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Mitteilungen aus den Vorlesungen über das Alte Testament von Johannes Wichelhaus, weiland Professor der Theologie in Halle. Erstes Heft. Aus den Psalmen. Herausgegeben von Dr. theol. Adolph Zahn. Stuttgart, 1891.

Alte Testament - Licht und Recht · als des Aben Esra, keineswegs aber das Zeugnis Christi und seiner Apostel für sich, welche ohne einen Unterschied der Schriften zu machen, mit

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  • Mitteilungen aus den Vorlesungen

    ber das

    A l t e T e s t a m e n tvon

    Johannes Wichelhaus,weiland Professor der Theologie in Halle.

    Erstes Heft.

    Aus den Psalmen.

    Herausgegebenvon

    Dr. theol. Adolph Zahn.

    Stuttgart, 1891.

  • Inhaltsverzeichnis 1. Der Gebrauch, welchen Christus, die Apostel und die gesamte alte Kirche vom Buch der Psalmen gemacht..................................................................................................................................5 2. Die Entstehung, ffentliche Bestimmung und die berschriften der Psalmen.............................6 3. Inhalt der Psalmen.......................................................................................................................10 4. Die poetische Form......................................................................................................................13 5. Die Psalmen in ihrer uns vorliegenden Zusammenstellung........................................................18 6. Die Messianitt der Psalmen.......................................................................................................23 7. Allgemeine Betrachtungen ber die Psalmen..............................................................................28 8. Die Psalmen und das Gebet des Herrn........................................................................................30 9. Das Gefhlsleben in den Psalmen...............................................................................................33 10. Auslegung der Psalmen.............................................................................................................35Aus der Auslegung der Psalmen.........................................................................................................38

    Psalm 1...........................................................................................................................................38Psalm 2...........................................................................................................................................39Psalm 3...........................................................................................................................................42Psalm 4...........................................................................................................................................43Psalm 5...........................................................................................................................................43Psalm 6...........................................................................................................................................44Psalm 7...........................................................................................................................................47Psalm 8...........................................................................................................................................48Psalm 9 u. 10..................................................................................................................................50Psalm 10.........................................................................................................................................51Psalm 11.........................................................................................................................................51Psalm 12.........................................................................................................................................52Psalm 13.........................................................................................................................................52Psalm 14.........................................................................................................................................52Psalm 15.........................................................................................................................................54Psalm 16.........................................................................................................................................54Psalm 17.........................................................................................................................................56Psalm 18.........................................................................................................................................57Psalm 19.........................................................................................................................................60Psalm 20.........................................................................................................................................61Psalm 21.........................................................................................................................................61Psalm 22.........................................................................................................................................62Psalm 23.........................................................................................................................................67Psalm 24.........................................................................................................................................67Psalm 25.........................................................................................................................................67Psalm 26.........................................................................................................................................68Psalm 27.........................................................................................................................................68Psalm 28.........................................................................................................................................68Psalm 29.........................................................................................................................................69

  • Psalm 30.........................................................................................................................................69Psalm 31.........................................................................................................................................70Psalm 32.........................................................................................................................................70Psalm 33.........................................................................................................................................70Psalm 34.........................................................................................................................................71Psalm 35.........................................................................................................................................71Psalm 36.........................................................................................................................................72Psalm 37.........................................................................................................................................72Psalm 38.........................................................................................................................................73Psalm 39.........................................................................................................................................73Psalm 40.........................................................................................................................................74Psalm 41.........................................................................................................................................76

    Zweites Buch. Ps. 42-72.....................................................................................................................77Psalm 42.........................................................................................................................................79Psalm 44.........................................................................................................................................80Psalm 45.........................................................................................................................................80Psalm 46.........................................................................................................................................81Psalm 47.........................................................................................................................................82Psalm 48.........................................................................................................................................82Psalm 49.........................................................................................................................................83Psalm 50.........................................................................................................................................83

  • 1. Der Gebrauch, welchen Christus, die Apostel und die gesamte alte Kirchevom Buch der Psalmen gemacht.

    Die dritte Abteilung der Bcher des Alten Testamentes, Ketbim genannt, beginnt mit dem Buchder Psalmen, weshalb auch die ganze Schrift Alten Testaments bei den Juden zusammengefasstwurde unter dem Namen: das Gesetz Mosis, die Propheten und die Psalmen. Lk. 24,27.44. Wie ausdem Gesetz und den Propheten Lese-Abschnitte fr den Synagogen-Gebrauch ausgewhlt waren, sowaren aus dem Psalter die Gebete und gottesdienstlichen Gesnge genommen. Im Neuen Testamententnahmen Maria, die Mutter Jesu, und Zacharias die Worte ihrer Loblieder aus den Psalmen; beider Einsetzung des Abendmahls sang der Herr mit den Aposteln den bei dem Passahfest blichenLobgesang; Paulus und Silas lobten im Kerker Gott mit Psalmen (Apg. 16,25), und Paulus ermahntdie Gemeinden, dem Herrn zu singen in Psalmen und geistlichen Liedern; Kol. 3,16; Eph. 5,19. Un-ter den sieben letzten Worten des Herrn am Kreuz sind zwei wrtlich den Psalmen entnommen. Mt.27 cf. Ps. 22; Ps. 31. So ist das Psalterium als das Buch der Gebete und Gesnge des Einzelnen wieder ganzen Gemeinde in die christliche Kirche bergegangen und die Auctoritt der Psalmen alsprophetischer und von Gottes Geist eingehauchter Lieder ist vom Herrn und den Aposteln ausdrck-lich besttigt worden. Die Phariser treibt der Herr mit den Worten des 8. und 110. Psalms zurck,Mt. 22,43; 21,16 (Ps. 8); 21,42 (Ps. 118); Joh. 10,34 (Ps. 82,6) und das von ihm Geschriebene legter nach seiner Auferstehung den Jngern aus; nicht blo im Gesetz und den Propheten, sondernauch in den Psalmen (Lk. 24,27.44) durch den Herrn unterwiesen und vom Geist erleuchtet nimmtsodann vornehmlich Petrus im Namen aller Apostel aus den Psalmen den Schlssel zur Erkenntnisund Beleuchtung dessen, was sie gesehen hatten und weiter erfuhren (Apg. 1-4: cap. 1,20.21 ausPsalm 69 u. 109 von Juda; cap. 2 aus Ps. 16,8-11 von Christi Auferstehung; Ps. 110 vom Sitzen zurrechten Hand; cap. 3 die Verwerfung Christi aus Ps. 118; das Toben der Vlker aus Psalm 2). Dabeiwerden die Zitate aus den Psalmen hufig mit den Worten angefhrt: Im Gesetz oder in den Pro-pheten steht geschrieben; David wird geradezu Prophet genannt (Apg. 2,30) und Christus selbstsagt, im Geist habe David geredet (Mt. 22,43). Wenn deshalb de Wette den Psalmen einen niederenGrad der Inspiration als den Propheten beilegen will, so hat er zwar die Meinung einiger Rabbinenals des Aben Esra, keineswegs aber das Zeugnis Christi und seiner Apostel fr sich, welche ohneeinen Unterschied der Schriften zu machen, mit dem Gesetz und den Propheten auch das Psalmbuchunbedingt als gttliche Schrift den von ihnen gegrndeten Gemeinden bergaben und im Gegensatzgegen alle verkehrte Auslegung oder mangelndes Verstndnis in eben dem Geist das Wort der Psal-men neu erweckt und in den Gemtern der Menschen belebt und gestrkt haben, worin sie auch ge-schrieben waren. In der ltesten christlichen Kirche ist das Psalterium als Gebet- und Liederbuch imPrivat- und Gemeindegebrauch geblieben; bei den Agapen und in den christlichen Familien wurdenPsalmen gesungen nach Tertullians Zeugnis; in den ffentlichen Gottesdiensten wurde zur Zeit Au-gustins ein ganzer Psalm nach der Reihenfolge gesungen oder gelesen. Einige Psalmen erhieltenspezielle Bestimmung; man bezeichnete sieben Bupsalmen (Ps. 6, 32, 38, 51, 102, 130, 142); derMorgengottesdienst begann mit Ps 63; der Abendgottesdienst mit Ps. 141. In der Passionszeit, wur-de Ps. 22 gesungen. Knstlicher und zusammengesetzter wurde der Psalmengebrauch in der ausge-bildeten Messe, in dem Antiphonarium; nach einer Psalmstelle des Introitus tragen noch jetzt vieleSonntage ihre Namen. Besonders viel wurden die Psalmen von den Mnchen gebetet; als das Kon-zil zu Toulouse 1229 den Gebrauch der Bibel den Laien untersagte, war der einzige Psalter ausge-nommen, der auch von Hieronymus zuerst und einzeln auf besondere Veranlassung des Papstesbersetzt worden war, auch in dieser alten bersetzung in der Vulgata sich behauptet hat. Nach dem

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  • Muster der Psalmen sind auch die ltesten christlichen Lieder gedichtet, deren es nach dem Zeugnisdes Plinius, des Presbyters Caius (Euseb. hist. eccl. 5,28), des Tertullian u. a. eine groe Menge gab.Wenn spter in den Hymnen oder Carminibus (im Gegensatz gegen die Cantica) nach griechischenund lateinischen Mustern eine andere Form und Liederkunst sich ausbildete, so haben sich die Cho-rle doch wieder ganz nach den Psalmen gebildet. Gleichwie nun in der Reformation das Wort derSchrift berhaupt wieder auflebte, so wurden auch die Empfindungen und Gefhle wieder rege,welche da allerwrts in den Gemtern obwalten, wo Gottes Wahrheit, Gerechtigkeit und Gnade ge-glaubt wird, und im Anschluss an die Psalmen hat Luther (aus einem Herzen, das gelernt hatte, vorGott sich zu beugen und vor Gott zu jubeln in seinem Heil) viele seiner schnsten Lieder verfasst,und alle Zeiten der Kirche hindurch haben alle, in denen der Geist der Gnade und des Gebets gewal-tet hat, in den Psalmen die ganze Harmonie des Saitenspiels und der Liederstimmen gefunden, wo-mit in seiner Gemeinde Gott angerufen und gelobt wird. Auch aus steinernen Herzen, sagt Augu-stin, knnen die Psalmen Trnen hervorlocken, so mchtig und ergreifend sind sie, und zugleich sovoll des Trostes und aller Linderung, dass sie ein Heilmittel und Balsam aller Wunden genannt wer-den knnen.

    Kein Buch der Welt ist so viel gelesen worden, mit so viel Trnen des Schmerzes und der Freudegenetzt. Die tiefsten Bedrfnisse, die strksten Klagetne der Menschen und ihre gewaltigsten Ju-beltne haben eingestimmt in die Stimmen, die David gesetzt, der knigliche Snger, der Opfererohne gleichen, der dem Gott im Himmel die Saiten gerhrt und Melodien gespielt, deren Weisen erim Umgang mit Gott gelernt.

    Nach der Reformation hat die englische Kirche die Psalmen in ihrer Liturgie beibehalten, und inder reformierten Kirche ist eine gereimte Psalmenbersetzung (deutsch von Lobwasser und Joris-sen) bei der Sonntagsfeier in Gebrauch gekommen; auch in den lutherischen Gesangbchern sindviele Lieder nach den Psalmen gedichtet. Ach Gott, vom Himmel sieh darein nach Ps. 12. Eswolle Gott uns gndig sein, Ps. 67. Nun lob meine Seele den Herrn, von Graumann, Ps. 104.Aus tiefer Not schrei ich zu dir, Ps. 130, von Luther. Vornehmlich aber ist Luthers eigen berset-zung der Psalmen ihr beredtester Dolmetscher geworden. In Frankreich wurden sie von Marot ber-setzt. Sehr gelungen ist die Bearbeitung von Jorissen, deutschem Prediger in Haag.

