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Integration von Menschen mit Behinderung am steirischen Arbeitsmarkt Empfehlungen, Maßnahmen, Perspektiven – Ein Praxisbericht Initiative Soziale Integration für ein gemeinsames Leben von Menschen mit und ohne Behinderung

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Integration von Menschen mit Behinderung

am steirischen Arbeitsmarkt

Empfehlungen, Maßnahmen, Perspektiven – Ein Praxisbericht

Initiative Soziale Integrationfür ein gemeinsames Leben von Menschen mit und ohne Behinderung

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In Zusammenarbeit mit dem Land Steiermark

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Herrausgeber:

ISI - Initiative Soziale Integration

Idlhofgasse 20, 8020 Graz, www.isi-graz.at

Autoren:

Mag. Christian Haidenhofer

Mag.a Elke Mori

Mag. Thomas Prossy

Martina Rusch

Design:

David Wögerer - THESIGNGROUP

Feldgasse 18, 8111 Judendorf-Straßengel, www.thesigngroup.at

Druck und Bindung:

Data+Mail Schinnerl

Reininghausstrasse 1-7, 8020 Graz

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Inhalt

Graz, August 2007

Hinweis: Für die leichtere Lesbarkeit wurde geschlechtsneutral formuliert.

Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter.

Kapitel

Vorwort

Einleitende Bemerkungen

Einführung in die Rahmenbedingungen

Erhebung mittels Fragebogen

Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Zusammenfassende Maßnahmen und Perspektiven

Literaturverzeichnis

Initiative Soziale Integration

Kontaktadressen

Seite

7

11

15

33

39

57

61

65

67

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6 Vorwort

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7Vorwort

„Leben wie andere auch“ wollen und sollen Menschen mit

Behinderung in vielen Lebensbereichen. Das gilt auch für den

Arbeitsmarkt. Selten ist es für Menschen mit Behinderung

leicht, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen oder gar ihren Traumberuf

auszuüben. In vielen Unternehmen gibt es glücklicherweise bereits

das Bewusstsein gegenüber Menschen mit Behinderung, diesen

Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten. Man schätzt deren hohe

Motivation, Ehrgeiz sowie Leistungsbereitschaft. Doch leider gibt

es auch noch immer Betriebe, die Bedenken haben, Menschen mit

Behinderung einzustellen.

Ein wichtiger Punkt bleibt die barrierefreie Erreichbarkeit der Firmen

und Unternehmen. Das Land ist hier Vorbild und hat sich schon

vor Jahren verpflichtet, bei allen Neubauten einen barrierefreien

Zugang zu errichten.

Weil das Thema der Integration von Menschen mit Behinderung

am steirischen Arbeitsmarkt besonders wichtig ist, fördert das

Land auch weiterhin zahlreiche derartige Projekte.

Vorwort

Kurt Flecker

Landeshauptmann-Stellvertreter

Kurt Flecker

Foto: SPÖ Steiermark

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8 Vorwort

Arbeit bedeutet Unabhängigkeit, bietet soziale Sicherheit

und in einem gewissen Maße auch Selbstverwirklichung

im eigenen Tun. Menschen mit Behinderung sind aber

zu einem höheren Grad von Arbeitslosigkeit betroffen,

als Menschen ohne Behinderung.

Der erschwerte Zugang dieser Personengruppe zu Arbeit

und Beschäftigung hat nicht nur seine Gründe in Form

von Informationsbarrieren, sondern auch teilweise in

Form von Barrieren in den Köpfen von Dienstgebern.

Das Projekt „Integration am Arbeitsmarkt“ hat diesem

Sachverhalt entgegengewirkt, indem Sensibilisierung

gezielt angeboten wurde bzw. neue Initiativen gesetzt

und Maßnahmen angeregt wurden. Die gewonnenen Daten der Betriebsbefragungen bei Unternehmen

und Dienstgebern der öffentlichen Verwaltung sind nun in diesem Praxisbericht ersichtlich. Dabei

werden nicht nur die Problematiken wie der besondere Kündigungsschutz für begünstigt Behinderte

thematisiert, sondern vielmehr auch Lösungsvorschläge aufgezeigt. Mit der Vielzahl an Vernetzungen mit

unterschiedlichsten Organisationen und der Initiierung von Maßnahmen zur Verbesserung der beruflichen

Integration kann man schlussendlich sagen, dass alle Projektziele erreicht wurden.

Helma Katzarofski

Obfrau ISI – Initiative Soziale Integration

Helma Katzarofski

Foto: Mag. Thomas Prossy

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9Vorwort

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10 Einleitende Bemerkungen

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11Einleitende Bemerkungen

Einleitende Bemerkungen

Um die aktuellen Tendenzen im Bereich von Arbeit und Behinderung aufzuzeigen bzw. die Problematiken

seitens der Dienstgeber in der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung zu eruieren und

Verbesserungsmaßnahmen auszuloten, wurde das steiermarkweite Projekt „Integration am Arbeitsmarkt“

mit Förderung des Landes Steiermark etabliert. Im Rahmen des gesamten Projektes wurde daran

gearbeitet, gedankliche Barrieren und Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung im beruflichen

Kontext abzubauen, indem Sensibilisierung gezielt angeboten wurde und eine Vielzahl an Kontakten zu

Organisationen im profit- und non-profit-Bereich hergestellt wurden.

Die Projektziele werden folgend kurz umrissen:

Aufzeigen der konkreten Problematik bei der Einstellung von Mitarbeitern mit Behinderung mittels

einer quantitativen und qualitativen Erhebung

Erarbeitung eines Maßnahmenkataloges bzw. Berichts zur Unterstützung der steirischen Wirtschaft

um die Einstellung behinderter Mitarbeiter zu erleichtern

Einbinden von Experten der Wirtschaftskammer und der Wirtschaft zur Erarbeitung

von Lösungsvorschlägen

Umsetzung von gezielten Maßnahmen für die Integration von Menschen mit Behinderung am

Arbeitsmarkt

Im ersten Projektschritt wurde ein Fragebogen in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer und

dem Arbeitsmarktservice erstellt. Insgesamt wurden 789 steirische Unternehmen bzw. Dienstgeber

des öffentlichen Bereichs befragt. 142 Organisationen haben den Fragebogen retourniert, was einer

Rücklaufquote von 18% entspricht. Die Versendung des Fragebogens erfolgte nach einer telefonischen

Kontaktaufnahme mit dem Personalverantwortlichen der jeweiligen Organisation. Im Rahmen dieses

Gesprächs wurde der Fragenkomplex der Befragung mitgeteilt und um Mitarbeit ersucht.

Mag. Thomas Prossy

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12 Einleitende Bemerkungen

Ein wichtiger Aspekt in dem ersten Projektschritt war, dass aufgrund des telefonischen Kontakts eine

intensive Auseinandersetzung mit der Thematik der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung

bei den potentiellen Interviewpartnern erreicht werden konnte.

Im zweiten Projektschritt wurde aufbauend auf die Fragebogenergebnisse ein Interviewleitfaden erstellt und

Vertreter von Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung interviewt. Die Daten wurden mittels qualitativer

Inhaltsanalyse ausgewertet. Auch hier war es Ziel, im Anschluss an die Interviews zu sensibilisieren bzw.

gezielt Informationen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu übermitteln. Ein konkretes

Interesse an einer Beschäftigung von Menschen mit Behinderung wurde an dafür verantwortliche Stellen

(z. B. Joballianz) weiterkommuniziert.

Im Rahmen des dritten Projektschrittes wurden die erhobenen Daten in diesem Bericht gesammelt und

dargestellt und somit die Ursachen für die erhöhte Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung

gegenüber Menschen ohne Behinderung bzw. die Motivationen einer Beschäftigung von Menschen mit

Behinderung seitens der Dienstgeber aufgezeigt.

Weiteres Ziel des dritten Projektschrittes war die Umsetzung von gezielten Maßnahmen für die Integration

von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt. Dabei wurden verschiedenste Verbesserungspotentiale

ausgelotet, angeregt und teilweise initiiert.

Die Ergebnisse des Berichts bzw. die Maßnahmen, welche schlussendlich umgesetzt werden konnten,

zeigen, dass für die Zukunft neue Konzepte sowie weitere Integrationsbemühungen seitens der politischen

Entscheidungsträger gefragt sind. Es ist zu hoffen, dass die Ergebnisse dieses Projektes ein kleiner Anstoß

für noch zu realisierende Vorhaben im Bereich der beruflichen Integration sein werden.

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13Einleitende Bemerkungen

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14 Einführung in die Rahmenbedingungen

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15Einführung in die Rahmenbedingungen

Einführung in die Rahmenbedingungen der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung

Die Begriffe „Behinderung“ und „behindert“ sind in

unserem Sprachgebrauch noch nicht besonders

alt. Erst im frühen 18. Jahrhundert entwickeln

sich diese Wortbedeutungen aus dem Wort

„hindern“. In den allgemeinen Sprachgebrauch

floss der Begriff erst im 20. Jahrhundert im

Zusammenhang mit den Folgen der beiden

Weltkriege ein. Es erfolgte die Ablösung des

diskriminierenden Wortes „Krüppel“ durch das

Wort „Körperbehinderte“.

1966 wurden schließlich auch die geistigen

Behinderungen mit einbezogen,

1974 erfolgte eine Ausweitung auf seelische

Behinderungen und Behinderungen

im pädagogischen Bereich, 1979 auf

Persönlichkeitsstörungen und Suchtkrankheiten

(vgl. Brackhane 1996, 16).

Das Österreichische Komitee für Soziale Arbeit im

Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und

Soziales hat zwei Definitionen von Behinderung

erarbeitet, die als Auftrag an die Behindertenpolitik

des Bundes und der Länder verstanden werden

sollten:

DEFINITION DES BEGRIFFS DER BEHINDERUNG

„Behinderte Menschen sind Personen jeglichen Alters, die in einem lebenswichtigensozialen Beziehungsfeld körperlich, geistig oder seelisch dauernd wesentlich beeinträchtigt sind. Ihnen stehen jene Personen gleich, denen eine solche Beeinträchtigung in absehbarer Zeit droht. Lebenswichtige soziale Beziehungsfelder sind insbesondere die Bereiche Erziehung, Schulbildung, Erwerbstätigkeit, Beschäftigung, Kommunikation, Wohnen und Freizeitgestaltung.“

„Behindert sind jene Menschen, denen es ohne Hilfe nicht möglich ist,

geregelte soziale Beziehungen zu pflegen,

sinnvolle Beschäftigung zu erlangen und auszuüben und

angemessenes und ausreichendes Einkommen zu erzielen.“

Mag. Christian Haidenhofer

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16 Einführung in die Rahmenbedingungen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)

unterscheidet in der „International Classification of

Impairments, Disabilities and Handicaps“ (ICIDH)

drei Ebenen (vgl. WHO, 1980, 27 ff; Brackhane

1996, 39; Badelt/Österle 2001, 70 f):

„Impairment“ („Schädigung“):

Die Abgrenzung zu „Krankheit“ („disease“,

„disorder“) wird dadurch festgelegt, dass

der Begriff „Krankheit“ die Erscheinung an

sich, „Schädigung“ jedoch die von außen

wahrgenommene Erscheinung ist. In beiden

Fällen handelt es sich um Störungen auf der

organischen Ebene.

„Disability“ („Beeinträchtigung“):

Disability ist nach der WHO-Definition die

Einschränkung oder der Verlust der Fähigkeit,

Aktivitäten in einer Art und Weise oder in einem

Umfang auszuüben, wie es für einen Menschen

als „normal“ angesehen wird.

„Handicap“ („Behinderung“):

Dieser Begriff soll die erlebten Benachteiligungen

eines Menschen aufgrund einer Schädigung

oder Beeinträchtigung reflektieren. Demzufolge

ist Behinderung ein soziales Phänomen, das

durch die Haltung und das Verhalten der Umwelt

bestimmt wird. Behindert bedeutet also, dass ein

Mensch gänzlich oder zum Teil daran gehindert

ist, eine Rolle auszuüben, die für diesen

Menschen nach Alter, Geschlecht sowie sozialen

und kulturellen Faktoren „normal“ wäre.

Grundsätzlich muss daher festgestellt werden,

dass der Behindertenbegriff in den letzten

Jahrzehnten eine beträchtliche Erweiterung erfuhr,

sodass Menschen mit Behinderung nicht mehr

die Minderheit in der Bevölkerung darstellen,

sondern eine überwiegende Mehrheit in

irgendeiner Weise „behindert“ ist. Behindert

in der Form, dass Beeinträchtigungen von

Lebensfunktionen anderweitig, z.B. mit

Hilfsmitteln, kompensiert werden müssen. Denn

ein Brillenträger ist etwa ohne Brille ziemlich

„hilflos“ (Brackhane 1996, 18).

DER BEGRIFF DES

BEGÜNSTIGT BEHINDERTEN MENSCHEN

Menschen mit Behinderungen haben in

ihrem beruflichen und privaten Alltag andere

Voraussetzungen als nicht behinderte Menschen.

