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Als die Presse wieder das Laufen lernte – 60 Jahre BDZV 65 Jahre Grundgesetz, Gründung der Bundesrepublik und Aufhebung des Lizenzzwangs für die Presse. 60 Jahre BDZV. Der Kalender des Jahres 2014 ist gefüllt mit bedeutsamen Daten für die deutsche Presse.

Als die Presse wieder das Laufen lernte - 60 Jahre BDZV

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Ein Beitrag von Gernot Facius. Erschienen im BDZV-Jahrbuch "Zeitungen 2014/15".

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Page 1: Als die Presse wieder das Laufen lernte - 60 Jahre BDZV

Als die Presse wieder das Laufenlernte – 60 Jahre BDZV

65 Jahre Grundgesetz, Gründung der Bundesrepublik und Aufhebung des Lizenzzwangs für die Presse. 60 Jahre BDZV. Der Kalender des Jahres 2014 ist gefüllt mit bedeutsamen Daten für die deutsche Presse.

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Ein Mittwoch im Frühherbst vor 65 Jahren –ein Datum von historischer, revolutionärer Be-deutung für die noch junge freie Nachkriegs-presse: Erst vor zwei Wochen hat sich in Bonn,der provisorischen Bundeshauptstadt, der ers-te Deutsche Bundestag konstituiert, und nun,am 21. September 1949, kommt vom Peters-berg, dem Sitz der Alliierten Hohen Kommis-sion, ein Signal, das eine enorme Dynamik indie sich entwickelnde Medienlandschaft bringt.Mit ihrem Gesetz Nr. 5 unter der prosaisch-schlichten Überschrift „Über die Presse, denRundfunk, die Berichterstattung und die Un-terhaltungsstätten“ gestatten die Hochkom-missare der drei westlichen Besatzungsmäch-te jedem in der Bundesrepublik lebendenDeutschen (mit Ausnahme ehemaliger Natio-nalsozialisten, die von den Spruchkammernals „Hauptschuldige“ oder „belastet“ einge-stuft worden waren), ohne vorherige Geneh-migung Periodika oder Einzelschriften zu ver-öffentlichen. Der „Lizenzzwang“, in mehrerender Bundesländer schon Monate zuvor gelo-ckert, nachdem das am 23. Mai verkündeteBonner Grundgesetz ausdrücklich die Presse-und Informationsfreiheit garantiert hatte (Ar-tikel 5), ist nun endgültig gefallen. Die Zeitun-gen in Deutschland-West können die Zügel der

Sieger des Zweiten Weltkrieges abstreifen.Dank der „Generallizenz“ steht dem freienSpiel der (Markt-)Kräfte nichts mehr im Wege.

Die weitere Konsequenz: Durch die neue Frei-heit werden die Verleger unterschiedlicher Her-kunft und Richtung zum Nachdenken über eineoptimale Vertretung ihrer berufsständischenInteressen gegenüber Staat und Gesellschaftgezwungen. Es gehen allerdings noch mehrals vier Jahre ins Land, bis es, nach zähen Ver-handlungen, zur Gründung des Bundesver-bandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV)kommt: als alleinige Interessenvertretung.

Medien-Neuordnung in Deutschland

Ein Blick zurück: 1945, in der legendären„Stunde Null“ hatten die Sieger des ZweitenWeltkriegs die Medien-Neuordnung in Deutsch-land zur Chefsache gemacht. Genau genom-men gab es diese Stunde nicht, denn schonam 24. Januar 1945 , als an einigen Frontennoch gekämpft wurde, erschien in Aachen dieerste neue Zeitung; andere Nachrichtenblätterentstanden mit dem Vorrücken der alliiertenTruppen in rascher Folge. Das „Stunde Null“-Schlagwort erfüllte eher das Bedürfnis von