    2. Die Entstehung, ffentliche Bestimmung und die berschriften der Psalmen.Schon Moses hatte das groe Loblied, welches er nach dem Durchzug durch da Rote Meer ge-

    dichtet, mit dem Volk gesungen, Ex. 15,1, und Miriam hatte mit den Frauen einen Reigen angefhrtder unter Paukenschall und in feierlichem Aufzug die ersten Worte des Liedes rezitierte. Das LiedMosis (Deut. 32) war als Zeugnis aufgestellt in Israel und einzeln den Leviten feierlich eingehn-digt worden. Chre der Frauen besonders waren es, welche bei Festen (Ri 21,21), bei Siegen (1.Sam. 18) oder zum Gedchtnis einzelner Begebenheiten (Ri 11,40) die Feier der Aufzge mir Ge-sang Tanz und Musik verherrlichten. Auch das Lied der Deborah und des Barak ist gesungen wor-den. Die Kunst der Lieder und Gesnge entfaltete sich besonders in der Richterzeit. Zu Sauls Zeitwar der Hirtenknabe David viel wie mit der Schleuder, so auf der Zither gebt und wurde als einMinstrel (Harfenspieler) an des Knigs Hof gezogen. Das Lied, welches er auf Sauls und JonathanTod verfasste, lie er von den Shnen Judas auswendig lernen (2. Sam. 1,18) und in das Buch Se-pher Hajaschar eintragen, welches Helden- und Siegeslieder mag enthalten haben, hnlich wie dasBuch der Kriege des Herrn. Als nun David in Jerusalem ber ganz Israel Knig war und die Bun-deslade dorthin eingeholt hatte, richtete er unter dem Beistand der Propheten Gad und Nathan (2.Chron. 29,25) den levitischen Tempelgesang ein, welchem er die meisten seiner Psalmen bergeben

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  • hat. Vorsteher dieses Gesanges waren Heman, Assaph und Jedithun, die Leviten; an der Spitze aberstand Heman, der Seher genannt wird, ein Enkel des Propheten Samuel (1. Chron. 17. cap. 7,33).Samuel scheint nmlich zuerst beim Gottesdienst einen Sngerchor und Orchester eingefhrt zu ha-ben, welche Propheten genannt wurden. Singend und spielend kam der Chor dem Saul entgegen,der sich ihnen selbst anschloss (1. Sam. 10,5; 19,24); an einer anderen Stelle heit es, dass Samuelihnen vorgestanden habe (1. Sam. 19,20) und die Art und Weise, wie David selbst im leinenen Rockvor der Lade her tanzt und spielt, erklrt es, wie diese Propheten mit Harfen, Zithern und allerleiSpielen als Enthusiasten und Inspirierte in den Augen des Volkes erschienen. Als nachher unter Sa-lomo der Tempel gebaut wurde, sehen wir diesen Tempelchor noch erweitert (288 Snger); es warenbestimmte Familien der l.eviten, denen dieser Dienst bertragen war, fr welche auch besondereZellen am Tempel gebaut und eingerichtet waren (Hes. 40,44) und es stand ihnen ein Musikmeistervor, welcher die bungen leitete (1. Chron. 16,22; 2. Chron. 8,14; 23,18; 29,25.30; 2. Sam. 6,5; Si-rach 47,9-12). Diesen Leviten waren die Priester zugesellt, welche die silbernen Trompeten bliesen,und von Heman heit es noch insbesondere, dass er ein Horn gehabt, womit er wahrscheinlich dieMusik anstimmte. Die tglichen Morgen- und Abendopfer wurden unter Gesang und Musik zele-briert (1 Chron. 17,40), die Neumonde und Festzeiten dadurch verherrlicht (Amos 5,23; Num.10,1 ff. Trompeten). Bei groen Brandopfern wurde, wenn das Opfer begann, auch das groeLoblied angestimmt: Lobet den Herrn, denn er ist gtig und ewiglich whrt seine Huld(Jer.33,11.18; 2. Chron. 29,27; 1. Chron. 17,34.41; 2. Chron. 7,6 cap. 5,12.13). Deshalb werden f-ter im Verlauf der Geschichte die Saitenspiele Gottes oder die Saitenspiele des Knigs David ge-nannt und berall, wo der Tempeldienst restauriert wird, geschieht auch der Wiederbelebung derTempelmusik Erwhnung (Josaphat Hiskia, 2. Chron. 23,18; 29,27; Esra 2,41; 3,10; Neh.12,24.36.45.46). Es wird diese Einrichtung ausdrcklich wie die Bestimmungen des Gesetzes Mosisein Gebot Gottes genannt und dabei berall auf David zurckgegangen (1. Chron. 24,5; 2. Chron.23,18; Esra 3,10; 2. Chron. 29,25), der sich selbst 2. Sam. 23,1 lieblich nennt in den Gesngen Is-raels, in Gesngen also, die des ganzen Volkes Lieder waren, 1. Chron. 29,20; dass er sogar selbstInstrumente erfand, wird 1. Chron. 24,5 gesagt und Amos 6,5 schilt der Prophet diejenigen, wel-che, ohne Davids Gesinnungen zu haben, mit Musikinstrumenten sinnen wie David. ber die An-fertigung von Musikinstrumenten unter Salomo siehe 2. Chron. 7,6. Dass das ganze Volk bei groenFesten und Versammlungen in den Tempelgesang wenigstens mit einzelnen Schlussversen undDoxologien eingestimmt, ist nach 1. Chron. 16,28; 30,10 kaum zu bezweifeln, jedoch festzuhalten,dass derselbe fr das ganze Volk zu tglicher Ausbung speziell den Leviten bertragen war, wieder Opferdienst berhaupt.

    Die biblische Geschichte gibt also vollkommen Aufschluss darber, warum und wie geradedurch David die Psalmenpoesie und der Tempelgesang sich so pltzlich und groartig entfaltethabe. Poesie und Musik waren im ganzen Volk und von vielen gebt; sogar Helden wie ein Simsonhaben das Saitenspiel nicht verschmht als Gefangener musste er den Philistern spielen. Auch ha-ben wir aus frherer Zeit schon einzelne Proben geistlicher Lieder, wie denn das Lied der Hanna 1.Sam. 2 entschieden ein Psalm genannt werden kann und die Psalmensammlung selbst uns ein Liedvon Moses aufbewahrt hat. Durch Samuels Sngerschule war aber auch schon mit dem Dienst derStiftshtte Instrumental- und Chormusik verbunden und einige, als z. B. Herder, Eichhorn, Nachti-gall und Rosenmller haben sogar die Ansicht gehegt, Samuels Prophetenchor sei die eigentlichePflanzschule der Psalmendichtung gewesen. (Sie werden als solche aufgefhrt, die gespielt obauch gesungen, ist nicht gesagt). Die Elemente des Gesanges waren allerdings im Volk vorhanden,1

    1 Num. 6,24-26; cap. 10,35.36. Der Segen und die Formel beim Aufbruch des Lagers haben schon poetische Form dazu die Musik der Trompeten.

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  • als in David der Mann auftrat, welcher dem ganzen Leben des Volkes eine neue Wendung gab, denGottesdienst in Jerusalem begrndete und der Gemeinde Israels in einer Flle von Liedern die Wei-sen und Worte zum ffentlichen Gesang bergab, wie er selbst in seinen Leiden und Drangsalen zubeten gelernt und Gottes Gnade, Gerechtigkeit und Errettung erfahren hatte.2 Besonders verdankenwir der Chronik genaue und zahlreiche Notizen darber, wie durch David der Gesang Israels imHeiligtum begonnen habe. Die Glaubwrdigkeit dieser Nachrichten haben (unter anderen) Keil undMovers in ihren Schriften ber die Chronik gegen De Wette in Schutz genommen und in der Tatreichen schon einige dieser Stellen aus, um die ganze von De Wette vertretene Beurteilung der Psal-menpoesie zu widerlegen. Da nun David Dichter und Snger zugleich war,3 da er der groe Chor-fhrer des levitischen Gesanges war, selbst Erfinder musikalischer Instrumente, und viele seinerLieder von vorn herein die Bestimmung hatten, von der Gemeinde gesungen zu werden, (weshalbDavid auch ein Prophet genannt wird), so ist schon dadurch die Echtheit der berschriften erwie-sen; denn durch diese wird das Lied, als ein Gesang Davids, dem Musikmeister bergeben. Speziellsind die Grnde fr die Echtheit der berschriften folgende4:

    a) Es ist ganz gewhnlich, dass der Dichter dem Lied seinen Namen vorsetzt, Exod. 15; Deut. 32u. 33; Ri 5; Jes. 38,9; Hab. 3,1. Die gleiche Sitte herrscht bei arabischen Dichtern. Dass aber insbe-sondere David seinen Namen seinen Liedern vorangestellt, erhellt aus 2. Sam. 23.

    b) Dass ferner David unmittelbar seine Gedichte dem ffentlichen Gesang bergeben, ist aus 2.Sam. 1; 1. Chron. 16 und 2. Sam. 22 zu sehen. Obgleich diese Lieder zum Teil ganz individuellenCharakter haben, hat sie David ausdrcklich lernen und singen lassen, und der eigentmliche Zusatzdes schwer verstndlichen Kaschet 2. Sam. 1,18 stimmt ganz mit der Art der Psalmberschriftenberein. Die historischen Angaben der Bcher Samuelis, die Nachrichten der Chronik ber die Le-vitenchre und die Tempelmusik sind in vollkommener Harmonie mit den Psalmenberschriften.Dazu kommen die zahlreichen Anfhrungen musikalischer Instrumente in den Psalmen selbst, in-mitten des Textes das Musikzeichen Selah und das vollkommene Analogen von Hab. 3.

    c) Der Charakter der berschriften selbst, welche ganz kurz sind, nur allgemein den Verfasserund zuweilen die spezielle Veranlassung, 53mal die Bestimmung fr den Musikmeister, zuweilendas Instrument, den Charakter des Liedes oder der Auffhrung, und auerdem einzelne schwer ver-stndliche Ausdrcke enthalten, welche den Musikmeistern aber bekannt sein mussten, sprechen frihre Ursprnglichkeit.

    2 Wie muss das Herz Davids im Geiste gejauchzt haben, als er das Loblied des Dankes und der Errettung von denungezhlten Scharen Israels konnte ertnen lassen, von den hundert Sngerstimmen mit dem ganzen Schall undSpiel der Instrumente.

    3 David, der Hirte aus Bethlehem, den Gott von den Hrden genommen, zu weiden sein Volk Israel, den er sichausersehen, allen seinen Willen zu tun, seinem Volk Ruhe zu verschaffen und Herrschaft zu geben von gypten biszum groen Strom Phrat, an dem erfllt wurde, was einst Moses von Juda gesprochen: Herr, hre auf die StimmeJudas. Man vergegenwrtige sich lebhaft die Zeit Davids: Gesang auf Bergen und in Tlern die Helden Davids,jeder einzeln gepriesen; die Lieder, die in der Wste Judas ertnten, hat Gott erschallen lassen in seinem Heiligtumaus dem Chor der Tausende der Snger Israels. Die glorreiche Zeit Davids, die Bltezeit des Reichs, hat die Psalmengegeben und sie zugleich ins Leben eingefhrt. Es ist ein ganz naturgemer und gttlicher Fortgang: Gesetz dieLieder die Predigt der Propheten.

    4 Die Psalmenberschriften stimmen ganz zu den Angaben der Chronik; sie greifen ganz in die von David gebildetenChre von Heman, Assaph und Jeduthun, die Shne Korahs etc. hinein und knnen gar keiner spteren Zeitangehren. Und wre denn wirklich z. B. Esra Verfasser, so wrde er doch keine berschrift gesetzt haben, wo erden Verfasser nicht gewusst.