Aus diesem Grund wurden Begünstigungen

eingeführt, die behinderte Menschen unterstützen

sollen. Der Status eines „begünstigt behinderten“

Menschen kann erlangt werden, wenn folgende

Voraussetzungen erfüllt sind:

österreichische Staatsbürger, Staatsbürger

aus EWR-Mitgliedsstaaten oder Flüchtlinge mit

bescheidmäßiger Asylgewährung

einen Grad der Behinderung von mindestens

50 Prozent

Feststellung zur Zugehörigkeit zum Kreis

der begünstigten behinderten Menschen per

Bescheid (Nachweis)

Jedoch gibt es einige Einschränkungen der

Begünstigung. Menschen mit Behinderungen

fallen nicht unter die Begünstigtenklausel, wenn

sie – obwohl sie einen Grad der Behinderung von

über 50 % aufweisen – infolge des Ausmaßes ihres

Handicaps zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit

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17Einführung in die Rahmenbedingungen

auch auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in

einem integrativen Betrieb nicht geeignet sind,

sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden

oder das 65. Lebensjahr überschritten haben und

nicht in Beschäftigung stehen. Außerdem ist bei

einer Beschäftigung in einem integrativen Betrieb

angeführt, dass der Betroffene in der Lage sein

muss, die Hälfte jener Leistungsfähigkeit zu

erbringen, die ein Nichtbehinderter für die gleiche

Arbeit durchschnittlich erbringen würde

(vgl. Badelt 1992, 22).

Somit gibt es hier einen zweifachen

Selektionsmechanismus, der die Gruppe der

begünstigten Behinderten einschränkt, was

in der Vergangenheit natürlich zu Protesten

führte und auch in Zukunft für Diskussionen

sorgen wird. Einerseits wird für begünstigte

behinderte Menschen ein Grad der Behinderung

von über 50 % vorausgesetzt. Andererseits

wird eine Leistungsfähigkeit von wenigstens

50 % verlangt, um für eine Erwerbstätigkeit auf

einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem

integrativen Betrieb geeignet zu sein

(vgl. Badelt, 1992, 22).

GESETZLICHE GRUNDLAGEN FÜR DIE

BESCHÄFTIGUNG VON MENSCHEN MIT

BEHINDERUNG

Beschäftigungspflicht

Jeder Dienstgeber mit mehr als 25 beschäftigten

Dienstnehmern ist verpflichtet, auf je 25

Dienstnehmern einen begünstigten behinderten

Menschen einzustellen. Folgende begünstigt

behinderte Menschen werden doppelt

angerechnet, zählen also für zwei Pflichtstellen:

Blinde

begünstigte behinderte Menschen vor

Vollendung ihres 19. Lebensjahres sowie im

Falle einer Ausbildung bis zur Beendigung des

Ausbildungsverhältnisses

begünstigte behinderte Menschen nach

Vollendung des 50. Lebensjahres, wenn der

Grad der Behinderung mindestens 70 Prozent

beträgt

begünstigte behinderte Menschen nach

Vollendung des 55. Lebensjahres

Ausgleichstaxe

Wenn der Dienstgeber dieser Beschäftigungs-

pflicht nicht gänzlich nachkommt, also weniger

Menschen mit Behinderung in seinem Betrieb

aufnimmt als vorgesehen, hat der Dienstgeber

pro offener Pflichtstelle eine Ausgleichstaxe

zu entrichten. Diese Mittel fließen in den

Ausgleichstaxfonds. Die Ausgleichstaxe pro

Pflichtarbeitsplatz beträgt derzeit € 209 pro

Monat.

Ausgleichstaxfonds

Die Gelder im Ausgleichstaxfonds müssen für

Maßnahmen zur Integration von Menschen mit

Behinderung in den Arbeitsmarkt zweckgebunden

verwendet werden.

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18 Einführung in die Rahmenbedingungen

Für das Jahr 2005 wurden diese Gelder von

insgesamt rd. 90 Mio. € wie folgt verwendet:

Kündigungsschutz

Für begünstigte behinderte Menschen gilt laut

Behinderteneinstellungsgesetz ein besonderer

Kündigungsschutz:

Eine Kündigung kann grundsätzlich nur dann

rechtswirksam ausgesprochen werden,

wenn der Behindertenausschuss beim

Bundessozialamt nach Anhörung des

Betriebsrates die vorherige rechtskräftige

Zustimmung zur Kündigung erteilt hat. Nur in

besonderen Ausnahmefällen (z.B. Unkenntnis der

Behinderteneigenschaft und Notwendigkeit einer

verhältnismäßig großen Betriebseinschränkung,

Stilllegung des gesamten Unternehmens

ohne Möglichkeit zur Einholung der

vorherigen Zustimmung) kann auch eine

nachträgliche Zustimmung zu einer bereits

ausgesprochenen Kündigung erteilt werden.

Dieser besondere Kündigungsschutz gilt für alle

begünstigt behinderten Menschen, die einen

dementsprechenden Bescheid haben.

Der Kündigungsschutz besteht weiters

unabhängig davon, ob dem Arbeitgeber die

Behinderteneigenschaft bekannt ist oder nicht.

Teilt ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht mit,

dass er begünstigter Behinderter ist, rechtfertigt

dies unter Umständen eine nachträgliche

Zustimmung. Eine unterlassene Information über

den Status des begünstigt behinderten Menschen

kann für den Arbeitnehmer mit Behinderung auch

schadenersatzrechtliche Folgen haben (z.B. wenn

der Arbeitgeber dadurch die Begünstigung bei

der Kommunalsteuer verliert).

Der Arbeitgeber und der begünstigte Behinderte

haben im Kündigungsverfahren Parteistellung.

Wenn im Unternehmen ein Betriebsrat besteht,

ist dieser im Kündigungsverfahren ebenfalls

anzuhören. Der Behindertenausschuss, welcher

im Bundessozialamt eingerichtet ist, hat bei

seiner Entscheidung über die Zustimmung zur

Kündigung zu berücksichtigen:

Rd. € 63 Mio. für Individualförderungen wie etwa

Lohnkostenzuschüsse und Maßnahmen zur

Integration von Menschen mit Behinderung

Prämien für die Beschäftigung von Menschen mit

Behinderung (€ 0,53 Mio. )

Prämien für die Vergabe von Aufträgen an

„Geschützte Werkstätten“ (€ 0,83 Mio.)

Weitere € 22,1 Mio. werden für die Förderung

von „Integrativen Betrieben“ aufgewendet

Sonstige Förderungen € 3,3 Mio.

Legende:

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19Einführung in die Rahmenbedingungen

Die besondere Schutzbedürftigkeit eines

begünstigt behinderten Menschen (des

Arbeitnehmers)

Unter Beachtung der vom Gesetz

vorgesehenen Förderungsmaßnahmen zu

prüfen, ob dem Arbeitnehmer der Verlust

seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann

Die Kündigung eines begünstigt behinderten

Menschen darf nicht wegen seiner

Behinderung erfolgen, da dies eine

Diskriminierung darstellen würde

Kündigungsgründe

Das Gesetz zählt beispielhaft Gründe für

eine Kündigung auf, bei deren Vorliegen

dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung

des betroffenen Arbeitnehmers über die

Kündigungsfrist hinaus unzumutbar ist, d.h. die

Gründe des Arbeitgebers für eine Kündigung

anerkannt werden.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann

dementsprechend dann erfolgen, wenn:

der Tätigkeitsbereich des begünstigt

behinderten Menschen entfällt (z.B.

durch Betriebseinschränkungen oder

Rationalisierungen) und der Arbeitgeber

nachweist, dass der begünstigte behinderte

Mensch trotz seiner Zustimmung an einem

anderen Arbeitsplatz ohne erheblichen

Schaden nicht weiterbeschäftigt werden

kann

der begünstigte behinderte Mensch

unfähig wird, die im Arbeitsvertrag

vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in

absehbarer Zeit eine Wiederherstellung

der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten

ist und der Arbeitgeber nachweist,

dass der begünstigte Behinderte trotz

seiner Zustimmung an einem anderen

Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden

nicht weiterbeschäftigt werden kann

der begünstigte behinderte Mensch die

ihm auf Grund des Arbeitsverhältnisses

obliegenden Pflichten beharrlich verletzt

und der Weiterbeschäftigung Gründe der

allgemeinen Bestimmungen, welche auch

für nicht begünstigt behinderte Menschen

gelten, entgegenstehen

Gesetzliche Bestimmungen, die die Beendigung

des Arbeitsverhältnisses an zusätzliche

Voraussetzungen knüpfen, bleiben unberührt.

Der allgemeine Kündigungsschutz im Arbeits-

verfassungsgesetz (Kündigungsanfechtung)

gilt für begünstigte Behinderte allerdings nicht

zusätzlich.

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20 Einführung in die Rahmenbedingungen

Es ist lediglich der Betriebsrat vor

Kündigungsausspruch zu informieren.

Soweit nicht ohnehin eine längere Kündigungsfrist

einzuhalten ist (z.B. bei Angestellten), darf das

Arbeitsverhältnis eines begünstigt Behinderten

nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von

vier Wochen gekündigt werden.

Wird ein begünstigt Behinderter von seinem

Dienstgeber nach Ablauf der Frist ohne Einholung

der Zustimmung des Behindertenausschusses

gekündigt, kann die betroffene Person zur Wahrung

ihrer Rechte das Arbeits- und Sozialgericht

anrufen und eine Klage auf Feststellung des

aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses

einbringen (vgl. Ernst/Haller 2005, 262).

Kündigungsverfahren

Im Nachfolgenden werden die Kündigungsanträge

aufgelistet und nach der Art der Erledigung

dargestellt. Bei den Kündigungsverfahren in den

Jahren 2004 bis 2006, wie in nachstehender

Tabelle angeführt, kann kein eindeutiger Trend

abgelesen werden. Es zeigt sich lediglich,

dass es in durchschnittlich der Hälfte aller

Fälle zu einer einvernehmlichen Auflösung

des Dienstverhältnisses gekommen ist.

Hingegen wurde von 2004 bis 2006 lediglich

ein Kündigungsantrag von insgesamt 255 vom

Behindertenausschuss des Bundessozialamtes

abgelehnt. Von einer Unkündbarkeit durch den

erhöhten gesetzlichen Kündigungsschutz kann

anhand dieser Zahlen daher nicht ausgegangen

werden.

Kündigungsanträge Steiermark 2006

Einvernehmliche Auflösungen 48

Weiterbeschäftigungen 11

Abweisung der Kündigungsanträge 0

Zustimmung zu Kündigungsanträgen 4

offene Fälle 8

Gesamt 71

Kündigungsanträge Steiermark 2005

Einvernehmliche Auflösungen 39

Weiterbeschäftigungen 36

Abweisung der Kündigungsanträge 0

Zustimmung zu Kündigungsanträgen 6

offene Fälle 16

Gesamt 97

Kündigungsanträge Steiermark 2004

Einvernehmliche Auflösungen 46

Weiterbeschäftigungen 25

Abweisung der Kündigungsanträge 1

Zustimmung zu Kündigungsanträgen 2

offene Fälle 13

Gesamt 87

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21Einführung in die Rahmenbedingungen

PROBLEMSTELLUNGEN DES

KÜNDIGUNGSSCHUTZES

Bedeutend und gleichsam schwierig ist die

Schaffung eines ausgewogenen Verhältnisses

zwischen den beschäftigungsfördernden

Maßnahmen für Menschen mit Behinderung,

die einen Arbeitsplatz suchen und der

arbeitgeberseitigen Verpflichtung, Mitarbeiter

nach Eintritt einer Behinderung weiter zu

beschäftigen bzw. nur unter einem besonderen

Schutz kündigen zu können. Dabei führt ein

zu starker Beschäftigungsschutz zu weiteren

Diskriminierungen von Menschen mit Behinderung

beim Einstellungsprozess. Ähnlich verhält es

sich, wenn ein zu großer Teil der Kosten für

krankheitsbedingte Fehlzeiten vom Arbeitgeber

zu tragen sind, denn dann wird womöglich

nach neuen Mitteln und Wegen gesucht,

Stellenbewerber zu identifizieren, bei denen

potentiell ein großes Krankheitsrisiko besteht und

hieraus auch neue Diskriminierungen resultieren

könnten (vgl. OECD 2003, 200f).

GESETZLICHE VORSCHRIFTEN

BEZÜGLICH ARBEIT UND BEHINDERUNG

IM ÜBERBLICK

Bundesbehindertengleichstellungsgesetz

(BGStG)

Mit 1. Jänner 2006 ist das Behinderten-

gleichstellungspaket, bestehend aus dem neuen

Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, der

Novelle zum Behinderteneinstellungsgesetz und

der Novelle zum Bundesbehindertengesetz, in

Kraft getreten.

Das Hauptziel des Bundes-Behindertengleich-

stellungsgesetzes (BGStG) ist der Abbau von

Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen

im Allgemeinen durch die gesetzliche

Verankerung. Im Folgenden soll auf die wichtigsten

Bestimmungen aus dem Bundesgesetzblatt vom

10. August 2005 (BGBl Nr. 82/2005) etwas näher

eingegangen werden:

Gemäß § 1 ist es Ziel des BGStG, in Konkretisierung

der Verfassungsbestimmung des Art 7 Abs.

1 B-VG „die Diskriminierung von Menschen mit

Behinderungen zu beseitigen oder zu verhindern

und damit die gleichberechtigte Teilhabe von

Menschen mit Behinderungen am Leben in der

Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine

selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.“

(§ 1 BGStG).

