mit einem davor liegenden Ereignis/Verstoß. Ein gedeckter Versicherungsfall

während der Vertragszeit liegt auch dann vor, wenn er zwar erst nach Vertragslaufzeitende,

aber noch während der Nachhaftungszeit eintritt, soweit der Verstoß während des aufrechten

Vertrags gesetzt wurde. Tritt aber – wie hier – schon der Versicherungsfall (Inanspruchnahme

durch Dritte) außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs nach Art 2 AVBV („während der

Wirksamkeit des Versicherungsschutzes“) ein, nämlich erst nach Ablauf der Nachhaftungsfrist,

dann besteht nach dieser Bedingungslage keine Deckung.

7 Ob 127/17b

Thema: Verhältnis Haftpflichtprozess zu Deckungsprozess

AVB: „Leistungsversprechen: Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer

1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen …

3. …Das Leistungsversprechen des Versicherers gemäß Pkt 1 umfasst somit nicht:

3.1 Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende

Ersatzleistung …“

Im vorangehenden Haftpflichtprozess wurde der nunmehrige Kläger und dortige Beklagte als

Treuhänder auf Herausgabe des Treuhandgeldes geklagt und zur entsprechenden Zahlung

verurteilt, weil er schadenersatzpflichtig sei.

Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.

OGH:

Die rechtliche Qualifikation des im Haftpflichtprozess vom Treugeber gegen den dort beklagten

Treuhänder und nunmehrigen Kläger erhobenen Zahlungsbegehrens als Schadenersatzanspruch

begründet keine Bindungswirkung für die Entscheidung in diesem Verfahren.

Bei dem Herausgabeanspruch des Vollmachtgebers gegenüber dem Vollmachtnehmer nach §

1009 ABGB handelt es sich entgegen der Ansicht des Klägers im Kern um einen

Erfüllungsanspruch. Das Leistungsversprechen des Haftpflichtversicherers umfasst aber nur die

Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen. Aus dem eindeutigen und klaren Wortlaut des Art

3.3.1 ABHV folgt, dass unter die Versicherung weder die Erfüllung noch Erfüllungssurrogate

fallen.

Page 31: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

31

7 Ob 164/17v

Thema: 1. Obliegenheiten nach Versicherungsfall - § 6 Abs 3 VersVG

2. Aufklärungsobliegenheit

Die klagende GmbH ist Mitversicherte bei der von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder für

ihre Mitglieder angeschlossenen Excedenten-Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Sie

hatte Bedenken gegen die 2001 erfolgte Übernahme eines Prüfmandats für zwei

Aktiengesellschaften, unter anderem, weil trotz der Rücknahmeverpflichtung von

Genussscheinen das Genussscheinkapital als Eigenkapital bilanziert war. Diese Bedenken hielt

die Klägerin in einer internen Notiz im Jahr 2001 fest. Dennoch übernahm sie die Prüfung und

erteilte alljährlich einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Die Aktiengesellschaften

gingen 2010 in Konkurs, bei der Klägerin gingen Anspruchsschreiben ein. Die interne Notiz

über die Bedenken tauchte erst 2012 in einem gegen die nunmehrige Klägerin geführten

Haftpflichtprozess als Gutachtensbeilage auf. Die 2015 seitens des Haftpflichtversicherers

gestellte Frage, ob es Bedenken gegen die Übernahme des Prüfmandats gegeben habe, hatte die

Klägerin verneint.

Die Klage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.

OGH:

1. Obliegenheiten nach Versicherungsfall - § 6 Abs 3 VersVG:

Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung

nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen,

dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig

begangen habe.

Für den Vorsatz iSd § 6 Abs 3 VersVG genügt das allgemeine Bewusstsein, dass ein

Haftpflichtversicherter bei der Aufklärung des Sachverhalts nach besten Kräften mitwirken

muss. Dieses Bewusstsein ist bei einem Versicherten in der Regel vorauszusetzen. Es kann

daher nur der Nachweis besonders entschuldbarer Umstände den Vorsatz in Frage stellen.

Grobe Fahrlässigkeit wird allgemein im Versicherungsvertragsrecht dann als gegeben

erachtet, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen

nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen, wenn jedenfalls völlige

Gleichgültigkeit gegen das vorliegt, was offenbar unter den gebotenen Umständen hätte

geschehen müssen. Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer

Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens

vorzuwerfen ist.

Dass - bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung – die Verletzung weder

auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem

Versicherer obliegenden Leistungen Einfluss gehabt hat, ist vom Versicherungsnehmer im

Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen. Eine nur leichte Fahrlässigkeit bleibt

demnach ohne Sanktion. Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten

Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei „schlicht“ vorsätzlicher oder

grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen.

Page 32: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

32

Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die

Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die

Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat.

Dies kann für den Gesamtschaden oder einen Teil des Schadens gelingen.

Nur wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die

Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren

(sogenannter „dolus coloratus“), ist der Kausalitätsgegenbeweis ausgeschlossen und der

Anspruch verwirkt.

2. Aufklärungsobliegenheit:

Eine in einem wesentlichen Punkt nicht der Wahrheit entsprechende Darstellung des

Schadenereignisses durch den Versicherungsnehmer stellt eine Verletzung der

Aufklärungspflicht dar. Damit sollen nicht nur die nötigen Feststellungen über den Ablauf, die

Verantwortlichkeit der Beteiligten und den Umfang des Schadens ermöglicht, sondern auch die

Klarstellung aller Umstände gewährleistet werden, die für allfällige Regressansprüche des

Versicherers von Bedeutung sein können. Der Versicherer soll ganz allgemein in die Lage

versetzt werden, sachgemäße Entscheidungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu

treffen.