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  • d) Die Verschiedenartigkeit der berschriften und dass 34 Psalmen ganz ohne berschriftensind,5 beweist entschieden, dass nicht planmig hinterher vom Musikmeister selbst oder gar demSammler die Psalmen mit diesen berschriften versehen sind.

    e) Die Septuaginta haben diese berschriften vor sich gehabt, ohne sie zu verstehen; der syrischebersetzer hat sie ausgelassen, irrig bersetzt oder verndert. Was beweist das? Nach dem Exilkonnten diese berschriften gewiss nicht entstehen, da die Tempelmusik damals nicht mehr in glei-cher Weise bestand. In spterer Zeit wird berhaupt das Interesse vorwiegend, nach den Verfassernzu fragen, wenn in der Septuaginta und Peschito hufig Namen der Verfasser aus bloer Mutma-ung beigesetzt sind, die im hebrischen Text fehlen. Dass indes unter den Juden in Palstina nochmanche richtige Tradition in Betreff der Psalmen sich erhalten habe, ist wegen dieses Schwankensin den berschriften nicht zu bezweifeln.

    f) Viele berschriften, welche eine historische Veranlassung beibringen (Ps. 3. 7. 18. 30. 34. 51-63), knnen unmglich hinterher aus dem Inhalt selbst erraten sein; dass dieselben sich meist aufsolche Begebenheiten beziehen, die aus den historischen Bchern bekannt sind, erklrt sich ganzeinfach daraus, dass Psalmen und biblische Geschichte aus einem Geist geschrieben, in den histori-schen Bchern also vornehmlich die Geschichten berichtet sind, welche in Davids Glaubenslebenvon Bedeutung gewesen sind, sein Gemt bewegt und seine Zither haben erklingen lassen.

    g) Man darf nicht einwenden, David habe in seinen Bedrngnissen nicht daran denken knnen,seine Lieder dem ffentlichen Gesang zu berweisen; David hat die Lieder, die er in den Jahren derNot gesungen, spterhin der Gemeinde bergeben. Dazu kommt aber, dass gerade die mit Musikan-gaben versehenen Lieder in den ersten Bchern fast alle erst der Zeit angehren, wo David bereitsKnig war.

    h) Der grte Teil der Psalmen ist gedichtet worden, als Israel noch nicht in zwei Teile gerissenwar. Man findet keine bestimmten Anzeichen von dieser Trennung. Der Name Israel ist der Name,nach welchem das erwhlte Volk bezeichnet wird. Er kommt 26mal vor. Der Name Juda war nachder Trennung, noch mehr nach der Gefangenschaft der 10 Stmme der bevorzugte Name, aber inden Psalmen ist er nirgends in diesem besonderen Sinne gebraucht, Wohl ist Jerusalem 17mal undZion 38mal erwhnt, doch der Name Juda begegnet nur 10mal und niemals in einer irgendwiescheidenden Bedeutung.

    Er ist entweder erwhnt worden gemeinsam mit Israel (Ps. 114,2), oder in Verbindung mit ande-ren Stmmen, oder mit Ephraim und Manasse (Ps. 108,9) oder mit Zion, immer indes rtlich oderals der Stamm. Htte dies geschehen knnen, als Juda der allein anerkannte Name fr das erwhlteVolk war und Israel als ein Fremder galt, selbst als Feind und als das Symbol eines eiferschtigenund verworfenen Gottesdienstes? Da als die einzige groe Erlsung, welche Israel erfahren hat, dieErlsung aus gypten in den Psalmen gepriesen wird, so sind sie in einer Zeit entstanden, welchenicht wie die exilische von jener Tatsache durch einen furchtbaren Riss getrennt war. Die Verlusteim Exil waren grere und schrecklichere als die Tyrannei in gypten: der Tempel, der Gottes-dienst, die Nationalitt waren zerstrt, da weilte der Blick auf der trostlosen Gegenwart und dieneue Katastrophe lie die Not in gypten zurcktreten, welche doch in den Psalmen so ausfhrlichund so oft geschildert wird. Nur wenige Psalmen sind nach dem Exil entstanden, in einer Zeit klei-ner Dinge: die meisten sind die Hervorbringungen eines lebendigen und energischen Glaubens, alsJerusalem dastand als eine Stadt, dass man da zusammenkommen soll.6

    5 Im Talmud heien diese verwaiste Psalmen, herrenlose.6 Die Entstehung der Psalmen ist undenkbar, wenn nicht das jdische Volk durch das mosaische Gesetz als durch eine

    heilige Schranke von den brigen Vlkern abgesondert war und so wie in einem umschlossenen Parke den Boden

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  • Die meisten gegen die Echtheit erhobenen Grnde sind von keinem Belang,7 z. B. dass David inder berschrift Knecht Gottes heie denn so nennt er sich auch im Psalm selbst, so nennen sichauch die Apostel; ferner dass manche berschriften aus zweien zusammengesetzt seien, was dieAuslegung widerlegen wird u. dergl. anderes. De Wette sttzt sich deshalb auch lediglich auf eineinziges Argument, welches er aber entscheidend nennt, dass nmlich aus dem Inhalt sich dieFalschheit vieler berschriften, z. B. von Ps. 34. 51. 54. 56. 57. 59. 60 erweisen lasse. Diesen Be-weis wird die Auslegung der betreffenden Psalmen selbst beleuchten. De Wette hat infolge dessendie Echtheit aller berschriften von vorn herein in Frage gestellt und ist deshalb ber Verfasser. Zeitund Veranlassung aller Psalmen vllig schwankend und ungewiss. Hitzig und Ewald dagegen habenden meisten Psalmen nach den Grundstzen der so genannten positiven Kritik neue berschriftengegeben, deren Echtheit aber bis dahin bei niemand Anerkennung gefunden hat.8

    Anmerkung. Die Erklrung einzelner Ausdrcke in den berschriften hat groe Schwierigkeiten;in besonderen Schriften sind sie bearbeitet.

    3. Inhalt der Psalmen.Dass es an weltlicher Poesie unter den Hebrern nicht gefehlt habe, ist an sich deutlich und lsst

    sich aus den biblischen Nachrichten erkennen. Man hat Helden- und Schlachtlieder gehabt; David,auf dem Kinnr gebt, hat hnlich einem Troubadour an Sauls Hof gesungen; David als Knig hattean seiner Tafel Musik und Gesang (2. Sam. 19,36); sehr gewhnlich reden die Propheten von Lie-dern, die in den Weinbergen gesungen wurden, von Liedern des Brutigams und der Braut, vor ei-nem Gesang bei der Mhle und anderer Arbeit, von Liedermenge und Saitenspiel bei Wein und Ge-lagen (Jes. 5,12): bei der Ernte Ps. 65,14; Hiob 21,12, wie andernfalls auch Klagelieder bei verlore-nen Schlachten, bei Toten usw. gesungen wurden, und es besondere Weiber gab, die zum Klagen ge-rufen wurden (Mk. 5,38). Solche Lieder gehren dem irdischen Leben, seiner Lust und seinemSchmerz, und viele Ausleger beklagen es, dass diese Lieder uns nicht erhalten seien. Die Psalmensind aber geistliche Lieder und als solche in der Schrift uns aufbewahrt als solche der christlichenGemeinde bergeben. Unter allen heidnischen Nationen finden wir nichts ihnen hnliches, weil dortdie Gefhle nicht vorhanden waren, aus welchen die Psalmen hervorgingen. Welche sind aber dieseEmpfindungen gewesen? In Israel war das Gesetz Gottes; aufgrund dieses Gesetzes, worin Gott sei-nen Namen und seinen Wille kund gegeben, hat David zu Gott seine Stimme erhoben, ist, wo er inNot, Gefahr, Zweifel und Bedrngnis war damit vor den Herrn gegangen, hat diesem seine Sachebefohlen und von ihm Hilfe erfleht; mitten in seinen Klagen und Gebeten hat er sich dann selbst umso mehr befestigt und vergewissert gefhlt von Gottes Wahrheit und seines Gesetzes Gerechtigkeit,und hat so lange angehalten im Gebet bis Gott ihn erhrt hat. Es liegt mithin der Psalmendichtungzugrunde der Glaube an den unsichtbaren, aber in seinem Wort sich offenbarenden, wahrhaftigen, inWort und Tat sich lebendig erweisenden Gott, den David gesucht hat, dessen Befehlen und Geboten

    besa, auf dem ein so inniges und zartes Leben der Gemeinschaft mit Gott gepflegt werden konnte, das bis auf dieGegenwart der vollendete Ausdruck des Glaubens und des Gebetes aller Frommen ist. Das Gesetz als bewahrenderZaun ist die Voraussetzung der Psalmen. Diese sind dann auch in vlliger bereinstimmung mit dem Gesetz, wie eseine Sttte der Anbetung und Opfer fordert, wie nach ihm Sndopfer. Brandopfer und Dankopfer zu bringen sind.wie das Volk nach ihm nach Jerusalem zu pilgern hat, wie dort Priester sich mit Gerechtigkeit kleiden etc. DiePsalmen sind eine Erneuerung des Gesetzes wie es nach Geist zu verstehen ist.

    7 Um eine Probe zu haben, mit welcher Zuversicht und mit welchen Grnden Psalmen den Verfassern abgesprochenwerden, die in den berschriften genannt sind, vgl. man von Lengerke in der Einleitung: es sei berhauptunerwiesen, dass David religise Lieder gedichtet habe.

    8 Negative und positive Kritik: De Wette wei nichts, Hitzig wei alles. Hitzig sagt: wenn irgend etwas gewiss, danndieses.

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  • er sich verpflichtet wusste, den er als den Gegenstand seines einzigen und nie ruhenden Verlangensvor Augen gehabt; dieser Glaube hat in Davids Liedern mit ganz gewaltigen Stimmen, welche ausdem tiefsten Grunde der Seele bis hoch in den Himmel gedrungen, sich kund gegeben. Nicht sichselbst leiten, bestimmen und helfen hat David gekonnt, deshalb hat er immer in allen Fllen es vonGott erfleht, dass er seinen guten Weg ihn fhre und dass er ihn sehen lasse sein Heil und ein Lob-lied lege in seinen Mund. David hat nicht fr sich Leben, Genuss, Gunst, Ehre und Liebe gesucht, daran htte es ihm nie gefehlt und zu Mitteln eigener Aushilfe htte er bei seinem Mut und seinerKlugheit immerdar greifen knnen, htte nicht dies in seinem Herzen gewaltet und gelebt, dass Got-tes Gesetz durch ihn geehrt und bewahrt werde, und Gottes Heil und Gerechtigkeit an ihm sieh er-flle.9 Darum hat er auch diese Lieder der Gemeinde Jehovahs bergeben, denn wenn er um Hilferuft, so ist es Gottes Wahrheit, durch die er sich gebunden fhlt, von der er zeugt; ist er im Leiden,so ist es wegen Gerechtigkeit; ist er in Sndennot, so wei er den Weg zu dem, bei welchem dieVergebung ist; ist er errettet, aus leiblicher oder Seelennot, so ist es der Gott Israels, den seine Seelelobt. Diese Gefhle mssen denen freilich fremd sein, deren Herzen nicht zu Gott hingewandt sind;ber die vielen Klagen und Seufzer werden sie unmutig werden und in das Loblied nicht einstim-men knnen; aber die Seele, welche nach Gott und nach Gerechtigkeit drstet, wird die Worte alsaus ihrer Seele und dem Grunde ihres Gemtes sich hervordrngen fhlen, welche einst David aus-geschttet hat, der Snger, lieblich in Liedern Israels, der groe Knig, der durch unzhlige Leidenzur Herrlichkeit erhoben ward, der eines Lwen Khnheit mit des Lammes Unschuld verband, un-erschtterlich fest, khn und besonnen in jedem Kampf und jeder Gefahr und so zart, innig unddemtig in seiner Liebe, dass er nur noch niedriger werden wollte in seinen Augen, und mit Knech-ten und Mgden zu Ehren kommen 2. Sam. 6,22. Kindlichen, aufrichtigen Gemts, sich selbst kei-nes Truges bewusst, gibt sich David ganz den Empfindungen hin, welche seine Seele berwltigen;aber diese Empfindungen haben einen Anker des Glaubens und zuversichtlichen Hoffens; darumwie mchtig und gewaltig sie die Seele erschttern, so klar, rein und erfrischend sind sie; denn kei-ne Selbstliebe, nicht Leidenschaft und eigene Lust weht und waltet in ihnen, sondern eine Sehn-sucht, deren Gegenstand noch viel grer ist als sie selbst, eine Hoffnung, die nicht beschmt, eineLiebe, die voll Friede und Wahrheit ist, und ein Loblied, das nie verstummt. Im einzelnen ergebensich fr den Inhalt der Psalmen folgende Gesichtspunkte:

    1) Das Sprichwort sagt: Not lehrt beten. Die meisten Psalmen sind Gebete, Klagen und Hilfe-ruf.10 De Wette nimmt hieran Ansto und ist der Meinung, es mge wohl David zur Zeit seiner Be-drngnisse einige Klagepsalmen gedichtet haben, nach dem Muster derselben seien sodann in derexilischen Zeit eine Menge anderer abgefasst worden. Der Ansto aber an den vielen Klageliedernbeweist nur, dass ein erstes und echtes Kriterium eines Christen dem Kritiker abgeht, indem Paulussagt, dass wir durch viele Trbsale in das Knigreich Gottes mssen eingegangen sein. DieseTrbsale sind keine Leiden gewhnlicher Art, noch viel weniger selbstgemachte, sondern viel-mehr Lebenslagen, wo in dem Rufen nach Gott und den himmlischen Gtern die Erfahrung ge-macht wird, dass der Gerechte und das Leben aus Gott in der Welt von allen Menschen befeindetund mit Erstickung bedroht werden. In wem ein unablssiges und wahrhaftiges Suchen ist nach

    9 Ewald sucht den Ursprung der Poesie in den groen Gedanken. Man whle, ob David, wenn er in groer Gefahrwar, die Not die Lieder abgepresst und das volle Herz sich im Jubel Luft gemacht, oder ob er dann die groenGedanken hat in sich walten lassen. Die groen Gedanken konnten ihm nicht helfen. Ewald wei nur von Gedankenund Phantasien ber Poesie sind seine Urteile die eines solchen, der noch nie ein Lied aus Herzenslust gesungen. Wer wie David aus aller Not errettet und zu kniglicher Herrlichkeit will erhoben sein, der singe seine Lieder.