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22 Einführung in die Rahmenbedingungen

Die Bestimmungen des neuen Gesetzes gelten

gemäß § 2 BGStG für:

die Verwaltung des Bundes und dessen

Tätigkeiten im Rahmen der

Privatwirtschaftsverwaltung

Rechtsverhältnisse einschließlich deren

Anbahnung und Begründung

die Inanspruchnahme oder

Geltendmachung von Leistungen

außerhalb eines Rechtsverhältnisses beim

Zugang zu der Versorgung mit Gütern und

Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit

zur Verfügung stehen, sofern dies in die

Regelungskompetenz des Bundes fällt

(vgl. Egger 2005, 455)

Nicht in den Kompetenzbereich des BGStG

fällt der Schutz vor Diskriminierung in der

Arbeitswelt. Diese Fälle werden in § 7a des

Behinderteneinstellungsgesetzes geregelt. Der

Behinderungsbegriff im BGStG wird im § 3 wie

folgt definiert:

„Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktions-beeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.“

Außerdem soll der Schutz auch auf Personen

Anwendung finden, die aufgrund der Behinderung

eines Angehörigen diskriminiert werden. Als

Angehörige gelten Kinder, Ehepartner, betreute

sonstige in gerader Linie verwandte Personen,

Geschwister und Lebensgefährten (vgl. Egger

2005, 455).

Im Behinderteneinstellungsgesetz gibt es

zwar auch eine Antidiskriminierungsklausel,

diese bezieht sich aber explizit nur auf den

Arbeitsbereich.

Die zentrale Regelung des BGStG ist wie gesagt

der Schutz vor Diskriminierung.

Entsprechend der Bestimmungen der

Gleichstellungs-Rahmenrichtlinien 2000/78/EG

der EU wird verankert, dass niemand aufgrund

einer Behinderung unmittelbar oder mittelbar

diskriminiert werden darf. Eine unmittelbare

Diskriminierung liegt vor, „wenn eine Person

aufgrund einer Behinderung in einer vergleichbaren

Situation eine weniger günstige Behandlung

erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren

hat oder erfahren würde.“ (§ 5 Abs 1 BGStG).

Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, „wenn

dem Anschein nach neutrale Vorschriften,

Kriterien oder Verfahren sowie Merkmale

gestalteter Lebensbereiche (Barrieren) Menschen

mit Behinderung gegenüber anderen Personen

in besonderer Weise benachteiligen können, es

sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien

oder Verfahren sowie Merkmale gestalteter

Lebensbereiche sind durch ein rechtmäßiges

Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind

zur Erreichung des Zieles angemessen und

erforderlich.“ (§ 5 Abs 2 BGStG).

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23Einführung in die Rahmenbedingungen

Eine Diskriminierung liegt weiters auch bei

einer Belästigung und bei der Anweisung einer

Person zur Diskriminierung aus dem Grund einer

Behinderung vor, wobei der Geltungsbereich

einer Belästigung in § 5 Abs. 3 BGStG geregelt

ist (vgl. Egger 2006, 456).

Eine Ursache für Diskriminierungen von

Menschen mit Behinderung ist oft auch eine

mangelhafte Barrierefreiheit. Als barrierefrei

gelten gemäß § 6 Abs. 5 BGStG z.B. bauliche

und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische

Gebrauchsgegenstände, etc., wenn sie für

Menschen mit Behinderung in der allgemein

üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und

ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

Bei einem Verstoß gegen eine der Bestimmungen,

hat die betroffene Person gemäß § 9 Abs. 2

BGStG Anspruch auf Ersatz des erlittenen

Schadens sowie auf angemessenen

Schadenersatz, mindestens jedoch auf € 400.

Vor der Geltendmachung von Ansprüchen hat

immer ein Schlichtungsverfahren stattzufinden.

Ein solches Schlichtungsverfahren hat zwingend

einem eventuellen gerichtlichen Verfahren

voranzugehen. Dieses Schlichtungsverfahren wird

bei den Landesstellen des Bundessozialamtes

abgehalten (vgl. Egger 2005, 457).

Hinsichtlich der Beweislast wurden einige

Erleichterungen aus Sicht der vermeintlich

bzw. tatsächlich Diskriminierten eingeführt. Die

betroffene Person muss zwar die Diskriminierung

glaubhaft machen, die Klage bei Gericht ist aber

nur dann abzuweisen, wenn es bei Abwägung

aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die

beklagte Partei ihrerseits glaubhaft machen kann,

dass ihr Tatbestand der Wahrheit entspricht, also

eine Beweislastumkehr stattfindet (vgl. Egger

2005, 457).

ARBEITSLOSE MENSCHEN MIT

BEHINDERUNG IN DER STEIERMARK

Im Jahr 2006 waren in der Steiermark im

Durchschnitt 5575 Menschen mit Behinderung

als arbeitslos gemeldet. Davon haben 406 den

Status eines begünstigt behinderten Menschen

nach dem Bundesrecht und 1192 nach

dem Landesrecht. Rechnet man die

Schulungsteilnehmer zur Gruppe der

Arbeitssuchenden hinzu sind es 481 Menschen

mit dem Status eines begünstigt Behinderten nach

Bundesrecht und 1613 nach dem Landesrecht.

Von insgesamt 17450 begünstigt behinderten

Menschen in der Steiermark sind 11326 in

Beschäftigung (Stand April 2007). Von den

verbliebenen 6124 Menschen sind rund 500

als arbeitssuchend gemeldet bzw. befinden

sich in Schulungsmaßnahmen des AMS. Wie

viele begünstigt behinderte Menschen in der

Steiermark tatsächlich eine Beschäftigung

suchen, kann nicht beantwortet werden, da

davon ausgegangen werden muss, dass nicht

sämtliche begünstigt behinderte Menschen,

welche auf Arbeitssuche sind bzw. gerne einer

Beschäftigung nachgehen würden, auch beim

AMS gemeldet sind.

Im Vergleich zum Jahr 2004 gab es 2006 um 10%

mehr vorgemerkte arbeitssuchende Menschen

mit Behinderung, in Schulungsmaßnahmen

befanden sich 2006 etwa 58% mehr als im Jahre

2004.

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24 Einführung in die Rahmenbedingungen

FÖRDERUNGEN FÜR DIE BESCHÄFTIGUNG

VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNG FÜR

STEIRISCHE BETRIEBE IM ÜBERBLICK

Im Nachfolgenden sind die Förderungen

aufgelistet, die ein Betrieb in der Steiermark auf

Antrag bei den jeweiligen Stellen bei Erfüllung

der Voraussetzungen für Förderungen beziehen

kann.

Förderungen des AMS

Förderung der Lehrlingsausbildung von

Jugendlichen mit Behinderung

Gefördert werden können Unternehmen mit

Lehrberechtigung laut Berufsausbildungsgesetz.

Jugendliche mit Behinderung werden bei

der Förderung besonders berücksichtigt.

Voraussetzung ist die rechtzeitige

Kontaktaufnahme mit dem Arbeitsmarktservice

vor Aufnahme des Ausbildungsverhältnisses.

Lehrausbildung für Jugendliche mit Behinderung

unter 19 Jahre

Jugendliche, die aufgrund ihrer Behinderung

am Arbeitsmarkt benachteiligt sind, können in

Betrieben mit monatlich bis zu EUR 302,- und in

Ausbildungseinrichtungen monatlich bis zu EUR

453,- gefördert werden.

Lehrausbildung für Jugendliche mit Behinderung

über 19 Jahre

Wenn ein mindestens kollektivvertraglicher

Hilfsarbeiterlohn vereinbart ist, können

Jugendliche in Betrieben und Ausbildungs-

einrichtungen monatlich mit bis zu

€ 755 gefördert werden. Die Förderdauer kann

die gesamte Lehrzeit umfassen.

Eingliederungsbeihilfe

Die Förderung wird bei der Geschäftsstelle des

Arbeitsmarktservice, bei der der Arbeitsuchende

vorgemerkt ist, beantragt.

Wichtige Fördervoraussetzungen:

Kontaktaufnahme vor Aufnahme des

Dienstverhältnisses

mindestens kollektivvertragliche Entlohnung

die Arbeitszeit muss mindestens die Hälfte

der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen

Wochenstunden betragen

Bemessungsgrundlage

Für die Ermittlung der Förderung ist der

Bruttolohn (ohne Überstunden, Zulagen, Diäten,

Provisionen, ...) plus ein 50%iger Zuschlag (für die

Lohnnebenkosten) heranzuziehen.

Maximale Förderhöhe

In den ersten 6 Monaten höchstens 100%,

in weiterer Folge höchstens 66,7% der

Bemessungsgrundlage.

Maximale Förderdauer

Für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, maximal

bis zu 2 Jahren.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Es ist keine Mindestbeschäftigungsdauer und

keine Kündigungseinschränkung vorgesehen.

Die Abrechnung erfolgt aliquot, egal wie das

Arbeitsverhältnis endet.

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25Einführung in die Rahmenbedingungen

Arbeitsassistenz als Unterstützung

Die Einrichtung der Arbeitsassistenz berät

Menschen mit Behinderungen und Unternehmen

in Fragen der Begründung bzw. Sicherung von

Beschäftigung, informiert über Förderungen und

arbeitsrechtliche Bestimmungen, berät in Fragen

der behindertengerechten Arbeitsplatzgestaltung

und zeigt Beschäftigungsmöglichkeiten

für behinderte Mitarbeiter auf.

Förderungen des Bundessozialamts

Integrationsbeihilfe

Voraussetzungen

Neueinstellung eines nicht in Beschäftigung stehenden Menschen mit Behinderung

es ist keine offizielle Anerkennung bzw. kein Bescheid vom Bundessozialamt erforderlich (Status begünsigt behinderter Mensch nicht notwendig)

Antragstellung vor Beginn des Dienstverhältnisses oder innerhalb der ersten3 Monate nach Einstellung

Für ein befristetes Dienstverhältnis kann eine Integrationsbeihilfe bewilligt werden, wenn die Eingliederung in den Arbeitsmarkt nur im Wege eines solchen (befristeten) Dienstverhältnisses erreicht werden kann

Bei Besetzung eines Saisonarbeitsplatzes kann eine Integrationsbeihilfe nur gewährt werden, wenn eine Wiedereinstellung beabsichtigt ist und der Bestand des Dienstverhältnisses innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahrenfür zwölf Monate gesichert erscheint

Zuschussdauer

1 Jahr

Zuschusshöhe

Berechnungsbasis ist das monatliche

Bruttogehalt;

1 Jahr: Bis zu 100% der Lohnkosten,

höchstens jedoch € 1.000,-/Monat

Lohnförderung für Lehrlinge

Für Lehrlinge wird unabhängig von der Art des

Lehrverhältnisses eine bundesweit einheitliche

Leistung in Höhe von max. € 302,- monatlich

festgelegt. Beginnt das Lehrverhältnis des

Antragstellers nach Vollendung des 19.

Lebensjahres, erhöht sich die Förderung des

Dienstgebers auf max.€ 604,- monatlich.

Die Lohnförderung für Lehrlinge kann für die

gesamte Lehrzeit gewährt werden

Förderungen des Lehrverhältnisses durch

andere Träger sind auf die Förderhöhe jeweils

anzurechnen

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26 Einführung in die Rahmenbedingungen

Entgeltbeihilfe (Lohnkostenzuschuss)

Voraussetzungen

Die Entgeltbeihilfe (Lohnkostenzuschuss) gilt

nur für „begünstigte Behinderte“. Ein positiver

Bescheid vom Bundessozialamt ist dazu

erforderlich

Neueinstellung eines „begünstigten

Behinderten“.

Ausnahme: wenn die Behinderung während

des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses eintritt

Minderleistung des Dienstnehmers

(Ausnahmen sind möglich)

Zuschussdauer

max. 3 Jahre (Ausnahmen bei hoher

Leistungsminderung möglich)

Zuschusshöhe

bis zu 50 % der Bruttolohnkosten

(einschließlich 50% der Lohnnebenkosten)

entsprechend der vom Bundessozialamt

festgestellten Leistungsminderung.

Limit: derzeit monatlich € 650,- (gilt auch für

sozialökonomische Betriebe)

Arbeitsplatzsicherungsbeihilfe

Voraussetzung

Für beschäftigte Menschen mit Behinderung in

einem unbefristeten Dienstverhältnis kann eine

Arbeitsplatzsicherungsbeihilfe bei Gefährdung

des Arbeitsplatzes als Zuschuss zu den

Lohnkosten gewährt werden

Die Gefährdung des Arbeitsplatzes ist durch

den Dienstgeber glaubhaft zu machen.

(Kündigungsverfahren)

Zuschussdauer

1 Jahr (in Ausnahmefällen auch länger)

Zuschusshöhe

max. 50% des Bruttoentgeltes; (Anrechnung

von 50% der Lohnnebenkosten möglich)

Höchstgrenze: bis zu € 650,-/Monat möglich

Behindertengerechte Adaptierung von

Arbeitsplätzen

Voraussetzungen

Beschäftigung eines Menschen mit

Behinderung

Ausgleich von Minderleistungen durch

technische Hilfestellungen möglich

Zuschusshöhe

In Höhe der tatsächlich anfallenden Kosten

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27Einführung in die Rahmenbedingungen

Schaffung von Arbeits- und

Ausbildungsplätzen

Voraussetzungen

Neueinstellung eines Menschen mit

Behinderung

Zuschusshöhe

unbegrenzt für Investitionen betrieblicher

Art, 50% Anteil sind vom Dienstgeber zu

tragen. Ausnahme: kein Dienstgeberanteil bei

behinderungsbedingten Investitionen (z.B.