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Von Gernot Facius

Chronisten nach plakativen, griffigen Formu-lierungen für ein aufregendes Kapitel der Zeit-geschichte. Alle Besatzungsmächte waren darauf aus, so der Dortmunder Pressefor-scher Kurt Koszyk, „so etwas wie eine Kopieder eigenen Verhältnisse zu reproduzieren“.Bis Ende 1949 erschienen in den westlichenBesatzungszonen 149 von der jeweiligen Mi-litärregierung lizenzierte Zeitungen, in denWestsektoren Berlins 20. Ihr Auftrag: „Umer-ziehung“ des deutschen Volkes zur Demokra-tie. Eine Rückkehr zu dem „einst dominieren-den Zeitungstyp der standpunktlosen Misch-presse“ sollte ausgeschlossen bleiben. DieAmerikaner erstrebten eine „überparteiliche,unabhängige“ Presse mit Herausgebern un-terschiedlicher politischer Couleur; die Britengenehmigten meist „Parteirichtungszeitun-gen“; die Franzosen orientierten sich an einerMischung aus beidem; die Sowjets beauftrag-ten ausschließlich Parteien und Massenor-ganisationen mit der Herausgabe. Das waralso die Situation, als die neue deutschePresse das Laufen lernte – an der lenkendenHand und unter den wachsamen Augen derAlliierten.

Theodor Heuss über die „Deutsche Presse“

Der große Liberale Theodor Heuss, einer derLizenzträger und Mitherausgeber der „Rhein-Neckar-Zeitung“ in Heidelberg, später der ersteBundespräsident der Bundesrepublik Deutsch-land, schrieb am 5. September 1945 in einemLeitartikel, dem er den Titel „Deutsche Pres-se“ gab: „Wie mag es gelingen, der deutschenPresse ein Stück ihrer freien Würde zurückzu-gewinnen? Wir sind keineswegs des Glau-

bens, dass auf diesem Gebiet vor 1933 allesin Ordnung gewesen sei und dass es sich bloßdarum handle, an das Damalige anzuknüpfen.Wir müssen uns zunächst völlig nüchtern Re-chenschaft geben, auch vor den Lesern, dassdas nicht möglich ist. Denn wir wollen nichtmit Illusionen und Selbstbetrug beginnen.Deutschlands staatlich-politische Souveränitätist durch Hitler verspielt und vernichtet worden[…]. Jetzt herrschen die Anderen, die Sieger.Das ist nun ganz unsentimental der einfacheTatbestand. Wir können ihn keinen Augenblickvergessen, und wenn es auch unser Ziel seinmuss, die Würde der Presse zurückzugewin-nen, so sind wir nicht töricht genug, von einerwiedergeschenkten Freiheit der Presse zu re-den. Aber es ist eine Chance gegeben, dassdeutsche Männer unter freier Verantwortunggegenüber der Militärregierung wie gegenüberdem deutschen Volke versuchen könnten, sel-ber die Sinndeutung des deutschen Schick-sals aufzunehmen.“

Der Alltag der Lizenzzeitungen war von vielenBehinderungen bestimmt, die Blätter unterla-gen zunächst der Vorzensur, später einerNachzensur. Als zum Beispiel die „Neue RuhrZeitung“ (Essen) im August 1946 über den Be-ginn der Waffenproduktion in der sowjetischbesetzten Zone berichtete, seien die „Herrenvon der Pressezensur recht ungemütlich ge-worden“, erzählte „NRZ“-Herausgeber DietrichOppenberg 1985 in einem Vortrag an der Uni-versität Bochum. Kritik an Verbündeten derBesatzungsmacht war tabu. Der SchriftstellerHeinrich Böll verglich die Politik der Lizenzer-teilung durch die Alliierten mit der Verleihungvon Herzogs- oder Fürstentiteln im Mittelalter.

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Robert Faber. Der Magdeburger Verleger, Dru-ckereibesitzer und Redakteur hatte schon An-fang des 20. Jahrhunderts dafür gekämpft,die Stellung der Zeitung als Kulturfaktor, un-abhängig von wirtschaftlichem und politi-schem Einfluss, zu sichern. Der promovierteJurist Faber war es auch, der noch im Kaiser-reich die Schaffung eines objektiven Nachrich-ten- und Informationsdienstes über auswärti-ge Angelegenheiten für die deutsche Presseanregte, eine Idee, die jedoch erst mit derGründung der Deutschen Presse-Agentur(dpa) am 18. August 1949 verwirklicht wurde.

