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Anhang zur Dokumentation des Tag der kommunalen Jobcenter 2015Anhang zur Dokumentation des Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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Anhang zur Dokumentation des „Tag der kommunalen Jobcenter 2015“

Anhang zur Dokumentation des

„Tag der kommunalen

Jobcenter 2015“

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Redebeitrag von Reinhard Sager beim TdkJ 2015

Tag der kommunalen Jobcenter 2015

„Perspektiven des SGB II – Wo stehen wir in zehn Jahren?“

12.05.2015, Leonardo Royal Hotel Berlin

Redebeitrag von Reinhard Sager, Landrat des Kreises Ostholstein und Präsident des Deutschen Landkreistages - es gilt das gesprochene Wort - 1. 10 Jahre SGB II: Viel erreicht, einiges noch zu tun 2. Handlungsmöglichkeiten der Mitarbeiter als wichtigstes Thema 3. Haltung und Umgang mit Leistungsberechtigten 4. Keine Verengung auf Arbeitslosigkeit 5. Ist fehlende auskömmliche Beschäftigung ein individuelles Problem, oder geht es um

mehr? 6. Weniger Zielgruppen, mehr die Menschen in den Blick nehmen 7. Dank an Mitarbeiter Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Tag der kommunalen Jobcenter 2015 begrüße ich Sie herzlich. Erstmals spricht an dieser Stelle ein Präsident des Deutschen Landkreistages zu Ihnen, der nicht selbst ein kommunales Jobcenter hat. Während mein Vorgänger Landrat Duppré bei sich im Kreis das umsetzen konnte, was die Landkreise als richtige Position erkannt und beschlossen hatten, konnte ich meinen Kreistag nicht überzeugen, die kommunale Trägerschaft umzusetzen.

Zum Glück ist die alleinige kommunale Trägerschaft für die bestehenden Optionskommunen nun seit der großen SGB II-Änderung im Jahr 2010 dauerhaft gesichert. Die beiden Formen der Aufgabenwahrnehmung der kommunalen Alleinträgerschaft und der gemeinsamen Einrichtung bestehen nebeneinander auf Dauer. Dabei ergeben sich aus den grundlegenden Unterschieden der beiden Organisationsformen vielfach interessante Impulse. Egal ob es um organisatorische Fragen wie elektronische Aktensysteme oder Sicherstellung von Qualität geht, egal ob Mittarbeiterführung oder neue Ansätze zur Unterstützung von Leistungsberechtigten betroffen sind, die die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten und Herangehensweisen der kommunalen Jobcenter stellen hier eine wichtige Quelle zur Weiterentwicklung dar.

[10 Jahre SGB II: Viel erreicht, einiges noch zu tun]

Das SGB II hat von Beginn an polarisiert und wird dies wahrscheinlich auch weiterhin tun. Die insgesamt gute Entwicklung am Arbeitsmarkt, zu der das SGB II maßgeblich beigetragen hat, sowie die teilweise vom Arbeitsmarkt abgekoppelte positive Entwicklung

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Redebeitrag von Reinhard Sager beim TdkJ 2015

im SGB II haben die öffentliche Generaldebatte um die Reform in den Hintergrund treten lassen. Das 10-Jahres-„Jubiläum“ gibt nun wieder Anlass zu einer generalistischen Bewertung.

Zu einem bemerkenswerten Resultat kommt der letztjährige Preisträger des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik, Werner Plumpe, Wirtschaftshistoriker an der Universität Frankfurt. In seiner Analyse der ökonomischen und sozialen Reformen seit Beginn des 20 Jahrhunderts sieht er lediglich zwei Reformen mit einer wirklich durchgreifenden, erfolgreichen Weichenstellung: Zunächst die Einführung der sozialen Marktwirtschaft durch Ludwig Erhard und sodann die Hartz-Reformen unter Gerhard Schröder. Dieser positiven Bewertung der Hartz-Reformen möchte ich mich anschließen – ohne dabei Nebenwirkungen und Probleme zu übersehen, die für Gesellschaft, Gesetzgeber und Exekutive weiterhin Ansporn und Auftrag zur Weiterentwicklung sind.

