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2 | Bauwelt 6 2005 Wochenschau Louis I. Kahns Hochschulcam- pus wird nach Norden er- weitert. Das indische Büro HCPDPM, Sieger in einem Wettbewerb, hat sich im Hin- blick auf Städtebau und for- male Gestaltung am Vorbild Kahn orientiert. Links: Pro- menade mit Wohnheimen und Unterrichtskomplex und dem Blick zum Wasserturm; unten: Gemeinschaftsraum in einem Wohnheim Lageplan ohne Maßstab; Fotos: Autor Ahmedabad Campus-Erweiterung des IIMA Das Indian Institute of Management (IIMA) ist zu einer weltweit renommier- ten Wirtschaftshochschule gewachsen. Neben einem regen, internationalen Stu- denten- und Lehreraustausch wirbt es inzwischen weltweit auch um Vollzeit- studenten und möchte weiter expandie- ren. Vier Jahrzehnte nach seiner Grün- dung und drei Jahrzehnte nach der Er- richtung von Louis I. Kahns Bauten wird deshalb ein neuer Campus gebaut. Gegründet wurde das IIMA 1961 als na- tionale Hochschule für Verwaltung und Wirtschaft im damals noch jungen, un- abhängigen Indien. Die nordwest-indi- sche Industriestadt Ahmedabad war zu jener Zeit ein Experimentierzentrum der postkolonialen Moderne. Nachdem schon Le Corbusier vier Bauten in der Stadt errichtet hatte, beauftragte das IIMA den damals bereits weltbekannten Kahn mit der Planung des neuen Hoch- schul-Campus. Kahn, für den Lernen und Wohnen eine Einheit bildete, entwarf einen U-förmigen Bau mit Vorlesungs- sälen, Bibliothek und Verwaltung, an den sich auf zwei Seiten – L-förmig und in Dreierreihe – mehrere Studenten- wohnheime gruppieren. Der kompakten Anlage stellte er ein weitläufiges Areal mit einer kleinteiligen Wohnbebauung für Institutsangestellte gegenüber. In- zwischen hat sich die rapide wachsende Großstadt mit ihren 5,5 Mio. Einwoh- nern bis zum Campus-Gelände ausge- breitet. Doch beide Campi schotten sich – für Indien typisch – mit hohen Mauern gegen jeglichen städtischen Kontext ab und schaffen so eine grüne Oase in der stark luftverschmutzten Stadt. Das Er- weiterungsareal liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kahn-Campus, wird jedoch durch eine Hauptverkehrsstra- ße von diesem getrennt. Im Jahr 1999 lobte das IIMA einen Architektenwett- bewerb aus – ein für Indien noch unüb- liches Verfahren. Nach einem Bewer- bungsverfahren wurden zehn Büros zur ersten und drei zur zweiten Wettbe- werbsstufe eingeladen. Im Jahr 2000 wurde der Sieger, HCP Design and Pro- ject Management (HCPDPM), Ahmeda- bad, mit dem Projekt beauftragt. Seit seiner Gründung 1961 hat das Büro die moderne Architektur Ahmedabads ent- scheidend mitgeprägt. Heute gehört es mit rund 80 Mitarbeitern zu den größ- ten Architekturbüros Indiens, wurde 1992 mit dem Aga Kahn Award ausge- zeichnet und war 2003 in der Berliner Aedes-Galerie ausgestellt. Die neuen Unterrichts- und Wohnbauten sind als Ergänzungen für das Post Gra- duate Program (PGP) und das Manage- ment Development Center (MDC) vor- gesehen. Für das PGP werden ein Unter- richtskomplex mit fünf Vorlesungssälen, Seminarräumen und Verwaltung sowie neun Wohnheime für insgesamt 340 Studenten errichtet. Ein Saal und zwei Wohnheime sind seit letztem Sommer in Betrieb, die anderen Bauten sollen ab diesem Sommer genutzt