6
1152 | SCHWERPUNKT Autor: Günther Heil Wollen Sie später mal von den eigenen Kindern gepflegt werden? Oder wären Sie bereit, in einem Pflegeheim zu leben? Und wie müsste so ein Heim aussehen, damit es wirklich Ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprechen würde? Der folgende Beitrag wagt ein Blick in die Zukunft und zeigt, welche Wohn- und Betreuungsformen es künftig geben und welche neue Technologien die Pflege unterstützen könnten. Altenpflege morgen Das Pflegeheim der Zukunft Die Schwester Der Pfleger 50. Jahrg. 12|11 Foto: Getty Images Fotos: iStockphoto

Altenpflege morgen Das Pflegeheim der Zukunft · 2012-02-28 · Wie die Technologie uns helfen kann Der Technikeinsatz hat unseren Arbeitsalltag längst erreicht. Langsam schleichend

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Altenpflege morgen Das Pflegeheim der Zukunft · 2012-02-28 · Wie die Technologie uns helfen kann Der Technikeinsatz hat unseren Arbeitsalltag längst erreicht. Langsam schleichend

1152 | SCHWERPUNKT Autor: Günther Heil

Wollen Sie später mal von den eigenen Kindern gepflegt werden? Oder wären Sie bereit, in einem Pflegeheim zu leben? Und wie müsste so ein Heimaussehen, damit es wirklich Ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprechenwürde? Der folgende Beitrag wagt ein Blick in die Zukunft und zeigt, welche Wohn- und Betreuungsformen es künftig geben und welche neueTechnologien die Pflege unterstützen könnten.

Altenpflege morgen

Das Pflegeheim der Zukunft

Die Schwester Der Pfleger 50. Jahrg. 12|11

Foto: Getty Images

Fotos: iStockphoto

Page 2: Altenpflege morgen Das Pflegeheim der Zukunft · 2012-02-28 · Wie die Technologie uns helfen kann Der Technikeinsatz hat unseren Arbeitsalltag längst erreicht. Langsam schleichend

reitschaft von älteren Menschen,in konventionellen Pflegeein -richtungen versorgt zu werden.Stattdessen zeigt sich ein expli-zites Bedürfnis nach Selbstbe -stimmung, Teilhabe und derWahrung von Privatsphäre undIndividualität. Und last but notleast gibt es einen zunehmendenMangel an Auszubildenden undqualifiziertem Personal in derPflege.

Die Pflegeeinrichtung

der 5. Generation

Wie sieht nun das Pflegeheimder Zukunft aus? Unser Ver -sorgungssystem und insbeson-dere die institutionelle Pflegehaben sich im Laufe der Zeitbereits sehr stark gewandelt. DieÜbergänge waren fließend, undältere Pflegeheim-Generationensind zum Teil heute noch inBetrieb.

1.Generation: Anstaltstyp (bisAnfang 20. Jahrhundert,

Klöster, Spitäler und Siechen -häuser mit Sälen, oft nur Tren -nung nach Geschlecht, minimaleAusstattung, keine Privatsphäreoder individuelle Sanitärein -richtungen).

2.Generation: Altenkranken -haus (Mitte 20. Jahrhun -

dert, Mehrbettzimmer mit Wasch -tisch, verbesserte und funk-tionelle Ausstattung, zentralerSpei se saal, zum Teil Bäderab -teilung, eigene Physiotherapie,wenig wohnlich).

3.Generation: Altenwohn- undPflegeheim (ab 1970er-Jah -

re, kleinere Wohnbereiche, all-mählich mehr Einzelzimmer mitNasszellen und mehr Privat -sphäre).

4.Generation: Stationäre Haus -gemeinschaft (um 2000,

Los lösung von zentralen Ver -sorgungseinheiten wie Groß -küche und Wäscherei, stattdes-sen Leben, Wohnen und Kochenin familienähnlichen Gruppen,fast nur Einzelzimmer).Insbesondere wegen der sozialenVeränderungen hat das Kurato -rium Deutsche Altenhilfe (KDA)jüngst ein Zukunftskonzept vorgelegt, das die bisherigen vier