Hier wurde die Aufklärungsobliegenheit grob fahrlässig verletzt, der Kausalitätsgegenbeweis

ist nicht gelungen:

Schon die Nichtoffenlegung der in der Notiz geschilderten Umstände über einen Zeitraum von

mehreren Jahren stellt eine Obliegenheitsverletzung dar. Die Obliegenheit ist auch nicht durch

die Vorlage eines Gutachtens aus einem Gerichtsverfahren erfüllt worden. Die Notiz, die

Aufklärung über die Vorgänge und die vorhandenen Bedenken anlässlich der Auftragserteilung

an die Klägerin gibt, war unter einer Vielzahl von Urkunden dem Gutachten angeschlossen.

Die Klägerin bringt selbst vor, sie habe die Notiz der Beklagten nicht übermittelt, sondern nur

dem Gutachter übergeben. Befindet sich aber ein Beweismittel bloß in einem umfangreichen,

einem Gutachten angeschlossenen Konvolut von einer Vielzahl von Unterlagen ohne näheren

Hinweis auf seinen konkreten Inhalt, musste die Klägerin geradezu damit rechnen, dass diese

Notiz in der Fülle der Unterlagen, insbesondere unter Berücksichtigung der Komplexität der

Sachlage, voraussichtlich vom Versicherer unbemerkt bleiben würde. Dass diese Urkunde für

die Beklagte wesentlich sein würde, war einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer leicht

erkennbar.

7 Ob 177/17f

Thema: Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer nach KAKuG

Der Kläger klagt sowohl eine Stadtgemeinde = Krankenhausträger als auch deren

Haftpflichtversicherer wegen eines behaupteten Behandlungsfehlers. Aus § 5c Abs 1 KAKuG

ergibt sich, dass für Gebietskörperschaften wie eine Stadtgemeinde keine Pflicht zum

Abschluss einer Haftpflichtversicherung besteht.

Page 33: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

33

Die Klage gegen den Haftpflichtversicherer des Rechtsträgers des Krankenhauses wurde

abgewiesen. Der OGH hob das Urteil zur Verfahrensergänzung auf, bejahte aber den

Direktanspruch.

OGH:

§ 5c KAKuG (Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz) hat wie § 52d ÄrzteG die

Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zum Vorbild. Im Kraftfahrzeugbereich sind zwar nach §

59 Abs 2 KFG Fahrzeuge der öffentlichen Hand von der Versicherungspflicht ausgenommen,

nach ständiger Rechtsprechung* besteht bei freiwillig erfolgtem Abschluss einer

Haftpflichtversicherung für ein solches Fahrzeug gleichwohl ein direkter Anspruch des

Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer. Aufgrund der Vorbildfunktion der

Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (auch) für die Direktklage nach § 5c Abs 3 KAKuG ist

daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese nicht nur bei für „private“

Krankenanstalten obligatorisch abgeschlossenen, sondern auch bei für „nicht private“

Krankenanstalten freiwillig abgeschlossenen Haftpflichtversicherungen ermöglichen wollte.

(*Das direkte Klagerecht bei freiwilligen Kfz-Haftpflichtversicherungen ergibt sich schon aus

§ 1 KHVG)

7 Ob 182/17s

Thema: 1. Vertraglicher Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer

2. claims-made-Prinzip - Prüfung auf Gesetzwidrigkeit nach § 864a, § 879 ABGB

Automatisierter Polizzenbaustein: „In Abänderung von Art 2 ABHV 2000 ist der

Versicherungsfall die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen den

Versicherungsnehmer und/oder eine versicherte Person durch Dritte aufgrund einer

tatsächlichen oder behaupteten Pflichtverletzung eines Versicherten

(Anspruchserhebungsprinzip)…

Der Versicherungsschutz ist gegeben, wenn die Pflichtverletzung, das Schadenereignis und die

Anspruchserhebung während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes (Laufzeit des

Vertrages unter Beachtung der §§ 38, 39 und 39a VersVG) erfolgen…

Der Versicherer anerkennt ein direktes Klagerecht des geschädigten Dritten gegen den

Versicherer.“

Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen suchte im Jahr 2002 über einen Makler ein auf seine

Geschäftstätigkeit als Wertpapierdienstleister passendes Versicherungsanbot für eine

Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Die Versicherung wurde schließlich beim

beklagten Versicherer geschlossen. Dieser beharrte damals auf der Vereinbarung des claims-

made-Prinzips. Die Versicherung bestand von 2002 bis Ende 2008. Im Jahr 2011 machte eine

(inzwischen verstorbene) Kundin (Anlegerin) des WPDLU Schadenersatzansprüche wegen

Fehlberatung und Fehlverwaltung durch das WPDLU gegen den Versicherer geltend. Die

Kläger als Erben der Kundin des WPDLU klagen den Versicherer auf Deckung der durch Fehler

Page 34: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

34

des WPDLU entstandenen Schäden. Die Klauseln betreffend das claims-made-Prinzip

verstießen gegen §§864a, § 879 ABGB und seien daher unwirksam.

Die Klage wurde abgewiesen. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.

OGH:

1. Vertraglicher Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer:

Die Einräumung eines Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des

Schädigers im Haftpflichtversicherungsvertrag beruht auf einem vertraglichen Schuldbeitritt.

Der Versicherer tritt der Schuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Geschädigten nach

Maßgabe des Deckungsanspruchs bei. Daraus folgt, dass einerseits der Versicherer alle

Einwände aus dem Deckungsverhältnis auch dem direkt klageberechtigten Geschädigten

gegenüber erheben kann und andererseits steht es auch Letzterem zu, sowohl inhaltlichen

Einwänden des Versicherers aus dem Vertragsverhältnis entgegenzutreten als auch die

Unwirksamkeit von Vertragsklauseln geltend zu machen.

2. claims-made-Prinzip - Prüfung auf Gesetzwidrigkeit nach § 864a, § 879 ABGB:

Die claims-made-Klausel ist (trotz Aufnahme in die Polizze) als eine in den AGB enthaltene

Bestimmung zu werten (standardisierte Klausel, war nicht verhandelbar).

Nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in AGB oder

Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie

dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach

dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte; es sei denn, der eine

Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen.