werden. Bis Ende 2005 sollen weitere neun Wohn- heime für 54 Ehepaare sowie das MDC mit vier Vorlesungssälen, Seminarräu- men, einer Mensa und 160 Wohnräu- men fertig gestellt sein. Die Baukosten für den gesamten Komplex betragen umgerechnet 7 Mio. Euro bei einer Ge- schossfläche von 30.000 m 2 . Ferner sind ein Design-Innovationszentrum und Sportanlagen geplant. Der neue Campus funktioniert unabhän- gig vom alten, ohne direkte Blickbezie- hung, und hat seine eigenen Zufahrts- straßen und Empfangshallen. Umso er- staunlicher ist die Entscheidung der Architekten, formal Bezug auf den Kahn- Komplex zu nehmen. Im Masterplan er- scheint der neue PGP-Komplex wie eine Spiegelung von Kahns Unterrichtsbau- ten und Studentenwohnheimen. Ebenso verwandelt sich der Weg zwischen die- sen in eine alles zusammenhaltende Promenade, die die beiden Campi durch eine Fußgängerunterführung miteinan- der verbindet. Diese Promenade führt vom Kahn-Komplex geradlinig durch den neuen Campus und findet an einem Wasserturm auch visuell ihr Ende. Auf der einen Promenadenseite sind die Vor- lesungs- und Seminarräume – gleich dem Vorbild – kammartig angeordnet, auf der anderen stehen die Studenten- wohnheime jeweils in Dreierreihe dia- gonal hintereinander versetzt. Auch bei den Bauten spielt HCPDPM mit Zitaten auf Kahns Architektur an. Während dessen Gebäude von monu- mentalen Backsteinmauern dominiert werden, präsentiert sich der neue Cam- pus vorwiegend in Sichtbeton, was nicht zuletzt die bau-technologisch einfache- re Lösung darstellt. Auch die Backstein- ausmauerung in den Wohnheim-Fassa- den kann als Zitat des alten Campus ver- standen werden und Kahns überdimen- sionale Rundöffnungen tauchen im Neu- bau wieder auf, allerdings in menschli- cher Dimension. Während der Kahn-Entwurf als Experi- ment auf der Suche nach einem Sinn- bild für das eigenständig moderne In- dien verstanden wurde, muss der neue Campus heute erheblich größeren funk- tionalen und ökonomischen Ansprüchen gerecht werden. So löst sich etwa die Typologie der Wohnheime komplett von Kahns Ideen und ordnet die Zimmer dreiseitig um einen offenen Innenhof. Dadurch können bei gleicher Kubatur statt 30, bis zu 48 Wohneinheiten un- tergebracht werden. Beiden Campi ge- mein sind jedoch die breiten, offenen Korridore und die zahlreichen, oft Baum bestandenen Höfe. Orte wie diese – geprägt durch das Spiel von gleißen- dem Licht und tief dunklen Schatten – braucht es, um das wüstenhaft heiße Klima Ahmedabads zu ertragen. Carsten Hermann neuer Campus objekten verbundene Inhalte, zeitge- schichtliche Bedeutungen und Verhal- tensformen aufzeigt, dominiert insge- samt der Eindruck einer Produktschau. Trotz der beachtlichen Fülle an Expo- naten dürfte sich der kritische Anspruch und das Anliegen der Kuratoren, eine Debatte um authentische Inhalte und Aufgaben, um ethische, ästhetische und humane Aspekte des Designs anzusto- ßen, durch Konzeption und Inszenierung kaum einlösen. Hier sind die Ausstel- lungsbesucher auf das so ambitionierte wie voluminöse Katalogbuch verwiesen, das mit über einhundert theoretischen Texten und unterhaltsamen Essays teils namhafter Autoren Einblick in geschicht- liche und aktuelle Hintergründe, Zu- sammenhänge