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CALDER

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Text: Gerry Souter

Übersetzung: Anna Hildegard Czinczoll

Baseline Co Ltd127-129A Nguyen HueFiditourist Building, 3rd FloorDistrict 1, Ho Chi Minh City, Vietnam.

© Sirrocco, London UK

© Confidential Concepts, worldwide, USA

© Calder Estate / Artists Rights Society, New York, USA

Weiltweit alle Rechte vorbehalten.

Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten denjeweiligen Fotografen. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht injedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bittenwir um Benachrichtigung.

ISBN: 978-1-78042-597-9

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Kunst in Bewegung

Prolog

Ich saß halb im Hubschrauber, halb draußen, und fotografierte Karibuherden in der arktischen Tundra. Unteruns zog plötzlich ein riesiger Schwarm Kanadagänse vorbei. In perfekter Formation änderte er die Richtung,und jede Gans nahm unentwegt winzige Kurskorrekturen vor, gemeinsam wie in einem Gedanken gefangenund auf die komplexe Einheit ihrer Staffelstruktur konzentriert. “Meine Güte”, sagte ich laut in die kalte Luft hinein, “das ist ja ein Calder”.

Gerry SouterNotes from the Living Arctic

(Notizen über das Leben in der Arktis), 1972

Er war ein großer Mann, der sich aber leichtfüßig bewegte und trotz seiner großen Hände diegeschickten Finger eines Chirurgen hatte, und obwohl er die Konzentrationsfähigkeit eines Mönchsbesaß, feierte er gern Feste mit Freunden. Er war ein Genie, aber kein Langweiler, und als er 1976starb, hinterließ er bei vielen Menschen eine große Lücke. Sein schallendes Lachen ist verstummt,und jene nur selten still haltenden Hände formen nun keine Skulpturen mehr, doch offenbarte er inTausenden Drahtwindungen, Pirouetten drehenden Scherben und daher schreitenden Stahlblechenseinen Respekt vor und seine Freude an den Dingen. Solange die Luft noch in Bewegung ist und dieSonne auf- und untergeht, um Licht und Schatten auf unsere Welt zu werfen, solange veränderteine Skulptur des Alexander Calder ihr Erscheinungsbild und eröffnet neue Sichtweisen.

Calder wurde am 22. Juli 1898 in dem nahe Philadelphia, Pennsylvania, gelegenen Lawnton in eineKünstlerfamilie hinein geboren und hatte eigentlich nie wirklich eine Chance, seinen Beruf frei zuwählen. Er reihte sich als dritter Alexander in die Trinität aus Künstlern ein, die sein GroßvaterAlexander Milne Calder und sein Vater Alexander Stirling Calder, beide bedeutende Bildhauer ihrerZeit, begründet hatten. Seine Mutter Nanette Lederer war Portraitmalerin.

Einen Großteil seiner frühen Kindheit hat er vermutlich damit verbracht, zwischen dem Atelierseines Vaters und dem seiner Mutter hin und her zu pendeln. Der Arbeitsplatz des Vaters lag übereinem alten Mietstall, in dem es nach Pferdeäpfeln, nassem Ton und feuchtem Holz roch. Hier saßStirling Calder hinter einem aufgeweichten Schlammhaufen und starrte den jüngeren Calder an,der dann zitternd beobachtete, wie der Vater mit flinken Fingern aus eben diesem Haufen seinEbenbild formte – aber ohne die Gänsehaut und ohne die Schramme auf seinem Knie. Im Atelierseiner Mutter, wo farbverschmierte Lappen lagen und Gläser mit Leinöl und Terpentinherumstanden, sah der junge Alexander zu, wie ihre von der Zeichenkohle fleckigen Finger seinBild zeichneten. Für jede der für ihn langweiligen zweistündigen Sitzungen bekam er aberimmerhin fünfundzwanzig Cent.

Sein Vater wurde “Stirling” genannt und er selbst wurde in der Familie “Sandy” gerufen,vermutlich, um zwischen den vielen Alexandern zu unterscheiden. Der jüngste Calder teilte sichseine Eltern mit der zwei Jahre jüngeren, in Paris geborenen - eine Tatsache, um die er sie oftbeneidete - Schwester Peggy. Auf Grund des Berufs und des schlechten Gesundheitszustands seinesVaters wechselte die Familie zwischen 1905 und 1909 häufig den Wohnort.

