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ANALYSE KOGNITIVER BENUTZERMODELLE FÜR DIE EVALUATION VON MENSCH-MASCHINE-SYSTEMEN vorgelegt von Diplom-Informatiker Jeronimo A. B. D. Dzaack aus Düsseldorf von der Fakultät V Verkehrs- und Maschinensysteme der Technischen Universität Berlin im DFG-Graduiertenkolleg Prospektive Gestaltung von Mensch-Technik-Interaktion zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Ingenieurwissenschaften — Dr.-Ing. — genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzender: Prof. Dr. Manfred Thüring Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Matthias Rötting Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 22. Februar 2008 Berlin 2008 D 83

Analyse kognitiver Benutzermodelle für die Evaluation von ... · unterstützt und wie diese prospektiv gestaltet werden kann. Die vorlie-gende Arbeit leistet einen Beitrag, um kognitive

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A N A LY S E K O G N I T I V E RB E N U T Z E R M O D E L L E F Ü R D I E

E VA L U AT I O N V O NM E N S C H - M A S C H I N E - S Y S T E M E N

vorgelegt vonDiplom-Informatiker

Jeronimo A. B. D. Dzaackaus Düsseldorf

von der Fakultät VVerkehrs- und Maschinensystemeder Technischen Universität Berlin

im DFG-GraduiertenkollegProspektive Gestaltung von Mensch-Technik-Interaktion

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der Ingenieurwissenschaften— Dr.-Ing. —

genehmigte Dissertation

Promotionsausschuss:

Vorsitzender: Prof. Dr. Manfred ThüringGutachter: Prof. Dr.-Ing. Leon UrbasGutachter: Prof. Dr.-Ing. Matthias Rötting

Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 22. Februar 2008

Berlin 2008

D 83

Z U S A M M E N FA S S U N G

Die Entwicklung und Gestaltung von Schnittstellen für Mensch-Ma-schine-Systeme erfordern, neben der Kenntnis der Aufgabe und derArbeitsumgebung, auch eine Vorstellung über die kognitiven Anforde-rungen an zukünftige Benutzer. Ein Grund dafür liegt in der zunehmen-den Informationsdichte und dem ansteigenden Automatisierungsgradvon technischen Systemen. Daraus ergibt sich die Frage, welche Artvon Schnittstelle die kognitiven Prozesse bei der Interaktion am bestenunterstützt und wie diese prospektiv gestaltet werden kann. Die vorlie-gende Arbeit leistet einen Beitrag, um kognitive Aspekte bei fertigkeits-und regelbasierten Tätigkeiten in der Mensch-Maschine-Interaktion inden Entwicklungsprozess zu integrieren.

Für die Analyse und Bewertung von Schnittstellen bietet sich in frü-hen Systementwicklungsphasen die kognitive Benutzermodellierungan, die eine computerbasierte Simulation des zukünftigen Benutzerver-haltens auf Basis formaler Spezifikationen erlaubt. Die Analyse undInterpretation der Simulationsdaten ermöglicht das Aufdecken vonFehlern in der Schnittstellengestaltung und dem Interaktionsdesign.Die kognitive Modellierung wird aber aufgrund des hohen Aufwandsund fehlender Werkzeuge für die Modellentwicklung und Analyse vonSimulationsdaten nur selten angewendet.

In dieser Arbeit wird überprüft, in welcher Art und Weise Simulati-onsdaten kognitiver Benutzermodelle für die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen in frühen Phasen der Systementwicklung analysiertund angewendet werden können. Dabei liegt der Fokus auf simuliertenBlickbewegungsdaten der kognitiven Architektur ACT-R (atomic com-ponents of thought – rational) und empirisch erhobenen Blickbewegungs-daten für fertigkeits- und regelbasierte Tätigkeiten. Die Blickbewegungs-daten stellen für die Bewertung von Mensch-Maschine-Schnittstelleneinen wichtigen Faktor dar, um beispielsweise die visuelle Suche unddie räumliche Gestaltung zu untersuchen.

Für die effiziente und effektive Verarbeitung und die vergleichendeAnalyse der simulierten und empirisch erhobenen Daten wurde dasWerkzeug SimTrA (Simulation Trace Analyzer) entwickelt. SimTrA gibtdem Entwickler ein Methodenrepertoire an die Hand, um Schnittstellenbereits in frühen Systementwicklungsphasen formal und computerba-siert auf Basis von Simulationsdaten kognitiver Benutzermodelle zubewerten. Die Arbeit stellt das Konzept, die Realisierung und die An-wendung von SimTrA in einer experimentellen Evaluationsstudie vor.

Die Ergebnisse der Evaluationsstudie belegen, dass kognitive Benut-zermodelle in frühen Systementwicklungsphasen angewendet werdenkönnen und unter bestimmten Bedingungen mit empirischen Datenvergleichbare Aussagen ermöglichen. Des Weiteren konnte in der Arbeitgezeigt werden, dass die Analyse von Blickbewegungsdaten kognitiverBenutzermodelle durch SimTrA ermöglicht wird und die Bewertungvon Mensch-Maschine-Systemen unterstützt. SimTrA stellt somit einewertvolle Erweiterung für die kognitive Benutzermodellierung und fürdie prospektive Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen dar.

iii

A B S T R A C T

Creating and designing interfaces for human-machine systems de-mands not only an understanding of the task and its environment,but also an appreciation of the capabilities and cognitive demandsof the users. This becomes more and more important because of thegrowing information density and automation of human-machine sys-tems. Regarding the environment, an important issue is what kind ofinterface best supports cognitive processes and how can an interfacebe designed to best match the future user requirements. The workpresented here makes a contribution to integrate cognitive aspects ofskill- and rule-based activities during human-machine interaction intothe development process of human-machine systems.

In early stages of the development process cognitive modeling can beapplied to evaluate human-machine interfaces. Using formal cognitiveuser models to simulate the future user behavior and requirementsallows us to analyze the behavior on a detailed level. This helps to detecterrors in the interaction design of interfaces and gives indications aboutthe cognitive demands of the future users. But cognitive modelingis seldom used because of the high effort and a lack of tools for thedevelopment and analysis of cognitive user models.

In this dissertation the question is raised, in what way cognitivemodel data can be analyzed and used to evaluate human-machinesystems in early design stages. The focus is directed to eye movementdata simulated by cognitive user models in ACT-R (atomic componentsof thought – rational) and human eye movement data. In questions ofusability, eye movement studies play an important role and are a reliableway to evaluate visual search and the spatial design of interfaces amongother things

To process both the cognitive model data and the empirical data andto compare the outcomes in an effective and efficient manner the toolSimTrA (Simulation Trace Analyzer) was developed. The tool provides arepertoire of methods to evaluate human-machine interfaces in a formaland computerized way based on cognitive model data. The conceptand the implementation of SimTrA and its application in an evaluationstudy are shown in this dissertation.

The results of the evaluation study show that cognitive user modelsin general can be applied in early stages of the development process ofhuman-machine interfaces and under certain conditions provide state-ments comparable with empirical data. The study further indicates thatthe analysis of simulated eye movement data with SimTrA is possibleand supports the evaluation of human-machine systems. Hence SimTrAis a useful tool for cognitive modeling and for prototype evaluation inearly design phases of human-machine systems.

iv

D A N K S A G U N G E N

Ich bedanke mich bei allen, die mich im Rahmen dieser Doktorarbeitunterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. LeonUrbas für die freundliche und vertrauensvolle Betreuung und seinewertvolle Unterstützung. Ebenfalls gilt mein Dank Herrn Prof. Dr.-Ing.Matthias Röttig für die Übernahme des Korreferats und seine kritischenAnmerkungen und wertvollen Anregungen.

Ich danke der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft), die dieseDoktorarbeit durch ein Stipendium im Graduiertenkolleg prometeiermöglicht hat. Mein Dank gilt der Arbeitsgruppe MoDyS und demZMMS, die durch einen regen Austausch und durch die Schaffungvon sehr guten Arbeits- und Forschungsbedingungen erheblich zumGelingen dieser Arbeit beigetragen haben.

Die Arbeit entstand in einem interdisziplinären Rahmen der Arbeits-gruppe MoDyS und des Forschungsschwerpunktes 7 des Graduier-tenkollegs prometei. Besonders möchte ich mich bei Sandra Tröstererbedanken, die mir in allen psychologischen Fragestellungen mit Ratund Tat zur Seite stand. Mein Dank gilt auch Marcus Heinath, der sichmit mir zusammen der kognitiven Benutzermodellierung gestellt hatund immer die nötige Ruhe besaß, mich auf den Boden der Tatsachenzurückzuholen. Ebenfalls möchte ich mich bei Jürgen Kiefer und beiNele Pape bedanken, die mir viele Antworten auf kognitionspsycholo-gische Fragen geben konnten.

Besonders möchte ich mich bei meinen Kollegen des Graduierten-kollegs prometei bedanken. Die Möglichkeiten zum interdisziplinärenAustausch haben mir in vielen Situationen geholfen, neue Sichtwei-sen und Wege zu finden und auszuprobieren. Ich danke allen für denAustausch und die anregenden Gespräche, besonders Carmen Bruder,Monica de Filippis, Charlotte Glaser und Anne Klostermann für diewertvollen Diskussionen, die mir immer sehr viel Spaß gemacht haben.

Mein Dank gebührt ebenfalls der Vielzahl von Diplomanden, Studen-ten, Praktikanten und Versuchspersonen, die durch ihre Einsatzbereit-schaft dazu beigetragen haben, dass das in dieser Arbeit vorgestellteWerkzeug implementiert, getestet und angewendet wurde. Im Besonde-ren danke ich dafür Jeanette Andrack, Daniel Döhring, Robert Lischkeund Robert Seybt.

Für die gründliche Durchsicht und die vielen Anregungen und Hin-weise danke ich Charlotte Glaser, Marcus Heinath, Anne Klostermann,Nele Pape, Sandra Trösterer und Ruth Wurster.

Ich danke meiner Familie und meinen Freunden, die durch diegeduldige Unterstützung und durch das Bereitstellen von Freiräumenwesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.

v

I N H A LT S V E R Z E I C H N I S

1 einleitung 1

1.1 Problem- und Zielstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2 theoretische grundlagen 5

2.1 Mensch-Maschine-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.1.1 Entwicklung von Mensch-Maschine-Systemen . . 6

2.1.2 Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen . . . 7

2.1.3 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2.2 Simulation kognitiver Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.2.1 Kognitive Architekturen . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.2.2 Kognitive Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.3 Analyse simulierter kognitiver Prozesse . . . . . . . . . . 22

2.3.1 Methoden zur Analyse von kognitiven Simulati-onsexperimenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2.3.2 Auswahl einer Evaluationsmethode . . . . . . . . 24

2.4 Blickbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.4.1 Blickbewegungen als Indikatoren für kognitiveProzesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.4.2 Parameter der Blickbewegung . . . . . . . . . . . 27

2.4.3 Methoden der Blickbewegungserfassung . . . . . 28

2.4.4 Simulation von Blickbewegungen . . . . . . . . . 31

2.5 Ableiten der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

3 simulation trace analyzer 37

3.1 Voruntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

3.1.1 Untersuchungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . 37

3.1.2 Untersuchungsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . 39

3.1.3 Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . 39

3.1.4 Untersuchungsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . 40

3.1.5 Geräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

3.1.6 Untersuchungsauswertung . . . . . . . . . . . . . 40

3.1.7 Ergebnisse und Diskussion . . . . . . . . . . . . . 41

3.2 Anforderungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

3.2.1 Datenintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

3.2.2 Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

3.2.3 Analyse- und Vergleichsmethoden . . . . . . . . . 44

3.2.4 Datensichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

3.3 Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

3.3.1 Prozess der Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . 47

3.3.2 Aufbereitung der Rohdaten . . . . . . . . . . . . . 48

3.3.3 Analyse der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

3.3.4 Bereinigung der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . 51

3.3.5 Vergleich der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

3.4 Realisierung des Werkzeugs SimTrA . . . . . . . . . . . . 52

3.4.1 Allgemeine Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

3.4.2 Aufbereitung der Rohdaten . . . . . . . . . . . . . 53

3.4.3 Analyse der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

3.4.4 Bereinigung der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . 60

3.4.5 Vergleich der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

vii

viii inhaltsverzeichnis

3.5 Verifikation des Werkzeugs SimTrA . . . . . . . . . . . . 63

4 experimentelle studien 67

4.1 Experimentelle Hauptstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

4.1.1 Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

4.1.2 Versuchsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

4.1.3 Versuchsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

4.1.4 Versuchsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

4.1.5 Geräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

4.1.6 Versuchsauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

4.1.7 Experimentelle Hypothesen . . . . . . . . . . . . . 75

4.1.8 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

4.1.9 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

4.2 Weitere experimentelle Studien . . . . . . . . . . . . . . . 90

4.2.1 Blocks World . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

4.2.2 Vernetztes Fahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

4.2.3 Hierarchical Task Analysis Mapper . . . . . . . . 93

5 diskussion 97

5.1 Die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen durchkognitive Benutzermodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

5.2 Das Werkzeug SimTrA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

5.3 Mögliche Anwendungsgebiete von SimTrA . . . . . . . . 100

6 zusammenfassung und ausblick 103

6.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

6.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

literaturverzeichnis 107

A B B I L D U N G S V E R Z E I C H N I S

Abbildung 1 Lebenszyklus eines Mensch-Maschine-Systems(nach Kraiss 1995). Zugeordnet sind die jewei-ligen Methoden zur Evaluation der Benutzungs-schnittstelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Abbildung 2 Die Informationsorganisation in ACT-R. Die In-formationen in den Buffern, die mit den Modulenassoziiert sind, werden durch Produktionsregelnangefragt und geändert (nach Anderson et al.,2004). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Abbildung 3 Phasen der Modellkonstruktion (nach Wallach1998, S. 40). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Abbildung 4 Relation zwischen natürlichem System S und künst-lichem System S’. α und β stellen eine beobacht-bare Abbildung der Input- und Outputrelationdar. Die Relation von S zu S’ ist nur theoriegelei-tet auf Grundlage von α und β zu interpretieren(nach Zinterhof 1987, S. 105ff.). . . . . . . . . . . . 20

Abbildung 5 Schematische Darstellung der Empirie (links) unddes Simulationsexperiments (rechts). P: Pegel, V:Regelventil, H: Heizung, GUI: Graphical User In-terface, AGI: ACT-R Graphical Interface. . . . . . 38

Abbildung 6 Relative Häufigkeiten der 6 wichtigsten lokalenFixationspfade für Modell und Versuchspersonenmit Standardabweichung. H: Heizung, V: Regel-ventil, P: Pegel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Abbildung 7 Schematische Darstellung der Komponenten vonSimTrA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Abbildung 8 Die Verarbeitungsschritte von SimTrA: Dargestelltist der Informationsfluss und die jeweils abgeleg-ten Dateien bei der Verarbeitung von drei Da-tensätzen. at: Tabelle der AOIs, et: Tabelle derElemente der kognitiven Architektur, lt: Tabelleder ausgewählten Versuchspersonen, st: Tabelleder ausgewählten Zeitintervalle, tt: Tabelle derBlickbewegungsdaten, VPN: Versuchspersonen. . 47

Abbildung 9 1: Komponentenmodell von SimTrA. 2: Die wich-tigsten Dateien, die angelegt und abgerufen wer-den. 3: Verzeichnisstruktur von SimTrA. . . . . . 53

Abbildung 10 Benutzungsoberfläche von SimTrA für die Daten-aufbereitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Abbildung 11 Benutzungsoberfläche von SimTrA für die Aus-wahl von Analysemethoden. . . . . . . . . . . . . 57

Abbildung 12 Benutzungsoberfläche von SimTrA für die Berei-nigung von Datensätzen. . . . . . . . . . . . . . . 60

Abbildung 13 Benutzungsoberfläche von SimTrA für den Ver-gleich von Datengruppen. . . . . . . . . . . . . . . 61

Abbildung 14 Übersicht der Testdaten. . . . . . . . . . . . . . . . 64

ix

x Abbildungsverzeichnis

Abbildung 15 Ansicht der Versuchsumgebung für die Kontroll-und Steuerungsaufgabe (H1202: Heizung, S1202:Regelventil). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Abbildung 16 Schematische Darstellung des internen Ablauf-zykluses des Top-down-orientierten kognitivenModells. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Abbildung 17 Schematische Darstellung des Bottom-up-orientier-ten kognitiven Modells. . . . . . . . . . . . . . . . 71

Abbildung 18 Drei Schnittstellen für die Untersuchung mit denfür die Analyse festgelegten AOIs (Szenario 1,Szenario 2 und Szenario 3). . . . . . . . . . . . . . 72

Abbildung 19 Ansicht des Versuchsaufbaus für die Versuchsper-sonen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Abbildung 20 Übersicht der betrachteten Faktoren für die Be-wertung der Performanz der drei Versuchsgrup-pen. Dargestellt sind der Mittelwert und die Stan-dardabweichung für jeden betrachteten Faktor fürdie drei Szenarien und zusammengefasst über diedrei Szenarien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Abbildung 21 Fixationspfade der funktional zusammengefass-ten AOIs für die drei Versuchsgruppen und diedrei Szenarien mit Standardabweichungen. . . . . 81

Abbildung 22 Statistische Analyse der Übergangshäufigkeitender drei Szenarien für die drei Versuchsgruppen.Dargestellt sind die Hc-Werte mit einer Standard-abweichung für die funktional zusammengefass-ten AOIs (links) und die 3 bzw. 5 AOIs (rechts). . 82

Abbildung 23 Die lokalen Fixationspfade des Bottom-up-Modellsgrößer als 3 % und die zugeordneten lokalen Fi-xationspfade des Top-down-Modells für die dreiuntersuchten Szenarien. . . . . . . . . . . . . . . . 84

Abbildung 24 Kumulierte Fixationsdauern für die drei Versuchs-gruppen in den drei untersuchten Szenarien. . . . 85

Abbildung 25 Mittlere Übergangsdichte für die drei Versuchs-gruppen und die drei Szenarien. Grundlage fürden Vergleich ist ein 10 x 10 Gitter, das über dasBlickfeld gelegt wurde. . . . . . . . . . . . . . . . 86

Abbildung 26 Die Blickverteilung von zwei unterschiedlichenVersuchspersonen während der Interaktion mitder Mensch-Maschine-Schnittstelle in Szenario 3. 88

Abbildung 27 Die Aufgabenumgebung von Blocks World (nachGray et al. 2004) mit Blickbewegungsdaten einerVersuchsperson auf das Target Window (rechts).Ansicht aus SimTrA der fixierten AOIs und dernachfolgend platzierten farbigen Blöcke für eineVersuchsperson (links). . . . . . . . . . . . . . . . 91

Abbildung 28 Ansicht der Blickbewegungsdaten einer Versuchs-person in SimTrA mit zwei AOIs (für Fahraufgabeund Nebenaufgabe). . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Abbildung 29 Ansicht der Versuchsumgebung mit Blickbewe-gungen einer Versuchsperson bei der Interaktionmit der Abwasseraufbereitungsanlage in SimTrA.Eingezeichnet sind die AOIs für die 4 verschiede-nen Teilprozesse der Aufgabe: Anlieferung, Ho-mogenisierung, Trennung und Produktlager. . . . 94

Abbildung 30 Auszug aus den Analysen der Blickbewegungs-daten der Untersuchung mit einem automatisierterstellten kognitivem Modell in HTAmap undempirischen Daten. Dargestellt sind die ungerich-teten Transitionen (größer als 4 % für die empiri-schen Daten). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

TA B E L L E N V E R Z E I C H N I S

Tabelle 1 Vergleich der drei kognitiven Architekturen ACT-R,Soar und EPIC (nach Byrne 2003). . . . . . . . . . 16

Tabelle 2 Vorteile und Nachteile der kognitiven Modellbil-dung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Tabelle 3 Parametersystematik der Verwendbarkeit von Pa-rametern der Augen- und Blickbewegungen imRahmen von arbeitswissenschaftlichen Aufgaben-analysen (Rötting 2001, S. 187ff.). . . . . . . . . . . 29

Tabelle 4 Performanz der Steuerungs- und Kontrollaufgabeder zwei Gruppen (kognitives Modell und Empi-rie) für die zwei Szenarien. Dargestellt sind dieMittelwerte für die Anzahl der Schaltungen derHeizung und des Regelventils und des Stabilisie-rungsfaktors. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Tabelle 5 Von SimTrA berechnete Werte der Analyse für dieTestdaten im Bezug zu den manuell errechnetenWerten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Tabelle 6 Regeln für die Steuerung und Kontrolle der un-tersuchten Aufgabe. Der Pegel der Flüssigkeit imTank ist in fünf Abschnitte eingeteilt: über deroberen Grenze, hoch, optimal, niedrig und unterder unteren Grenze. Die Heizung kann an- oderausgeschaltet sein. Das Regelventil kann geöffnetoder geschlossen sein. . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Tabelle 7 Performanz der Menschen für die drei Szenarien.Dargestellt sind die Mittelwerte und die Standard-abweichung der betrachteten Faktoren. . . . . . . 77

Tabelle 8 Performanz des Bottom-up-Modells und des Top-down-Modells für die drei Szenarien. Dargestelltsind die Mittelwerte und die Standardabweichungder betrachteten Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . 77

xi

xii Tabellenverzeichnis

Tabelle 9 Durchschnittliche Performanz der drei Versuchs-gruppen für die zusammengefassten Szenarien.Dargestellt sind die Mittelwerte und die Standard-abweichung der betrachteten Faktoren. . . . . . . 78

Tabelle 10 Anzahl der Versuchspersonen und Mittelwerteund Standardabweichung der allgemeinen Infor-mationen der Blickbewegungsdaten für jede Ver-suchsgruppe und die drei Szenarien. . . . . . . . 80

1E I N L E I T U N G

In der Entwicklung von Mensch-Maschine-Systemen stellen die Gestal-tung, die Analyse und die Optimierung der Benutzungsoberflächen undder zugrunde liegenden technischen Prozesse eine zentrale Aufgabedar. Sie wäre ohne Unterstützungswerkzeuge kaum zu lösen. In vielenEntwicklungsbereichen werden schon seit langem Modelle und Simu-lationen eingesetzt (wie z. B. Strömungsmodelle, anthropometrischeModelle), die Prozesse und Wechselwirkungen im Anwendungskontextnachbilden und abstrahieren. Das Ziel ist eine adäquate Unterstützungder Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse.

Die erhöhte Automatisierung und die Integration komplexer techni-scher Prozesse in komplexe Mensch-Maschine-Systeme hat eine Verla-gerung der Handlungsebene der menschlichen Tätigkeiten zur Folge(Rasmussen 1982). Es ist eine Verschiebung von rein fertigkeitsbasiertensensumotorischen Tätigkeiten hin zu überwiegend wissensbasiertenund kognitiven Tätigkeiten festzustellen. Der Mensch stellt dementspre-chend in modernen Mensch-Maschine-Systemen einen Anwender dar,dessen primäre Aufgabe es ist, Prozesse zu überwachen und gegebenen-falls basierend auf Kausalwissen und mentalen Modellen regulierendeinzugreifen.

„In Streßsituationen, wenn die Automatisierung von Prozessen denMenschen nicht entlasten kann, ist die wissensbasierte Verarbeitungjedoch im allgemeinen zu langsam. Hier ist der Rückgriff auf schnellerausführbare Handlungsebenen (Regel- und/oder Gewohnheitsebene)notwendig“ (Urbas 1999, S. 5). Das heißt, dass die fertigkeits- undregelbasierten Tätigkeiten bei der Gestaltung von Mensch-Maschine-Systemen neben der Automatisierung von technischen Prozessen einenwichtigen Aspekt ausmachen. Diese Tätigkeiten beruhen auf kognitivenProzessen des Menschen und werden durch die Arbeitsumgebung unddie Aufgabe bestimmt.

Moderne Mensch-Maschine-Systeme stellen eine Vielzahl von gra-phischen Anzeigen und Interaktionselementen zu Verfügung, um dieAufgabenbearbeitung zu unterstützen. Diese sind vornehmlich durchvisuelle Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie durch dieKoordination von Aufgaben charakterisiert. Somit stellen moderneMensch-Maschine-Systeme erhöhte Anforderungen an die menschlicheKognition. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Gebrauchstaug-lichkeit von Mensch-Maschine-Systemen hinsichtlich der Möglichkeitenund Grenzen der menschlichen Kognition in den verschiedenen Pha-sen des Entwicklungsprozesses von Mensch-Maschine-Systemen zubewerten und die Schnittstellengestaltung an diese anzupassen.

Neben den etablierten Modellierungs- und Simulationsmethoden, dieEingang in den Entwicklungsprozess von Mensch-Maschine-Systemengefunden haben, stellt die Methode der kognitiven Modellbildung ei-ne Möglichkeit dar, die menschliche Kognition bei fertigkeits- undregelbasierten Tätigkeiten abzubilden und je nach Anwendungsfall zuabstrahieren. Kognitive Modellierungsmethoden basieren auf kogni-

1

2 einleitung

tionspsychologischen Theorien und integrieren das Wissen über Gren-zen und Möglichkeiten der menschlichen Kognition. Anhand kogniti-ver Modelle kann das menschliche Verhalten simuliert und analysiertwerden. Im Kontext von Mensch-Maschine-Interaktion sind kognitiveModelle in der Lage, das Interaktionsverhalten von Benutzern formalund computerbasiert zu simulieren. Die Analyse und Interpretationder Simulationsdaten, die bei der Interaktion kognitiver Modelle mitMensch-Maschine-Systemen generiert werden, ermöglichen das Aufde-cken von Fehlern in der Schnittstellengestaltung und im Interaktionsde-sign auf Basis von kognitiven Theorien (z. B. zu Wahrnehmung, Denken,Motorik, Lernen). Somit können kognitive Modellierungsmethoden inder Systementwicklung eingesetzt werden, um das Interaktionsdesignund die Schnittstellengestaltung zu bewerten und an die Analysenund Interpretationen anzupassen. Der Einsatz kognitiver Benutzermo-delle in dem Entwicklungsprozess von Mensch-Maschine-Systemenerlaubt die Anpassung von Schnittstellen an die menschlichen Grenzenund Möglichkeiten, die im Rahmen von fertigkeit- und regelbasiertenTätigkeiten auftreten.

Besonders in frühen Phasen der Systementwicklung können die for-malen und quantitativen Computermodelle eingesetzt werden, umalternative Gestaltungsvarianten kostengünstig und einfach zu bewer-ten. Die Methode der kognitiven Modellierung ermöglicht daher dieEinbeziehung von Erkenntnissen über die menschliche Kognition vonBeginn der Entwicklung an.

1.1 problem- und zielstellung

In einer Interviewstudie im Rahmen der Forschung zu dieser Arbeitkonnte gezeigt werden, dass das Potential der kognitiven Modellie-rung in Forschung und Entwicklung für die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen bekannt ist und vereinzelt eingesetzt wird (Urbas,Dubrowsky, Dzaack & Heinath 2005). Es besteht der Wunsch, kognitiveBenutzermodelle für die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemenim Entwicklungsprozess von Mensch-Maschine-Systemen einzusetzen.Es zeigte sich aber, dass die Methode aufgrund fehlender Beispiele undWerkzeuge für Modellentwicklung und Analyse der Simulationsdatennur selten angewendet wird.

Der Prozess der Modellbildung, Simulation und Analyse der Si-mulationsdaten kann als zusammenhängende Prozesskette betrachtetwerden (Urbas, Schulze-Kissing & Leuchter 2005). In jedem dieserSchritte liegen Hürden und Schwierigkeiten, die den Einsatz von kogni-tiven Benutzermodellen behindern können. Dazu zählen die komplexeModellentwicklung, die Anbindung von kognitiven Benutzermodellenan reale oder virtuelle Mensch-Maschine-Schnittstellen und die Ana-lyse der simulierten Verhaltensdaten der kognitiven Modelle. Für dieÜbertragung der kognitiven Modellierung in den realen Anwendungs-kontext gilt es, diese Hürden zu überwinden. Hier wird die Analyseder Simulationsdaten kritisch betrachtet und deren Einsatz für die Be-wertung von Mensch-Maschine-Systemen in prospektiven Phasen derSystemgestaltung überprüft und prototypisch umgesetzt.

1.2 aufbau der arbeit 3

Das Ziel ist die Entwicklung eines Werkzeugs für die Analyse undden Vergleich von simulierten und empirischen Leistungsdaten, die beider Interaktion von Menschen und kognitiven Modellen mit Mensch-Maschine-Systemen erfasst werden können. Die Anwendbarkeit ko-gnitiver Modellierungsmethoden und des prototypischen Werkzeugeswird an einem Anwendungsbeispiel gezeigt. In diesem Zusammenhangsoll geprüft werden, inwieweit die Analyse von Simulationsdaten heuti-ger kognitiver Modelle die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemenermöglicht und auf welcher Ebene die kognitiven Simulationsdatenbetrachtet werden können. Des Weiteren sollen das Potential und dieGrenzen kognitiver Modellierungsmethoden aufgezeigt und betrachtetwerden.

1.2 aufbau der arbeit

In Kapitel 2 werden die theoretischen Grundlagen der Arbeit dargestellt.Die Evaluation von dynamischen und komplexen Mensch-Maschine-Systemen, kognitive Modellierungsmethoden und Parameter für dieBlickbewegungsmessung werden diskutiert. Zusammenfassend wirddie Anwendung kognitiver Modellierungsmethoden für die Evaluationvon Mensch-Maschine-Systemen gezeigt. Abschließend wird die derArbeit zugrunde liegende Fragestellung abgeleitet.

Darauf aufbauend wird in Kapitel 3 die konzeptionelle Planung unddie praktische Umsetzung des Simulation Trace Analyzer (SimTrA) fürdie Analyse und den Vergleich von simulierten und empirisch erfasstenBlickbewegungsdaten dargestellt.

In Kapitel 4 wird die Praktikabilität von SimTrA beispielhaft aneiner experimentellen Studie zur Schnittstellengestaltung von Mensch-Maschine-Systemen unter Verwendung von simulierten und empirischerhobenen Blickbewegungsdaten gezeigt. Das Untersuchungsdesignder Studie wird eingeführt und anschließend werden die Ergebnissediskutiert. Das Kapitel schließt mit einer Beschreibung von weiterenStudien, in denen SimTrA für die Analyse von Blickbewegungsdateneingesetzt wurde.

Kapitel 5 diskutiert das entwickelte Werkzeug SimTrA im Kontextder Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen in frühen Phasen derSystementwicklung.

Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung der Arbeit und einAusblick auf die kognitive Modellbildung im Kontext der Bewertungvon Mensch-Maschine-Systemen.

2T H E O R E T I S C H E G R U N D L A G E N

In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen für die Ar-beit gelegt. Die Evaluation von dynamischen und komplexen Mensch-Maschine-Systemen und die Phasen der Systementwicklung werdendiskutiert. Dabei liegt der Fokus auf der prospektiven Evaluation vonBenutzungsoberflächen von Mensch-Maschine-Systemen. Anschließendwerden die in den einzelnen Lebensphasen solcher Systeme anwendba-ren Klassen von Methoden für die Evaluation der Benutzungsoberflächevorgestellt. Im Folgenden wird die Simulation kognitiver Prozesse un-ter Verwendung kognitiver Architekturen eingeführt und deren Vor-teile und Nachteile dargestellt. Dabei wird die Analyse simulierterkognitiver Prozesse besonders betrachtet und der aktuelle Stand derForschung aufgezeigt. Die für diese Arbeit und die Bewertung vonMensch-Maschine-Systemen grundlegende Methode der Blickbewe-gungsanalyse wird eingeführt. Eine Übertragung auf das Gebiet ko-gnitiver Simulationsexperimente wird gezeigt. Zusammenfassend wirdder Gebrauch simulierter kognitiver Prozesse für die Evaluation vonMensch-Maschine-Systemen dargelegt. Abschließend wird die der Ar-beit zugrunde liegende Fragestellung abgeleitet.

2.1 mensch-maschine-systeme

Im Allgemeinen werden technische Systeme, zu deren Funktion dasZusammenwirken mindestens eines Menschen mit einem technischenSystem notwendig ist, als Mensch-Maschine-Systeme bezeichnet (z. B.Kraftfahrzeuge, Navigationssysteme, fertigungstechnische Anlagen).Nach Timpe und Kolrep (2002) bezeichnet der Begriff Mensch-Maschine-Systeme „eine zweckmäßige Abstraktion des zielgerichteten Zusam-menwirkens von Personen mit technischen Systemen zur Erfüllungeines fremd- oder selbstgestellten Auftrags“ (S. 12). Eine solche Ab-straktion erlaubt die Betrachtung des zielgerichteten Informationsaus-tausches zwischen Mensch und Maschine in unterschiedlichen Situa-tionen. Dabei wird die Struktur des Mensch-Maschine-Systems alsrückgekoppeltes System verstanden. Der Mensch (oder eine Gruppevon Menschen) kann auf der Grundlage der organisationalen Veran-kerung, seiner Zielstellung, des Auftrags und der wahrgenommenenRückmeldungen des technischen Systems Entscheidungen treffen unddas System steuern.

Technische Systeme sind zumeist komplexe Systeme, die in ihrerDynamik durch Nichtlinearität und Emergenz gekennzeichnet sind(Wickens & Holland 2000). Das heißt, dass komplexe Systeme nichtzu vereinfachen sind, ein in sich vielschichtiges System bleiben unddadurch das Handeln des Menschen beeinflussen.

Dörner (1995) stellt folgende Merkmale heraus, die den Menschenbeim Treffen einer Entscheidung in komplexen Handlungssituationenbeeinflussen und behindern können: Komplexität, Dynamik, Intranspa-

5

6 theoretische grundlagen

renz, Vernetztheit und Unvollständigkeit oder Falschheit der Kenntnisseüber das System. Die fünf Merkmale können auf die Interaktion vonMenschen mit technischen Systemen übertragen werden. TechnischeSysteme bestehen zumeist aus vielen vernetzten Subsystemen, die überSchnittstellen miteinander verbunden oder gekoppelt sind. Die Systemesind intransparent, das heißt nicht alle Informationen über den Prozesssind immer einsehbar. Weiterhin ist das Systemverhalten nicht stetig,da das System sich aufgrund der Eigendynamik selbstständig weiter-entwickelt. Schließlich hat ein Anwender zumeist keine vollständigeKenntnis über die Gesamtheit der Systemeigenschaften. Bei genügendgroßen Mensch-Maschine-Systemen sind die fünf Merkmale erfüllt, sodass von komplexen und dynamischen Mensch-Maschine-Systemengesprochen werden kann.

Das Verhalten eines Mensch-Maschine-Systems wird durch die In-formationsverarbeitung des Menschen, beruhend auf sozialen, psycho-logischen und biologischen Gesetzmäßigkeiten, und durch technischeProzesse, beruhend auf physikalischen Gesetzen, bestimmt (Klix 1966).Die menschliche Informationsverarbeitung wird im Besonderen durchdie dargebotenen Informationen des technischen Systems und die ko-gnitiven Prozesse des Menschen moderiert. Bei der Gestaltung vonMensch-Maschine-Systemen müssen daher beide Aspekte berücksich-tigt werden. Die Benutzungsaspekte technischer Systeme werden aberheute zumeist durch die technischen Parameter eines Systems determi-niert und bilden technische Strukturen ab (z. B. Anzeigen mit vielen Va-riablen zur Prozesssteuerung). Um eine menschengerechte Interaktionzu ermöglichen, stellt die Berücksichtigung menschlicher kognitiverProzesse und deren Beschränkungen im Zusammenhang mit der Auf-gabe und der Aufgabenumgebung eine wichtige Betrachtungsweise beider Entwicklung von Mensch-Maschine-Systemen dar (Byrne 2007).

2.1.1 Entwicklung von Mensch-Maschine-Systemen

In der System- und Softwaretechnik wird der Werdegang eines Sys-tems in einzelne voneinander abgrenzbare Lebensphasen unterteilt,die in Phasenmodellen dargestellt werden können (Kraiss 1995; Timpe& Kolrep 2002). Ein Phasenmodell stellt ein idealtypisches Vorgehendar und beschreibt daher nicht notwendigerweise den in der Realitätzu findenden Prozessablauf. Die Modelle definieren einen festgeleg-ten organisatorischen Rahmen und erlauben die Integration wissen-schaftlicher Erkenntnisse für die wirtschaftliche Herstellung und denwirtschaftlichen Einsatz technischer Systeme (Balzert 1998; Pomberger& Blaschek 1996). Dabei werden die Reihenfolge der Arbeitsabläufe,die jeweils durchzuführenden Aktivitäten, die Teilergebnisse und dieFertigstellungskriterien definiert. Die Ergebnisse jeder einzelnen Pha-se bilden die Grundlage der darauf folgenden Phase (Kaindl, Lutz &Trippold 1998). Somit bestimmt die Qualität der Teilergebnisse jedereinzelnen Phase die Qualität eines fertigen Systems. Es existiert eineReihe von unterschiedlichen Modellformen für die Entwicklung vontechnischen Systemen, zum Beispiel das Spiralmodell, das V-Modellund das Prototypenmodell. Für einen Überblick siehe Balzert (1998)oder Kaindl et al. (1998).

2.1 mensch-maschine-systeme 7

Ein einfaches Phasenmodell ist in Abbildung 1 dargestellt (Kraiss1995). Hauptbestandteile dieses Phasenmodells sind die Entwicklung,die Realisierung und die Nutzung eines technischen Systems. DerEntwicklungsprozess beginnt mit der Definition der Funktionen, diedas zu entwickelnde System abbilden soll, basierend auf einer kon-zeptionellen Anforderungsanalyse. Daraus werden die Spezifikationenfür den Systementwurf abgeleitet und detaillierte Anforderungen fürdie (Teil-)Systeme festgelegt. In der Realisierungsphase werden die(Teil-)Systeme technisch implementiert und zu einem Gesamtsystemintegriert. Die abschließende Nutzungsphase stellt den ordnungsge-mäßen Gebrauch bis zur Außerbetriebnahme des technischen Systemsdar.

Definition Realisierung Entwurf Nutzung

Simulationsmethoden

Richtlinien

Experimentelle Methoden

Abbildung 1: Lebenszyklus eines Mensch-Maschine-Systems (nach Kraiss 1995).Zugeordnet sind die jeweiligen Methoden zur Evaluation derBenutzungsschnittstelle.

2.1.2 Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen

Die gebrauchstaugliche Gestaltung der Benutzungsoberfläche und derdargebotenen Organisationseinheiten der Komponente Maschine stelltin der Systementwicklung von Mensch-Maschine-Systemen einen wich-tigen Bestandteil dar. In den einzelnen Phasen bieten sich unterschied-liche Methoden für die Evaluation von Mensch-Maschine-Systemenan, wobei technische, ökonomische, ökologische und ergonomischeKriterien berücksichtigt werden müssen. Die ergonomischen Kriterienbeziehen sich in einem Mensch-Maschine-System auf die unmittelba-re Interaktion von Mensch und Maschine, das heißt auf die für dieBedienung des technischen Systems gestalteten Elemente (die Benut-zungsschnittstelle oder die Mensch-Maschine-Schnittstelle). Bei derGestaltung der technischen Komponente stellen die Berücksichtigungder menschlichen Leistungsfähigkeiten und -grenzen, die Optimierungder Beanspruchung und die sichere und verlässliche Handhabungwichtige Faktoren dar (Baggen & Hemmerling 2002). In dynamischenMensch-Maschine-Systemen sind somit die Prozesse der Informations-aufnahme, -verarbeitung und -abgabe bei der Interaktion von Menschund Maschine besonders zu unterstützen.

Bei der benutzerfreundlichen Gestaltung von technischen Systemensind im Wesentlichen drei Aspekte zu beachten. Nach DIN EN ISO9241-11 (Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bild-schirmgeräten – Teil 11: Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit;DIN EN ISO 9241-11 1998) sind dies die Effektivität, die Effizienz unddie Zufriedenstellung durch die Nutzung eines technischen Systems.

8 theoretische grundlagen

Die Effektivität beschreibt die Vollständigkeit und Genauigkeit, mitder ein Benutzer ein bestimmtes (Teil-)Ziel erreicht. Die Effizienz stelltdas Verhältnis der Effektivität zu dem zur Zielerreichung benötigtenAufwand dar. Die Zufriedenstellung beschreibt die Freiheit von Be-einträchtigungen und die Akzeptanz der Benutzer. Ausgehend vondiesen Kriterien können Maße für die Benutzungsfreundlichkeit ermit-telt werden. Gebräuchliche Maße für die Effektivität sind zum BeispielFehlerraten und die Anzahl gelernter Funktionen. Geeignete Maße fürdie Effizienz stellen Ausführungszeiten, Lernzeiten und die Anzahl derDialogschritte dar. Die Zufriedenheit kann durch die Erhebung der Ak-zeptanz oder der Benutzungshäufigkeit gemessen werden (Marrenbach2001; DIN EN ISO 9241-11 1998).