Nur langsam bewegten sich die beiden Lager,Alt- und Neuverleger, seit Herbst 1949 aufei-nander zu. In Arbeitsgemeinschaften bahntensich erste Kontakte an. Vielen in der Branchewar recht früh klar geworden: Der Dualismusin der Verbandspolitik schadet dem gemein-samen Ziel, eine „wahre demokratische Pres-sefreiheit“ in der erst wenige Monate altenBundesrepublik zu festigen. Die neue Freiheitverlangte geradezu nach einer Konzentrationder Kräfte. „Der VDZV verkennt nicht, dass dieWeiterentwicklung der deutschen Presse eingemeinsames Anliegen der Organisationender Verleger ist. Ein auf die Spitze getriebenerKonkurrenzkampf würde der deutschen Pres-se Wunden schlagen, die ihre Leistung herab-drücken müssten und letzten Endes zulastendes deutschen Volkes gehen würden“, formu-lierte, etwas gespreizt, der VDZV in seinenRichtlinien.

Beim Gesamtverband dachte man ähnlich.Das brachte, wie sich der Verleger des „Darm-städter Echo“ Hans J. Reinowski erinnerte,„die verantwortlich im Verbandswesen der

Tagespresse tätigen Männer sehr bald zu derEinsicht, dass es auf Dauer kein Gegeneinan-der zwischen den beiden Verlegergruppen,sondern nur ein Miteinander, ein gemeinsa-mes Wirken zum Wohle der neuen freiheitli-chen Ordnung in Staat und Gesellschaft, aberauch zum Wohle aller demokratischen Zei-tungsverleger, unbeschadet ihrer politischenEinstellung, geben dürfe“.

Vom Verbands-„Dualismus“ zum Bundesverband

Repräsentanten beider Spitzenorganisationennahmen Anfang 1951 Fusionsgespräche auf,ein Jahr später kam es zur Einigung auf einOrganisationsstatut für einen BundesverbandDeutscher Zeitungsverleger, und im Januar1953 wurde in Baden-Baden der erste Zusam-menschluss auf Länderebene formell vollzo-gen: zum Verein Südwestdeutscher Zeitungs-verleger. Es folgten bald Fusionen in Hessenund Nordrhein-Westfalen. Auf Bundesebeneließ der Schlussstrich unter den Verbands-„Dualismus“ noch länger als ein Jahr auf sichwarten – bis dann von den Beauftragten bei-der Lager, die am 14. Juli 1954 in Bad Godes-berg zusammenkamen, ein markantes Stückdeutscher (Nachkriegs-)Verbandsgeschichtegeschrieben wurde. Das Protokoll ihrer Aus-sprache vermerkte trocken: „Übereinstimmungin den beiderseitigen Auffassungen“.

Nach vierjährigen Verhandlungen war der Wegfrei für die Gründung des BundesverbandsDeutscher Zeitungsverleger (BDZV), föderalis-tisch gegliedert, als alleinige Spitzenorganisa-tion. Eine Delegiertenversammlung nahm amnächsten Tag einstimmig die ausgehandelte

Andere sprachen polemisch von einer „Lizenzzum Gelddrucken“, die den neuen Verlegerngewährt worden sei.

In der Tat, die Situation war alles andere alsideal. Das erkannten auch Mitglieder des Par-lamentarischen Rats, die 1948 in Bonn überein Grundgesetz berieten. Ein von „Altverle-gern“ präsentiertes Manifest mit der Forderungnach Wiederherstellung der vollen Pressefrei-heit wurde von führenden Politikern, darunterKonrad Adenauer (CDU) und Carlo Schmid(SPD), unterschrieben. Selbst Lizenzträger un-terstützten diese Initiative. Das Memorandumwurde allen Abgeordneten des britischen Un-terhauses zugestellt. Die Besatzungsmächtewurden zu einer Entscheidung, die den Inte-ressen der sich diskriminiert fühlenden „Alt-verleger“ entgegenkam, herausgefordert.