und Positionen bietet. Dagmar Steffen Prag Vlastislav Hofman 1884–1964 In den 60er Jahren, als man in der Tschechoslowakei endlich offener über avandgardistische Strömungen wie den Kubismus diskutieren konnte, lebte nur noch ein letzter Protagonist des harten Kerns der Kubisten: Vlastislav Hofman. Anlässlich seines 80. Geburtstags dru- ckte die Zeitschrift Architektura C ˇ SSR seine Linolschnitte, die er während des 1. Weltkriegs in der Berliner Zeitschrift Der Sturm veröffentlicht hatte. Diese Neuveröffentlichung gilt als die Initial- zündung der daraufhin einsetzenden Ku- bismusforschung, die Anfang der 90er Jahre in einer großen Ausstellung über den Kubismus gipfelte, die in Weil am Rhein, Düsseldorf, Paris, in Philadelphia, New York und Montreal gezeigt wurde. Nach der von François Burkhardt 1981 in Berlin organisierten monographischen Ausstellung über Hofman ist die derzeit in seiner Heimatstadt Prag gezeigte Schau die erste Präsentation seines Ge- samtwerks. Kuratiert von Magdalena Nes ˇlehová hat sie den Anspruch alle As- pekte seines vielseitigen Schaffens auf- zuzeigen – in Architektur, Bühnenbild, Theaterkostüm-Design, Keramik, Buch- gestaltung, Plakat, Malerei und Zeich- nung. Hofman führte eine Art Doppel- leben: als angestellter Architekt der Brü- ckenbauabteilung des Magistrats und als Bühnenbildner des Nationaltheaters. Er baute den Friedhof in Prag-D’áblice, das Krematorium in Mährisch Ostrau, die Städtische Sparkasse in Moravské Bu- ejovice, die Prager Jirásek Brücke und entwarf allein für das Prager National- theater bis in die 50er Jahre 200 Büh- nenbilder. Einer der interessantesten Aspekte an seinem Werk sind die archi- tektonischen Graphiken: Von seinen ku- bistischen Linolschnitten (1918–20) ließ sich nicht nur die nachfolgende Gene- ration um Karek Teige und Josef Havlí- c ˇek inspirieren, sondern sicher auch Mar- cel Breuer oder Alvar Aalto, wie man an der Fassade seines Enzo-Gutzeit Hau- ses in Helsinki sehen kann. Vladimír S ˇ lapeta Bauwelt 6 2005 | 3 Institut Mathildenhöhe Darmstadt, Ausstellungsge- bäude, Sabaisplatz 1, 64287 Darmstadt; www.mathilden- hoehe.info; bis 6. März, Di–So 10–18, Mi 10–21 Uhr. Der Katalog (ISBN 3-89552- 100-0) kostet 49 Euro. Darmstadt Im Designerpark – Leben in künstlichen Welten Design ist heute omnipräsent, ganz gleich ob es um Möbel, Küchengeräte, Werkzeug, Spielzeug oder Sportschuhe, Nahrungsmittel, die vom Schönheitschi- rurgen modellierte Nase, Bücher oder Websites geht. Im Laufe des 20. Jahr- hunderts habe sich Design zu einer uni- versellen Disziplin zur Erzeugung von absichtsvoll gestalteten künstlichen Phä- nomenen aller Art entwickelt. Designer arbeiteten in allen Bereichen der Produk- tion, des Konsums, der Medien und der Unterhaltungsindustrie, so dass der An- teil des Artifiziellen stark zugenommen habe. Jede ursprüngliche Natürlichkeit sei im aktuellen Zivilisationsprozess zu- rückgedrängt und in eine künstliche Le- benswelt, einen Park, überführt worden, weshalb man auch metaphorisch von einem „Designerpark“ sprechen könne. Dies ist die Grundthese einer Ausstel- lung, die das Institut Mathildenhöhe in Zusammenarbeit mit dem Institut für Neue Technische Form entwickelte und zurzeit auf der