Behinderten WC)

Förderungen des Landes Steiermark

Eingliederungsbeihilfe in Verbindung mit

einem Lohnkostenzuschuss

Ziel

Wieder-Eingliederung von Menschen mit

Behinderung in den Arbeitsprozess

Voraussetzungen

Anerkennung nach dem Steiermärkischen

Landesbehindertengesetz und Zuerkennung von

einem Lohnkostenzuschuss

Der Antrag auf Lohnkostenzuschuss muss

von der betroffenen Person in der Regel

über die Wohnsitzgemeinde, zum Teil

auch über die Bezirksverwaltungsbehörde

(Bezirkshauptmannschaft bzw. Magistrat),

gestellt werden

Der Antrag auf eine Förderung von

Eingliederungshilfe in Verbindung mit einem

Lohnkostenzuschuss ist vom Dienstgeber

vor Beginn eines Beschäftigungsverhältnis-

ses bei der regionalen Geschäftsstelle des

Arbeitsmarktservice zu stellen

Dauer der Förderung

maximal 3 Jahre (AMS und Land Steiermark)

Im Anschluss ist eine Weiterförderung nur

mehr durch das Land Steiermark möglich

Höhe der Förderung

Bei einem monatlichen Bruttolohn von

€ 1008,– oder mehr (Basis Vollzeit)

beträgt die maximale Förderung vom

Arbeitsmarktservice € 646,–/Monat. Bei

einem geringeren monatlichen Bruttolohn

oder einer Teilzeitbeschäftigung reduziert

sich die Förderung aliquot, wobei das

Ausmaß des geförderten Arbeitsverhältnisses

mindestens 50% der gesetzlichen oder

kollektivvertraglichen Stunden umfassen

muss. Zusätzlich gewährt das Land

Steiermark eine monatliche Förderung von bis

zu € 76,05

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28 Einführung in die Rahmenbedingungen

Lohnkostenzuschuss

Lohnkostenzuschüsse für Dienstnehmer,

bei denen die Behinderung bzw. die

Behinderungsauswirkungen erst in einem

laufenden Dienstverhältnis eingetreten

sind, können vom AMS nicht gefördert

werden, da es sich auch bei der beruflichen

Eingliederungsbeihilfe ausschließlich um eine

vermittlungsunterstützende Maßnahme handelt.

Hier besteht die Möglichkeit eines

Lohnkostenzuschusses im Rahmen des

Steiermärkischen Behindertengesetzes.

Beantragung

zuständige Bezirksverwaltungsbehörde

Zuschusshöhe

Der Zuschuss richtet sich nach der

eingeschätzten prozentuellen Minderleistung

am Arbeitsplatz. Die Feststellung und

Überprüfung erfolgt durch das externe

Überprüfungsteam „Lohnkostenzuschuss“

Zuschussdauer

Nach jeweils 3 Jahren muss der Dienstgeber

rechtzeitig (vor Ablauf) bei der zuständigen

Bezirkshauptmannschaft formlos um

Verlängerung ansuchen

Lehrlingsförderung

Im Rahmen der beruflichen Eingliederungsbeihilfe

gelten diese Richtlinien ebenfalls seitens des

Landes für Jugendliche, die eine Lehre beginnen

und nicht begünstigte Behinderte sind

Voraussetzung

Leistungsminderung des Lehrlings

Beantragung

Über die Wohnsitzgemeinde (Antrag auf

berufliche Eingliederungsbeihilfe durch den

Jugendlichen)

Im Anschluss daran: Antrag an die zuständige

Bezirksverwaltungsbehörde zwecks

Lohnkostenzuschuss durch den Dienstgeber

Für Jugendliche, die noch nie als sogenannte

„Behinderte“ vorgemerkt wurden, ist das

Bundessozialmt Landesstelle Steiermark

zuständig (lt. Vereinbarung mit dem Land

Steiermark)

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29Einführung in die Rahmenbedingungen

BARRIEREN DER BERUFLICHEN

EINGLIEDERUNG VON MENSCHEN MIT

BEHINDERUNG

Ausbildung

Eine der größten Barrieren für die berufliche

Integration von Menschen mit Behinderungen

ist eine meist unzureichende Ausbildung. Diese

Tatsache hat mehrere Gründe. Zum einen

wurden Personen, deren Behinderung seit ihrer

Geburt bzw. ihrer Kindheit besteht, vor 1993 vom

Regelschulsystem ausgeschlossen und waren

daher aufgrund fehlender Begleitmaßnahmen

meist chancenlos, höhere Qualifikationen

zu erwerben. Zum anderen haben gerade

jene Personen, die weniger qualifizierten

Beschäftigungen nachgehen, das größte

Risiko, nach einem Arbeitsunfall behindert bzw.

berufsunfähig zu bleiben. Außerdem muss darauf

hingewiesen werden, dass viele Maßnahmen für

Menschen mit Behinderungen nur punktuelle

Unterstützungen bieten, z.B. durch eine

Umschulung, wobei das soziale Umfeld, die

veränderten Lebensbedingungen und die

Berufschancen mit einzubeziehen sind, was

für eine gelungene Integration ins Berufsleben

unabdingbar ist

(vgl. Leichsenring/Strümpel 1997, 8).

Die Rolle der Angehörigen

Eine sehr einflussreiche Größe, die häufig in

Bezug auf die berufliche Eingliederung von

Menschen mit Behinderung unterschätzt wird,

ist die Rolle der Angehörigen, insbesondere der

Eltern und der Lebenspartner. Denn ob eine

Rehabilitationsmaßnahme erfolgreich verläuft

oder überhaupt in Erwägung gezogen wird,

hängt oftmals von der Einstellung der Eltern

zur Selbstständigkeit ihrer Kinder ab. Das

Problem ist, dass viele Eltern es vorziehen,

ihre Kinder in Einrichtungen zu geben, die eine

ähnlich „fürsorgliche“ Haltung einnehmen wie

sie selbst und dadurch der Entwicklung zur

Selbstständigkeit entgegenwirken. Außerdem

werden Angehörige oft nicht ausreichend über

die Entwicklungspotentiale und Möglichkeiten

der Unterstützung ihrer behinderten Kinder

informiert, sodass sie sich Sorgen über eine

mögliche Überforderung im Falle der beruflichen

Integration machen.

(vgl. Leichsenring/Strümpel 1997, 8 f).

Informationsmangel

Vielfach fehlt es Menschen mit Behinderung,

die am Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen, an

Informationen hinsichtlich Förderungs- und

Arbeitsmöglichkeiten.

Aufgrund der sehr zersplitterten Kompetenzlage

und Unübersichtlichkeit der vorhandenen

Möglichkeiten wären wohnortnahe Anlaufstellen

mit entsprechender Beratungskompetenz eine

wesentliche Steigerung der Informationsqualität.

Ist dies nicht der Fall, können Entscheidungen

in Bezug auf die Berufswahl, die Wahl von

Rehabilitationseinrichtungen etc. wesentlich

erschwert und eingeschränkt werden. Weiters

problematisch ist, dass eine allgemeine

Zugänglichkeit zu bestehenden Beratungsstellen

– etwa durch Mangel an Öffentlichkeitsarbeit oder

die Konzentration solcher Stellen in Großstädten –

oft nicht gegeben ist. Rehabilitationseinrichtungen

oder „Integrative Betriebe“ sind meist als

zentrale Großeinrichtung organisiert und für viele

Personen aufgrund fehlender Fahrtendienste

oder unzugänglicher öffentlicher Verkehrsmittel

nicht erreichbar

(vgl. Leichsenring/Strümpel, 1997, 9).

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30 Einführung in die Rahmenbedingungen

Die Einstellung von Betrieben

zur Beschäftigung von Menschen

mit Behinderung

Es gibt eine Reihe von Einflussfaktoren, die

die Einstellung von Firmen zu Menschen mit

Behinderungen prägen. So ist vor allem die

Erfahrung, die Betriebe mit der Beschäftigung

von betroffenen Menschen gemacht haben,

entscheidend für die Bereitschaft, Arbeitsplätze

anzubieten. Unternehmen, die keine Menschen

mit Beeinträchtigung beschäftigen, beurteilen

deren Leistungsfähigkeit viel negativer und sind

deshalb auch prinzipiell weniger bereit, betroffene

Personen einzustellen. Im Gegensatz dazu sind

viele Firmen, die ihre Pflicht zur Einstellung

gehandicapter Menschen bereits erfüllt haben,

eher dazu bereit, weitere einzustellen

(vgl. Leichsenring/Strümpel 1997, 10).

Ein weiterer Grund, der die Bereitschaft,

Menschen mit Behinderung einzustellen

mindert, ist die mangelnde Information vieler

Betriebe hinsichtlich Förderungsmöglichkeiten

wie Lohnkostenzuschüsse oder die technische

Umgestaltung des Arbeitsplatzes. Weiters

bestehen Unsicherheiten über Möglichkeiten

der Arbeitsplatzvorbereitung und Betreuung

am Arbeitsplatz. Ideen und Angebote, diese

Barriere zu überwinden, gibt es einige, etwa die

begleitende Betreuung wie Arbeitsassistenz oder

aber betriebliche Praktika, um den Firmen ein

unverbindliches und langsames Herantasten an

den Umgang mit Menschen mit Behinderungen

zu ermöglichen.

Auch innerbetriebliche Ausbildungen erleichtern

die Beschäftigung behinderter Arbeitnehmer

(vgl. Leichsenring/Strümpel 1997, 11).

Die Einbeziehung der Arbeitgeber ist für die

(Wieder-)Eingliederung von Menschen mit

Behinderung von entscheidender Bedeutung.

Weniger Einigkeit besteht hingegen über den

besten Weg zur Erreichung dieses Ziels.

Es existieren unterschiedliche Konzepte, die von

moralischem Druck und Antidiskriminierungs-

gesetzen bis hin zu verpflichtenden

Beschäftigungsquoten reichen. Die Wirksamkeit

der Maßnahmen hängt letztlich jedoch auch

immer von der Bereitschaft der Arbeitgeber ab,

Menschen mit Behinderung bei der Fortsetzung

und Aufnahme einer Beschäftigung zu

unterstützen, aber auch von den Möglichkeiten,

die entsprechenden Gesetze zu umgehen bzw.

sich mit Geldbußen, die bei Nichteinhaltung fällig

werden, zu entziehen. Die Herstellung eines

angemessenen Gleichgewichts zwischen der

Beschäftigungsförderung und der Verhängung

übertrieben harter Auflagen für die Arbeitgeber

ist eine große politische Herausforderung, zumal

auch Schutzbestimmungen unbeabsichtigt zu

einer weiteren Diskriminierung von Menschen

mit Behinderung bei Einstellungen führen können

(vgl. OECD 2003, 294 f).

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31Einführung in die Rahmenbedingungen

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32 Erhebung mittels Fragebogen

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33Erhebung mittels Fragebogen

Erhebung mittels Fragebogen

Mag.ª Elke Mori, Mag. Thomas Prossy, Martina Rusch

Die vom Verein ISI – Initiative Soziale Integration durchgeführte

steiermarkweite Fragebogenerhebung erstreckte sich im Jahr 2005

über einen Zeitraum von Anfang Mai bis Ende September. Dabei

wurde ein Fragebogen zum Thema „Menschen mit Behinderung/

Beeinträchtigung am Arbeitsmarkt“ ausgesandt.

Die Fragebögen wurden so erstellt, dass möglichst viele Unternehmen und

Organisationen im öffentlichen Bereich mit den unterschiedlichsten Erfahrungen

und Kenntnissen zu dieser Thematik antworten konnten. Nach telefonischer

Einverständniserklärung mit den Entscheidungsträgern wurde der Fragebogen

versandt. Auf eine Differenzierung zwischen Dienstgebern mit und ohne

Beschäftigung von Menschen mit Behinderung wurde verzichtet.

Daraufhin wurden 789 Unternehmen und Organisationen im öffentlichen

Bereich kontaktiert, sich an der Erhebung zu beteiligen. Die Auswahl dieser

Stichprobe erfolgte per Zufall. Dabei wurde ein Rücklauf von 142 Fragebögen

erreicht, was einer Rücklaufquote von 18% entspricht.

Die größten Gruppen bildeten dabei die Sparten Gewerbe und Handwerk

mit 28,9% (41), Handel mit 23,9% (34) sowie Industrie mit 14,8% (21) der

retournierten Fragebögen.

Der Informationsstand von Unternehmen und der öffentlicher Verwaltung

im Bereich der Behindertenbeschäftigung

Im Zuge des Fragekomplexes zum Informationsstand zur

Behindertenbeschäftigung war es das Ziel, den Bekanntheitsgrad von

diversen finanziellen und personellen Unterstützungsleistungen bzw. die

unterschiedlichen Begrifflichkeiten im Bereich des Behindertenstatus

darzustellen.

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34 Erhebung mittels Fragebogen

Begriff Bekanntheitsgrad

„Integrationsbeihilfe“ 48,9 %

„Integrative Berufsausbildung“ 31,9 %

Tab. 1: Bekanntheitsgrad „Integrationsbeihilfe“ , „Integrative Berufsausbildung“

Begriff Bekanntheitsgrad

„Berufsausbildungsassistenz“ 28,9 %

„Arbeitsassistenz“ 37,0 %

„Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz“ 27,2 %

Tab. 2: Bekanntheitsgrad „Personelle Unterstützungsleistungen“

Begriff Bekanntheitsgrad

„Begünstigter Behinderter“ 65,2 %

„Begünstigbarer Behinderter“ 15,9 %

„Unterschied Anerkennung behinderter Menschen nach Landesgesetz bzw. nach Bundesgesetz“ 10,4 %

Tab. 3: Bekanntheitsgrad Termini Behindertenstatus

Auf die Frage, ob man sich ausreichend informiert fühlt bzw. Informationsbedarf im Zusammenhang mit

der Behindertenbeschäftigung besteht, antworteten 66% der Befragten, dass sie keine ausreichenden

Informationen im Bereich der Behindertenbeschäftigung vorliegen haben.