Die Schwester Der Pfleger 50. Jahrg. 12|11

SCHWERPUNKT | 1153

stehen immer weniger Angehö -rige zur Pflege zur Verfügung.Soziale Sicherungssysteme kön-nen künftig möglicherweise nurnoch eine Basisversorgung leis -ten und fordern immer mehrEigenverantwortung.Geändert haben sich auch An -gebot und Nachfrage. Zum einenwächst die Nachfrage nach bud-get- oder selbstfinanzierten Ge -sundheits- und Versorgungs -ange boten. Zum anderen wächstauch der private und globali-sierte Anbietermarkt. Die Fol -gen sind ein verstärkter Dienst -leistungsgedanke und erhöhterWettbewerb. Auch haben wir es mit einer„Emanzipation der Patienten“zu tun. Dies äußert sich vor al -lem in einer gestiegenen Kun -den souveränität und gehobenenAnspruchshaltung von altenMenschen und deren Angehö -rigen. Gleichzeitig sinkt die Be -

Der soziale und demografi-sche Wandel verläuft ra -sant. Es steht außer Frage,

dass schnell neue Wohn- undVersorgungsformen für eine al-t ernde Gesellschaft entwickeltwerden müssen. Und diese Hil -fesysteme müssen maßgeschnei-dert sein für unsere Bedürfnisseund Bedarfe in der Zukunft.Darum ist es notwendig zu wis-sen, welche soziologischen unddemografische Phänomene wirdabei berücksichtigen müssen.Denn vieles ist heute anders undwird sich weiter ändern: ZumBeispiel haben sich die Bedarfs -lagen aufgrund des demografi-schen Wandels und des medizi-nischen Fortschritts geändert,durch steigende Lebenserwar -tung, Multimorbidität oder auchDemenz. Ebenso haben sich tra-ditionelle Familienstrukturen ge -ändert oder lösen sich auf: DieAnzahl der Kinder sinkt, und es

Page 3: Altenpflege morgen Das Pflegeheim der Zukunft · 2012-02-28 · Wie die Technologie uns helfen kann Der Technikeinsatz hat unseren Arbeitsalltag längst erreicht. Langsam schleichend

ferenziertes Systemangebot undist wohnortnah eingebettet inein sogenanntes „Quartier“ –einem relativ eingegrenzten So -zialraum bis zirka 10 000 Be -wohner mit eigener Identitätund Abgrenzungstendenzen zumUmfeld, etwa das Stadtvierteloder die Dorfgemeinschaft. Innerhalb dieses „Quartiers“sollen alle dauerhaft notwen-di gen Versorgungsangebote exis -tieren und dem alten Menschenzugänglich gemacht werden.Somit wäre nur im Extremfall,zum Beispiel bei notwendiger24-Stunden-Betreuung aufgrundschwerer Demenz oder Inten -sivpflege in der finalen Phase,ein dauerhafter Umzug inner-halb des Stadtteils in eine spe-zielle Wohnform nötig.

Ein weiteres wesentliches Merk -mal der 5. Generation ist dieEinbindung von generationen-übergreifenden Angeboten unddie Förderung von Laienhilfe.Dies wird beispielsweise da -durch forciert, dass mit der Ein -führung des Bundesfreiwilligen -dienstes dem verbindlichen, so -zialen Engagement keine Al -tersgrenze mehr gesetzt wurde.Was früher durch Zivildienst anUnterstützungsleistung und Ar -beitspotenzial genutzt wurde,soll zukünftig verstärkt durchandere Zielgruppen erfolgenund erweitert werden, zum Bei -spiel Ehrenamtliche, Teilzeitbe -schäftigte, Hartz-IV-Empfängerund Rentner. Der Sozial- undGesundheitsexperte Prof. KlausDörner spricht von einem soge-nannten „Dritten Sozialraum“,

Die Schwester Der Pfleger 50. Jahrg. 12|11

1154 | SCHWERPUNKT

Generationen der InstitutionPflegeeinrichtung um eine voll-kommen neue Versorgungsformergänzt: das „Virtuelle Pflege -heim“. Die sogenannte 5. Ge -neration gemäß KDA lässt sichcharakterisieren mit ihrer hohenKomplexität und ihrer vielfälti-ge Angebotsstruktur von nied-rigschwelligen über ambulantebis hin zu teilstationären undstationären Versorgungsange -boten (Abb. 1). Sie basiert auf der Annahme,dass alte Menschen möglichstbis zuletzt in der eigenen Woh -nung leben wollen und werden.Aufgrund der zunehmendenPrävalenz von Pflegebedürftig -keit und eines hohen Lebens -raumsbezugs von älteren Men -schen verfügt diese „VirtuellePflegeeinrichtung“ über ein dif-

Hospiz

Ambulant betreute Demenz-

wohngemeinschaften

Wohngemeinschaften für rüstige Senioren

Kurzzeitpflege, Tages- und Nachtpflege, Altentagesstätten

Betreutes Wohnen in seniorengerechten Apartments

Betreutes Wohnen zu Hause, Alltagsassistenz, Videophonie, ambulante Pflege, Essen auf Rädern etc.