Bei der Schaffung des Gesetzes hatte man in der hierfür zuständigen Kommission allerdings noch stärkere Erwartungen an die Wirkung der Regelungen zum Fördern und Fordern unmittelbar bei den Leistungsberechtigten gehabt. Auch hatte man als Eingliederungsbudget damals 3.170 € pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigtem und Jahr vorgesehen. Diesen Betrag haben wir niemals im Soll oder Ist erreicht. Heute sind wir bei etwa 890 € pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigtem und Jahr! Das sind weniger als 30% von dem Betrag, der von den Experten in der Kommission als erforderlich und sinnvoll angesehen wurde. Ich denke, die Zahlen sprechen für sich. Wir haben die überproportionalen Kürzungen gemeinsam kritisiert und zugleich haben die Jobcenter das Bestmögliche daraus gemacht. Es gilt stetig aufs Neue zu mahnen, dass langfristige Ansätze zur Qualifizierung im SGB II – auch aus Mangel an Mitteln und Möglichkeiten – bisher leider eine Randerscheinung sind.

Erfreulich ist, dass nach zehn Jahren die beiden Säulen des SGB II –Vermittlung in den Arbeitsmarkt und sozialpädagogische Betreuung und Begleitung der Leistungsberechtigten – gemäß dem Auftrag und den Zielen aus § 1 SGB II in der Fallarbeit gleichermaßen akzeptiert sind. In den Anfangsjahren gab es für den sozialpolitischen Teil eher Kritik und Geringschätzung. Bei der SGB II-Evaluation haben die Wissenschaftler die Haltung der Optionskommunen beschreiben mit „andere normative Orientierung“ und „in fürsorglicher Tradition“. Diese Bewertung stand im Gegensatz zu „zentraler Zielsteuerung“ und „zugehörigem Controlling“ der ARGEn. Mittlerweile werden die sozialpädagogischen Elemente und die Fallarbeit als wichtige Grundlage und Handwerkszeug der Jobcenter anerkannt. Insofern hat sich die anfangs verbreitete Überschätzung der Vermittlung bei gleichzeitiger Geringschätzung einer längerfristig angelegten Herangehensweise grundlegend gewandelt.

Soweit wegen der Konsolidierungsbemühungen von Bund und Ländern keine Mittelerhöhungen im Bund erreichbar sind, müssen die Jobcenter zumindest mehr Gestaltungsmöglichkeiten erhalten. Bei der letzten Instrumentenreform stand in der Überschrift: Flexibilisierung mit dem Ziel passgenauer Instrumente, aber auch nur in der Überschrift, leider nicht auch im Inhalt. Wir benötigen aber größere Flexibilität in der Ausgestaltung – auch in Anbetracht der erheblichen Unterschiede im SGB II zwischen Bayern/Baden-Württemberg einerseits und Berlin andererseits. Wir brauchen für unsere Leistungsberechtigten nicht Ware von der Stange, sondern den Maßanzug. Auch das ist

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Redebeitrag von Reinhard Sager beim TdkJ 2015

ein Mantra der kommunalen Spitzenverbände seit vielen Jahren, das leider noch nicht den gewünschten Erfolg nach sich gezogen hat.

Zusätzliche Energien könnten frei werden, wenn das, was von Bund und Ländern „Steuerung“ genannt wird, weniger Kräfte kostet und stärker inhaltlich und fachlich unterlegt wird. Unsere Kraft sollten wir mehr auf die Ausgestaltung von passgenauen Instrumenten und deren bedarfsgerechter Beschaffung legen. Hier würde ich mir mehr Engagement und Impulse wünschen, in den Jobcentern, aber auch bei Bund und Ländern.