Für die Evaluation der Benutzerfreundlichkeit eines Systems bietensich Simulationsmethoden, Richtlinien und experimentelle Methodenan (Freed, Shafto & Remington 1998). In Abbildung 1 sind diese Me-thoden den einzelnen Lebensphasen eines Mensch-Maschine-Systemszugeordnet.

Simulationsmethoden

Simulationsmethoden basieren auf formalen Modellen des Benutzersbeziehungsweise dessen Verhalten und stellen eine quantitative Be-schreibung des Handlungsablaufs dar. Diese Methoden sind besondersfür die Abbildung von fertigkeits- und regelbasiertem Verhalten geeig-net. Die mit formalen Ansätzen beschriebenen idealtypischen Modellesimulieren für die Bedienung von technischen Systemen objektive Leis-tungsdaten, wie beispielsweise Ausführungszeiten, Fehlerraten unddie Anzahl von Interaktionen bei der Bedienung. Die Ermittlung vonSchwachstellen in der Gestaltung von Mensch-Maschine-Systemen unddie Evaluation verschiedener Gestaltungsalternativen werden somitermöglicht. Anhand der simulierten Leistungsdaten kann die Effizienzund die Effektivität eines Systems bewertet werden. Aufgrund der Nut-zung von Systemspezifikationen und Annahmen über das Verhaltendes Menschen als Grundlage für die Entwicklung von formalen Simula-tionsmodellen sind diese bereits in frühen Systementwicklungsphaseneinsetzbar. Aspekte wie Individualität, Adaptivität und Multitasking,die wichtige Eigenschaften des menschlichen Verhaltens sind, könnenmit heutigen quantitativen Methoden nur schwer abgebildet werden(Rasmussen 1983). Ansätze für die Integration von individuellem Verhal-ten zum Beispiel durch unterschiedliche Strategien oder Wissensbasen(Taatgen 2001) und Multitasking werden heute erprobt (Salvucci 2005)und sind exemplarisch durch Auswahlprozesse oder Zufallskomponen-ten in formalen Modellierungsmethoden implementiert.

Es existiert eine Vielzahl von Methoden zur Simulation von menschli-chem Benutzerverhalten, die in zwei Klassen eingeteilt werden können(Salvucci & Lee 2003).

high-level-ansätze High-level-Ansätze beschreiben das Verhal-ten auf einer aggregierten Ebene und definieren Interaktionen desBenutzers mit einem technischen System als statische Sequenz menschli-cher Handlungen. High-level-Ansätze sind geeignet, Fehler und Schwie-rigkeiten in der Gestaltung festzustellen, die auf sequenziellem Verhal-

2.1 mensch-maschine-systeme 9

ten beruhen (z. B. Handeln im Störfall, Abarbeiten einer Handlungsan-weisung). Beispiele für diese Methoden sind GOMS (Goals, Operators,Methods and Selection Rules; Card, Moran & Newell 1983) und TAG (TaskAction Grammer; Payne & Green 1986).

low-level-ansätze Low-level-Ansätze sind im Gegensatz dazugeeignet, komplexe Phänomene (wie z. B. Entscheiden, Mehrfachaufga-ben und Lernen) zu beschreiben und abzubilden. Sie beschreiben dasmenschliche Verhalten auf einer atomaren Ebene und erlauben eine ge-nauere Betrachtung der menschlichen Kognition als High-level-Ansätze.Beispiele dafür sind ACT-R (atomic components of thought – rational; An-derson et al. 2004), EPIC (Executive-Process/Interactive Control; Kieras &Polson 1988) und Soar (State, Operator and Result; Newell 1990).

Richtlinien

In Richtlinien wird Expertenwissen erfasst und Entwicklern und Kon-strukteuren von technischen Systemen bereitgestellt. Das Expertenwis-sen beruht zumeist auf subjektiven Erfahrungen der Experten und wirdin verdichteter Form zusammengefasst. Daraus resultieren allgemeingehaltene Richtlinien, die für die Anwendung auf einen konkretenFall eine Bandbreite von Interpretationen zulassen. Beispiele sind dieRichtlinien für die ergonomische Gestaltung von Bürotätigkeiten mitBildschirmgeräten (DIN EN ISO 9241-11 1998) und die Richtlinien fürdie barrierefreie Gestaltung von multimedialen Angeboten (BITV 2002).Auf Grundlage der Richtlinien können kriterienorientierte Prüfsystemeentwickelt werden, die eine subjektive Bewertung des Systemzustandesermöglichen (z. B. IsoMetrics; Willumeit, Gediga & Hamborg 1996).Eine Gefahr in der Anwendung von Richtlinien besteht darin, dass eintechnisches System durch die Entwickler an spezielle Richtlinien undderen Prüfmethoden angepasst wird und somit für die Bearbeitungvon einigen wenigen Arbeiten optimal gestaltet wurde und nicht im-mer generalisierbar sind (Greif & Grediga 1988). Richtlinien können inder Systementwicklung durchgängig eingesetzt werden und unterstüt-zen die Bewertung der Effizienz, Effektivität und durch heuristischeAussagen vereinzelt auch die der Benutzerzufriedenheit (Henninger2001).

Experimentelle Methoden

Bei experimentellen Methoden werden anhand von ablauffähigen Ver-sionen des zukünftigen Produktes (Prototypen) die Gestaltung unddie Funktion eines Systems bewertet (Balzert 1998). Die Bewertung derErgonomie stützt sich dabei auf objektive und subjektive Maße, diewährend und nach der experimentellen Bewertung erhoben werdenkönnen (DIN EN ISO 9241-11 1998). Objektive Bewertungsmethodensind beispielsweise Handlungsprotokolle, Blickbewegungsmessungenund Videoaufzeichnungen. Subjektive Methoden beziehen sich aufdie Erfahrungen der Benutzer. Beispiele dafür sind Fragebogen- oderInterviewmethoden. Das Ziel der experimentellen Methoden liegt inder Erhebung von Merkmalen und Hinweisen über das zukünftigeBenutzerverhalten durch die Produktgestaltung (Weimer 1995). Für die

10 theoretische grundlagen

experimentelle Bewertung werden Prototypen benötigt, die erst in spä-teren Phasen der Systementwicklung zur Verfügung stehen. Neben derErstellung von Prototypen ist die Durchführung von experimentellenMethoden zeit- und kostenintensiv (z. B. Kosten der Versuchspersonen,Experimentalplanung). Experimentelle Methoden erlauben neben derBewertung der Effizienz und der Effektivität eines technischen Systemsauch die Bewertung der Benutzerzufriedenheit.

2.1.3 Diskussion

Die zunehmende Komplexität von Mensch-Maschine-Systemen unddie damit steigenden Anforderungen in der Bedienung verlangen eineentsprechende Berücksichtigung der menschlichen Komponente im Ent-wicklungsprozess, das heißt der kognitiven Prozesse mit deren Grenzenund Ansprüchen (vgl. Timpe, Jürgensohn & Kolrep 2002). Beispielswei-se führen unzureichende Gestaltungslösungen von Mensch-Maschine-Systemen häufig zu Handlungsfehlern, die auf einer Entkopplung desAnwenders vom Prozess (out of loop) und damit auf dem Fehlen von In-formationen beruhen oder auf Wahrnehmungsüberforderung aufgrundder Überführung von nicht visuellen Informationen in eine visuelle Dar-stellung in der Benutzungsoberfläche zurückzuführen sind (Hedicke2002).

Eine Vielzahl von Problemen in der Bedienung von technischenSystemen sind auf die unterschiedlichen Sichtweisen der Entwick-ler und der Anwender auf ein technisches System zurückzuführen(Norman 1986). Gründe dafür sind beispielsweise unterschiedlichesSystemwissen, Kausalwissen und Interaktionswissen der Entwicklerund Anwender. Infolgedessen muss eine Bewertungsmethode objektiveMaße zu Verfügung stellen, die schon frühzeitig als Kommunikations-hilfe zwischen Entwickler und Benutzer dienen können. Besonders dieprospektive Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen ist im Gegen-satz zu der retrospektiven Bewertung und der Bewertung in späterenSystemlebensphasen für das Aufdecken von Gestaltungsfehlern deszukünftigen Produktes von Bedeutung. In frühen Entwicklungspha-sen können Fehler mit erheblich geringerem Aufwand behoben undGestaltungsalternativen exploriert werden (Holzinger 2005; Reinhart,Lindemann & Heinzl 1996). Beispielsweise können Kosten für eineNachbesserung am fertigen Produkt bis um das Zehntausendfachehöher sein als in frühen Entwicklungsphasen (Freise 2003).

Folglich ergeben sich spezielle Anforderungen an die Entwicklungvon Mensch-Maschine-Systemen. Zum einen muss der Faktor Menschmit dessen kognitiven Anforderungen und Grenzen systematisch in dieBewertungsprozesse integriert werden. Zum anderen müssen die Be-wertungsmethoden in frühen Phasen der Systementwicklung einsetzbarsein und objektive Bewertungen zulassen. So können die Bewertungser-gebnisse von Anfang an als Kommunikationshilfe zwischen Entwicklerund Benutzer genutzt werden.

Richtlinien und experimentelle Methoden werden in dem Entwick-lungsprozess von Mensch-Maschine-Systemen für die Bewertung derGebrauchstauglichkeit heute standardmäßig eingesetzt. Formale Metho-den der Simulation und Modellierung von Benutzerverhalten kommen

2.1 mensch-maschine-systeme 11

nur selten zum Einsatz (Kindsmüller, Leuchter, Schulze-Kissing & Ur-bas 2004).

Richtlinien ermöglichen eine Prognose der Benutzerfreundlichkeitbereits in der Entwurfsphase von Mensch-Maschine-Systemen und stel-len ein wichtiges Repertoire von Prüflisten, Heuristiken und Kriterienbereit, die eine Bewertung der Schnittstelle ermöglichen. Experimentel-le Methoden beruhen auf empirisch erhobenen Daten und ermöglicheneine Bewertung der Schnittstelle auf der Basis von ablauffähigen Proto-typen und können daher oft erst im Anschluss an die Entwurfsphaseeingesetzt werden.

Beide Verfahren stellen keine ausreichenden Methoden bereit, umdas Interaktionsdesign und die Schnittstellengestaltung im Kontext derbeteiligten kognitiven Prozesse adäquat bewerten zu können. Diesesind für das menschliche Verhalten von großer Bedeutung und wer-den durch die Gestaltung der Arbeitsumgebung und der Aufgabebeeinflusst (Byrne 2007). Daher muss der Einfluss der Gestaltung einerMensch-Maschine-Schnittstelle auf die menschliche Kognition bei derEntwicklung von Mensch-Maschine-Systemen verstärkt von Beginn anbetrachtet werden.

In frühen Phasen der Systementwicklung können formale Simula-tionsmethoden eingesetzt werden. Kognitive Modellierungsmethodenkönnen den Entwicklern frühzeitig das zukünftige Benutzerverhaltenkommunizieren und erlauben eine computerbasierte Betrachtung desBenutzerverhaltens bei der Interaktion mit technischen Systemen. ImGegensatz zu experimentellen Methoden und dem Einsatz von Richtli-nien werden durch formale Methoden objektive Daten bereitgestellt.

Hinsichtlich der Anforderungen der DIN EN ISO-Norm 9241-11

können alle drei methodischen Ansätze (d. h. Simulationsmethoden,Richtlinien und experimentelle Methoden) die Effektivität und dieEffizienz eines Gestaltungsansatzes messen. Die Zufriedenheit kannanhand von experimentellen Methoden und basierend auf heuristischenMaßen durch den Einsatz von Richtlinien gemessen werden.

Es ist notwendig, dass objektive Bewertungsmaße von Anfang an inden Systementwicklungsprozess integriert werden. Diese Forderungist durch den Einsatz formaler Simulationsmethoden erfüllbar. Fürden Einsatz in zivilen Bereichen, wie der Evaluation von Gebrauchs-elektronik, Leitsystemen oder Software, fehlt heute ein Methodenre-pertoire, das die Erstellung von Benutzermodellen und die Analyseder simulierten Leistungsdaten ermöglicht (Kraiss 1995; Kindsmülleret al. 2004). Erste Schritte für eine durchgängige Unterstützung derBenutzermodellierung im Rahmen der Systementwicklung werden inUrbas, Schulze-Kissing und Leuchter (2005) beschrieben.

Aufgrund der Möglichkeit, formale Simulationsmethoden bereitsin frühen Phasen der Systemgestaltung einzusetzen und der durchdiese Methoden erfassbaren objektiven Daten, wird in dieser Arbeitder Ansatz der kognitiven Benutzersimulation für die Bewertung vonMensch-Maschine-Systemen betrachtet.

12 theoretische grundlagen

2.2 simulation kognitiver prozesse

Die Simulation kognitiver Prozesse bedeutet die Konstruktion von Mo-dellen, die ausgewählte Eigenschaften der zu simulierenden mentalenProzesse abbilden und über diese mittels angenommener Strukturenoperieren (Kieras 1985). Diese Methode kann als kognitive Modellie-rung bezeichnet werden und stellt einen wichtigen Aspekt der Theorie-bildung und Plausibilisierung von Theorien dar (Cooper 2002; Opwis1992; Wallach 1998). Ein Modell stellt eine geeignete Abstraktion derRealität dar, die anstelle des Originals genutzt werden und als Kom-munikationsgrundlage dienen kann (Strube 2001). Die Abstraktionerlaubt die Formulierung von allgemeinen Aussagen über einen Gegen-standsbereich, der eine Vielzahl von Einzelergebnissen zusammenfasst(Gigerenzer 1988, 1991; Dörner 1994). In der Psychologie werden Model-le konstruiert, um das Wissen über Strukturen und Zusammenhängekognitiver Prozesse abbilden und erforschen zu können (Opwis 1992).

Dabei ist zu beachten, dass eine Modellrepräsentation vollständigund glaubwürdig ist (Cooper 2002). Vollständigkeit bedeutet in diesemZusammenhang, dass durch Abstraktion keine Details verloren gehen,die einen wichtigen Einfluss auf das Verhalten des Originals besitzen.Die Glaubwürdigkeit eines Modells bezieht sich auf die akkurate Ab-straktion des Originals, so dass keine unnötigen oder zusätzlichenAnnahmen und Inhalte in das Modell integriert werden. Die Konstruk-tion kognitiver Modelle in der Kognitionspsychologie stellt dement-sprechend den Versuch dar, „für ausgewählte kognitive LeistungenSymbolstrukturen (für Daten und Regeln) anzugeben und zu zeigen,dass mit eben diesen Daten und Regeln die zu erklärende kognitiveLeistung erbracht werden kann“ (Tack 1995, S. 177).

Der Einsatz von Computermodellen in der Kognitionspsychologie istauf das Paradigma der Informationsverarbeitung im Sinne der nicht-numerischen Informationsverarbeitung zurückzuführen (Neisser 1967;Newell & Simon 1972; Anderson 1983; Johnson-Laird 1988). KognitiveProzesse werden laut dieses Paradigmas als wissensbasierte Vorgän-ge der Symbolverarbeitung aufgefasst. Wissensbasierte Systeme sinddurch die Verwendung einer formalen Syntax gekennzeichnet, dieprozedurales Wissen (Steuerungswissen) und deklaratives Wissen (Fak-tenwissen) explizieren und modularisiert darstellen, das aufgrund as-soziativer Zugriffe durch Kontrollkomponenten aktiviert werden kann(Laubsch 1985; Smith 1982). Neben konzeptionellen Aspekten bildenComputermodelle der Kognition ebenfalls die formalen und funktiona-len Beziehungen der menschlichen Kognition ab (Habel, Kanngießer& Strube 1990). Somit werden die Überprüfung kognitionspsycholo-gischer Theorien und die Entwicklung neuer Hypothesen auf derenGrundlage durch den Einsatz berechenbarer Modelle ermöglicht.

Die Nutzung von Computermodellen erlaubt gegenüber der An-wendung neuronaler Netze oder den rein mathematischen Ansätzenzur Theorieprüfung und -generierung beispielsweise die graphischeVeranschaulichung, die Demonstration der zeitlichen Dynamik unddie Produktion von Verhaltensdaten auf Grundlage von formalisier-ten Theorien (Schaub 1993). Im Rahmen der Simulation kognitiverProzesse können theoretische Annahmen über den Denkhandlungs-prozess durch ein lauffähiges Computermodell auf Konsistenz, Plau-

2.2 simulation kognitiver prozesse 13

sibilität und Vollständigkeit geprüft werden. Für die Entwicklungenvon Computermodellen der menschlichen Kognition werden in derKognitionspsychologie vermehrt kognitive Architekturen eingesetzt,die kognitionspsychologische Theorien zusammenfassen und auf derenGrundlage die Simulation kognitiver Prozesse möglich ist.

2.2.1 Kognitive Architekturen

Kognitive Architekturen integrieren isolierte Modelle und Theoriender Subprozesse und Subkomponenten der menschlichen Kognition.Anstatt die Welt in eine Anzahl von kleinen Paradigmen mit eigenenLösungen und eigener Logik zu zerlegen, bilden sie die menschlicheKognition in ihrer Gesamtheit ab. Dieser Ansatz wurde erstmals vonNewell in Form des General Problem Solver vorgestellt (Newell & Simon1972; Newell 1973) und später unter der Bezeichnung Unified Theories ofCognition zusammengefasst (Newell 1990).

Kognitive Architekturen bezeichnen „das spezifische System invari-anter Strukturen und primitiver Strukturen des kognitiven Apparates“(Wallach 1998, S. 68) und determinieren die atomaren Bausteine derKognition, also die kognitiven Operationen, die als Primitive angesehenwerden. Diese werden in Architekturmerkmalen (z. B. Strukturen undMechanismen) und durch wechselseitige Beschränkungen repräsentiert,die als allgemeine Gesetzmäßigkeiten unabhängig von Aufgabenstel-lung, Wissensbeständen und Aufgabenumgebung allgemein gelten(Chandrasekaran 1990). Zusammenhängende kognitive Funktionenwerden in funktionalen Modulen repräsentiert, die den Zugriff aufdie internen Strukturen und Mechanismen erlauben (z. B. Module fürWahrnehmung, Kognition, Handlung; Gray 2007). Funktionale Modulekönnen Untermodule enthalten, die wiederum kognitive Zusammen-hänge abbilden. Komplexere Prozesse werden anhand der zur Verfü-gung stehenden Konstrukte aus den Primitiven und der Interaktion derfunktionalen Module zusammengesetzt (Pylyshyn 1989).

Die Kontrolle und die Kommunikation der an kognitiven Prozessenbeteiligten Komponenten kann anhand eines dreiteiligen Kontrollsys-tems abgebildet werden. Diese ist durch festgelegten Strukturen einerkognitiven Architektur implementiert und ermöglicht eine interaktiveKommunikation über die einzelnen funktionalen Module hinweg (Gray2007).

Der erste Kontrolltyp stellt die Kommunikation zwischen funktiona-len Modulen des kognitiven Apparates dar. Das heißt die Ausgabeneines funktionalen Moduls dienen als Eingaben eines anderen funktio-nalen Moduls. Diese kann direkt von Modul zu Modul erfolgen oderüber eine zentrale Komponente.

Die interne Kontrolle eines funktionalen Moduls wird als zweiterKontrolltyp aufgefasst. Eingaben werden durch andere funktionale Mo-dule oder die Aufgabenumgebung bereitgestellt. Innerhalb des funktio-nalen Moduls werden die Eingaben verarbeitet und gegebenenfalls zuAusgaben transformiert. Die Mechanismen können in Untermodulen,die jeweils eine Theorie implementieren, bereitgestellt werden, die indrei Untertypen eingeteilt werden können. Der erste Untertyp stelltempirisch oder heuristisch begründete Statistiken dar, wie beispielswei-

14 theoretische grundlagen

se Fitts’ Gesetz zur Vorhersage für den Zeitverbrauch von geführtenmotorischen Bewegungen (Fitts 1954). Die zweite Gruppe repräsentiertkognitive Theorien, die zur Laufzeit des kognitiven Modells ausge-führt werden können und auf mechanischen oder algorithmischenAusdrücken beruhen (Anderson 1987), wie beispielsweise die auf einerrationalen Analyse beruhende Aktivierungstheorie des deklarativenGedächtnisses (Anderson & Schooler 1991). Die dritte Gruppe vonSubmodulen fasst Methoden zusammen, die vor der Laufzeit eines ko-gnitiven Modells berechnet und deren Ergebnisse offline bereitgestelltwerden, wie zum Beispiel Wechselkosten bei Mehrfachaufgaben oderdie vorherige Berechnung von Blickbewegungszeiten.

Der dritte Kontrolltyp kombiniert aufgabenspezifisches Wissen mitden Merkmalen der kognitiven Architektur, um Strategien oder Metho-den für die Aufgabenbearbeitung zu erzeugen. Kontrolle vom Typ dreistellt die Anwendung der kognitiven Architektur in einem speziellenAufgabenszenario dar.

Anhand der auf kognitiven Architekturen basierenden kognitivenModelle mit ihren interaktiven Kontrollstrukturen können unterschied-liche kognitionspsychologische Annahmen und verschiedene Arten derwechselseitigen Kommunikation der an der Kognition beteiligten Mo-dule rechnergestützt untersucht und quantitativ vorhergesagt werden(Gluck, Ball & Krusmark 2007).

Produktionensysteme

Die meisten kognitiven Architekturen basieren auf Produktionensys-temen, die als „elaborierteste Rahmenvorstellung“ der menschlichenKognition betrachtet werden (Opwis 1992, S. 73). Produktionensys-teme bestehen aus drei Komponenten: einem Datenspeicher, einemProduktionen- oder Regelspeicher und einem Interpreter (vgl. Opwis1992).

Der Datenspeicher enthält das dem System bekannte deklarativeWissen (Faktenwissen) und stellt die Datenbasis eines Produktionensys-tems dar. Der Produktionen- oder Regelspeicher enthält das operativeWissen des Systems in Form einer Menge von Produktionen oder Re-geln. Diese bestehen aus einem Bedingungsteil und einem Aktionsteil.Der Bedingungsteil enthält eine Menge von Bedingungen, die erfülltsein müssen, damit der Aktionsteil ausgeführt werden kann. Der In-terpreter steuert den Prozess der Inforationsverarbeitung durch einenmehrstufigen Zyklus: Auswerten, Konfliktlösung und Ausführung.

Das Auswerten der Bedingungsteile aller Produktionen eines Pro-duktionensystems führt zu einer Menge ausführbarer Produktions-regeln, der Konfliktmenge. Besteht die Konfliktmenge aus mehr alseiner Produktionsregel, wird der Konflikt durch die Auswahl einerProduktionsregel gelöst. Dabei können verschiedene Heuristiken zumEinsatz kommen (z. B. Reihenfolgedominanz, Spezifität, Zufallswahl;vgl. Wallach 1998). Abschließend wird der Aktionsteil der selektiertenProduktionsregel ausgeführt, wodurch Manipulationen an der Daten-basis vorgenommen werden können. Die iterative Ausführung der dreiSchritte wird solange fortgesetzt, bis die Konfliktmenge keine Produk-tionsregel enthält oder der Aktionsteil einer Produktion den Zyklusausdrücklich beendet.

2.2 simulation kognitiver prozesse 15

Vorteile von Produktionensystemen sind nach Wallach (1998) dermodulare und homogene Aufbau und die Abstraktheit der benutztenformalen Ausdrücke und Mechanismen. Sie ermöglichen die ziel- alsauch die datengesteuerte Abbildung von Prozessen, wobei der Auf-bau von Produktionensystemen analog zu gedächtnispsychologischenStrukturvorstellungen aufgebaut ist. Somit sind sie als Grundlage zurErklärung von menschlichen Lern- und Informationsverarbeitungs-prozessen geeignet.

Auswahl einer kognitiven Architektur

Die drei bekanntesten kognitiven Architekturen, die gegenwärtig ak-tiv weiterentwickelt und für Fragestellungen der Mensch-Maschine-Interaktion eingesetzt werden, sind ACT-R, Soar und EPIC. Ein aus-führlicher Vergleich ist zu finden bei Byrne (2003). Alle drei kogniti-ven Architekturen basieren auf Produktionensystemen, wobei sich dieGranularität und die Verknüpfungsprozesse der drei Architekturenunterscheiden. Jede Architektur hat einen eigenen Fokus und ist so-mit für verschiedene Fragestellungen anwendbar. In Tabelle 1 sind diewichtigsten Architekturmerkmale vergleichend dargestellt (nach Byrne2003).

Hinsichtlich der Modellierung von Benutzerverhalten in dynami-schen und komplexen Mensch-Maschine-Systemen sind mehrere Krite-rien in Betracht zu ziehen, die eine Auswahl einer kognitiven Architek-tur bestimmen. Diese können in harte und weiche Faktoren unterteiltwerden. Die harten Faktoren beziehen sich auf Strukturen und Mecha-nismen der kognitiven Architektur, die weichen auf die eine kognitiveArchitektur begleitenden Umstände, wie zum Beispiel Lernmaterialien,Anwendung und Ausrichtung.

Für die harten Faktoren ergibt sich folgendes Bild. Das Handelnin dynamischen und komplexen Systemen bedarf der Interaktion miteiner Systemumgebung. Das Lernen von neuen oder angepassten Hand-lungsstrukturen muss durch eine kognitive Architektur für die Simula-tion von Benutzerverhalten in komplexen und dynamischen Mensch-Maschine-Systemen möglich sein, um die vorhandene Wissensbasisadäquat an Veränderungen anpassen zu können. Für eine Analyseder Handlungsprozesse und -strukturen ist es notwendig, zwischenprozeduralem und deklarativem Wissen innerhalb der kognitiven Archi-tektur zu unterscheiden, um empirische Unterschiede in der Nutzungdifferenzieren zu können.

Der Vergleich der drei kognitiven Architekturen zeigt, dass ACT-Rhinsichtlich der harten Faktoren die Spezifikationen und Anforderun-gen erfüllt (siehe Tabelle 1). Soar ermöglicht keine Unterscheidungvon Wissenseinheiten und bot lange keine Interaktions- und Wahr-nehmungsmöglichkeiten von Arbeitsumgebungen an. Erst durch eineErweiterung von Soar, die auf EPIC beruht, kann Soar/EPIC auf di-rektem Weg mit externen Arbeitsumgebungen interagieren. EPIC stelltkeine Lernmechanismen zur Generierung neuer Wissenseinheiten be-reit.

Hinsichtlich der weichen Faktoren stellt ACT-R ebenfalls die zweck-mäßigste Wahl dar. Lernmaterialen und eine umfangreiche Dokumen-tation werden angeboten. Dadurch ist eine selbstständige Erweiterung

16 theoretische grundlagen

Tabelle 1: Vergleich der drei kognitiven Architekturen ACT-R, Soar und EPIC(nach Byrne 2003).

ACT-R Soar EPIC

Verwendungs-zweck

Gedächtnis undProblemlösen

Lernen und Pro-blemlösen

Mehrfachaufgabenund menschlicheWahrnehmung undMotorik

Zyklus Produktionen-zyklus, seriellesAusführen vonProduktionsregeln(Konfliktlösemecha-nismen)

Zweistufiger Ent-scheidungszyklus,serielles Ausfüh-ren von Produk-tionsregeln. Allemöglichen Produk-tionsregeln werdenausgeführt undmögliche Änderun-gen der Datenbasisberechnet. Anhandvon Präferenzenwerden die tatsäch-lichen Änderungenan der Datenbasisdurchgeführt

Produktionenzy-klus, parallelesAusführen vonProduktionsregeln

Symbolischeund aktivie-rungsbasierteInformations-verarbeitung

Hybrider Ansatz Symbolische Infor-mationsverarbei-tung

Symbolische Infor-mationsverarbei-tung

Motorische undperzeptuelleSysteme

Ja Nein, aber in derVerbindung vonSoar mit EPICstehen motorischeund perzeptuelleSysteme bereit

Ja

Managementvon Zielen

Ziel-Buffer miteinem aktuellenaktiven Ziel. DasZiel kann durchProduktionsregelngewechselt werden

Zielspeicher miteinem aktiven Ziel.Serielle Abarbei-tung des Zielspei-chers ist notwendig

Parallele (be-schränkte) Ver-folgung von Zielen(z. B. nur ein Augen-paar)

Datenspeicher Deklaratives undprozeduralesWissen wird ge-trennt gespeichert(Chunks und Pro-duktionsregeln)

Keine Trennungzwischen deklara-tivem und prozu-duralem Wissen.Das Wissen wirdin Form von Pro-duktionsregelngespeichert

Deklaratives undprozeduralesWissen wird ge-trennt gespeichert(Chunks und Pro-duktionsregeln)

Lernmechanis-men

Ziele werden alsChunks abgespei-chert. Lernen an-hand von Beispielenist möglich

Gelöste Problem-stellungen werdenzu neuen gene-ralisierten Pro-duktionsregelnzusammengefasst(chunking)

keine

Lernunterstüt-zung

Großes Lernmateri-al in Form von Do-kumentation undTutorials vorhanden,eine Sommerschulewird angeboten

Einige Lernmate-rialien vorhanden,FAQ

keine

Benutzergruppe(ausschließlichder Entwickler)

Wachsende Benut-zergruppe, primärin der Psychologie

Einige Benutzer,primär im Bereichder künstlichenIntelligenz

keine

2.2 simulation kognitiver prozesse 17

und Anpassung der Architektur möglich. Die theoretischen und prakti-schen Grundlagen von ACT-R werden von einer wachsenden Forscher-und Entwicklergruppe kontinuierlich erweitert und um neue Aspekteergänzt. ACT-R ist kostenfrei und in aktuellen Versionen online zubeziehen. ACT-R wird in umfangreichen Studien im zivilen Bereicheingesetzt, Soar kommt eher im militärischen Bereich zum Einsatzund EPIC wird vereinzelt in psychologischen Studien als kognitiveModellierungssprache genutzt (Byrne 2003).

Aus diesen Gründen wurde ACT-R als kognitive Architektur zurSimulation kognitiver Prozesse für die Vorhersage von Benutzerver-halten in komplexen und dynamischen Mensch-Maschine-Systemenausgewählt. Ein weiteres Kriterium waren die vorhanden Erfahrungenund Vorarbeiten in der Anwendung von ACT-R auf dem Gebiet der Be-nutzermodellierung der Arbeitsgruppe, in deren Rahmen diese Arbeitentstand. Im folgenden Abschnitt wird ACT-R kurz vorgestellt.

Atomic Components of Thought – Rational

Die kognitive Architektur ACT-R (atomic components of thought – rational)stellt eine formale Theorie dar, um die menschliche Kognition zusam-menhängend zu beschreiben (Anderson 1993; Anderson & Lebiere 1998;Anderson et al. 2004). ACT-R ist eine hybride kognitive Architektur,wobei die symbolverarbeitende Struktur durch ein Produktionensystemund die subsymbolische Struktur durch eine Vielzahl von parallelenProzessen, die durch mathematische Gleichungen beschreibbar sind,bestimmt wird.

Das zugrunde liegende Architekturkonzept von ACT-R besteht auseiner Menge von Modulen, die verschiedene Arten von Informationenverarbeiten. In Abbildung 2 sind die wichtigsten Module dargestellt:Das visuelle Modul ermöglicht die Identifizierung von Objekten imvisuellen Feld und die Ausrichtung der visuellen Aufmerksamkeit,das manuelle Modul kontrolliert die motorischen Handlungen, dasdeklarative Modul ermöglicht die Abfrage von Wissenseinheiten ausdem Gedächtnis und das intentionale Modul steuert die Zielverfolgungund Intentionen. Ein zentrales Produktionensystem koordiniert dasVerhalten der einzelnen Module. Es ist nicht für alle Aktivitäten dereinzelnen Module sensitiv, sondern kann nur auf eine limitierte Mengean Informationen reagieren, die durch einzelne Datenspeicher, dieBuffer der Module, bereitgestellt werden (Anderson et al. 2004).

In ACT-R gibt es zwei Arten von Gedächtnissen. Das deklarativeGedächtnis speichert Wissen in Form von Chunks. Sie werden in ACT-Rnicht ausschließlich als Symbol interpretiert, sondern sind zusätzlichmit einem Aktivierungslevel assoziiert. Dieser Wert sagt aus, wie häufigund wann zuletzt ein Chunk abgerufen wurde (Anderson & Lebiere1998), und ist ein Maß für die Relevanz des Chunks im augenblicklichenKontext der Aufgabe. Je öfter beispielsweise ein Chunk abgerufenwurde, umso höher ist dessen Aktivierungslevel, und umso einfacherist der Chunk durch das kognitive System zukünftig abzurufen.

Eine zentrale Annahmen in ACT-R ist, dass "cognitive skills are reali-zed as production rules"(Anderson 1993, S. 1). Diese Produktionsregelnwerden in dem prozeduralen Gedächtnis abgelegt und stellen das Hand-lungswissen eines kognitiven Modells dar. Produktionsregeln sind in

18 theoretische grundlagen

Pro

du

ktio

ne

n

Umgebung

Vergleich

Auswahl

Ausführung

Manueller Buffer

Manuelles ModulVisuelles Modul

Visueller Buffer

Deklaratives Modul

Ergebnis-Buffer

Intentionales Modul

Ziel-Buffer

Abbildung 2: Die Informationsorganisation in ACT-R. Die Informationen inden Buffern, die mit den Modulen assoziiert sind, werden durchProduktionsregeln angefragt und geändert (nach Anderson et al.,2004).

ACT-R durch den Gebrauch von Variablen generalisierbar, durch dieRestriktion eines Anwendungsbereiches einer Produktion spezifizierbarund bilden die Handlungskontrolle von einer Bedingung zur Aktionab (d. h. wenn A dann B).

Die als atomar angenommen Produktionsregeln erlauben durch dieintegrierten Mechanismen zum Wissenserwerb, das heißt durch Lern-prozesse, die Reduzierung von komplexen Fertigkeiten auf einfacheRegeln (Anderson & Lebiere 1998). Für die Konfliktlösemechanismen istjeder Produktionsregel eine Anzahl von Werten zugeordnet, wie zumBeispiel Wahrscheinlichkeit der Produktionen zur Zielerfüllung undKosten der Zielerreichung bei Selektion der Produktion. Sind in einemZyklus des Produktionensystems (festgelegte Dauer 50 Millisekunden)mehrere Produktionsregeln ausführbar, wird für jede momentan aus-führbare Produktion anhand der assoziierten Parameter der erwarteteNutzen berechnet. Die Produktion mit dem höchsten Nutzen wirdausgewählt und kommt zur Ausführung. Um zu verhindern, dass eszu einer Dominanz einer Produktionsregel kommt, sind stochastischeVerfahren in den Auswahlprozess integriert.

In ACT-R sind Mechanismen zum Wissenserwerb auf verschiede-nen Ebenen realisiert (Anderson & Lebiere 1998). Zum einen werdenneue Informationen (z. B. Objekte aus der Aufgabenumgebung oderResultate von Produktionsregeln) in Form von Chunks im deklarativenGedächtnis gespeichert und als gelernt der Wissensbasis hinzugefügt(symbolisches Lernen). Zum anderen stellt die Berechnung der Akti-vierungslevels von Chunks und die Brauchbarkeitsbestimmung vonProduktionsregeln Lernen auf der Basis von Erfahrung dar (subsym-bolisches Lernen). Ein weiterer Mechanismus zum Wissenserwerb istdie Automatisierung von Handlungsabfolgen durch die Kompilationdeklarativer Gedächtniselemente in Produktionsregeln (Anderson &

2.2 simulation kognitiver prozesse 19

Lebiere 1998). Dieser Production Compilation genannter Mechanismusreferiert auf empirische Ergebnisse, die zeigen, dass Menschen eine Pro-zedur ausführen können, das heißt gelernt haben, ohne die jeweiligendeklarativen Wissenselemente benennen zu können.

Durch die Bereitstellung von peripheren Schnittstellen kann ACT-Rmit den gleichen Softwaresystemen wie bei experimentellen Unter-suchungen interagieren. Die Evaluation von realen Systemen wirdprinzipiell ermöglicht, erfordert aber einige Einschränkungen in derGestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle, da nur einige wenigerestriktive Bildschirmelemente bereitstehen, wie beispielsweise Linien,Buttons und Text (vgl. Byrne 2003).

Der Anwendungsbereich von ACT-R reicht von der Untersuchung ko-gnitionspsychologischer Fragestellungen, wie Entscheiden und Lernen(Anderson & Lebiere 1998), bis hin zur Modellierung des Benutzerver-haltens in Bereichen der Mensch-Maschine-Interaktion, wie beispiels-weise die Kontrolle des Flugverkehrs durch Fluglotsen (Schoelles &Gray 2000) oder die Abbildung der Fahrzeugführung im Fahrsimulator(Salvucci 2001b).

2.2.2 Kognitive Modellierung

Für die kognitive Modellierung gibt es keine allgemeine Methodolo-gie (Ritter & Larkin 1994). Der Prozess der kognitiven Modellierungkann schematisch als eine Verbindung von vier nicht linearen Pha-sen beschrieben werden (Wallach 1998; Stroher 1995). Nach Wallach(1998) sind diese: Die aufgabenanalytische Untersuchung des Aufga-benbereichs, die Durchführung empirischer Experimente, die Modell-implementierung und die Geltungsprüfung der Modellierung (sieheAbbildung 3).

Aufgabenanalyse

Empirie

Modellimplementation

Modellprüfung

Abbildung 3: Phasen der Modellkonstruktion (nach Wallach 1998, S. 40).

Die Aufgabenanalyse dient der Untersuchung des Gegenstandsbe-reichs, um den Verwendungszweck des angestrebten Modells festzu-legen. Durch empirische Untersuchungen werden zuvor formuliertetheoretisch begründete Aussagen bewertet. Die Bewertung basiert auf

20 theoretische grundlagen

der Sichtung und Bewertung von in diesem Schritt durchzuführen-den empirischen Untersuchungen oder auf vorhandenen empirischenBefunden. In dem Schritt der Modellimplementierung werden theore-tische Aussagen in Ausdrücke formaler Sprachen überführt und mitHilfe einer geeigneten Programmiersprache umgesetzt. Die Geltungs-prüfung der Modellierung ermöglicht das Aufdecken und Beheben vonLücken und Fehlern des kognitiven Systems im Bezug zu genutztentheoretischen Ansätzen und empirischen Befunden.

In der Praxis stellt sich dieser Prozess oft als dialektischer Spiralpro-zess dar (Dörner 1989), das heißt ein Wechsel zwischen den vier Phasenist Bestandteil des Prozesses zur Modellanpassung. Beispielsweise kanndie Modellprüfung ergeben, dass weitere empirische Untersuchungennotwendig sind, oder es zeigt sich, dass die Aufgabenanalyse nichtdetailliert genug war, um das Modell zu implementieren (siehe Abbil-dung 3).

Modellprüfung – Die kognitive Empirie

Die kognitive Empirie stellt den Prozess der Bewertung eines kognitivenModells dar. Diese stellt in dem Prozess der kognitiven Modellierungden Schritt der Modellprüfung dar (siehe Abbildung 3). Dabei kommennatürliche und künstliche Systeme zum Einsatz (Stroher 1995). DieBewertung eines kognitiven Modells resultiert aus der Analyse derBeziehung zwischen der Empirie mit natürlichen kognitiven Systemenund der Empirie mit künstlichen kognitiven Systemen. Die Beziehungzwischen Computermodell und menschlicher Psyche lässt sich als eineRelation zwischen zwei Tripeln beschreiben (Zinterhof 1987), (I; O;S) und (I’; O’; S’). Dabei bezeichnet I den Input des realen Systemsmenschlicher Psyche und I’ den Input des Computermodells. O, O’bezeichnen den zu beobachtbaren Output des jeweiligen Systems undS, S’ die Übersetzung von Input zu Output (siehe Abbildung 4).

OOutputIInput SRelation

O'OutputI'Input S'Relation

! "?

Abbildung 4: Relation zwischen natürlichem System S und künstlichem SystemS’. α und β stellen eine beobachtbare Abbildung der Input- undOutputrelation dar. Die Relation von S zu S’ ist nur theoriegeleitetauf Grundlage von α und β zu interpretieren (nach Zinterhof1987, S. 105ff.).

Da die interne Struktur der menschlichen Psyche, das heißt die kogni-tiven Prozesse zur Übersetzung des Inputs in den Output, nicht direktzu beobachten sind, kann die Verknüpfung der beiden Tripel nur überdie jeweiligen Input- beziehungsweise Outputrelationen hergestellt wer-den (α und β in Abbildung 4). Die Gültigkeit eines Computermodells

2.2 simulation kognitiver prozesse 21

kann anhand der Ausprägung der Parameter α und β abgeleitet unddurch diese auf die Beziehung zwischen S und S’ geschlossen werden.