Beratungsangebote, Selbsthilfegruppen, offene Kultur- und Freizeitangebote für Senioren, generationenübergreifende

Netzwerke und Begegnungsstätten etc.

Gemein-schaftliche

Wohnformen

Teilhabe undGemeinschaft

versusIndividualität

undPrivatsphäre

SinguläreWohnformen

Abb. 1 Beispielhaftes Versorgungsangebot

der Pflegeeinrichtung der 5. Generation. Es ist möglichst lückenlos

und wird idealerweise durch ein professionelles Case Management

für den alten Menschen erschlossen

Page 4: Altenpflege morgen Das Pflegeheim der Zukunft · 2012-02-28 · Wie die Technologie uns helfen kann Der Technikeinsatz hat unseren Arbeitsalltag längst erreicht. Langsam schleichend

Die Schwester Der Pfleger 50. Jahrg. 12|11

der die Lücke zwischen derschwindenden Familien- undder kostenintensiven Profipflegeschließen wird.Doch schon länger fordern En -quete-Kommissionen und Ex -pertengruppen eine Verände -rung der Versorgungs landschaftmit ähnlichen Charakteristika.Im dritten Bericht über dieEntwicklung der Pflegeversiche -rung von 2004 wurden bereitsfolgende Maßnahmen zur Ver -besserung der Versorgung Pfle -ge bedürftiger gefordert:

Aufbau einer teilstationärenInfrastruktur,

Förderung von modernen,wohnortnah gelegenen Pflege -einrichtungen,

Pflegeeinrichtungen für be -sondere Gruppen von Pflege -bedürftigen,

Hospizeinrichtungen.Ein Szenario von den vielen„Engel aus dem Osten“, die al-te Menschen in Zukunft inDeutsch land betreuen werden,wird wahrscheinlich nicht ein-treten. Viel zu schnell steigender Lebensstandard und damitnatürlich auch die Gehalts -vorstellungen in den osteuropä-ischen Ländern. Zumal andereeuropäische Länder für Hilfs-und Fachkräfte wegen der Be -zahlung attraktiver sein dürftenals Deutschland. Die Tendenzgeht aber dahin, in bevölke-rungsreichen Armutsregionennach Betreuungskräften Aus -schau zu halten (Indien, Afrika,Südamerika, Südostasien). Sonennt sich die Haushaltshilfeder Zukunft vielleicht der „En -gel aus dem Süden“.

Wie die Technologie

uns helfen kann

Der Technikeinsatz hat unserenArbeitsalltag längst erreicht.Langsam schleichend und ohnedass wir es bemerkt haben, hatdie Technik Einzug in die Pflegegehalten. Sie soll uns die Arbeiterleichtern und dem Bewohnerdas Leben angenehmer machen.Eine kurze Rückschau zeigt,welche wichtigen technologi-schen Errungenschaften sich inden letzten Jahren und Jahr -

zehn ten in der Pflege – und nichtnur in hoch spezialisierten In -ten sivstationen – etabliert haben(Abb. 2).

Die Einführung dieser Systemewar nicht immer segensreich.Anhand dieser Beispiele wirdjedoch Folgendes konkret: Tech -nologie kann sowohl dem Pa -tienten/Bewohner als auch demPflegepersonal und damit derOrganisation insgesamt „die-nen“ – im günstigsten Falle bei-den.Der Pflege- und Gesundheits -bereich ist weltweit einer dergrößten Wachstumsbereiche, be -sonders aufgrund des medizini-schen Fortschritts und derdemografischen Entwicklung.Es ist bereits vom „MegatrendGesundheit und Pflege“ dieSprache. Gleichzeitig wird die„Ressource Mensch“ als Arbeits -kraft immer knapper, was denTechnologisierungs-Effekt nochzusätzlich verstärkt. In Zukunftmüssen immer mehr alte Men -schen von immer weniger jungenMenschen gepflegt und versorgtwerden. Allen voran sind es For -schungsinstitute wie die Fraun -hofer-Gesellschaft oder der VDE(Verband der Elektrotechnik,Elektronik, Informationstechnike. V.), die bereits fortgeschritteneTechnologien bis zur Marktreifehin entwickelt haben.Für alte und kranke Menschengibt es bereits ein eigenes Feld,in das Millionenbeträge zur For -schung und Entwicklung neuerTechnologien fließen. „Unter‚Ambient Assisted Living‘ (AAL)