    10 Die Welt beginnt mit Lachen und endet mit Weinen (die Weltschmerzlieder); Gottes Liederbuch beginnt mitKlagen und endet mit lauter Hallelujahs. Die Glcklichpreisung des 1. Psalms fhrt durch viele Nten zu dem:Segne meine Seele den Herrn.

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  • Ehre, Unverderblichkeit und Herrlichkeit (Rm. 2,7), bei dem werden viele Gebete sein. Dass nundiese Klagen in sehr hnlichen Ausdrcken in den verschiedensten Situationen sich wiederholen,beweist nur, dass ein solches Gebet ein immer wiederkehrendes und ein allgemeines ist, und dassder einmal gefundene Ausdruck immer von neuem wieder aus der Seele hervordringt.11 Auch vondem Herrn heit es, dass er viele Gebete und Seufzer zu dem geopfert, der ihn vom Tod erlsenkonnte. (Hebr. 5,7.)

    2) Da Gott das einzige und hchste Gut ist, so sind die Gefhle des Glaubens und der Liebe Got-tes die strksten, vollsten, von denen der ganze Mensch ergriffen wird. Sturm und Gewalt ist in ih-nen, aber in ihren Grnden atmet Friede und Sanftmut. In der Not fhlt David seine Gebeine zer-schlagen, sein Auge ermatten, seine Zunge vertrocknet; in der Freude lebt alles in ihm wieder aufund er springt ber Mauern hinweg. In seinen Empfindungen vor Gott fhlt sich dabei der heiligeSnger zugleich eins mit der ganzen Kreatur, denn die ganze Schpfung wartet auf die Gte Gottes;in ihr herrschen gleiche Gesetze und Ordnungen wie im Menschenleben; in ihr ist ein sichtbarer Ab-druck aller Mannigfaltigkeit der Lebensregung und des Wechsels des Daseins, von Finsternis biszur Tageshelle, von dem Wurm bis zum Menschen hin. So findet die ganze Natur und alles, was at-met und lebt, in dem Menschen ein Organ, in seinen Worten einen Ausdruck; in und mit dem Men-schen, dem Erd-Entnommenen, lebt die ganze Schpfung. Der Dichter sieht rings um sich Bilderdessen, was er empfindet und lsst Himmel und Erde und alles Geschaffene mitreden in seinemPsalm.

    3) Vergleicht man die Gebete etwa indischer Brahminen, oder auch anderer Asketen, so machtsich ein groer Unterschied fhlbar. Denn jene haben, wenn sie beten, ein Bild Gottes vor Augen,versenken sich in die Betrachtung und Zusammensetzung dieses Bildes, wozu sie aus dem ganzenUniversum die Zge zusammenholen oder sie zwingen sich zum Gebet und sind kalt dabei. Davidbetet, wenn ers nicht lassen kann, in den Nten des wirklichen Lebens und daher sind die Emp-findungen in den Psalmen natrlich, ganz ursprnglich und frisch, quillen rein hervor, und habennichts Geknsteltes noch Geschminktes.

    4) David spricht es sehr hufig aus, Gott mge ihm helfen, damit an ihm alle Gottes Heil erken-nen mchten. Bewhrt sich an Einem die Hilfe Gottes, so steht sie fest fr alle; deshalb eine Erret-tung, die man erfhrt, ist mehr wert, denn Himmel und Erde. Ist doch der Gott, zu dem David betet,nicht ein Hausgott sondern: Du erhrest Gebet, darum kommt alles Fleisch zu dir. Deshalb tra-gen auch diese Lieder, obwohl aus ganz persnlichen Verhltnissen hervorgegangen, dennoch soganz universellen Charakter. Denn nicht so sehr dieses, dass er in Not sich befinde oder errettet sei,bewegt David, sondern dass Gottes Hilfe und Wahrheit sich an ihm bewhren mge oder bewhrthabe. Es liegt also unmittelbar in dem Gefhl selbst ein bergang ins Didaktische (Lehrhafte); dennDavid kennt sich als Glied der Gemeinde Israels: seine Erfahrungen sind die Erfahrungen aller. Da-her Lehre Ermahnung, Trstung, kurz die Elemente der Lehre in vielen Psalmen sehr hervortreten.

    5) Es sind aber vielerlei Empfindungen, die sich in den Psalmen aussprechen; einmal ist es eige-ne Not, Gefahr allerlei Art, die oft den hchsten Grad erreicht und die Errettung aus derselben; dannsind es die Verhltnisse des Landes und des Volkes, welche den Ansto zum Lied geben, oder einemchtige Empfindung wird erregt durch Betrachtung der frheren Geschichte und der Verheiun-gen Gottes im Hinblick auf die Gegenwart, durch Beobachtung des Treibens und Tuns der Men-schen; dann wieder sind es Empfindungen des Danks und freudenvollen Genusses der Wohltaten

    11 Wie hnlich sind sich die Volkslieder; wie hnlich sind Uhlands Lieder. Wie oft singt einer dasselbe Lied. Liedervoll trber Sehnsucht, unbefriedigten Wnschen u. dgl. liest die Welt zum berdruss das ist aber die Traurigkeit,die den Tod wirkt. Hier ist das Ende der Klage Wonne.

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  • Gottes inmitten seiner Gemeinde, am Morgen und Abend, am Sabbat und an Festzeiten, im husli-chen Leben, in Betrachtung der ganzen Schpfung; oder endlich besondere Begebenheiten, einSieg, Einweihung des Tempels oder dergleichen geben die Veranlassung zur Dichtung des Psalmes.Der Inhalt ist demnach sehr reichhaltig, fr alle Lagen und Verhltnisse des Einzel-, des brgerli-chen und des Gemeindelebens im Hinblick auf den Gott Israels.

    6) Das Grundthema aller Psalmen ist: Offenbarung der Gerechtigkeit, Gte und Wahrheit Gottesunter den Menschen in allen ihren Lagen, Bedrfnissen und Nten, also das Heil Gottes, in Israeloffenbart und verheien, welches nach der Zeit in Jesu Christo persnlich erschienen ist. Gleichwienun David wusste und glaubte, dass Gott dieses Heil geben werde durch seinen Gesalbten, denSohn, den Gott ihm verheien, so haben die Apostel in den Psalmen eine Weissagung und Predigtvon Christo uns aufgedeckt, dass und wie in Christo alles das zur Vlligkeit gekommen ist, was Da-vid aufgrund seiner eigenen Erfahrungen von den Leiden des Worts, der Herrlichkeit des GesalbtenGottes und der Anbringung des Heils durch Ihn in heiligem Geist geschaut und in seinen Gebetenund Liedern ausgesprochen hat.

    Nach dieser Reichhaltigkeit des Inhalts haben viele die Psalmen in verschiedene Klassen geteilt,als 1) Hymnen auf Gott, 2) volkstmliche Psalmen, 3) Zions- und Tempelpsalmen, 4) Knigspsal-men, 5) Klagpsalmen, 6) Religise und moralische Psalmen. So de Wette. Luther teilte sie inmessianische, Lehr- Trost- Bitt- und Klage- Lob- und Dankpsalmen; Augusti in Oden und Hymnen,Lieder, Lehrgedichte, Gnomen. Umbreit hat auf einen Gedanken von Luther hin eine Auswahl Psal-men nach den Bitten des Unservaters zusammengestellt. Stier hat nach einer Reihe religiser Ge-sichtspunkte die Psalmen geordnet; andere anders. Da aber der Psalter selbst zu dieser Unterschei-dung keinen Anlass gibt, die Klassen auch weder scharf bestimmt noch geschieden sind, so ist eswohl am meisten anzuempfehlen, einzelne Hauptpsalmen nach ihrem Inhalt sich zu merken, woransich die anderen leicht anreihen lassen. Das uerst Lebendige, Bewegliche, Mannigfaltige und im-mer hchst Individuelle der Empfindung im Lied lsst sich eben nicht unter Klassen zwngen. Mandenke an eine Liedersammlung wie wenig Poesie wrde es verraten, wenn jemand nach solchemSchema die Lieder registrieren wollte. Wir teilen spter noch einen Versuch der Einteilung mit.

    4. Die poetische Form.Der Psalmenrhythmus ist von vielen lteren Exegeten, Kritikern und Archologen durchaus irrig

    beurteilt worden, indem man davon nicht ablassen konnte, Silben- und Versmetra der klassischenSprache darin zu suchen. Josephus schon nannte den Siegesgesang Mosis (Exod. 15) hexametrisch,und Hieronymus schreibt den Psalmen jambische, sapphische und andere Silbenmae zu. Mankonnte dergleichen aber niemals an den Psalmen selbst regelrecht nachweisen. Der Fund, den FranzGomar (Davidis lyra. 1637, opp. III) gemacht zu haben glaubte, wurde von Capellus als Tuschungerwiesen; einen Versuch des Englnders Franz Hare, das Psalmenmetrum zu bestimmen, widerlegteLowth, und auch die neuesten Versuche von Bellermann (Versuch ber die Metrik der Hebrer, Ber-lin 1813) und Saalschtz (Von der Form der hebrischen Poesie, Knigsberg 1825) haben keine Be-whrung gewinnen knnen. Denn nicht einmal eine sich gleiche Silbenzahl konnte man finden, wel-che Buxtorf annehmen wollte; noch viel weniger aber ein regelmiges Metrum der Lngen undKrzen nachweisen, und die es unternahmen, haben die Lnge und Krze sehr verschieden be-stimmt, zum Teil die masoretische Punktation ndern wollen, und haben auch dann zu guter Letztmehr Ausnahmen als Regel statuiert. Auch die Regeln arabischer Metrik lassen sich nicht anwen-den, was Jones unternommen; wenn auch arabische und syrische Sprache Silbenzhlung, die arabi-sche sogar knstliche Metra und beide in spterer Zeit den Reim haben, wenn auch die Juden des

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  • Mittelalters hnliche hebrische Gedichte geschrieben, so ist doch in der alttestamentlichen Dich-tung ein bestimmtes Gesetz des Metrums oder Reims nirgends zu erkennen; und findet sich hieroder da ein Ansatz dazu, so ist dies nicht wesentliches Merkmal. Andere haben deshalb sich damitbegngt, alles Metrum zu leugnen und dieses entweder als Tugend oder als Drftigkeit der hebri-schen Poesie bezeichnet, oder sie haben ihre Zuflucht zu der Ausrede genommen, wie die richtigeAussprache des Hebrischen berhaupt, so sei auch die Kenntnis der Metra fr uns verloren gegan-gen.

    Am richtigsten haben unter den Neueren nchst Herder ber die poetische Form der Hebrer DeWette, Ewald (Poetische Bcher I. Tl.) und Hupfeld (Stud. u. Krit., 1837, 4. Heft) geurteilt; vgl.auch Jak. Grimm: Lateinische Gedichte des 10. und 11. Jahrhunderts, und Lachmann ber althoch-deutsche Betonung und Verskunst.