Der Bekanntheitsgrad der Förderung der Lohnkosten bei Einstellung eines arbeitslosen Menschen

mit Behinderung seitens des Bundessozialamts liegt bei 48,9%, der Bekanntheitsgrad der Termini

„Begünstigbarer Behinderter“ sowie der „Unterschied der Anerkennung behinderter Menschen

nach dem Landesgesetz bzw. nach dem Bundesgesetz“ bei 15,9% bzw. 10,4%. Knapp zwei

Drittel der Befragten kennen den Begriff „Begünstigter Behinderter“, knapp ein Drittel den Begriff

„Integrative Berufsausbildung“.

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35Erhebung mittels Fragebogen

Die tatsächlichen bzw. zu erwartenden Problemstellungen bei der Beschäftigung

von Menschen mit Behinderung seitens Unternehmen und öffentlicher Verwaltung

Auf die Frage nach den sogenannten „Stolpersteinen“ in der beruflichen Integration von Menschen mit

Behinderung, erwies sich aus Sicht der befragten Dienstgeber die erschwerte Kündigung von Menschen

mit Behinderung (77,4%). Weitere Problematiken werden in der zu erwarteten Tatsache gesehen, dass

Menschen mit Behinderung erhöhte Fehlzeiten aufweisen (59%) und zum Teil eine geringere Arbeitsleistung

erbringen (52,6%).

Interessant (und positiv zu bewerten) ist die Tatsache, dass Schwierigkeiten im Umgang von Menschen

mit Behinderung (16,7%) und Akzeptanzprobleme (7,3%) als sehr niedrig eingestuft worden sind.

FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNG IST ZU GERING

INFORMATIONEN SIND SCHWER ZU BEKOMMEN

QUALIFIKATION IST ZU GERING

DER UMGANG MIT BEHINDERTEN MENSCHEN IST SCHWIERIG

SCHLECHTE AKZEPTANZ

33,3 %

28,7 %

8,7 %

18,1 %

10,2 %

39,9 %

35,3 %

31,9 %

16,7 %

7,3 %

Ja

Nein

Weiß nicht

Abb. 2: Problemstellungen in der Behindertenbeschäftigung

26,8 %

36,0 %

59,4 %

65,2 %

82,5 %

KÜNDIGUNG IST SCHWIERIG

FEHLZEITEN

GERINGERE LEISTUNGSFÄHIGKEIT

MEHRBELASTUNG

ZU WENIG PERSONELLE UNTERSTÜTZUNG

12,4 %

13,7 %

10,9 %

11,0 %

19,4 %

77,4 %

59,0 %

52,6 %

45,6 %

44,0 %

Ja

Nein

Weiß nicht

Abb. 1: Problemstellungen bei der Behindertenbeschäftigung

10,2 %

27,3 %

36,5 %

43,4 %

36,6 %

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36 Erhebung mittels Fragebogen

Notwendige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Beschäftigung von Menschen mit Behinderung

Die, im Zuge der Frage von optimalen Bedingungen der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung,

erhobenen Daten gehen sehr stark in die Richtung einer geforderten Lockerung des Kündigungsschutzes für

begünstigte Behinderte (92,7%). Augenscheinlich ist ein weiteres wichtiges Kriterium eine entsprechende

fachliche Qualifikation von Mitarbeitern mit Behinderung zur Erfüllung der gestellten Aufgaben (91,9%).

Von 84,3% der Befragten wurde rückgemeldet, dass die Voraussetzung für eine erfolgreiche Beschäftigung

von Menschen mit Behinderung die Errichtung einer zentralen Anlaufstelle ist, die sich mit Fragen zu

Förderungen und spezifischen Problemen der Mitarbeiter mit Behinderung beschäftigt.

Nur 4,5% der Unternehmen gaben an, auf keinen Fall Menschen mit Behinderung einzustellen.

LOCKERUNG DES KÜNDIGUNGSSCHUTZES

ENTSPRECHENDE QUALIFIKATION

ZENTRALE ANLAUFSTELLE FÜR FRAGEN ZU FÖRDERUNGEN, ETC.

LANGFRISTIG FINANZIELLE FÖRDERUNGEN

ARBEITSBEGLEITUNG NACH BEDARF

EXTERNE ANSPRECHPERSON

UNTERSTÜTZUNG DER ANDEREN MITARBEITER IM BETRIEB

7,3 %

8,1 %

15,3 %

16,0 %

27,7 %

35,8 %

39,8 %

92,7 %

91,9 %

84,7 %

84,0 %

72,3 %

64,2 %

60,2 %

Ja

Nein

Abb. 3: Notwendige Vorraussetzungen zur Behindertenbeschäftigung

HOHE FINANZIELLE FÖRDERUNGEN

LANGE PROBEZEIT

ORGANISIERTER ERFAHRUNGSAUSTAUSCH

MENTOR IM BETRIEB

KEINE EINSTELLUNGSBEREITSCHAFT BEI DER BEHINDERTENBESCHÄFTIGUNG

63,6 %

67,0 %

73,8 %

77,1 %

95,5 %

36,4 %

33,0 %

26,2 %

22,9 %

4,5 %

Ja

Nein

Abb. 4: Notwendige Voraussetzungen zur Behindertenbeschäftigung

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37Erhebung mittels Fragebogen

Gründe für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung

Vielfältig sind die Gründe bzw. ist die Motivation seitens der Dienstgeber für die Einstellung/Beschäftigung

von Menschen mit Behinderung. Die mit Abstand am häufigsten genannten Gründe waren die

Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern mit im Laufe des Erwerbslebens erworbenen Behinderungen

(90,2%) bzw. das soziale Engagement der Dienstgeber (81,3%).

Weniger in Betracht gezogen bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung wird die gesetzliche

Einstellungsverpflichtung (22,2%) und die Verbesserung des Betriebsklimas (14,2%).

BESTEHENDE MITARBEITER, WELCHE BEHINDERUNG ERWORBEN HABEN

SOZIALES ENGAGEMENT DES UNTERNEHMENS

MOTIVATION VON MITARBEITERN MIT BEHINDERUNG

PERSONEN MIT BEHINDERUNG, WELCHE EMPFOHLEN WURDEN

HOHE QUALIFIKATION BEHINDERTER MITARBEITER

Abb. 5: Gründe für Behindertenbeschäftigung

9,8 %

18,7 %

33,1 %

35,3 %

48,2 %

90,2 %

81,3 %

66,9 %

64,7 %

51,8 %Ja

Nein

HOHE LEISTUNGSFÄHIGKEIT BEHINDERTER MITARBEITER

FINANZIELLE ANREIZE

IMAGE FÜR DAS UNTERNEHMEN

ERFÜLLUNG DER QUOTE

VERBESSERUNG DES BETRIEBSKLIMAS

Abb. 6: Gründe für Behindertenbeschäftigung

62,8 %

64,6 %

66,1 %

77,8 %

85,8 %

37,2 %

35,4 %

33,9 %

22,2 %

14,2 %

Ja

Nein

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38 Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

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39Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Die Befragungen mittels LeitfadeninterviewDie Fragebogenergebnisse gaben einen ersten konkreten Überblick, welche

Aspekte zum Thema Beschäftigung von Menschen mit Behinderung offenbar eine

besonders bedeutsame Rolle in steirischen Unternehmen und in der öffentlichen

Verwaltung spielen. Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurde ein Interviewleitfaden

erstellt und parallel dazu Orientierungsinterviews mit Unternehmensvertretern und

Dienstgebern des öffentlichen Bereichs geführt. Ziel der Orientierungsinterviews

war es, den Interviewleitfaden auf inhaltliche Aspekte zu überprüfen.

Bei über 500 Anfragen wurden insgesamt 51 Leitfadeninterviews mit

Unternehmensvertretern und Vertretern des öffentlichen Bereiches geführt. In die

Stichprobe wurden dabei 37 Interviews aufgenommen. Auf den privatwirtschaftlichen

Bereich entfallen 28 Interviews, auf den öffentlichen Bereich 9 Interviews.

Die Unternehmen bzw. Organisationen des öffentlichen Bereichs hatten zum

Erhebungszeitpunkt zwischen 4 und 9100 Mitarbeiter.

Mag. Christian Haidenhofer, Mag. Thomas Prossy

Privatwirtschaft Interviews Interviewpersonen

Gewerbe und Handwerk 6 Geschäftsführer, PersonalverantwortlicheIndustrie 13 Geschäftsführer, PersonalverantwortlicheHandel 2 PersonalverantwortlicheBank und Versicherung 1 PersonalverantwortlicherTransport und Verkehr 1 PersonalverantwortlicherTourismus und Freizeitwirtschaft 2 GeschäftsführerInformation und Consulting 3 Geschäftsführer, Personalverantwortliche

Öffentlicher Bereich Interviews Interviewpersonen

Öffentliche DG: 9 Bürgermeister, Personalverantwortliche

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40 Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Es werden nun die zentralen Aussagen der Interviewpartner dargestellt. Die

Ausführungen geben in der Regel Mehrheitsmeinungen wieder und sind in

der Formulierung auch als solche ausgewiesen. Auf eine Differenzierung in

der Darstellung zwischen Unternehmen und dem Bereich der öffentlichen

Verwaltung wurde verzichtet bzw. im Anlassfall einer Differenzierung wird

darauf explizit hingewiesen.

Definition und Bilder von „Behinderung“

Der Terminus „Behinderung“ wird von Unternehmens- und öffentlicher Seite

vielschichtig definiert. Großteils wird zwischen Menschen mit körperlicher und

geistiger Behinderung unterschieden. Weiters wird oft eine Unterscheidung

bei Menschen mit „Geburtsbehinderung“ sowie mit „erworbener Behinderung“

getroffen. Augenscheinlich sind hierbei auch die persönlichen Erfahrungen,

welche man mit Menschen mit Behinderung im beruflichen und privaten Bereich

sammeln konnte, eine wichtige Bezugsgröße für Personalentscheidungen.

Ängste bezüglich einer Beschäftigung von Menschen mit geistiger

Behinderung wurden in einigen Fällen geschildert. Vor allem ist es eine gängige

Meinung, dass Menschen mit geistiger Behinderung eine Mehrbelastung

für die Belegschaft in Stresssituationen sind. Die überwiegende Mehrheit

der Befragten gibt an, dass Menschen mit Behinderung motiviert und

engagiert in ihrer Arbeit sind. Dabei spielt die Arbeitsplatzgestaltung,

das Arbeitsvolumen sowie die Tätigkeit selbst eine Rolle. Die richtige

Arbeitsplatzbesetzung durch einen Mitarbeiter mit Behinderung wird in

diesem Zusammenhang generell als sehr wichtig eingestuft. Damit wirkt sich

eine Behinderung nicht negativ auf die zu erbringende Arbeitsleistung aus.

Krankenstände und Fehlzeiten von Menschen mit Behinderung sind

sehr individuell zu betrachten. Ein Großteil der Befragten sieht die

Krankenstände gleich hoch oder sogar niedriger an als bei Mitarbeitern

ohne Behinderung. Im Vergleich zu den erhobenen quantitativen Daten

„Behinderung ist etwas ganz individuelles. Im Grunde hat auch jemand mit chronischen Kreuzschmerzen oder mit einem Bandscheibenvorfall eine Behinderung.“

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41Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

mittels Fragebogen ist hierbei eine positivere Gewichtung des Sachverhaltes

sichtbar. Grund dafür könnte sein, dass in der Fragebogenerhebung

sehr pauschale Antworten erforderlich waren und (negative) Einzelfälle

sowie fehlende Erfahrungen die Antworttendenzen stark geprägt haben.

Gründe für Beschäftigung / Nicht – Beschäftigung

von Menschen mit Behinderung

Wie in der Fragebogenerhebung tendenziell angedeutet wird,

weisen Menschen mit Behinderung hohe Motivation, Ehrgeiz und

Leistungsbereitschaft auf. Diese Meinung wird fast ausnahmslos von den

Befragten wiedergegeben. Generell wird diese Tatsache auch als Grund

für eine Neuanstellung eines Mitarbeiters mit Behinderung angegeben.

Dabei spielen auch Werte von Dienstgeberseite wie soziale Verantwortung

und Pflichtbewusstsein gegenüber „vermeintlich Schwächeren in der

Gesellschaft“ eine Rolle. Diese Verantwortung spiegelt sich ganz stark wider,

wenn Mitarbeiter, die im Laufe des Erwerbslebens eine Einschränkung

erworben haben (z.B. Unfall), im Unternehmen weiterbeschäftigt werden.

„Ich sehe einen Menschen mit Behinderung als gleichwertigen Menschen. Mir wäre am liebsten ich brauche gar keinen Zuschuss oder sonst irgendetwas. Das ist für mich eher sekundär.“

„Es gibt Behinderte die mehr Arbeit leisten wie mancher Gesunder.“

„Ich kann das jetzt nicht bejahen, dass man dies mit den erhöhten Fehlzeiten grundsätzlich sagen kann. Es gibt aber sicher den einen oder anderen der aufgrund seines Gebrechens mehr Krankenstände hat.“

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42 Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Einstellungsgründe, welche von einzelnen Unternehmen genannt wurden, sind

u. a., dass in Zeiten hoher Personalfluktuation Menschen mit Behinderung

sich länger an einen Betrieb binden und die Möglichkeit besteht, dass zur

Deckung eines großen Personalbedarfs (z.B. gleichzeitige Einstellung von

dutzenden neuen Mitarbeitern) auf die Humanressourcen dieser Zielgruppe

zurückgegriffen werden kann.