„Hierzu wäre freilich anzumerken“, schrieb derSchriftsteller Peter de Mendelssohn (1908-1982) in seinem berühmten Buch „Zeitungs-stadt Berlin“, „dass die alten Zeitungstitel Eigen-tum ihrer vormaligen Verleger waren und blie-ben und nicht einmal eine Militärregierung sieohne Weiteres verschenken konnte. Und zurEhre der neuen ,Lizenzträger‘ muss gesagt wer-den, dass sie gar nicht auf den Gedanken ka-men, mit fremden Federn geschmückt unter fal-scher Flagge zu segeln. Sie wollten ehrlich auseigenen Kräften etwas Neues aufbauen, auchwenn es ihnen den Vorwurf des ,völligen Bruchsmit der deutschen Vergangenheit‘ eintrug.“

Aufblühende Presselandschaft

Das Gesetz Nr. 5 der Westalliierten vom 21.September 1949, die „Generallizenz“, sorgte

für die Wende. Innerhalb eines halben Jahresstieg die Zahl der Zeitungen um etwa 400 auf568. Der Herbstanfang vor 65 Jahren be-scherte der jungen Bundesrepublik einenPressefrühling – eine aufblühende Presse-landschaft. Soviel Aufbruch war selten. Es wa-ren überwiegend die von den Besatzungs-mächten geschmähten „Altverleger“, für diejetzt kein Berufsverbot mehr galt, die nun aufden Markt der Nachrichten und Meinungenzurückkehrten. Und es begann allmählichauch die Phase der verbandspolitischen Ori-entierung. In Etappen, in zähen Verhandlun-gen, bevor dann der große Durchbruch gelang.

Die von den Alliierten mit einer Lizenz verse-henen „Neuverleger“ beziehungsweise ihreauf Länderebene etablierten Vereine hattensich am 1. September 1949 zum Gesamtver-band der Deutschen Zeitungsverleger zusam-mengeschlossen. Am selben Tag reaktivierten„Altverleger“, die sich 1948 in der Arbeitsge-meinschaft für Pressefragen mit Sitz in Ber-gisch Gladbach zusammengetan hatten, eben-falls in Erwartung des offiziellen Endes des Lizenzzwangs, den Verein Deutscher Zeitungs-verleger (VDZV), einen traditionsreichen, 1894gegründeten Verband. 1934 war er aufgelöstworden, weil man sich den nationalsozialisti-schen Machthabern nicht beugen wollte. Indiesem Jahr könnte er, wäre die deutsche Ge-schichte nicht anders verlaufen, seinen 120.Geburtstag feiern. Ein weiteres medienhisto-risch bedeutsames Datum im Jahr 2014.

Energische Persönlichkeiten mit politischemWeitblick standen für den alten VDZV, der seit1900 das Verbandsorgan „Der Zeitungs-Ver-lag“ herausgab. Zum Beispiel Friedrich Gustav

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Satzung an. Die paritätische Präsenz der bei-den nebeneinander existierenden Verlegeror-ganisationen wurde durch einen Kompromissgewährleistet. Danach sollte sich die Zahl dervon den Mitgliedsverbänden für die Delegier-tenversammlung zu bestellenden Vertreternach der Höhe der Auflage und der Zahl derMitgliedsverlage des jeweiligen Landesvereinsrichten. Auf je 500.000 Auflage sollte ein De-legierter, auf je 30 Mitgliedsverlage ein weite-rer Vertreter entfallen.

Der 15. Juli 1954 gilt nach der Einigung vonBad Godesberg somit als Gründungsdatumdes BDZV. „Es war eine gänzlich andere Repu-blik“, kommentierte 60 Jahre später der West-deutsche Rundfunk (WDR) das Ereignis. Diedeutschen Fußballer waren gerade als Welt-meister aus Bern zurückgekehrt, die Chronikvermeldete den Flug der Dash 80, der späte-ren Boeing 707, von New York nach Hamburg,das Fernsehen steckte noch in den Kinder-schuhen, Papier und Druckfarbe waren nochimmer knappe Güter, doch die Zeitung gehör-te wie selbstverständlich auf den Frühstücks-tisch.