    Die poetische Form muss in der Natur des Gefhls selbst einen Grund haben. Beobachten wirnun die uerungen lebhafter Gefhle, so ist das erste ein erhhter Pulsschlag. Die Brust dehntsich, der ganze Krper fhlt sich von innen heraus gedrngt und die sonst nicht gefhlte Bewegungdes Bluts wird zu einer Strmung, die in den Adern gebunden und im Kreislauf geregelt, fhlbar aufund nieder wallt. Ebenso strmt der Atem strker aus und wird tiefer eingezogen, die Stimme hebtund senkt sich und unwillkrlich kommt in die Bewegung des ganzen Krpers eine Schwingung;der Fu hebt sich zum Tanz und es entsteht eine Wechselbewegung, unter stetem Suchen und Fh-len eines Gegendrucks und Gleichgewichts. Ergreift nun dieser hhere Pulsschlag, diese Schwin-gung und Strmung, Hebung und Senkung, Satz und Gegensatz das innere Gemtsleben, so gestal-tet sich der Gedanke nach denselben Gesetzen, er strmt auf und ab; er erweitert sich; atmet sichaus und nimmt sich in sich selbst wieder zurck, oder er hebt sich khn und sucht dann sein Gleich-gewicht unter Abstzen, Ruhepunkten und Zurckziehen; beim Gefhl des Gegendrucks ab, vor-und zurckstrmenden Bewegung der auf dem Grunde der Seele aufwallenden Gefhle entsteht nunim Hebrischen der Parallelismus der Glieder, welchen Ewald den Gedanken-Rhythmus genannthat.12 Da aber ganz natrlich der Gedanke im Wort sich bildet, so ist er auch, wie Blut und Atmungzusammengehen, von einer rhythmischen Ausstrmung der Worte begleitet. Der Satz hat seineGrenze von Lnge und Krze; der Ton in seinem Gegenton, die Hebung in der Senkung ein Gegen-gewicht; wobei indes eine groe Freiheit obwaltet, da die Stimme eilen und langsamer fortgehen,also berspringen und ausdehnen kann, und die Bewegung selbst nach ganz verschiedenen Geset-zen sich regelt und fortleitet, je nachdem der Gedanke in sich kurz abgeschlossen ist oder Neben-glieder in sich aufnimmt, oder selbst nur eine Hebung ist fr einen nachfolgenden Satz oder umge-kehrt zu einer frheren Gedankenreihe den Schluss bildet. Hier muss oft mehr das Gefhl und einegute Deklamation entscheiden, als dass sich bestimmte Gesetze nachweisen lieen; so wie auch derrhetorische Numerus oder Redefall am meisten durch das unmittelbare Gefhl bestimmt wird; dennjede lebhaftere Bewegung, indem sie ruhig voranschreitet oder abbricht, dann wieder neu aufwalltoder heftig wird, trgt bei aller Unregelmigkeit doch in sich selbst ein Gesetz der Schwere, wo-nach sie sich bindet, weshalb mit Recht die Poesie die gebundene Rede genannt wird.

    Demnach ergeben sich im einzelnen folgende Beobachtungen: 1) Eine Empfindung spricht sichaus in gleichmigem Doppelsatz, einer Hebung und Senkung, deren eine die andere trgt. Dies dergewhnliche und regelmige Parallelismus eines Verses, indem in der einfachsten und krzestenForm jede Hlfte aus 7-8 Silben besteht und also der ganze Vers dem Umfang nach mit seiner Zsur

    12 Parallelismus findet sich in aller Poesie:Meine Ruhe ist hin,Mein Herz ist schwer Ich finde sie

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  • einem Hexameter oder Pentameter gleichkommt, dem ersten und ursprnglichen Ma der griechi-schen, sowie der indischen Metra (Ps. 24,1.2.3). Innerhalb des Verses selbst wird der Tonfall derWorte durch den Akzent bestimmt, der am Schluss der Glieder die Silben verlngert und hlt. EinWort, das in der ersten Vershlfte den Ton auf der letzten Silbe hat, kann in der zweiten den Ton aufdie vorletzte bekommen z. B. Ri 5,12. Der Akzent ist aber nicht ohne Zusammenhang mit Lngeund Krze der Silben; vielmehr wird berhaupt im Hebrischen die Vokalisation gerade durch denAkzent des Wortes, durch des Wortes Lnge oder Krze, die Menge und Art der Konsonanten , so-wie durch die Stellung des Wortes im Zusammenhang der Rede geregelt und bestimmt. Im allge-meinen ist ein jambischer, trochischer oder dactylischer Tonfall im Hebrischen der gewhnlich-ste. Mehrere betonte Silben neben einander werden vermieden.13

    Auf denn, auf denn Deborah,Auf denn, auf denn, sing das Lied.

    Bei einem kurzen, in sich geschlossenen Gedanken ist noch die besondere Regel bemerkbar, dassin der zweiten Hlfte die Ordnung der Worte sich umkehrt, und so die Empfindung in sich selbst zu-rckkehrt und bindet, z. B. Ps. 6,10: Gehrt hat der Herr mein Flehen; der Herr mein Gebet nimmtan. Ps. 7,17: Es kommt sein Frevel auf sein Haupt, und auf seinen Scheitel sein Unrecht fllt.Anderwrts ist der Gedanke in einem Glied noch nicht vllig ausgesprochen; die Erweiterungnimmt dann aus dem ersten Glied einen Satzteil wieder auf und fhrt so in dem zweiten Glied erstden Gedanken zu seinem Schluss.

    2) Die zwei Versglieder stehen aber nicht immer in diesem synonymen Verhltnis, sie stehen sichauch oft gegenber oder schlieen sich, durch ein logisches Verhltnis verknpft, zu einem Gedan-ken zusammen. Die Vershlften knnen sich dann auch dem Umfang nach sehr ungleich werden,was oftmals von schner Wirkung ist, indem ein Vordersatz rasch vorspringt, oder ein kurzer Aus-ruf, oder ein in sich schwerer und durch die Stimme gedehnter Schluss eine ganze Vershlfte aus-macht; ja sogar kann in der Verbindung mehrerer Verse ein ganzer Vers blo aus einem kurzenGlied bestehen, der dann wie ein Vorschlag oder abgebrochener Taktteil betrachtet werden muss.

    3) Gleich wie aber aus einem einfachen Satz sich eine Periode bildet, so kann auch im Vers derGedanke je nach seiner Entfaltung einen greren Raum fordern und die Glieder erweitern. So ent-stehen Verse mit ungleichen oder Doppelgliedern; das erste, wenn die eine Vershlfte einen Neben-satz in sich aufnimmt, der in disjunktivem, hypothetischem oder anderen logischen Verhltnis denGedanken ergnzt.

    Der Herr richtet Vlker richte mich, o Herr nach meiner Gerechtigkeit und meiner Unschuld.

    Das andere, wenn beide Glieder durch die innere Flle sich ausdehnen, wo denn bald jede Vers-hlfte selbst wieder aus parallelen Untergliedern besteht, bald der Parallelismus bergreift: 1-3: 2-4(cf. Ps. 36,7; 71,13; 18,7; 40,17; 44,3; 30,6; 24,7; 123,2).

    Ps. 18,7. In der Not ruf ich zum Herrn klage laut zu meinem Gott

    er aus seinem Palast hrt mich rufen meine Klage kommt zu seinen Ohren.

    13 Noch viel deutlicher zeigt sich dies Gesetz im Arabischen, wie durch die Vokalisation einer Silbe dienebenstehenden bedingt werden; die Aussprache der Vokale selbst ist dadurch bestimmt. Ebenso beim Wachsen oderSichverkrzen des Worts. Nach dem Akzent richtet sich auch die Modulation, Tonhhe oder Tiefe, worauf sichdann weiter die Musik baut. Man kann diesen Parallelismus einen Gleichklang und Widerhall, gleichsam einenReim der Gedanken nennen.

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  • Die zwei ersten Glieder rcken in eins zusammen:Vom Blut der Erschlagenen, vom Fett der Helden wandte nicht um der Bogen Jonathans und kehrte nicht heim Sauls Schwert umsonst.

    Je nachdem der Trieb und die innere Bewegung des Gedankens ist, entstehen hier sehr mannig-faltige Bildungen. Denn oft schreitet mit Abstzen und Rckstzen der Gedanke weiter, oder er istinnerlich mannigfach verschlungen und bricht hier und da in Nebenstzen durch. Man muss hier imeinzelnen den Gedanken nachgehen und die Empfindung beobachten, wie sie ausdehnt und zusam-menzieht, das einemal in schnen, prchtigen Reihen sich ergiet, ein anderesmal krampfhaft undfest sich zusammenschliet. Beispiele:

    Der Herr in seinem heiligen Palast,Der Herr, im Himmel ist sein Thron,

    Seine Augen schauen,seine Wimpern prfen

    Die Menschenkinder.

    Jer. 4,20. Verwstet ist die ganze Erde pltzlichVerwstet sind meine Zelte

    unversehens meine Lager.Jer. 4,15; Exod. 15; Deut. 32,1.4) Die Gedanken-Bewegung wird aber aufs neue wieder bestimmt durch das Verhltnis, worin

    mehrere Verse untereinander stehen. In diesem Fall findet es sich z. B. fter, dass der Vordervers indrei Gliedern voranschreitet, der nachfolgende aber mit zwei Gliedern schliet. Ps. 1,1 ff.; Ps. 7,13.15.

    5) Solche Verknpfung der Verse fhrt weiter zur Auffindung von Strophen, wodurch mehrereVerse zu einem Ganzen verbunden sind. Dass die Verse von den Hebrern oft gezhlt und in be-stimmten Verhltnissen gruppiert wurden, ergibt sich unzweideutig aus den alphabetischen Psalmen(Ps. 111. 112. 25. 34. 145. 37. 119), insbesondere aus solchen, wie Ps. 119, wo immer acht Versemit demselben Buchstaben beginnen, und aus den Klageliedern Jeremias, wo gerade das mittlereder fnf Kapitel, das dritte, immer je drei Verse mit demselben Buchstaben beginnen lsst. Beson-ders hat Kster und nach ihm Hengstenberg diese Strophenbildung in den einzelnen Psalmen nach-zuweisen gesucht, und wenn auch hier ein freien Gesetz der Bildung im allgemeinen festgehaltenwerden muss, so sind doch in einzelnen Fllen die Strophen ganz deutlich festgestellt, z. B. Ps. 2;ein Beispiel besonders knstlicher Bildung ist Ps. 57. Es finden sich strophische Verhltnisse von2,2; 3,3; 2,3; 2,3; 1,4,2; 2,4,1.14 Entscheidend fr die Trennung der Strophen sind die Refrains, wosie vorkommen Ps. 42. 80. 107. 57. 49; auch ist das Sela zu beachten. Eine besondere Betrachtungnimmt noch das schr hammalth in Anspruch, sowie diejenigen Lieder, welche fr Aufzge, groeChre u. dgl. eigens zugerichtet waren. Den ursprnglichen musikalischen Vortrag der Psalmen hatman sich nur am wahrscheinlichsten so zu denken, dass sie von Chren der Leviten und Tempelsn-gern unter Begleitung bestimmter Instrumente vor dem versammelten Volk gesungen wurden.

    Unverkennbar sind auch in einigen Psalmen Versgruppen oder Strophen zu erkennen, z. B. Ps. 2,wo viermal drei Verse zusammengehren. Darauf fhren auch wiederkehrende Verse oder Refrains;

    14 Wie ein Vers oft von einem Wort ausgeht und damit schliet oder in mehreren Gliedern mit demselben Wortschliet (Exod. 15), so kehrt ein ganzer Psalm zu seinem Anfang zurck (Ps. 8) oder wiederholt einen Refrain.

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  • auch das Sela lsst die greren Abstze erkennen. Hengstenberg hat nach dem Vorgang Ksters infast allen Psalmen eine Anordnung nach den Zahlen 3, 4, 7, 10, 12 nachzuweisen gesucht, ist aberdabei in viele Willkr verfallen, da er als allgemeines Gesetz durchfhren wollte, was nur in einzel-nen Fllen Geltung hat.

    Ein zweiter Unterschied poetischer und prosaischer Rede ist eben so sehr in der Natur des leb-hafteren, volleren Gefhls, der gehobenen und strkeren Empfindung begrndet. Die Gedankenselbst veranlassen die Formen und Fgungen der ruhigen Erwgung, der einfachen und kurzen u-erung; das erregte innere Leben sucht und greift nach volleren Worten, nach selteneren und unge-whnlichen Ausdrcken und bildet sich demgem eine neue Sprache, eine eigentmliche Redegat-tung. In der Natur der Psalmen liegt es zunchst, da sie Gesprche und Anreden des Herzens sind,dass sie in der dringendsten, erregtesten, lebendigsten Weise die Bitten, Klagen, Lobsprche, Dank-gefhle u. dgl. kund geben, so dass die Imperative, Kohortative und hnliche Verbalformen fastdurchgehend sich finden. Ihnen schlieen sich die Schilderungen derjenigen Zustnde und Verhlt-nisse an, welche die Bitten oder Danksprche begrnden, und in ihnen entfaltet sich nun vornehm-lich die poetische Flle der Worte und Gedanken. Reiche, wechselnde Bilder, kurze und prgnanteStze, scharfe Antithesen, malerische Ausfhrung und Gruppierung, gewichtige und schn gefassteSentenzen bereiten hier in den verschiedenen Psalmen eine groe Abwechselung und Mannigfaltig-keit. Es ist weniger eine ausgebildete Kunst und Eleganz, welche in dieser Beziehung die hebri-sche Poesie bezeichnet, als die in der Natur und dem Wesen des erhhten Empfindungslebens selbstbegrndete Kraft, Flle, Gewalt, Anmut und Lieblichkeit menschlicher Rede und insbesondere dieErhabenheit geistlicher Dichtung.