werden Konzepte, Produkte undDienstleistungen verstanden, dieneue Technologien und sozialesUmfeld miteinander verbindenund verbessern mit dem Ziel, dieLebensqualität für Menschen inallen Lebensabschnitten zuerhöhen“ (Zitat auf der Home -page des Bundesministeriumsfür Bildung und Forschung).

Zukunftsszenario für eine

altersgerechte Versorgung

Im Rahmen des Verbundfor -schungsprojektes „Pflege2020“wurde beispielsweise unterFederführung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaftund Organisation (IAO) einZukunftsszenario entwickelt,wie eine altersgerechte Versor -gung in der Zukunft aussehenkann. Sowohl „Software“ (so -ziale und medizinische Dienst -leistungsangebote) als auch„Hardware“ (Technologieein -satz) wurden dazu schon ent-worfen. Im Inhaus2 des Fraun -hofer-Instituts können dieseZukunftsvisionen zum Teil vor -ab betrachtet werden. Im Fol -genden werden einige Techno -logien aufgezählt, die möglichwären:

Ein LCD-Panel oder Touch -screen-PC mit Web-Cam alsKommunikationszentrale, ummit Familienangehörigen oderdem Pflegedienst Kontakt auf-zunehmen. Der alte Menschkann per „Videophonie“ bei derEinnahme seiner Medikamenteoder zu Bewegungsübungen an -geleitet werden.

– PEG-Sonden sorgen für die zeit- und mengengenaue Zufuhr von Flüssigkeiten undNährstoffen für Bewohner und Patienten

– Wechseldruckmatratzen steuern die variable Druckverteilung bei immobilen Menschenund beugen somit der Entstehung von Druckgeschwüren vor

– Hebelifter und Aufstehhilfen ermöglichen die Mobilisierung und den Transfer von bewegungseingeschränkten Menschen weitestgehend ohne körperliche Anstrengungen

– Elektronische Bestellsysteme erleichtern die Erfassung von Speisewünschen vonPatienten und sorgen für die automatische Weiterleitung an die Zentralküche

– Digitale Pflegedokumentationen erfassen Daten und Informationen. Sie unterstützen bei der Pflegeplanung und erinnern an regelmäßig wiederkehrende Leistungen undVerrichtungen

– EDV-gestützte Dienstpläne generieren zum Teil schon automatisch die Schichtpläne für mehrere Monate im Voraus und berechnen im Nachhinein Mehrarbeitszeiten undZulagen

Wichtige technologische Errungenschaften in der Pflege Abb. 2

SCHWERPUNKT | 1155

Page 5: Altenpflege morgen Das Pflegeheim der Zukunft · 2012-02-28 · Wie die Technologie uns helfen kann Der Technikeinsatz hat unseren Arbeitsalltag längst erreicht. Langsam schleichend

Bild 1 und 2: Das im Boden integrierte Licht-Leit-System weist

nachts den Weg zur Toilette

Bild 3: Der Medikamentenschrankerinnert tageszeitgenau per

Blinklicht an die Einnahme der richtigen Medikamente

Bild 4: Das LCD-Panel hilft, mit Angehörigen oder Pflegedienst

Kontakt aufzunehmenFotos: Fraunhofer IAO

Bild 1 Bild 2

Die Schwester Der Pfleger 50. Jahrg. 12|11

Ein Pflegebett, das dem altenMenschen beim Aufstehen hilft.Die Liegefläche dreht sich perKnopfdruck und befördert ihnin eine Sitzposition am Bett -rand. So ist der Transfer aneinen Tisch oder in einen Roll -stuhl ohne menschliche Unter -stützung möglich.