[Handlungsmöglichkeiten der Mitarbeiter als wichtigstes Thema]

Ein Jobcenter lebt von seinem Personal, denn es kommt immer entscheidend auf die Menschen an, die vor Ort tatsächlich handeln. Hier hatten wir in den Jobcentern nicht von Vornherein die beste Ausgangslage, aber seitdem hat sich Vieles gut entwickelt. Allerdings begleitet uns ein Thema im SGB II stetig: Die Aufgaben sind zahlreich, die Vorgaben dabei noch zahlreicher und das Personal ist knapp. Vor diesem Hintergrund erscheint es mir als sehr wichtig, dem Draufpacken immer neuer Anforderungen entgegenzutreten, wenn dem nicht auch die Ressourcen folgen. Hier müssen wir als Träger gemeinsam den legitimen Wünschen aus verschiedensten Richtungen mit dem zarten Hinweis auf eingeschränkte Möglichkeiten begegnen.

[Haltung und Umgang mit Leistungsberechtigten]

Im Zentrum unseres Handelns in den Jobcentern stehen die Leistungsberechtigten. Diese Menschen haben das gleiche Ziel wie wir, nämlich die Hilfebedürftigkeit zu überwinden und eigenverantwortlich und durch Erwerbstätigkeit unabhängig vom Jobcenter leben zu können. Dieser Ausgangspunkt geht meinem Eindruck nach in den Niederungen des Alltags häufig verloren. Im Rahmen der zahlreichen Beiträge in den Medien zum 10-jährigen Bestehen des SGB II – vor allem denen, die die Sicht der betroffenen Leistungsberechtigten wiedergeben – wird deutlich, dass viele Leistungsberechtigten die Jobcenter nicht gerade als Freund und Helfer oder als Unterstützer zur Verbesserung der eigenen Lage wahrnehmen.

Zum einen liegt das sicherlich an dem im Gesetz verankerten Gedanken von „Fördern und Fordern“. Andererseits müssen wir uns als Verantwortliche auch fragen, wie wir unseren Mitarbeitern dabei helfen, eine zugewandte Haltung und freundliche Professionalität an den Tag zu legen, wenn sie tagtäglich mit der ganzen Vielfalt von sozialen und persönlichen Problemen konfrontiert sind. Es ist wichtig, dass Hilfsbereitschaft und Verständnis den täglichen Umgang im Jobcenter prägen. Die Leistungsberechtigten sind nicht Objekt oder Gegenstand bei der Integration, sondern sie müssen Subjekt, Handelnde sein. Daran gilt es zu arbeiten.

Auch gesellschaftlich sehe ich da eine große Aufgabe. Gelegentlich drängt sich mir der Eindruck auf, dass der SGB II-Bezug manchmal mit selbst verschuldeten Fehlern der betroffenen Menschen gleichgesetzt wird. An die Stelle von Empathie tritt eine Schuldzuschreibung, verbunden mit der Forderung an die Hilfebedürftigen, ihre Lage zu verbessern. Das ist die emotionale Ausgangslage für die Leistungsberechtigten und das ist auch der Ausgangspunkt für unsere Mitarbeiter im Jobcenter. Wenn es uns gelingt, gegenseitige Wertschätzung im Jobcenter zu leben, könnte das auch das Image und

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Redebeitrag von Reinhard Sager beim TdkJ 2015

Ansehen von Leistungsberechtigten und Mitarbeitern verbessern. Das Ziel lässt sich leicht benennen, die Herausforderung liegt darin, ihm näher zu kommen!

[Keine Verengung auf Arbeitslosigkeit]

Die Problemlagen der Menschen im SGB II-Leistungsbezug werden gerne auf Arbeitslosigkeit verkürzt. Das ist eingängig und gut vertretbar, solange man damit auch diejenigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in den Blick nimmt, die im statistischen Sinne nicht arbeitslos sind. Dies gilt ebenso für die Langzeitarbeitslosigkeit, die sich auf die statistische Messung der Arbeitslosigkeit stützt. Wer pro Jahr nur einen Tag arbeitet oder einen Tag in einer beruflichen Weiterbildung verbringt, gilt bereits nicht mehr als „langzeitarbeitslos“. Ebenfalls erlangt den Status „langzeitarbeitslos“ niemand, der im Jahr mehr als sechs Wochen am Stück krank ist. Soweit diese Menschen keine auskömmliche Beschäftigung haben und eine solche Beschäftigung anstreben, müssen wir sie aber trotzdem zu unserer Zielgruppe zählen.