Als objektiv ungewöhnlich wird eine Klausel beurteilt, wenn sie von den Erwartungen des

Vertragspartners deutlich abweicht, sodass er mit ihr nach den Umständen vernünftigerweise

nicht zu rechnen brauchte. Der Klausel muss also ein Überrumpelungseffekt innewohnen.

Entscheidend ist, ob die Klausel beim entsprechenden Geschäftstyp üblich ist und ob sie den

rechtlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht. Der Inhalt der Klausel, auf den es dabei alleine

nicht ankommt, spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des

Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich

insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Die Vereinbarung der claims-made-Klausel war damals nicht ungewöhnlich und auch am

Regelungsort zu erwarten, auch hat die Zweitbeklagte auf deren Geltung besonders

hingewiesen. Sie ist daher nicht nach § 864a ABGB unwirksam.

Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder

Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen

Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände

des Falls einen Teil gröblich benachteiligt.

Hauptleistung ist in Allgemeinen Versicherungsbedingungen jedenfalls die Festlegung der

Versicherungsart und die Prämienhöhe. Die claims-made-Klausel gehört nicht zur

Hauptleistung.

Page 35: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

35

Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, hat sich am

dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu

orientieren. Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, liegt eine gröbliche

Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn es dafür keine sachliche

Rechtfertigung gibt. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner

zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren

Rechtsposition des anderen steht.

Eine gesetzliche Regelung, die den üblichen Umfang der vom beklagten Versicherer zu

erbringenden Versicherungsleistungen umschrieb, lag seinerzeit für den vorliegenden Fall nicht

vor. Eine Nachhaftung ist erst mehrere Jahre später für die Tätigkeit der

Versicherungsvermittlung infolge einer Richtlinienumsetzung vorzusehen gewesen. Für die

Erstbeklagte bestand insofern also auch kein „Versicherungsnotstand“. Andere Versicherer

waren damals aufgrund der Risikolage überhaupt nicht bereit, der Erstbeklagten

Versicherungsschutz zu gewähren. Die Zweitbeklagte hat überdies ein Direktklagerecht der

Geschädigten anerkannt. Bei einer Gesamtbewertung dieser Umstände ist im vorliegenden

Einzelfall eine gröbliche Benachteiligung der Erstbeklagten nicht zu erkennen.

Die claims-made-Klausel ist daher unter Berücksichtigung der damaligen spezifischen Sach-

und Vertragslage nicht als gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig zu qualifizieren.

7 Ob 212/17b

Thema: Erfüllungssurrogat in der Ärzte-Pflichthaftpflichtversicherung

AVB: „Art 7 AHVB: Unter die Versicherung gemäß Art. 1 fallen insbesondere nicht

1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel …

1.3 die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung.“

Der Kläger hatte eine Patientin insgesamt viermal an den Brüsten operiert, wobei Implantate

eingesetzt wurden. Die Patientin begehrte von ihm in einem noch nicht abgeschlossenen

Haftpflichtprozess die Kosten der wegen Fehlberatung notwendigen Folgeoperationen zum

Austausch der Implantate.

Die Deckungsklage des Arztes betreffend weitere Operationen zum Austausch der Implantate

wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Arztes zurück.

OGH:

Die Haftpflichtversicherung dient nach ständiger Rechtsprechung zu insofern wortgleichen

Fassungen der AHVB nicht dazu, das Unternehmerrisiko auf den Haftpflichtversicherer zu

übertragen. Das Unternehmerrisiko soll grundsätzlich nicht versicherungsfähig sein. Das von

der Deckungspflicht ausgeschlossene Erfüllungssurrogat ist eine eigene

versicherungsrechtliche Rechtsfigur, die nicht mit dem Schadenersatz wegen Nichterfüllung

übereinstimmt. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die auf das

Vertragsinteresse gerichtet sind, den Gläubiger also in den Genuss der ordnungsgemäßen

Page 36: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

36

Leistung bringen sollen. Die Patientin strebt einen aufgrund der Fehlbehandlung notwendigen

Austausch der Implantate an, der den schmerzfreien Zustand herstellen soll, wie er bei

ursprünglich ordnungsgemäßer kunstfehlerfreier Behandlung durch den Kläger gegeben

gewesen wäre. Die Patientin macht insoweit einen nach Art 7.1.3 AHVB 2004 nicht gedeckten

Anspruch (Erfüllungssurrogat) geltend.

7 Ob 34/18b

Thema: Umfang der Auskunftspflicht des Notars über seine Haftpflichtversicherung

Die Klägerin begehrte in einem Haftpflichtprozess gegen einen Notar Schadenersatz wegen

Fehler bei der Abwicklung eines Treuhandgeschäfts. Der Notar erteilte ihr die gesetzlich

vorgesehenen allgemeinen Auskünfte über seine Pflicht-Haftpflichtversicherung. Die Klägerin

begehrt nun in einem weiteren Prozess vom Notar, dass er sie über den Versicherungsschutz

für die Treuhandvereinbarung durch Vorlage einer Deckungsbestätigung des Pflicht-

Haftpflichtversicherers zu informieren habe.

Die Klage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision der Klägerin zurück.

OGH:

Schon aus der Wortfolge des Punktes 16. Satz 1 THR (Richtlinien der Österreichischen

Notariatskammer vom 8. 6. 1999 über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften idF

23. 10. 2014), wonach der Treugeber über „die Art, das Ausmaß und den Umfang des

Versicherungsschutzes“ zu informieren ist, und aus dem Zusammenhalt mit der ähnlich

formulierten Informationspflicht laut Punkt 20. THR folgt klar und unmissverständlich, dass es

sich bei dieser Informationspflicht nur um eine solche zur Bekanntgabe bestimmter allgemeiner

Angaben über den Umfang des Versicherungsschutzes handelt, die der Beklagte durch die von

ihm erteilten Auskünfte jedenfalls erfüllt hat. Der von der Klägerin verwendete Begriff

„Deckungsbestätigung“ ist der Notariatsordnung und dem Versicherungsvertragsgesetz fremd.