Darmstädter Mathilden- höhe präsentiert. In Szene gesetzt wird der allumfassende Designbegriff samt seinen vielfältigen Ausprägungen und der daraus resultie- renden Warenflut dort mit meterhohen Plexiglassäulen, die mit Bügeleisen, Nu- deln, Parfümflakons und anderem mehr angefüllt sind; eingerahmt werden sie von einem sich über die Wände ziehen- den Wörterband mit Hunderten von Be- griffen, in denen der Terminus „Design“ vorkommt: zum Beispiel Advertising- Design, Akustik-Design, Anti-Design, Ap- pearance-Design, Augen- und Avant- garde-Design, Body-Design, Chemestry-, Corporate- und Cover-Design, Erotic-, Food-, Gen- und Gender-Design, Hair-, Interior-, Kommunikations-, Luxury-, Nail- und Öko-Design, postmodernes Design, Retro-Design, Tatoo-Design, Zahn- und Zweitnutzendesign, um nur einige zu nennen. Zwar werden etliche dieser Begriffe anhand von Objekten nä- her erläutert, dennoch stellt sich die Frage, ob diese Vermengung und Eineb- nung von Designsparten, stilistischen Richtungen und den Lifestyle-Magazi- nen entnommenen Nonsense-Begriffen mehr vermittelt als eine Bestätigung der landläufigen Meinung, dass alles ir- gendwie gestaltet ist und jeder sich De- signer nennen kann. Der Ausstellungsparcours wartet mit wei- teren Facetten auf: Dicht an dicht drän- gen sich in der „Hall of Fame“ die Arbei- ten bekannter deutscher Designer – von Michael Thonet und Walter Gropius über Luigi Colani und Ingo Maurer bis hin zu Wolfgang Laubersheimer und Jean-Marc da Costa –, die einen Kanon anerkann- ten Produktdesigns repräsentieren. Den Gegenpol markiert ein kleines Panopti- mum des Trivial-Designs, das – in An- lehnung an eine legendäre Ausstellung der FH Darmstadt – unprätentiöse No- Name-Produkte zeigt. Ergänzt um eine historische Dimension wird das Haupt- thema, die verschiedenen Arbeitsfelder des Design, dann nochmals aufgegrif- fen anhand einer bunten Auswahl von Objekten aus den Bereichen Haushalt, Wohnen, Ernährung, Körper, Arbeit und Freizeit, Konsum sowie Kommunikation. Thematisch gruppiert, dokumentieren Typenmöbel aus den 1920er Jahren, Bücherregal und Nierentisch aus den 50ern, das „Neue Deutsche Design“ und aktuelle Systemmöbel den Wandel im Wohnbereich; Zeugnisse anspruchsvol- ler Tischkultur wie ein Service von Peter Behrens kontrastieren mit Lufthansa- Bordgeschirr, Papptellern und der 5-Mi- nuten-Terrine; und antiquierte Höhen- sonnen und Massagegeräte demons- trieren neben Hanteln, Expandern und Dildos wechselnde Trends im Körper- Design. Da eine Reihe von Videoclips je- doch das einzige kontextualisierende Medium ist, das mit den Ausstellungs- Alles ist absichtsvoll gestal- tet, mithin künstlich, so die These der Ausstellung. Links: Übertragung der Körperzelle einer Frau in eine entkernte Eizelle derselben Spenderin; No-name-Gieskannen in ver- schiedenem Design. Abbildungen: Institut Mathil- denhöhe Unten: Vlastislav Hofman, Monumentalbau, Linol- schnitt, 1914 Abbildung: Obecní du˚m, Prag Obecní du ˚m, Platz der Repu- blik 5, Prag 1, www.obec- nidum.cz; bis 20. Februar, täglich 10–18 Uhr. Der Katalog, hrsg. von der Vla- stislav-Hofman-Gesellschaft, (ISBN 80-90354 9-0-4) kos- tet 1380 CKR. Die englische Ausgabe (ISBN 80-903549- 1-2) ist in Vorbereitung.