Um diese Personengruppe, die weit größer ist als die ca. 1 Mio. Langzeitarbeitslose im statistischen Sinne, geht es in unserer täglichen Arbeit. Nicht nur im Interesse der betroffenen Menschen, sondern auch, um der Öffentlichkeit den sozial- und arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf aufzuzeigen, sollten wir den Personenkreis lieber weiter als enger fassen.

Denn in Anbetracht der guten Arbeitsmarktlage nehmen viele Menschen im Land unsere Aufgabe in den Jobcentern als nicht besonders drängend wahr. Deshalb sollten wir das Augenmerk auf die 3 Mio. Menschen im Langzeitleistungsbezug und auf die über 4 Mio. erwerbsfähigen Leistungsberechtigten richten, um die Dimension der Aufgabe und deren Bedeutung zu veranschaulichen. Schließlich haben wir 6 Mio. Menschen in Deutschland, die auf das SGB II und die Unterstützung der Jobcenter angewiesen sind.

Sozialpolitisch erfreulich an der stärkeren politischen Fokussierung auf die Langzeitarbeitslosen ist, dass arbeitsmarktferne Menschen stärker in den Blick genommen werden. Unglücklich ist, wenn nur ein kleiner Teil der Arbeitsmarktfernen dabei berücksichtigt wird. Auch hier werben der Deutsche Landkreistag und Deutscher Städtetag seit Jahren dafür, die eng gefasste „Arbeitslosigkeit“ nicht zu wichtig zu nehmen und die viel größere Zahl von Menschen ohne Beschäftigung nicht unbeachtet zu lassen.

[Ist fehlende auskömmliche Beschäftigung ein individuelles Problem, oder geht es um mehr?]

Seit den Hartz-Reformen betrachten wir die SGB II-Leistungsberechtigten so, als ob jeder der über 4 Mio. erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die keine oder keine auskömmliche Beschäftigung haben, ein individuell zu behebendes Problem hätten. Deshalb soll auch über „Fordern und Fördern“ auf individueller Ebene Unterstützung und Ansporn gegeben werden. Macht man sich bewusst, dass es in Deutschland ca. 30 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gibt, erscheinen die über 4 Mio. Erwerbsfähigen im SGB II nicht als zu vernachlässigende Größe.

Es drängt sich die Frage auf, ob wir tatsächlich nur individuelle Probleme Einzelner oder ein grundlegenderes Problem der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik vor uns haben. Diese auf den ersten Blick abstrakte Frage kann wegweisend für die erforderliche Weiterentwicklung des SGB II in der Zukunft sein. Wenn und soweit die

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Redebeitrag von Reinhard Sager beim TdkJ 2015

Handlungsansätze bei dem einzelnen Leistungsberechtigten nicht ausreichen können, können umfassendere und breitere Handlungsansätze, wie z.B. mit öffentlich geförderter Beschäftigung, nicht als Tabu undiskutiert bleiben.

[Weniger Zielgruppen, mehr die Menschen in den Blick nehmen]

Weniger ist mehr. Diese Weisheit gilt auch im SGB II und in Bezug auf Steuerungsimpulse. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder bestimmte Zielgruppen entdeckt, die besonders von den Jobcentern in den Blick genommen werden sollten. Getragen ist diese Herangehensweise von guten Absichten und getrieben von politischer Gestaltungsfreude. Aus Sicht der Jobcenter führt eine Fokussierung auf bestimmte Personengruppen zu zusätzlichem Steuerungsaufwand, zu Veränderungsbedarf gegenüber eigenen, längerfristigen Planungen und zu Rechtfertigungsdruck. Inwieweit die Zielgruppen tatsächlich von einem solchen Herangehen profitieren und inwieweit dafür die Fördermöglichkeiten anderer Leistungsberechtigter dadurch verkürzt werden, ist gar nicht klar.