Für einen Anspruch auf eine „Deckungsbestätigung“ in dem von der Klägerin gewünschten

Sinn, dass nämlich der Versicherer über Veranlassung des Versicherungsnehmers erklärt, ob in

einem bestimmten Einzelfall bei Sachfälligkeit des Treuhänders Versicherungsdeckung

gewährt wird, besteht schon nach dem klaren Wortlaut der Regelung des Punktes 16. Satz 1

THR keinerlei Anhaltspunkt.

7 Ob 139/18v

Thema: Fehlende Gewerbeberechtigung des Versicherungsmaklers für

Kreditvermittlung

AVB: „In Ergänzung von Art 4 AVBV erstreckt sich der Versicherungsschutz nicht auf

Haftpflichtansprüche, die dadurch entstanden sind, dass:

Page 37: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

37

die vorgenommenen Rechtsgeschäfte ohne Berechtigung – Konzession zur Ausübung der

Tätigkeit bzw des Gewerbes … oder ohne Berechtigung zur Erbringung der Bank- oder

Finanzdienstleistungen … ausgeübt werden …“

Ein Versicherungsmakler verfügte auch über eine Gewerbeberechtigung zur Vermittlung von

Personalkrediten, Hypothekarkrediten und Vermögensberatung (einschließlich Vermittlung

von Veranlagungen im Sinn des § 1 Abs 1 Z 3 KMG), eingeschränkt auf die Vermittlung von

Hypothekarkrediten und Vermögensberatung (einschließlich Vermittlung von Veranlagungen

im Sinne des § 1 Abs 2 Z 3 KMG). Er hatte dafür eine entsprechende

Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Zur Vermittlung von anderen Personalkrediten

hatte er keine Gewerbeberechtigung.

Er bot seinen Kunden ein als „Volkspension“ bezeichnetes „Gesamtkonzept“ an, das auf einer

Kombination von Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern, Renten- und

Lebensversicherungen und einer Berufsunfähigkeitspension beruhte. Die Rentabilität war

entscheidend von der Entwicklung der Fremdwährungskredite und der Zinsentwicklung in den

jeweiligen Währungen sowie der Performance der Tilgungsträger abhängig.

Der Makler wurde wegen Fehlberatung zu Schadenersatz an die Geschädigten verurteilt. Der

Geschädigte zahlte nicht, die Geschädigten brachten daher im Exekutionsweg eine

Drittschuldnerklage gegen den Haftpflichtversicherer des Maklers ein.

Die Drittschuldnerklage wurde abgewiesen. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.

OGH:

Die Haftpflichtversicherung soll der Absicherung von Risken im Zusammenhang mit der

Ausübung eines bestimmten Gewerbes dienen. Die Risikobegrenzung auf genau diese Tätigkeit

(die Risikoausschlüsse dienen der Verdeutlichung) ist damit nicht unüblich und es muss sie der

Dritte gegen sich gelten lassen.

Die vereinbarungsgemäß zu erbringende Leistung beinhaltete die Dienstleistungen der

Vermögensberatung, Kreditvermittlung und Versicherungsvermittlung. Die Rentabilität des

Gesamtkonzepts hängt vom Zusammenspiel der kombinierten Fremdwährungskredite und

Tilgungsträger ab. Wenn – wie hier – ein entscheidender Teil des vom Versicherungsnehmer

zu erbringenden Gesamtkonzepts auf einer nach seiner Gewerbeberechtigung nicht zulässigen

Tätigkeit beruht, besteht nach den vorliegenden Bedingungen kein Versicherungsschutz für

Schadenersatzansprüche gegen den Versicherungsnehmer, deren Gegenstand dieses

Gesamtkonzept ist.

7 Ob 158/18p

Thema: Fehlberatung durch Versicherungsangestellten

Die Klägerin kündigte eine Haftpflichtversicherung mit hoher Deckungssumme und schoss mit

dem nunmehrigen Versicherer aufgrund eines Fehlers des Mitarbeiters des Versicherers eine

Page 38: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

38

Haftpflichtversicherung für Immobilienverwalter anstatt für Bauträger ab. Die

Versicherungssumme ist nun wesentlich niedriger, was allerdings dem Wunsch der Klägerin

entsprach. Die Klägerin strebte erklärtermaßen eine Reduktion der Versicherungsprämie im

Verhältnis zum ursprünglichen Versicherungsvertrag an und forderte den Mitarbeiter der

Beklagten auf, ihr jene (Pflicht-)Haftpflichtversicherung anzubieten, die im Verhältnis zum

ursprünglichen Vertrag bloß den gesetzlichen Vorgaben für Bauträger entspricht. In der Folge

verlangten etliche von der Klägerin Geschädigte Schadenersatz. Die Klägerin begehrt die

Feststellung der Haftung des Versicherers für die die Differenz zwischen der Deckungssumme

der nunmehrigen Versicherung zu der aufgekündigten Versicherung.

Das Klagebegehren wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision der Klägerin zurück.

OGH:

Dass die gewünschte Prämienreduktion jedenfalls auch mit einer Reduktion der

Versicherungssumme einhergeht, liegt auf der Hand, war offenkundig und nicht

aufklärungsbedürftig, lag doch keine Fehlvorstellung vor. Soweit die Klägerin meint, es hätte

zumindest die Haftung im Sinn einer „Versicherungssumme von 100.000 EUR pro

geschädigten Vertragspartner“ wie im Gesetz vorgeschrieben ausgesprochen werden müssen,

ist sie darauf hinzuweisen, dass sie ein derartiges Eventualbegehren nicht gestellt hat.

7 Ob 218/18m

Thema: Auslandsklausel

Art 6 AHBA:“ … Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen …

aus sich im Ausland auswirkenden Verstößen … Art 7: … Der Versicherungsschutz bezieht sich

abweichend von Art. 6 … auch auf das europäische Ausland … Voraussetzung ist, dass der

Verstoß in Europa gesetzt wurde, der Schaden in Europa eingetreten ist und die

Geltendmachung in Europa erfolgt“.