Durch die Verknüpfung der verschiedenen Untersuchungsverfahren,die für empirische und simulationsbasierte Untersuchungen eingesetztwerden, wird eine adäquate Methode im Rahmen der Kognitionswis-senschaft ermöglicht (Stroher 1995).

Vorteile und Nachteile der kognitiven Modellierung

Für die Simulation kognitiver Prozesse werden in der Literatur Vorteileund Nachteile genannt (vgl. Boden 1987; Byrne 2003; Deppe 1977; Op-wis 1992; Schäfer 1985; Wallach 1998), die in Tabelle 2 zusammenfassenddargestellt sind.

Tabelle 2: Vorteile und Nachteile der kognitiven Modellbildung.

Vorteile

• Möglichkeit zur formalenÜberprüfung von kognitions-psychologischen Theorien

• Formale Vorhersage vonVerhaltensdaten

• Einfache Manipulation vonSimulationsexperimenten

• Einfache Reproduktion vonSimulationsexperimenten

• Präzise Formulierung vontheoretischen Ansätzen

• Möglichkeit zur Kommu-nikation von sonst verbalformulierten Annahmen

Nachteile

• Kognitive Architekturen sindunvollständige Konstrukteder menschlichen Kognition

• Wissensstrukturen werdendurch die Entwickler in dasSystem induziert

• Detaillierte Annahmenüber die Kognition unddie internen Prozesse sindnotwendig

• Theory implementation gap– Unterschiede zwischenTheorie und Implementation

• Irrelevant specification – Eswerden Zusatzannahmengetroffen, die theoretischnicht begründet sind

• Keine Unterstützungswerk-zeuge für die Modellent-wicklung und die Analysevon Modelldaten und derenVergleich

Die Anwendung formaler Simulationsmodelle unterstützt die Über-prüfung von kognitionspsychologischen Theorien und Annahmen, dieauf beobachteten Eingaben und Ausgaben natürlicher kognitiver Syste-me beruhen. Es besteht die Möglichkeitt inkonsistente, unvollständigeund überflüssige Annahmen zu identifizieren. Anhand der durch ko-gnitive Modelle simulierten Leistungsdaten können empirische Verhal-tensdaten vorhergesagt und präzise überprüft werden. Eine einfacheWiederholung und Manipulation von kognitiven Modellierungsexperi-menten ist in diesem Zusammenhang ebenfalls möglich und erlaubtden beschleunigten oder verlangsamten Ablauf des Simulationsexperi-ments für die genauere Analyse und Beurteilung der Veränderungendes künstlichen Systems. Die präzise Formulierung der Theorien ge-währleistet eine bessere Kommunikation als verbale Formulierungen.Beispielsweise kann die Methode der kognitiven Modellierung in der

22 theoretische grundlagen

kognitiven Neuropsychologie angewandt werden. Durch einen Ver-gleich der Leistungsdaten von kognitiven Modellen und systematischverletzten kognitiven Modellen (z. B. durch die Reduzierung der Wis-sensbasis des kognitiven Modells oder der Änderung von Funktionenfür die Berechnung der Aktivierungslevels von Wissenselementen)können mögliche Erklärungen für empirisch belegte Verhaltensmusterabgeleitet werden (vgl. Stroher 1995).

Heutige kognitive Architekturen beruhen auf unvollständigen Theo-rien der menschlichen Kognition und beziehen nicht alle Aspekte mitein, die für das menschliche Verhalten verantwortlich sind (z. B. Lange-weile, Ästhetik, Freude und Vorlieben). Zum heutigen Zeitpunkt ist dieBerücksichtigung dieser Aspekte noch nicht notwendig, da der gegen-wärtige Fokus kognitiver Architekturen in der Erklärung von Kognitionund Performanz liegt (Byrne 2003). Mit steigender Erkenntnis der Ko-gnitionspsychologie kann der Fokus verändert und die Bandbreite dersimulierbaren Phänomene erweitert werden.

Bei der Entwicklung kognitiver Modelle muss berücksichtigt werden,woher das Wissen der kognitiven Modelle stammt, das für die Aufga-benbearbeitung (z. B. Aufgabenstellung, Schnittstellenbenutzung) benö-tigt wird. Diese Wissensstrukturen müssen heute durch den Entwicklereines kognitiven Modells implementiert werden. Die Umsetzung einesSimulationsmodells basiert dementsprechend auf den Wahrnehmungenund Interpretationen der Entwickler und hat zur Folge, dass Ergeb-nisse im Kontext der implementierten Annahmen interpretiert werdenmüssen. Des Weiteren werden für die Formulierung eines kognitivenModells detaillierte Annahmen bezüglich der Mechanismen und Struk-turen benötigt, die heute schwer bis gar nicht empirisch zu gewinnensind und eine Vielzahl von identischen empirischen Untersuchungenerfordern, um eine gesicherte statistische Datenbasis zu erhalten.

Die kognitionspsychologischen Annahmen kognitiver Architekturenund kognitiver Modelle beruhen auf verbal formulierten Theorien. Inder Modellierung kann es daher zu Unterschieden zwischen Theorieund tatsächlicher Implementierung kommen, die beispielsweise auf dieAbstraktion des Gegenstandsbereiches zurückzuführen sind (Theoryimplemetation gap; Cooper & Shallice 1995). Ein weiteres Problem istdas Treffen von Zusatzannahmen bei der Implementierung, die daskognitive Modell ablauffähig machen und keine eindeutige Trennungvon essentiellen Teilen der Theorie und Details der Implementierungzulassen (Irrelevant specification; Newell 1990).

Der Aufwand der Modellerstellung und der Analyse der simuliertenDaten ist groß und es werden kaum Systeme zur Unterstützung ange-boten. Hinderlich ist auch, dass kognitive Architekturen ein großes undkomplexes Regelwerk darstellen und nur vereinzelt Hilfen in Form vonDokumentationen und Tutorials angeboten werden (z. B. bei ACT-R).Diese Aspekte führen dazu, dass die Modellbildung auf Grundlagekognitiver Architekturen schwer anzuwenden und zu erlernen ist.

2.3 analyse simulierter kognitiver prozesse

„Der Entwurf und die Entwicklung von Mensch-Maschine-Systemenerfordert eine ganzheitliche und simultane Berücksichtigung der inter-

2.3 analyse simulierter kognitiver prozesse 23

agierenden technischen und menschlichen Systemkomponenten“ (Kraiss1995, S. 33). Die Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen kogni-tiven Apparates müssen dementsprechend bei der Entwicklung vonMensch-Maschine-Systemen berücksichtigt werden. Diese Forderungist hinsichtlich der zunehmenden Komplexität von Mensch-Maschine-Systemen, die sich in steigender Anforderung an Benutzer bei derBedienung technischer Systeme manifestiert, notwendig.

Die empirische Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen ist kosten-und zeitaufwendig, und aufgrund der benötigten Prototypen liegenErgebnisse häufig erst in späteren Phasen der Systementwicklung vor.Die Ergebnisse können nachträglich nur unter großem Aufwand berück-sichtigt werden. Richtlinienbasierte Methoden können schon in frühenPhasen der Systemgestaltung eingesetzt werden, bilden aber statischesExpertenwissen ab und integrieren die menschliche Komponente nurin Form von Heuristiken.

Die rechnergestützte Bewertung von Gestaltungsalternativen stellt ei-ne Methode dar, die eine ganzheitliche Betrachtung von komplexen unddynamischen Mensch-Maschine-Systemen und darauf basierend dieGenerierung von Gestaltungshinweisen erlaubt (Jürgensohn 2002). Aus-sagen sind beispielsweise bezüglich der Aufgabenteilung von Menschund Maschine und der Anpassung der Interaktion an die Bedingungenund Anforderungen der menschlichen Kognition möglich. Zu diesemZweck interagiert ein kognitives Benutzermodell mit einem virtuellenPrototypen oder einem Mensch-Maschine-System. Die Simulationsda-ten helfen, die Schnittstelle aufgrund der Explizitheit und Operatio-nalität der Simulationsmodelle quantitativ und normativ zu bewerten.Somit können durch den Einsatz von kognitiven Benutzermodellen,soweit diese effizient implementiert sind (siehe hierzu Urbas, Schulze-Kissing & Leuchter 2005), die Kosten und die benötigten Ressourcen inder Systementwicklung verringert und die Anzahl der pro Zeiteinheitzu evaluierenden Gestaltungsalternativen erhöht werden. Nachteiledieser Methode liegen in der komplexen und aufwendigen Modeller-stellung und Datenanalyse und in der Unvollständigkeit kognitiverTheorien, Architekturen und Modelle (Sun, Coward & Zenzen 2004). Indieser Arbeit wird die Analyse von kognitiven Simulationsexperimen-ten behandelt.

2.3.1 Methoden zur Analyse von kognitiven Simulationsexperimenten

In der Simulation von Benutzerverhalten besteht die Möglichkeit, einPhänomen oder eine Gruppe von Phänomenen auf verschiedene Ar-ten zu modellieren. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, die einentheoretischen Ansatz bestätigen. Es ist nur die Plausibilisierung einesAnsatzes gegenüber konkurrierender Ansätze möglich (Schaub 1993).Die kognitive Empirie (siehe Kapitel 2.2.2 ) ermöglicht die Bewertungvon kognitiven Simulationsexperimenten. Dabei werden Experimen-te mit natürlichen und künstlichen kognitiven Systemen betrachtet.Beispielsweise können zwei kognitive Modelle, die auf verschiedenenAnnahmen beruhen, verglichen werden oder empirische und simulierteErgebnisse werden miteinander in Bezug gesetzt.

24 theoretische grundlagen

Die Methode Goodness-of-fit ermöglicht den Vergleich von Datenunterschiedlicher Herkunft für einen Untersuchungsgegenstand im Be-reich der Modellbildung (Schunn & Wallach 2005). Dabei werden zweiAnsätze unterschieden: Die visuelle Präsentation und die numerischeBetrachtung der erfassten Daten. Die visuelle Präsentation erlaubt denvisuellen Vergleich von Modellvorhersagen und beobachteten Datenund ermöglicht das Auffinden von Unterschieden und Ähnlichkeiten.Dieses Verfahren kann für die schnelle Sichtung der Daten angewandtwerden und hilft problematische Datenabschnitte und systematischeAuffälligkeiten zu identifizieren. Die numerische Betrachtung ermög-licht eine Aussage über die Genauigkeit der Vorhersagen. Es gibt eineVielzahl an Methoden, die in diesem Zusammenhang angewandt wer-den können. Für einen Überblick siehe Schunn und Wallach (2005).

Im Bereich der kognitiven Modellierung mit ACT-R werden zuneh-mend Methoden entwickelt, die eine numerische Betrachtung der Si-mulationsdaten erlauben. Statistische Methoden können angewandtwerden, um beispielsweise die kognitive Performanz von Modellenin ACT-R zu vergleichen (Baker, Corbett & Koedinger 2003). Dabeihandelt es sich um Ansätze, die Modelldaten miteinander vergleichen,um die Qualität und Genauigkeit der Vorhersagen festzustellen. Fürdie Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen stellen diese Verfah-ren noch keine ausreichende Möglichkeit dar, um eine Schnittstellezu bewerten, da mit diesen Methoden die internen Strukturen undMechanismen bewertet werden. Das heißt die Modellstruktur wird mitder formalisierten Theorie abgeglichen. Das Modellverhalten in Bezugzu empirischen Daten wir dabei nicht betrachtet.

2.3.2 Auswahl einer Evaluationsmethode

In heutigen Simulationsexperimenten werden aufgrund des hohenAufwands zumeist heuristische Leistungsdaten analysiert (z. B. Ausfüh-rungszeiten und Fehler), um die Übereinstimmung zwischen Modellund Empirie auf globaler Ebene zu zeigen. Allerdings kann das Ver-halten durch eine Vielzahl verschiedener kognitiver Modelle simuliertwerden, die auf globaler Ebene Ähnlichkeiten, auf feinerer Ebene aberUnterschiede aufweisen (Gray, Sims & Schoelles 2006). Beispielswei-se können kognitive Modelle mit unterschiedlichen Strategien für dieInformationsaufnahme identische Ausführungszeiten und Fehlerra-ten vorhersagen. Daher ist für die Bewertung von Schnittstellen fürMensch-Maschine-Systeme die Analyse feinerer empirisch erhobenerund simulierter Leistungs- und Verhaltensdaten von großem Interesse.

Für die Evaluation von Mensch-Maschine-Systemen können eineVielzahl von heuristischen Verhaltensdaten (z. B. Ausführungszeiten,Fehler) und psychophysiologischen Daten (z. B. bildgebende Verfahren,pupillometrische Daten) erhoben werden (vgl. Funke & Spering 2006;Ward & Marsden 2003).

Die kognitive Architektur ACT-R verarbeitet während der Simula-tion des Benutzerverhaltens eine große Menge von Daten, die denempirisch erhobenen Daten zum Teil gleichen. Abgeleitet werden kön-nen unter anderem Blickbewegungen, Handlungsprotokolle, Zielver-folgung, die Aktivierungslevels der deklarativen Gedächtniselemente

2.4 blickbewegungen 25

und neurophysiologische Daten wie die Aktivierung von Gehirnarealen(Anderson & Lebiere 1998; Anderson et al. 2004). Für den Vergleichvon Modell und Empirie müssen die simulierten Daten ein Korrelatin empirisch erhobenen Daten besitzen. Diese müssen einfach erho-ben werden können und genaue Aussagen bezüglich der Gestaltungermöglichen.

Viele der Leistungsdaten, die ACT-R bereitstellt, sind heute aus psy-chologischer Sicht noch zu ungenau, um Aussagen bezüglich der Ge-staltung zu ermöglichen (z. B. neuropsychologische Daten), oder sindnur unter großem Aufwand zu erheben (z. B. Handlunsgprotokolle).Ein weiterer Faktor, der die Auswahl einer Methode bestimmt, ist derEinsatz des empirischen Korrelats in der Praxis zur Bewertung vonMensch-Maschine-Systemen.

Werden alle Aspekte zusammengefasst, stellt die Verwendung dersimulierten Blickbewegungen der kognitiven Architektur ACT-R einezweckdienliche Wahl dar. Blickbewegungsdaten sind in der Praxis ein-fach zu erheben und werden experimentell in der Forschung und derIndustrie zur Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen eingesetzt(Rötting 2001). Untersucht werden beispielsweise Mensch-Maschine-Systeme und deren Unterstützung bei fertigkeits- und regelbasierten Tä-tigkeiten. Die Blickbewegungsdaten des visuellen Systems von ACT-Rkönnen ausgelesen, algorithmisch aufbereitet und für die Analyse be-reitgestellt werden. Somit bietet die Analyse der simulierten Blick-bewegungen für die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen inprospektiven Phasen der Systementwicklung eine gute Grundlage fürdie Bewertung von Gestaltungsalternativen.

Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit die Anwendung simulier-te Blickbewegungsdaten kognitiver Modelle für die Bewertung vonMensch-Maschine-Systemen weiter betrachtet und die Ergebnisse mitempirisch erhobenen Blickbewegungsdaten in Beziehung gesetzt.

2.4 blickbewegungen

Fast alle Handlungen und deren zugrunde liegenden kognitiven Pro-zesse sind von Augenbewegungen begleitet (Land & Hayhoe 2001).Augenbewegungen werden als die Bewegungen des Auges bezeich-net, „die allein durch Beobachtung des Auges erfasst und interpre-tiert werden können“ (Joos, Rötting & Velichkovsky 2003, S. 142). AlsBlickbewegungen werden „solche Bewegungen des Auges bezeichnet,die in Verbindung mit den vom Auge aufgenommen Informationeninterpretiert werden“ (Joos et al. 2003, S. 143). Die Erfassung undAnalyse von Blickbewegungen stellt im psychologischen und arbeits-wissenschaftlichen Kontext eine wichtige Methode dar, um kognitiveProzesse der visuellen Informationsaufnahme und -verarbeitung imRahmen arbeitswissenschaftlicher Arbeitsanalysen oder der Bewertungvon Mensch-Maschine-Systemen zu untersuchen (Rötting 2001).

2.4.1 Blickbewegungen als Indikatoren für kognitive Prozesse

Die Verwendung von Methoden der Blickbewegungserfassung zur Be-wertung von Prozessen der Informationsaufnahme und -verarbeitung

26 theoretische grundlagen

stützt sich auf die Annahme, dass Blickbewegungen Aufschluss überhöhere kognitive Prozesse geben. Dazu werden folgende Annahmenpostuliert: (1) Es wird das Objekt fixiert, das Gegenstand der zen-tralen Verarbeitung ist (eye-mind assumption; Just & Carpenter 1980)und (2) die Dauer einer Fixation entspricht der Dauer der zentralenVerarbeitung (immediacy assumption; Just & Carpenter 1980). (3) Blick-bewegungen erlauben so das Treffen von Aussagen über nicht direktbeobachtbare kognitive Vorgänge der zentralen Informationsaufnahmeund -verarbeitung (Just & Carpenter 1980; Schroiff 1986).

Im Rahmen von Blickbewegungsuntersuchungen muss überprüftwerden, ob die Annahmen Gültigkeit besitzen und ob eine Theorie zuBlickbewegungen als Indikator für kognitive Prozesse genutzt werdenkann. In der Literatur wurden daher Anforderungen formuliert (vgl.Ballard, Hayhoe, Pook & Rao 1997; Kowler 1990; Viviani 1990 nach Fun-ke & Spering 2006, S. 51–52), die im Folgenden kurz dargestellt werden:(1) Um den Interpretationsraum von Blickbewegungen zu beschrän-ken, müssen bei Blickbewegungsuntersuchungen die perzeptuellen undokulomotorischen Prozesse sowie deren Berechnungsmechanismen be-kannt sein. (2) Da Blickbewegungen serielle Vorgänge sind, könnendiese nur serielle kognitive Prozesse abbilden. Bei parallelen Prozes-sen können aus einem seriellen Blickmuster daher nur Aussagen übereinen seriellen Prozess oder über eine Überlagerung aller parallelenProzesse abgeleitet werden. (3) Für die Ableitung mentaler Prozesse ausBlickbewegungsmustern müssen a priori Annahmen des Probandenüber Zustände und Ereignisse bekannt sein sowie idealtypische Blick-muster zur Hypothesengenerierung vorliegen. (4) Die reliable Messungdes visuellen Informationsgehalts einer Szene ist nicht möglich, dahermüssen Vorwissen und Vorahnungen des Probanden bekannt sein. (5)Der Informationsgehalt einer Oberfläche darf nur durch inhaltlicheund nicht durch physikalische Eigenschaften (z. B. Kontrast, Farbe) be-stimmt werden. (6) Bei der Analyse muss beachtet werden, dass es eineempirisch belegte partielle Unabhängigkeit von kognitiven Prozessenund Blickbewegungen gibt (Anderson et al. 2004) und dass Fixationsortund Aufmerksamkeit nicht immer koinzident sind.

Dementsprechend kann eine sinnvolle Anwendung von Methodender Blickbewegungserfassung im Rahmen kognitionswissenschaftlicherUntersuchungen nur dann stattfinden, wenn die für die Bearbeitungeiner Aufgabe zugrunde liegenden kognitiven Prozesse in Art und Ab-lauf im Wesentlichen bekannt sind und erhobenen Reaktionslatenzen,Fixationszeiten und Blickmustern zugeordnet werden können (Funke& Spering 2006). Die Gültigkeit der Annahmen kann in diesen Untersu-chungen dann vorausgesetzt werden.

In arbeitswissenschaftlichen Untersuchungen steht die Beobachtungdes Handlungsvollzugs im Mittelpunkt. Die Aufklärung kognitiverVorgänge wird in diesem Zusammenhang nicht besonders betrachtet.Aus diesem Grund muss die Gültigkeit der Annahmen nicht geklärtwerden (Rötting 2001).

2.4 blickbewegungen 27

2.4.2 Parameter der Blickbewegung

Die wichtigsten Parameter der Blickbewegungsmessung stellen dieSakkaden, die Fixationen und der sich aus diesen Parametern zusam-mensetzende Blickpfad dar. Neben diesen Parametern gibt es eineVielzahl von Parametern (z. B. räumliche Dichte der Fixationen, Längedes Blickpfades, lokale und globale Fixationspfade), die einen Einblickin die verschiedenen Betrachtungsebenen von Arbeitsprozessen sowiekognitiver Arbeitsstrukturen erlauben.

Sakkaden sind schnelle, ruckartige Bewegungen des Auges, die un-willkürlich oder gezielt ausgelöst werden können (Carpenter 1988) unddazu dienen, Informationen auf die Fovea, den Punkt des schärfstenSehens des Auges, zu bringen. Sie können beispielsweise bezüglichihrer räumlichen und zeitlichen Eigenschaften, ihrer Schnelligkeit undihres zeitlichen Verlaufs analysiert werden. Die durchschnittliche Sak-kadenweite liegt bei 15 Grad und die Sakkadendauer zwischen 50 und60 Millisekunden. Eine Übersicht zu den wichtigsten Eigenschaften derParameter, ihrer Messung und Analyse ist in Rötting (2001) zu finden.

Fixationen stellen keine Bewegung des Auges dar, sondern sind alsZustand des Auges definiert, „bei dem das Auge sich bezüglich ei-nes Sehobjektes in ‚relativem‘ Stillstand befindet“ (Rötting 2001, S. 68).Dabei wird zwischen dem relativen Stillstand des Auges und demrelativen Verweilen auf einem Sehobjekt unterschieden. Diese Unter-scheidung muss bei der Operationalisierung der Fixationen auf Basisder Sakkaden durchgeführt werden (z. B. örtliche und zeitliche Abwei-chungen der Sakkaden). Die Bestimmung der Fixationsdauer hat einenentscheidenden Einfluss auf die ermittelten Daten. Als minimale Fixa-tionsdauern werden in der Literatur Werte zwischen 60 Millisekundenund 120 Millisekunden angegeben, die je nach Untersuchung angepasstwerden können (Rötting 2001). Wichtige Aspekte der Analyse sind dieFixationsdauer und die Fixationshäufigkeit eines Sehobjektes oder einerdefinierten Region des Sehfeldes.

Der Wechsel von Sakkaden und Fixationen wird als Blickpfad defi-niert und erlaubt den Vergleich des Blickverhaltens zwischen verschie-denen Beobachtern und unterschiedlichen Stimulusmaterialien sowiedie Quantifizierung von beobachteten Blickverhalten bezüglich eineshypothetischen optimalen Blickverhaltens.

Parametersystematik

Für die Nutzung von Augen- und Blickbewegungen in arbeitswis-senschaftlichen Untersuchungen schlägt Rötting (2001) eine Parame-tersystematik vor. Diese klassifiziert die Parameter der Augen- undBlickbewegung zum einen nach Eigenschaften der Parameter (inhärenteParametersystematik) und zum anderen nach einer anwendungsorien-tierten Systematik (applikative Parametersystematik).

In der anwendungsorientierten Systematik werden die Parameterdrei aufgabenanalytischen Ebenen zugeordnet: (1) der Bestimmung derphysiologischen Kosten bei der Aufgabenbearbeitung, (2) der Erklärung,Bemessung und Prognose von Zeitverbräuchen und (3) die Analyseder Bedingungen der Mensch-Maschine-Interaktion. Jede Ebene ist inUntergruppen eingeteilt, die die Auswahl geeigneter Parameter füreinen speziellen Fall erleichtern (siehe Tabelle 3).

28 theoretische grundlagen

In dieser Arbeit wird die Ebene der Analyse der Bedingungen derMensch-Maschine-Interaktion weiter betrachtet. Diese erlaubt die „ana-lytische Beschreibung und damit die Möglichkeit zum Vergleich unter-schiedlicher Bedingungen der Mensch-Maschine-Interaktion in meh-reren Dimensionen (z. B. Anforderungen, Stabilität, Fehler)“ und dieBeschreibung und Analyse des Handlungsvollzugs bei der Interak-tion mit Mensch-Maschine-Systemen (Rötting 2001, S. 173). Das Zielist die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen auf der Grundla-ge von simulierten Blickbewegungen kognitiver Modelle anhand dervorgeschlagenen Parameter.

Die dritte Ebene ist unterteilt in Parameter für (1) die Analyse derörtlich-räumlichen Gestaltung, (2) der Analyse von Suchprozessen, (3)der Analyse von Informationsaufnahme- und -verarbeitungsprozessenund (4) der Analyse der Ebene der Informationsverarbeitung (sieheTabelle 3). Eine Kombination von Parametern aller vier Gruppen erlaubtsomit eine umfassende Untersuchung von Schnittstellen von Mensch-Maschine-Systemen.

2.4.3 Methoden der Blickbewegungserfassung

Für die Registrierung von Augen- und Blickbewegungen gibt es ver-schiedene Verfahren, die je nach Untersuchungsgegenstand eingesetztwerden können. Umfassende Darstellungen sind zu finden bei Car-penter (1988) und Rötting (2001). Für die Erfassung der Augen- undBlickbewegungen werden heute zumeist zwei Klassen von Verfahrengenutzt. Die erste Klasse beschreibt die getrennte Erfassung der horizon-talen und vertikalen Bewegungen des Auges. Diese Methoden beruhenauf analogen Messwerten, wie zum Beispiel elektronische Spannung,die mittels computergestützter Methoden weiterverarbeitet werdenkönnen. Die zweite Klasse fasst videobasierte Methoden zusammen.Mittels lichtempfindlicher Sensoren wird ein Bild des Auges aufge-zeichnet und einer computergestützten Bildverarbeitung zugeführt, umcharakteristische Merkmale zu extrahieren und die Augenbewegungzu bestimmen (vgl. Funke & Spering 2006; Rötting 2001).

Ein Beispiel der ersten Klasse stellt die Methode des Elektrookulo-gramms dar. Die Methode basiert auf der Potentialdifferenz zwischendem negativen Pol der Retina (Netzhaut) und dem positiven Pol derKornea (Hornhaut). Das Auge kann daher als Dipol angenommenwerden. Unter Verwendung von Oberflächenelektroden kann eine Än-derung des elektrischen Feldes bei der Positionsänderung des Augesgemessen und die Augenbewegung aufgezeichnet werden. Aufgrundvon Einschränkungen des Messbereichs und der geringen örtlichen Ge-nauigkeit bei Gesichtsfeldern über 30 Grad ist die Elektrookulogramm-Messung im Bereich der Kognitionspsychologie nur bedingt einsetzbarund wird eher im klinischen Kontext eingesetzt.

Beispielhaft für die zweite Klasse steht die Korneareflex-Methode.Bei dieser Methode wird die Augenbewegung durch die Reflexionvon Licht auf der Kornea erfasst. Dabei wird ausgenutzt, dass sichdas auf die Kornea auftreffende Licht in einer punktförmigen Quel-le, dem Korneareflex oder erstem Purkinje-Bild, spiegelt und ca. 3,5Millimeter hinter der Augenoberfläche zu liegen scheint. Durch eine

2.4 blickbewegungen 29

Tabelle 3: Parametersystematik der Verwendbarkeit von Parametern der Augen-und Blickbewegungen im Rahmen von arbeitswissenschaftlichenAufgabenanalysen (Rötting 2001, S. 187ff.).

Ebene 1 – Bestimmung der „physiologischen Kosten“

Veränderungen des Arousal

• Sakkadenlatenz

• Anzahl der Sakkaden

• Sakkaden pro Zeiteinheit

• Fixationsdauer

• Fixationen pro Zeiteinheit

Ermüdung und Vigilanz

• Sakkadengeschwindigkeit

• Sakkadendauer

• Genauigkeit der Sakkade

• Anzahl glissadischer Augenbewe-gungen

Veränderungen des visuellen Feldes

• Sakkadenweite

• Sakkadenausdehnung

Veränderungen des Blickverhaltensbei einer zusätzlichen Aufgabe

• Übergangshäufigkeiten

• Entropie

• Markov-Matrizen

• „Aufwand“ der Bewegung desAuges

• Fixationsvektor

• Gewichtetes Suchgebiet

Ebene 2 – Erklärung, Bemessung und Prognose von Zeitverbräuchen

Dauer von Informationsaufnahmeund -verarbeitungsprozessen

• Fixationsdauer

• Fixationen pro Zeiteinheit

• Sakkaden pro Zeiteinheit

• Kumulierte Fixationsdauer

• Verweildauer

Dauer von Übergangszeiten

• Sakkadendauer

• Sakkadenweite

• Kumulierte Übergangszeit

• Fixationen-Sakkaden-Verhältnis

• Dauer von Suchzeiten

• Blickpfaddauer

• Suchzeit

Ebene 3 – Analyse der Bedingungen der Mensch-Maschine-Interaktion

Analyse der örtlich-räumlichen Gestal-tung

• Verteilung der Augenbewegungs-daten

• Fixationsort

• Fixationsdichte

• Räumliche Dichte

• Kumulierte Fixationsdauer

• Verweildauer

• Relative Häufigkeit der Fixationvon Objekten oder Regionen

• Übergangshäufigkeiten

Analyse von Suchprozessen

• Anzahl der Fixationen

• Anzahl der Sakkaden

• Länge des Blickpfades

• Übergangsdichte

• Konvexe Hüllfläche

• Sakkadenweite

• Kumulierte Übergangszeit

• Fixationen-Sakkaden-Verhältnis

• Augenbewegungsgeschwindig-keit

Analyse von Informationsaufnahmeund -verarbeitungsprozessen

• Statistische Analyse der Über-gangshäufigkeiten

• Sakkadenweite-Fixationsdauer-Diagramm

• Autokorrelation

• Räumliche Clusterung

• Lokaler Fixationspfad

• Richtungsänderungen

• Markov-Matrizen

• Entropie

• Veränderungen der relativenHäufigkeit der Fixation vonObjekten oder Regionen

Analyse der „Ebenen“ der Informati-onsverarbeitung

• Fixationsdauer

• Fixationen pro Zeiteinheit

• Sakkaden pro Zeiteinheit

• Verteilung der Fixationsdauer

• Laterale Augenbewegungen

30 theoretische grundlagen

Augenbewegung kommt es zu einer Verschiebung des Korneareflexes,die mit einem videobasierten System aufgezeichnet werden kann. Eswerden kopfgestützte, das heißt die Videokameras sind direkt am Kopfbefestigt, und berührungslose Systeme für die Erfassung des Kornea-reflexes angeboten. Da auf diese Weise nur die Bewegung des Augesrelativ zum Kopf gemessen wird, müssen zusätzlich Methoden für dieRegistrierung der Kopfposition genutzt werden (z. B. mittels optischer,elektromagnetisch- oder ultraschallbasierter Verfahren). Kopfgestütz-te Systeme sind genauer in der Blickregistrierung als berührungsloseSysteme und werden in der Kognitionspsychologie aus diesem Grundbevorzugt.

Auswertung von Blickbewegungen

Die in Blickbewegungsuntersuchungen erhobenen Blickbewegungsda-ten liegen in einer hohen zeitlichen und räumlichen Auflösung vor.Während die Erhebung der Daten mit heutigen Erhebungstechniken imBezug zu Aufwand und Zeitverbrauch relativ einfach durchzuführenist, stellt die Auswertung eine Schwierigkeit dar. Gründe dafür sinddie hohe Auflösung der Daten und somit die Datenmenge, das mögli-che Verrauschen der Daten und eine daraus resultierende Anpassungsowie die erhebliche individuelle Variabilität von unterschiedlichen Pro-banden (Funke & Spering 2006). Trotz der weiten Einsatzgebiete vonBlickbewegungsmessungen existieren für die automatische Analyse vonBlickbewegungen nur wenige formale Methoden. Die meisten Analyse-methoden werden informell und nur mit wenigen Details beschrieben(Salvucci & Anderson 2001).

Blickbewegungsdaten können automatisiert mit gängigen Auswer-tungsprogrammen (wie z. B. MATLAB; The MathWorks 2003) ausge-wertet werden. Zu diesem Zweck müssen eigenständige Algorithmenentwickelt werden, die für einen Anwendungsfall gelten und nur seltendirekt auf weitere Untersuchungen übertragbar sind. Einige Herstellervon Blickbewegungsmessgeräten bieten eigene Auswertungsprogram-me an (z. B. BeGaze; SensoMotoric Instruments 2006), die eine ersteAuswertung der Daten ermöglichen. Für kognitionswissenschaftlicheoder arbeitswissenschaftliche Fragestellungen können diese Verfah-ren allerdings nur bedingt eingesetzt werden, da allein grundlegendeParameter ausgewertet werden.

Neben diesen Anwendungen gibt es Verfahren, die die Berechnungvon Sequenzen von Sakkaden und Fixationen aus den Rohdaten er-lauben (Cabiati, Pastormerlo, Schmid & Zambarbieri 1983; Stark &Ellis 1981; Tole & Young 1981). Weitere Ansätze versuchen anhand vonTracing-Verfahren Blickbewegungen mit den zugrunde liegenden kogni-tiven Verfahren zu verknüpfen (z. B. die auf kognitiven Modelldatenberuhende Protokollanalyse; Salvucci & Anderson 2001).

Hinsichtlich der Parameter von Augen- und Blickbewegungen müs-sen die gewählten Verfahren jeweils neu umgesetzt, implementiert undan die jeweilige Untersuchung angepasst werden.

2.4 blickbewegungen 31

2.4.4 Simulation von Blickbewegungen

Einige kognitive Architekturen erlauben die Simulation von Blickbe-wegungen auf der Basis von kognitionspsychologischen Theorien (An-derson & Lebiere 1998; Meyer & Kieras 1997a). Dabei werden nicht dieAugenbewegungen simuliert, sondern es wird determiniert, ob, wann,wie und in welchem Detaillierungsgrad ein Objekt wahrgenommenwerden kann. Dabei werden neben menschlichen Beschränkungen (z. B.nur ein visuelles System) heuristische Maße genutzt, um beispielsweisedie Geschwindigkeit der Aufmerksamkeitsverschiebung oder die Fixa-tionsdauer von Objekten zu berechnen. Künstliche Blickbewegungenin Simulationsexperimeten erfüllen die Anforderungen an eine Theo-rie der Blickbewegungen als Indikator für kognitive Prozesse (sieheKapitel 2.4.1) und können daher für kognitionspsychologische undarbeitswissenschaftliche Untersuchungen genutzt werden. Es bleibtzu prüfen, inwieweit kognitive Architekturen die Phänomene der na-türlichen Blickbewegungen simulieren und inwieweit diese für dieBewertung von Mensch-Maschine-Systemen genutzt werden können.

In ACT-R ist eine Theorie der visuellen Aufmerksamkeit implemen-tiert, die es kognitiven Modellen in der kognitiven Architektur ACT-Rermöglicht, Umgebungsinformationen wahrzunehmen und in höherenkognitiven Prozessen zu verarbeiten.

Das visuelle System von ACT-R

Das visuelle System von ACT-R besteht zum einen aus einer Theorieder visuellen Wahrnehmung und der visuellen Aufmerksamkeit undzum anderen aus deren Bezug zu Prozessen der höheren Kognition(Anderson & Lebiere 1998). Das Ziel der perzeptuellen Komponenteist das Bereitstellen einer psychologisch plausiblen Theorie, die keineneue Theorie darstellt, sondern auf Vorhandenem aufbaut. Aus diesemGrund wurde in ACT-R eine Theorie integriert, die als Synthese derAttentional-spotlight-Theorie (Posner 1980), der Feature-synthesis-Theorie(Treisman & Sato 1990) und der Attentional-Theorie (Wolfe 1994) ange-sehen werden kann.

Konzeptionell basiert das visuelle System auf der perzeptuellen Kom-ponente von EPIC. In EPIC wurde eine erfolgreiche Strategie entwickelt,die es erlaubt, ohne reale Sensoren und ohne die Integration aller De-tails der menschlichen Perzeption Blickbewegungen abzubilden. Dabeiwerden die grundlegenden Ausführungszeiten und die Ausgaben desperzeptuellen Systems in angenäherter Form berechnet (Meyer & Kieras1997b).

In ACT-R wurde dieser Ansatz in Teilen übernommen und um neueAspekte erweitert. Das visuelle System von ACT-R ist im Gegensatzzu EPIC in zwei Module mit jeweiligen Buffern unterteilt. Das Visual-location-Modul repräsentiert das dorsale Where-System und ist für dievisuelle Suche und die Lokalisierung von Objekten in der Szene ver-antwortlich. Das Visual-object-Modul repräsentiert das ventrale What-System und ermöglicht den Wechsel von Aufmerksamkeit zwischenObjekten oder einer visuellen Ortsangabe (Anderson et al. 2004).

Macht eine Produktion eine Anfrage an das Where-System, dann wirdbasierend auf den angegebenen Beschränkungen der Produktion eine

32 theoretische grundlagen

Ortsangabe (in Form eines Chunks) zurückgegeben. Beschränkungensind visuelle Eigenschaften des angefragten Objekts (z. B. Farbe, Text)oder die örtliche Ausrichtung (z. B. oben). Sind mehrere passendeObjekte vorhanden, wird ein Objekt zufällig ausgewählt.

Durch das Where-System hat ein kognitives Modell in ACT-R dasWissen über den Ort und einige visuelle Eigenschaften (z. B. Farbe,Text) aller Objekte, die für das System momentan zugänglich sind. Umein Objekt zu identifizieren, muss das kognitive Modell eine Anfragean das What-System stellen. Die Anfrage muss einen Chunk mit derjeweiligen Ortsangabe enthalten. Das What-System richtet die visuelleAufmerksamkeit auf den in dem Chunk repräsentierten Ort, verarbeitetdas Objekt und speichert es in Form eines Chunks im deklarativenGedächtnis ab.

Die Wahrnehmung von Umgebungsinformationen ist in ACT-R durchdie aktive Aufmerksamkeitsverschiebung des visuellen Systems reali-siert. Dazu müssen kognitive Prozesse aktiv ausgeführt werden, umden Aufmerksamkeitsfokus zu ändern und die Umgebungsinformationwahrzunehmen. Weitere Wahrnehmungsprozesse, wie Aufmerksam-keitsablenkung und peripheres Sehen, sind in der aktuellen Versionvon ACT-R noch nicht formalisiert. Infolgedessen ist in ACT-R zusam-menfassend eher eine Theorie der visuellen Aufmerksamkeit als eineTheorie der Wahrnehmung implementiert.

erweiterungen des perzeptuellen systems Für das perzep-tuelle System von ACT-R wurden in letzter Zeit verschiedene Erwei-terungen entwickelt, die Eigenschaften der menschlichen Informa-tionsaufnahme und -verarbeitung abbilden, die bisher in ACT-R nichtintegriert waren.

Das berechenbare Modell EMMA (Eye Movements and Movement ofAttention; Salvucci 2001a), das der kognitionspsychologisch begründe-ten Verknüpfung von visueller Aufmerksamkeit und AugenbewegungRechnung trägt, kann beispielsweise in ACT-R integriert werden. Da-durch wird die Theorie der visuellen Aufmerksamkeit in ACT-R umPhänomene der Augenbewegung erweitert (z. B. ausgelassene odermehrere Fixationen auf einem Objekt).

Neben den Ansätzen zur Integration der Augenbewegung werdenebenfalls Ansätze vorgeschlagen, die die visuellen Suchprozesse vonObjekten in einer Szene betreffen, um beispielsweise die Suche inkomplexen Szenen zu unterstützen. Dabei werden die vorhandenenMethoden der visuellen Suche um weitere Aspekte ergänzt oder neueMethoden entwickelt (Nicholson, Byrne & Fotta 2006). Beispielsweisewerden Verfahren vorgeschlagen, die es ermöglichen, den Suchraummehrfach zu klassifizieren (lokale und globale Eigenschaften von Ob-jekten) oder angereicherte Attribute für die Suche zu verwenden (z. B.Suche im Umkreis von 3 cm). Problematisch bei diesen Ansätzen ist,dass der Modellierer die Klassifizierungen des Suchraums und dieStrategien der Blickbewegungen schon bei der Entwicklung eines Mo-dells durchführen muss. Die Blickbewegungen basieren demnach aufder Aufgabenanalyse und den subjektiven Einflüssen des Entwick-lers. Somit sind die Blickbewegungen keine generische Eigenschaftder kognitiven Architektur, sondern werden aus den Erfahrungen undBeobachtungen der Entwickler abgeleitet.

2.5 ableiten der fragestellung 33

act-r und reale experimentalumgebungen ACT-R bietet dieMöglichkeit, dass empirische Untersuchungen und die Simulation vonNutzerverhalten an einer Experimentalumgebung durchgeführt werdenkönnen. Das bedeutet, dass künstliche und natürliche Systeme mit einerUmgebung interagieren. Zu diesem Zweck werden einfache Elemente(z. B. Text, Druckknöpfe, Linien) angeboten (Anderson & Lebiere 1998).