Ein „strukturelles Erdbeben“, ausgelöst durchdie digitale Revolution, hat inzwischen die ge-samte Medienlandschaft verändert, trotzdembleiben die 1954 niedergeschriebenen BDZV-Grundsätze aktuell: Sicherung der wirtschaft-lichen Unabhängigkeit, Wahrung der gesell-schaftlichen Funktion, Förderung des Ansehensder Presse in der Öffentlichkeit, Vertretung ge-genüber Bundesregierung, Parlamenten undBehörden, Stärkung der Meinungsvielfalt, fai-rer Wettbewerb innerhalb der Branche, Wahr-nehmung der Tarifautonomie, unter anderem

durch Abschluss von Tarifverträgen und Pflegeinternationaler Beziehungen.

Andere Wirtschaftsverbände, deren Mitgliedernicht solchen Restriktionen von alliierter Seiteunterlagen wie die Verleger und Herausgeberder Tagespresse, konnten sich früher konsti-tuieren. Der BDZV: ein verspäteter Verband.Zum Zeitpunkt seiner Gründung repräsentier-te er 508 Zeitungen mit einer Auflage von13,7 Millionen Exemplaren. Heute vertritt derBDZV (seit dem Jahr 2000 in Berlin ansässig)mit seinen elf Landesverbänden die Interes-sen von 286 Tageszeitungen mit einer Gesamt-auflage von 14,3 Millionen sowie von 13 Wo-chenzeitungen mit knapp einer Million Exem-plaren.

Acht Präsidenten in 60 Jahren

Zurück ins Gründungsjahr 1954: Erster Präsi-dent des BDZV wurde Dr. Hugo Stenzel, Verle-ger und Herausgeber der „Frankfurter NeuenPresse“ (FNP). Die Biografie des aus demRheinland stammenden promovierten Staats-wissenschaftlers und Publizisten spiegelt einStück wechselvoller deutscher Geschichte wi-der. Stenzel musste, nachdem ihm die Natio-nalsozialisten Berufsverbot erteilt hatten, miteiner Leihbücherei in Kassel seinen Lebens-unterhalt verdienen. Nach Kriegsende machteer vorübergehend Karriere in der hessischenPolizeiverwaltung, bevor ihm die Amerikanereine Lizenz für die FNP erteilten. Auf Stenzel,der bis 1963 amtierte, folgte der „RheinischePost“-Verleger Dr. Anton Betz (1963-1967).Von 1968 bis 1970 stand Dr. Hellmut Girardet(„General-Anzeiger“, Wuppertal) an der Ver-bandsspitze. Professor Dr. Johannes Binkowski

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Dr. Hugo Stenzel, BDZV-Präsi-dent von 1954 bis 1963

Dr. Anton Betz, BDZ-Präsidentvon 1963 bis 1967

Dr. Hellmut Girardet, BDZV-Präsi-dent von 1968 bis 1970

Professor Dr. Johannes Binkowski,BDZV-Präsident von 1970 bis 1980

Professor Alfred Neven DuMont,BDZV-Präsident von 1980 bis 1984

Rolf Terheyden, BDZV-Präsidentvon 1984 bis 1992

Wilhelm Sandmann, BDZV-Präsi-dent von 1992 bis 2000

Helmut Heinen, BDZV-Präsidentseit 2000

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Arbeitsgemeinschaft der deutschen Zeitungs-verlage gegründeten journalistischen Bildungs-werk der Zeitungen.