Alles ist absichtsvoll gestal- Prag Vlastislav Hofman 1884

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Page 1: Alles ist absichtsvoll gestal- Prag Vlastislav Hofman 1884

2 | Bauwelt 6 2005

Wochenschau

Louis I. Kahns Hochschulcam-pus wird nach Norden er-weitert. Das indische BüroHCPDPM, Sieger in einemWettbewerb, hat sich im Hin-blick auf Städtebau und for-male Gestaltung am VorbildKahn orientiert. Links: Pro-menade mit Wohnheimenund Unterrichtskomplex unddem Blick zum Wasserturm;unten: Gemeinschaftsraum ineinem WohnheimLageplan ohne Maßstab; Fotos: Autor

AhmedabadCampus-Erweiterung des IIMA

Das Indian Institute of Management(IIMA) ist zu einer weltweit renommier-ten Wirtschaftshochschule gewachsen.Neben einem regen, internationalen Stu-denten- und Lehreraustausch wirbt esinzwischen weltweit auch um Vollzeit-studenten und möchte weiter expandie-ren. Vier Jahrzehnte nach seiner Grün-dung und drei Jahrzehnte nach der Er-richtung von Louis I. Kahns Bauten wirddeshalb ein neuer Campus gebaut.Gegründet wurde das IIMA 1961 als na-tionale Hochschule für Verwaltung undWirtschaft im damals noch jungen, un-abhängigen Indien. Die nordwest-indi-sche Industriestadt Ahmedabad war zujener Zeit ein Experimentierzentrum der postkolonialen Moderne. Nachdemschon Le Corbusier vier Bauten in derStadt errichtet hatte, beauftragte dasIIMA den damals bereits weltbekanntenKahn mit der Planung des neuen Hoch-schul-Campus. Kahn, für den Lernen undWohnen eine Einheit bildete, entwarfeinen U-förmigen Bau mit Vorlesungs-sälen, Bibliothek und Verwaltung, anden sich auf zwei Seiten – L-förmig undin Dreierreihe – mehrere Studenten-wohnheime gruppieren. Der kompaktenAnlage stellte er ein weitläufiges Arealmit einer kleinteiligen Wohnbebauungfür Institutsangestellte gegenüber. In-zwischen hat sich die rapide wachsendeGroßstadt mit ihren 5,5 Mio. Einwoh-nern bis zum Campus-Gelände ausge-breitet. Doch beide Campi schotten sich –für Indien typisch – mit hohen Mauerngegen jeglichen städtischen Kontext abund schaffen so eine grüne Oase in derstark luftverschmutzten Stadt. Das Er-weiterungsareal liegt in unmittelbarerNachbarschaft zum Kahn-Campus, wirdjedoch durch eine Hauptverkehrsstra-ße von diesem getrennt. Im Jahr 1999lobte das IIMA einen Architektenwett-bewerb aus – ein für Indien noch unüb-

liches Verfahren. Nach einem Bewer-bungsverfahren wurden zehn Büros zurersten und drei zur zweiten Wettbe-werbsstufe eingeladen. Im Jahr 2000wurde der Sieger, HCP Design and Pro-ject Management (HCPDPM), Ahmeda-bad, mit dem Projekt beauftragt. Seitseiner Gründung 1961 hat das Büro diemoderne Architektur Ahmedabads ent-scheidend mitgeprägt. Heute gehört esmit rund 80 Mitarbeitern zu den größ-ten Architekturbüros Indiens, wurde1992 mit dem Aga Kahn Award ausge-zeichnet und war 2003 in der BerlinerAedes-Galerie ausgestellt.Die neuen Unterrichts- und Wohnbautensind als Ergänzungen für das Post Gra-duate Program (PGP) und das Manage-ment Development Center (MDC) vor-gesehen. Für das PGP werden ein Unter-richtskomplex mit fünf Vorlesungssälen,Seminarräumen und Verwaltung sowieneun Wohnheime für insgesamt 340Studenten errichtet. Ein Saal und zweiWohnheime sind seit letztem Sommerin Betrieb, die anderen Bauten sollenab diesem Sommer genutzt werden. BisEnde 2005 sollen weitere neun Wohn-heime für 54 Ehepaare sowie das MDCmit vier Vorlesungssälen, Seminarräu-men, einer Mensa und 160 Wohnräu-men fertig gestellt sein. Die Baukostenfür den gesamten Komplex betragenumgerechnet 7 Mio. Euro bei einer Ge-