In der Forschung werden momentan Werkzeuge und Programmeentwickelt, die eine Anbindung von kognitiven Modellen in ACT-R anreale Prototypen ermöglichen (vgl. Urbas & Leuchter 2005; Riedl & St.Amant 2002; Halbrügge, Deml, Färber & Bardins 2007).

Das Programm AGImap (ACT-R Graphical Interface Mapper; Urbas &Leuchter 2005) ermöglicht die Kommunikation von kognitiven Model-len mit einer realen Experimentalumgebung. Dazu werden graphischeElemente der realen Benutzungsschnittstelle auf die der Umgebung vonACT-R übertragen und über eine Kommunikationsebene aktualisiert.Zusätzlich werden generalisierte Methoden in Form von Produktionenangeboten, die die Interaktion mit den Elementen der Benutzungs-schnittstelle erlauben. Dabei werden beispielsweise Methoden für dievisuelle Informationsaufnahme oder das Betätigen eines Druckknopfesbereitgestellt.

Ein weiterer Ansatz basiert auf einer automatischen Segmentierungder Benutzungsschnittstelle und einer anschließenden Bereitstellungder Informationen in Form von durch ACT-R interpretierbaren Schnitt-stellenbeschreibungen (SegMan; Riedl & St. Amant 2002).

Eine Mischform aus den zwei zuvor vorgestellten Ansätzen stelltACT-CV (Halbrügge et al. 2007) dar. Das System erlaubt die Interaktionvon ACT-R mit beliebigen graphischen Benutzungsschnittstellen. DieInhalte der Schnittstelle werden mittels maschineller Bildverarbeitungausgelesen und anhand von vorher erstellten Bilddaten abgeglichen.Die erkannten Inhalte werden an ACT-R übergeben.

Die einzelnen Systeme befinden sich noch in frühen Phasen derEntwicklung. Im Gebiet der komplexen und dynamischen Mensch-Maschine-Schnittstellen ist das Werkzeug AGImap geeignet, um dyna-mische Informationen zwischen ACT-R und der realen Repräsentationauszutauschen (z. B. Veränderungen von Anzeigen). ACT-CV hat bezüg-lich der Bearbeitung von dynamischen Inhalten noch nicht genügendschnelle Algorithmen, und es ist fraglich, wie dynamische Inhalte er-kannt und übertragen werden. SegMan stellt eine mögliche Variante dar,ist heute aber noch nicht für die aktuelle Version von ACT-R verfügbar.

2.5 ableiten der fragestellung

Kognitive Modellierungsmethoden stellen in Form von formalen, quan-titativen und ablauffähigen Computermodellen eine Evaluierungs-methode von Mensch-Maschine-Systemen dar, die kognitionspsycho-logische Aspekte integriert und eine einfache und kostengünstigeWiederhol- und Überprüfbarkeit von verschiedenen Gestaltungsalter-nativen ermöglicht. Die Anwendung von kognitiven Modellierungs-methoden für die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen kannhelfen, bereits in frühen Phasen die Komponente Mensch in den Ent-wicklungsprozess von Mensch-Maschine-Systemen zu integrieren. Der

34 theoretische grundlagen

Entwicklungsaufwand in nachfolgenden Phasen kann reduziert unddie Entwicklung von besser an den Menschen angepassten Systemengefördert werden.

Ausgehend von den in diesem Kapitel vorgestellten Rahmenbedin-gungen ist zu überprüfen, inwieweit simulierte Leistungsdaten ko-gnitiver Modelle auf einer feinen Auflösungsebene für die formaleBewertung von Mensch-Maschine-Systemen in frühen Systementwick-lungsphasen genutzt werden können.

Die Analyse von Blickbewegungsdaten wird in der Forschung undder Industrie genutzt, um Mensch-Maschine-Systeme zu bewertenund um wissenschaftliche Fragestellungen zu untersuchen (siehe Ka-pitel 2.4). Blickbewegungsdaten können von natürlichen und künstli-chen Systemen erfasst werden und stellen gegenüber der Betrachtungvon Performanzdaten eine feinere Betrachtungsebene dar. Aus diesemGrund werden Performanzdaten und Blickbewegungsdaten im Rah-men dieser Arbeit genutzt, um die Fragestellungen zu untersuchen.Für die Simulation der Blickbewegungen wird die kognitive Architek-tur ACT-R eingesetzt. Die Analyse der Blickbewegungsdaten orientiertsich an der dritten Ebenen der vorgestellten applikativen Parameter-systematik, die eine Analyse und Bewertung der Bedingungen derMensch-Maschine-Interaktion ermöglicht. Dabei werden Parameter, dieSakkaden betreffen, nicht betrachtet, da Sakkaden von ACT-R nichtsimuliert werden. Ebenfalls werden Augenbewegungen nicht behan-delt, da die Analyse hinsichtlich der visuellen Aufmerksamkeit beider Interaktion mit Mensch-Maschine-Systemen für eine erste Bewer-tung von Gestaltungsalternativen in frühen Systementwicklungsphasenausreichend ist und Augenbewegungen einen zu feinen Auflösungs-grad für die Bewertung darstellen würden. Erweiterungen von ACT-R,wie EMMA, werden daher für die Simulation des Blickverhalten nichtbenötigt.

In dieser Arbeit wird überprüft, ob die Analyse und der Vergleichvon simulierten Blickbewegungen gegenüber der auf einfachen heuristi-schen Maßen beruhenden Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen(wie z. B. Fehler und Ausführungszeiten) eine Erweiterung des heu-tigen Methodenrepertoires darstellt. Eine wichtige Frage in diesemZusammenhang ist, ob die kognitive Architektur ACT-R das menschli-che Blickverhalten adäquat genug abbilden kann, um die Anwendungvon feinen Leistungsdaten für die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen zu ermöglichen. Dabei ist eine Abweichung von bis zu 20 %von empirisch erfassten Daten für die Bewertung in frühen Phasender Systementwicklung möglich, da Prozessparameter und Simulati-onsparameter in diesen Phasen mit ähnlicher Abweichung zu demzukünftigen Endprodukt vorliegen (Card et al. 1983; Urbas, Schulze-Kissing & Leuchter 2005).

Des Weiteren wird überprüft, ob unterschiedliche theoretische An-nahmen zu Informationsaufnahme- und -verarbeitungsprozessen, diein kognitiven Modellen formalisiert sind und auf der Betrachtungs-ebene der Performanzdaten ähnliche Leistungsdaten simulieren, zuunterscheidbaren Blickdaten führen. Diese Überprüfung ist notwendig,um zu zeigen, dass die Betrachtung von feinen Leistungsdaten einenVorteil für die Bewertung von kognitiven Modellen darstellt.

2.5 ableiten der fragestellung 35

Abschließend wird geprüft, ob die simulationsgestützte Bewertungvon unterschiedlichen Schnittstellen für ein Mensch-Maschine-Systemanhand von kognitiven Modellen möglich ist und zu empirisch ver-gleichbaren Ergebnissen führt.

Für die prozessbegleitende Unterstützung der Analyse und Verglei-che von simulierten und empirischen Blickbewegungsdaten wird einWerkzeug entwickelt, das in prospektiven Phasen der Systemgestaltungeingesetzt werden kann und eine erste Bewertungs von Gestaltungsal-ternativen auf Basis von simulierten Leistungsdaten ermöglicht. Dabeiist zu beachten, dass die Ergebnisse des Werkzeugeinsatzes so genauwie möglich, aber nur so genau wie nötig sind, um für den Einsatz inprospektiven Systementwicklungsphasen anwendbar zu sein.

Zusammenfassend wird in dieser Arbeit überprüft, ob die Bewertungvon Mensch-Maschine-Schnittstellen anhand von kognitiven Benut-zermodellen für fertigkeits- und regelbasierte Tätigkeiten möglich ist.Im Speziellen wird dies an dem Beispiel von Blickbewegungsdatenüberprüft, die mit einem Werkzeug aufbereitet und verdichtet werden.

3S I M U L AT I O N T R A C E A N A LY Z E R

In diesem Kapitel wird der Simulation Trace Analyzer (SimTrA) vorge-stellt. SimTrA ermöglicht die Analyse und den Vergleich empirischerund simulierter Blickbewegungsdaten und unterstützt den dialekti-schen Spiralprozess der kognitiven Modellbildung in zwei Aspekten:Zum einen bei dem Vergleich von simulierten und empirischen Datenfür die Geltungsprüfung der Modellierung und zum anderen bei derDatenanalyse empirischer Untersuchungen (siehe Kapitel 2.2.2). Durchdie automatisierte Analyse simulierter Leistungsdaten und deren Ver-gleich mit empirischen und simulierten Daten wird die Bewertungvon Mensch-Maschine-Systemen und die Bewertung kognitionspsy-chologischer Theorien durch den Einsatz kognitiver Nutzermodelleermöglicht.

Der Aufbau dieses Kapitels folgt einem Phasenmodell strukturierterSoftwareentwicklung (Balzert 1998). In einer Voruntersuchung wur-de gezeigt, dass simulierte Blickbewegungen kognitiver Modelle mitbekannten Analysemethoden verarbeitbar sind. Darauf aufbauend wer-den Anforderungen an ein Werkzeug zur Datenanalyse definiert undSimTrA konzeptionell beschrieben. Anschließend wird die Realisierungvon SimTrA und die Implementierung dargestellt. Das Kapitel schließtmit der formalen Verifikation der Implementierung des WerkzeugesSimTrA.

3.1 voruntersuchung

Vor der Konzepterstellung und der prototypischen Realisierung vonSimTrA wurde überprüft, ob simulierte Blickbewegungsdaten kogni-tiver Modelle der kognitiven Architektur ACT-R verwertbare Datenzu Verfügung stellen, um Methoden für die Analyse von Blickbewe-gungen anzuwenden. Das Ziel der Voruntersuchung war, zu zeigen,dass ein kognitives Modell, das auf globaler Ebene im Vergleich zuempirischen Leistungsdaten ein änliches Verhalten zeigt, ebenfalls aufder Ebene der Blickbewegungen vergleichbare Leistungsdaten simuliert.Des Weiteren sollte vor der prototypischen Entwicklung von SimTrAdie Analyse und der Vergleich kognitiver Modelldaten und empiri-scher Leistungsdaten betrachtet und angewendet werden. Zu diesemZweck wurden simulierte und empirisch erfasste Blickbewegungsdatenbei einer Kontroll- und Steuerungsaufgabe mit einem Ausschnitt auseinen Prozesskontrollsystem erhoben, analysiert und die Ergebnisseverglichen.

3.1.1 Untersuchungsaufgabe

Die Kontroll- und Steuerungsaufgabe besteht in der Interaktion einesOperateurs mit einer komplexen und dynamischen Schnittstelle zurSteuerung einer Destillationskolonne (siehe Abbildung 5). Die Aufgabe

37

38 simulation trace analyzer

stellt einen Ausschnitt aus einem Aufgabenszenario für die Untersu-chung der Zeitschätzung von Operateuren in komplexen und dyna-mischen Mensch-Maschine-Schnittstellen dar (Schulze-Kissing 2007).Die zu bearbeitende Aufgabe besteht darin, den chemischen Prozessder Destillation zu starten und den Flüssigkeitspegel zwischen zweiPegelgrenzen zu stabilisieren, wobei die Heizung für den Destillations-prozess angeschaltet sein muss. Durch das Regulieren von Heizungund Regelventil kann der Flüssigkeitspegel beeinflusst und gesteuertwerden. Ist die Heizung angeschaltet, wird mit einer kurzen Verzö-gerung ein Verdampfungsprozess der Flüssigkeit gestartet und derPegel sinkt. Befindet sich der Pegel unterhalb der unteren Grenze, wirddie Heizung automatisch ausgeschaltet, um eine Beschädigung derAnlage zu verhindern. Durch das Ausschalten der Heizung wird derVerdampfungsprozess gestoppt. Durch das Öffnen und Schließen desRegelventils wird der Abfluss aus dem Tank gesteuert. Mit dem Öff-nen des Regelventils fließt eine festgelegte Menge der Flüssigkeit ausdem Tank ab. Durch das Schließen des Regelventils wird der Abflussgestoppt.

Der Benutzer interagiert mit der Schnittstelle durch die der Maus,indem auf die dargestellten Symbole für die Heizung (H1202) unddas Regelventil (S1202) geklickt wird (siehe Abbildung 5). Das Klickenändert beispielsweise den aktuellen Zustand der Heizung von an nachaus beziehungsweise des Regelventils von offen nach zu.

GUI-Schnittstelle

Perzeption

Versuchs-

person

=^

AGI-Schnittstelle

Handlung

Kognitives Nutzermodell

(ACT-R)

Simulation des technischen Prozesses

Versuchsumgebung

S1202

H1202

S1202

Perzeption Handlung

>>

>>- - -

P

H

V

H1202

P

H

V

Abbildung 5: Schematische Darstellung der Empirie (links) und des Simula-tionsexperiments (rechts). P: Pegel, V: Regelventil, H: Heizung,GUI: Graphical User Interface, AGI: ACT-R Graphical Interface.

Die technischen Prozesse der Destillationskolonne und die Bedien-schnittstelle des Menschen und des kognitiven Modells wurden ge-trennt voneinander implementiert. Für das Simulationsexperiment wur-de die menschliche Bedienschnittstelle (GUI: Graphical User Interface)in eine für das Benutzermodell lesbare Notation überführt (AGI: ACT-RGraphical Interface) und an die Prozesse der Destillationskolonne ange-schlossen (siehe Abbildung 15). Dafür wurde das Werkzeug AGImap(siehe Kapitel 2.4.4) verwendet.

3.1 voruntersuchung 39

3.1.2 Untersuchungsgruppen

Für die Untersuchung wurden die Leistungsdaten eines kognitivenModells und von Versuchspersonen erfasst. Diese Daten bildeten dieGrundlage für die Analyse und den Vergleich der simulierten undempirischen Leistungsdaten bei der Interaktion mit der bereitgestelltenMensch-Maschine-Schnittstelle.

Kognitives Modell

Für das Simulationsexperiment wurde in ACT-R 6.0 ein kognitivesModell zur Steuerung der simulierten Destillationskolonne erstellt. DasModell wurde mit den Wissensstrukturen eines erfahrenen Benutzersdes simulierten Prozesses ausgestattet, das in einer vorangegangenenUntersuchung mit Experten erhoben wurde. Um das Modell an dasdurch externe Reize geleitete Verhalten des Menschen (bottom-up) an-zupassen, wurde es nach dem Prinzip der minimalen Kontrolle derinternen Zustände implementiert (Taatgen 2007). Das bedeutet, dassAbläufe und die Auswahl von Produktionen nicht in einer festgelegtenSequenz innerhalb des kognitiven Modells kodiert sind. Die Auswahlder Produktionen und das Verhalten wird durch die aktuelle Belegungder Buffer (siehe Kapitel 2.2.1) determiniert. Somit stellen die wahrge-nommen Systemzustände der Schnittstelle (z. B. Heizung an oder aus)und deren interne Repräsentation die Grundlage für das simulierteVerhalten dar.

Stichprobe

Die empirische Studie wurde mit 28 Studenten der Technischen Uni-versität Berlin durchgeführt (12 weibliche und 16 männliche Versuchs-personen; Altersdurchschnitt: 24,3 Jahre). Sie erhielten 10 Euro für dieTeilnahme an dem Versuch.

3.1.3 Untersuchungsdesign

Als unabhängige Variable wurden zwei verschiedene Szenarien entwi-ckelt, die sich in dem Verhältnis von Zu- und Abfluss der Flüssigkeitin den Behälter unterscheiden. Dies führt zu einer unterschiedlichenAnzahl von notwendigen Interaktionen in der vorgegebenen Zeit von90 Sekunden bei der korrekten Steuerung der Destillationskolonne(Szenario 1: n Interaktionen; Szenario 2: zweimal n Interaktionen).

Als abhängige Variablen wurden die Blickbewegungen (X- und Y-Koordinaten und Zeitstempel) während der Interaktion und die Perfor-manz der Benutzer erhoben.

Die Untersuchung wurde im Zeitraum von drei Wochen im Märzund April 2006 an der Technischen Universität Berlin durchgeführt.Jede Versuchsperson bearbeitete die Aufgabe in beiden Szenarien. DieVersuchsdauer lag bei durchschnittlich 30 Minuten.

40 simulation trace analyzer

3.1.4 Untersuchungsablauf

Die Untersuchung begann mit einer Einführung der Versuchsperson inden Untersuchungsgegenstand. Anschließend wurde die Versuchsper-son zwei Meter von der Projektion der Aufgabenumgebung platziertund der Helm für die Erfassung des Augenbildes aufgesetzt und fest-geschnallt. Nach der Kalibrierung des Systems für die Blickbewegungs-datenerfassung wurde ein Training für den Umgang mit der Aufgabedurchgeführt, um die wichtigsten Funktionen zu erlernen. Die Aufgabewurde als gelernt betrachtet, wenn die Versuchsperson den Flüssigkeits-pegel dreimal für 30 Sekunden mit eingeschalteter Heizung zwischenden festgelegten Pegelgrenzen stabilisieren konnte. Daran schlossendie zwei verschiedenen Aufgabenszenarien mit Blickbewegungsdaten-erfassung an. Jedes Szenario wurde 90 Sekunden lang bearbeitet. DerVersuch schloss mit einer Informierung über die weitere Verwendungder erfassten Daten.

Für die Simulationsdaten wurde das kognitive Modell dreimal 90

Sekunden ausgeführt, um überprüfen zu können, ob das Modell unter-schiedliches Verhalten in der Steuerung der Prozesskolonne zeigt.

3.1.5 Geräte

Die Blickbewegungserfassung wurde mit der iView X HED (head moun-ted eye tracking device) der Firma SMI (SensoMotoric Instruments 2007)durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein kopfgestütztes System zurErfassung des Korneareflexes (siehe Kapitel 2.4.3). Die Aufnahmerateder Blickbewegungen liegt bei 50 Hz (d. h. alle 20 Millisekunden wirdder Blickpunkt erfasst). Das Blickbewegungsmesssystem wurde miteiner 13-Punkt-Kalibrierung eingemessen.

3.1.6 Untersuchungsauswertung

Die Analyse der Performanz wurde anhand der benötigten Interak-tionen und dem Stabilisierungsfaktor der Füllstandsanzeige durch-geführt, die aus den Logdateien der Prozesssimulation automatisiertausgelesen wurden. Der Stabilisierungsfaktor stellt die relative Zeit dar,in der sich der Flüssigkeitspegel zwischen der oberen und der unterenGrenze der Füllstandsanzeige befindet.

Für die Analyse der empirischen Blickbewegungen wurden aus denRohdaten der erfassten Blickbewegungen mittels der AnalysesoftwareBeGaze der Firma SMI (SensoMotoric Instruments 2006) Fixationenberechnet. Zur Identifizierung einer Fixation wurden die minimaleFixationsdauer bei 100 Millisekunden und die Abweichungen des Blick-winkels bei bis zu 2 Grad festgelegt. Diese Werte haben sich in voran-gegangenen Blickbewegungsstudien bewährt und können ebenfalls inder Literatur gefunden werden (siehe Kapitel 2.4.2).

Für die Erfassung der Blickbewegungsdaten des kognitiven Modellswurde ein Skript in das kognitive Modell integriert, das zu jedemProduktionenzyklus (d. h. alle 50 ms) und nach jeder ausgeführtenAktion des visuellen Moduls (siehe Kapitel 2.2.1) den Aufmerksam-keitsfokus des kognitiven Modells und den Zeitstempel erfasst. Nach

3.1 voruntersuchung 41

der Erfassung der Daten wurden Fixationen bestimmt. Die minimaleFixationsdauer wurde bei 100 ms festgelegt. Eine Abweichung des Blick-winkels musste nicht betrachtet werden, da der Aufmerksamkeitsfokusder kognitiven Modelle in einem fest definierten Bereich lag.

Die Analyse der Blickbewegungen wurde exemplarisch anhand derlokalen Fixationspfade, die das aktuelle perzeptuelle Geschehen wider-spiegeln, untersucht (Groner, Walder & Groner 1984). Für dieses Ver-fahren wird das Stimulusmaterial (d. h. die Schnittstelle) in Blickgebiete(Areas of Interest, AOIs) eingeteilt. Die theoretisch möglichen Dreierfol-gen von AOIs werden gebildet (entspricht den lokalen Fixationspfaden),und es wird geprüft, wie häufig sich jede dieser Kombinationen in demDatenmaterial wieder findet. Sequenzen von Fixationen, die in dieselbeAOI fallen, werden dabei als eine Fixation behandelt (z. B. AOIs: 1,2 –Fixationen: 2122112 – Bereinigte Fixationen: 21212 – Dreierfolgen: 121:1, 212: 2).

Die Schnittstelle der Steuerungs- und Kontrollaufgabe wurde indrei AOIs eingeteilt: Pegel (P), Heizung (H) und Regelventil (V; sieheAbbildung 5). Anschließend wurden die lokalen Fixationspfade für die2 Gruppen (Modell und Mensch) berechnet. Mit den drei gewähltenAOIs sind 12 verschiedene lokale Fixationspfade möglich.

3.1.7 Ergebnisse und Diskussion

Die Blickbewegungsdaten konnten von 17 Versuchspersonen korrektaufgenommen werden. Diese Datensätze wurden für die weitere Ana-lyse verwendet.

Bei der Performanz zeigte sich, dass auf dieser Betrachtungsebenedas simulierte Benutzerverhalten das empirisch erhobene Verhalten gutsimuliert (siehe Tabelle 4).

Tabelle 4: Performanz der Steuerungs- und Kontrollaufgabe der zwei Gruppen(kognitives Modell und Empirie) für die zwei Szenarien. Dargestelltsind die Mittelwerte für die Anzahl der Schaltungen der Heizungund des Regelventils und des Stabilisierungsfaktors.

Szenario 1 Szenario 2

Heizung Ventil SF Heizung Ventil SF

Kognitives Modell 1 10,33 100 % 2 21 91 %

Mensch 0,23 11,33 97 % 0,5 25,33 93 %

SF: Stabilisierungsfaktor

Die lokalen Fixationspfade der zwei Szenarien wurden verglichen,um festzustellen, ob sich diese Kennwerte aufgrund der unterschiedli-chen Komplexität der Aufgabe unterscheiden. Die Unterschiede wur-den nicht signifikant. Für die weitere Analyse wurden die Daten derSzenarien zusammengefasst. Da die Modelldaten kaum Varianz zeigen,können die folgenden Ausführungen nur auf einer deskriptiven Ebenegemacht werden.

Für die Analyse der Blickbewegungen wurden die relativen Häu-figkeiten der lokalen Fixationspfade berechnet. Lokale Fixationspfademit einer Häufigkeit kleiner als 3 % wurden aus der Analyse ausge-

42 simulation trace analyzer

schlossen. Die folgenden 6 wichtigsten Fixationspfade decken 85 % derModelldaten (d. h. die Interaktionen) ab und wurden für den VergleichMensch und Modell benutzt: PVP, VPV, PHP, HPV, VPH und HPH.

Abbildung 6: Relative Häufigkeiten der 6 wichtigsten lokalen Fixationspfadefür Modell und Versuchspersonen mit Standardabweichung. H:Heizung, V: Regelventil, P: Pegel.

Es konnte festgestellt werden, dass diese sechs lokalen Fixationspfadefür den Menschen ebenfalls am häufigsten auftreten (sie decken 80 %der empirischen Daten ab) und dass die ersten vier lokalen Fixations-pfade von dem Modell akzeptabel simuliert wurden. Die Modelldatenliegen bei fünf lokalen Fixationspfaden innerhalb einer Standardabwei-chung der empirischen Daten (siehe Abbildung 6). Die durchschnittli-che Abweichung der vorher aufgezeigten lokalen Fixationspfade durchdas Modell von den tatsächlich beobachtbaren des Menschen liegt bei2,8 %.

Die Ergebnisse der Voruntersuchung lassen den Schluss zu, dasssimulierte Blickbewegungsdaten mit Methoden zur Analyse von Blick-bewegungsdaten verarbeitet werden können. Die Analyse von feingra-nularen Leistungsdaten erlaubt einen besseren Einblick in das Verhaltender kognitiven Modelle und einen feineren Vergleich mit empirischenLeistungsdaten. Die Studie zeigt, dass der Vergleich von simuliertenDaten kognitiver Modelle mit empirischen Daten auf deskriptiver Ebe-ne möglich ist. Die Abweichung der Häufigkeiten von 2,8 % zwischenModell und Empirie liegt im Rahmen der Anforderungen der Genau-igkeit von Daten für die Bestimmung der Gebrauchstauglichkeit infrühen Phasen der Systemgestaltung (ca. 20 % Abweichung; Card et al.1983; Urbas, Schulze-Kissing & Leuchter 2005). Somit können simulierteBlickbewegungen kognitiver Benutzermodelle für die Vorhersage vonBenutzerverhalten in frühen Phasen der Systemgestaltung eingesetztwerden, um Mensch-Maschine-Schnittstellen zu evaluieren.

Die experimentellen Bedingungen für die softwareunterstützte Analy-se von simulierten Blickbewegungen wurden erfüllt. Ein Werkzeug fürdie Analyse und den Vergleich von simulierten und empirisch erfasstenBlickbewegungsdaten kann auf Grundlage der Voruntersuchung alsUnterstützung in der kognitiven Modellbildung betrachtet werden.

3.2 anforderungsanalyse 43

3.2 anforderungsanalyse

Der Simulation Trace Analyzer soll die Analyse und den Vergleich vonnatürlichen und künstlichen Leistungsdaten im arbeitswissenschaftli-chen und kognitionspsychologischen Kontext ermöglichen. Aus diesemGrund stellen sich neben den Anforderungen der Gebrauchstauglich-keit weitere Anforderungen an ein Werkzeug zur Verarbeitung vonLeistungsdaten. Die Anforderungen wurden im engen Dialog mit Mitar-beitern der Forschungsgruppe und auf Grundlage eigener Erfahrungenin der Durchführung von Datenanalysen entwickelt. Die Arbeitsgruppesetzt sich aus Psychologen, Ingenieuren und Informatikern zusammenund stellt eine gute Auswahl der zu erwartenden Endanwender dar. DieMitglieder der Arbeitsgruppe wurden bei der Analyse von Daten psy-chologischer Untersuchungen beobachtet und konnten ihre Wünscheund Vorstellungen hinsichtlich eines Werkzeugs zur unterstützendenDatenanalyse äußern. Die zusammenfassenden Anforderungen werdenim Folgenden kurz dargelegt. Zur besseren Referenzierung werdendie Anforderungen in jedem Abschnitt abschließend aufgelistet (dabeisteht A für Anforderung).

3.2.1 Datenintegration

Die Daten von natürlichen und künstlichen Systemen werden größten-teils auf unterschiedliche Art erfasst (z. B. bei der Blickbewegungsda-tenerfassung) und müssen vor einer Analyse in der Skalierung undAuflösung der erfassten Daten angepasst werden. Somit muss ein Werk-zeug zur Verarbeitung von künstlichen und natürlichen Leistungsdatendie Integration von Daten unterschiedlichen Ursprungs und derenSkalierung ermöglichen.

A1 Integration von Daten unterschiedlichen Ursprungs

3.2.2 Datenverarbeitung

In psychologischen und arbeitswissenschaftlichen Experimenten wer-den für die Datenanalyse die Daten in einem ersten Schritt gesichtet undauf fehlerhafte Datensätze überprüft. Zu diesem Zweck werden schonwährend der Durchführung des Experiments Fehler in der Datenauf-zeichnung notiert. Die Aufzeichnungen dienen bei der Datensichtungals eine Orientierung für den Ausschluss von Datensätzen aus derweiteren Analyse. Ebenfalls können die Daten nach der ersten Analysebetrachtet und Datensätze ausgeschlossen werden, die festgesetztenAnforderungen nicht entsprechen oder die trotz erfolgreicher Aufzeich-nung der Daten Fehler aufweisen. Die Analyse der Daten muss folglichzum einen ohne Ausschluss und zum anderen mit Ausschluss vonDaten ermöglicht werden.

Aufgrund der großen Datenmenge und der langen Analysezyklenmüssen Daten und Analyseparameter persistent abgelegt werden kön-nen. Ebenfalls muss der Analyse- und Vergleichsprozess an definiertenPunkten abbrechbar und wieder aufnehmbar sein.

In Experimenten werden Versuche, Versuchspersonen und Durchläu-fe mit Bezeichnungen versehen, um die durchgängige Interpretation

44 simulation trace analyzer

und Verfolgung der zu bewertenden Daten zu ermöglichen. Somit ist zubeachten, dass die vergebenen Bezeichnungen für die zu integrierendenDatensätze durch den Benutzer eingebbar und nach Wunsch anpassbarsind und über den gesamten Prozess hinweg erhalten bleiben.

Sind Analysen und Vergleiche durchgeführt, muss ein Werkzeugdas Speichern der ausgewählten Daten und Parameter ermöglichen.Somit können Berechnungen einfach wiederholt und eine neue Berech-nung mit veränderten Daten und Parametern auf der Grundlage schondurchgeführter Berechnungen durchgeführt werden.

Der softwaregestützte Vergleich der Daten muss einen Vergleichvon bis zu drei Datengruppen ermöglichen. Somit können komplexeVergleiche durchgeführt werden, ohne dass die Darstellung und damitdie individuelle Bewertung der Daten zu unübersichtlich wird. Ebensowird gewünscht, die Datengruppen einzeln bearbeiten zu können,um beispielsweise einzelnen Versuchspersonen mit einer Gruppe vonVersuchspersonen oder einfache Paarvergleiche durchzuführen.

Die Voruntersuchung (siehe Kapitel 3.1) zeigt, dass simulierte Dateneines kognitiven Modells zum Teil keine Varianz aufweisen, somit soll-ten für den Vergleich und die Analyse von simulierten und empirischenBlickbewegungsdaten deskriptive Verfahren zur Anwendung kommen.In frühen Phasen der Systemgestaltung sind einfache Vergleiche ausrei-chend für die Bewertung von Mensch-Maschine-Schnittstellen (Urbas,Schulze-Kissing & Leuchter 2005).

A2 Analysen mit und ohne Ausschluss von Datensätzen

A3 Persistente Ablage von Daten und Analyse- und Vergleichspara-metern

A4 Vergabe von Datenbezeichnungen

A5 Abspeichern und Integration von Parametern einer Datenanalyse

A6 Vergleich von bis zu drei Datengruppen

A7 Anpassen der Datengruppen für den Vergleich

A8 Vergleiche auf deskriptiver Ebene

3.2.3 Analyse- und Vergleichsmethoden

Bei der Bewertung von Leistungsdaten unterschiedlichen Ursprungsmuss gewährleistet sein, dass die Daten mit gleichen Methoden ver-arbeitet werden, um die Integrität der Ergebnisse zu ermöglichen.Dementsprechend müssen die Algorithmen des Werkzeuges eine Ver-arbeitung der Daten implementieren, die eine Unterscheidung derDaten auf Ebene der Bezeichnungen, aber keine in der algorithmischenVerarbeitung ermöglicht.

Neben integrierten Methoden zur Analyse und für den Vergleich derDaten sollte die Möglichkeit bestehen, dass neue Methoden einfach indas System und den Arbeitsprozess zu integrieren sind. Ein modularerAufbau des Werkzeugs ermöglicht eine Anpassung des angebotenenRepertoires der Datenverarbeitung.

3.3 konzept 45

A9 Gleiche Analyse- und Vergleichsmethoden für empirische undsimulierte Daten

A10 Modularer Aufbau der Analyse- und Vergleichsmethoden

3.2.4 Datensichtung

Für die Datensichtung müssen die Ergebnisse in graphischer und intabellarischer Form abgelegt werden. Die graphische Repräsentationder Daten ermöglicht eine schnelle Sichtung und das Auffinden vonUnregelmäßigkeiten in diesen. Die Ablage der Ergebnisse in Tabellensollte in einfacher textbasierter Form erfolgen, um eine Integrationder Analysen und Vergleiche in externe Programme (z. B. Werkzeugefür die weiterführende statistische Analyse wie SPSS und MatLab) zuermöglichen. Für eine bessere Übersicht sollten alle Daten des Systemsin einer einheitlichen Struktur abgelegt werden, deren Ursprung durchden Benutzer festzulegen ist. Dadurch können die Daten in bestehendeStrukturen eingefügt werden, und der Umgang mit den zumeist großenDatenmengen wird vereinfacht.

A11 Bereitstellen von graphischen Ausgaben

A12 Bereitstellen von Datentabellen

A13 Ablegen der Daten in strukturierter Form

3.3 konzept

In den vorangegangenen Kapiteln wurden Anforderungen und theore-tische Überlegungen für ein Werkzeug zur Analyse und den Vergleichvon Leistungsdaten natürlicher und künstlicher kognitiver Systemedargestellt. Darauf aufbauend wird nachfolgend das Konzept für einWerkzeug zur Unterstützung der notwendigen Verarbeitungsprozes-se vorgestellt. Das Werkzeug kann in den verschiedenen Phasen desEntwicklungsprozesses von Mensch-Maschine-Systemen eingesetzt wer-den, um eine formale Bewertung der Gestaltung von Mensch-Maschine-Schnittstellen auf Grundlage kognitiver Benutzermodelle zu unter-stützen (siehe Kapitel 2.1.2). Des Weiteren ist durch den Einsatz desWerkzeuges eine Plausibilisierung kognitionspsychologischer Theorien,die in kognitiven Modellierungsmethoden formalisiert sind, im Bezugzu empirischen Untersuchungen und weiteren formalen Methodenmöglich.

Das Werkzeug wird mit SimTrA bezeichnet. SimTrA ist ein Akronymfür Simulation Trace Analyzer. In Abbildung 7 sind die drei Teilsystemevon SimTrA in schematischer Form dargestellt: (1) die Aufbereitung derRohdaten, (2) die Analyse der aufbereiteten Daten und (3) der Vergleichoder die wiederholte Analyse von simulierten und empirischen Daten.Der modulare Aufbau von SimTrA erlaubt eine unabhängige Weiter-entwicklung und Ergänzung der einzelnen Teilsysteme (AnforderungA10, siehe Kapitel 3.2.3). Konzeptionell ist SimTrA für die Analyseund den Vergleich von verschiedenen Leistungsdaten kognitiver Mo-delle ausgelegt. SimTrA wurde prototypisch für die Analyse und den

46 simulation trace analyzer

Vergleich von Blickbewegungsdaten implementiert (zur Auswahl derBlickbewegungsdaten siehe Kapitel 2.3.2).

Empirie [1..n] Kognitive Modelldaten [1..n]

Transformation Transformation

Einheitliches Datenformat

Berechnungen in R (Analyse)

Diagramme/Tabellen

Empirie [1..n] Kognitive Modelldaten [1..n]

Bereinigung

Berechnungen in R (Vergleich)

DatensätzeVergleich

Analyse

Aufbereitung

Verarbeitung

Datensätze

Diagramme/Tabellen

Abbildung 7: Schematische Darstellung der Komponenten von SimTrA.

Das Werkzeug SimTrA ist als abschließender Baustein einer Prozess-kette für die kognitive Modellierung im Bereich der Bewertung vonMensch-Maschine-Systemen zu betrachten. Das Ziel der Prozessketteliegt in der Erhöhung der Effizienz der Methode Benutzermodellierung(vgl. Urbas, Schulze-Kissing & Leuchter 2005). Die in der Arbeitsgruppeentwickelte prototypische Prozesskette besteht aus vier Komponenten:(1) der funktionalen Übertragung der Interaktions- und Rückmelde-elemente einer Mensch-Maschine-Schnittstelle in eine von kognitivenArchitekturen interpretierbaren Repräsentation mit dem Werkzeug AGI-map (ACT-R Graphical Interface Mapper; Urbas & Leuchter 2005), (2) derEntwicklung von kognitiven Modellen mit dem Werkzeug HTAmap(Hierachical Task Analysis Mapper; Heinath & Urbas 2007) auf Grundlageeiner Aufgabenanalyse und vordefinierten Interaktionsmustern, (3) derSimulation des Nutzerverhaltens mit der kognitiven Architektur ACT-R(Anderson et al. 2004) und (4) der Analyse und dem Vergleich dererfassten Leistungsdaten mit dem Werkzeug SimTrA.

Die ersten zwei Prozessschritte sind eng miteinander verbunden undstellen die Erstellung eines lauffähigen Benutzermodells in der kogni-tiven Architektur ACT-R dar. In dem Schritt der Simulation werdendie Leistungsdaten für die Analyse und den Vergleich generiert, die anSimTrA übergeben werden.

Das Werkzeug SimTrA ist von der Wahl der kognitiven Architek-tur unabhängig, da die internen Verarbeitungsstrukturen auf einemvon den Rohdaten unabhängigen Format beruhen (siehe Abbildung 7).

3.3 konzept 47

Ebenso muss die Modellerstellung nicht notwendigerweise in der vor-geschlagenen Prozesskette zur Benutzermodellierung erfolgen, da diein dem Schritt der Simulation generierten Daten für die Analysen undVergleiche genutzt werden. Somit kann das Werkzeug SimTrA für dieAnalyse und den Vergleich von Leistungsdaten kognitiver Modelle be-liebiger kognitiver Architekturen, die Blickbewegungsdaten generieren,angewandt werden (Anforderung A1, siehe Kapitel 3.2.1).

3.3.1 Prozess der Datenverarbeitung

Der Prozess der Datenverarbeitung ist in SimTrA in vier einzelne Schrit-te unterteilt: (1) Aufbereitung, (2) Analyse, (3) Bereinigen und (4) Ver-gleich. In Abbildung 8 sind die vier Schritte, der Informationsfluss unddie jeweils abgespeicherten Daten schematisch dargestellt. Nach jedemProzessschritt werden die aufbereiteten Daten, die verarbeiteten Datenund die Prozessparameter der Analysen und Vergleiche automatisch inDateien abgelegt (Anforderung A3, siehe Kapitel 3.2.2). Dies ist in einerBaumstruktur, deren Ursprungsverzeichnis durch den Benutzer festge-legt werden kann, realisiert (Anforderung A13, siehe Kapitel 3.2.4). DieSicherung der Daten kann auch explizit durch den Benutzer erfolgen(Anforderung A5, siehe Kapitel 3.2.2). Alle Parameter und Ergebnisseder Analysen und Vergleiche werden in graphischer und tabellarischerForm in der Baumstruktur gespeichert und können für weiterführendeBewertungen genutzt werden (Anforderung A4, siehe Kapitel 3.2.2;Anforderungen A11 und A12, siehe Kapitel 3.2.4).

Empirie

Modell 2

Modell 1

Au

fbe

reitu

ng tt at st et

tt at st et

tt at st et

1 2 … n

1 2 … n

1 2 … n

Zusatzinfos und

Speicherort

Speichern Speichern

LadeModell 2

LadeModell 1

LadeEmpirie

Wähle VPNs für Berechnung(Plots und Übersichtstabelle)

Ve

rgle

ich

Auswahl der Basisdaten

Auswahl der Vergleiche

GO!Wähle VPNs für Berechnung(Plots und Übersichtstabelle)

Wähle VPNs für Berechnung(Plots und Übersichtstabelle)

1

2

3

Be

rein

igu

ng lt

lt

lt

x2

x3

x3

x1

x2

x1

Tabellen Tabellen & Graphiken

Speichern

1 2 … n

Speichern

Tabellen & Graphiken

An

aly

se

Abbildung 8: Die Verarbeitungsschritte von SimTrA: Dargestellt ist der Informa-tionsfluss und die jeweils abgelegten Dateien bei der Verarbeitungvon drei Datensätzen. at: Tabelle der AOIs, et: Tabelle der Ele-mente der kognitiven Architektur, lt: Tabelle der ausgewähltenVersuchspersonen, st: Tabelle der ausgewählten Zeitintervalle, tt:Tabelle der Blickbewegungsdaten, VPN: Versuchspersonen.

48 simulation trace analyzer

3.3.2 Aufbereitung der Rohdaten

Die Aufbereitung der Rohdaten der Blickbewegungsdatenerfassungstellt den ersten Prozessschritt in SimTrA dar. Die simulierten Blick-bewegungsdaten werden in SimTrA integriert und in einem nachfol-genden Schritt in Fixationsdaten transformiert (X- und Y-Koordinatenund Anfangs- und Endzeit der Fixation). Zu diesem Zweck werdenBlickzuwendungen auf gleiche X- und Y-Koordinaten zusammenge-fasst. Dabei wird überprüft, ob bei gleichen Koordinaten eine gerichteteAufmerksamkeitszuwendung zwischen den Blickzuwendungen durchdas kognitive Modell initiiert wurde (in ACT-R: move-attention). Somitkönnen nachfolgende Fixationen auf einen gleichen Blickort unterschie-den werden, die in kognitiven Modellen nicht durch eine Ablenkungdes Auges unterscheidbar wären. Die empirisch erfassten Rohdatenwerden in Form von Fixationsdaten in SimTrA integriert. Diese beste-hen mindestens aus den X- und Y- Koordinaten und der Anfangs- undder Endzeit der Fixationen. Für die Berechnung der Fixationsdatenwerden in der Literatur eine Vielzahl von Algorithmen genannt (sieheKapitel 2.4.3). Aus diesem Grund wird die Berechnung der Fixations-daten nicht in SimTrA implementiert, sondern es wird auf vorhandeneAlgorithmen zurückgegriffen.