Neueinstellungen bzw. Weiterbeschäftigungen sind in einem gewissen Maß

auch an Förderungen und Zuschüsse gekoppelt.

Schlussendlich spielen die guten Erfahrungen, welche man in der Vergangenheit

bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung gemacht hat, auch eine

Rolle für weitere Neueinstellungen.

Als Einstellhemmnisse werden generell fehlende Arbeitsplätze bzw.

Beschäftigungsmöglichkeiten genannt. Auch die zu hohen Gefahrenmomente

in der Ausübung spezieller Tätigkeiten sind in den Augen der Befragten

problematisch. Weiters fallen durch Rationalisierungen in Unternehmen

Arbeitsbereiche weg, welche früher als „klassische Behindertenarbeitsp

lätze“ gegolten haben. Hier werden von den Vertretern des öffentlichen

Bereichs und Unternehmen neue Ausbildungsmodelle und arbeitsplatznähere

Qualifizierungs-maßnahmen, vor allem im Lehrlings- und Facharbeiterbereich,

gefordert.

„Es ist natürlich schwer in unserem Bereich, weil wir auch mit gefährlichen Gütern zu tun haben. Also man kann die Behinderten nicht in jedem Bereich einsetzen.“

„Durch unsere Unternehmensgröße ist es doch da eine gewisse Verpflichtung Menschen mit Behinderung zu beschäftigen.“

„Grundsätzlich haben alle eine besondere Verantwortung Menschen mit Behinderung gegenüber. Es ist einfach so, dass die öffentliche Hand sich noch leichter tut als Privatunternehmen.“

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43Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Als sehr große Barriere erweist sich die erschwerte Zugänglichkeit im baulichen

Bereich. Teilweise ist eine rollstuhlgerechte Erreichbarkeit der Arbeitsplätze

nicht gegeben.

In Einzelfällen wurde auch die Einschulung von Menschen mit geistiger

Behinderung am Arbeitsplatz als sehr schwierig eingeschätzt. In gleicher

Weise wurde das Vorhandensein einer Ansprechperson oder einer externen

Arbeitsbegleitung als unbedingt notwendig empfunden.

Ein großes Einstellhindernis bildet nach Meinung der Befragten der besondere

Kündigungsschutz für begünstigt Behinderte, wobei zu bemerken ist, dass

vor allem Unternehmen nicht nur in der Unsicherheit des Ausgangs des

Kündigungsantrages eine Problematik sehen, sondern auch in der Länge des

Kündigungsverfahrens an sich.

Darüber hinaus wurde in einigen Fällen bei Unternehmen die Tatsache vermerkt,

dass keine bzw. kaum Bewerbungen von Menschen mit Behinderung eingehen,

was wiederum den Umkehrschluss zulässt, dass Bewerber Angaben über

Behinderungen nicht anführen.

„Wir haben nicht einmal die Möglichkeit, jemanden mit Behinderung einzustellen. Wenn ein Rollstuhlfahrer kommt, den könnten wir nicht in das Gebäude bekommen. Nachrüsten wird eine Aufgabe sein.“

„Mitarbeiter mit geistiger Behinderung haben wir nicht. Sage ich auch ganz ehrlich. Weil sich einfach aus unserer Überlegung oder aus den Stellenbeschreibungen bzw. Profilbeschreibungen sehr schwer Möglichkeiten ergeben.“

„Ich glaube, dass die Angst des Dienstgebers sehr groß ist, weil er jemanden einstellt und denkt den kriegt er nicht mehr los.“

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44 Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Ansprechpersonen und Anlaufstellen

Unternehmen und öffentliche Dienstgeber definieren die unterschiedlichsten

Organisationen und Institutionen, welche Informationen bzw.

Unterstützungsleistungen bieten können, als tatsächliche und potentielle

Anlaufstellen. So sind nicht nur die gängigen Ansprechstellen wie

Wirtschaftskammer, Bundessozialamt oder AMS genannt, sondern es

werden auch Joballianz oder Arbeitsassistenzen als Anlaufstellen in Anspruch

genommen.

Interessant ist die Tatsache, dass in einigen Fällen die Informationsbeschaffung

einzig und allein über das Internet ohne konkrete Inanspruchnahme einer

Anlaufstelle getätigt wird. Vor allem der Sachverhalt, dass von Unternehmen

eine „zentrale Anlaufstelle“ gefordert wird, lässt darauf schließen, dass

gewisse Problematiken, die bei der beruflichen Integration aufgrund von

Erfahrungsdefiziten auftreten, im Vorfeld zur Klärung gebracht werden

sollten. Durch die Vermittlung von öffentlichkeitswirksamen „Best-Practice-

Beispielen“ kann dieser Tatsache entgegengewirkt werden. Die Definition

und Kommunikation einer „zentralen Anlaufstelle“ ist trotzdem in diesem

Zusammenhang durchaus in Betracht zu ziehen.

Informationsbedarf sehen Unternehmen und öffentliche Dienstgeber verstärkt

in den Bereichen Fördermöglichkeiten und Unterstützungsangebote.

„Es gibt den einen oder anderen Handlungsbedarf,auch dass man eine zentrale Stelle hat,an die man sich wenden kann.“

„Es gibt nicht nur eine Institution, die fördert und unterstützt, es sind mehrere Institutionen die das machen. Dadurch ist es etwas undurchschaubar.“

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45Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Ein kontinuierlicher Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmen wird

differenziert betrachtet. Dem kreativen und aufklärenden Gedanken stehen

Bedenken der nicht vergleichbaren Situationen in Unternehmen und die

Problematik begrenzter Zeitressourcen der Personalverantwortlichen an der

Teilnahme solcher Erfahrungsaustauschtreffen entgegen.

Einhellige Meinung der Befragten zur Verbesserung des Informationsstandes

im Bereich der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ist die

kontinuierliche Kontaktpflege zu den dafür vorgesehen Anlaufstellen und

Ansprechpersonen.

„Wenn man sich einmal auf das Gebiet derBehindertenintegration begibt, kommt man sehr schnell drauf, dass man Informationen bekommt. Aber bis zu dem Zeitpunkt hin, bis wir das angegangen sind, war mein Informationsstand so schlecht, dass ich nicht einmal darüber nachgedacht habe.“

„Dass sich Unternehmen austauschen? Das könnte ich mir vorstellen, dass das hilfreich wäre. Alleine auch auszutauschen, wo können Menschen auch eingesetzt werden, da braucht man oft kreative Ideen.“

„Und es ist so, dass sich regelmäßig bei mir auch Mitarbeiter von Organisationen melden, die einfach sagen, wir können Ihnen da Informationen geben, können Sie da betreuen.“

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46 Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Der rechtliche Rahmen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung

- das Behinderteneinstellungsgesetz

Die Erfahrungen von Unternehmen und Dienstgebern der öffentlichen

Verwaltung bezüglich des Behinderteneinstellungsgesetzes sind

unterschiedlich. In diesem Zusammenhang spielen auch die Erfahrungswerte

der Vergangenheit sowie der tatsächliche Informationsstand im Bereich des

rechtlichen Rahmens bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung

eine entscheidende Rolle.

Generell wird das Behinderteneinstellungsgesetz sehr stark mit dem

besonderen Kündigungsschutz für begünstigt Behinderte in Verbindung

gebracht. Das lässt darauf schließen, dass dieser Themenbereich den

prägnantesten und wichtigsten Punkt für Unternehmen und Dienstgeber der

öffentlichen Verwaltung darstellt.

Der besondere Kündigungsschutz von begünstigten Behinderten

Die überwiegende Meinung der Personalverantwortlichen in Unternehmen ist,

dass eine Lockerung des Kündigungsschutzes für begünstigt Behinderte eine

Verbesserung der Arbeitsmarktchancen für diese Zielgruppe ergeben würde.

Die Vertreter des öffentlichen Bereichs sind hingegen in diesem Zusammenhang

nicht ausschließlich für die Lockerung des Kündigungsschutzes. Unternehmen

und Dienstgeber des öffentlichen Bereichs gehen aber von einer grundsätzlichen

Schutzbedürftigkeit von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt aus.

„Also Betriebe würden sich mehr drüber trauen über die Behinderteneinstellung, mehr nehmen wie gefordert, wenn dieser Kündigungsschutz etwas gelockert wäre oder genau für den Betrieb zugeschnitten.“

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47Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Die Erfahrungswerte der Befragten gehen in diesem Zusammenhang in

folgende Richtung:

Der Kündigungsschutz für begünstigt Behinderte wird als „Einstellhemmnis“ für

diese Personengruppe angesehen bzw. dieser wird als Schutz für Mitarbeiter,

welche im Laufe ihres Erwerbslebens eine Einschränkung erfahren haben,

definiert.

Diese Einschätzung spiegelt sich auch in der wissenschaftlichen Literatur

beschriebenen „Insider/Outsider-Problematik“ wider.

Großteils werden auch die Kündigungsverfahren, sofern Erfahrungen

vorhanden, als problematisch beurteilt. Kritisiert wird dabei die Tatsache, dass

der Ausgang der Verfahren lang bzw. zu undurchsichtig ist.

Ein Argument, welches seitens der Unternehmen für eine erforderliche

Lockerung des Kündigungsschutzes spricht, ist unter anderem die Unflexibilität

bei Personalentscheidungen.

Die befragten Unternehmen und Dienstgeber des öffentlichen Bereichs

äußerten sich in Bezug auf Empfehlungen, als eine Möglichkeit einer

zukünftigen Umsetzung, den Kündigungsschutz in dieser Form beizubehalten,

jedoch in der weiter oben angeführten Effizienz im Bereich der Abwicklung

der Kündigungsverfahren zu adaptieren. Weitere Empfehlungen mündeten in

eine Perspektive einer verlängerten Kündigungsfrist (statt Kündigungsschutz)

mit gleichzeitigen Outplacement bzw. Begleitung durch die Arbeitsassistenz.

Als dritte große Empfehlungsrichtung soll die Methode der Personalüberlassung

stark ausgebaut werden.

„Also wenn ich mit anderen Personalverantwortlichen diskutiere, ist es das erste große Thema.Um Gotteswillen, dann muss ich ein Vorverfahren machen. Das kann ein Jahr dauern, zwei Jahre, das tue ich mir nicht mehr an. Dann nehme ich den gar nicht mehr.“

„Der Kündigungsschutz ist dann ein Problem, wenn erhöhte Fehlzeiten und Leistungsabfall auftreten.“

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48 Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Gerade durch die in den Interviews geäußerte Problematik, den

besonderen Kündigungsschutz von begünstigt Behinderten betreffend,

ist auf politischer Ebene eine aktuelle Diskussion entstanden. Jedoch ist in

diesem Zusammenhang zu beachten, dass der besondere Kündigungsschutz

eben auch eine Schutzfunktion für den jeweiligen Menschen mit Behinderung

bedeutet, damit dieser seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann.

„Die Kündigung eines nicht-behinderten Mitarbeiters anstatt eines begünstigt Behinderten wird gegebenenfalls inBetracht gezogen“

„Aus meiner Sicht könnte ein Ansatzpunkt im Gegensatz zu einem normalen Mitarbeiter eine extrem verlängerte Kündigungsfrist sein.“

„Für den Behinderten ist es schon eine Sicherstellung, dass er sich allein das Leben erhalten kann. Er ist nicht angewiesen auf den Staat oder auf irgendeine Unterstützung, sondern er hat die Bestätigung, ich habe einen Job und ich kann mein Leben allein bewältigen.“

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49Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Die Ausgleichstaxe

Empfehlungen im Bereich der Bemessung der Ausgleichstaxe waren in

Einzelfällen folgende:

Bei Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht ist eine progressive Steigerung

der Ausgleichstaxe anzudenken. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass sich die

Höhe der Ausgleichstaxzahlungen steigert, je weiter man von der zu erfüllenden

Beschäftigungsquote von begünstigt Behinderten entfernt ist. Genauso in

Einzelfällen wurde von den Interviewten auch die Prämierung der Übererfüllung

der Quote gefordert. Diese Maßnahme als weiteren Anreiz in das Behinderten-

einstellungsgesetz wieder aufzunehmen, wäre eine mögliche Perspektive in

der Behindertenbeschäftigung vor allem für kleinere Unternehmen.

Die Probezeit bzw. Zeit vor Inkrafttreten des besonderen

Kündigungsschutzes

Bis 1. Juli 2001 bestand während der ersten drei Monate des Dienstverhältnisses

ein besonderer Kündigungsschutz. Ab diesem Stichtag wurde die Regelung

geändert und die Frist auf 6 Monate erweitert.

Der Großteil der Befragten äußerte sich zu dieser Zeitspanne positiv. Sie

lässt genügend Freiraum für eine objektive Beurteilung der Arbeitsleistung.

In diesem Zusammenhang wird betont, dass dieser Zeitraum auch zur

Arbeitsplatzgestaltung und Konfliktbereinigung dient.