In seinen kommunikationspolitischen Einlas-sungen hat der BDZV stets die besondereFunktion der Presse für die Gesellschaft her-vorgehoben. Er präzisierte allerdings im Laufder Jahre, wie die „öffentliche Aufgabe“ derZeitungen, ein leicht missverständlicher Be-griff, zu deuten ist: ausschließlich im Sinn ei-ner soziologischen Funktionsbeschreibung.Auf keinen Fall handele es sich um einen vomStaat an die Presse herangetragenen Auftrag.Also lieber „öffentliche Funktion“ statt „öffent-liche Aufgabe“. In seiner unter dem Titel „ImInteresse der Zeitung“ publizierten Dortmun-der Dissertation aus dem Jahr 1994 geht Vol-ker Schulze, ehemaliger Hauptgeschäftsführerdes BDZV, auf das berufliche Selbstverständ-nis der Verleger ein. Wenn auch die Satzungdie Vertretung der ideellen und materiellen In-teressen der Zeitungsverlage als primären Ver-bandszweck bezeichne, habe sich der BDZVseit jeher vorrangig oder doch zumindestgleichgewichtig als berufsständische Interes-senvertretung der Zeitungsunternehmer ver-standen: als Repräsentanz der Zeitungsverle-ger, der Inhaber und verantwortlichen Leiterder Zeitungsunternehmen. Vor allem ihre „pu-blizistische Aufgabe“ zu wahren, sei, so Schul-ze, das ausdrückliche Ziel des Verbandes.

In den Fokus rückt hier der Anspruch auf diegeistige Führung der Zeitung. Ein Thema, dasbereits in der Programmatik des alten VereinsDeutscher Zeitungsverleger eine Rolle spielteund bei den Journalisten heftigen Wider-

spruch auslöste. Es genüge nicht, hatte derVDZV-Vorsitzende Faber ausgeführt, dass derVerleger von den technischen und geschäftli-chen Problemen etwas Außerordentliches verstehe, aber den „eigentlichen Geist seinesUnternehmens, den redaktionellen Teil, aus-schließlich seiner Redaktion“ überlasse. SeineAufgaben lägen vielmehr in der „richtigen all-gemeinen Orientierung des redaktionellenTeils“.

Verleger-Persönlichkeit

Diesen publizistischen Anspruch erneuerteder vor 65 Jahren wiederbegründete VDZV.„Händler mit bedrucktem Papier sind keineVerleger“, hielt er in seinen etwas spröde for-mulierten Richtlinien fest. Der Verband tretefür die Pressefreiheit „im Sinne der die Zei-tung in ihrer Grundhaltung bestimmendenund daher der Öffentlichkeit und dem Gesetzverantwortlichen Verleger-Persönlichkeit“ ein.Knapper, aber mit gleichem Tenor, fasstenehemalige Lizenzträger ihre Auffassung vonder Rolle des Verlegers zusammen: „Der Re-präsentant der Zeitung ist der Verleger.“ Er„trägt als Herausgeber die Verantwortung fürdie grundsätzliche Haltung und Zielsetzungder Zeitung.“

An diesem verlegerischen Selbstverständnishat sich auch 60 Jahre nach der Gründungdes BDZV nichts geändert, auch wenn sichder Trend vom Verleger als Alleininhaber überden geschäftsführenden Gesellschafter vonPersonengesellschaften im Familienbesitz bishin zu angestellten Verlegern in Kapitalgesell-schaften beschleunigte. Der BDZV hat sich bei

(„Schwäbische Post“, Aalen) führte den BDZVvon 1970 bis 1980. Sein Nachfolger war bis1984 Professor Alfred Neven DuMont („KölnerStadt-Anzeiger“, „Express“). Auf ihn folgte RolfTerheyden („Bocholter-Borkener Volksblatt“),an seine Stelle trat 1992 Wilhelm Sandmann(Mediengruppe Madsack, Hannover), und seit2000 ist Helmut Heinen (Herausgeber der„Kölnischen Rundschau“, Mitgesellschafterdes Berliner Verlags) BDZV-Präsident.

In 60 Jahren nur acht Präsidenten: ein Zei-chen von Kontinuität. Ein Merkmal, das auchauf das von dem Verband vertretene Produktzutrifft. Die Zeitung in all ihren Spielarten undin einem hoch diversifizierten Informations-und Serviceangebot sei das „LeitmediumDeutschlands“ geblieben, konnte der BDZVauf seiner jüngsten Jahrespressekonferenz be-friedigt feststellen. In einer zunehmend frag-mentierten Medienwelt sei die Zeitung der„Kommunikationsriese“. Die Zeitungsmarkenerreichten über alle Kanäle hinweg mehr als57 Millionen Menschen in Deutschland.