Die zu integrierenden Daten können sich in Datenformat und Auflö-sungen unterscheiden (z. B. aufgrund von unterschiedlichen Systemenzur Blickbewegungsdatenerfassung und der Blickbewegungsdaten ko-gnitiver Architekturen). In SimTrA werden die jeweiligen Daten einesBlickprotokolls durch spezielle Importalgorithmen in ein standardisier-tes Format transformiert (Anforderung A1, siehe Kapitel 3.2.1). Durchden Import werden die Daten automatisch um Parameter erweitert,die aus den Eingangsdaten ausgelesen oder anhand von Benutzerein-gaben eingefügt werden. Dazu zählen der Datenherkunftsbezeichner(dID, data-ID), die Versuchsdurchführungsnummer (tID, trail-ID) unddie Versuchspersonennummer(sID, subject-ID; Anforderung A4, sieheKapitel 3.2.2). Die Bezeichnungen bleiben über den gesamten Verar-beitungsprozess der Eingangsdaten konstant und dienen der internenReferenzierung und der Zuordnung durch den Benutzer von SimTrA.

Für die Verarbeitung von Daten mit unterschiedlicher Auflösungkönnen in SimTrA die importierten Daten in X- und Y-Richtung ska-liert und um einen Offset auf der X- und der Y-Achse verschobenwerden. Somit können Blickbewegungsdaten aus kognitiven Simulati-onsexperimenten und empirischen Experimenten in ihrer Auflösungangeglichen und in nachfolgenden Prozessschritten mit gleichen Rah-menparametern analysiert und verglichen werden (Anforderung A9,siehe Kapitel 3.2.3).

In diesem Prozessschritt werden ebenfalls Möglichkeiten angeboten,um die für die Analysen benötigten Parameter einzugeben. Der Benut-zer kann das Blickgebiet festlegen und dieses in regelmäßige oder inunregelmäßige Gebiete (AOI) aufteilen. Zusätzlich können Zeitinter-valle definiert werden, die für die Interpretation der Blickbewegungengenutzt werden, um spezielle Aspekte oder Verläufe analysieren zukönnen.

3.3 konzept 49

3.3.3 Analyse der Daten

In dieser Komponente werden die Blickbewegungsdaten analysiert. DieAuswahl der Algorithmen leitet sich aus der dritten Ebene der applika-tiven Parametersystematik von Rötting (2001) ab. Diese ermöglicht dieAnalyse der Bedingungen der Mensch-Maschine-Interaktion (siehe Ka-pitel 2.4.2). Analysemethoden, die sich auf Sakkaden beziehen, wurdenausgeschlossen, da heutige kognitive Architekturen keine Sakkadensimulieren. Die Analysemethoden der Ebene der Informationsverar-beitung wurden ebenfalls ausgeschlossen, da diese nur „tendenzielle“Rückschlüsse auf die Mensch-Maschine-Interaktion zulassen (Rötting2001, S. 186). Aus den verbleibenden drei Kategorien wurden Analyse-methoden ausgewählt, die eine Betrachtung der Blickbewegungen imRahmen der Mensch-Maschine-Interaktion erlauben.

Die ausgewählten Methoden stellen einen Ausschnitt aus allen mögli-chen Analysemethoden dar. Der modulare Aufbau von SimTrA erlaubtdie Integration von beliebigen Algorithmen in den bereitgestelltenProzess.

Analyse der örtlich-räumlichen Gestaltung

Die Analyse von Blickbewegungen stellt bei der Evaluation der örtlich-räumlichen Gestaltung einen wichtigen Aspekt für die Mensch-Maschi-ne-Interaktion dar. In diesem Kontext wurden die Analysemethoden fürdie Fixationsdichte, die räumliche Dichte und die relative Häufigkeitder Fixation von Objekten oder Regionen, die kumulierte Fixationsdau-er und die Übergangshäufigkeiten realisiert.

fixationsdichte Für die Bestimmung der Fixationsdichte wird dasBlickgebiet in regelmäßige Felder unterteilt und die Anzahl oder dieDauer der Fixationen in diesem Feld bestimmt. Die Angabe der Wertekann absolut oder relativ erfolgen. Hohe Werte für die Fixationsdich-te weisen auf besonders informationstragende Bereiche (Felder) hin,die bei der Gestaltung von Mensch-Maschine-Schnittstellen betrachtetwerden sollten (Mackworth & Morandi 1967).

räumliche dichte Für die Analyse der räumlichen Dichte wirddas Blickgebiet in ein regelmäßiges Raster unterteilt. Anschließendwird die Anzahl der Felder bestimmt, in die mindestens eine Fixationgefallen ist (Isfort 1986). Werden die Werte prozentual ausgegeben,weisen kleine Werte der räumlichen Dichte auf eine gerichtete globalevisuelle Suche hin (Goldberg & Kotval 1999). Dabei ist zu beachten,dass Vergleiche von Schnittstellen nur mit gleicher Aufteilung des Blick-gebietes durchgeführt werden können und die Werte der räumlichenDichte bei dem Vergleich in relativer Weise zu betrachten sind.

relative häufigkeit der fixation von objekten Für die Be-stimmung der relativen Häufigkeit der Fixation von Objekten oderRegionen wird das Blickfeld in AOIs aufgeteilt und die Anzahl der indie AOIs fallenden Fixationen bestimmt. Ein hoher Wert deutet aufein Gebiet hin, das eine hohe visuelle Aufmerksamkeit erfordert. Beider Evaluation von Mensch-Maschine-Systemen können im Vergleich

50 simulation trace analyzer

wichtigere bzw. informationshaltigere Bereiche einer Schnittstelle iden-tifiziert werden (Göbel 1999). Darauf basierend, kann die Gestaltungan die Ergebnisse einer Analyse angepasst werden.

kumulierte fixationsdauer Für die Analyse der kumuliertenFixationsdauern wird das Blickfeld in Felder aufgeteilt, und alle Fixa-tionen innerhalb eines Feldes werden summiert. Ein hoher Wert weistauf einen Ort mit hoher visueller Aufmerksamkeit hin (Rötting 2001).Dieser Wert kann für den Vergleich von unterschiedlichen Aufgabenbe-dingungen genutzt werden und erlaubt eine schnelle Identifikation derUnterschiede und Gemeinsamkeiten der Blickbewegungen.

übergangshäufigkeiten Zur Bestimmung der Übergangshäufig-keiten wird das Blickgebiet in regelmäßige oder selbstgewählte Gebieteaufgeteilt und die Anzahl der Übergänge zwischen den definiertenBereichen aufsummiert (vgl. Ellis & Smith 1985). Der prozentuale Wertder Übergänge zwischen zwei Gebieten erlaubt eine Beurteilung derGüte der räumlichen Gestaltung von Schnittstellen. Viele verschiede-ne Übergänge zwischen Gebieten einer Schnittstelle deuten auf einenineffizienten Blickpfad und somit auf eine nicht adäquate Gestaltungder Schnittstelle hin (Goldberg & Kotval 1998). Aus den Übergangs-häufigkeiten kann Top-down-Verhalten, das heißt gelerntes Verhalten,abgeleitet werden (Rötting 2001).

Analyse von Suchprozessen

Das Auffinden von Informationen innerhalb einer Schnittstelle stellteinen wichtigen Aspekt bei der Interaktion von Mensch und Maschinedar. Um die visuelle Suche analysieren zu können, wurden Analyse-algorithmen für die Bestimmung der Anzahl der Fixationen und derÜbergangsdichte integriert.

anzahl der fixationen Die Anzahl der Fixationen wird inner-halb eines definierten Zeitintervalls oder bis zur Lösung einer Auf-gabenstellung bestimmt (Boersema, Zwaga & Adams 1989). Der Wertkann Hinweise zur Beschreibung von Suchprozessen liefern. Ein kleinerWert von Fixationen bis zur Zielerreichung deutet auf ein salientes Ziel,einen gut trainierten Benutzer oder eine einfache Aufgabe hin. Einhoher Wert kann ein Hinweis auf eine Behinderung der visuellen Suchedarstellen (Goldberg & Kotval 1998).

übergangsdichte Für die Bestimmung der Übergangsdichte wirdauf die Übergangshäufigkeiten zurückgegriffen (siehe Kapitel 3.3.3). Eswird die Anzahl der Übergänge zwischen zwei Blickgebieten größerals 1 bestimmt und in Relation zu allen möglichen Übergängen gesetzt.Ein hoher Wert kann ein Indikator für einen langen verteilten Blickpfadsein. Kleine Werte weisen auf eine direkte visuelle Suche hin (Goldberg& Kotval 1998, 1999).

3.3 konzept 51

Analyse von Informationsaufnahme- und -verarbeitungsprozessen

Die Analyse von Informationsaufnahme- und -verarbeitungsprozessenermöglicht die Untersuchung der Art der Informationsverarbeitungund die Auswirkungen der aufgenommen Informationen auf die In-formationsverarbeitungsprozesse und somit auf das Blickverhalten desBenutzers. In diesem Zusammenhang wurden Analysemethoden fürdie statistische Analyse der Übergangshäufigkeiten und der lokalenFixationspfade in SimTrA integriert.

statistische analyse der übergangshäufigkeiten Bei derstatistischen Analyse der Übergangshäufigkeiten wird untersucht, obdas erfasste Blickverhalten zufällig ist oder eine statistische Abhän-gigkeit besteht. Zufällig bedeutet in diesem Zusammenhang, dassBlickgebiete mit gleicher Wahrscheinlichkeit betrachtet werden unddie Übergänge zwischen den Blickgebieten zufällig sind. Weichen dieÜbergangshäufigkeiten von den erwarteten Häufigkeiten ab, kann voneinem statistisch abhängigen Blickverhalten gesprochen werden (Ellis& Smith 1985; Ellis & Stark 1986). Statistisch abhängiges Blickverhaltenberuht auf aufgenommenen Informationen während einer Fixation,die den Ort der nächsten Fixation bestimmt (Close-loop-control; Ellis& Smith 1985) oder auf von der aufgenommenen Information unab-hägigen Informationsverarbeitungsprozessen (Open-loop-control; Ellis& Smith 1985). Zusammenfassend wird aus den statistischen Abhän-gigkeiten der Blickbewegungen die bedingte Information (Hc) einerÜbergangstabelle berechnet (Ellis & Stark 1986). Der Hc-Wert erlaubteine Aussage über die Zufälligkeit der erfassten Blickbewegung. DerHc-Wert hat ein Maximum, wenn die Blickbewegung gleichförmig ver-teilt ist, und ein Minimum, wenn die Blickzuwendungen nur auf einerAOI liegen. Dies bedeutet, dass ein kleiner Hc-Wert auf eine höherestatistische Abhängigkeit der Blickbewegungen hinweist.

lokale fixationspfade Für die Analyse der lokalen Fixationspfa-de wird das Blickgebiet in selbstgewählte Gebiete eingeteilt und alletheoretischen Triple von AOIs ermittelt. Die Häufigkeit der gebildetenTriple wird in der Sequenz der Fixationen der erfassten Blickbewegungs-daten ermittelt. Dabei werden aufeinander folgende Fixationen in eineAOI als eine Fixation betrachtet (Groner et al. 1984). Lokale Fixations-pfade zeigen das aktuelle perzeptuelle Geschehen (Bottom-up-Prozesse).Geordnet nach Häufigkeit, geben sie Hinweise auf die wichtigsten visu-ellen Fixationspfade. Die Analyse von lokalen Fixationspfaden helfenInformationsaufnahmeprozesse zu evaluieren.

3.3.4 Bereinigung der Daten

Die Bereinigung der Daten erlaubt, die Datenbasis für nachfolgendeVergleiche und erneute Analysen anzupassen. In dieser Komponentekönnen fehlerhafte Datensätze und Datensätze, die festgelegten Kriteri-en nicht entsprechen, ausgeschlossen werden (Anforderung A2, sieheKapitel 3.2.2).

Dem Benutzer wird für die jeweiligen Versuchsdurchläufe, Versuchs-personen und Zeitintervalle eine Darstellung der Fixationen und der

52 simulation trace analyzer

festgelegten AOIs angezeigt. Zusätzlich kann eine Tabelle betrachtetwerden, die Informationen der Blickbewegungen zusammenfasst. Indieser Tabelle werden das obere und das untere Perzentil einer frei wähl-baren Tabellenspalte angezeigt. Anhand dieser Informationen könnenDatensätze deselektiert werden, um diese aus der weiteren Verarbeitungauszuschließen.

3.3.5 Vergleich der Daten

Der Vergleich oder die erneute Analyse von Daten schließt den Pro-zess von SimTrA ab. Dafür können die analysierten Daten von bis zudrei Gruppen (z. B. Modell 1, Modell 2, Mensch) in diese Komponentegeladen werden (Anforderung A6, siehe Kapitel 3.2.2). Jede Gruppekann hinsichtlich der Auswahl von Versuchsdurchläufen, Versuchsper-sonen und Zeitintervallen angepasst werden (Anforderung A7, sieheKapitel 3.2.2). Abschließend werden die Vergleichs- oder Analyseme-thoden ausgewählt. Diese beruhen auf den in der Analysekomponenteintegrierten Methoden (siehe Kapitel 3.3.3). Der Vergleich von Gruppenwird mit deskriptiven Methoden durchgeführt (Anforderung A8, sieheKapitel 3.2.2).

3.4 realisierung des werkzeugs simtra

Basierend auf dem vorangegangenen vorgestellten Konzept wurde einKomponentenmodell entwickelt, das als Grundlage für die Realisierungvon SimTrA dient (siehe Abbildung 9). Dabei wird zwischen Kompo-nenten für die Benutzerinteraktion und die Bearbeitung der Analyse-und Vergleichsalgorithmen unterschieden. Die Schnittstellen für dieBenutzerinteraktion sind in Java (Sun Microsystems 2007) und die al-gorithmischen Berechnungen in R, einer Software für die statistischeAnalyse (R Development Core Team 2006), realisiert. Voraussetzungfür die Nutzung von SimTrA sind eine lauffähige Java-Umgebung undeine Installation der Software R. Beide Softwaresysteme sind frei imInternet zu beziehen.

Die jeweils benötigten Daten werden in einer definierten Baumstruk-tur abgelegt (siehe Abbildung 9), auf die alle Komponenten zugreifen,um benötigte Daten auszulesen. Die einzelnen Komponenten sind mo-dular angelegt und einfach um neue Aspekte und Algorithmen zuerweitern.

Für die Implementierung von SimTrA wurde eine benutzerzentrierteEntwicklung von Prototypen gewählt, die iterativ um neue Aspekte er-weitert wurden. Nach jedem Iterationsschritt wurde die Funktionalitätund die Handhabung der Prototypen überprüft, um Folgefehler aus-schließen zu könnne. Im Nachfolgenden werden einzelne Aspekte jederKomponente dargelegt und die jeweiligen Benutzungsschnittstellenbeschrieben.

3.4.1 Allgemeine Angaben

Das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten wird durch die Bereit-stellung von allgemeinen Informationen und Parametern ermöglicht.

3.4 realisierung des werkzeugs simtra 53

Vergleich

aoi.xml

et.xml

tt.xml

option.xml/rob

analyse.rob

content.txt

input.txt

Analyseergebnisse

content_correct.txt

compare_option.txt

main_config.txt

config_compare.txt

compareInfo.txt

Vergleichsergebnisse

SimTrA-Startverzeichnis

1; Inhaltsordner

plots; Graphiken

analysis; Analyseordner

1; Inhaltsordner

plots; Graphiken

n; Inhaltsordner

n; Inhaltsordner

Vergleich-Startverzeichnis

methods.txt

comparison.properties

Importdateien

Systemdateien

SimTrA

Analyse

Aufbereitung

Bereinigung

Analyse-Startverzeichnis

lib; Library

! "#

Abbildung 9: 1: Komponentenmodell von SimTrA. 2: Die wichtigsten Dateien,die angelegt und abgerufen werden. 3: Verzeichnisstruktur vonSimTrA.

Dazu zählen beispielsweise die Steuerungsinformationen für die Algo-rithmen, die Standardparameter und die Ablagehierarchie für Dateien.In dem Startverzeichnis von SimTrA sind verschiedene Dateien abge-legt, die Parameter und Standardinformationen für die Vergleiche unddie erneute Analyse von Blickbewegungsdaten vorhalten (z. B. compari-son.properties; siehe Abbildung 9). Der Benutzer kann in diesen DateienAngaben ändern und hinzufügen, um eigene Standardeinstellungen zusetzen oder um SimTrA zu erweitern.

Für neue Analysen oder Vergleiche kann das jeweilige Standard-verzeichnis von SimTrA durch ein selbstgewähltes Verzeichnis desBenutzers ersetzt werden. In dem Standardverzeichnis werden alle Pa-rameter und Dateien für die Analyse oder den Vergleich abgelegt. DieErgebnisse der Analyse oder der Vergleiche werden zusammen mit denrelevanten Parametern in einem Unterverzeichnis (Namensbereich 1..n)abgelegt. Für graphische Ausgaben wird in dem Verzeichnis ein Ord-ner mit der Bezeichnung Plots bereitgestellt (siehe Abbildung 9). Dieeinzelnen Analysen und Vergleiche sind voneinander unabhängig, daalle relevanten Parameter und Dateien in dem jeweiligen Analyse- oderVergleichsverzeichnis abgelegt und zugreifbar sind. Alle Pfadangabenin SimTrA werden von dem jeweiligen Standardverzeichnis gesetzt.

3.4.2 Aufbereitung der Rohdaten

Für die Aufbereitung der Rohdaten und die Eingabe von zusätzlichenInformationen wurde die Aufbereitungsschnittstelle erstellt (siehe Ab-bildung 10). Die Schnittstelle besteht aus zwei Bereichen. Der ersteBereich beinhaltet die Eingabe und Manipulationsmöglichkeiten fürden Benutzer, der zweite Bereich stellt die Daten und Informationendar.

54 simulation trace analyzer

Abbildung 10: Benutzungsoberfläche von SimTrA für die Datenaufbereitung.

Datenintegration

Im ersten Schritt kann der Benutzer das Standardverzeichnis für dieDatenanalyse auswählen (Schaltfläche Set Project Path). Das Stan-dardverzeichnis stellt das Verzeichnis dar, von dem aus für die durch-zuführende Analyse die Pfade für das Ablegen aller weiteren Dateienrelativ gesetzt werden und das die Grundinformationen für die Analy-se enthält. Befinden sich in dem gewählten Verzeichnis durch SimTrAlesbare Dateien, werden diese eingelesen und dargestellt.

Für die Datenintegration (siehe Abbildung 10) kann über die Schalt-fläche Import Data eine Datei ausgewählt werden, die in SimTrA impor-tiert werden soll. Anhand der Dateiendung wird der jeweilige Importerausgewählt, die Datei in das standardisierte Datenformat von SimTrAüberführt und in dem gewählten Standardverzeichnis abgespeichert.Die Importer sind in Java und jeweils für ein Eingangsformat realisiert,das durch die Dateiendung spezifiziert wird. Neue Importer könnenhinzugefügt werden, indem eine neue Java-Klasse (d. h. ein Importer)und die gewünschte Dateiendung für den Import integriert wird (z. B.*.soar für Blickbewegungen aus Soar). In SimTrA werden Importer fürdie Blickbewegungen aus ACT-R und für den Import des Datenformatsder BeGaze-Software bereitgestellt.

Nach erfolgreicher Integration der Blickbewegungsdaten wird derWertebereich für sID (Versuchspersonennummer) und tID (Versuchs-durchlaufnummer) sowie die Anzeige der Fixationen aktualisiert. Durchdirekte Eingabe einer Nummer neben der Anzeige des Wertebereichskann ein Datensatz direkt ausgewählt werden, der in der Datenanzeigedargestellt wird.

Durch die Schaltfläche Save Options können alle aktuellen Einstel-lungen gesichert werden. Die Schaltfläche Load Options erlaubt dieIntegration von Informationen aus vorangegangenen Analysen (z. B.AOIs, Skalierungsfaktoren). Um die Informationen in das aktuelle Pro-

3.4 realisierung des werkzeugs simtra 55

jekt zu integrieren, muss das Ursprungsverzeichnis der zu ladendenInformationen gewählt werden. Die jeweiligen Daten werden in dasaktuelle Standardverzeichnis übernommen. Durch den Befehl DeleteAll werden alle getätigten Angaben gelöscht und aus dem Verzeichnisentfernt.

Durch Betätigen der Schaltfäche Start Analyses wird der Dialogzur Auswahl der Analysemethoden geöffnet, der den Abschluss derDatenaufbereitung darstellt (siehe Kapitel 3.4.3).

Datenmanipulation

Die Datenmanipulation erlaubt die Skalierung der eingelesenen Fixa-tionen, um Datensätze aus unterschiedlichen Experimenten (z. B. Simu-lationsexperiment, empirisches Experiment) auf eine vergleichbare Auf-lösung zu skalieren. Die Datenmanipulation wird für alle eingelesenenFixationen der aktuellen Aufbereitung durchgeführt. Die Fixationenkönnen in X- und Y-Richtung skaliert und verschoben werden. DieEingabe der Skalierungsfaktoren und der Verschiebungsfaktoren wirddurch den Benutzer vorgenommen.

Eingabe von zusätzlichen Angaben

Mit Hilfe dieser Eingabemöglichkeiten können weitere Angaben fürdie Analyse gemacht werden. In dem Dialogfeld Define Areas OfInterest (AOIs) kann der Benutzer Blickgebiete erstellen, die für dieAnalyse von Relevanz sind. Dafür kann der Benutzer die Blickgebietedirekt definieren, indem die obere linke Ecke mit X- und Y-Position,die Höhe und die Breite eingegeben werden. Durch zweimaliges Kli-cken innerhalb des Anzeigebereichs (für obere linke und untere rechteEcke des Blickgebiets) kann eine AOIs ebenfalls direkt in der Anzeigeder Fixationen gesetzt werden. Die gesetzten AOIs sind später verän-derbar und können gelöscht werden (Schaltfläche Del). Um eine AOIanzupassen, wird in dem Feld Actual AOI die gewünschte Nummereingegeben. Anschließend können die vorher beschriebenen Werte derAOIs verändert werden.

Ein Raster kann automatisch über das Blickfeld gelegt werden. Dazukann der Benutzer die Anzahl der Spalten und der Reihen angeben.Wird ein Raster über das Blickfeld gelegt, werden alle AOIs gelöschtund das Raster angezeigt. Die einzelnen Felder des Rasters könnennicht verschoben oder verändert werden. Eine Änderung des Rastersist durch erneute Definition der Spalten- oder Reihenanzahl möglich.Wird eine AOI gesetzt, wird das vorhandene Raster gelöscht.

Da für die Analysen der Blickbewegungen mindestens eine AOI oderein Raster vorhanden sein muss, werden die Analysealgorithmen nurausgeführt, wenn eine der zwei Bedingungen erfüllt ist.

In dem Dialogbereich Define Sreen (Rectangle) kann der Benutzerdas Blickfeld numerisch eingeben und verändern. Das Blickfeld wird inder Anzeige mit einem schwarzen Rahmen dargestellt. Zusätzlich kannein Hintergrundbild ausgewählt beziehungsweise gelöscht werden, dashinter den Fixationen in der Datenanzeige eingefügt wird. Dadurchwird die Definition von AOIs vereinfacht und es kann ein Überblick der

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erfassten Fixationen im Bezug zu der zu untersuchenden Schnittstellegewonnen werden.

Der Dialogbereich Define Times of Interest ermöglicht die Defini-tion von Zeitintervallen, die bei der Analyse der Blickbewegungsdatengesondert berechnet werden sollen. Die Zeitintervalle werden mit einemStart- und einem Endzeitpunkt in Millisekunden angegeben. ErstellteZeitintervalle können gelöscht werden.

Datenanzeige

In der Datenanzeige werden die Fixationen eines Datensatzes, dieerstellten AOIs beziehungsweise das Raster und das Blickfeld ange-zeigt. Unterhalb des Blickfeldes werden die Zeitintervalle und dieDatenbezeichner dargestellt. Die Farben der angezeigten Informatio-nen korrespondieren mit der Darstellung innerhalb der Anzeige. AlleÄnderungen der Daten und Parameter durch den Anwender werdenübernommen und innerhalb des Anzeigebereichs sofort aktualisiert.

Bei Blickbewegungsdaten aus der kognitiven Architektur ACT-Rwerden zusätzlich die Elemente der Versuchsumgebung dargestellt. DieAnzeige der Elemente basiert auf dem Blickprotokoll des kognitivenModells, in dem die Umgebungsinformationen abgespeichert sind.

Automatische Ablage von Parameterdateien

Nach der Aufbereitung liegen verschiedene Daten vor, die in dem ge-wählten Standardverzeichnis abgelegt und für die Analyse genutztwerden. Wenn von dem Benutzer gewünscht, können die Dateien ineinem Text-Editor geändert und angepasst werden. Bei erneutem Startvon SimTrA werden die veränderten Daten übernommen, auf Konsis-tenz geprüft und verarbeitet. Sind die Daten nicht konsistent mit derSpezifikation von SimTrA, werden die jeweiligen Daten nicht angezeigtund müssen erneut eingegeben oder in der Datei angepasst werden.

Im Nachfolgenden ist eine Liste aller abgelegten Dateien für die Pa-rameter von SimTrA in dem Schritt der Datenaufbereitung dargestellt.

tabelle der fixationen und zeitstempel – tt.xml Die Da-tei enthält die Fixationen einer Versuchsgruppe, die in SimTrA ange-zeigt werden und aus den Rohdaten gewonnen wurden. Jede Fixationbesteht aus den X- und Y-Koordinaten, dem Zeitpunkt, der Versuchs-personennummer und der Versuchsdurchlaufnummer.

tabelle der zeitintervalle – st.xml Die Datei enthält diefestgelegten Zeitintervalle, die bei der Analyse gesondert analysiertwerden. Jedes Zeitintervall besteht aus einer Nummer, der Anfangs-und der Endzeit.

tabelle der blickgebiete – aoi .xml Die Datei enthält die ge-setzten AOIs oder die Informationen eines Rasters für die Analyse. JedeAOI hat eine Nummer und wird durch die X- und Y-Koordinaten deroberen linken und der unteren rechten Ecke definiert.

3.4 realisierung des werkzeugs simtra 57

tabelle der anzeigeelemente – et.xml Stammen die Blick-bewegungsdaten aus der kognitiven Architektur ACT-R, enthält dieseDatei die angezeigten Elemente der virtuellen Versuchsumgebung vonACT-R. Abgelegt sind die Elemente mit X- und Y- Koordinaten, Zeit-stempel, den Attributen des Elements (z. B. Farbe, Zustand) und derenBelegung.

tabelle der optionen – option.xml In der Datei option.xmlsind die Benutzereingaben und -manipulationen abgelegt. Dazu zählendie Skalierungsfaktoren und die Verschiebung auf der X- und Y-Achse,die Spalten- und Zeilenanzahl eines gewählten Rasters und die Defini-tion des Blickgebiets.

3.4.3 Analyse der Daten

In dem Dialog zur Auswahl der Analysemethoden kann der Benutzerdie Analysemethoden bestimmen und einzelne Standardwerte über-schreiben (siehe Abbildung 11). Ist keine R-Version ausgewählt, mussvor dem Starten der Analyse eine R-Version gewählt werden, indem indem Dialogfenster der bin-Ordner von der zu verwendenden R-Versionausgewählt wird.

Sollen im Schritt des Vergleichs Datengruppen verglichen werden,deren Blickbewegungsdaten mit der gleichen Methode erhoben wurden(d. h. die Datenherkunftsbezeichner in den Datentabellen sind gleich),kann der Datenherkunftsbezeichner (dID: data-ID) in diesem Fenstergeändert werden.

Abbildung 11: Benutzungsoberfläche von SimTrA für die Auswahl von Analy-semethoden.

Durch den Start der Analyse wird der aktuelle Pfad des Analyse-verzeichnisses und die aktuellen Parameter der Analyse in der Datei

58 simulation trace analyzer

analyse.rob abgelegt (siehe Abbildung 9). Anschließend wird die aktu-elle Pfadangabe an R übergeben und die Analyse gestartet. Dabei wirdvon R auf die Dateien in dem Analyseverzeichnis zugegriffen. EineAnalyse besteht aus 3 Schritten: (1) Erstellung einer Grundtabelle, (2)Anwendung der Analysemethoden und (3) Speichern der Ergebnisse.

Erstellung der Grundtabelle

In dem ersten Schritt wird aus den aufbereiteten Daten eine Grundta-belle erstellt (input.txt), die als Basis für die Analysemethoden dientund alle Informationen integriert. Die Tabelle enthält für jede Fixationfolgende Werte:

fixation X- und Y-Koordinaten und Dauer der Fixation.

zeitangaben Start- und Endzeit der Fixation. Die Angabe erfolgtals absolute Zeitangabe aus den Log-Dateien und als relativeZeit, gemessen vom Startpunkt des Versuchsdurchlaufs bis zumaktuellen Zeitpunkt.

datenbezeichnungen Alle Datenbezeichner (Datenherkunft, Ver-suchsdurchlaufnummer, Versuchspersonennummer).

blickgebiet Angabe des Blickgebiets und dessen Koordinaten, in dasdie aktuelle Fixation fällt.

zeitintervall Angaben zu dem Zeitintervall, in das die Fixationfällt.

elemente Angabe aller Elemente in dem aktuellen Blickgebiet unddie Angabe des am wahrscheinlichsten fixierten Elements (nurfür kognitive Modelle in ACT-R).

kognitive angaben Angabe der Wechselkosten zwischen zwei Fi-xationen auf unterschiedliche Orte.

Anwendung der Analysemethoden

Für die Analyse der Blickbewegungen wird die Grundtabelle iterativ ineinzelne Tabellen zerlegt (je eine Tabelle für eine Gruppe, bestehend ausDatenherkunftsbezeichner, Versuchsdurchlauf, Versuchspersonennum-mer und Zeitintervall) und anhand der aus der Literatur extrahiertenAnalysemethoden (siehe Kapitel 3.3.3) algorithmisch verarbeitet. Dabeiwird für jede Teilgruppe eine graphische Ausgabe der Fixationen undBlickgebiete angelegt. Die Ergebnisse der Analyse jeder Teilgruppewerden an Ergebnistabellen für jede Analysemethode angehängt.

Für die einzelnen Analysen werden soweit möglich alle Angaben inabsoluter und relativer Form abgespeichert. Jede Tabelle enthält dieDatenbezeichner der Daten, um die durchgängige Identifikation undZuordnung der Daten zu ermöglichen und zusätzlich die wichtigstenParameter der Analysen. Alle Werte, die für die jeweilige Analyse nichtvorhanden sind oder nicht eingegeben wurden (z. B. nicht gesetzteZeitintervalle, keine AOIs), werden in den Ergebnistabellen mit NA(not available) angegeben.

3.4 realisierung des werkzeugs simtra 59

Nach dem Zusammenfassen der einzelnen Tabellen wird für jedeAusgabetabelle eine Tabelle erstellt, die Mittelwerte und Standardfehlerder zusammengefassten Werte bereitstellt.

Speichern der Ergebnisse

Nach Beendigung der Analysen werden alle Informationen in demAnalyseverzeichnis gespeichert (siehe Abbildung 9). Dabei werden fürjede Analysemethode die Ergebnistabellen, die Durchschnittstabellen,die Grundtabelle und die Hilfstabellen abgelegt. Zusätzlich werden gra-phische Ausgaben der Ergebnistabellen erstellt. Die Graphiken werdenzum einen als .png für den schnellen Überblick und zum anderen alshochauflösendes .ps abgelegt. In der nachfolgenden Auflistung sind dieabgelegten Dateien dargestellt. Für die Übersicht der Analysemethodensiehe Kapitel 3.3.3.

input.txt In dieser Datei sind die aufbereiteten Blickbewegungsdatenfür die Analyse der Daten abgespeichert (Grundtabelle).

shrink.txt Diese Datei fasst die Fixationen der Grundtabelle, diehintereinander in eine AOI gefallen sind, zu einer Fixation zu-sammen. Diese Tabelle wird als Grundlage für die Analyse derlokalen Fixationspfade, der Übergangshäufigkeiten und den da-mit zusammenhängenden Algorithmen genutzt.

general.txt und generalmean.txt In dieser Tabelle sind allge-meine Informationen zusammengefasst, wie die Anzahl der Fixa-tionen in einem Versuch, die Versuchsdauer und Durchschnitts-werte für die Fixationsdauer.

aoi.txt und aoimean.txt Die Dateien stellen Informationen überdie Fixation von Blickgebieten bereit. Aus den Informationen kön-nen Aussagen bezüglich der relativen Häufigkeit der Fixation vonObjekten und der kumulierten Fixationsdauer abgeleitet werden.

aois.txt und aoismean.txt In diesen Tabellen sind die Informa-tionen der räumlichen Dichte und der Fixationsdichte zusammen-gefasst.

trans.txt und transmean.txt Diese Tabellen ermöglichen Aus-sagen zu den Übergangshäufigkeiten zwischen zwei Blickgebie-ten.

transs.txt und transsmean.txt Diese Dateien stellen Informa-tionen zu der Übergangsdichte bereit.

statistical.txt und statisticalmean.txt Diese Tabellen ent-halten Informationen zu der statistischen Analyse der Übergangs-häufigkeiten.

scanp.txt und scanpmean.txt In diesen Dateien können Infor-mationen zu den lokalen Fixationspfaden abgerufen werden.

content.txt Diese Datei beinhaltet alle Datenbezeichner für die ana-lysierten Datengruppen und wird für die Bereinigung und denVergleich der Daten benötigt.

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3.4.4 Bereinigung der Daten

Die Bereinigung der Daten wird in der Benutzungsschnittstelle zurDatenbereinigung durchgeführt (siehe Abbildung 12). Aus der Prozess-sicht der Datenverarbeitung findet vor einer erneuten Analyse oder ei-nem Vergleich von Daten die Bereinigung der Daten statt. Sollen bereitsbereinigte Daten erneut analysiert oder verglichen werden, kann mitder Schaltfläche Just Start Comparison die Bereinigung übersprun-gen und der nächste Prozessschritt gestartet werden.

Abbildung 12: Benutzungsoberfläche von SimTrA für die Bereinigung von Da-tensätzen.

In dieser Komponente können jeweils einzelne Datengruppen suk-zessiv betrachtet und bereinigt werden. Mit der Schaltfläche ChooseFolder... wird eine Datengruppe für die Bereinigung ausgewählt.In dem bereitgestellten Dialogfenster zum Import der Datengruppemuss dafür der gewünschte Analyseordner aus dem Analyseverzeich-nis gewählt werden. Basierend auf der Inhaltsdatei in dem Ordner,werden die Datenbezeichner in einer Baumstruktur dargestellt (con-tent.txt; angelegt von der Analysekomponente). Für jeden Datensatzwird eine graphische Übersicht der Fixationen und AOIs angeboten(Auswahl über den Reiter Plot), die auf der vorangegangenen Analyseberuht. Zusätzlich werden die allgemeinen Informationen der Blickbe-wegungen angezeigt (gelesen aus der Datei general.txt) und das obereund untere Perzentil einer festgelegten Spalte berechnet und farblich

3.4 realisierung des werkzeugs simtra 61

gekennzeichnet (Auswahl über den Reiter Table). Die Spalte und dieprozentuale Größe für die Berechnung des Perzentils können durchden Benutzer in der Konfigurationsdatei festgesetzt werden (compari-son.properties.txt; siehe Abbildung 9). Durch Selektion oder Deselekti-on der Datenbezeichner in der Baumstruktur können Datensätze fürdie weitere Verarbeitung ein- oder ausgeschlossen werden.

Nach dem Abschluss der Bereinigung der Daten kann der Benutzerden Vergleich oder die erneute Analyse mit den bereinigten Datenstarten (Schaltfläche Store And Start Comparison). Die Konfigurationder Auswahl wird automatisch in den Analyseordner der Datengruppegeladen. Der Benutzer kann nun auswählen, ob der nächste Prozess-schritt gestartet oder ob eine weitere Datengruppe bereinigt werdensoll.

Durch die Schaltfläche Save Config kann die Konfiguration der Aus-wahl in einem beliebigen Verzeichnis abgespeichert werden, um bei-spielsweise für eine Datengruppe verschiedene Konfigurationen vorzu-halten. Für den nachfolgenden Prozessschritt muss eine Konfigurati-onsdatei in dem Analyseordner der Datengruppe liegen und als con-tent_correct.txt bezeichnet sein (diese wird als Standardauswahl für denSpeicherort und den Dateinamen angeboten). Durch die SchaltflächeLoad Config kann eine Konfiguration von einem beliebigen Verzeichnisaus geladen werden.

3.4.5 Vergleich der Daten

Die letzte Komponente von SimTrA ermöglicht den Vergleich oder dieerneute Analyse von bereinigten Daten. Dafür steht die Benutzungs-oberfläche für die Vergleichsvorbereitung bereit (siehe Abbildung 13).

Abbildung 13: Benutzungsoberfläche von SimTrA für den Vergleich von Daten-gruppen.

Für die Verarbeitung der Daten können bis zu drei Datengruppenin die Komponente integriert werden (Schaltfläche Add). Auszuwählenist der jeweilige Analyseordner der Datengruppe. Von dort werden dieEingabedaten gelesen und die gewünschten Konfigurationen geladen.

62 simulation trace analyzer

Für jede Datengruppe wird auf der rechten Seite der Benutzugs-oberfläche eine Ansicht dargestellt, die für die Datenbezeichner und dieZeitintervalle der jeweiligen Datengruppe alle Informationen bereitstellt.In der Ansicht einer Datengruppe kann der Benutzer die Datengruppeauf bestimmte Aspekte einschränken (d. h. Teilmengen bilden), diefür den anschließenden Vergleich genutzt werden. Versuchspersonenkönnen einzeln ausgewählt werden oder gemittelt in den Vergleicheinfließen. Die Versuchsdurchführungen können in beliebiger Kombi-nation gewählt werden. Zusätzlich kann über ein Auswahlkästchen dieOption zugeschaltet werden, alle Daten der Versuchsdurchführungenzusammenzufassen. Die Auswahl der Zeitintervalle verhält sich analogzu der Auswahl der Versuchspersonen. Die Konfiguration jeder Daten-gruppe kann einzeln abgespeichert (Schaltfläche Save Config in derAnsicht der Datengruppe) und erneut geladen werden (SchaltflächeLoad Config in der Ansicht der Datengruppe).

Die Auswahl der Methoden für die Analyse der Daten, die ver-glichen werden sollen, erfolgt in der Auswahlliste Select kinds ofcomparison. In dieser Liste können die Methoden selektiert und de-selektiert werden. Die Liste wird aus der Datei methods.txt in demStartverzeichnis von SimTrA geladen und kann erweitert werden, wennneue Methoden in das Werkzeug SimTrA integriert werden.

Eine Gesamtkonfiguration einer Auswahl (d. h. Datengruppen, Ana-lysemethoden und Teilmengen der Datengruppen) kann gesondertabgespeichert (Schaltfläche Save Config) und erneut geladen werden(Schaltfläche Load Config). Somit kann der Arbeitsprozess unterbro-chen oder erneute Datenanalysen mit abgeänderten Teilmengen derDatengruppen und Parameter durchgeführt werden.

Die Schaltfläche Data Output erlaubt die Benennung eines Ergeb-nisordners. In diesem Zusammenhang werden Parameter für die ge-wählten Analysemethoden abgefragt. Darunter fallen die Länge derlokalen Fixationspfade (Standardwert 3), die Anzahl der Fixationen ineinem Feld für die räumliche Dichte (Standardwert 1) und die Anzahlder Übergänge für die Übergangshäufigkeiten (Standardwert 1). Somitkönnen verschiedene Parameter einfach abgeändert und verschiedeneAnalysen sukzessiv durchgeführt werden.

