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Thema 15 Eine Frau muss ein Mann sein, um Karriere zu machen D iskriminierung ist etwas, was anderen Frauen zu- stößt, aber nicht mir.“ So ähnlich lassen sich die Vorstellungen junger Frauen während des Stu- diums zusammenfassen. Einer der Gründe für diesen Optimismus kann die Erfahrung sein, dass Frauen in Schule und Studium häufig die Nase vorne haben. Mädchen machen heute häufiger Matura als Jungen, verzeichnen im Schnitt bessere No- ten und müssen weniger oft Klassen wiederholen. Junge Frauen erleben sich heute also als durchaus gut gerüstet, um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen. Statistiken, die belegen, dass Frauen im Durchschnitt weni- ger verdienen als Männer, sind für sie nur wenig relevant, wenn dort die teilzeitbeschäftigten Mütter ebenso mitgezählt werden wie z.B. unge- lernte Kassiererinnen. Im direkten Vergleich mit Personen gleicher Ausbildung, ähnlicher sozialer Her- kunft etc. herrscht durchaus die Mei- nung vor, dass jede Frau, die es schaf- fen will, genauso erfolgreich im Be- ruf sein kann wie ein Mann. Keine Unterschiede bei Karrierezufriedenheit Auch in einer Studie, die seit 1999 im Interdisziplinären Arbeitsbereich für Verhaltenswissenschaftlich Orien- tiertes Management durchgeführt wird, zeigen sich keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Hinblick auf ihre Karrierezufrieden- heit. Befragt wurden über 1.200 ehe- malige Studentinnen und Studenten der WU. Rund 200 von ihnen hatten ihr Studium um 1990 abgeschlossen und wurden nach ihrer Karrierezu- friedenheit, ihrem Gehalt und ande- ren relevanten Aspekten gefragt. Da- bei zeigten sich Männer und Frauen gleichermaßen zufrieden. Dramatische Gehaltsdiskrepanz Im Gegensatz dazu steht jedoch eine dramatische Diskrepanz zwischen den Gehältern der befragten Frauen und Männer. Zusammengerechnet auf die ersten zehn Berufsjahre ver- dienen Frauen rund 71.000 Euro we- niger als ihre männlichen Kollegen. Nun ist es selbstverständlich, dass Karrieren von verschiedenen Aspek- ten beeinflusst werden. Das war auch der Grund dafür, dass mit Hilfe stati- stischer Verfahren dafür gesorgt wurde, dass für den Vergleich der Gehälter und der Karrierezufrieden- heit nur Männer und Frauen herange- zogen wurden, die sich nicht unter- schieden hinsichtlich ihres Alters, ih- rer sozioökonomischen Herkunft, ihrer Persönlichkeitsstruktur, ihrer berufsbezogenen Persönlichkeit, ihrem mikropolitisch-karrieretakti- schen Verhaltens und ihres Studien- erfolgs. Es wurden also Paare „vir- tueller Zwillinge“ gebildet und ver- glichen. Nur ein geringer Teil des gewaltigen Gehaltsunterschiedes geht auf Berufsunterbrechungen von Frauen aufgrund von Elternkarenz zurück. Schließt man die „virtuellen Zwillinge“ mit Elternkarenz aus der Berechnung aus, so verdienen die ver- bleibenden Frauen immer noch 61.000 Euro weniger als ihre männli- chen „Zwillinge“. Bei den Frauen mit Elternkarenz summiert sich der Ver- lust gegenüber den Männern gar auf rund 96.000 Euro. Genauere Analy- sen im Zeitverlauf zeigen, dass die Unterschiede erst ca. drei bis vier Jahre nach dem Berufseinstieg auftre- ten und dann dramatisch zunehmen. Frauen leiden nicht unter Gehaltsunterschieden Dass die Zufriedenheit der Frauen mit ihrer Karriere darunter nicht im Geringsten zu leiden scheint, lässt unterschiedliche Schlussfolgerun- gen zu: Resignation, echte Zufrie- denheit oder die fehlende Wahrneh- mung für die subtilen Machtmecha- nismen, die dazu führen, dass Frauen auch heute noch nicht die gleichen Möglichkeiten offen stehen wie Männern. Um es etwas pointier- ter zu sagen: Es genügt nicht, dass Frauen wie Männer sind (die virtuel- len Zwillinge unterscheiden sich ja nicht voneinander), sie müssten Männer sein, um Karriere zu ma- chen. Es gibt also noch viel zu tun: Gleichberechtigung ist trotz Gender Mainstreaming und Diversity-Ma- nagement noch nicht erreicht. Strunk Guido, Hermann Anett & Pra- schak Susanne (2005): Eine Frau muss ein Mann sein, um Karriere zu machen. In: Mayrhofer Wolfgang, Meyer Michael & Steyrer Johannes (Hrsg.) Macht? Er- folg? Reich? Glücklich? Einflussfaktoren auf Karrieren. Linde, Wien, 211–242. Dr. Guido Strunk, geb. 1968, arbeitet seit sieben Jahren an der IVM der WU. Die berichteten Forschungsergebnisse hat er zusammen mit Dr. Anett Hermann und Mag. Susanne Praschak im Rahmen des Vienna Career Panel Project erarbeitet. Mag. Susanne Praschak ist Lehrbeauf- tragte im Interdisziplinären Arbeitsbe- reich für Verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management an der WU. Nach einer Ausbildung an der Sozial- akademie Wien liegen ihre Forschungs- schwerpunkte im Bereich Management von Non-Profit-Organisationen. Dr. Anett Hermann ist Lehrbeauftragte im Arbeitsbereich „Gender and Diversity in Organizations“ am IVM. Ihre Forschungsgebiete umfassen Gen- der und Diversität in Organisationen mit besonderem Fokus auf Karrieren und Teams.