schossfläche von 30.000 m2. Ferner sindein Design-Innovationszentrum undSportanlagen geplant.Der neue Campus funktioniert unabhän-gig vom alten, ohne direkte Blickbezie-hung, und hat seine eigenen Zufahrts-straßen und Empfangshallen. Umso er-staunlicher ist die Entscheidung derArchitekten, formal Bezug auf den Kahn-Komplex zu nehmen. Im Masterplan er-scheint der neue PGP-Komplex wie eineSpiegelung von Kahns Unterrichtsbau-ten und Studentenwohnheimen. Ebensoverwandelt sich der Weg zwischen die-sen in eine alles zusammenhaltendePromenade, die die beiden Campi durcheine Fußgängerunterführung miteinan-der verbindet. Diese Promenade führtvom Kahn-Komplex geradlinig durchden neuen Campus und findet an einemWasserturm auch visuell ihr Ende. Aufder einen Promenadenseite sind die Vor-lesungs- und Seminarräume – gleichdem Vorbild – kammartig angeordnet,auf der anderen stehen die Studenten-wohnheime jeweils in Dreierreihe dia-gonal hintereinander versetzt.Auch bei den Bauten spielt HCPDPMmit Zitaten auf Kahns Architektur an.Während dessen Gebäude von monu-mentalen Backsteinmauern dominiertwerden, präsentiert sich der neue Cam-pus vorwiegend in Sichtbeton, was nichtzuletzt die bau-technologisch einfache-

re Lösung darstellt. Auch die Backstein-ausmauerung in den Wohnheim-Fassa-den kann als Zitat des alten Campus ver-standen werden und Kahns überdimen-sionale Rundöffnungen tauchen im Neu-bau wieder auf, allerdings in menschli-cher Dimension. Während der Kahn-Entwurf als Experi-ment auf der Suche nach einem Sinn-bild für das eigenständig moderne In-dien verstanden wurde, muss der neueCampus heute erheblich größeren funk-tionalen und ökonomischen Ansprüchengerecht werden. So löst sich etwa dieTypologie der Wohnheime komplett vonKahns Ideen und ordnet die Zimmerdreiseitig um einen offenen Innenhof.Dadurch können bei gleicher Kubaturstatt 30, bis zu 48 Wohneinheiten un-tergebracht werden. Beiden Campi ge-mein sind jedoch die breiten, offenenKorridore und die zahlreichen, oft Baumbestandenen Höfe. Orte wie diese –geprägt durch das Spiel von gleißen-dem Licht und tief dunklen Schatten –braucht es, um das wüstenhaft heißeKlima Ahmedabads zu ertragen. Carsten Hermann

neuer Campus

wo 1-imp_ok 27.01.2005 15:14 Uhr Seite 2

objekten verbundene Inhalte, zeitge-schichtliche Bedeutungen und Verhal-tensformen aufzeigt, dominiert insge-samt der Eindruck einer Produktschau.Trotz der beachtlichen Fülle an Expo-naten dürfte sich der kritische Anspruchund das Anliegen der Kuratoren, eineDebatte um authentische Inhalte undAufgaben, um ethische, ästhetische undhumane Aspekte des Designs anzusto-ßen, durch Konzeption und Inszenierungkaum einlösen. Hier sind die Ausstel-lungsbesucher auf das so ambitioniertewie voluminöse Katalogbuch verwiesen,das mit über einhundert theoretischenTexten und unterhaltsamen Essays teilsnamhafter Autoren Einblick in geschicht-liche und aktuelle Hintergründe, Zu-sammenhänge und Positionen bietet.Dagmar Steffen