„Eine Erhöhung mag ein Ansatz sein, weil die meisten Firmen die Ausgleichstaxe in Kauf nehmen.Im Sinne einer Mehrbeschäftigung von Behinderten wäre das wahrscheinlich ein Ansatzpunkt.Wie soll man das sonst anders machen?“

„Ich glaube, dass man innerhalb von 6 Monatenden Mitarbeiter mit Behinderung einschätzen kann. “

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50 Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Zuschüsse und finanzielle Förderungen

Im Fall von finanziellen Förderungen sieht ein Teil der Befragten diese

ausdrücklich als keinen Anreiz, Menschen mit Behinderung einzustellen.

Hierbei sind Aspekte, welche unter dem Punkt

„Gründe für Beschäftigung / Nicht – Beschäftigung von Menschen mit

Behinderung“ erwähnt wurden, eher ausschlaggebend. Ein anderer Teil

der Befragten sieht die finanzielle Bezuschussung bei einer Beschäftigung

von Menschen mit Behinderung sehr wohl als Anreiz. Wenn es nun um die

Langfristigkeit von Förderungen geht, ist diese in den Augen der Befragten auf

jeden Fall zu gewährleisten.

Generell gesehen scheinen Förderungen für Unternehmen und Dienstgeber

der öffentlichen Verwaltung, welche Erfahrung bei der Beschäftigung von

Menschen mit Behinderung haben, eine nachrangige Bedeutung zu haben.

Anzusetzen ist hierbei wiederum im Bereich einer offensiveren

Informationspolitik für Dienstgeber ohne Erfahrung in der Beschäftigung von

Menschen mit Behinderung.

„Auf jeden Fall muss bei einer allfälligen Minderleistung des Menschen mit Behinderung die Förderung dies ausgleichen.“

„Natürlich sind Förderungen hierbei ein Anreiz.Das ist keine Frage. Aber ich würde nie wegen einer Förderung einen Menschen anstellen.“

„Das ist der falsche Ansatz in unserer Personalpolitik. Eine Einstellung würde ich nicht aus Förderungsgründen tätigen. Es gibt sicher viele Betriebe, die anders denken, die schauen was unter dem Strich herauskommt.“

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51Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Im Bereich der öffentlichen Verwaltung stellt folgende Tatsache einen

Adaptionsbedarf dar: Das steirische Behindertengesetz wurde am 1.7.2004

dahingehend geändert, dass die Hilfeleistung der „geschützten Arbeit“ in die

Hilfeleistung der „gestützten Arbeit“ umbenannt wurde. Der damit verbundene

Lohnkostenzuschuss fällt für Kommunen und öffentliche Verwaltung

seitdem weg. Eine Adaption des Gesetzes in punkto Wiederaufnahme des

Lohnkostenzuschusses wäre prinzipiell anzuregen.

Externe Unterstützungsdienstleistungen

Generell wurde von den Befragten die Wichtigkeit von externen

Unterstützungsleistungen in Form von Arbeitsassistenz und Jobcoaching

betont. Vor allem in der Phase der Einarbeitung ist die Begleitung von Menschen

mit Behinderung wichtig, besonders in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit

Kollegen ohne Behinderung.

Mitarbeiter von Menschen mit Behinderung müssen aufgeklärt und auf die

Situation hin sensibilisiert werden. Hierbei wird von den Befragten mehr und

punktuellere Unterstützung eingefordert. Ebenfalls ein Unterstützungsbedarf

ist bei der beruflichen Integration von Menschen mit geistiger Behinderung

gegeben. Generell in Betracht zu ziehen ist auch die Ermöglichung einer

Begleitung von jungen Menschen mit Behinderung durch die Arbeitsassistenz

bei Kurz- oder Ferialpraktikas bis zu einer Länge von 3 Monaten,

auch ohne Aussicht auf ein Anstellungsverhältnis.

„Ich glaube auch, dass man in dem Betrieb den Kolleginnen und Kollegen Informationen geben muss.Wie gehen die Mitarbeiter in der Abteilung mit dem Menschen mit Handicap um? Was darf ich ansprechen? Was darf ich nicht ansprechen? Was mache ich zuviel? “

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52 Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Qualifikationsbezogene Aspekte

Notwendig ist im Sinne der Befragten eine Verbesserung der Qualifikationen

von Menschen mit Behinderung. Da in vielen Arbeitsbereichen die

Halbwertszeit von Wissen immer mehr abnimmt und auf der anderen Seite das

Ausbildungsniveau von arbeitslos gemeldeten Menschen mit Behinderung im

Durchschnitt gesehen niedrig ist, empfiehlt es sich, praxisnahe Bildungsmodelle

zu entwickeln, welche mit Ausbildungsphasen in Betrieben gekoppelt sind.

Hierbei sind auch Implacement-Stiftungen als praxisnahe Variante eines

innerbetrieblichen Ausbildungsmodells eine Perspektive. Damit kann die

Problematik einerseits vorhandener, aber nicht „passgenauer“ Qualifikationen

von Menschen mit Behinderung und andererseits die speziellen

Kompetenzanforderungen von Unternehmen entschärft werden.

Behinderung und demographischer Wandel

Eingangs ist zu bemerken, dass im Zuge der Interviewphase folgende Tatsache

festzustellen war: Bei den nur zwei vorgesehenen Fragen im Interviewleitfaden

war der Themenbereich „Behinderung und demographischer Wandel“ im

Ausmaß der Rückmeldungen der Interviewteilnehmer sehr ausgeprägt.

Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass diese Thematik eine

besondere Bedeutung für die Befragten hat. Allein der Sachverhalt, dass in

zehn Jahren aufgrund des demographischen Wandels 75% der Belegschaft

älter sein wird als 40 Jahre, verleiht dieser Annahme Substanz.

„Ich finde für uns ist die soziale Kompetenz nach wie vor ganz wichtig in unserem Unternehmen,weil man immer wieder sieht, dass die Menschen zwar fachlich gut sind, nur die soziale Kompetenz hinten ansteht. Auch im Bereich von Menschen mit Behinderung.“

„Wir praktizieren nicht, dass man mit 45 nicht mehr genommen wird, sondern ich würde mit 50 genauso jemanden einstellen. “

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53Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

Generelle Meinung der Befragten in Unternehmen und im öffentlichen Bereich

ist, einerseits die Leistungskraft und das Engagement der Mitarbeiter zu

erhalten und zu fördern und andererseits das Erfahrungswissen zu vernetzen.

Dass dabei nicht nur die Dienstgeber gefordert sind, sondern auch eine

Bewusstmachung im Mitarbeiterbereich erfolgen sollte, mit dem Ziel, dass jeder

Mitarbeiter selbst für den Erhalt seiner Beschäftigungsfähigkeit Verantwortung

trägt, war genauso großteils Meinung der Interviewteilnehmer.

Was den organisatorischen Rahmen zur Schaffung von alters- und

einschränkungsgerechten Arbeitsplätzen betrifft, so ist nur bei einem einzigen

der befragten Unternehmen diesbezüglich eine konkrete Umsetzung im Gange,

wo Mitarbeiter mit erworbenen Einschränkungen die Möglichkeiten wahrnehmen

können, einen neuen Arbeitsplatz ihren Bedürfnissen entsprechend zu

bekleiden. Die überwiegende Mehrheit der Befragten hat zu dieser Thematik

die Meinung, dass aufgrund von kurz- bzw. mittelfristigen Planungshorizonten

ein anlassbezogener Arbeitsplatzwechsel schwer bzw. gar nicht realisierbar

ist. Dabei spielt vor allem eine zu geringe Betriebsgröße und eine damit

verbundene eingeschränkte Möglichkeit einer Aufgabenumschichtung eine

Rolle.

„Es ist nicht immer nur die Firma die schauen muss, ob ich fit bin, das Fortbildungen gemacht werden, etc. Ich denke, dass es für jeden Arbeitnehmer selbst ein Kriterium ist, wie ich mich arbeitsfähig und fit halte.“

„Und ich muss irgendein Werkzeug haben. Früher hat es Altersteilzeit, Gleitpension und all solche Dinge gegeben. Ich glaube, man sollte sich so etwas auch überlegen. Das bedarf sicher einiger Gesetzesänderungen.“

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54 Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, eine öffentlichkeitswirksame

Thematisierung der Problematik einer alternden Gesellschaft im Bereich Arbeit

und Beschäftigung, anzuregen. Da diese Einschränkungen meist chronische

Erkrankungen betreffen, die in der Regel nicht plötzlich auftreten, sondern über

Jahre hinweg entstehen, bestehen gute Präventionsmöglichkeiten. Hierbei

gilt es, eine dementsprechende gesundheitsförderliche Unternehmenskultur

aufzubauen bzw. externe Unterstützungsmöglichkeiten in der Beratung und in

der Umsetzung von konkreten Maßnahmen für Unternehmen und öffentliche

Dienstgeber anzubieten.

„Bei uns ist es so, dass einem älteren Arbeitnehmer ein junger dazugestellt wird, der dann von dem Älteren lernt und der dann aber auch gleichzeitig unterstützt.“

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55Die Befragungen mittels Leitfadeninterview

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56 Zusammenfassende Maßnahmen und Perspektiven

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57Zusammenfassende Maßnahmen und Perspektiven

Blickt man über die Grenzen Österreichs hinaus,

so variieren die gesetzlichen Regelungen

bzw. Rahmenbedingungen zur Integration von

Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt

in den einzelnen Ländern stark. Während Länder

wie zum Beispiel Deutschland, Frankreich aber

auch Österreich regulatorisch in den Arbeitsmarkt

eingreifen und zum Teil Quoten (bzw. Abgaben)

für die Beschäftigung von Behinderten

kennen, setzten Länder wie Kanada, USA oder

Großbritannien auf Anti-Diskriminierungsgesetze.

Jedoch zeigten beide Ansätze nur mäßigen Erfolg

(vgl. dazu Shrey/Hursh 1999, 49).

Ausgehend von einer traditionellen Sozialpolitik in

den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts,

welche zum Ziel hatte, Menschen mit

Behinderung in speziellen Sozialeinrichtungen

zu fördern, steht nun seit geraumer Zeit im

Rahmen der aktuellen Sozialpolitik die Schaffung

der Zugangsmöglichkeiten für Menschen mit

Behinderung zum allgemeinen Arbeitsmarkt.

So sind hierbei drei arbeitsmarktpolitische

Instrumente zugunsten behinderter Menschen

zu unterscheiden: Erstens ist dies die schon

erwähnte regulative Steuerung, d.h. die direkte

oder indirekte Beeinflussung des Verhaltens

der Beteiligten am Arbeitsmarkt mit Verboten,

Geboten, monetären Anreizen, etc., weiters

die ausgleichende Steuerung, welche konkrete

Nachteile bei der Beschäftigung für Menschen

mit Behinderung zu kompensieren versucht

sowie der Ersatzarbeitsmarkt, wo Menschen

mit Behinderung nicht in Konkurrenz zu nicht

behinderten Mitarbeitern stehen, wie integrative

Betriebe oder Beschäftigungswerkstätten (vgl.

Leichsenring/Strümpel, 1997, 7f).

Aufgrund der negativen Haltung von Dienstgebern

auf Verbote oder Gebote ist eine Ausweitung

der Instrumente zur ausgleichenden Steuerung

vorzusehen.

Dies sind zum Beispiel Zuschüsse zur Aus- und

Weiterbildung, Finanzierung von technischen

Hilfsmitteln am Arbeitsplatz, Beratungsleistungen,

etc. Gerade was die steigenden intellektuellen

Arbeitsanforderungen und damit den Einsatz von

neuen Technologien am Arbeitsplatz betrifft, sind

diese vor allem für Menschen mit körperlichen

Einschränkungen von Vorteil und erleichtern

damit die berufliche Integration.

Jedoch bildet diese Tendenz für Menschen

mit geistiger Behinderung eine Barriere

am Arbeitsmarkt. Der im Zuge der

Ergebnisse der qualitativen Interviews

angesprochene Wegfall von so genannten

„klassischen Behindertenarbeitsplätzen“

wie Portier, Bote oder Reinigungskraft, stellt

für diese genannte Zielgruppe vermutlich eine

Erschwernis in der beruflichen Integration dar.

Mag. Thomas Prossy

Zusammenfassende Maßnahmen und Perspektiven

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58 Zusammenfassende Maßnahmen und Perspektiven

Der Aspekt des Ausbaues eines

Ersatzarbeitsmarktes ist umstritten, da dieser

die Segregation fördert und in wachsender

Konkurrenz zum freien Arbeitsmarkt auftritt.

Eine doppelte Problematik bei der beruflichen

Integration bilden Frauen mit Behinderung.

Neben den allgemeinen Schwierigkeiten, mit

Behinderung am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen,

sind diese aufgrund geschlechterspezifischer

Benachteiligung zusätzlich mit Barrieren

konfrontiert. Durch Qualifikationsmängel,

generelle schlechte Berufseinstiegs- bzw.

Aufstiegsmöglichkeiten sind Vermittlungs-

einschränkungen prägnant. Hierbei ist die

Möglichkeit von Implacement-Stiftungen in

Betracht zu ziehen. Durch eine passgenaue

Qualifizierung in Verbindung mit Arbeitspraxis

sind Qualifikationsmängel zu verringern und eine

berufliche Integration zu ermöglichen.

Generell ist es wichtig, nicht nur die Qualifizierung

von arbeitslosen Menschen mit Behinderung

zu fördern, sondern auch von Menschen mit

Behinderung, welche in Beschäftigung sind

(vgl. Niehaus in: Niehaus/Montada 1997).