Die Klägerin erstellte für ein österreichisches Unternehmen eine fehlerhafte statische

Berechnung für ein Hochregallager, das dieses in Österreich produzieren ließ und das beim

Endkunden in den USA montiert wurde. Die Vertragspartnerin der Klägerin begehrt von ihr

den Ersatz der Sanierungskosten und stellt Schadenersatzforderungen.

Der Klage wurde stattgegeben. Der OGH wies die Revision des beklagten Versicherers zurück.

OGH:

Die sogenannte Auslandsklausel (Ausschluss des Versicherungsschutzes für

„Schadenersatzverpflichtungen aus sich im Ausland auswirkenden Verstößen“) schließt die

Deckungspflicht des Versicherers nicht aus, wenn sich der anspruchsbegründende Sachverhalt

im Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Dritten zur Gänze im Inland

verwirklicht hat. Der Ort des Schadenereignisses ist nämlich im Verhältnis zwischen dem

Versicherungsnehmer und dem ihn in Anspruch nehmenden Dritten und nicht aufgrund von

Page 39: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

39

Rechtsbeziehungen zu ermitteln, an denen ausschließlich spätere Dritte und nicht mehr der

Versicherungsnehmer beteiligt sind. Die fehlerhafte statische Berechnung wurde im Inland

hergestellt. Damit liegt der Ort des Schadenereignisses im Inland.

7 Ob 228/18g

Thema: Keine Klagemöglichkeit des Versicherungsnehmers zugunsten des Geschädigten

Der Kläger ist Vermögensberater. Er klärte seinen Kunden bei Vermittlung einer

Gesellschaftsbeteiligung nicht über die Möglichkeit eines Totalverlusts der Anlage auf und

verstieß damit gegen eine mit dem Pflicht-Haftpflichtversicherer in den AVB (FinanzPl-Ö)

vereinbarte Obliegenheit. Die Anlage erlitt einen Totalverlust. Der Kläger begehrt mit seiner

Deckungsklage gegen den Pflicht-Haftpflichtversicherer (unter anderem) die Zahlung des

Schadensbetrags an den Geschädigten; er beruft sich darauf, dass sich der

Haftpflichtversicherer bei einer Pflichtversicherung nicht auf Obliegenheitsverletzungen des

Versicherungsnehmers berufen könne.

Die Klage wurde abgewiesen. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.

OGH:

Der Versicherungsnehmer kann bei Leistungsfreiheit des Versicherers keine Leistung an den

Geschädigten fordern und auch nicht die Feststellung der Leistungspflicht im Verhältnis zum

Geschädigten begehren. Vielmehr ist es Aufgabe des Geschädigten, diesen Anspruch durch

Pfändung und Überweisung oder im Wege einer allenfalls vorgesehenen Direktklage gegen den

Versicherer geltend zu machen Da § 158c VersVG gerade voraussetzt, dass den Versicherer

dem Versicherungsnehmer gegenüber keine Leistungspflicht trifft, ist dieser selbst auch nicht

aktivlegitimiert, aufgrund des nur zugunsten des Geschädigten fingierten Befreiungsanspruchs

eine Leistung des Versicherers an den Geschädigten zu fordern. Das Begehren des Klägers auf

Feststellung der dem Geschädigten gegenüber bestehenden Deckungspflicht der Beklagten ist

infolge Obliegenheitsverletzung nicht berechtigt. Aus § 158c Abs 1 VersVG kann kein

Anspruch des Versicherungsnehmers auf Leistung an den geschädigten Dritten abgeleitet

werden.

7 Ob 14/19p

Thema: Angehörigenausschluss

Nach den AVBV sind vom Versicherungsschutz Schadenersatzverpflichtungen und

Haftpflichtansprüche ausgeschlossen von: „Angehörigen des Versicherungsnehmers; als

Angehörige gelten … die mit dem Versicherungsnehmer ... in gerader Linie ... Verwandten ...“

Page 40: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

40

Die Mutter des versicherten Vermögensberaters, der pflichthaftpflichtversichert war, wurde

durch Fehlberatung geschädigt.

Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.

OGH:

Sowohl bei einer freiwilligen wie auch bei einer Pflicht-Haftpflichtversicherung haftet der

Versicherer nur im Rahmen der von ihm übernommenen Gefahr, also der örtlichen, zeitlichen

und sachlichen Grenzen der Gefahrenübernahme und der zwischen ihm und dem

Versicherungsnehmer zulässig vereinbarten Ausschlüsse.

Durch einen Angehörigenausschluss wird aus naheliegenden Gründen bezweckt, den

Versicherungsschutz für Schäden, die Angehörigen des Versicherungsnehmers zugefügt

werden, ebenso auszuschließen wie für Schäden des Versicherungsnehmers selbst. Ein solcher

Ausschluss von im engsten Familienkreis (hier die Mutter des Versicherungsnehmers)

verursachten Schäden aus der Berufshaftpflichtversicherung entspricht einem üblichen

Deckungsumfang.

7 Ob 88/19w

Thema: Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs

Art 5.3. c) AVBV 1999: „Der Versicherungsnehmer ist nicht berechtigt, ohne vorherige

Zustimmung des Versicherers einen Haftpflichtanspruch ganz oder zum Teil vergleichsweise

anzuerkennen oder zu befriedigen. Bei Zuwiderhandlung ist der Versicherer von der

Leistungspflicht frei, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer nach den Umständen die

Befriedigung oder Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte…“

Die Klägerin, eine Rechtsanwältin, klagte auf Rechtsschutzdeckung für eine Klage gegen ihre

Haftpflichtversicherung, die Regress gegen sie genommen hatte. Ein Klient hatte gegen sie

einen Schadenersatzprozess wegen Fehlberatung geführt, den der Klient kostenpflichtig verlor.