1. Spiralen (Spirales),undatiert.Aubusson-Wandteppich,168 x 242,9 cm.Jane Kahan Gallery,New York.

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2. Calders Zirkus, 1926-1930.Materialmischung, 137,2 x 239,4 x 239,4 cm(ungefähre Angabe).Erwerb durchSubskriptionen.Whitney Museum ofAmerican Art, New York

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Die Aufträge, die Stirling Calder als Bildhauer erhielt, führten die Familie quer durch dieVereinigten Staaten, und in dieser Zeit versuchte der junge Sandy, in beruflicher Hinsicht dieFamilientradition zu durchbrechen, so, wie es viele junge Menschen auf der Suche nach der eigenenIdentität tun. Anstatt auf die Kunsthochschule zu gehen, schrieb er sich am Stevens Institute ofTechnology in Hoboken, New Jersey, ein und erlangte dort im Jahr 1919 den Studienabschluss imFach Maschinenbau. Seine Liebe zur Mechanik hatte er schon in der Kindheit entdeckt, als er ausallen möglichen, ihm in die Hände gefallenen Materialien Spielzeug baute. Im Jahr 1929 schrieb er:

“Meine Kindheit spielte sich im Kreis der Familie ab, ich war als Junge voller Begeisterung fürSpielzeug und Schnüre und sammelte wie eine Elster alle möglichen Drähte und schöne Sachen ausder Mülltonne. Als ich acht Jahre alt war, schenkten mir meine Eltern ein paar Werkzeuge…”

In der Zeit, als seine Familie von einem Wohn- und Arbeitsort zum nächsten zog, gelangen ihmin müßigen Augenblicken seine frühesten noch erhalten gebliebenen Experimente in derBildhauerei: ein Hund und eine Ente, beide aus einzelnen, geschnittenen Messingblechen gefertigte,origamiartig gefaltete und dreidimensionale Tierchen. In jenem Alter hatte sich Calder daskünstlerische Konzept des Vorausdenkens bereits zu Eigen gemacht: die Verarbeitung jedenverfügbaren Materials, um einzelne Teile herzustellen, die letztlich mit anderen Teilenzusammenwirken müssen, um ein in der Vorstellung bereits bestehendes Ergebnishervorzubringen. Diese kleine Tierschau erwies sich als schicksalhaft.

Das Ingenieursdiplom in der Tasche, nahm er nacheinander eine Reihe von Arbeiten an, die nichtim Entferntesten etwas mit bildender Kunst zu tun hatten und dazu noch trocken und langweiligwaren. Er übernahm Tätigkeiten vom Automobiltechniker und Versicherungssachverständigen bishin zum Gartenbauer, zog als Buchhalter durch fünf US-Staaten, war Mitarbeiter der ZeitschriftLumber und kolorierte Landkarten für einen Wasserbauingenieur. Bei nahezu keinem dieser Jobskonnte er sich mit seiner Situation wirklich arrangieren, was ihm letztlich jedes Mal die Kündigungeinbrachte. Schließlich gab er nach, fand sich mit den Dingen ab und kehrte zum Lebensstil seinerFamilie zurück. Von nun an mied er ein regelmäßiges Erwerbsleben und begann sein Künstlerdaseinals unkonventioneller Bilderstürmer.

Nachdem er einige Kurse in Aktmalerei besucht hatte, verlor er die Geduld und heuerte alsSeemann auf einem Schiff an, auf dem er als Heizer im Maschinenraum arbeitete. Im Jahr 1922gelangte er im Kesselraum des ölgefeuerten Hochgeschwindigkeits-Passagierschiffs H. F. Alexanderder Pacific Steamship Company von New York nach San Francisco. Auf dieser Reise machte sich seineKreativität in der Wahrnehmung betörend schöner Szenerien bemerkbar, so z.B. bei eineraufgehenden Sonne und untergehendem Mond am frühen Morgen – zwei strahlende Scheiben aneinem bei wolkenlosem Himmel messerscharf gezogenen Horizont. Diese Bilder waren für ihn dieInitialzündung, mit der Malerei zu beginnen.

Als Calder dann 1923 im Alter von 25 Jahren nach New York zurückkehrte, schrieb er sich beider Art Students’ League ein und war dort Schüler von Persönlichkeiten wie Thomas Hart Benton(1889 bis 1975), John Sloan (1851 bis 1951) und dem für seine hoch stilisierten Zeichnungenberühmten Guy Pene du Boise. Calders Eltern waren bereits 1924 nach Europa gegangen – aberSandy blieb zurück, um sich im einstigen Atelier des Vaters einzurichten. Sein Einkommen bestritter mit seiner Arbeit als Pressezeichner für The National Police Gazette, dem reißerischenSensationsblatt jener Zeit. Es gelang ihm, eine Karte für den Zirkus der Ringling Brothers und Barnum& Bailey zu ergattern, die zwei Wochen freien Eintritt zu den Vorstellungen gewährte.

3. Hummernetz undFischschwanz,1939.Blech, Draht und Farbe,259 x 289,5 cm.The Museum of ModernArt, New York.

4. Kreuzfahrt (Croisière),1931.Draht, Holz und Farbe,93,9 x 58,4 x 58,4 cm.Calder-Stiftung, New York.

5. Federn (Feathers), 1931.Draht, Holz, Blei und Farbe, 97,8 x 81,3 x 40,6 cm.Calder-Stiftung, New York.

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