Pflegeprozess führt (Einblen -dung von Symbolen zur Zahn -pflege, Rasur usw.) und gleich-zeitig die Nachrichten des Tageseinblendet. Es erleichtert dieOrientierung und kann mögli-cherweise ein selbstständigesund unabhängiges Leben längermöglich machen.

Bewegungssensoren rund umdas Bett, die erkennen, wenn einalter Mensch aus dem Bettgestürzt ist oder nachts umher-wandert. Per automatischemNotruf wird Hilfe herbeigeholt.

Ein im Boden integriertesLicht-Leit-System, das dem al -ten Menschen nachts den Wegzur Toilette weist. Es schafftOrientierung, fördert die Selbst -ständigkeit und schützt vormöglichen Stürzen.

Eine Deckenbeleuchtung mit„zirkadianem Licht“. Diesesbesteht aus variabel zusammen-gesetzten Blau- und Rotanteilenund verändert sich im Tages -verlauf entsprechend dem Son -nenlicht (morgens vor allemkühlere Blauanteile, die bis zumAbend hin unmerklich von wärmeren Rot-Anteilen abgelöstwerden). Es nimmt Einfluss aufStimmung und Aktivität vonMenschen, die sich wenig imFreien aufhalten können.

Ein Bad-Spiegel, der perIcons durch den morgendlichen

Ein WC-Sitz, der sich derSitzhöhe des alten Menschenhydraulisch anpasst und gleich-zeitig als Waage fungiert. Dennselbst die einfachsten Bedürf -nisse können im Alter zur He -rausforderung werden. Zudemkönnen Daten über den Ernäh -rungsstatus gesammelt werden.

Ein Medikamentenschrank,der tageszeitgenau per Blink -licht an die Einnahme der richti-gen Medikament erinnert.

Sensoren und RFID-Chips,die bei einer schlechten Wetter -prognose den alten Menschendaran erinnern, beim Spazier -gang den Regenschirm mitzu-nehmen. Gleichzeitig könnendiese Sensoren innerhalb derWohnung orten, wo sich derWohnungsschlüssel befindet undper Lichtsignal den Weg dorthinmarkieren.

Ein Tracking-Modul mitGSM- und GPS-Technologie,mit dem per Knopfdruck eineNotrufkette per SMS aktiviertund eingehende Anrufe beant-

wortet werden können. Zudemkann der Benutzer jederzeit viaSatellit oder Handynetz geortetwerden oder das Verlassen einesvorher definierten Bereiches anBetreuungspersonen gemeldetwerden (Prinzip der „elektroni-schen Fußfessel“).

EDV-gestützte Übungspro-gramme zur kognitiven Akti -vierung (Gedächtnis- und All -tagstraining speziell für Senio -ren) am berührungsempfind-lichen Display, die weder Tas -tatur- noch Mausbedienung er -fordern. Die Akzeptanz dieserGeräte steigt mit der Bedie ner -freundlichkeit und der sich selbsterklärenden Benutzerober fläche.

Einsatz von Spielekonsolenmit altersgerechter Software undder Bedienung über Kör perak -tionen (Kegeln und Golf mitNintendo WII). Sie ermöglichenAktivität und Training inner-halb der eigenen vier Wän de.

Die „Betreuungs-Robbe“ Pa -ro, die mit Mimik, Gestik undGeräuschen auf Handlungenreagiert und Interaktion mitdem alten Menschen simuliert.Das Kuscheltier erzeugt wegendes Kindchen-Schemas eine ho -he Aufmerksamkeit bei seinemGegenüber.

Neue Technologien

für Pflegekräfte

Technologien können sowohlden Pflegenden als auch denPflegebedürftigen unterstützen.In jedem Fall muss der Nutzenfür die Pflegekraft immer aucheine positive Auswirkung aufden Pflegebedürftigen haben –

1156 | SCHWERPUNKT

Es muss eine Diskussion

über den Nutzen von neuen Technologien

in der Pflege stattfinden

Page 6: Altenpflege morgen Das Pflegeheim der Zukunft · 2012-02-28 · Wie die Technologie uns helfen kann Der Technikeinsatz hat unseren Arbeitsalltag längst erreicht. Langsam schleichend

Bild 3 Bild 4

Die Schwester Der Pfleger 50. Jahrg. 12|11

im Sinne von mehr Zeit für Be -treuung und Zuwendung. Hierein paar Möglichkeiten, die inZukunft auch dem Pflege per-so nal neue Möglichkeiten eröff-nen:

Das künstliche ExoskelettHAL (Hybrid Assistive Limb)ermöglicht es dem Träger, seineKörperkraft zu verzehnfachen.Dies wäre zum Beispiel hilfreichbei Menschen mit Muskel -atrophien oder für Pflegekräftein Bereichen, in der ein Hilfs -mitteleinsatz nicht oder nur ein-geschränkt möglich ist, zumBeispiel ambulante Pflege.