Der abschließende Vergleich der Datengruppen oder die erneuteAnalyse einer Datengruppe wird durch Start Comparison gestartet.Die Konfigurationsdateien (main_config.txt und compare_option.txt)werden in den entsprechenden Ordnern abgelegt und die Analyse mitR gestartet. Die Bereitstellung der Ergebnisse erfolgt in zwei Schritten:(1) Datenanalyse und (2) Datenintegration.

datenanalyse Die Daten einer Datengruppe werden einzeln ana-lysiert und die Ergebnisse in dem Analyseordner der Datengruppe(Wertebereich 1..n) abgelegt (siehe Kapitel 3.4.3). Der Pfad zu denErgebnisdaten jeder Datengruppe wird an die Datenintegration überge-ben.

datenintegration In diesem Schritt werden für jede ausgewählteAnalysemethode die Ergebnisdaten der Datengruppen zusammenge-fasst. Je nach Auswahl der Teilmengen der Datengruppen werden dieDaten gruppiert (nach Versuchspersonen, nach Versuchsdurchläufen

3.5 verifikation des werkzeugs simtra 63

oder nach beiden Bezeichnern zusammen). Wurde ein Datenbezeich-ner zusammengefasst, wird dieser in der Ergebnistabelle mit NA (notavailable) dargestellt. Sind beispielsweise alle Versuchspersonen einerDatengruppe für den Vergleich zusammengefasst worden, wird dies inder Spalte für die Versuchspersonennummern (sID) in den betreffendenZeilen der Datengruppen NA angezeigt.

Für den Vergleich von Datengruppen werden die Datenbezeichnerfür die Herkunft der Daten (dID) neu gesetzt, um zu verhindern, dassDaten mit gleicher Herkunft durch die Verarbeitung zusammengelegtwerden. In der Datei info.txt im Ergebnisordner werden die originalenund die neuen Datenbezeichner abgelegt.

In den Ergebnistabellen eines Vergleichs (beispielsweise aoi_com-pare.txt) sind die Informationen für alle beteiligten Datengruppen unddie wichtigsten Parameter aufgeführt (wie z. B. Anzahl der Versuchs-personen und Auswahl der Gruppierung). Zusätzlich zu den Ergebni-stabellen werden für jede Analysemethode die Eingangsdaten, die fürden Vergleich genutzt wurden, abgelegt (beispielsweise aoi_data.txt),um einen schnellen Zugriff auf die Vergleichsdaten zu ermöglichen.Alle Ergebnistabellen werden in dem gewählten Ergebnisverzeichnis ineinem neuen Ordner (Wertebereich 1..n) abgelegt.

Anschließend werden graphische Ausgaben erstellt und in dem Un-terverzeichnis Plots abgelegt. Als Datengrundlage der graphischen Aus-gaben sind für jede Analysemethode Dateien mit der Endung _transda-ta.txt abgelegt. Die Graphiken werden entsprechend zu der Analyse-komponente zum einen als .png für den schnellen Überblick und zumanderen als hochauflösendes .ps erzeugt. Sollen die Graphiken indivi-duell angepasst werden, kann der Benutzer die Datei compareInfo.txtim Ergebnisverzeichnis bearbeiten und den Vergleich erneut ausführen.In dieser Datei können Cut-off -Kriterien für die Datendarstellung undeine Spalte festgelegt werden, nach der in ansteigender Reihenfolge dieDaten sortiert dargestellt werden sollen.

3.5 verifikation des werkzeugs simtra

Die Verifikation der Implementierung stellt einen wichtigen Bestandteilfür die Realisierung des Werkzeugs SimTrA dar. Anhand von Black-Box-Tests (Sommerville 2001) kann das System aufgrund der Ein- undAusgaben überprüft werden.

Begleitend zu der Implementierung von SimTrA wurden Modultestsund algorithmische Tests durchgeführt. Diese stellten die spezifikations-gemäße Realisierung der einzelnen Komponenten sicher. Abschließendwurden verschiedene Integrationstests durchgeführt.

In diesem Abschnitt wird ein Integrationstest mit einem reduziertenTestbett dargestellt. Das Ziel dieses Integrationstests ist die Überprü-fung, ob für die Testdaten die Analyse- und Vergleichsalgorithmen diekorrekten Ausgabewerte berechnen und ob das Zusammenwirken vonJava und R spezifikationsgemäß funktioniert. In diesem Zusammen-hang wurde ebenfalls geprüft, ob die notwendigen Dateien angelegtund für die einzelnen Systemkomponenten zugreifbar sind (Black-Box-Test).

64 simulation trace analyzer

Für die Verifikation in SimTrA wurde eine reduzierte Testeingabespezifiziert und der Prozess der Datenanalyse mit der standardisiertenKonfiguration in allen Prozessschritten durchlaufen. Vor jedem Pro-zessschritt wurden die erwarteten Ergebnisse manuell erhoben undberechnet und diese mit den Systemausgaben verglichen. Zusätzlichwurden die von dem System abgelegten Dateien mit den konzeptionellerwarteten verglichen.

Während der Verifikationsphase wurden die Anforderungen an einWerkzeug zur Datenanalyse (siehe Kapitel 3.2) exemplarisch überprüft.

Testdaten

Die Testdaten für den Black-Box-Test stellen ein fiktives Blickprotokolleiner Versuchsperson dar. Die Fixationszeiten wurden so gewählt, dasseine einfache Überprüfung der Systemausgaben möglich ist.

Das Blickprotokoll besteht aus 20 Fixationen, die abwechselnd aufzwei unterschiedliche Punkte, (B1(50,150) und B2(250,150)), gerichtetsind (siehe Abbildung 14). Eine Fixation dauert 950 Millisekunden, derWechsel von einem Fixationspunkt zu dem anderen Fixationspunkt 50

Millisekunden. Somit ergibt sich für das Blickprotokoll eine Dauer von20 Sekunden, wobei die erste Fixation bei 50 Millisekunden stattfindet.Für jeden Blickpunkt gibt es 10 Fixationen (je 9,5 Sekunden).

AOI 0 AOI 2

AOI 3 AOI 5AOI 4

AOI 6

AOI 2

AOI 8AOI 7

0/0 0/100 0/200

100/0

200/0

300/0

0/300

Abbildung 14: Übersicht der Testdaten.

Aufbereitung

Für die Aufbereitung wurde das Blickprotokoll in SimTrA importiertund ein Blickgebiet von 300 mal 300 Pixeln mit einem 3 mal 3 Rasterangelegt (siehe Abbildung 14). Zusätzlich wurde eine schematischeAbbildung der Versuchsanordnung geladen und ein Zeitintervall von10000 bis 20000 Millisekunden erzeugt.

Alle erwarteten Systemausgaben der Komponente Aufbereitung wur-den erzeugt und in der Verzeichnisstruktur in den spezifizierten Ord-nern abgelegt.

3.5 verifikation des werkzeugs simtra 65

Analyse

Für die Analyse der Daten wurden alle Analysemethoden ausgewähltund die Analyse gestartet. In Tabelle 5 sind die erwarteten und dievon SimTrA berechneten Ergebnisse zusammengefasst. Es zeigt sich,dass die Systemausgaben mit den erwarteten Werten übereinstimmen.Alle Ergebnisdateien (d. h. Tabellen und graphische Ausgaben) undSteuerungsdateien wurden angelegt und in den jeweiligen Ordnern derVerzeichnisstruktur abgelegt.

Tabelle 5: Von SimTrA berechnete Werte der Analyse für die Testdaten imBezug zu den manuell errechneten Werten.

SimTrA Manuell

Änzahl von FixationenGesamt 20 X

Intervall 10 X

Fixationsdichte undRäumliche Dichte

Gesamt 22,2 % X

Intervall 22,2 % X

Relative Häufigkeitender Fixationen

Gesamt AOI3: 50 %, AOI5: 50 % X

Intervall AOI3: 50 %, AOI5: 50 % X

KumulierteFixationsdauer

Gesamt AOI3: 9,5 Sek., AOI5: 9,5 Sek. X

Intervall AOI3: 4,75 Sek. AOI5: 4,75 Sek. X

ÜbergangshäufigkeitenGesamt AOI3>5: 52,63 %, AOI5>3: 47,37 % X

Intervall AOI3>5: 55,56 %, AOI5>3: 44,44 % X

ÜbergangsdichteGesamt 2,47 % X

Intervall 2,47 % X

Statistische Analyse derHäufigkeiten

Gesamt Hc: -0,006 X

Intervall Hc: -0,027 X

Lokale Fixationspfade Gesamt AOI3>5>3: 50 %, AOI5>3>5: 50 % X

Intervall AOI3>5>3: 50 %, AOI5>3>5: 50 % X

Sek. : Sekunden

Bereinigung und Vergleich

Für die Bereinigung wurden die zuvor analysierten Daten ein zweitesMal analysiert und abgespeichert. Beide Datensätze wurden in dieKomponente zur Bereinigung der Daten integriert und betrachtet. DieDaten mussten für den Vergleich nicht bereinigt werden. Anschlie-ßend wurden die Daten für den Vergleich zweimal geladen und allemöglichen Vergleiche ausgeführt.

Bei der Bereinigung und dem Vergleich wurden alle Konfigurations-und Ergebnisdateien angelegt und in der Verzeichnisstruktur abgelegt.Hinsichtlich der deskriptiven Vergleiche wurden die Ergebnistabellenmit den Werten der Analyse verglichen, um die korrekte Übertragungder Analysedaten zu gewährleisten. Abschließend wurden die Daten-bezeichner überprüft.

Die Datenbezeichner der Ergebnistabellen wurden spezifikationsge-mäß erstellt. Alle Daten für die Vergleiche wurden aus den Analyseta-bellen richtig übernommen. Abgeleitete und zusammengefasste Wertewurden adäquat berechnet. Alle graphischen Ausgaben wurden erstellt.

66 simulation trace analyzer

Ergebnis

Bei der Verifikation von SimTrA konnte bei der Ausführung der Algo-rithmen für die Analyse und den Vergleich der Blickbewegungsdatenkein Fehlverhalten festgestellt werden. Die Ergebnisse von SimTrAentsprechen den zuvor manuell erhobenen und berechneten Werten.

Die einzelnen Schritte der Verifikationsphase zeigten ebenfalls, dassdie implementierte Benutzungsoberfläche in Java die effektive und ef-fiziente Verarbeitung von Blickbewegungsdaten ermöglicht und dasZusammenwirken von Java und R problemlos funktioniert. Alle Steue-rungs- und Konfigurationsdateien wurden angelegt und konnten zwi-schen den verschiedenen Komponenten ausgetauscht werden. Es zeigtesich, dass die Anforderungen bezüglich eines Werkzeugs zur Datenana-lyse, die konzeptionell in SimTrA integriert sind, in der Implementie-rung umgesetzt wurden.

4E X P E R I M E N T E L L E S T U D I E N

In diesem Kapitel wird die Anwendung von SimTrA beispielhaft an ei-ner experimentellen Interfacestudie unter Verwendung von simuliertenund empirisch erhobenen Blickbewegungsdaten gezeigt. Das Untersu-chungsdesign der Interfacestudie wird eingeführt und anschließendwerden die Ergebnisse diskutiert. Dieses Kapitel schließt mit einer Be-schreibung von weiteren experimentellen Studien, in denen SimTrA fürdie Analyse von Blickbewegungsdaten eingesetzt wurde.

4.1 experimentelle hauptstudie

Mit der Hauptstudie soll zum einen gezeigt werden, dass SimTrA dieAnalyse und den Vergleich von empirischen und simulierten Blickbewe-gungsdaten im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion unterstützt.Zum anderen soll der Vorteil der Analyse von feinen Simulationsda-ten auf der Ebene der Blickbewegungsdaten für die Bewertung desSimulationsverhaltens gegenüber den Standardanalysen (z. B. Fehler,Ausführungszeiten) dargestellt werden.

Zu diesem Zweck wurde eine experimentelle Studie durchgeführt.Während der Interaktion mit drei alternativen Gestaltungen einerMensch-Maschine-Schnittstelle für eine komplexe Steuerungs- undKontrollaufgabe wurden Leistungsdaten erfasst und anschließend ana-lysiert. Für die Simulation wurden zwei kognitive Modelle entwickelt,die sich hinsichtlich der Implementierung der kognitiven Prozesse un-terscheiden. Das erste Modell simuliert starres regelbasiertes Verhalten,das ohne Situationseinflüsse einem Regelkreis folgt und die Aufgabebearbeitet (Top-down-Verhalten). Das zweite Modell simuliert flexiblesVerhalten, das für die Bearbeitung der Aufgabe Umgebungsinformatio-nen berücksichtigt und für die Auswahl der Aufgabenschritte integriert(Bottom-up-Verhalten). Die Schnittstellen unterschieden sich in derAnordnung der Interaktions- und Rückmeldeelemente.

Betrachtet wurden die Leistungsdaten (d. h. die Performanzdatenund Blickbewegungen) der Versuchsgruppen bei der Interaktion mitdrei alternativen Schnittstellen. In der experimentellen Hauptstudiewurden zum einen die drei Schnittstellen aufgrund der Leistungsdatenfür jede Versuchsgruppe untersucht und Unterschiede betrachtet undbewertet. Zum anderen wurden die kognitiven Modelle miteinanderverglichen und im Bezug zu den empirischen Daten betrachtet.

4.1.1 Aufgabe

Die Aufgabe in der Untersuchung stellt die Kontrolle und Steuerungeiner Teilaufgabe einer komplexen und dynamischen Schnittstelle zurSteuerung einer Destillationskolonne dar. Sie entspricht der in der Vor-untersuchung zu SimTrA genutzten Aufgabe (siehe Kapitel 3.1.1). DasZiel besteht in der Destillation einer Flüsigkeit in einem Tank (siehe

67

68 experimentelle studien

Abbildung 15). Zusammengefasst wird der Flüssigkeitspegel durch dasRegeln eines Regelventils (S1202) und einer Heizung (H1202) gesteuert,wobei die Heizung für den Destillationsprozess angeschaltet sein muss.Fällt der Flüssigkeitspegel unter die untere Grenze, wird die Heizungautomatisch ausgeschaltet, um eine Schädigung der Prozessanlage zuverhindern. Die einzelnen Bedienelemente werden über die bereitge-stellte Schnittstelle mit der Maus bedient. Einmaliges Klicken auf eineBedienfläche ändert den aktuellen Zustand des Bedienelements (z. B.von auf nach zu für das Regelventil).

Abbildung 15: Ansicht der Versuchsumgebung für die Kontroll- und Steue-rungsaufgabe (H1202: Heizung, S1202: Regelventil).

Für die Untersuchung wurde eine Prozesssimulation genutzt. Diesewurde für alle Versuchsgruppen mit gleichen initialen Werten gestartet(d. h. der Flüssigkeitspegel lag bei 26 %) und ausgeführt. Die obe-re Grenze für die Kontroll- und Steuerungsaufgabe wurde bei 80 %und die untere Grenze bei 30 % des Füllung der Pegelstandsanzeigefestgelegt. Die Prozessdaten wurden alle 333 Millisekunden in derMensch-Maschine-Schnittstelle aktualisiert.

4.1.2 Versuchsgruppen

Für die Untersuchung wurden drei Versuchsgruppen unterschieden,die analysiert und verglichen wurden. Zum einen wurde das Interakti-onsverhalten von realen Versuchspersonen erfasst und zum anderendas Interaktionsverhalten von zwei unterschiedlichen kognitiven Mo-dellen, die sich in der internen Struktur der Aufgabenabarbeitung undder visuellen Suche unterscheiden.

Versuchpersonen

Die Versuchspersonen waren 34 Studenten der Technischen UniversitätBerlin, davon 19 männliche und 15 weibliche (Altersdurchschnitt: 28,4Jahre), und trugen keine Brille. Für die Teilnahme an der Untersuchungerhielten sie 10 Euro.

4.1 experimentelle hauptstudie 69

Kognitive Modelle

Für die kognitiven Modelle wurde in einer qualitativen Expertenstudie(n = 9) das Interaktionswissen für gelernte Anwender bei der Kontroll-und Steuerungsaufgabe erhoben. Für die Kontroll- und Steuerungsauf-gabe wurde die Position des Flüssigkeitspegels durch die Experten infünf Bereiche eingeteilt: unter der unteren Grenze, niedrig, optimal,hoch und über der oberen Grenze. Zusätzlich musste der Trend desFlüssigkeitspegels betrachtet werden, wenn dieser fallend war. Es zeigtesich, dass für die erfolgreiche Abarbeitung der Aufgabe acht Regeln zulernen sind (siehe Tabelle 6), die für die Steuerung ausreichend sind.Jede Regel basiert auf einem Gesamtzustand der Schnittstellenelemen-te der Experimentalumgebung, aus dem eine Handlungsanweisungabgeleitet wird. Die acht Regeln wurden als Grundlage für die Entwick-lung der kognitiven Modelle genutzt und in Produktionsregeln unddeklarative Wissenselemente umgesetzt. Die Zustände der Schnittstel-lenelemente werden in dem Zielzustand der kognitiven Modelle internrepräsentiert. Die Bereiche niedrig und hoch werden mit 20 % überbzw. 20 % unter den jeweiligen Grenzen initialisiert.

Alle Bedien- und Aufmerksamkeitsprozesse der kognitiven Modellewerden über die bereitgestellten Funktionen und Produktionsregelnvon AGImap (siehe Kapitel 2.4.4) realisiert.

Tabelle 6: Regeln für die Steuerung und Kontrolle der untersuchten Aufgabe.Der Pegel der Flüssigkeit im Tank ist in fünf Abschnitte eingeteilt:über der oberen Grenze, hoch, optimal, niedrig und unter der un-teren Grenze. Die Heizung kann an- oder ausgeschaltet sein. DasRegelventil kann geöffnet oder geschlossen sein.

Bedingungsteil Ereignisteil

Regel Heizung Regelventil Pegel Trend Handlung

1 geschlossen über Öffnen des Regelventils

2 aus geöffnet über Anschalten der Heizung

3 aus hoch Anschalten der Heizung

4 an geschlossen hoch Öffnen des Regelventils

5 aus optimal Anschalten der Heizung

6 aus niedrig Anschalten der Heizung

7 an geöffnet niedrig fallend Schließen des Regelventils

8 geöffnet unter Schließen des Regelventils

top-down-orientiertes kognitives modell Das Top-down-Modell implementiert eine feste interne Struktur der Abläufe durchdie Anwendung von Zustandsvariablen in den Produktionsregeln (Top-down-Verhalten). Jede Produktionsregel besitzt einen einzigartigen Zu-stand im Bedingungsteil (d. h. eine Zustandsvariable), der die Auswahlder Produktionsregel begründet, und einen nachfolgenden Zustand imEreignisteil, der die Auswahl der nächsten Produktionsregel bestimmt.Durch die starre interne Struktur wird das beobachtbare Modellverhal-ten bestimmt.

Das kognitive Modell erfasst fortlaufend die relevanten Bedienele-mente in einer von dem Modell vordefinierten Reihenfolge und legt die

70 experimentelle studien

Erfasse Ventil

Erfasse Heizung

Erfasse Pegel

Prüfe Regeln

Führe Regel aus

Regel vorhanden

Keine Regel

vorhanden

Abbildung 16: Schematische Darstellung des internen Ablaufzykluses des Top-down-orientierten kognitiven Modells.

Zustände in einer internen Repräsentation ab. Zu diesem Zweck wurdeein Regelkreis für die Aufgabenbearbeitung implementiert (siehe Abbil-dung 16). In den ersten drei Schritten werden die Bildschirmelementein einer festgelegten Reihenfolge betrachtet und der Zustand jedesBedienelements (Heizung und Regelventil) sowie des Flüssigkeitspe-gels mit dem aktuellen Trend in der internen Repräsentation abgelegt.Anschließend wird der aktuelle Zustand der internen Repräsentationgenutzt, um eine Handlung auszuwählen, das heißt es wird überprüft,ob eine der acht Regeln zu der aktuellen Datenrepräsentation passt(siehe Tabelle 6). Kann eine Regel ausgewählt werden, wird diese aus-geführt und der neue Zustand des geänderten Bedienelements (d. h.Heizung oder Regelventil) wird abgelegt. Kann keine Regel ausgewähltwerden, wird die Heizung auf ihren Zustand überprüft und der Zu-stand in der internen Repräsentation abgelegt. Somit wird die Heizungkontinuierlich auf ihren Zustand überprüft. Der Sonderfall, das heißtder Flüssigkeitspegel sinkt unter die untere Grenze und die Heizungwird automatisch ausgeschaltet, wird ebenfalls durch das kognitiveModell berücksichtigt. Anschließend startet der Regelzyklus bei demErfassen des Flüssigkeitspegels und des Trends erneut.

Die Erfassung eines Schnittstellenelements beinhaltet die Ausrich-tung der visuellen Aufmerksamkeit auf das jeweilige Element, dieErfassung des aktuellen Zustands (Farbe oder Position), die Interpreta-tion des Zustandes und die Speicherung des Zustandes in der internenRepräsentation des kognitiven Modells. Die Ausführung einer Regelbeinhaltet die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf das jeweilige In-teraktionselement, das Schalten des Bedienelements mit der Maus unddas Ablegen des aktuellen Zustandes in der internen Repräsentationdes kognitiven Modells.

Die Top-down-Implementierung erlaubt die Abbildung von starkregelbasiertem Verhalten. Die Reaktion auf unvorhergesehene Zuständedes Systems sind nur bedingt möglich und der Abbruch von angesto-ßenen Abläufen ist nicht möglich. Eine gestartete Aktion wird auchdann durchgeführt, wenn die Ausführung aufgrund einer Änderungder Experimentalumgebung nicht mehr notwendig ist (z. B. Schaltender Heizung).

4.1 experimentelle hauptstudie 71

bottom-up-orientiertes kognitives modell Das Bottom-up-Modell basiert auf der Annahme der minimalen Kontrolle von Zu-ständen der menschlichen Kognition (Taatgen 2007). Die Annahmebesagt, dass das menschliche Verhalten durch minimal notwendigeinterne Kontrollstrukturen gesteuert wird, die zur Ausführung einerAufgabe notwendig sind. Somit werden vorhandene Umgebungsinfor-mationen genutzt, um das Verhalten dynamisch zu steuern (Bottom-up-Verhalten).

Für kognitive Modelle in der kognitiven Architektur ACT-R folgt,dass Informationen (z. B. in den Buffern der Module; siehe Kapitel 2.2.1),die zu einem Zeitpunkt vorhanden sind, integriert und für die Aus-wahl des folgenden Produktionsschrittes berücksichtigt werden müssen.Für darüber hinaus notwendige Kontrollstrukturen können zusätzlicheZustandsvariablen eingeführt werden, die zum einen Produktionen ver-ketten und zum anderen Gruppen von parallel aktivierten Produktions-regeln definieren (entspricht einer geschichteten Top-down-Steuerung).Für ein kognitives Modell bedeutet dies, dass die Produktionsregelnnicht in einer festen Reihenfolge implementiert sind, sondern je nachaktuellem Zustand des künstlichen kognitiven Systems ausgewähltwerden. Das kognitive Modell kann dementsprechend angefangeneAusführungsabläufe abbrechen und Änderungen in der Experimental-umgebung schnell wahrnehmen und adäquat reagieren.

Erfasse Ventil

Erfasse Heizung

Erfasse Pegel

Änderung wahrnehmen

hre

Re

ge

l au

s

Prüfe Regel 1

Prüfe Regel ...

Prüfe Regel 8

Prüfe Regeln

Erf

ass

e Ä

nd

eru

ng

Abbildung 17: Schematische Darstellung des Bottom-up-orientierten kogniti-ven Modells.

Das Bottom-up-Modell nutzt die interne Repräsentation der Schnitt-stellenelemente und die Zustände der Buffer des kognitiven Modells,um eine Produktionsregel zur Ausführung auszuwählen. In Abbil-dung 17 ist die interne Organisation des Bottom-up-Modells schema-tisch verkürzt dargestellt. Die Gruppierung von Aufgaben bedeuteteine theoretisch parallele Aktivierung dieser Aufgaben.

Für die Aufgabenbearbeitung wurden Produktionen implementiert,die für jedes Schnittstellenelement, dessen Zustand unbekannt ist, dieAufmerksamkeit auf das Bedienelement richten, den Zustand erkennenund diesen in die interne Repräsentation ablegen. Weiterhin wurdefür jede Regel zur Steuerung und Kontrolle der Prozessaufgabe (sieheTabelle 6) eine Produktionsregel erstellt, die die jeweiligen Zustän-de der Schnittstellenelemente als Eingangsbedingung besitzt und dieentsprechende Handlung in ihrem Aktionsteil anstößt. Sobald eine

72 experimentelle studien

Bedingung durch den aktuellen Zustand der internen Repräsenatationerfüllt ist, wird die Produktionsregel aktiviert und kann zur Ausfüh-rung ausgewählt werden. Die Ausführung der Handlung wird über dieVerwendung von Zustandsvariablen realisiert.

Änderungen in der Experimentalumgebung werden durch das visu-elle Modul wahrgenommen und in dem visuellen Buffer bereitgestellt.Eine Produktionsregel wurde eingeführt, die aktiviert ist, wenn eineÄnderung der Experimentalumgebung durch das visuelle Modul fest-gestellt wurde und keine Zustandsvariable im aktuellen Zielzustandvorhanden ist. Diese Regel stößt einen Prozess an, der die visuelle Auf-merksamkeit auf das geänderte Element richtet, den Zustand erfasstund diesen in die interne Repräsentation der Schnittstellenelementeintegriert (entspricht den Aufgaben Änderung wahrnehmen und ErfasseÄnderung in Abbildung 17). Die Erfassung einer Zustandsänderungwird ebenfalls durch Zustandsvariablen gruppiert.

Das kognitive Modell reagiert dementsprechend auf Änderungen inder Experimentalumgebung und integriert neue Informationen in dieinterne Repräsentation der Schnittstellenelemente. Eine Handlung (d. h.das Schalten der Heizung oder des Regelventils) wird abhängig vonder internen Repräsentation ausgeführt.

4.1.3 Versuchsdesign

Die zweite unabhängige Variable, neben den Versuchsgruppen (sieheKapitel 4.1.2), ist die Art der Schnittstelle, für die drei unterschiedlicheAlternativen gestaltet wurden. Diese unterscheiden sich in der Anord-nung der Interaktions- und Rückmeldeelemente (siehe Abbildung 18)und werden im Folgenden als Szenarien bezeichnet. In der erstenSchnittstelle sind die Interaktion und die Rückmeldung für ein Be-dienelement in einem Element innerhalb der schematischen Abbildungder Destillationskolonne zusammengefasst. In der zweiten Schnittstellewerden für jedes Bedienelement ein Interaktionselement und ein Rück-meldeelement eingeführt. Die Interaktionselemente werden in einerzusätzlichen Leiste unterhalb der schematischen Darstellung der De-stillationskolonne bereitgestellt. Die Rückmeldeelemente befinden sichinnerhalb der schematischen Abbildung der Destillationskolonnen. Diedritte Schnittstelle stellt für die Interaktionselemente eine Leiste undfür die Rückmeldeelemente eine Leiste unterhalb bzw. oberhalb derschematischen Abbildung bereit. In der dritten Schnittstelle werden dieRückmeldeelemente in Form von farbigen Leuchten dargestellt.

00

0

3 4 3 4

1

2

1

2

2 1

Szenario 1 Szenario 3Szenario 2

Abbildung 18: Drei Schnittstellen für die Untersuchung mit den für die Analysefestgelegten AOIs (Szenario 1, Szenario 2 und Szenario 3).

4.1 experimentelle hauptstudie 73

Als abhängige Variablen wurden die Blickbewegungen (X- und Y- Ko-ordinaten und Zeitstempel) erfasst und die Performanz der Anwenderin der Kontroll- und Steuerungsaufgabe erhoben.

Die empirische Studie wurde innerhalb von zwei Wochen im Feb-ruar 2007 an der Technischen Universität Berlin durchgeführt. JedeVersuchsperson bediente in einem Versuchsablauf alle drei Schnittstel-lenszenarien. Die Reihenfolge wurde permutiert. Die Versuchsdauerlag bei durchschnittlich 30 Minuten.

Die Simulationen wurden für jedes Szenario und jedes Modell hinter-einander ausgeführt. Dafür wurden für jeden Durchlauf das deklarativeGedächtnis und alle von dem kognitiven Benutzermodell abgelegtenInformationen aus der Simulationsumgebung gelöscht.

4.1.4 Versuchsablauf

Der Versuch wurde mit einer kurzen Einführung des Versuchsaufbausund der nachfolgenden Schritte begonnen. Anschließend wurden diedemographischen Daten erhoben. Nach den einführenden Schrittenwurde die Versuchsperson gebeten, sich vor den Arbeitsplatz zu setzen,so dass die Maus bequem zu erreichen und der Bildschirm gut zu sehenist. Im Folgenden wurde die zu bearbeitende Aufgabe anhand einerkurzen Präsentation eingeführt. Daran schloß eine Lernphase aller dreiSchnittstellen an, um die Bedienoberflächen und die Aufgabe kennenzu lernen. Das System wurde als verstanden und gelernt angenom-men, wenn der Anwender den Flüssigkeitspegel für jede Schnittstelledreimal zwischen den zwei Grenzen mit eingeschalteter Heizung für10 Sekunden stabilisieren konnte. Nachfolgend wurde der Helm zurErfassung des Augenbildes aufgesetzt, festgeschnallt und das Systemfür die Blickbewegungserfassung kalibriert. Anschließend wurden dieSchnittstellen der drei Szenarien durch die Versuchsperson bedient unddie Blickbewegung aufgezeichnet. Jedes Szenario wurde 45 Sekundenlang bearbeitet. Der Versuch endete mit der Informierung der Versuchs-personen über die Weiterverarbeitung und Nutzung der Ergebnisse desVersuchs.

Für die Simulationsstudie wurden die zwei kognitiven Modelle für je-des Szenario 30-mal 45 Sekunden lang ausgeführt und die Daten erfasst.Dabei wird jeder Modelldurchlauf als ein Element der Versuchsgruppebetrachtet.

4.1.5 Geräte

Die Blickbewegungserfassung erfolgte wie im Vorversuch (siehe Ka-pitel 3.1.5). Die Schnittstellen (600 x 400 Pixel) für die Interaktionwurden auf einem 30-Zoll-Monitor dargestellt und durch eine Maus be-dient (siehe Abbildung 19). Die Auflösung, Größe und Anordnung derSchnittstellen waren für die kognitiven Modelle und die Versuchsperso-nen gleich. Der Abstand der Versuchspersonen von dem Bildschirm lagbei ungefähr 70 Zentimetern, der simulierte Abstand der kognitivenModelle lag bei 70 Zentimetern.

74 experimentelle studien

Abbildung 19: Ansicht des Versuchsaufbaus für die Versuchspersonen.

4.1.6 Versuchsauswertung

Für die Auswertung der Performanz der Anwender bei der Kontroll-und Steuerungsaufgabe wurden die Log-Dateien der Prozesssimulationmit der Software R ausgewertet. Dabei wurden die Anzahl der Interak-tionen und der Stabilisierungsfaktor ermittelt. Der Stabilisierungsfaktorstellt die Dauer des Pegels innerhalb der Füllstandsanzeige zwischenden zwei Grenzen in Relation zu der Ausführungsdauer von 45 Sekun-den dar. Die Interaktionen wurden nach Schaltungen der Heizung unddes Regelventils unterteilt.

Die empirisch erhobenen Blickbewegungsdaten wurden mit der Soft-ware BeGaze in Fixationen transformiert (minimale Fixationsdauer:100 Millisekunden, mögliche Abweichungen des Blickwinkels: 2 Grad).Für die simulierten Blickbewegungsdaten wurde die minimale Fixa-tionsdauer software-seitig bei 100 Millisekunden festgelegt. Die Ana-lyse und der Vergleich der Blickbewegungsdaten wurde mit SimTrAdurchgeführt. Das Blickgebiet (Größe der Schnittstelle) wurde einheit-lich festgelegt (EckelinksOben(20/20) und EckerechtsUnten(820/620))Die empirischen Daten wurden innerhalb von SimTrA anhand eineseingefügten Hintergrundbildes einheitlich angepasst (X-Skalierung: 4,Y-Skalierung: 4, X-Offset: -120 und Y-Offset: -120). Für jedes Szenariound jede Versuchsgruppe wurden die Fixationsdaten analysiert undjeweils in einem Analyseordner abgelegt. Für die Analyse der relati-ven Häufigkeit der Fixationen, der kumulierten Fixationsdauer, derÜbergangshäufigkeiten, der Anzahl der Fixationen, der statistischenAnalyse der Übergangshäufigkeiten und der lokalen Fixationspfadewurden 3 bzw. 5 AOIs festgelegt (siehe Abbildung 18). Für die Analyseder Fixationsdichte, der räumlichen Dichte und der Übergangsdichtewurde ein 10 x 10 Gitter angelegt. Dieses Gitter wurde gewählt, umeine feine Betrachtung der Blickbewegungsdaten zu ermöglichen. An-schließend wurden die Daten bereinigt und für jedes Szenario die dreiVersuchsgruppen miteinander verglichen.

4.1 experimentelle hauptstudie 75

Für den Vergleich der Blickbewegungsdaten der einzelnen Szenarienund für einen übersichtlichen Vergleich der Versuchsgruppen wurdendie gewählten AOIs in Szenario 2 und Szenario 3 funktional zusam-mengefasst und die Analyse und der Vergleich der Fixationspfade undder statistischen Analyse der Übergangshäufigkeiten aller Szenarienund Versuchsgruppen erneut durchgeführt. Hierzu wurden die AOIs2 und 3 für das Regelventil und die AOIs 1 und 4 für die Heizungzusammengefasst.

Die Auswertung wird deskriptiv durchgeführt. InferenzstatistischeMaße kommen nicht zur Anwendung, da in der Voruntersuchung ge-zeigt wurde, dass simulierte Daten kognitiver Modelle zum Teil keineVarianz aufweisen (siehe Kapitel 3.1). In der Auswertung wird vonÄhnlichkeiten gesprochen. Diese beziehen sich auf die Standardab-weichungen und Mittelwerte der jeweils betrachteten Faktoren. Dabeiwird überprüft, ob die Mittelwerte innerhalb einer Standardabweichungliegen.

4.1.7 Experimentelle Hypothesen

In der Studie wurden drei experimentelle Hypothesen exemplarischuntersucht, um zeigen zu können, dass die Analyse und der Vergleichsimulierter und empirischer Leistungsmaße mit SimTrA die Betrach-tung von experimentalpsychologischen Fragestellungen ermöglicht.

In der ersten Hypothese wird angenommen, dass die drei unter-schiedlich gestalteten Schnittstellen unterscheidbare Leistungsdateninduzieren. Für die Performanz wird angenommen, dass die unter-schiedliche Anordnung der Schnittstellenelemente und die Auftteilungin Interaktions- und Rückgabeelemente für die drei Schnittstellen Un-terschiede erzeugen (Hypothese 1a). Dies kann durch den erhöhtenKoordinationsaufwand begründet werden. Die Interfaces werden eben-falls als unterscheidbar angenommen hinsichtlich der induzierten Fi-xationspfade und der bedingten Abhängigkeit der Blickbewegungen(Hypothese 1b). Diese Annahme stützt sich darauf, dass unterschiedli-che Anordnungen und Entfernungen der Interaktions- und Rückmel-deelemente unterschiedliche Kosten für die visuelle Suche erzeugen. Jegrößer die Entfernung der Elemente voneinander, desto größer die Kos-ten für die visuelle Suche. Somit ergeben sich für die visuelle Suche unddie drei Schnittstellen unterschiedliche Kosten, da diese aufgrund dergrößer werdenden Entfernung der Schnittstellenelemente von Szenario1 nach Szenario 3 zunehmen.

Im Weiteren wird angenommen, dass die zwei in den kognitivenModellen abgebildeten unterschiedlichen theoretischen Annahmen zuInformationsaufnahme- und -verarbeitungsprozessen zu unterscheidba-ren Leistungsdaten führen (Hypothese 2). Das Top-down-Modell steuertdie Informationsaufnahme und die Interaktionsprozesse nach einemfesten Schema. Das Bottom-up-Modell reagiert flexibel auf Umgebungs-reize. Dieser Unterschied wird in einer unterscheidbaren Häufigkeitvon wichtigen Fixationspfaden der zwei kognitiven Modelle zu sehensein.

Die dritte Annahme besagt, dass das flexible und situationsabhän-gige Verhalten des Bottom-up-Modells das menschliche Verhalten bei

76 experimentelle studien

der Bedienung der komplexen und dynamischen Mensch-Maschine-Schnittstelle besser prädizieren kann als das einem festen Ablaufschemafolgende Top-down-Modell (Hypothese 3).

4.1.8 Ergebnisse

Die Ergebnisse der Untersuchung werden getrennt nach der Analyseder Performanz und der Blickbewegungen dargestellt. In jedem Ab-schnitt werden die Daten im Bezug zu den drei gestellten Hypothesenbetrachtet.

Performanz

Für die Analyse der Performanz wurden die Log-Dateien nach derersten Analyse bereinigt. Datensätze mit einem Stabilisierungsfaktorkleiner als 60 % und mit mehr als 20 Interaktionen für die Heizungoder das Regelventil wurden aus der weiteren Analyse ausgeschlos-sen. Nach der Bereinigung konnten für das erste Szenario 31, für daszweite Szenario 33 und für das dritte Szenario 32 Datensätze von je 34

der empirischen Untersuchung genutzt werden. Für die Analyse derSimulationsdaten konnten jeweils alle 30 Datensätze genutzt werden.In Abbildung 20 sind die Ergebnisse schematisch zusammengefasst.Dargestellt sind der Mittelwert und die Standardabweichung der be-trachteten Faktoren für jedes Szenario und für jede Versuchsgruppe.Zusätzlich wurden die gemittelten Daten jeder Versuchsgruppe für diedrei Szenarien der Abbildung hinzugefügt.

Heizung Regelventil

Stabilisierungsfaktor

Abbildung 20: Übersicht der betrachteten Faktoren für die Bewertung der Per-formanz der drei Versuchsgruppen. Dargestellt sind der Mit-telwert und die Standardabweichung für jeden betrachtetenFaktor für die drei Szenarien und zusammengefasst über diedrei Szenarien.

4.1 experimentelle hauptstudie 77

ergebnisse zur hypothese 1 Für die Betrachtung, ob die dreiunterschiedlichen Schnittstellen unterschiedliche Leistungsdaten indu-zieren, wurden die erfassten Performanzdaten in der Kontroll- undSteuerungsaufgabe der verschiedenen Szenarien für jede Versuchsgrup-pe miteinander verglichen. In Abbildung 20 und Tabellen 7 und 8

werden die Peformanzdaten für die drei Versuchsgruppen und diedrei untersuchten Szenarien dargestellt. Angegeben werden die mitt-lere Anzahl der Schaltungen der Heizung und des Regelventils undder mittlere Stabilisierungsfaktor in Prozentwerten mit der jeweiligenStandardabweichung.

Tabelle 7: Performanz der Menschen für die drei Szenarien. Dargestellt sind dieMittelwerte und die Standardabweichung der betrachteten Faktoren.

Heizung Regelventil Stabilisierungsfaktor

MW SA MW SA MW SA

Szenario 1 1,06 0,25 7,84 2,08 89,39 5,94

Szenario 2 1,15 0,36 7,88 1,98 91,03 4,30

Szenario 3 1,19 0,54 7,88 1,93 91,03 4,83

MW: Mittelwert und SA: Standardabweichung

Für die Versuchspersonen zeigt sich, dass die Mittelwerte für dieStabilisierungsfaktoren, die Anzahl der Interaktionen mit der Heizungund mit dem Regelventil jeweils sehr ähnlich sind. Für die empirischenDaten kann kein Unterschied zwischen den drei Szenarien festgestelltwerden. Die erhobenen Befunde entsprechen somit nicht den Erwartun-gen von Hypothese 1.

Tabelle 8: Performanz des Bottom-up-Modells und des Top-down-Modells fürdie drei Szenarien. Dargestellt sind die Mittelwerte und die Standard-abweichung der betrachteten Faktoren.

Bottom-up-Modell

Heizung Regelventil Stabilisierungsfaktor

MW SA MW SA MW SA

Szenario 1 1,00 0,00 8,83 0,91 92,40 1,03

Szenario 2 1,00 0,00 8,90 0,88 91,78 2,74

Szenario 3 1,00 0,00 8,80 0,66 92,14 1,82

Top-down-Modell

Heizung Regelventil Stabilisierungsfaktor

MW SA MW SA MW SA

Szenario 1 1,00 0,00 7,20 0,55 79,93 2,80

Szenario 2 1,00 0,00 7,33 0,48 80,25 2,12

Szenario 3 1,00 0,00 7,20 0,48 79,96 2,28

MW: Mittelwert und SA: Standardabweichung

Die Mittelwerte der simulierten Daten der kognitiven Modelle fürden Stabilisierungsfaktor, die Anzahl der Interaktionen mit der Heizungund dem Regelventil sind ebenfalls für die jeweilige Versuchsgruppe

78 experimentelle studien

und die drei Szenarien sehr ähnlich. Im Bezug zu den Performanzdatenunterstützen die Befunde für das Bottom-up-Modell und das Top-down-Modell Hypothese 1 nicht.