Vor allem die Verbesserung der Vermittlung

von sozialen Kompetenzen ist in diesem

Zusammenhang eine Notwendigkeit.

Zur Erleichterung der Zugänglichkeit von

Praktikumsstellen für junge Menschen mit

Behinderung ist eine Errichtung bzw. Erweiterung

von Praktikumsbörsen erstrebenswert.

Im Bereich des Kündigungsschutzes ist es

schwierig, eine zufriedenstellende Lösung für alle

Beteiligten zu finden. Durch die lange Tradition

dieser Schutzmaßnahme und auch die eingangs

erwähnte Tatsache im Ländervergleich, dass

weder das regulatorische Modell als auch das

Modell von Anti-Diskriminierungsgesetzen im

Endeffekt die gewünschten Zielsetzungen erfüllt,

sind neue Denkweisen bzw. Modelle gefragt.

Das von den Koalitionspartnern im

Regierungsprogramm beschriebene Modell

der Personalverleihung von Menschen mit

Behinderung kann als erster zusätzlicher Impuls

diesbezüglich gewertet werden. Im konkreten

Fall würde diese Variante regionale Agenturen

vorsehen, welche Menschen mit Behinderung

anstellt, an Dienstgeber weitervermittelt bzw.

verleiht.

Im Falle einer Kündigung seitens des Dienstgebers

bleibt die Person mit Behinderung bei der Agentur

beschäftigt sowie sozial abgesichert. Weiters

ist in diesem Zusammenhang ein individuelles

Outplacement gefordert, wo in Zusammenarbeit

mit Dienstgeber, regionaler Agentur und Person

mit Behinderung begleitende Maßnahmen zur

Neuorientierung und Perspektivenentwicklung

für eine neue Beschäftigung erarbeitet werden

sollen. Damit kann die Forderung einer kompletten

Abschaffung des Kündigungsschutzes für

begünstigt Behinderte entkräftet werden und

mit dem Modell des Personalleasings ein

flächendeckendes zusätzliches Angebot zur

Personalvermittlung bzw. zur Deckung des

Personalbedarfs bei Dienstgebern angeboten

werden.

Im Bereich einer Informationsverbesserung

für Dienstgeber sind öffentlichkeitswirksame

Veranstaltungen in Kooperation mit der

Wirtschaftskammer oder dem Bundessozialamt

zu forcieren. Dabei sollen vor allem Best-

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59Zusammenfassende Maßnahmen und Perspektiven

Practice-Beispiele der beruflichen Integration

aufgezeigt werden und Informationen über

Unterstützungsleistungen angeboten werden.

Generell sind in einer Zeit des tiefgreifenden

gesellschaftlichen Wandels neue Konzepte

zur beruflichen Integration von Menschen

mit Behinderung gefragt. So kann ein

persönliches Coachingmodell von Fach- und

Führungskräften aus der Wirtschaft, in bezahlter

wie in unentgeltlicher Form, für Menschen

mit Behinderung eine nachhaltige Platzierung

auf dem Arbeitsmarkt bedeuten. Genauso ist

über ein betriebliches Mentorensystem eine

verbesserte Einarbeitung in die innerbetrieblichen

Abläufe gegeben bzw. der Arbeitsplatz wird

durchschnittlich länger behalten als mit externen

Begleitpersonen der Integrationsfachdienste

(vgl. Schartmann 1995).

In diese Richtungen gehen auch Sensibilisierungs-

programme, welche als intensive Vorbereitung der

zukünftigen (nicht behinderten) Mitarbeiter von

Menschen mit Behinderung angesehen werden

können. Diese sind für eine gelungene berufliche

Integration erforderlich und sind zu forcieren.

Für Dienstgeber, welche Förderungen als

Abdeckung der Minderleistung von Menschen

mit Behinderung als notwendig erachten, ist die

Forcierung einer Beratungsleistung im Bereich

von Unternehmenskonzepten zur Schaffung,

Gestaltung und Erhaltung von Arbeitsplätzen

sowie Kosten-Nutzen-Analysen einer

Beschäftigung von Menschen mit Behinderung in

Betracht zu ziehen.

Gemeindekooperationen bzw. eine

interkommunale Zusammenarbeit zur

Schaffung von neuen Arbeitsplätzen für

Menschen mit Behinderung bilden ebenfalls

zukünftige Beschäftigungsoptionen.

Maßnahmen zur Förderung der Gruppe der

Menschen mit Behinderung über 45 Jahren

können in beschränktem Ausmaß auch

Beschäftigungsformen im 2. Arbeitsmarkt sein.

Generell ist der Blick in die Zukunft für die

Beschäftigung von Menschen mit Behinderung

ein ambivalenter. Der zu erwartende erhöhte

Personalbedarf im Fachkräftebereich kann durch

verstärkte Qualifizierungsmaßnahmen bzw. den

wirtschaftlichen Erfordernissen entsprechend

adaptierten Arbeitsintegrationsmodellen wie

Personalleasing oder Implacement-Stiftungen für

Menschen mit Behinderung positiv beeinflusst

werden. Die tendenzielle Abneigung des

besonderen Kündigungsschutzes für begünstigt

Behinderte seitens vieler Unternehmen und

die Rationalisierung und Flexibilisierung

vieler Arbeitsgebiete erschwert die berufliche

Integration von gewissen Gruppen von Menschen

mit Behinderung. Es ist abzuwarten, welche

zukünftigen Modelle, auch die oben genannten,

in den Bereichen Kündigungsschutz und

Beschäftigung Erfolg versprechend umgesetzt

werden können.

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60 Literaturverzeichnis

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61Literaturverzeichnis

Literaturverzeichnis

Badelt, C. / Österle, A.: Grundzüge der Sozialpolitik. Wien, 2001.

Badelt, C.: Zur Lebenssituation behinderter Menschen in Österreich. Wien, 1993.

Badelt, C.: Geschützte Arbeit. Wien/Köln/Weimar, 1992.

Brackhane, R.: Rehabilitation im Beruf: Behinderte Menschen auf dem

Arbeitsmarkt. Leonberg, 1996.

Dyk, I.: Arbeitsmarktchancen für Menschen mit Behinderungen. Eine empirische Untersuchung in

oberösterreichischen Unternehmen über die Arbeitsmarktchancen von Menschen mit Behinderung.

Linz, 2002.

Egger, J.: Das Arbeits- und Sozialrecht der EU und die österreichische

Rechtsordnung. Wien, 2005.

Ernst, K. / Haller, A.: Behindertengleichstellungsgesetz, Gesetze und

Kommentare 149. Wien, 2005.

Hofer, H. (Hrsg.): Alltag mit Behinderung. Ein Wegweiser für alle Lebensbereiche. Wien, 2003.

Leichsenring, K. / Strümpel C.: Berufliche Integration behinderter Menschen. Innovative

Projektbeispiele aus Europa. Wien, 1997.

Niehaus, M.: Eingliederungsbarrieren aus Sicht der Betriebe, der Arbeitsvermittler und der

Betroffenen. In: Niehaus, M.; Montada, L. (Hrsg.): Behinderte auf dem Arbeitsmarkt. Wege aus dem

Abseits. Frankfurt, 1997.

OECD - Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Behindertenpolitik

zwischen Beschäftigung und Versorgung : ein internationaler Vergleich. Frankfurt [u. a.], 2003.

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62 Literaturverzeichnis

Punzenberger, M.: Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt. Eine qualitative Analyse der

Lebenslagen anhand des Faktors Arbeit. Linz, 2006.

Schartmann, D.: Soziale Integration durch Mentoren. In: Behinderte in Familie, Schule und

Gesellschaft Nr. 4/1995.

Shrey, D. / Hursh, N.: Workplace Disability Management: International Trends and Perspectives. In:

Journal of Occupational Rehabilitation 9 (1). 1999, 45-59.

World Health Organization (WHO): International classification of impairments,

disabilities and handicaps. Genf, 1980.

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63Literaturverzeichnis

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64 Initiative Soziale Integration

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65Initiative Soziale Integration

Die „Initiative Soziale Integration“ ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für die soziale Integration

von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen einsetzt. Das Zentrum der Aktivitäten sind

die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung auf eine nicht aussondernde Lebensführung, bzw.

die Unterstützung deren Rechtsvertreter, für den Fall, dass diese Rechte missachtet und beschnitten

werden.

Die Gründung von ISI – Initiative Soziale Integration erfolgte 1984 mit dem Ziel einer Integration von

Kindern mit Behinderung in das Regelschulwesen. Dabei wurde ein Modell zur schulischen Integration

für die Primär- und Sekundarstufe entwickelt. Weiters hatte der Verein maßgebliche Beteiligung an der

legistischen und praktischen Umsetzung des Integrationsmodells.

Auch hatte der Verein maßgeblichen Anteil an der Konzeption der „Integrativen Berufsausbildung“.

Heute bilden eine Familienberatungsstelle, Projekte im Bereich schulischer

Integration, Assistenzorganisation, Berufsvorbereitung sowie Ferien- und Freizeitaktionen

das vielfältige Angebot des Vereins.

Der Verein richtet sich an alle, die privat oder beruflich mit Menschen mit Behinderung befasst sind,

selbst eine Behinderung haben und/oder am Integrationsgedanken Interesse zeigen.

Kontakt:

Initiative Soziale Integration

Idlhofgasse 20

8020 Graz

Tel.: 0316 / 76 02 40

Fax.: 0316 / 76 02 40 – 40

[email protected]

www.isi-graz.at

Initiative Soziale Integration

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66 Kontaktadressen

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67Kontaktadressen

Kontaktadressen

JOBALLIANZ

Die JobAllianz ist eine Kommunikations- und Kooperationsinitiative des Bundessozialamtes Steiermark,

die mit ihren Aktivitäten langfristig eine Verbesserung der beruflichen Integrationschancen von

Menschen mit Behinderung erreichen will. Unterstützt wird diese Initiative vom Arbeitsmarktservice, der

Wirtschaftskammer Steiermark und dem Sozial- und Wirtschaftsressort des Landes Steiermark

Die JobAllianz bietet DienstgeberInnen folgende Leistungen:

Beratung und Information über

Förderungen und Beihilfen

Rechtliche Aspekte der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung

Unterstützungs- und Serviceangebote , Beschäftigungsmodelle und Kooperationsmöglichkeiten

Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmen und Experten zum Thema Beschäftigung von Menschen

mit Behinderung.

Die JobAllianz vergibt den Steirischen Integrationspreis.

Kontakt:

MAG. HANNES LECHNER

Institut für Arbeitsmarktforschung und -betreuung (IFA)

Pflanzengasse 16

8020 Graz

Telefon:0316/ 72 47 66 -12

Mobil:0676/ 58 31 60 5

[email protected]

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68 Kontaktadressen

Bezirk Liezen

INGE HOCHKÖNIG

Lebenshilfe Ennstal

Admonterstraße 13

8940 Liezen

Telefon:03612/26126

Mobil:0664/1858836

[email protected]

Bezirke Murau, Judenburg, Knittelfeld

MARTIN BRUGGRABER

BBRZ - Österreich

Paula Wallisch Platz 1

8605 Kapfenberg

Tel.:03862/41856

Mobil:0664/1610584

[email protected]

Bezirke Leoben, Bruck/ Mur

ERNESTINE RUSCHEK

Verein zur beruflichen Förderung und Bildung - bfb

Paula Wallisch Platz 1

8605 Kapfenberg

Tel.: 03862/41856

Mobil:0664/1600566

[email protected]

Bezirke Weiz, Hartberg

BRIGITTE WINDISCH

Chance B

Franz-Josef-Straße 17

8200 Gleisdorf

Telefon:03112/4911-2117

Mobil:0664/60409117

[email protected]

Bezirke Feldbach, Fürstenfeld

MAG. MARIA ACKERL

Chance B

Franz-Josef-Straße 17

8200 Gleisdorf

Telefon:03112/4911-2195

Mobil:0664/60409195

[email protected]

Bezirk Graz – Umgebung

MAG. ALDÌNE WAMPRECHTSAMER

BBRZ Österreich

Alte Poststr. 136

8020 Graz

Telefon: 0316/575858-90

Mobil: 0664/5456433

[email protected]

Graz

MAG. ANDREA GRADWOHL

BBRZ Österreich

Alte Poststr. 136

8020 Graz

Telefon:0316/575858-68

Mobil:0664/1610564

[email protected]

MAG. ERWIN FRITZ

BBRZ Österreich

Alte Poststr. 136

8020 Graz

Telefon:0316/575858-69

Mobil:0664/8242520

[email protected]

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69Kontaktadressen

AMS GRAZ

Niesenbergergasse 67 – 69

8020 Graz

Telefon: 0316/ 70 80

(weitere Geschäftsstellenadressen für die Steiermark sind unter der Internetadresse

http://www.ams.at/neu/stmk/4125.htm abrufbar)

BUNDESSOZIALAMT

LANDESSTELLE STEIERMARK

Babenbergerstraße 35

8021 Graz

Telefon: 0316/ 05 99 88

WIRTSCHAFTSKAMMER STEIERMARK

Körblergasse 111 – 113

8021 Graz

Telefon: 0316 / 601

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Die „Initiative Soziale Integration“ ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für die soziale Integration von Menschen

mit Behinderung in allen Lebensbereichen einsetzt. Das Zentrum der Aktivitäten sind die Bedürfnisse der Menschen

mit Behinderung auf eine nicht aussondernde Lebensführung, bzw. die Unterstützung deren Rechtsvertreter,

für den Fall, dass diese Rechte missachtet und beschnitten werden.