PragVlastislav Hofman 1884–1964

In den 60er Jahren, als man in derTschechoslowakei endlich offener überavandgardistische Strömungen wie denKubismus diskutieren konnte, lebte nurnoch ein letzter Protagonist des hartenKerns der Kubisten: Vlastislav Hofman.Anlässlich seines 80. Geburtstags dru-ckte die Zeitschrift Architektura CSSRseine Linolschnitte, die er während des1. Weltkriegs in der Berliner ZeitschriftDer Sturm veröffentlicht hatte. DieseNeuveröffentlichung gilt als die Initial-zündung der daraufhin einsetzenden Ku-bismusforschung, die Anfang der 90erJahre in einer großen Ausstellung überden Kubismus gipfelte, die in Weil amRhein, Düsseldorf, Paris, in Philadelphia,New York und Montreal gezeigt wurde.Nach der von François Burkhardt 1981 inBerlin organisierten monographischenAusstellung über Hofman ist die derzeitin seiner Heimatstadt Prag gezeigteSchau die erste Präsentation seines Ge-samtwerks. Kuratiert von MagdalenaNeslehová hat sie den Anspruch alle As-pekte seines vielseitigen Schaffens auf-zuzeigen – in Architektur, Bühnenbild,Theaterkostüm-Design, Keramik, Buch-gestaltung, Plakat, Malerei und Zeich-nung. Hofman führte eine Art Doppel-leben: als angestellter Architekt der Brü-ckenbauabteilung des Magistrats undals Bühnenbildner des Nationaltheaters.Er baute den Friedhof in Prag-D’áblice,das Krematorium in Mährisch Ostrau, dieStädtische Sparkasse in Moravské Bu-dejovice, die Prager Jirásek Brücke undentwarf allein für das Prager National-theater bis in die 50er Jahre 200 Büh-nenbilder. Einer der interessantestenAspekte an seinem Werk sind die archi-tektonischen Graphiken: Von seinen ku-bistischen Linolschnitten (1918–20) ließsich nicht nur die nachfolgende Gene-ration um Karek Teige und Josef Havlí-cek inspirieren, sondern sicher auch Mar-cel Breuer oder Alvar Aalto, wie manan der Fassade seines Enzo-Gutzeit Hau-ses in Helsinki sehen kann. Vladimír Slapeta

Bauwelt 6 2005 | 3

Institut Mathildenhöhe

Darmstadt, Ausstellungsge-

bäude, Sabaisplatz 1, 64287

Darmstadt; www.mathilden-

hoehe.info; bis 6. März,

Di–So 10–18, Mi 10–21 Uhr.

Der Katalog (ISBN 3-89552-

100-0) kostet 49 Euro.

DarmstadtIm Designerpark – Leben inkünstlichen Welten

Design ist heute omnipräsent, ganzgleich ob es um Möbel, Küchengeräte,Werkzeug, Spielzeug oder Sportschuhe,Nahrungsmittel, die vom Schönheitschi-rurgen modellierte Nase, Bücher oderWebsites geht. Im Laufe des 20. Jahr-hunderts habe sich Design zu einer uni-versellen Disziplin zur Erzeugung vonabsichtsvoll gestalteten künstlichen Phä-nomenen aller Art entwickelt. Designerarbeiteten in allen Bereichen der Produk-tion, des Konsums, der Medien und derUnterhaltungsindustrie, so dass der An-teil des Artifiziellen stark zugenommenhabe. Jede ursprüngliche Natürlichkeitsei im aktuellen Zivilisationsprozess zu-rückgedrängt und in eine künstliche Le-benswelt, einen Park, überführt worden,weshalb man auch metaphorisch voneinem „Designerpark“ sprechen könne.Dies ist die Grundthese einer Ausstel-lung, die das Institut Mathildenhöhe inZusammenarbeit mit dem Institut fürNeue Technische Form entwickelte undzurzeit auf der Darmstädter Mathilden-höhe präsentiert. In Szene gesetzt wird der allumfassendeDesignbegriff samt seinen vielfältigenAusprägungen und der daraus resultie-renden Warenflut dort mit meterhohenPlexiglassäulen, die mit Bügeleisen, Nu-deln, Parfümflakons und anderem mehrangefüllt sind; eingerahmt werden sievon einem sich über die Wände ziehen-den Wörterband mit Hunderten von Be-griffen, in denen der Terminus „Design“vorkommt: zum Beispiel Advertising-Design, Akustik-Design, Anti-Design, Ap-pearance-Design, Augen- und Avant-garde-Design, Body-Design, Chemestry-,Corporate- und Cover-Design, Erotic-,Food-, Gen- und Gender-Design, Hair-,Interior-, Kommunikations-, Luxury-,Nail- und Öko-Design, postmodernesDesign, Retro-Design, Tatoo-Design,