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  • Thema 15

    Eine Frau muss ein Mann sein, um Karriere zu machen

    Diskriminierung ist etwas,was anderen Frauen zu-stt, aber nicht mir. Sohnlich lassen sich die Vorstellungenjunger Frauen whrend des Stu-diums zusammenfassen. Einer derGrnde fr diesen Optimismus kanndie Erfahrung sein, dass Frauen inSchule und Studium hufig die Nasevorne haben. Mdchen machenheute hufiger Matura als Jungen,verzeichnen im Schnitt bessere No-ten und mssen weniger oft Klassenwiederholen. Junge Frauen erlebensich heute also als durchaus gutgerstet, um auf dem Arbeitsmarktzu bestehen. Statistiken, die belegen,dass Frauen im Durchschnitt weni-ger verdienen als Mnner, sind frsie nur wenig relevant, wenn dort dieteilzeitbeschftigten Mtter ebensomitgezhlt werden wie z.B. unge-lernte Kassiererinnen. Im direktenVergleich mit Personen gleicherAusbildung, hnlicher sozialer Her-kunft etc. herrscht durchaus die Mei-nung vor, dass jede Frau, die es schaf-fen will, genauso erfolgreich im Be-ruf sein kann wie ein Mann.

    Keine Unterschiede bei Karrierezufriedenheit

    Auch in einer Studie, die seit 1999 imInterdisziplinren Arbeitsbereich frVerhaltenswissenschaftlich Orien-tiertes Management durchgefhrtwird, zeigen sich keine Unterschiedezwischen Mnnern und Frauen inHinblick auf ihre Karrierezufrieden-

    heit. Befragt wurden ber 1.200 ehe-malige Studentinnen und Studentender WU. Rund 200 von ihnen hattenihr Studium um 1990 abgeschlossenund wurden nach ihrer Karrierezu-friedenheit, ihrem Gehalt und ande-ren relevanten Aspekten gefragt. Da-bei zeigten sich Mnner und Frauengleichermaen zufrieden.