    Im Anschluss an die poetische Form der Psalmen ist auch drittens noch Deklamation und dermusikalische Vortrag derselben zu betrachten. Ursprnglich wurden wohl die Gedichte gleich vondem Snger unter Begleitung eines musikalischen Instrumentes in irgend einer Melodie vorgetra-gen. Rhythmus und Gesang gingen hier Hand in Hand. Die hhere Deklamation ging sehr natrlichin Rezitation ber, indem nicht blo durch Strke und Schwche, sondern auch durch Hhe und Tie-fe des Tons nach der musikalischen Skala der menschlichen Stimme Variation und Modulation derEmpfindung einen Ausdruck gewinnt. Ein ruhiger oder aufgeregter Rhythmus, lange oder kurzeVersglieder, eine ruhig auf- und absteigende Wortreihe oder gebrochene, hervorgestoene, schnellwechselnde Empfindung musste sachgem auch die Art und Weise des Tonfalls oder der Tonleiter,das Tempo und anderes bestimmen. Es gab eine besondere Kunst15, welche den musikalischen Vor-trag eines Liedes ordnete und einbte, und die Psalmen sind fast smtlich in den Tempelhfen ge-sungen worden, wie sich auch spter der Psalmengesang in die christliche Kirche verpflanzt hat undnamentlich bei den Syrern und Armeniern eigentmlich ausgebildet worden ist. Der einzelne Psalmwird deshalb fr sich dem Musikmeister zur Komposition bergeben, nicht selten aber das Instru-ment bestimmt, von dem es begleitet werden soll, die Art und Haltung der Melodie berhaupt da-durch also angedeutet. Die Schlussverse oder Refrains wurden dabei wahrscheinlich von grerenChren wiederholt und in den Pausen wurde die durch den Gedanken selbst hervorgerufene Emp-findung durch Zwischenspiel fortgeleitet. Dies ist die sicherste Erklrung des viel untersuchten Se-lah, welches die Septuaginta durch Zwischenspiel wiedergeben. Von Aquila, dem Chalder, undanderen wird das Wort durch immer, ewig bersetzt; dass es aber Musikzeichen sei, ist kaum zubezweifeln. Pfeiffer bersetzte es nach dem Arabischen durch membrum, Einschnitt; andere lei-ten es ab von Salal, z. B. Kimchi heb auf, halt ein. Am wahrscheinlichsten ist es eine Imperativ-

    15 Es war dies die Aufgabe des Gesangvorstehers, das ihm bergebene Lied seinem Charakter gem in Musik zusetzen und einben zu lassen. (Luther und Meister Walther.)

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  • Form Selah, in pausa Selah tolle oder sile. In einzelnen Fllen, beim Lobgesang, bei groen Fe-sten und Aufzgen war die Musik jedenfalls sehr reich und ihre Ausbildung muss bei den Hebrernvon hohem Grade gewesen sein. Die Instrumente selbst zerfallen in die groen Klassen der Saiten-,Blas- und Becken-Instrumente. Von den Priestern wurden Posaunen und Trompeten geblasen; dieeigentliche Musikbegleitung des Liedes geschah aber auf Saitenspiel: Harfen, Zithern, und ihnenzugesellt die Zimbeln. 1. Chron. 25, 2. Sam. 16.

    Anmerkung 1. Zu vergleichen fr den Rhythmus der hebrischen Poesie ist der Rhythmus deraltdeutschen Lieder, wo weder Silbenzhlung, noch Lnge und Krze der Silben sich findet, son-dern der Akzent den Rhythmus regelt.

    Anmerkung 2. Urteil des Henr. Stephanus ber den dichterischen Wert der Psalmen: So wenigsei den davidischen Psalmen die Dichtkunst abzusprechen, dass nichts gefunden werden knne, wasdichterischer, was wohllautender, was erschtternder, in den meisten Stellen begeisterter sei, nochgedacht werden knne, als die Psalmen (bei Gelegenheit des Kommentars von Flaminius).

    Anmerkung 3. Nach der Tradition im Talmud und bei Maimonides wurde am ersten Wochentagbeim tglichen Opfer Ps. 24, am zweiten Tag Ps. 48, am dritten 82, am vierten 94, am fnften 81,am sechsten 93 und 91, am Sabbat Ps. 92 gesungen. Die Psalmen 113-118 waren fr die grerenFeste die blichen; die Stufenpsalmen 120-134 sollen auf der Morgenseite auf den fnfzehn Stufenzwischen der Mauer und Frauen-Vorhof am Fest der Laubhtten gesungen worden sein. Vgl. Sirach47,12 ff.; Ps. (38,25-28; 1. Makk. 4,54 ff.; Neh. 12,27 ff. Vgl. auch die berschriften der Septuagin-ta.

    5. Die Psalmen in ihrer uns vorliegenden Zusammenstellung.De Wette, welcher fr den Pentateuch die Benennung eines hebrischen Epos erfunden, hat die

    Psalmen eine lyrische Anthologie genannt. Kster dagegen betrachtet den Psalter als das Synago-gen-Gesangbuch der Juden nach dem Exil; beide Bezeichnungen entsprechen gleich wenig demWesen der Sache. Es kann kaum bezweifelt werden, dass der Psalter in seiner gegenwrtigen Formallmhlich gesammelt worden ist. Ob schon David seine Lieder selbst zusammengestellt habe, istungewiss; er bergab zunchst das einzelne Lied dem ffentlichen Gesang. Es war nun aber natr-lich, dass von den Leviten und Sngern diese Lieder vielfach abgeschrieben wurden, wie denn auchaus der 1. K. 4,32 angegebenen Zahl der Lieder Salomos (der alles besungen, von der Zeder desLibanon bis zum Ysop, der an der Wand wchst) geschlossen werden muss, dass Lieder- undSpruch-Sammlungen berhaupt nicht ungewhnlich waren, wenn auch zur Bltezeit der Dichtkunstviele Lieder nur im Gesang der Kundigen und im Mund des Volkes sich fortzupflanzen pflegen.Kam in spterer Zeit der Dienst Jehovahs in Verfall, so haben doch einzelne Leviten ohne Zweifelum so geflissentlicher die alten Lieder aufbewahrt; von Hiskia wissen wir ausdrcklich, dass er dieLieder Davids und Assaphs wieder singen und unter anderem zu den Sprichwrtern Salomos Nach-trge sammeln lie. In den Propheten: Jes. 12, Jon. 2, Hab. 3 finden sich ebenfalls Lieder ganz nachArt der Psalmen, und alle Propheten, insbesondere Jeremias zeigen die genaueste Bekanntschaft mitdenselben. Mit Sicherheit ist endlich zu schlieen, dass Esra und Nehemia die Psalmensammlungvervollstndigt, revidiert und geschlossen haben: von Nehemia wird es im 2. Makk. 2, einer zwarunlauteren Quelle, behauptet und die sptere Tradition der Kirchenvter schreibt geradezu dem Esradie Sammlung der Psalmen zu. Vgl. Neh. 12,27 ff. Der Sammler hat gar nicht etwa den Zweck ge-habt, alle Lieder Davids, deshalb weil sie von David, zu sammeln: Die Auswahl ist geschehen nacheben der Art und dem Geist, worin berhaupt in den biblischen Schriften der Stoff ausgewhlt undangeordnet ist. Die Juden behaupten, in hnlichkeit des Pentateuch sei der Psalter in fnf Teile

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  • gebracht. Schluss-Doxologien finden sich zu Ende von Ps. 41. 72. 89. 106. Man hat nun allerdingsgefragt, ob dieses nicht den Psalmen ursprnglich angehrten, welches bei Psalm 106 cf. 1 Chron.17,36 am besten, bei Psalm 72 am wenigsten der Fall zu sein scheint; bei welchem letzteren Psalmsich auerdem noch die Worte finden: zu Ende sind die Gebete Davids. Vgl. Hiob 31,40; Jer.51,64. Es sei dem aber, wie ihm wolle: so lassen sich die Psalmen wirklich in diese Abteilungensehr fglich zerlegen.

    I. Ps. 1-41 enthlt nur Lieder von David, alle mit berschriften versehen mit Ausnahme von Ps.10. der in der Septuaginta mit Ps. 9 zu einem einzigen verbunden ist, Ps. 33 und Ps. 2, welcher letz -tere aber im N. Testament ausdrcklich dem David beigelegt wird. Apg. 4,25. Der 2. Psalm, welcherApg. 13,33 als erster Psalm genannt wird, weil im jdischen Altertum der erste Psalm nicht mitge-zhlt, sondern zum zweiten geschlagen wurde, ist dieser Abteilung Davidischer Lieder vorange-stellt, um anzugeben, von welchem Kampf und Knigreich David in diesen Liedern gesungen habe.

    II. Im zweiten Buch, Ps. 42-72, tragen die ersten Psalmen den Namen der Kinder Korahs, nichtals ob diese die Verfasser wren, sondern weil ihrem Chor die Auffhrung derselben bertragenwar. Es sind Psalmen, welche den Tempel, Zion, die Gemeinde Gottes und ihren Knig betreffen.An der Abfassung durch David kann kein gegrndeter Zweifel obwalten. Ps. 50 ist ein Lied von As-saph, vielleicht demselben Assaph, der eng mit David verbunden war und als Dichter unter allenvon David angestellten Sngern die erste Stelle einnahm. Ps. 51-65; 68-71 tragen wiederum DavidsNamen, manche mit Angabe der historischen Situation; nur Ps. 66, 67 sind anonym; Ps. 72 hat dieberschrift von Salomo (oder auch fr Salomo). Der Endvers zu Ende sind die Gebete Davidssoll ohne Zweifel sagen, der knigliche Held sei nunmehr zu seiner Ruhe eingegangen. Ps. 14 kehrtin diesem Buch wieder unter No. 53 und Ps. 70 ist Wiederholung von Ps. 40,14-18. nicht aber ausVersehen, sondern mit Absicht. Dieses zweite Buch enthlt im allgemeinen in den berschriften dieausfhrlichsten Angaben; die Psalmen sondern sich zum Teil nach einer ihnen gemeinsamen Be-zeichnung in den berschriften, oder nach dem Chor, dem sie berwiesen waren. Mit Ausnahmedes 50. Psalms sind auch die Lieder dieses zweiten Buchs wohl smtlich von David. Mit diesenzwei Bchern ist dann, wie es scheint, die erste Sammlung der Gebete Davids geschlossen gewe-sen; Ps. 71 enthlt ein Lied Davids aus seinem hohen Alter; Ps. 72 schildert sodann das Knigreichdes ewigen Salomo, so dass ein messianischer Psalm den Schlussstein bildet, wie der zweite Psalmden Grundstein.

    III. Das dritte Buch, ein Nachtrag zu den beiden ersten, enthlt 11 Lieder Assaphs (73-83) undwiederum solche, die den Korachiten bergeben waren, worunter eins als von David (Ps. 86), einanderes als von Heman, dem Esrachiten (Ps. 88), das letzte als von Ethan, dem Esrachiten, verfasstbezeichnet wird. Psalm 1-89 enthalten demnach die Hauptmasse der Lieder aus Davids oder derihm zunchst folgenden Zeit, grtenteils von ihm selbst verfasst, die meisten durch berschriftendem Tempelgesang ausdrcklich berwiesen. Diese drei Bcher knnen sonach als eine fr sich be-stehende Sammlung betrachtet werden, welche aus den Bchern der beim Tempel angestellten Sn-ger und Chre entstanden und schon vor dem Exil zusammengestellt ist. Im einzelnen ist manchmaldie Zusammenstellung mehrerer Psalmen durch gemeinsame Gedanken, durch bergnge, durchGleichzeitigkeit und anderes bestimmt, wie sich das bei genauerer Betrachtung leicht ergibt; die Artaber, wie Delitzsch, zum Teil auch Hengstenberg. v. Lengerke, oft durch ganz uerliche Gesichts-punkte und Gleichklang einzelner Worte und Verse den Sammler in der Anordnung geleitet sein las-sen, beruht kaum in einzelnen Fllen auf einer richtigen Beobachtung und widerspricht dem Geist,worin die Psalmen nicht blo gedichtet, sondern auch zusammengestellt worden sind.