Zusammenfassend kann zwischen den drei Szenarien innerhalb einerVersuchsgruppe kein unterschiedliches Verhalten auf der Betrachtungs-ebene der groben Leistungsdaten festgestellt werden. Das heißt, dassdie drei unterschiedlichen Schnittstellen keine unterschiedliche Per-formanz induzieren. Zusammenfassend unterstützt die deskriptiveBefundlage der Stichprobe Hypothese 1 nicht.

ergebnisse zur hypothese 2 Für die Hypothese, dass die zweiverschiedenen theoretischen Annahmen der kognitiven Modelle unter-schiedliche Leistungsdaten induzieren, wurden die Performanzdatender kognitiven Modelle in Relation zueinander betrachtet. Da keineUnterschiede innerhalb der Versuchsgruppen für die drei Szenarienfestgestellt wurden, wurden die Daten der Versuchsgruppen für dieÜberprüfung von Hypothese 2 zusammengefasst betrachtet. Die Per-formanzdaten sind in Abbildung 20 (Szenario 1–3) und Tabelle 9 abge-bildet.

Tabelle 9: Durchschnittliche Performanz der drei Versuchsgruppen für die zu-sammengefassten Szenarien. Dargestellt sind die Mittelwerte und dieStandardabweichung der betrachteten Faktoren.

Heizung Regelventil Stabilisierungsfaktor

MW SA MW SA MW SA

Mensch 1,13 0,38 7,86 2,00 90,48 5,02

Bottom-up-Modell 1,00 0,00 8,84 0,82 92,11 1,86

Top-down-Modell 1,00 0,00 7,24 0,50 80,04 2,40

MW: Mittelwert und SA: Standardabweichung

Der Vergleich der Performanzdaten zeigt, dass der Mittelwert des Sta-bilisierungsfaktors des Bottom-up-Modells um durchschnittlich 10,44 %über dem Stabilisierungsfaktor des Top-down-Modells liegt. Für denStabilisierungsfaktor kann daher zwischen den zwei kognitiven Model-len ein Unterschied angenommen werden.

Für die Anzahl der Interaktionen mit dem Regelventil zeigt sich eben-falls ein Unterschied. Das Bottom-up-Modell simuliert durchschnittlich1,6 Interaktionen mehr als das Top-down-Modell. Ein Grund dafür kannin der freien Ablaufstruktur des Bottom-up-Modells liegen, das somitflexibel auf Systemänderungen reagieren kann (siehe Kapitel 4.1.2). ImZusammenhang mit dem höheren Mittelwert für den Stabilisierungsfak-tor des Bottom-up-Modells kann geschlossen werden, dass in kritischenSituationen (z. B. Pegelstand im Bereich hoch oder niedrig) das Bottom-up-Modell schneller reagieren und somit den Prozess besser steuernkonnte. Das heißt, das Regelventil wurde geschlossen, bevor der Pegel-stand den Grenzbereich verlassen konnte, wodurch mehr Interaktionennotwendig waren.

Beide kognitiven Modelle simulieren durchschnittlich einen Mittel-wert von einer Interaktion mit der Heizung. Es kann kein Unterschiedzwischen den zwei Modellen festgestellt werden. Es ist aber zu be-

4.1 experimentelle hauptstudie 79

achten, dass die zu bearbeitende Aufgabe das (mindestens) einmaligeEinschalten der Heizung erfordert, um den Destillationsprozess zu star-ten. Somit ist die einmalige Interaktion mit der Heizung aus Gründender Aufgabenumgebung notwendig. Die identische Anzahl an Inter-aktionen mit der Heizung kann daher nicht als Unterschiedskriteriumgenutzt werden, sondern deutet auf eine korrekte Implementierung derkognitiven Modelle hin.

Die erfassten Performanzdaten ermöglichen den Schluss, dass diezwei kognitiven Modelle unterschiedliches Verhalten erzeugen. Diesesist auf die zugrunde liegenden unterschiedlichen theoretischen Annah-men der Interaktions- und Wahrnehmungsprozesse zurückzuführen.Die deskriptiv-statistischen Befunde der Stichprobe stimmen mit denErwartungen aus Hypothese 2 gut überein.

ergebnisse zur hypothese 3 Um zu überprüfen, ob das Bottom-up-Modell das menschliche Verhalten besser vorhersagen kann alsdas Top-down-Modell, wurden die Performanzdaten der kognitivenModelle mit den empirischen Performanzdaten verglichen. Da keineUnterschiede innerhalb der Versuchsgruppen für die drei Szenarienfestgestellt wurden, konnten die Daten der drei Versuchsgruppen fürdie Bewertung der dritten Hypothese ebenfalls zusammengefasst be-trachtet werden. In Abbildung 20 (Szenario 1–3) und Tabelle 9 sind diePerformanzdaten dargestellt.

Es zeigt sich, dass der Mittelwert für den Stabilisierungsfaktor desBottom-up-Modells (92,11 %) ähnlich zu dem der empirischen Da-ten (90,48 %) ist. Die simulierten Daten des Top-down-Modells liegen10,44 % unterhalb der empirischen Daten. Dieser Befund ist konformmit den Vorhersagen von Hypothese 3.

Beide Modelle simulieren Werte für die Anzahl der Interaktionenmit der Heizung und dem Regelventil, die jeweils mit den empirischerfassten Daten für die Faktoren vergleichbar sind. Es kann nicht dif-ferenziert werden, welches der zwei kognitiven Modelle hinsichtlichder Bedienung der Heizung und des Regelventils eher das menschlicheVerhalten prädiziert.

Da auf deskriptiver Ebene für die Anzahl der Interaktionen keineUnterschiede festgestellt werden konnten und der Stabilisierungsfaktoreinen Unterschied aufweist, entsprechen die Befunde tendenziell denErwartungen von Hypothese 3.

Blickbewegungen

Für die Analyse der Blickbewegungen wurden die Daten in der Kompo-nente zur Bereinigung der Daten von SimTrA betrachtet und bereinigt.Bei den empirischen Daten wurden alle Datensätze aus der Analyseausgeschlossen, bei denen die Anzahl von Fixationen im oberen oderunteren Perzentil lag und die aufgrund der angezeigten Graphikender Blickbewegungsdatenverteilung als fehlerhaft eingestuft wurden.Für die Analyse der Simulationsdaten wurden alle Datensätze über-nommen. In Tabelle 10 sind die allgemeinen Informationen für dieVersuchsgruppen und die einzelnen Szenarien dargestellt (d. h. dieAnzahl der Fixationen, die Fixationsdauer und die Wechselkosten zwi-schen zwei Fixationen).

80 experimentelle studien

Tabelle 10: Anzahl der Versuchspersonen und Mittelwerte und Standardabwei-chung der allgemeinen Informationen der Blickbewegungsdaten fürjede Versuchsgruppe und die drei Szenarien.

Szenario 1

Fixationen Dauer Wechselkosten

DS MW SA MW SA MW SA

Mensch 23 58,30 21,73 0,84 0,38 0,08 0,05

Bottom-up-Modell 30 199,00 2,19 0,17 0,06

Top-down-Modell 30 173,77 3,78 0,21 0,05

Szenario 2

Fixationen Dauer Wechselkosten

DS MW SA MW SA MW SA

Mensch 24 55,50 24,45 0,92 0,39 0,08 0,05

Bottom-up-Modell 30 200,60 1,97 0,17 0,06

Top-down-Modell 30 174,33 2,30 0,21 0,05

Szenario 3

Fixationen Dauer Wechselkosten

DS MW SA MW SA MW SA

Mensch 24 58,25 4,71 0,88 0,44 0,07 0,10

Bottom-up-Modell 30 190,57 1,81 0,18 0,06

Top-down-Modell 30 73,57 2,57 0,21 0,05

DS: Datensätze, MW: Mittelwert und SA: Standardabweichung

Die Daten zeigen, dass die durchschnittliche Anzahl der Fixationenbei den empirischen Daten geringer und die durchschnittliche Fixati-onsdauer größer ist als die simulierte Anzahl der Fixationen und dieFixationsdauer. Ein Grund liegt darin, dass die Daten der kognitivenModelle sehr genau erfasst werden konnten und eine Abweichung imSehwinkel für die Berechnung der Fixationen nicht betrachtet wurde.Somit werden für die folgenden Analysen der Blickbewegungsdatenrelative Werte oder kumulierte Zeitmaße genutzt und angegeben.

Für die Betrachtung der Hypothesen werden in dieser Arbeit nichtalle analysierten Daten diskutiert. Für jede Hypothese werden geeig-nete Daten dargestellt. Die lokalen Fixationspfade (siehe Kapitel 3.3.3)werden für die Überprüfung aller drei Hypothesen genutzt, da in vor-angegangenen Studien festgestellt wurde, dass dieser Blickparametersehr robust ist und viele Informationen weiterer Blickparameter inte-griert (z. B. Transitionen, Übergangsdichte). Als Entscheidungskriteriumfür die Auswahl der häufigsten Fixationspfade wurde die kumulierteHäufigkeit der als häufig ausgewählten Fixationspfade und der Kur-venverlauf betrachtet. Für die Betrachtung des Kurvenverlaufs wurdendie Fixationspfade in eine Rangreihenfolge gebracht und hinsichtlichder Verflachung der Kurve betrachtet.

ergebnisse zur hypothese 1 Für die Überprüfung, ob bei derInteraktion mit den drei verschiedenen Szenarien unterscheidbare Blick-

4.1 experimentelle hauptstudie 81

bewegungsdaten erzeugt werden, wurden die Fixationspfade der funk-tional zusammengefassten AOIs betrachtet. In Abbildung 21 sind fürjede Versuchsgruppe die 12 möglichen Fixationspfade (bei 3 AOIs)in den drei Szenarien dargestellt. Zusätzlich wurden die statistischeAnalyse der Übergangshäufigkeiten für die drei Szenarien und diedrei Versuchsgruppen mit zusammengefassten AOIs betrachtet (sieheAbbildung 22).

Bottom-up-Modell

Häufigkeit (

%)

Häufigkeit (

%)

Häufigkeit (

%)

Top-down-Modell

Mensch

Abbildung 21: Fixationspfade der funktional zusammengefassten AOIs für diedrei Versuchsgruppen und die drei Szenarien mit Standardab-weichungen.

Für die Versuchsgruppe der Menschen zeigt sich, dass in allen dreiSzenarien fünf Fixationspfade mit einer Häufigkeit größer als 7 %vorkommen (0>1>0, 0>2>0, 1>0>2, 2>0>1 und 2>0>2). Diese lokalen Fi-xationspfade können als wichtige Fixationspfade des Menschen gekenn-zeichnet werden. In den drei Szenarien ergeben sich für die kumulierte

82 experimentelle studien

Anzahl der wichtigsten fünf Fixationspfade ähnliche Werte (Szenario 1:77,74 %; Szenario 2: 77,27 %; Szenario 3: 83 %), die somit ca. 80 % dererfassten Daten erklären. Die Rangreihenfolge der fünf Fixationspfadeist in Szenario 2 und Szenario 3 für den Menschen gleich. Szenario 1

unterscheidet sich in der Position des Blickpfades 1>0>2. Alle relativenHäufigkeiten der Fixationspfade liegen innerhalb einer Standardab-weichung der zwei anderen Szenarien. Die relativen Häufigkeiten derlokalen Fixationspfade sind über die drei Szenarien nicht gleich verteilt,liegen jeweils aber dicht zusammen. Aus den lokalen Fixationspfadenkann für die empirischen Daten kein eindeutiger Unterschied zwischenden drei Szenarien abgeleitet werden. Hinweise auf einen Unterschiedzwischen den drei Szenarien bietet die Betrachtung der statistischenAnalyse der Übergangshäufigkeiten (siehe Abbildung 22, links). Hierzeigt sich, dass das Blickverhalten in Szenario 1 eine größere statistischeAbhängigkeit besitzt (geringerer Hc-Wert) als das Blickverhalten inSzenario 2 und Szenario 3 (mit zusammengefassten AOIs). Im Zusam-menhang mit den unterschiedlichen Werten der lokalen Fixationspfadein den drei Szenarien und dem Unterschied in der statistischen Analy-se der Übergangshäufigkeiten kann Hypothese 1 für die empirischenDaten teilweise belegt werden. Es zeigt sich, dass das Blickverhaltendes Menschen in Szenario 2 und Szenario 3 ähnlich ist und sich vondem Blickverhalten in Szenario 1 unterscheidet.

Hc-

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Hc-

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Statistische Analyse der Übergangshäufigkeiten(3 AOIs)

Statistische Analyse der Übergangshäufigkeiten(3 bzw. 5 AOIs)

Abbildung 22: Statistische Analyse der Übergangshäufigkeiten der drei Szenari-en für die drei Versuchsgruppen. Dargestellt sind die Hc-Wertemit einer Standardabweichung für die funktional zusammenge-fassten AOIs (links) und die 3 bzw. 5 AOIs (rechts).

Für das simulierte Blickverhalten des Bottom-up-Modells zeigt sich,dass in allen drei Szenarien Fixationspfade größer als 4 % vorkom-men (0>1>0, 0>2>0, 1>0>2, 2>0>1 und 2>0>2). Diese werden als diewichtigsten Fixationspfade des Bottom-up-Modells festgelegt. Die fünfFixationspfade erklären für die drei Szenarien ca. 90 % der erfasstenDaten (Szenario 1: 90,15 %; Szenario 2: 88,47 %; Szenario 3: 93,67 %).Die Rangreihenfolge in Szenario 2 und Szenario 3 ist gleich. Szenario 1

unterscheidet sich in der Position des Fixationspfades 1>0>2. Anhandder lokalen Fixationspfade kann angenommen werden, dass in Szena-rio 2 und Szenario 3 die Blickbewegungsdaten des Bottom-up-Modellsähnlich sind und in Szenario 1 tendenziell ein Unterschied festzustel-len ist. Dieser Unterschied wird durch die statistische Analyse derÜbergangshäufigkeiten mit zusammengefassten AOIs noch bestärkt.In Abbildung 22 (links) ist für die simulierten Daten des Bottom-up-

4.1 experimentelle hauptstudie 83

Modells zu sehen, dass die Hc-Werte für Szenario 2 und Szenario 3

ähnlich sind und mehr als ein halbes Mal über dem Wert für Szenario1 liegen. Für das Bottom-up-Modell kann Hypothese 1 teilweise belegtwerden. Es zeigt sich, dass das Blickverhalten des Bottom-up-Modells inSzenario 2 und Szenario 3 ähnlich ist und sich von dem Blickverhaltenin Szenario 1 unterscheidet.

Für das Verhalten des Top-down-Modells zeigt sich, dass in allendrei Szenarien ähnliche Fixationspfade vorliegen. Die wichtigsten Fi-xationspfade (größer als 9 %) sind: 0>1>0, 1>0>1, 1>0>2, 0>2>0 und2>0>1. Die 5 Fixationspfade erklären ca. 98 % der erfassten Daten(Szenario 1: 98,63 %; Szenario 2: 98,62 %; Szenario 3: 98,63 %). Die Rang-reihenfolge der Fixationspfade ist in allen drei Szenarien gleich. EineDifferenzierung der Szenarien ist auf Grundlage der Fixationspfadenicht möglich. Die statistische Analyse der Übergangshäufigkeiten fürdie 3 (zusammengefassten) AOIs zeigt, dass die Hc-Werte für Szenario2 und Szenario 3 gleich und mehr als doppelt so groß sind wie derHc-Wert von Szenario 1 (siehe Abbildung 22, links). Für das Blick-verhalten des Top-down-Modells kann daher Hypothese 1 teilweisebelegt werden. Aus Abbildung 22 geht hervor, dass Szenario 2 undSzenario 3 ähnliches Blickverhalten erzeugen, das unterschiedlich zudem Blickverhalten von Szenario 1 ist.

Zusammenfassend kann Hypothese 1 für die Blickbewegungsda-ten mit deskriptiv-statistischen Methoden teilweise gestützt werden.Für alle Versuchsgruppen zeigte sich, dass die Interaktion mit derMensch-Maschine-Schnittstelle in Szenario 2 und Szenario 3 ein ähnli-ches Blickverhalten erzeugt. Das Blickverhalten in Szenario 1 scheintvon den zwei anderen Szenarien unterschiedlich zu sein. Im Vergleichzu den Performanzdaten zeigt sich, dass die Blickbewegungsdaten einedetailliertere Bewertung der Schnittstellen ermöglichen.

ergebnisse zur hypothese 2 Für die Überprüfung, ob die In-teraktion der zwei kognitiven Modelle unterschiedliches Verhaltenerkennen lässt, wurden die Fixationspfade der zwei kognitiven Modelle(siehe Abbildung 23) und die statistische Analyse der Übergangshäu-figkeiten der nicht funktional zusammengefassten AOIs (siehe Abbil-dung 22, rechts) in den jeweiligen Szenarien betrachtet und für die zweiVersuchsgruppen miteinander verglichen. Dabei wurde auf die funktio-nale Zusammenfassung der AOIs verzichtet, um die Daten detaillierterbetrachten zu können.

Den Fixationspfaden größer als 3 % des Bottom-up-Modells wurdendie entsprechenden Werte der zwei kognitiven Modelle zugeordnet.Die ausgewählten Fixationspfade erklären für das Bottom-up-Modellim ersten Szenario 93,83 %, im zweiten Szenario 74,57 % und im drittenSzenario 83,77 % der Daten. In Szenario 1 zeigt sich, dass die zweihäufigsten Fixationspfade des Bottom-up-Modells nicht von gleicherWichtigkeit für das Top-down-Modell sind. Dies gilt ebenfalls umge-kehrt für die zwei wichtigsten Fixationspfade des Top-down-Modells(0>1>0 und 1>0>1).

In Szenario 2 und Szenario 3 werden von den fünf häufigsten Fixati-onspfaden vier beziehungsweise drei nicht von dem Top-down-Modellsimuliert. Die relative Häufigkeit der lokalen Fixationspfade ist im Ver-gleich der kognitiven Modelle sehr unterschiedlich. Die zwei häufigsten

84 experimentelle studien

Szenario 1

Szenario 3

Szenario 2

Abbildung 23: Die lokalen Fixationspfade des Bottom-up-Modells größer als3 % und die zugeordneten lokalen Fixationspfade des Top-down-Modells für die drei untersuchten Szenarien.

Fixationspfade des Top-down-Modells (1>0>1 und 0>1>0) werden vondem Bottom-up-Modell in diesen zwei Szenarien nicht als wichtigeFixationspfade simuliert.

Die durchschnittliche Abweichung der lokalen Fixationspfade zwi-schen Bottom-up-Modell und Top-down-Modell liegt für die betrachte-ten häufigsten Fixationspfade bei 20,89 % (Szenario 1), 12,93 % (Szenario2) und 15,44 % (Szenario 3).

Auf Grundlage der Fixationspfade der zwei kognitiven Modelle kanndas simulierte Blickverhalten als unterscheidbar angenommen werden.Diese Annahme wird durch die statistische Analyse der Übergangs-häufigkeiten verstärkt (siehe Abbildung 22, rechts). Es zeigt sich, dassdas Blickverhalten des Bottom-up-Modells in Szenario 2 und Szenario3 weniger statistisch abhängig ist, als das Blickverhalten des Top-down-Modells. In Szenario 1 ist die statistische Abhängigkeit für beide kogni-tiven Modelle ähnlich, auch wenn die lokalen Fixationspfade zeigen,dass es unterschiedliche Prioritäten in dem Blickverhalten für die Fi-xationspfade gibt. Werden die Hc-Werte für die zusammengefasstenAOIs betrachtet (siehe Abbildung 22, links), ist dieser Unterschied fürSzenario 1 und Szenario 2 nicht so deutlich zu erkennen. Durch dasZusammenlegen der AOIs scheint das Blickverhalten besser auf die dreiAOIs verteilt zu sein, wodurch die statistische Abhängigkeit abnimmt.

Zusammenfassend kann anhand der lokalen Fixationspfade und derstatistischen Analyse der Übergangshäufigkeiten die Hypothese 2 aufdeskriptiver Ebene gestützt werden. Die unterschiedlichen theoreti-schen Annahmen über die Informationsaufnahme- und -verarbeitungs-prozesse der zwei kognitiven Modelle führen zu unterscheidbaremVerhalten.

4.1 experimentelle hauptstudie 85

ergebnisse zur hypothese 3 Für die Überprüfung der Annah-me, dass das Bottom-up-Modell das empirische Blickverhalten besserabbilden kann als das Top-down-Modell, wurden die lokalen Fixa-tionspfade mit zusammengefassten AOIs (siehe Abbildung 21), diestatistische Analyse der Übergangshäufigkeiten (siehe Abbildung 22,rechts), die kumulierte Fixationsdauer der AOIs mit 3 beziehungs-weise 5 AOIs (siehe Abbildung 24) und die Übergangsdichte (sieheAbbildung 25 und Kapitel 3.3.3) betrachtet.

Szenario 1

Szenario 3

Szenario 2

Abbildung 24: Kumulierte Fixationsdauern für die drei Versuchsgruppen inden drei untersuchten Szenarien.

In diesem Abschnitt erfolgt zuerst der Vergleich der Blickdaten desBottom-up-Modells mit den empirisch erhobenen Blickdaten. Anschlie-ßend werden die Blickdaten des Top-down-Modells mit den Blickdatender Versuchspersonen verglichen.

In Abbildung 21 ist zu sehen, dass alle Fixationspfade des Men-schen in ähnlicher Tendenz durch das Bottom-up-Modell simuliertwerden. Für den weiterführenden Vergleich der Fixationspfade wurdendie 5 wichtigsten Fixationspfade des Menschen genutzt (siehe Kapi-tel 4.1.8). Das Bottom-up-Modell simuliert in Szenario 1 die gleichenFixationspfade am häufigsten und in gleicher Rangreihenfolge wie inden empirischen Daten gefunden. In Szenario 2 und Szenario 3 werdendie gleichen Fixationspfade am häufigsten simuliert. Die Rangreihen-folge unterscheidet sich in der Position des Fixationspfades 1>0>2. Diedurchschnittliche Abweichung der Fixationspfade zwischen den empi-rischen Daten und den Daten des Bottom-up-Modells liegt bei 8,11 %(alle Fixationspfade: 4,34 %). Die Hc-Werte der statistischen Analysefür die empirischen und die durch das Bottom-up-Modell simuliertenDaten sind sehr ähnlich (siehe Abbildung 22, rechts). Die Abweichungder Hc-Werte beträgt durchschnittlich 5,65 %. Die kumulierten Fixati-onszeiten zeigen für alle drei Szenarien und die zwei Versuchsgruppenähnliche Tendenzen. Die Reihenfolge der kumulierten Fixationsdauerist wie folgend: Pegel (Mensch 76,19 %; Bottom-up-Modell: 62,30 %),Regelventil (Mensch 6,66 %; Bottom-up-Modell: 10,00 %) und Heizung(Mensch 3,21 %; Bottom-up-Modell: 3,09 %). Die durchschnittliche Ab-

86 experimentelle studien

weichung von Mensch und Bottom-up-Modell liegt bei 3,71 % (Szenario1), 4,51 % (Szenario 2) und 5,17 % (Szenario 3). Die Übergangsdichtezeigt für das Bottom-up-Modell, dass die visuelle Suche von Szena-rio 3 über Szenario 2 bis zu Szenario 1 effizienter wird. Dieser Trendentspricht den empirischen Daten.

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Statitische Analyse der Übergangshäufigkeiten

Übergangsdichte

Abbildung 25: Mittlere Übergangsdichte für die drei Versuchsgruppen und diedrei Szenarien. Grundlage für den Vergleich ist ein 10 x 10 Gitter,das über das Blickfeld gelegt wurde.

Das Top-down-Modell simuliert die Hälfte der menschlichen Fixa-tionspfade. Von den fünf wichtigsten Fixationspfaden des Menschenwerden vier von dem Top-down-Modell simuliert. Bei zwei Fixations-pfaden ist die simulierte Häufigkeit ähnlich. Die Rangreihenfolge derlokalen Fixationspfade stimmt in keinem Szenario mit den empirischenDaten überein. Die durchschnittliche Abweichung zwischen Top-down-Modell und Empirie liegt bei 13,9 % (alle Fixationspfade: 8,96 %) imVergleich zu dem Bottom-up-Modell deutlich schlechter. Die statistischeAnalyse der Übergangshäufigkeiten zeigt, dass die statistische Abhän-gigkeit im Vergleich zu den empirisch erhobenen Daten in Szenario2 und Szenario 3 unterschiedlich und in Szenario 1 ähnlich ist (sieheAbbildung 22, rechts). Die Abweichung der Hc-Werte beträgt durch-schnittlich 26,41 %. Die Reihenfolge der kumulierten Fixationsdauernist unterschiedlich zu denen der empirischen Daten (Pegel: 47,77 %;Heizung: 25,72 %; Regelventil: 8,22 %). Die Abweichung zwischenTop-down-Modell und empirischen Daten liegt für die kumuliertenFixationsdauern durchschnittlich bei 12,68 % (Szenario 1), 8,03 % (Sze-nario 2) und 8,02 % (Szenario 3). Auffällig ist, dass die kumulierteFixationsdauer für alle drei Szenarien für die AOIs der Heizung viel hö-her als die der empirischen Daten ist. Ein Grund ist in der Regelstrukturdes Top-down-Modells zu finden, wodurch die Heizung kontinuierlichüberwacht wird. Die Übergangsdichte zeigt, dass die visuelle Suche inSzenario 2 und Szenario 3 ähnlich und zu Szenario 1 unterscheidbar ist.Dieses Verhalten ist bei dem Menschen nicht zu finden.

Das Bottom-up-Modell simuliert tendenziell das menschliche Blick-verhalten mit einer durchschnittlichen Abweichung aller lokalen Fi-xationspfade und der kumulierten Fixationsdauern kleiner als 5 %.Das Top-down-Modell simuliert ein stark regelbasiertes Blickverhal-ten, das bei dem Menschen in ähnlicher Weise nicht zu finden ist. DieAbweichungen der kumulierten Fixationshäufigkeiten und der lokalenFixationspfade des Top-down-Modells sind für alle Szenarien doppelt

4.1 experimentelle hauptstudie 87

so hoch. Zusammenfassend zeigt sich, dass die Befunde den Vorher-sagen von Hypothese 3 entsprechen. Das Bottom-up-Modell simuliertdas menschliche Verhalten besser als das Top-down-Modell.

4.1.9 Diskussion

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Analysen und Ver-gleiche der Blickbewegungsdaten eine genauere und weiter führendeBetrachtung von Leistungsdaten ermöglichen als die alleinige Betrach-tung der Performanzdaten. Durch die Analyse der Performanzdatenkonnte Hypothese 1 (unterschiedliche Schnittstellen induzieren unter-schiedliche Leistungsdaten) nicht gestützt werden. Die Analyse derBlickbewegungsdaten ermöglichte eine Differenzierung dieses Ergeb-nisses. Die unterschiedlichen Schnittstellen in Szenario 2 und Szenario 3

induzieren ein ähnliches Blickverhalten, das von dem durch Schnittstel-le 1 induzierten Blickverhalten unterscheidbar ist. Die von Hypothese 2

(die unterschiedlichen theoretischen Annahmen der kognitiven Modelleinduzieren unterscheidbares Verhalten) vorhergesagten Effekte tratenbei beiden Arten von Leistungsdaten auf. Die dritte Hypothese (das Ver-halten des Bottom-up-Modells ist näher an dem menschlichen Verhaltenals das Verhalten des Top-down-Modells) wird durch die Performanzda-ten teilweise unterstützt. Die Analyse der Blickbewegungsdaten konntedie dritte Hypothese stützen.

Die Prozessaufgabe und die unterschiedlichen Schnittstellen warenin der Untersuchung leicht gewählt, um die Aspekte der Informations-aufnahme- und -verarbeitungsprozesse isoliert betrachten zu können.Das Steuerungswissen konnte daher durch die Versuchspersonen gutgelernt und auf wenige Regeln verkürzt in die kognitiven Modelleintegriert werden. Die unterschiedlichen Schnittstellen sind einfacheVariationen der räumlichen Gestaltung. Vorstellbar ist, eine weitere Stu-die mit komplexeren Schnittstellen oder einer komplexeren Steuerungs-und Kontrollaufgabe durchzuführen, die eine größere Wissensbasiserfordert. Beispielsweise könnten geänderte Bedienelemente bereitge-stellt werden, die den Abfluss der Flüssigkeit aus dem Tank oder dieHeizleistung der Heizung in prozentualen Schritten regeln oder dieProzessvariablen (z. B. den Pegelstand) digital darstellen.

In dieser Studie wurde eine korrekt funktionierende Prozesssimula-tion genutzt, um das zu steuernde und zu kontrollierende System zusimulieren. Eine interessante Variation stellt die fehlerhafte Simulationmit nicht aufgabenspezifischem Verhalten der Schnittstellenelementedar (z. B. fehlerhafte Anzeige der aktuellen Zustände oder Ausfall derZustandsanzeigen).

In der Studie wurden Abweichungen der Modelle von dem beobach-teten Verhalten des Menschen festgestellt (Bottom-up-Modell: durch-schnittlich 5 %; Top-down-Modell: durchschnittlich 10 %). Die erfasstenDaten der kognitiven Modelle liegen innerhalb des möglichen Abwei-chungspotentials von 20 % für die Simulation in frühen Phasen derSystemgestaltung, die darauf zurückzuführen ist, dass Prozesswertefür die Simulation in diesen Phasen mit einer Ungenauigkeit von bis zu20 % bereitstehen (Card et al. 1983; Urbas, Schulze-Kissing & Leuchter2005).

88 experimentelle studien

Für die Abweichung sind verschiedene Gründe vorstellbar. In dergewählten Steuerungs- und Kontrollaufgabe wurde die Flüssigkeitsan-zeige aufgrund einer Vorstudie für die kognitive Modellierung in fünffeste Bereiche eingeteilt (siehe Kapitel 4.1.2). Eine mögliche Variationder Modelle stellt die Veränderung der Größe dieser Bereiche dar unddie Betrachtung und der Vergleich der Leistungsdaten. Eine Verbesse-rung der Blickbewegungsdaten könnte durch eine bessere Abbildungder Grenzbereiche erreicht werden.

In beiden kognitiven Modellen sind für die Informationsaufnahmeund die Interaktion einfache Strategien integriert. Die Modelle basierenauf zwei theoretischen Annahmen über die Informationsaufnahme-und -verarbeitungsprozesse. Neben den ausgewählten Ansätzen undintegrierten Strategien gibt es weitere Theorien der menschlichen Infor-mationsaufnahme- und -verarbeitungsprozesse (wie z. B. Salienzenkar-ten; Itti & Koch 2001) sowie Verhaltensweisen (z. B. visuelle Update-Circle der abgelegten Informationen im Arbeitsgedächtnis; Yarbus 1967),die in den betrachteten kognitiven Modellen und der genutzten ko-gnitiven Architektur noch nicht integriert sind. Eine Integration dieserAnsätze in kognitive Architekturen und Modelle kann eine Verbesse-rung der erfassten Leistungsdaten im Bezug zur Passung an empirischeDaten ermöglichen. Die Anpassung des visuellen Moduls von ACT-Ran empirische Ergebnisse stellt somit eine notwendige Erweiterung dar.Zum Beispiel kann das visuelle Modul um visuelle Suchalgorithmen er-weitert werden, die bekannte Heuristiken und Strategien formalisierenund integrieren (wie z. B. Bayes’sche Heuristiken).

Vorstellbar ist die Integration neuer Strategien in die kognitivenModelle, die, ausgehend von der Situation oder den deklarativen Ge-dächtnisinformationen des kognitiven Modells, die kognitiven Prozesseverändern und die Abweichung der simulierten Leistungsdaten zu denempirischen Daten verringern können. Anstatt der implementiertenvisuellen Suche der Bedienelemente könnte ein Prozess implementiertwerden, der ein deklaratives Gedächtniselement der Position abruftund die Ausrichtung der visuellen Aufmerksamkeit auf die abgerufenePosition richtet.

Versuchsperson 12 Versuchsperson 22

Abbildung 26: Die Blickverteilung von zwei unterschiedlichen Versuchsper-sonen während der Interaktion mit der Mensch-Maschine-Schnittstelle in Szenario 3.

Ein weiterer Grund für die Abweichungen der simulierten Blick-bewegungsdaten von den empirischen Blickbewegungsdaten könntedarin zu finden sein, dass es innerhalb der Versuchspersonen unter-

4.1 experimentelle hauptstudie 89

scheidbare homogene Gruppen gibt, die eine Klasse von Verhalten,das heißt eine bestimmte Strategie, nutzen, um die Prozessaufgabezu bearbeiten. In der vorliegenden Untersuchung wurde davon aus-gegangen, dass die Gruppe der Versuchspersonen homogen ist. EineBetrachtung der Blickbewegungsdaten zeigt, dass dies nicht für alle Ver-suchspersonen vorausgesetzt werden darf (siehe Abbildung 26). Es istzu erkennen, dass die Interaktion in einem Szenario für die zwei ausge-wählten Versuchspersonen unterschiedliche Blickverteilungen induziert.Eine Clusteranalyse könnte helfen, einzelne homogene Gruppen zuidentifizieren. Anschließend wäre es möglich, die Simulationsdaten derkognitiven Modelle durch den Vergleich einer dieser Gruppen zuzuord-nen, um daraus Aussagen über die empirische Abbildbarkeit abzuleiten.Ebenfalls können aus den homogenen Gruppen Bearbeitungsstrategienabgeleitet und anhand dieser weitere kognitive Modelle erstellt werden.

Ebenfalls ist bei dem Vergleich von simulierten und empirisch erfass-ten Blickdaten zu berücksichtigen, dass es beim Menschen eine partielleUnabhängigkeit von kognitiven Prozessen und Blickbewegungen gibt(Anderson et al. 2004). Daraus ist zu schließen, dass bei der Betrachtungder empirischen Daten ein Fixationsort nicht mit der Aufmerksamkeitdes kognitiven Systems übereinstimmen muss. Bei den simuliertenDaten kann aber davon ausgegangen werden, dass die Aufmerksamkeitdes kognitiven Systems auf den Fixationsort gerichtet ist. Somit könnenUnterschiede zwischen kognitivem Modell und Mensch erklärt werden.

Die Hauptstudie zeigt einen Unterschied zwischen den zwei betrach-teten kognitiven Modellen. Es ist festzustellen, dass die zwei wichtigstenFixationspfade des Top-down-Modells (0>1>0 und 1>0>1) in den dreiSzenarien nicht oder nicht mit ähnlicher Häufigkeit von dem Bottom-up-Modell simuliert werden. Aus der Implementierung der Modelle istdieser Unterschied zu erklären. Das Bottom-up-Modell wechselt nurzwischen AOIs, wenn der Wechsel für die Bedienung des Interakti-onselements wichtig ist. Somit sind die Wechsel zwischen Regelventil(AOI 2) und Pegel (AOI 0) häufiger zu finden als die Wechsel zwischenHeizung (AOI 1) und Pegel (AOI 0). Das Top-down-Modell überprüftfortlaufend den Zustand der Heizung und des Pegels. Der Wechselzwischen Heizung (AOI 1) und Pegel (AOI 0) findet dementsprechendsehr oft statt. Dieses Verhalten ist in den Daten zu finden.

In der Hauptstudie wurde gezeigt, dass das Bottom-up-Modell dasmenschliche Verhalten besser simuliert als das Top-down-Modell. AufGrundlage der Blickbewegungsdaten des Bottom-up-Modells könnendie drei Schnittstellen bewertet werden. Anhand der statistischen Ana-lyse der Übergangshäufigkeiten und der Fixationspfade zeigt sich, dassdie Schnittstelle in Szenario 1 zu den Schnittstellen von Szenario 2 undSzenario 3 unterscheidbar ist. Wird zusätzlich die Übergangsdichtebetrachtet, zeigt sich, dass die Schnittstelle in Szenario 1 die effek-tivste visuelle Suche ermöglicht und die Schnittstelle in Szenario 3

die visuelle Suche mit dem längsten Suchpfad induziert. Als wichtigeBlickgebiete zeigten sich die Flüssigkeitsanzeige und das Regelventil.Diese Ergebnisse werden von den empirischen Daten gestützt. DieSchnittstelle in Szenario 1 hat zusammengesetzte Interaktions- undRückmeldeelemente, wodurch die Kosten der visuellen Suche mini-mal sind. Die Integration der Interaktion und der Rückmeldung ineinem Bildschirmelement scheint im Bezug zu der visuellen Suche

90 experimentelle studien

besser zu sein und induziert den kürzesten Suchpfad. Hinsichtlich derPerformanz ist dieser Unterschied nicht zu finden. In komplexen unddynamischen Mensch-Maschine-Schnittstellen stellt die effiziente visu-elle Suche einen wichtigen Faktor für die Gestaltung einer Schnittstelledar. Die empirischen Daten und die Daten des Bottom-up-Modells zei-gen, dass die Variante der Mensch-Maschine-Schnittstelle in Szenario 1

am geeignetsten ist.Es zeigt sich, dass die Analyse von feinen Leistungsdaten einen

detaillierten Einblick in das Modellverhalten ermöglicht und eine guteGrundlage für die Diskussion von Modellunterschieden bietet. SimTrAkann somit für die vergleichende Analyse von kognitiven Modelleneingesetzt werden.

Die Hauptuntersuchung wurde durchgeführt, um die Anwendungvon SimTrA für die Gestaltung von Schnittstellen in frühen Phasen derSystemgestaltung zu überprüfen. Die bereitgestellten Daten ermögli-chen die Analyse und den Vergleich der untersuchten Schnittstellen unddie Bewertung der drei experimentalpsychologischen Fragestellungen.

In SimTrA konnten der Analyse- und Vergleichsprozess und dieVerarbeitung der Blickbewegungsdaten effizient und effektiv durch-geführt werden. Die integrierte Analyse, Bereinigung und der Ver-gleich der Blickbewegungsdaten ermöglichte nach wenigen Schrittendie Betrachtung von Ergebnissen der Analysen und Vergleiche. Einedurchschnittliche Analyse dauerte fünf Minuten. Zeitlich und algorith-misch stellt die Anwendung von SimTrA gegenüber der aufwendigenAnalyse von Hand einen großen Vorteil dar. Zusätzlich werden dieDaten in verwertbarer Form zur Verfügung gestellt und sind in ex-terne Programme überführbar und weiterverwendbar. Die deskriptiveAnalyse ist für eine Betrachtung der simulierten und empirischen Blick-bewegungsdaten auf diesem Betrachtungslevel gut geeignet, um diesimulierten Blickbewegungsdaten und die zugrunde liegenden Mensch-Maschine-Schnittstellen bewerten zu können. Die Anwendung voninferenzstatistischen Analysen ist vorstellbar und sollte in weiterenEntwicklungen von SimTrA berücksichtigt werden. Die Integration undVerarbeitung der Daten in SimTrA fand den Arbeitsprozess begleitendstatt und konnte an Unterbrechungen und erneute Analysen der Blick-bewegungsdaten individuell und situationsabhängig angepasst werden.Weiterführende Bewertungen waren nicht Teil der Untersuchung (z. B.motorische Aktivitäten oder Gedächtnisabrufe). Die Erweiterung umAnalysen und Vergleiche ist aufgrund des Komponentenmodells vonSimTrA aber möglich.

Zusammenfassend zeigt die Hauptstudie, dass SimTrA ein Werkzeugist, das den Prozess der Analyse und des Vergleichs von empirischenund künstlichen Leistungsdaten unterstützt und den Analysten eineinfach zu benutzendes Methodenrepertoire an die Hand gibt.

4.2 weitere experimentelle studien

Das Werkzeug SimTrA wurde in verschiedenen Arbeitsgruppen undProjekten für die Analyse und den Vergleich von empirischen undsimulierten Blickbewegungsdaten eingesetzt. Im Folgenden werden dreiexperimentelle Studien exemplarisch aufgeführt und kurz beschrieben.

4.2 weitere experimentelle studien 91

4.2.1 Blocks World

In dieser von den CogWorks Laboratories der Rensealler Universityin Troy, USA, durchgeführten Studie wurde die Entwicklung von Stra-tegien zur Aufgabenlösung experimentell überprüft. Blocks World isteine einfache Aufgabe, deren Ziel es ist, aus einem Target Window einMuster von farbigen Blöcken in das Workspace Window zu übertragen,dazu müssen die farbigen Blöcke des Resource Window genutzt werden(siehe Abbildung 27; Gray, Schoelles & Sims 2004). Das Target Windowwird verdeckt dargestellt und kann durch das Bewegen der Maus indas Target Window aufgedeckt werden. Verlässt die Maus das Fenster,wird es wieder verdeckt. Ausgehend von der Hypothese, dass kleineVariationen der Aufgabengestaltung zu einer Entscheidung zwischenInteraktions-intensiven und Gedächtnis-intensiven Strategien des Men-schen führen, wurde in dem Aufgabenszenario die Dauer von derAktivierung bis zur Aufdeckung des Target Window von 0 bis 3200

Millisekunden (lockout time – Zeit der Verzögerung) variert.