Zahn- und Zweitnutzendesign, um nureinige zu nennen. Zwar werden etlichedieser Begriffe anhand von Objekten nä-her erläutert, dennoch stellt sich dieFrage, ob diese Vermengung und Eineb-nung von Designsparten, stilistischenRichtungen und den Lifestyle-Magazi-nen entnommenen Nonsense-Begriffenmehr vermittelt als eine Bestätigungder landläufigen Meinung, dass alles ir-gendwie gestaltet ist und jeder sich De-signer nennen kann. Der Ausstellungsparcours wartet mit wei-teren Facetten auf: Dicht an dicht drän-gen sich in der „Hall of Fame“ die Arbei-ten bekannter deutscher Designer – vonMichael Thonet und Walter Gropius überLuigi Colani und Ingo Maurer bis hin zuWolfgang Laubersheimer und Jean-Marcda Costa –, die einen Kanon anerkann-ten Produktdesigns repräsentieren. DenGegenpol markiert ein kleines Panopti-mum des Trivial-Designs, das – in An-lehnung an eine legendäre Ausstellungder FH Darmstadt – unprätentiöse No-Name-Produkte zeigt. Ergänzt um einehistorische Dimension wird das Haupt-thema, die verschiedenen Arbeitsfelderdes Design, dann nochmals aufgegrif-fen anhand einer bunten Auswahl vonObjekten aus den Bereichen Haushalt,Wohnen, Ernährung, Körper, Arbeit undFreizeit, Konsum sowie Kommunikation.Thematisch gruppiert, dokumentierenTypenmöbel aus den 1920er Jahren,Bücherregal und Nierentisch aus den50ern, das „Neue Deutsche Design“ undaktuelle Systemmöbel den Wandel imWohnbereich; Zeugnisse anspruchsvol-ler Tischkultur wie ein Service von PeterBehrens kontrastieren mit Lufthansa-Bordgeschirr, Papptellern und der 5-Mi-nuten-Terrine; und antiquierte Höhen-sonnen und Massagegeräte demons-trieren neben Hanteln, Expandern undDildos wechselnde Trends im Körper-Design. Da eine Reihe von Videoclips je-doch das einzige kontextualisierendeMedium ist, das mit den Ausstellungs-

Alles ist absichtsvoll gestal-tet, mithin künstlich, so dieThese der Ausstellung. Links:Übertragung der Körperzelleeiner Frau in eine entkernteEizelle derselben Spenderin;No-name-Gieskannen in ver-schiedenem Design.Abbildungen: Institut Mathil-denhöhe

Unten: Vlastislav Hofman,Monumentalbau, Linol-schnitt, 1914 Abbildung: Obecní dum, Prag

Obecní dum, Platz der Repu-

blik 5, Prag 1, www.obec-

nidum.cz; bis 20. Februar,

täglich 10–18 Uhr.

Der Katalog, hrsg. von der Vla-

stislav-Hofman-Gesellschaft,

(ISBN 80-90354 9-0-4) kos-

tet 1380 CKR. Die englische

Ausgabe (ISBN 80-903549-

1-2) ist in Vorbereitung.

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