Trotzdem verzichtete die Rechtsanwältin auf den ihr bzw. dem Haftpflichtversicherer

zustehenden Ersatz der Prozesskosten. Der Haftpflichtversicherer nahm nun Regress gegen die

Rechtanwältin hinsichtlich der Prozesskosten. Für das von der Klägerin angestrengte Verfahren

gegen den Haftpflichtversicherer auf Rückersatz der Regresssumme begehrte die Klägerin

Rechtsschutzdeckung.

Die Klage der Rechtsanwältin auf Rechtsschutzdeckung wurde mangels ihrer Erfolgschancen

abgewiesen. Der OGH wies die Revision der Klägerin zurück.

OGH:

Die Bestreitung der Regressklage des Haftpflichtversicherers war nicht durch billige Gründe

gerechtfertigt und daher aussichtslos im Sinn der ARB. Das Begehren auf Erstattung der

Regresssumme ist nicht berechtigt.

Page 41: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

41

Verursacht ein Rechtsanwalt durch ein Verschulden seinem Klienten einen Schaden, so ist es

nicht nur aus der Sicht der Ehre und des Ansehens des Standes der Rechtsanwaltschaft, sondern

auch aus der Sicht der Rechtsschutz suchenden Bevölkerung geboten, für eine möglichst

umgehende Schadensgutmachung Sorge zu tragen. Ist ein Sachverhalt so weit geklärt, dass sich

daraus zweifelsfrei eine Haftung des Rechtsanwalts gegenüber seinem Klienten ergibt, wäre es

im Hinblick auf die besonderen Berufspflichten des Rechtsanwalts und auch aus der Sicht der

Rechtsschutz suchenden Bevölkerung unbillig, die Anerkennung der Haftung zu verweigern.

Eine solche Weigerung könnte ein Disziplinarvergehen sein. Lehnt der Haftpflichtversicherer

eines Rechtsanwalts trotz dessen zweifelsfreier Haftung für einen seinem Klienten zugefügten

Schaden die Befriedigung des Schadenersatzanspruchs mit einer offensichtlich unrichtigen

Begründung ab, so ist die Verweigerung der Befriedigung dieses Anspruchs durch den

Rechtsanwalt im Hinblick auf seine besonderen Berufspflichten als offenbare Unbilligkeit

anzusehen.

Hier war aber der Haftpflichtanspruch bereits aufgrund eines rechtskräftigen Gerichtsurteils

verneint und der Prozessgegner der Klägerin zum Prozesskostenersatz verurteilt worden, diese

hatte aber auf den nach § 67 VersVG dem Haftpflichtversicherer zustehenden Prozesskosten-

ersatzanspruch eigenmächtig verzichtet und der Haftpflichtversicherer hatte Regress wegen

dieses Verzichts angestrengt. Der Anspruch des Geschädigten bestand gerade nicht

offensichtlich zu Recht.

Page 42: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

42

IV. Bauherrn-Haftpflichtversicherung

7 Ob 195/17b

Thema: Schaden am Nachbargrundstück

AVB (Art 11 EHVB 2007): „Haus- und Grundbesitz

1. Der Versicherungsvertrag erstreckt sich nach Maßgabe des Deckungsumfanges der AHVB

auf Schadenersatzverpflichtungen …

1.2 aus der Durchführung von Abbruch-, Bau-, Reparatur- und Grabarbeiten an der

versicherten Liegenschaft, wenn die Gesamtkosten des Bauvorhabens unter Einrechnung

etwaiger Eigenleistungen EUR 100.000 nicht überschreiten … Für solche Bauvorhaben sind

Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Bauherr mitversichert …“

Die Klägerin ließ auf ihrer Liegenschaft ein Wohnhaus um einen vereinbarten Werklohn von

knapp 1 Mio EUR revitalisieren (Sanierung der allgemeinen Teile, Ausbau des Dachgeschoßes,

Einbau eines Lifts). Zu diesem Zweck wurde auf der Liegenschaft ein Kran aufgestellt, der in

der Nacht umstürzte und auf ein Gebäude des Nachbargrundstücks fiel und dieses schwer

beschädigte.

Die Deckungsklage gegen den Haftpflichtversicherer wurde abgewiesen. Der OGH wies die

Revision zurück.

OGH:

Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gemäß § 364a ABGB ist eine gesetzliche

Haftpflichtbestimmung privatrechtlichen Inhalts im Sinne der Versicherungsbedingungen. §

364a ABGB wird auch analog herangezogen, um dem Nachbarn Ausgleich für Schäden durch

Bauführung zu bieten. Durch Art 11.1.2 EHVB wird der Versicherungsschutz für

Schadenersatzverpflichtungen aus den dort angeführten Tätigkeiten gesondert und

abschließend geregelt. Dies unabhängig davon, auf welche schadenersatzrechtliche Grundlage

der Geschädigte seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer stützt. Aus der

insoweit völlig klaren Bedingungslage folgt daher, dass der Versicherungsschutz für

Schadenersatzverpflichtungen aus der Durchführung der dort genannten Baumaßnahmen

ausschließlich nach dieser Bestimmung zu beurteilen ist. Zu einem Bauvorhaben gehören alle

Maßnahmen, die notwendig sind, um das Bauziel zu erreichen, hier das Aufstellen eines Krans.

Sinn einer Beschränkung des Baukostenrisikos mit einem bestimmten Gesamtkostenbetrag ist

es, die mit Bauvorhaben größeren Umfangs verbundene Vielzahl nicht überschaubarer und für

den Versicherer kaum oder nur schwer kalkulierbarer Risiken vom Versicherungsschutz

auszuschließen. Es handelt sich dabei um einen Risikoausschluss. Die Gesamtkosten des

Umbaus überschreiten die festgelegte Summe bei weitem.

Page 43: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

43

7 Ob 174/18s

Thema: Haftung aus Nachbarrecht oder aus Vertrag?