Zeit in Sekunden

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Target Window Workspace

WindowResource Window

FixationBlock

Abbildung 27: Die Aufgabenumgebung von Blocks World (nach Gray et al.2004) mit Blickbewegungsdaten einer Versuchsperson auf dasTarget Window (rechts). Ansicht aus SimTrA der fixierten AOIsund der nachfolgend platzierten farbigen Blöcke für eine Ver-suchsperson (links).

In vorangegangenen Analysen wurden die Performanzdaten analy-siert und mit Daten von Simulationsmodellen verglichen (siehe dazuGray et al. 2004). Mit SimTrA wurden die aufgezeichneten Blickbe-wegungsdaten bei der Aufgabenanalyse analysiert, um die Fixations-anzahl, Fixationsdauer und die Fixationsreihenfolge nach dem Auf-decken des Target Window zu analysieren (siehe Abbildung 27). DasZiel der Blickbewegungsdatenanalyse war, festzustellen, ob die un-terschiedlichen lockout times zu unterscheidbaren Strategien in denInformationsaufnahmeprozessen führen. Für die Analyse wurde einImportalgorithmus für die empirischen Blickbewegungsdaten entwi-ckelt. Zusätzlich wurde SimTrA erweitert, so dass bei dem Import derBlickbewegungsdaten automatisch die jeweiligen Zeitintervalle für diezu untersuchenden Abschnitte aus den Rohdaten gelesen und für je-de Versuchsperson individuell abgelegt werden konnten. Zusätzlichwurde ein Algorithmus entwickelt, der die fixierten Blöcke und de-ren Reihenfolge mit den tatsächlich platzierten Blöcken vergleicht undgraphisch aufbereitet (siehe Abbildung 27, rechts). In der Abbildung

92 experimentelle studien

sind die Fixationen der AOIs (Fixation) und die tatsächlich platziertenBlöcke (Block) für einen Versuchsdurchlauf mit einer Versuchspersondargestellt. Eine Fixation auf die AOI 0 bedeutet, dass sie erfasst wur-de, aber keiner relevanten AOI zugeordnet werden konnte. Es ist zusehen, dass bei dieser Versuchsperson nicht alle Blöcke (AOIs) fixiertwurden, die anschließend platziert wurden, und dass Blöcke fixiertwurden, die für die Aufgabenlösung nicht relevant waren. Dieser Effektkonnte bei allen Versuchspersonen festgestellt werden. Eine möglicheUrsache liegt in der räumlichen Nähe der farbigen Blöcke. Durch dieperiphere Wahrnehmung können beispielsweise mit einem Blick mehrInformationen aufgenommen werden (wie z. B. Farbe und Platzierung),ohne dass jedes Objekt einzeln betrachtet werden muss. Aus diesemUntersuchungsergebnis wurde abgeleitet, dass in nachfolgenden Un-tersuchungen schwerer zu unterscheidende Objekte genutzt werdensollten, um das Blickverhalten besser analysieren zu können (z. B. kom-plexe geometrische Figuren, chinesische Schriftzeichen).

4.2.2 Vernetztes Fahren

In dem Verbundprojekt Vernetztes Fahren der Human-Factors-ConsultGmbH, der Humboldt Universität zu Berlin und der Technischen Uni-versität Berlin wurden Fragen zur Mensch-Maschine-Interaktion beimvernetzten Fahren im Bezug zu Bedienbarkeit, Akzeptanz und Sicher-heit betrachtet (Vernetztes Fahren 2007). Unter vernetztem Fahren wirdjegliche Interaktion eines Kraftfahrzeuges mit anderen Kraftfahrzeugen,Personen oder Einrichtungen verstanden. Die Informationen könnenüber Systeme für vernetzte Dienste durch den Kraftfahrzeugführereingegeben, empfangen und automatisch verteilt werden.

Abbildung 28: Ansicht der Blickbewegungsdaten einer Versuchsperson inSimTrA mit zwei AOIs (für Fahraufgabe und Nebenaufgabe).

4.2 weitere experimentelle studien 93

Die Bewertung von Bedienkonzepten von prototypischen Mensch-Maschine-Schnittstellen für vernetzte Dienste stand im Mittelpunkteines Teilprojektes, das am Zentrum Mensch-Maschine-Systeme derTechnischen Universität Berlin angesiedelt war. In dem Teilprojekt wur-den kognitive Modelle für die Benutzung der unterschiedlichen Mensch-Maschine-Schnittstellen für die vernetzten Dienste erstellt. Diese er-möglichten in Kombination mit visuellen, kognitiven und motorischenRessourcenprofilen die Bewertung der Schnittstellenvarianten und de-ren Bedienkonzepte. Die Frage war, wie viele und welche Ablenkungendurch die Nebenaufgabe neben der Fahraufgabe an den Kraftfahr-zeugführer gestellt werden können, ohne die Fahrsicherheit zu beein-trächtigen. Die kognitiven Modelle wurden mit der Entwicklungs- undSimulationsumgebung mtGOMS (MultiTasking-GOMS; Urbas, Hein-ath & Leuchter 2007) entwickelt und stellten die Grundlage für diesimulationsgestützte Bewertung der Schnittstellen dar. Im Kern derEntwicklungs- und Simulationsumgebung mtGOMS steht ein Algo-rithmus zur Vorhersage der gegenseitigen Beeinflussung von der zugestaltenden Nebenaufgabe (hier die Bedienung des vernetzten Diens-tes) und einer gegebenen Hauptaufgabe (hier das sichere Fahren). DerAlgorithmus benötigt eine geeignete Darstellung der Teilaufgaben undRessourcenprofile zur generischen Darstellung der Hauptaufgabe undAufgabenmodelle der Nebenaufgabe. Für die erstellten kognitiven Mo-delle wurden visuelle, kognitive und motorische Ressourcenprofileerhoben.

SimTrA wurde eingesetzt, um aus empirischen Blickbewegungsdatenbei der Fahrzeugführung in einer Fahrsimulation visuelle Ressourcen-profile für verschiedene Fahrsituationen bei gleichzeitiger Bedienungder Nebenaufgabe zu erstellen. Die Blickbewegungsdaten wurden inSimTrA importiert und zwei AOIs festgelegt, um in der Analyse derDaten bei der Untersuchung zwischen der Umgebungssimulation undder Nebenaufgabe unterscheiden zu können (siehe Abbildung 28). An-schließend wurden die Blickbewegungsdaten mit SimTrA verarbeitet.Die Reihenfolge der Fixationen und deren Dauer wurden genutzt, umvisuelle Ressourcenprofile abzuleiten. Die mit SimTrA aufbereitetenBlickbewegungsdaten konnten erfolgreich genutzt werden, um die vi-suellen Ressourcenprofile für die Modellierung mit dem WerkzeugmtGOMS zu erstellen.

4.2.3 Hierarchical Task Analysis Mapper

In diesem Projekt wird das Ziel verfolgt, den Entwicklungsprozesskognitiver Modelle zu unterstützen und zu beschleunigen, um denAufwand der Modellbildung zu verringern (Heinath & Urbas 2007).Darauf aufbauend, wurde der Hierarchical Task Analysis Mapper-Ansatz(HTAmap-Ansatz) zur automatisierten Erstellung von ACT-R Modellenauf der Grundlage von hierarchischen Aufgabenanalysen und Aktivi-tätsmustern entwickelt. Die automatisiert erstellten HTAmap-Modellebeinhalten Produktionsregeln und Steuerungsinformationen, die fürdie Generierung und den Ablauf der Modelle genutzt werden, aberaus kognitionspsychologischer Sicht nicht immer notwendig sind. Einwichtiger Aspekt stellt daher die Überprüfung der Güte der Model-

94 experimentelle studien

le dar, um sicherzustellen, dass die zusätzlichen Informationen dieSimulationsgüte nicht beeinträchtigen.

Abbildung 29: Ansicht der Versuchsumgebung mit Blickbewegungen einerVersuchsperson bei der Interaktion mit der Abwasseraufberei-tungsanlage in SimTrA. Eingezeichnet sind die AOIs für die 4

verschiedenen Teilprozesse der Aufgabe: Anlieferung, Homoge-nisierung, Trennung und Produktlager.

In einer experimentellen Studie mit Versuchspersonen (n = 10) undeinem HTAmap-Modell wurden die Leistungsdaten bei der Interaktionmit einer komplexen und dynamischen Mensch-Maschine-Schnittstelleerfasst und verglichen. Die Aufgabe stellt den Anfahrprozess einerProzessanlage zur Abwasseraufbereitung dar (d. h. den Startprozessbis zur erfolgreichen Trennung von sauberem Wasser und Verunrei-nigung). Das Ziel der Abwasseraufbereitungsanlage ist es, Abwässer,die in industriellen Reinigungsprozessen anfallen, aufzubereiten. Da-bei werden Gemische aus ca. 60 % Wasser und 40 % Lösungsmittelgetrennt. Die Abwasseraufbereitungsanlage besteht aus vier getrenntzu startenden Teilprozessen: Anlieferung, Homogenisierung, Trennungund Produktlager (siehe Abbildung 29). In den einzelnen Teilprozessenist die Steuerung von Regelventilen und Heizungen notwendig.

Für die Implementierung des HTAmap-Modells wurden in einerVorstudie Aktivitätsmuster und Interaktionsregeln bestimmt. Auf derGrundlage eines starren Regelkreises wurden die Aktivitätsmuster ineinem Modell zusammengefasst (Top-down-Verhalten).

Das entwickelte HTAmap-Modell wurde anhand von Performanz-daten (d. h. die Art, Reihenfolge und Anzahl der Interaktionen) undBlickbewegungsdaten bewertet. Für die Analyse der Blickbewegungs-daten wurden die simulierten und die empirischen Daten in SimTrAimportiert und anhand der Transitionshäufigkeit analysiert und vergli-chen.

Für die Performanz zeigt sich, das die Leistungsdaten des automati-siert erstellten HTAmap-Modells und der empirischen Daten ähnlich

4.2 weitere experimentelle studien 95

Abbildung 30: Auszug aus den Analysen der Blickbewegungsdaten der Unter-suchung mit einem automatisiert erstellten kognitivem Modellin HTAmap und empirischen Daten. Dargestellt sind die un-gerichteten Transitionen (größer als 4 % für die empirischenDaten).

sind. Die Analyse und der Vergleich der ungerichteten Transitionen(Häufigkeit größer als 4 % für die empirischen Daten) der Blickbewe-gungsdaten zeigt, dass Teilaspekte der empirischen Blickbewegungsda-ten abgebildet werden können (siehe Abbildung 30). Die drei häufigstenTransitionen der Menschen und eine erhöhte Häufigkeit für die wich-tigste Transition wurden von dem HTAmap-Modell simuliert. Dasgesamte Spektrum der empirischen Daten wird durch das HTAmap-Modell nicht simuliert. Eine ausfürliche Bewertung der Daten ist zufinden in Heinath (in Vorbereitung).

Die Ergebnisse dieser Untersuchung finden sich in ähnlicher Formfür den Vergleich des Top-down-Modells mit den menschlichen Leis-tungsdaten bei der experimentellen Hauptstudie (siehe Kapitel 4.1). DieAnalyse und der Vergleich der simulierten und empirischen Blickbewe-gungsdaten in SimTrA konnte helfen, die Güte der HTAmap-Modelleabzuschätzen und zu bewerten. Auf der Ebene der Performanzdatenbilden die HTAmap-Modelle das menschliche Verhalten identisch ab.Es zeigt sich jedoch, dass auf der Ebene der Blickbewegungen Aspektefehlen, die in weiteren Studien im kognitiven Aufgabenmodell ergänztwerden müssen.

5D I S K U S S I O N

In diesem Kapitel wird die in dieser Arbeit untersuchte Fragestellungkritisch diskutiert. Die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemenauf Basis von simulierten Leistungsdaten wird betrachtet und derenheutige Möglichkeiten aufgezeigt. Anschließend wird das entwickelteWerkzeug SimTrA bewertet und im Kontext der Arbeit diskutiert. DenAbschluss bildet die Beschreibung von möglichen Anwendungsgebietendes Werkzeuges SimTrA.

5.1 die bewertung von mensch-maschine-systemen durch

ko gni ti ve benutzermodelle

In dieser Arbeit wurde die Methode und das Werkzeug SimTrA ent-wickelt, um den Analyse- und Vergleichsprozess von simulierten undempirischen Leistungsdaten zu unterstützen. Die Analysen und dieVergleiche wurden am Beispiel von Blickbewegungsdaten durchge-führt. Die experimentelle Hauptstudie (siehe Kapitel 4.1) hat deutlichgezeigt, dass das entwickelte Werkzeug SimTrA geeignet ist, bei derEntwicklung und Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen den Ent-wickler zu unterstützen. Die Analyse und der Vergleich von simuliertenund empirischen Blickbewegungsdaten ist ohne besondere psychologi-sche Kenntnisse möglich. SimTrA ermöglicht durch das bereitgestellteMethodenrepertoire die explorative und hypothesengeleitete Untersu-chung der erfassten Daten.

Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass kognitive Modellierungsme-thoden für die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen eingesetztwerden können. Im Bereich der Gestaltung von komplexen und dynami-schen Mensch-Maschine-Systemen stellt die feinere Betrachtungsebeneeinen wichtigen Aspekt dar. Heutige Systeme integrieren mehr undmehr Aufgaben und Schnittstellen, die durch den Benutzer kontrolliertund gesteuert werden müssen. Die Schnittstellen für komplexe unddynamische Mensch-Maschine-Systeme müssen dementsprechend best-möglich an die menschlichen kognitiven Prozesse angepasst werden.Die reine Betrachtung der Performanz für die Bewertung der Gestaltungeiner Schnittstelle kann daher nicht ausreichend sein. Die vorgeschlage-ne Methode dieser Arbeit erweitert die Bewertung um visuelle Aspekte,die für komplexe und dynamische Systeme von besonderer Bedeu-tung sind. Es wurde gezeigt, dass die Betrachtungsebene der feinenLeistungsdaten gegenüber der Betrachtungsebene der gröberen Leis-tungsdaten einen Vorteil darstellt und eine genauere Betrachtung desSimulationsverhaltens erlaubt. Eine detaillierte Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen auf der Grundlage von simulierten Leistungsdatenwird ermöglicht.

Die experimentelle Hauptstudie zeigt, dass die kognitiven Archi-tekturen und die kognitiven Modelle im visuellen Bereich nicht dasgesamte Spektrum und die Vielfalt des menschlichen Verhaltens abbil-

97

98 diskussion

den. SimTrA konnte genutzt werden, um Schwachstellen der kognitivenModelle aufzuzeigen. Die Analyseergebnisse konnten Tendenzen auf-zeigen, die im Vergleich zu empirischen Daten ebenfalls zu findenwaren. SimTrA ermöglichte durch die Analyse- und Vergleichsmög-lichkeiten die Ableitung von potentiellen Erweiterungen der visuellenKomponente von ACT-R und der untersuchten kognitiven Modelle(z. B. die Integration von Update-Circle oder von Salienzkarten). Erwei-terungen der kognitiven Architekturen und der kognitiven Modellewerden zukünftig die Simulationsgüte der kognitiven Modelle erhöhenund eine genauere Vorhersage der Interaktionsprozesse ermöglichen.Die Simulationsgüte der Modelle wurde in der Hauptstudie als hin-reichend eingestuft. Es bleibt zu prüfen, ob durch verbesserte Modelleund die Integration von neuen kognitionspsychologischen Theorienzur Informationsaufnahme und -verarbeitung die Modellpassung zuempirischen Daten verbessert werden kann.

Als Baustein für die kognitive Modellbildung in Entwicklungspro-zessen von Mensch-Maschine-Systemen trägt SimTrA das Potential insich, das Wissen der Psychologie in den Arbeitsprozess zu integrieren.Die formale Abbildung der kognitiven Prozesse stellt eine Schnittstelleder beteiligten Fachrichtungen dar. SimTrA leistet einen Beitrag für diezukünftige Berücksichtigung kognitiver Modellierungsmethoden fürdie Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen.

Mit heutigen kognitiven Modellierungsmethoden können fertigkeits-und regelbasierte Tätigkeiten gut modelliert und simuliert werden.Weitere Forschung ist im Bereich der wissensbasierten Tätigkeiten undHandlungen anzusiedeln, um diese beispielsweise in Form von menta-len Modellen und kausalen Wissensbasen in kognitive Benutzermodellezu integrieren. Dieser Aspekt wird im Hinblick auf die zunehmendeAutomatisierung von Mensch-Maschine-Systemen in der Entwicklungvon wachsender Bedeutung sein. Es bleibt daher zu prüfen, wie Kon-strukte für das wissensbasierte Handeln in der Kognitionspsychologieformalisiert und in kognitive Architekturen integriert werden können.Eine Anforderung an die Entwickler stellt dabei die durchgängige Mög-lichkeit der Beobachtung und der Analyse der beteiligten Prozesse dar.Das Ziel muss es sein, transparente kognitive Systeme zu entwickeln,die menschliche kognitive Prozesse offenlegen und bei komplexenAspekten und Betrachtungsweisen der menschlichen Kognition keineweitere Blackbox darstellen, sondern die detaillierte Untersuchung derkognitiven Prozesse erlauben. Durch die Integration von Strukturenfür das wissensbasierte Handeln in kognitive Architekturen wird ei-ne große Bandbreite der menschlichen Kognition abgebildet. Bei demEinsatz kognitiver Benutzermodelle für die Vorhersage von Interak-tionsverhalten stellt dies einen wichtigen Entwicklung dar, die dasAnwendungsgebiet erweitert und die Untersuchung von vielen Aspek-ten der Schnittstellengestaltung ermöglicht, die heute nur sehr schwerzu analysieren sind.

5.2 das werkzeug simtra

SimTrA wurde für die Analyse und den Vergleich von simulierten undempirischen Blickbewegungsdaten implementiert. Zu diesem Zweck

5.2 das werkzeug simtra 99

können die Blickbewegungsdaten um Informationen angereichert wer-den (z. B. AOIs und Zeitintervalle). SimTrA ermöglicht die Bewertungvon visuellen Suchprozessen, der Informationsaufname und -verarbei-tung bei der Interaktion und der örtlich-räumlichen Gestaltung vonMensch-Maschine-Systemen. Es konnte gezeigt werden, dass SimTrAdie Datenverarbeitung unterstützt und ein geeignetes und erweiter-tes Methodenrepertoire bereitstellt, das die Bewertung von Mensch-Maschine-Schnittstellen auf Grundlage simulierter Blickbewegungenermöglicht. Der Prozess der Analysen und der Vergleiche wird prozess-bezogen und prozessbegleitend unterstützt.

SimTrA kann als eine Methode betrachtet werden, die den Einsatzdes Goodness-of-fit-Methodenrepertoires aufgreift. Zum einen wird dieschnelle Auswertung der Daten und die Betrachtung der Daten auf dergraphischen Ebene ermöglicht. Zum anderen werden Methoden undDaten für die weiterführende Analyse bereitgestellt. Modelldaten undempirische Daten können daher bei einer ersten Betrachtung bewertetund anschließend bereinigt weiterverarbeitet werden.

Das konzeptionelle Datenformat von SimTrA ermöglicht die Inte-gration von beliebigen Blickbewegungsdaten durch den Import. Dabeikönnen die Blickbewegungsdaten in das Datenformat von SimTrAtransformiert werden. Somit sind die Analyse und der Vergleich vonBlickbewegungsdaten verschiedener kognitiver Architekturen (wie z. B.EPIC und ACT-R) und von verschiedenen Systemen zur Erfassung vonBlickbewegungen möglich. Die Integration von zusätzlichen Importal-gorithmen (bisher für Blickbewegungsdaten von ACT-R und von zweiAnlagen für die Erfassung von Blickbewegungen) stellt eine sinnvolleErweiterung von SimTrA dar.

Das Methodenrepertoire von SimTrA ermöglicht deskriptive Analy-sen und deskriptive Vergleiche beliebiger Blickbewegungsdaten künst-licher und natürlicher Systeme. Die Hauptstudie konnte zeigen, dassdie gewählten Analyseparameter für die Bewertung von simuliertenund empirischen Blickbewegungsdaten gut gewählt sind und helfen,ein breites Spektrum von arbeitswissenschaftlichen und experimen-talpsychologischen Fragestellungen zu bearbeiten und zu überprüfen.Es bleibt festzustellen, ob inferenzstatistische Methoden für die Be-wertung von simulierten Blickbewegungsdaten geeignet sind. Es istdavon auszugehen, dass inferenzstatistische Methoden nicht in allenVergleichsbedingungen anwendbar sind. In diesem Zusammenhangmüssten Vorbedingungen für die Anwendung dieser Methoden eben-falls überprüft werden. Vor einer Integration ist zu überprüfen, obbereits bestehende Systeme für die inferenzstatistische Analyse vonDaten genutzt werden können.

Neben der Integration zusätzlicher Methoden für die Analyse undden Vergleich von Blickbewegungen ist es aufgrund des Komponenten-modells von SimTrA möglich, weitere Komponenten für die Analyseund den Vergleich von zusätzlichen Aspekten der menschlichen Ko-gnition zu integrieren. Vorstellbar sind beispielsweise die Integrationvon Methoden für die Analyse und den Vergleich von motorischenInformationen oder zu deklarativen Gedächtnisinhalten. Prinzipiellsind alle Leistungsdaten, die von kognitiven Modellen simuliert wer-den, geeignet, um mit SimTrA verarbeitet zu werden. Hinsichtlich derempirischen Validität und Überprüfbarkeit muss sich zeigen, welche

100 diskussion

Maße angewandt werden können. Durch die Integration weiterer Ma-ße könnten zusammengesetzte Analysen durchgeführt werden, wiebeispielsweise die Analyse von motorischen und visuellen Daten zurUntersuchung der Hand-Auge-Koordination.

In SimTrA ist die Anzahl der Vergleichspartner aufgrund experi-mentalpsychologischer Überlegungen auf drei Versuchsgruppen be-schränkt. Die Anwendung von SimTrA in unterschiedlichen Kontextenzeigte, dass diese Größe gut gewählt war. Diese Beschränkung kannim Bedarfsfall in der Vergleichskomponente angepasst werden, da dieKomponente generisch implementiert ist und eine beliebige Anzahlvon Vergleichspartnern zulässt.

Der bereitgestellte Arbeitsprozess der Datenverarbeitung in SimTrAkann einfach und flexibel an Unterbrechungen und neue Bedingungender Arbeitsschritte angepasst werden. Die persistente Datenspeiche-rung ermöglicht die mehrmalige Durchführung von Auswertungengleicher Daten (d. h. deren Analyse und Vergleich) mit unterschiedli-chen Konfigurationen oder angepassten Datensätzen. Die umfassendeund einfache Analyse vieler einzelner Aspekte wird somit ermöglicht.

Das Ablagekonzept von Ergebnis- und Datendateien in SimTrA kannin beliebige Datenstrukturen der Anwender eingefügt werden, da fürjede Analyse und jeden Vergleich eigene Steuerungsdateien angelegtwerden, die mit den jeweiligen Daten verknüpft sind. SimTrA erfüllt dieaufgestellten Anforderungen an ein Werkzeug zur Datenverarbeitung(siehe Kapitel 3.2).

5.3 mögliche anwendungsgebiete von simtra

Das Werkzeug SimTrA ermöglicht die Bewertung von Mensch-Ma-schine-Systemem auf der Grundlage von simulierten und empirischerfassten Blickbewegungsdaten. Die Ergebnisse ermöglichen neben derBewertung von Schnittstellen ebenfalls eine Anpassung der Gestaltung.SimTrA stellt die benötigten Informationen bereit, um diese zu ermög-lichen. Andere müssen nun zeigen, dass der Einsatz von kognitivenBenutzermodellen die Anpassung von Schnittstellen ermöglicht und zuSchnittstellen führt, die die menschliche Kognition besser unterstützenund einbeziehen.

Neben der Nutzung von SimTrA für die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen in frühen Systementwicklungsphasen kann dasWerkzeug in allen weiteren Entwicklungsphasen eingesetzt werden.Für die Bewertung von bestehenden Mensch-Maschine-Systemen kön-nen beispielsweise kognitive Modellierungsmethoden genutzt werden,um optimale Interaktionsmuster zu identifizieren. Weichen empiri-sche Daten von den identifizierten Mustern ab, können beispielsweiseProblemfälle in der Gestaltung aufgedeckt werden, die überprüft undgegebenenfalls angepasst werden müssen.

Anhand der experimentellen Hauptstudie konnten neben dem vor-rangigen Einsatzgebiet von SimTrA weitere Anwendungsgebiete iden-tifiziert werden. Für die kognitive Modellierung (siehe Kapitel 2.2.2)stellt SimTrA ein Werkzeug dar, das die Modellbildung in verschiede-nen Prozessschritten unterstützt und neue Betrachtungsebenen ermög-licht. Für die Modellprüfung ermöglicht SimTrA neben der Nutzung

5.3 mögliche anwendungsgebiete von simtra 101

von Performanzdaten kognitiver Modelle die Nutzung von simuliertenBlickbewegungsdaten. Des Weiteren können auf Grundlage empirischerDaten neue Modellvarianten mit SimTrA ohne großen Mehraufwandgetestet und bewertet werden. Dieser Schritt wird vereinfacht, da zu-sätzlich simulierte oder empirische Daten (z. B. nach Änderung derVersuchsumgebung) in jedem Prozessschritt den Analysen und Verglei-chen hinzugefügt werden können. Für die Erfassung von empirischenDaten als Datenbasis für die kognitive Modellbildung kann SimTrAebenfalls eingesetzt werden, um Blickbewegungsdaten aufzubereitenund in geeigneter Form darzustellen. Anhand dieser Daten könnenfür die Modellimplemetierung beispielsweise verschiedene Strategienidentifiziert werden, die in kognitiven Modellen integrieret werdenkönnen.

Ein weiterer Anwendungsfall stellt das Testen von kognitionspsycho-logischen Theorien dar, die in kognitiven Modellen formalisiert werden.Mit SimTrA können Unterschiede zwischen kognitiven Modellen undden zugrunde liegenden kognitionspsychologischen Theorien erkanntwerden. Zum anderen kann durch den Vergleich der Simulationsdatenmit empirischen Daten abgeleitet werden, welcher theoretische Ansatzeher dem menschlichen Verhalten entspricht.

SimTrA stellt für die kognitive Modellbildung einen wichtigen Bau-stein dar, der ein weites Feld von Möglichkeiten eröffnet. Der Benutzerwird bei der Untersuchung von arbeitswissenschaftlichen und experi-mentalpsychologischen Fragestellungen algorithmisch unterstützt. DasWerkzeug übernimmt die schwierige Aufgabe der Datenverarbeitung,entlastet somit den Benutzer und ermöglicht die Konzentration auf diearbeitswissenschaftlichen und experimentalpsychologischen Fragestel-lungen.

6Z U S A M M E N FA S S U N G U N D A U S B L I C K

In diesem Kapitel wird die Arbeit zusammengefasst und ein Aus-blick auf die kognitive Modellbildung für die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen gegeben.

6.1 zusammenfassung

Die Bewertung und Gestaltung von Mensch-Maschine-Systemen be-reits in frühen Phasen der Systementwicklung wird heute anhandvon modellbasierten Methoden durchgeführt. Diese können aufgrundihrer computerbasierten Formalisierung bereits in diesen Phasen einge-setzt werden. Mit der Anwendung kognitiver Modellierungsmethoden,die Verhalten auf Basis kognitionspsychologischer Theorien simulie-ren, können kognitive Anforderungen eines Mensch-Maschine-Systemsan den Benutzer schon während des Entwicklungsprozesses formalüberprüft werden. Abgeleitete Aussagen aus den Simulationsdaten er-möglichen, auf Grundlage von kognitiven Simulationsexperimenten dieSchnittstelle nach ergonomisch und arbeitswissenschaftlich relevantenKriterien zu bewerten (z. B. an die visuelle Informationsaufnahme und-verarbeitung). Aufgrund der formalen und quantitativen Leistungs-daten kognitiver Simulationsexperimente sind die Analyse und derVergleich dieser Daten werkzeugunterstützt und automatisiert mög-lich. Das Potential der kognitiven Modellierung ist in Wissenschaftund Industrie bekannt. Die Methode wird aber nur vereinzelt einge-setzt. Gründe sind in der schwierigen Entwicklung kognitiver Modelleund der komplexen Analyse von Simulationsdaten kognitiver Modellezu finden. Bis heute gibt es noch keine geeigneten Werkzeuge, diefür die umfassende Erstellung und Analyse feingranularer kognitiverModelle im Anwendungskontext der Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen eingesetzt werden können.

In dieser Arbeit wurde die Methode und das Werkzeug SimulationTrace Analyzer (SimTrA) eingeführt, das die Analyse und den Vergleichvon simulierten und empirischen Leistungsdaten im Kontext der Ge-staltung von Mensch-Maschine-Systemen prozessbezogen unterstützt.In diesem Zusammenhang wurde untersucht, ob simulierte Leistungs-daten kognitiver Modellierungsmethoden das Potential bieten, in pro-spektiven Phasen der Systementwicklung eingesetzt zu werden, undob diese mit empirischen Daten vergleichbare Aussagen simulieren.

Zunächst wurde der Entwicklungsprozess von Mensch-Maschine-Systemen eingeführt und verschiedene Methoden für deren Bewertungvorgestellt, die den Lebensphasen eines Mensch-Maschine-Systems zu-geordnet werden. Anschließend wurde die kognitive Modellbildungdiskutiert und darauf aufbauend argumentiert, dass kognitive Mo-dellierungsmethoden für die Gestaltung und Evaluation von Mensch-Maschine-Schnittstellen eingesetzt werden können, um in frühen Pha-sen der Systementwicklung menschliche Bedürfnisse und Anforde-

103

104 zusammenfassung und ausblick

rungen in die Gestaltung zu integrieren. Es wurde dargestellt, dassdie Analyse kognitiver Simulationsdaten in aktuellen Forschungsar-beiten auf einer groben Betrachtungsebene durchgeführt wird (wiez. B. Ausführungszeiten und Fehlerraten). Kognitive Modelle stellenneben diesen Leistungsdaten weitere quantitative Daten bereit, dietheoretisch die Bewertung des simulierten Verhaltens auf einer fei-neren Betrachtungsebene ermöglichen (z. B. motorische oder visuelleLeistungsdaten).

Es konnte gezeigt werden, dass für die Gestaltung und Bewertungvon Mensch-Maschine-Systemen insbesondere die Analyse von Blickbe-wegungen einen wichtigen Aspekt darstellt. Sie unterstützt beispiels-weise die Bewertung der örtlich-räumlichen Gestaltung, der visuel-len Suchprozesse und der Informationsaufnahme und -verarbeitung.Blickbewegungen können mit aktuellen kognitiven Architekturen invereinfachter und reduzierter Form abgebildet werden.

SimTrA wurde exemplarisch für die Analyse und den Vergleich vonsimulierten und empirischen Blickbewegungsdaten entwickelt. DerProzess der Datenverarbeitung ist in SimTrA in drei Komponentenunterteilt: (1) die Aufbereitung der Rohdaten, (2) die Analyse der auf-bereiteten Daten und (3) der Vergleich der verarbeiteten Daten. Für dieAnalyse und den Vergleich der Blickbewegungsdaten werden durchSimTrA Parameter bereitgestellt, die eine deskriptive Bewertung derBlickbewegungsdaten und der Mensch-Maschine-Interaktion ermögli-chen.

Die Praktikabilität des theoretisch ausgearbeiteten und prototypischimplementierten Ansatzes wurde in einer experimentellen Studie zurGestaltung von unterschiedlichen Schnittstellen eines Mensch-Maschine-Systems einer dynamischen und komplexen Aufgabenumgebung ge-zeigt. In der Studie wurde die Interaktion von zwei unterschiedlichenkognitiven Modellen in der kognitiven Architektur ACT-R und vonVersuchspersonen mit dem Mensch-Maschine-System untersucht.

Die Ergebnisse der experimentellen Studie lassen den Schluss zu,dass simulierte Blickbewegungsdaten kognitiver Modelle das menschli-che Verhalten abbilden und für die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen genutzt werde können. Die Abweichung der Simulationsda-ten des favorisierten kognitiven Modells liegen in einem Bereich von ±10 %. Es ist zu sehen, dass die kognitionspsychologischen Theorien füreine tendenzielle Bewertung ausreichen. Erweiterungen der kognitivenArchitekturen und der kognitiven Modelle sind aber notwendig, umdas menschliche Verhalten genauer und in einem breiteren Spektrumabzubilden. Des Weiteren zeigt sich, dass kognitive Modelle, die aufder Ebene der Performanz (wie z. B. Anzahl von Interaktionen, Ziel-erfüllung) nicht zu unterscheiden sind, anhand der fein aufgelöstenBlickbewegungsdaten differenziert werden können. Die Betrachtungder feinen Leistungsdaten kognitiver Modelle stellt dementsprechendeinen Vorteil gegenüber der groben Betrachtungsebene dar. Ferner ver-deutlicht die experimentelle Hauptstudie und die Anwendung vonSimTrA im Kontext weiterer Untersuchungen, dass SimTrA geeignetist, den Benutzer in umfangreicher Art und Weise bei der Analyse unddem Vergleich von simulierten und empirischen Blickbewegungsdatenzu unterstützen.

6.2 ausblick 105

Die Methode und das Werkzeug SimTrA stellt eine Erweiterungdes bestehenden Methodenrepertoires der kognitiven Modellbildungund der kognitiven Psychologie für das Testen von kognitionspsy-chologischen Theorien dar. Für den Einsatz von kognitiven Model-lierungsmethoden in frühen Phasen der Entwicklung von Mensch-Maschine-Systemen ist SimTrA ein wichtiger Baustein, der die formaleund computergestützte Bewertung von Mensch-Maschine-Schnittstellenauf Grundlage von kognitiven Simulationsdaten ermöglicht und somitdas Wissen der Kognitionspsychologie in Systementwicklungsprozesseintegriert.

6.2 ausblick

Die Komplexität von zukünftigen Mensch-Maschine-Systemen wirdim Vergleich zu heutigen Systemen weiter zunehmen, mehr Funktio-nen und Schnittstellen werden zusammengefasst und dem Benutzergegenübergestellt. Der Fokus der Gestaltung sollte sich weiter von derBetrachtung der reinen Funktionalität auf die menschengerechte Ausle-gung verschieben. Bei der Entwicklung zukünftiger Mensch-Maschine-Systeme werden kognitive Aspekte daher von zunehmender Bedeutungsein. Neben der menschengerechten Gestaltung von Mensch-Maschine-Systemen wird die formale Bewertung durch kognitive Modelle einenWettbewerbsvorteil darstellen, der ähnlich heutiger Auditierungsverfah-ren (z. B. der Blaue Umweltengel, TÜV) einen Qualitätsstandard setzenkann.

Die Berücksichtigung kognitiver Prozesse bei der Entwicklung vonMensch-Maschine-Systemen stellt eine herausfordernde Aufgabe fürzukünftige Anwendungen dar. Der Mensch ist ein komplexes, dynami-sches und flexibles System, dessen Strukturen und Prozesse heute durchdie Wissenschaft nicht vollständig geklärt sind. Die heutigen kognitivenModellierungsmethoden bilden einen kleinen Teil der menschlichen Ko-gnition ab. Es ist zu erwarten, dass kognitive Architekturen zunehmendmehr kognitionspsychologische Theorien vereinen und Aspekte dermenschlichen Kognition abbilden werden. Ein Ziel werden die UnifiedTheories of Cognition von Newell (1990) sein. Es wird sich herausstellen,ob das menschliche Verhalten in formalen computerbasierten Struktu-ren abgebildet werden kann oder ob das menschliche Verhalten mehr alsdie algorithmische Verarbeitung von Informationen ist. Sicher ist, dassdas Spektrum der zu simulierenden kognitiven Prozesse in kognitivenArchitekturen durch weitere Forschung erweitert und die Vorhersa-gegüte des menschlichen Verhaltens erhöht wird. In vielen Bereichenwerden kognitive Architekturen erweitert und an neue Erkenntnisse an-gepasst. Beispielsweise werden Aspekte wie die Zeitschätzung (Dzaack,Trösterer, Pape & Urbas 2007) und die visuelle Suche (Wu, Remington &Lewis 2006; Tamborello & Byrne 2006) in verschiedenen Forschungspro-jekten bearbeitet und in kognitive Architekturen integriert. Zunehmendwerden kognitive Modellierungsmethoden genutzt, um Erkenntnis-se und Befunde aus neuropsychologischen Forschungsprojekten zuuntersuchen und zu erklären (Anderson et al. 2004).

Für die Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen wird heute auchdie Methode der Anthropometrie eingesetzt. Diese Methode ermöglicht

106 zusammenfassung und ausblick

die Simulation der menschlichen Interaktion mit technischen Systemenauf Grundlage von biologischen und physischen Beschränkungen (wiez. B. Muskelkraft und Sehwinkel; Remlinger & Bubb 2007; Siebertz,Rausch, Rasmussen & Tørholm 2007). Die Anthropometrie beschreibtden Menschen allerdings auf funktionaler Ebene und vernachlässigt dieinvolvierten kognitiven Prozesse. Kognitive Aspekte werden in Formvon Ausführungszeiten und Erfahrungswerten in die Modelle integriert.Die Synthese von kognitiven Modellen und anthropometrischen Mo-dellen kann somit die Schwächen beider Ansätze überwinden und eineumfassende Simulation des Menschen ermöglichen.

Das Werkzeug SimTrA gibt einen Einblick in die heute möglicheAnalyse simulierter kognitiver Prozesse. Durch die Erweiterungen ko-gnitiver Architekturen wird sich das Bild kognitiver Modellierungs-methoden ändern. Der heutige Einblick wird vergrößert, und eineVielzahl von ergonomisch und arbeitswissenschaftlich relevanten Krite-rien wird mit kognitiven Modellierungsmethoden untersucht werdenkönnen. Neue Betrachtungsebenen der kognitiven Prozesse werdendurch eine weitere Beschäftigung mit kognitiven Modellen und derAnalyse der simulierten Leistungsdaten ermöglicht. Durch SimTrAwird ein Werkzeug bereitgestellt, das genau diese Aspekte der ko-gnitiven Modellierung unterstützt. Im Rahmen der Bewertung vonMensch-Maschine-Systemen werden somit neue und spannende Frage-stellungen bearbeitet werden können, die mit den an der Interaktionbeteiligten kognitiven Prozessen verknüft sind. Welche Schnittstelle istfür die kognitiven Prozess am besten geeignet? Welche Schnittstelleunterstützt in Situationen mit hoher Arbeitsbelastung die menschlicheKognition? Welche Schnittstelle ist aus Sicht der kognitiven Struktur desmenschlichen Geistes gut gestaltet? Solche und ähnliche Fragen werdendurch eine Analyse der kognitiven Prozesse und deren Wechselwirkun-gen und durch den Fortschritt der Erkenntnis über die menschlicheKognition in der Kognitionspsychologie theoretisch gestellt und an-hand von kognitiven Modellierungsmethoden praktisch überprüfbar.

Diese Arbeit leistet einen Beitrag, um kognitive Aspekte bei fertigkeits-und regelbasierten Tätigkeiten in Entwicklungsprozesse von Mensch-Maschine-Systemen zu integrieren. Das Ziel des Einsatzes kognitiver Be-nutzermodelle für die Bewertung von Mensch-Maschine-Schnittstellenstellt die optimale Gestaltung der Schnittstellen aus dem Blickwinkelder menschlichen Kognition dar. Das durch SimTrA bereitgestellte Me-thodenrepertoire ermöglicht die einfache und kostengünstige Analysevon Simulationsdaten kognitiver Modelle, die mit realen oder virtuellenPrototypen von Mensch-Maschine-Systemen interagieren. Durch dieIntegration der kognitiven Benutzermodellierung in die verschiedenenPhasen der Entwicklungsprozesse technischer Systeme, wird die ganz-heitliche Betrachtung der drei Aspekte, die das Verhalten des Menschenbei der Interaktion mit technischen Systemen beeinflussen (d. h. dieAufgabe, die Umgebung und die Kognition), ermöglicht. Somit könnentechnische Systeme durchgängig an die Grenzen und Möglichkeiten dermenschlichen Kognition angepasst werden. Das entwickelte WerkzeugSimTrA stellt einen Ausgangspunkt dar, um diese Entwicklung schonheute zu unterstützen und von diesem Punkt aus neue Fragestellungenzu entwickeln und zu untersuchen.

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