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  • Zur Charakteristik der Davidischen Lieder.Man hat oft die Davidischen Lieder charakterisieren wollen. Zuerst ist aber hier die groe und

    reiche Mannigfaltigkeit anzuerkennen; nach Form sowohl als nach Inhalt sind die Lieder von derverschiedensten Art, wie schon die berschriften angeben, von dem einfachen Lied, dem kurzenSpruch bis zu dem in reichster Entfaltung prangenden Hymnus. Der ganze Reichtum der Eigen-schaften des Gemts, Geistes und Verstandes, womit Gott den Snger seiner Gnade begabt, samtder Flle der Situationen, die sein Leben aufweist, spiegelt sich in seinen Liedern ab. Bei Davidvereinigt sich die grte Zartheit mit der grten Kraft der Empfindung; keiner gibt wie er so ganzsich den Gefhlen hin und ist darum keiner wie er der Gefhle Meister. Seine Gesnge lassen ammeisten die, eigene Person des Sngers, wie alles ihn ergreift, in ihm lebt und empfindet, hervortre-ten und wiederum ist kein Dichter so mchtig, eine Dichtung und ein Gebilde, ganz gelst vonseiner Person, in ganz objektiver Haltung darzustellen, so dass die dramatischen, lyrischen und rhe-torischen Elemente in seltener Vereinigung gefunden werden. Frisch, frei und khn tritt das Liedhervor, aus sich selbst sich gestaltend, in vlliger Sicherheit und Anmut der Bewegung, und bei derEinfachheit und Durchsichtigkeit der Form tritt die nervige16 Flle der Gedanken um so mehr vorAugen. Wenig Reflexion oder eigentliche Belehrung findet sich in Davids Liedern: scharf, gleichvollendet, kniglich tritt allemal der Gedanke heraus. Oft kurz, prgnant, gedrngt und in khnsterBildersprache, ist doch anderwrts seine Rede sehr flieend, leicht, spielend, oder wird gar ein im-mer wiederholtes und lang anhaltendes Ausstoen derselben Empfindung.17

    Die letzten zwei Bcher, Ps. 90-106 und 107-150 sind wohl erst nach dem Exil gesammelt; dieberschriften, die berhaupt nur vereinzelt sich finden, enthalten nicht mehr musikalische Anwei-sungen fr den Vortrag, und nur selten sind die Verfasser genannt. (David: 101. 103. 108-110. 138-145.) Der Zeit nach umfasst die Sammlung Lieder von David, sogar zu Anfang eines von Mose, zu-gleich Lieder aus der Zeit des Exils; in den Liedern Davids tritt weniger hufig der individuelleCharakter hervor und sie sind unter den anderen zerstreut.18 Eine Anordnung nach der Materie stelltsich in einzelnen Gruppen deutlicher heraus; es finden sich Lieder fr besondere Zeiten, als denSabbat, das Passahfest, besondere Lebensverhltnisse und eine groe Anzahl von Lob- und Dank-liedern, zum ffentlichen Gebrauch bei Opfern und Festen bestimmt. Wir haben also deutlich einenachtrgliche Sammlung vor uns, worin Lieder aus verschiedenen Zeiten und von verschiedenenVerfassern, die teils zum Tempelgesang gehrten, teils zerstreut sich erhalten hatten, mit besondererRcksicht auf allgemeine Verhltnisse der Gemeinde und des huslichen Lebens zusammengestelltsind.

    Anmerkung 1. Benennung der Psalmen. Das ganze Buch heit im Neuen Testament Biblos tnPsalmon. in den Septuaginta Psalterion. Das Wort Psalmos ist bei den Septuaginta bersetzung deshebrischen Mizmor. welches in sehr vielen Psalmenberschriften sich findet, dem allgemeinerenSchr, Lied, zuweilen zugesellt, und als ein Lied zum Saitenspiel bezeichnet. Die Wurzel Zamarwird im Hebrischen vom Beschneiden des Weinstocks gebraucht; ein davon abgeleitetes Substan-tiv heit im Syrischen die Lichtputze. Klar ist demnach die ursprngliche Bedeutung: Schneiden,Beschneiden. In Beziehung auf den Gesang haben nun einige die Bedeutung angenommen: die Sai-ten rupfen, schlagen, daher spielen. Dagegen ist aber eingewandt, dass das Wort im Arabischenauch von Blasinstrumenten gebraucht wurde, weshalb andere die Erklrung von Schultens vorzie-

    16 Ps. 18 sieht man gleichsam den Krieger, den Athleten in der ganzen Anspannung seiner Nerven und Muskeln.17 Kindlich und kniglich zugleich. Der Krieger und der Hirte. Der Saitenspieler und der Herrscher.18 Ps. 108-110; 138-143 stimmen am meisten in der Art mit den Psalmen der ersten drei Bcher berein.

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  • hen: Einschnitte machen, Zsuren machen. Die von Hupfeld statuierte Bedeutung: summen istdurch keinen der Dialekte besttigt und bietet auch schwerlich einen natrlichen bergang zu derBedeutung: Reben beschneiden. Ebensowenig ist die Erklrung von Hengstenberg: zamar = putzen,schmcken, zieren, ein zierliches, kunstvolles Lied, besttigt.

    Im hebrischen Text findet sich als masoretische berschrift der Name Tehillim, Lobgesnge.Dieses Wort kommt in der berschrift von Psalm 145 vor und bedeutet ein Loblied in der Gemein-de, sowie 2. Chron. 31,2 das Sngeramt beschrieben wurde: lehodth ulehallel; vgl. das Hallelujahin 20 Psalmen der letzten Sammlung, auch in Psalm 106, der ein Bupsalm zu sein scheint. Psalm72 in der Unterschrift werden die Lieder Davids Thephillt genannt, Gebete. Diese beiden Namenbeziehen sich mithin auf den Inhalt, das Wort Psalmos auf die Form. Paulus im Epheserbrief be-zeichnet die Mannigfaltigkeit der Gesnge durch die Worte Psalmen, Hymnen und geistliche Oden(Eph. 5,19).

    ber die Zeit der Psalmensammlung lassen sich keine bestimmte Angaben ermitteln. Die erstenBcher knnen ziemlich frh zusammengestellt sein, ohne Zweifel vor dem Exil, vgl. 2 Chron.29,30. Psalm 1 ist Jeremias bekannt, wahrscheinlich auch als an der Spitze der Sammlung stehend.In gleicher Weise wie die Sprchwrter Salomos von cap. 25 Nachtrge durch Hiskia erhalten ha-ben, so mgen schon unter Hiskia die ersten Bcher vorhanden gewesen sein, und dieser Knigwird ohne Zweifel einer sorgfltigen Sammlung Davidischer Lieder seine Aufmerksamkeit zuge-wandt haben. Aus 1. Chron. 17 erhellt, dass zur Zeit, als dieses Buch geschrieben wurde, der ganzePsalter schon vorlag.

    Anmerkung 2. Ganz anders lauten natrlich ber Zeit und Verfasser der Psalmen die Urteile de-rer, welche die Echtheit der berschriften verwerfen. De Wette hat sich begngt, einige sehr allge-meine Canones aufzustellen, nach denen ber Zeit und Verfasser eines Psalms geurteilt werdenknnte. Bei der Erklrung vergleicht er den Inhalt mit der berschrift; scheint ihm beides nicht zustimmen, weil etwa im Psalm die Phrase schb schebth vorkommt, oder die Heftigkeit einer Klageihm nur zur Zeit des Exils denkbar erscheint, so spricht er das Lied dem David ab und stellt Vermu-tungen auf, je nachdem ihm der Psalm ursprnglich oder nachgeahmt, alt in der Sprache, d. h.schwerfllig, oder jung, einer Blte- oder Verfallzeit anzugehren scheint, nach Voraussetzungen,die auf der einen Seite ausgesprochen, auf der andern wieder umgestoen werden. Dagegen hat Hit-zig den ganzen Psalter nach positiver Kritik durchgegangen und Zeit und Verfasser zu bestimmengesucht, und zwar nicht etwa nach allgemeinen Regeln, sondern durch Vergleichung manchmal ei-nes einzigen Wortes im Psalm mit anderweitig gegebenen historischen Daten.19 Psalm 3 z. B.kommt ein Wort gleich zu Anfang vor: in der Geschichte Davids hat Hitzig dasselbe Wort 1. Sam.30 gefunden. Ps. 45, den Augusti dem Mardochai in den Mund legt, soll nach Hitzig wegen derWorte elfenbeinerne Palste in die Zeit nach Ahab gehren, weil derselbe nach 1. K. 22 ein Elfen-beinhaus erbaut habe. In dem zweiten Buch sollen auch viele Psalmen von Jeremias sein, mit gr-ter Sicherheit z. B. Ps. 69, wo David klagt: Errette mich aus dem tiefen Schlamm!, weil von Jere-mias erzhlt wird, er sei in eine Schlammgrube gesetzt worden. Aber schon mit dem dritten Buch istHitzig auf dem Feld angekommen, wo er sich am heimischten fhlt, in der Makkaberzeit; da gabsDruck, Kampf und Sieg! die schnste historische Grundlage, sich die Trauer- und Jubeltne derPsalmen zu erklren. Ps. 110 kann nach Hitzig nicht vor der Zeit gedichtet sein, wo ein Hasmonerknigliche und hohenpriesterliche Wrde verband. Ps. 1 u. 2, welche schlielich der ganzen Samm-lung vorgesetzt sein sollen, gehren nach Hitzig in die Zeit des Alex. Jannus. etwa 85 v. Christo.

    19 Man wei nicht, ob man sich mehr wundern soll ber die Zuversicht, womit dergleichen geboten, oder denGleichmut der Wissenschaftlichen, womit es aufgenommen wird.

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  • Auch Ewald hat den Psalmen eine neue Anordnung gegeben, indem er in der Literatur der hebri-schen Lyrik verschiedene Zeiten und eine Entwicklungsreihe annimmt, wonach er dir Psalmen anDavid, die Zeit kurz nach David, die Zeit des Hiskia, die letzte Zeit des Reichs, sodann das Exil unddie Epoche der Befreiung aus dem Exil verteilt. De Wette, welcher durch diese Kritiker sich ber-flgelt sah, hat in der Einleitung eine Zusammenstellung der Resultate beider gegeben, wo dann zu-weilen Ewald in Davids, Hitzig in der makkabischen Zeit sich befindet. hnliche Regeln wieEwald und Hitzig hat v. Lengerke fr die Erforschung des Zeitalters aufgestellt, und wenn Hitzigseine Kritik noch damit erffnete, wenn irgend etwas geschichtlich feststehe, so sei es dieses, dassuns Psalmen von David aufbewahrt seien, so ist v. Lengerke zu der Ansicht gekommen, David seiein zwar hochherziger, aber auch roher Charakter gewesen, und es passe auf ihn die weiche Hinge-bung und niedergedrckte Stimmung der Psalmen nicht; dass David ein religiser Dichter gewesen,sei erst zu beweisen.20 Dies fhrt auf den Ausgangspunkt dieses ganzen kritischen Verfahrens zu-rck, welches lediglich aus einem Ansto hervorgeht, den man am Inhalt der Psalmen nimmt, undhierbei ist als erste und einzige Regel aufzustellen, dass wenn die hebrische Literatur sich deutlichvon jeder anderen unterscheidet, fr sie auch besondere Gesetze gelten; die Lieder der Maria unddes Zacharias z. B. wird jedermann auf den ersten Blick schwerlich aus der Situation und Gemts-verfassung, wie man eine solche voraussetzen mchte, erklren knnen. Auch in Beziehung auf dieForm ergibt sich die folgenreiche Beobachtung, dass, wie sehr und deutlich einerseits jede biblischeSchrift ein freier Erguss des Geistes ist und das eigentmliche Geprge der Zeit und des Verfasserstrgt, dennoch eine Gleichmigkeit so groer Art sich zeigt, dass die Erzhlung der Genesis we-sentlich mit der Erzhlung der Evangelien einen Charakter trgt, und die ltesten Lieder oft glei-chen Klang haben mit den sptesten. Am allerunsichersten und schwankendsten sind die Argumen-te, die man aus der Sprache hat entnehmen wollen, wie die widersprechendsten Meinungen der Ex-egeten an allen Punkten deutlich herausstellen. Denn wer hat Kunde darber, welche Wrter undWortformen in Davids Zeit blich gewesen oder nicht?