Das digitale Dokumenta -tions system MediFox, das per I-Pad die Pflegekraft in jedeWohnung begleitet. Damit istjederzeit der Abruf von In -formationen oder die Eingabevon Daten möglich.

Die EDV-gestützte Touren -planung in Echtzeit, die derPflegekraft im ambulantenDienst per Personal Digital As -sistant (PDA) mitteilt, wenn eszu Änderungen im Tourenablaufkommt, sie auf kürzestem Wegdurch die Stadt zum nächstenPatienten navigiert und ihr auchanschließend mitteilt, welcheLeistungen vereinbart wurdenund zu erbringen sind.

Die digitale Erfassung dererbrachten Pflege-, Betreuungs-und haushaltsnahen Dienst -leistungen ermöglicht die zeit-nahe Dateneingabe und unmit-telbare Datenübermittlung. EineMehrfacherfassung fällt da -durch möglicherweise weg. In -for mationen sind überall aufgleichem Stand und gleichzeitig

wird der administrative Auf -wand reduziert.

Moderne Türschließsystemeper RFID-Chip ermöglichen dieautomatische Zugangskontrollezu fest definierten Bereichen,ohne dass ein mechanischerSchlüssel erforderlich ist („key-less entry“). Außerdem könnenBesucher, Patienten und Be -wohner somit gezielt Zutritts -berechtigungen gewährt oderverweigert werden. Ein weiterer,positiver Nebeneffekt: Wird einSchlüssel-Chip verloren, mussnur dieser gelöscht und nichtdas komplette Schließsystemausgetauscht werden.

Integrierte Bewegungs- undInfrarotsensoren im Pflegebettkönnen bereits jetzt im Vorauserkennen, wenn ein Patient oderBewohner in den nächsten Se -kunden vorhat aufzustehen.Dies ist vor allem nachts vonVorteil, um gezielt Hilfestellunggeben zu können.

Gleichzeitig können dieseSensoren erfassen, wenn überlängere Zeit keine Eigenbe -wegung mehr stattgefunden hat,so zum Beispiel bei Schlaganfalloder ähnlichen kritischen Zu -ständen.Dies sind alles technische Mög -lichkeiten, die bereits Serien -reife haben, deren Praktika -bilität und Nutzerfreundlichkeitzum Teil jedoch noch getestetwerden müssen. Wie wir aller-dings alle wissen, sind solcheTechnologien nicht in jedemFalle ein Segen. So konnte bei-spielsweise mit der Einführungvon Wechseldruckmatratzen zwardas individuelle Dekubitusrisiko

gesenkt werden – doch wie stehtes gleichzeitig mit dem Kon -trakturrisiko, dem Risiko einersensorischen Deprivation undder Häufigkeit von sozialenKontakten? Sollte nicht mitjeder Einführung neuer Techno -logien auch eine Güterabwä -gung stattfinden, bei der denVorteilen auch die damit ver-bundenen Risiken gegenüberge-stellt werden?Es muss eine Diskussion überden Nutzen von neuen Techno -logien in der Pflege stattfinden.Und jeder, der sich damit aus-einandersetzt, sollte sich immerder Vor- und Nachteile be wusstsein. Denn im Ganzen sind esdrei Gruppen, die sich einigenmüssen: die Entwickler, diePflegenden und die Pfle ge be -dürf tigen. Und alle drei Grup -pen müssen sich folgende dreiFragen stellen: Was können wir?Was brauchen wir? Was dürfenwir?

Anschrift des Verfassers:

Günther Heil, Dozent für Fach- und FührungsqualifikationenBildungszentrum für Pflege, Gesundheit und Soziales NürnbergSFW – Seminar für Fort- und WeiterbildungZollhausstraße 9590469 NürnbergE-Mail: [email protected]

SCHWERPUNKT | 1157