    Dramatische Gehaltsdiskrepanz

    Im Gegensatz dazu steht jedoch einedramatische Diskrepanz zwischenden Gehltern der befragten Frauen

    und Mnner. Zusammengerechnetauf die ersten zehn Berufsjahre ver-dienen Frauen rund 71.000 Euro we-niger als ihre mnnlichen Kollegen.Nun ist es selbstverstndlich, dassKarrieren von verschiedenen Aspek-ten beeinflusst werden. Das war auchder Grund dafr, dass mit Hilfe stati-stischer Verfahren dafr gesorgtwurde, dass fr den Vergleich derGehlter und der Karrierezufrieden-heit nur Mnner und Frauen herange-zogen wurden, die sich nicht unter-schieden hinsichtlich ihres Alters, ih-rer soziokonomischen Herkunft,

    ihrer Persnlichkeitsstruktur, ihrerberufsbezogenen Persnlichkeit,ihrem mikropolitisch-karrieretakti-schen Verhaltens und ihres Studien-erfolgs. Es wurden also Paare vir-tueller Zwillinge gebildet und ver-glichen. Nur ein geringer Teil desgewaltigen Gehaltsunterschiedesgeht auf Berufsunterbrechungen vonFrauen aufgrund von Elternkarenzzurck. Schliet man die virtuellenZwillinge mit Elternkarenz aus derBerechnung aus, so verdienen die ver-bleibenden Frauen immer noch61.000 Euro weniger als ihre mnnli-

    chen Zwillinge. Bei den Frauen mitElternkarenz summiert sich der Ver-lust gegenber den Mnnern gar aufrund 96.000 Euro. Genauere Analy-sen im Zeitverlauf zeigen, dass dieUnterschiede erst ca. drei bis vierJahre nach dem Berufseinstieg auftre-ten und dann dramatisch zunehmen.

    Frauen leiden nicht unterGehaltsunterschieden

    Dass die Zufriedenheit der Frauenmit ihrer Karriere darunter nicht imGeringsten zu leiden scheint, lsstunterschiedliche Schlussfolgerun-gen zu: Resignation, echte Zufrie-denheit oder die fehlende Wahrneh-mung fr die subtilen Machtmecha-nismen, die dazu fhren, dassFrauen auch heute noch nicht diegleichen Mglichkeiten offen stehenwie Mnnern. Um es etwas pointier-ter zu sagen: Es gengt nicht, dassFrauen wie Mnner sind (die virtuel-len Zwillinge unterscheiden sich janicht voneinander), sie msstenMnner sein, um Karriere zu ma-chen. Es gibt also noch viel zu tun:Gleichberechtigung ist trotz GenderMainstreaming und Diversity-Ma-nagement noch nicht erreicht.

    Strunk Guido, Hermann Anett & Pra-schak Susanne (2005): Eine Frau mussein Mann sein, um Karriere zu machen.In: Mayrhofer Wolfgang, Meyer Michael& Steyrer Johannes (Hrsg.) Macht? Er-folg? Reich? Glcklich? Einflussfaktorenauf Karrieren. Linde, Wien, 211242.

    Dr. Guido Strunk, geb. 1968, arbeitetseit sieben Jahren an der IVM der WU.Die berichteten Forschungsergebnissehat er zusammen mit Dr. AnettHermann und Mag. Susanne Praschakim Rahmen des Vienna Career PanelProject erarbeitet.

    Mag. Susanne Praschak ist Lehrbeauf-tragte im Interdisziplinren Arbeitsbe-reich fr Verhaltenswissenschaftlichorientiertes Management an der WU.Nach einer Ausbildung an der Sozial-akademie Wien liegen ihre Forschungs-schwerpunkte im Bereich Managementvon Non-Profit-Organisationen.

    Dr. Anett Hermann ist Lehrbeauftragteim Arbeitsbereich Gender andDiversity in Organizations am IVM.Ihre Forschungsgebiete umfassen Gen-der und Diversitt in Organisationenmit besonderem Fokus auf Karrierenund Teams.