Versichert war „im Rahmen der Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für

die Haftpflichtversicherung (AHVB/EHVB 1993) die gesetzliche Haftpflicht des

Versicherungsnehmers aus sämtlichen Aktivitäten, Eigenschaften und Rechtsverhältnisse der

versicherten Unternehmen im Zusammenhang mit dem Bauherrnrisiko“ bei der Errichtung

einer Bahntrasse.

Die Nutzung der Flächen der Grundeigentümerin durch die Bauherrin = VN erfolgte auf

vertraglicher Grundlage, nämlich auf Grund einer Zustimmungserklärung, mit der die

Grundeigentümerin mit der Projektdurchführung einverstanden war und der Klägerin für die

Dauer der Errichtung der Eisenbahnanlage auch einen Arbeitsstreifen zur Verfügung stellte.

Damit wurden auch eine Pauschalentschädigung, die unter anderem sämtliche Flurschäden

umfasste, und die Wiederherstellung des früheren Zustands sämtlicher Einbauten und Anlagen

(zB Drainagen, Wege etc) vereinbart. Bei den Bauarbeiten kam es wegen starker Niederschläge

zu einem Böschungsabbruch parallel zur Bahntrasse.

Die VN = Klägerin begehrte den Ersatz für die Entschädigung, die sie der Grundeigentümerin

für die Sanierung des Böschungsabbruchs geleistet hat. Zu diesem Ersatz sei die VN = Klägerin

wegen der nachbarrechtlichen Haftung nach § 364a ABGB verpflichtet gewesen.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Der OGH wies die Klage ab.

OGH:

Versichert war hier nur die gesetzliche, nicht aber eine vertragliche Haftpflicht der Klägerin.

Eine nachbarrechtliche Haftung kommt nur subsidiär, mangels anderer Rechttitel, in Betracht,

Besteht über die gegenseitigen Rechte und Pflichten unter Nachbarn eine vertragliche

Regelung, ist nur diese für die Ausübung und die Grenze der beiderseitigen Rechte und

Verbindlichkeiten maßgebend.

Eine analoge Anwendung der §§ 364–364b ABGB ist auch nicht auf Fälle vorzunehmen, in

denen die Einwirkung vom Grundstück des Beeinträchtigten selbst und auch ohne dessen

Belastung mit dinglichen Rechten ausgeht. Derlei Einwirkungen sind nämlich entweder

unrechtmäßig, so dass sich der Betroffene dagegen zur Wehr setzen kann, oder sie beruhen auf

seiner Gestattung. Ist letzteres der Fall, so sind die jeweils getroffenen Vereinbarungen und die

wegen deren Verletzung geltenden allgemeinen Bestimmungen des Schadenersatzrechts dafür

maßgebend, ob und in welchem Ausmaß der Beeinträchtigte Ersatz begehren kann.

Die Nutzung der Flächen der Grundeigentümerin erfolgte auf vertraglicher Grundlage, nämlich

auf Basis der Zustimmungserklärung. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der

Grundeigentümerin ein Ersatzanspruch aufgrund des Böschungsbruchs zusteht, ist daher durch

Auslegung der die Klägerin treffenden vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten nach

Vertragsgrundsätzen zu beurteilen, was die (analoge) Anwendung der §§ 364 ff ABGB

ausschließt.

Page 44: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

44

V. KFZ-Haftpflichtversicherung

7 Ob 49/17g

Thema: Haltereigenschaft nach § 2 Abs 2 KHVG

Die beklagte GmbH borgte sich für einen Tag einen Tieflader zur Beförderung eines Baggers

aus. Es kam zu einem Unfall. Der Haftpflichtversicherer des Tiefladers leistete an den beim

Unfall Geschädigten Zahlungen und nimmt nun Regress gegen die ausleihende GmbH. Strittig

war, ob diese als Halter oder Mithalter mitversichert und daher nicht regresspflichtig ist.

Der Klage wurde stattgegeben. Der OGH wies die Revision der Beklagten zurück.

OGH:

Wer sein Fahrzeug kurzzeitig einem Dritten überlässt, bleibt weiterhin Halter, weil in dieser

Überlassung die Verfügungsgewalt zum Ausdruck kommt; nur bei längerfristiger

Gebrauchsüberlassung endet die Haltereigenschaft und geht auf den Benützer über. Das Drohen

einer allfälligen – im Hinblick auf einen begrenzten Deckungsumfang der

Betriebshaftpflichtversicherung der Beklagten – (individuellen) Deckungslücke kann zu

keinem anderen Ergebnis führen, zumal auch sonst ein Überschneiden der

Versicherungsbereiche oder Deckungslücken nicht jedenfalls verhindert werden müssen.

Überdies kann unter einer Person, die bei der „Verwendung“ eines Fahrzeugs tätig wird, nur

eine natürliche Person verstanden werden.

7 Ob 159/18k

Thema: Führerscheinklausel

Es geht hier um eine Unfallversicherung, der OGH nimmt aber generell zur Führerscheinklausel

Stellung.

Die AVB der Unfallversicherung des Klägers enthalten folgende Führerscheinklausel:

„Als Obliegenheit, deren Verletzung unsere Leistungsfreiheit gemäß den Voraussetzungen und

Bestimmungen des § 6 Abs 2 VersVG (Obliegenheitsverletzung) – siehe Anhang – bewirkt, wird

bestimmt, dass die versicherte Person als Lenker eines Kraftfahrzeugs die jeweils

kraftfahrrechtliche Berechtigung, die zum Lenken dieses oder eines typengleichen

Kraftfahrzeugs erforderlich wäre, besitzt; dies gilt auch dann, wenn dieses Fahrzeug nicht auf

Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt wird.“

Der Kläger war als Baggerfahrer beschäftigt. Er arbeitete auf dem Steinbruchgelände seines

Arbeitgebers mit einem Muldenkipper. Der Arbeitgeber hatte ihm dafür eine betriebliche

Fahrbewilligung ausgestellt. Er hatte aber keinen C-Führerschein. Bei einem Unfall mit dem

Muldenkipper wurde der Kläger schwerst verletzt. Ob ein C-Führerschein für das Lenken des

im Unfallszeitpunkt vom Kläger benützen Muldenkipper erforderlich war, wurde von den

Page 45: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

45

Vorinstanzen nicht geklärt. Der Kläger begehrt von seinem Unfallversicherer umfangreiche

Zahlungen.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt (dem Grunde nach mit Zwischenurteil). Der OGH hob

die Urteile zur Ergänzung des Verfahrens auf, weil noch nicht feststeht, ob der Kläger

unverschuldet oder fahrlässig handelte und ob ein C-Führerschein erforderlich war.