Alle BDZV-Führungen stimmten darin überein:Die wichtigste Aufgabe der Verbandsarbeit istdie Wahrung der Unabhängigkeit der Presse.Und fundamentale Voraussetzung für ein un-abhängiges Pressewesen ist die wirtschaftli-che Stabilität der Verlage. Anders als anderewirtschaftliche Interessenvertretungen hat dieGemeinschaft der Zeitungsverleger nie nachStaatszuschüssen oder Subventionen gerufen.„Solche Vorstellungen“, sagt Präsident HelmutHeinen, „sind mit dem Selbstverständnis un-abhängiger Arbeit unvereinbar. Der Staat kannnur über gute wirtschaftliche und politische

Rahmenbedingungen ein pressefreundlichesKlima schaffen.“ Dem liefen aber manche„wohlgemeinten“ politischen Initiativen wieWerbebeschränkungen für bestimmte Produk-te zuwider. Immer wieder, nicht nur in der Kon-zentrationsdebatte, musste der BDZV gegenfragwürdige Versuche ankämpfen, in das In-nenleben der Zeitungen einzugreifen, ob vonstaatlicher Seite her oder durch Ansprüche ge-sellschaftlicher Gruppen.

Leseförderung und Qualitätssicherung

Als eine der ersten Organisationen hat der Ver-band Anfang 1980 auf eine gesellschaftspo-litisch problematische Entwicklung hingewie-sen: das rückläufige Leseinteresse großer Tei-le der Bevölkerung. Leseförderung wurde eineder neuen Aufgaben. Sie drückte sich unteranderem in der Gründung der „Aktion Lesen“aus, zusammen mit den Verbänden der Buch-und Zeitschriftenverleger, und in konkreten Leseförderungsprojekten wie „Zeitung in derSchule“. Um zentrale Werte der Medienkulturwie Glaubwürdigkeit, Kompetenz und Verant-wortung zu erhalten, müsse „die Qualität ge-sichert und der Zugang zu Qualitätsmedienfür alle garantiert werden“ (Helmut Heinen).Auch die Initiative zur Gründung der Stifterver-einigung für die Presse, die Forschung für diePresse betreibt, ging vom BDZV aus. Die Qua-litätssicherung steht im Zentrum der Arbeitder ZV-Akademie, einer 1991 als ZV Zeitungs-Verlag Service gegründeten Einrichtung desBDZV, die ein umfangreiches Fortbildungspro-gramm und Fachpublikationen anbietet, undder Akademie Berufliche Bildung der deut-schen Zeitungsverlage (ABZV), dem 1989 als

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der Verteidigung seiner Position nicht zuletztauf das Karlsruher „Spiegel“-Urteil vom 5. Au-gust 1966 berufen. Danach haben Verlegerdas Recht, die Binnenstruktur ihres Unterneh-mens selbst zu organisieren.

In der medienpolitischen Debatte, ausgelöstdurch den Konzentrationsprozess und die Ten-denz zur „Demokratisierung“ aller gesell-schaftlichen Bereiche, haben die BDZV-Dele-gierten am 2. Juli 1968 beschlossen, den Auf-trag an den Verband, die publizistische Aufga-be der deutschen Zeitungsverleger zu wahren,in der Satzung zu verankern. Beide Facettendes Verlegerberufs – Verlagseigentümer oderManager – werden in der Verbandspolitikgleichgewichtig vertreten. Professor Binkowskinannte in einem Vortrag während der Jahres-tagung 1976 den Verleger einen „Unternehmerbesonderer Art“. Und der BDZV-Zeitungskon-gress 1987 in Köln postulierte: „Die Verknüp-fung der publizistischen und der wirtschaft -lichen Verantwortung, die er [der Verleger]wahrnimmt, darf nicht aufgelöst werden.“ Die-ser Appell hat auch 2014, sechs Jahrzehntenach der Gründung des Verbands, seine Be-rechtigung.

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Der AutorGernot Facius, freier Journalist,Bonn