    Den kritischen Unternehmungen, der Psalmen mglichst viele in sptere Zeit herabzusetzen, ge-rade gegenber steht die Ansicht von Clauss, welcher auf eine Stelle des Talmud und die Traditionder Kirchenvter gesttzt, alle Psalmen dem David vindizieren will. Er muss aber dabei das le derberschriften sehr gezwungen erklren, und hat die Stelle 2. Chron. 29,30 gegen sich. Schon Hie-ronymus legte alle anonymen Psalmen dem David bei; Augustin meint, David habe einige fremdeNamen mit allegorischer Bedeutung vorgeschrieben.

    6. Die Messianitt der Psalmen.So wenig die Phariser die Frage des Herrn beantworten konnten: Was dnket euch um den

    Messias? wenn ihn David im Geist einen Herrn nennt, wie ist er denn sein Sohn? Mt. 22,41 ff.,ebensowenig kann die menschliche Vernunft die Frage lsen, wie die Psalmen von den Apostelnvon dem Messias Jesus ausgelegt werden, da sie doch von dem Knig David oder Salomo handeln.Es entsteht uns hier die wichtige Untersuchung: wie sind die Apostel dazu gekommen, die Psalmendirekt von Christo auszulegen? Hat etwa die Beschuldigung Grund, dass die Apostel darin fehler-haften hermeneutischen Grundstzen der Juden gefolgt sind? Schenken wir dem Neuen TestamentGlauben, so ist z. B. Lk. 24,44 und Apg. 1,16 so ausdrcklich bezeugt, dass die Apostel ihre Ausle-

    20 Historische Interpretation will man und man kennt die Geschichte des inneren Lebens gar nicht, woraus die Psalmenhervorgehen. Wollten die Kritiker ehrlich sein, so mssten sie gestehen: die Psalmen als Ganzes seien demgewhnlichen Gedankengang der Menschen nicht entsprechend; der Psalter msse seinen eigenen Geist, seineigenes Interpretationsprinzip haben. Statt dessen nehmen sie einen Vers, eine Phrase und sagen, das bezieht sich aufnichts anderes als das Exil etc., und so meinen sie es abgetan zu haben.

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  • gung des Alten Testaments nicht etwa der jdischen Theologie, auch nicht ihrem eigenen Gutdn-ken, sondern unmittelbar Christo selbst und dem Geist Gottes verdanken, dass der an ChristumGlubige darber keinem Zweifel Raum lassen kann. Zudem bezeugt der Apostel Petrus, II. Br. c.1,19, dass nicht eine einzige Weissagung irgend einer biblischen Schrift vom menschlichen Verstan-de ausgelegt werden kann; denn was in heiligem Geist geredet ist, knne auch nur in demselbenheiligen Geist gelst und verstanden werden. Die vom Geist Gottes erleuchteten Mnner, wie Lu-ther, Calvin u. a., haben denn auch in den Psalmen und im Alten Testament berall des Geistes We-sen versprt und eben das darin gefunden und gelesen, was die Apostel als darin geschrieben ver-kndigt haben; in neuerer Zeit dagegen hat man die Kluft zwischen der Verheiung im Alten undder Erfllung im Neuen Testament immer grer gemacht und die apostolische Auslegung durcheine andere verdrngt, die man bald historische, bald typische, in neuester Zeit organisch-typischeoder pneumatische Auslegung genannt hat. Um ber diesen wichtigen Gegenstand Klarheit zu er-langen, versetzen wir uns zunchst in die Zeiten Davids und stellen

    1) die Frage, in welchem Geist hat David seine Gebete vor Gott ausgesprochen und niederge-schrieben? De Wette in seiner Schrift ber die erbauliche Erklrung der Psalmen will es zwarnicht leugnen, dass der Seele der Psalmendichter ein Heil vorgeschwebt habe, welches nicht zeit-lich, sondern ewig sei und im Neuen Testament wirklich seine Erfllung gefunden habe; er leitetaber diese Heilserkenntnis nicht ab von dem heiligen Geist, sondern aus einem Ahnungsvermgenund tieferen religisen Gefhl, also aus menschlichem Geist, weshalb er auch den Psalmen einenanderen Grad der Inspiration beilegt, als den Propheten. Dagegen sagt die Schrift Apg. 2,30, dassDavid, da er ein Prophet war, vorherschauend geredet habe von der Auferstehung Christi, und Chri-stus selbst sagt (Mt. 22,41), im Geist habe David den Messiam seinen Herrn genannt. Und Davidbezeugt 2. Sam. 23,1, dass der Geist des Herrn durch ihn geredet und dessen Worte auf seiner Zun-ge gewesen sind, so dass David selbst nicht anders wie auch die Propheten dessen ganz gewiss ge-wesen ist, dass nicht blo die Gedanken, sondern auch die Worte seiner Psalmen nicht von ihm,sondern von dem Geist des Herrn herrhrten; vgl. Ps. 45,2. De Wette behauptet ferner, der Ah-nungsgeist sei von Davids subjektivem Geist nicht zu unterscheiden. Die Lehre der Apostel abersagt, 1. Petr. 1,10, die Propheten htten gesucht und geforscht, auf welche Zeit der Geist Christi inihnen gedeutet habe, so dass also David fr sich selbst mit seinem Geist ber die Zeit der Erfllungdessen, was der Geist Christi in ihm offenbarte, nach Verstndnis gesucht habe. De Wette behauptetendlich, jenes Ahnungsvermgen sei ein dunkles, unbewusstes, die Apostel aber sagen, gerade mitBezug auf die Offenbarung in der Schrift, dass Gott alle seine Werke bewusst sind von der Welt her,und dass der Geist alles erforscht, auch die Tiefen Gottes; Apg. 15,18;21 l. Kor. 2,11 ff. Wer sichnicht absichtlich gegen das Zeugnis verschliet, welches der heilige Geist selbst von sich ablegt, derwird bei jedem Psalm sich berzeugt sehen, dass nicht ein menschlicher Geist, sondern der GeistGottes allein ein solches Gebet in eines Menschen Seele entznden und die Worte dazu darreichenkann, insofern nmlich der heilige Geist allein die wahre Erkenntnis der Snde und Bue schafft,den Glauben und das Vertrauen zu Gott erweckt und erhlt, die Freimtigkeit zum Gebet und mittenin der Not die Gewissheit der Erhrung erteilt. Es hat mithin durch und in David der Geist Christiund Gottes geredet, und wie sehr man auch in pantheistischer Weise den Geist Gottes herabziehenwill in den Menschengeist und seine Persnlichkeit und Ewigkeit leugnen, so entschieden lehrt dieSchrift hier den strengsten Gegensatz festzuhalten, dass alles, was von Menschen kommt, mensch-lich und irdisch, und allein, was von Gott ausgeht, ewig und gttlich ist. Fragt man, woran man esprfen knne, ob etwas im Geist Gottes oder in menschlichem Geist geschrieben ist, so denke man21 Nicht anders als aus der Schrift will Jakobus den zuvor klar verkndeten Willen Gottes fr seine Zeit, die Zeit des

    Neuen Testaments, erkannt haben.

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  • nicht an diejenigen Eigenschaften Gottes, wonach er fr uns unbegreiflich und unerforschlich ist,sondern an diejenigen, nach welchen sich Gottes Geist unserem Geist kundgibt und offenbart. Er istder heilige Geist, vor dem keine Falte des Herzens sich verbergen und keine Ungerechtigkeit beste-hen kann; er ist der Geist der Wahrheit, welcher das allein wahrhaftige Heil und die einzig vor Gottgeltende Gerechtigkeit verkndigt und versiegelt, welcher die wahrhaftige Erkenntnis gibt von Sn-de, Gerechtigkeit und Gericht; er ist der Geist des freimtigen Zutritts zu Gott, welchen Gott in sei-ner Gnade offenbart und Friede, Zuversicht, Freude und ewiges Leben bringt. Prft man die Psal-men nach diesen Gesichtspunkten, so wird der Geist zeugen, dass Geist Wahrheit ist und man wirdgestehen mssen, dass es dem Menschen aus eigenem Geist unmglich ist, so zu beten, wie Davidgebetet hat. Denn in des Menschen Seele ist wohl Furcht, aber kein wahrhaftiges Vertrauen zu Gott,und das von Gott in Christo einer sndigen Menschheit bereitete Heil hat keines Menschen Herz ah-nen oder vorherempfinden knnen. 1. Kor. 2,9; Jes. 64,4.

    2) Wir beantworten zweitens die Frage, welche Stellung die heilige Schrift dem Knig David inder Verwirklichung des Heilsplans Gottes anweist. Als der Engel die Geburt Jesu ankndigt, sagt erLk. 1,32: derselbe werde ein Sohn des Allerhchsten genannt werden, und Gott der Herr werdeihm geben den Thron seines Vaters David, womit zu vergleichen Lk. 1,69 (Zacharias); 2,11; 2.Sam. 7,13; cf. Mt. 1,1; 2. Tim. 2,8; Rm. 1,2. Nicht minder hebt es Matthus hervor, dass Jesus einSohn Davids des Knigs (c. 1,1) sei und Paulus will Jesum Christum im Gedchtnis gehalten haben,auferstanden aus Toten, aus dem Samen Davids, 2. Tim. 2,8; Rm. 1,2. David war nicht ein K-nig im gewhnlichen Sinne des Worts. Von Gott war er erwhlt, von Gott gesalbt, von Gott durchLeiden zur Herrlichkeit gefhrt und zum Frsten gesetzt ber sein Volk, zum Hchsten ber alleKnige der Erde (Ps. 78,70 ff.; Ps. 89,20 ff.). Die alte Theologie hat nicht unrecht gehabt, wenn sieReal- und Personal-Typen unterschied; d. h. gleichwie es Gott gefallen hat, in den Einrichtungenund Verordnungen des Priestertums als in einem Bild die Weissagung einzuhllen und niederzule-gen von dem Hohenpriestertum Christi, so hat er nicht minder die Verheiung des Messias als desvon Gott gegebenen, gesalbten und erhhten Knigs eine sichtbare Darstellung und Erscheinunggewinnen lassen in dem Knigtum David (an welchem er vornehmlich die Leiden des Messias unddie darauf folgende Herrlichkeit vorgebildet hat). Die Person und Geschichte Davids ist bereits inden Augen der Propheten nichts andres als eine gleichsam verkrperte und ins Leben getretene, per-sonale Abbildung und Verheiung des einigen und ewigen Knigs, der als der Sohn und Erwhltedes ewigen Vaters Recht und Gerechtigkeit grnden werde auf Erden; Hos. 3,5; Hes. 34,23 ff.; Jes.55,3; 9,7. Nicht anders hat auch David selbst sich betrachten knnen, wie Paulus (Apg. 13,22.34)sagt, dass er dem Rat Gottes an seinem Geschlecht gedient habe. Durch Samuels Salbung war er inden Augen des Volkes der Gesalbte des Herrn, und infolge dieser Salbung kamen alle seine Leidenber ihn, und infolge dieser Salbung wurde er aus allen Leiden errettet. Als er sodann Ruhe hattevon allen seinen Feinden und dem Herrn ein Haus bauen wollte zu Jerusalem, lie ihm Gott durchseinen Propheten die Verheiung eines ewigen Knigreichs bringen, dass nicht er Gott, sondernGott ihm ein Haus bauen und einen Sohn und Erben ihm geben werde, dem er selbst zum Vatersein, der also als Davids Sohn zugleich Gottes Sohn sein werde, 2. Sam. 7, weshalb auch David inseinem Gebet ausruft, Gott habe von fernem Zuknftigem zu ihm geredet und von der Weise einesMenschen, der Gott der Herr aus dem Himmel sei (2. Sam. 7,19; 2. Chron. 18,12.17). Diese Verhei-ung hat David als ein Wort und Gabe freier Gnade und unbegreiflicher Herablassung Gottes emp-fangen, und je mehr er ihren Umfang und ihre Hhe sehnschtig erforschte (cf. 2. Sam. 7,18.22 ff.),um so mehr musste er durch den Geist dahin geleitet werden, sie mit den frheren Verheiungenund Gnadenerweisungen Gottes in Ver