OGH:

Gemäß § 6 Abs 2 VersVG kann sich der Versicherer bei der Verletzung einer Obliegenheit, die

der Versicherungsnehmer zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer

Erhöhung der Gefahr dem Versicherer gegenüber zu erfüllen hat, auf die vereinbarte

Leistungsfreiheit nicht berufen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Umfang der dem

Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat (vorbeugende Obliegenheit).

Der Versicherer muss daher hier die objektive Verletzung der Obliegenheit durch den

Versicherungsnehmer (oder die Person, für die er haftet), der Versicherungsnehmer

mangelndes Verschulden sowie die mangelnde Kausalität beweisen.

Bei der Führerscheinklausel handelt es sich um eine Obliegenheit im Sinn des § 6 Abs 2

VersVG, sodass dem Versicherungsnehmer grundsätzlich der Nachweis offen steht, dass die

Verletzung der Obliegenheit weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls, noch auf die

Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers Einfluss gehabt hat Der

Gegenbeweis der fehlenden Kausalität ist strikt zu führen; an ihn sind hohe Anforderungen zu

stellen und strenge Maßstäbe anzulegen.

Das Vorliegen einer Lenkerberechtigung kann nicht durch den Nachweis tatsächlichen

Fahrkönnens ersetzt werden. Ebenso wenig ist der Nachweis zulässig, dass der Lenker vor dem

Versicherungsfall eine Fahrprüfung bestanden hätte. Für den Fahrer ohne Lenkerberechtigung

bleibt demnach nur ein eingeschränkter Kausalitätsgegenbeweis in der Richtung, dass der

Unfall durch keinerlei Fahrfehler, sondern etwa durch ein technisches Gebrechen oder das

ausschließliche Verschulden eines Dritten verursacht wurde. Unschädlich ist lediglich, wenn

der Formalisierung der Erteilung der Lenkerberechtigung aus besonderen Gründen keine

entscheidende Bedeutung zukommt, also etwa dann, wenn der Lenker die Lenkerprüfung

bereits bestanden hat, und der Führerschein lediglich aus verfahrenstechnischen Gründen noch

nicht ausgehändigt wurde, oder wenn bei ausländischen Führerscheinen im Zeitpunkt des

Versicherungsfalls sämtliche Voraussetzungen für eine „Umschreibung“ auf einen

inländischen Führerschein gegeben waren.

7 Ob 35/19a

Thema: Geisterfahrer

Der Sozialversicherer klagte den KFZ-Haftpflichtversicherer einer Lenkerin, die als

„Geisterfahrerin“ einen Unfall mit Verletzten, die Leistungen vom Sozialversicherer erhielten,

verschuldet hat. Nach den Feststellungen im Prozess steht fest, dass die Lenkerin den

Page 46: Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung

46

„Geisterfahrerunfall“ weder in Selbstmordabsicht verursachte noch einen Unfall mit

Verletzungsfolgen ernstlich für möglich hielt und billigend in Kauf nahm; vielmehr erkannte

sie nicht, dass sie auf der falschen Richtungsfahrbahn unterwegs war.

Der Klage wurde stattgegeben. Der OGH wies die Revision des beklagten

Haftpflichtversicherers zurück.

OGH:

Da die Versicherungsnehmerin nicht erkannt hatte, als Geisterfahrerin unterwegs zu sein, fehlt

jede tatsächliche Grundlage für die Annahme, dass sie den Versicherungsfall - auch nur bedingt

- vorsätzlich herbeigeführt hat. Daher liegt kein Fall des § 152 VersVG vor (§ 152 VersVG:

„Der Versicherer haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Eintritt der

Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat“)

7 Ob 37/19w

Thema: Verwendung eines Teleskoparmstaplers als Arbeitsmaschine zur Kirschernte

Artikel 8.3. AKHB 2015: „Der Versicherungsschutz umfasst nicht … Ersatzansprüche aus der

Verwendung des versicherten Fahrzeuges als ortsgebundene Kraftquelle oder zu ähnlichen

Zwecken“

Der Kläger verwendete zur Kirschernte einen Teleskoparmstapler, an dessen Arm ein

Arbeitskorb montiert war und in dem sich Erntehelfer befanden. Für einen sicheren Stand waren

die Stützen des Staplers ausgefahren, sodass das Fahrzeug nicht mehr fortbewegt werden

konnte. Infolge Kippens stürzte der Arbeitskorb ab, dabei wurden die Erntehelfer verletzt.

Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.

OGH:

Ein Ausschluss der Verwendung eines Fahrzeugs als Arbeitsmaschine aus der Kfz-

Haftpflichtversicherung ist grundsätzlich zulässig, weil § 4 Abs 1 Z 4 KHVG einen solchen

Ausschluss ausdrücklich vorsieht.

Die Verwendung eines Kraftfahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle (Arbeitsmaschine) liegt

vor, wenn - wie hier - seine Fahrbarkeit durch Einrichtungen, etwa Auslegestützen, die seine

Fortbewegung blockieren, vorübergehend aufgehoben wird und es in einer artfremden, mit den

typischen Funktionen des Fahrzeugs in keinem Zusammenhang stehenden Weise eingesetzt

wird.