Vor diesem Hintergrund möchte ich dafür werben, weniger Schwerpunkte und Impulse auf Ebene des Bundes zu setzen und mehr auf eine insgesamt gute Arbeit der Jobcenter für alle Leistungsberechtigten hinzuwirken.

Nebenbei haben Zielgruppenbeschreibungen – ähnlich wie Bundesprogramme oder arbeitsmarktpolitische Fördermaßnahmen in der Tatbestandsbeschreibung – eine unglückliche Nebenwirkung: Zur Beschreibung werden Ursachen oder Indizien der Arbeitsmarktferne verwendet – also Schwächen. Dies hat zur Folge, dass die Stärkenorientierung, die wir im Umgang mit den Leistungsberechtigten als wichtige und richtige Herangehensweise erkannt haben, zurücktritt, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt, wird. Die Stärken zu sehen und zu fördern wird nämlich nicht dadurch erleichtert, dass Defizite, Schwächen und Gründe für die Arbeitsmarktferne ständig als Fördervoraussetzung oder als Merkmal für Zielgruppen in der alltäglichen Arbeit eine große Wichtigkeit haben. Der Deutsche Landkreistag und Deutscher Städtetag fordern auch hier seit Jahren mehr Flexibilität vor Ort.

[Dank an Mitarbeiter]

Abschließend möchte ich Ihnen für Ihre Tätigkeit und Ihr Engagement in und für die Jobcenter danken und Sie bitten, diesen Dank auch Ihren Mitarbeitern nach Hause mitzunehmen. Die Aufgabe ist nicht leicht, dafür aber umso wichtiger. Ich hoffe, Sie nehmen aus dieser Tagung neue Ideen und Impulse für Ihre Arbeit morgen und übermorgen mit!

Diese Tagung wird sich sehr umfassend mit unterschiedlichen Fragen der Zukunft für die (kommunalen) Jobcenter befassen. Damit möchten die Optionskommunen einen Beitrag zur Weiterentwicklung des SGB II leisten, der über den Tag hinaus Bedeutung haben soll. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ertragreiche Eindrücke und Gespräche.

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Redebeitrag von Prof. Eberhard Eichenhofer beim TdkJ 2015

Tag der kommunalen Jobcenter 2015

„Perspektiven des SGB II – Wo stehen wir in zehn Jahren?“

12.05.2015, Leonardo Royal Hotel Berlin

Redebeitrag von Prof. Eberhard Eichenhofer, Friedrich-Schiller-Universität Jena

- es gilt das gesprochene Wort -

Leitperspektiven des SGB II vor internationalem und europäischen Hintergrund

I. Einleitung

10 Jahre Hartz IV geben den Anlass zu dieser Tagung. Auf ihr soll in die Zukunft der deutschen Arbeitsmarktpolitik geblickt und nicht rückschauend betrachtet werden, was vor ihr war. Gegenstand der Analyse sind also nicht die 2002 unterbreiteten Empfehlungen der unter Peter Hartz arbeitenden Kommission über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt

1. Sie nahm die Bundesregierung unter Gerhard Schröder in die

Agenda 2010 auf und wurden im Kompromiss zwischen Regierung und Opposition 2003/2004 als Arbeitsmarktreform beschlossen. Jeder Blick in die Zukunft bedarf allerdings des gesicherten Ausgangspunktes. Deshalb muss klar sein, was Hartz IV verändert hat. Aber dies ist nicht gesichert, sondern – im Gegenteil – höchst unklar und diffus. Desgleichen ist das Reformwerk heute genauso umstritten geblieben. Wie es bei seiner Verabschiedung war. Für die Wirtschaft war Hartz IV ein längst überfälliger Schritt, dem auch künftig noch viele weitere Schritte in dieselbe Richtung nachfolgen müssten. Betroffene und Wohlfahrtsverbände sehen in der Reform dagegen die Aufkündigung des in der Verfassung abgegebenen sozialstaatliehen Versprechens, die Schwachen zu schützen. Und die Medien präsentieren Hartz IV als Ausbund von einer verwirrend hohen Zahl von höchst unterschiedlichen Einzelfällen, in denen Bürokratie, Gängelei und Zurücksetzung vorherrschen, weil die Arbeitsverwaltung – so die verkappte Botschaft vieler Berichte – letztlich die Arbeitsuchenden für ihr Scheitern selbst verantwortlich mache. Nicht einmal die Grundfrage, ob die Reform gelungen oder gescheitert ist, lässt sich deshalb auch nur annähernd gesichert beantworten. Denn deren Wahrnehmung hängt von den persönlichen und höchst unterschiedlichen Erfahrungen oder Blickwinkeln der einzelnen Betrachterin oder des Betrachters ab. Angesichts dessen kommt eine gehaltvolle Debatte über die Zukunft der Arbeitsmarktpolitik nicht umhin, sich den Ausgangspunkt der durch die Reform bewirkten Veränderungen zu vergegenwärtigen. Darin wird vor allem deutlich, dass diese auf letztlich internationalen Erfahrungen aufbaut und maßgeblich auf europäische Einflüsse zurückgeht. II. Der gedankliche Ansatz

1. Die politischen Motive

Die Reform kam für die deutsche Öffentlichkeit unvorbereitet. Höchst knapp – 6000 Stimmen waren es schließlich – gewann Gerhard Schröder gegen Edmund Stoiber die Bundestagswahl 2002. Sie war in der medialen Darstellung von Oderflut und einer möglichen deutschen Beteiligung am Irak-Krieg bestimmt. Die unter großer Hast stehenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen drehten sich um die Eckpunkte des Bundeshaushalts 2003. Dieser wies wegen der hohen Arbeitslosigkeit wie der geringen wirtschaftlichen Ertragskraft und den Wirkungen der Einkommensteuerreform eine die Maastricht-Kriterien übersteigende Neuverschuldung auf. Mehr als 5 Millionen Menschen waren arbeitslos gemeldet und die Steuer- und Beitragseinkünfte stagnierten. Gerhard Schröder schrieb in seinen Erinnerungen

2: "Schon vor Weihnachten hatten Frank-Walter Steinmeier,

mein Chef des Kanzleramtes, und ich die Lage nach den Koalitionsverhandlungen schonungslos analysiert. Uns

1 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt.

2 Gerhard Schröder, Mein Leben in der Politik, Hamburg 2006, 390.

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Redebeitrag von Prof. Eberhard Eichenhofer beim TdkJ 2015

war klar, dass wir die Legislaturperiode mit der Koalitionsvereinbarung nicht überleben können. Wir waren uns einig: Die Zeit war reif für ein effektives Reformprogramm, das weit über den Koalitionsvertrag hinausreichte". Es ging um die Frage nach der "Bewahrung des Sozialstaatsprinzips unter völlig veränderten weltwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen"

3. Daraus ergaben sich "die Notwendigkeit von Strukturreformen im

Gesundheitswesen, in der Rentenversicherung und auf dem Arbeitsmarkt; mehr Eigenverantwortung des Einzelnen, um Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen zu vermeiden"

4.

"Denn viele Beschäftigte bringen Netto nur wenig mehr mit nach Hause als manche Bezieher von Arbeitslosen- und Sozialhilfe"

5. "Wir wollen Menschen schneller in die Lage versetzen, ein anständiges Einkommen aus eigener

Kraft zu erzielen", "Wer mit dem Geld der Steuerzahler unterstützt wird, muss bereit sein, die Lasten für die Gemeinschaft so gering wie möglich zu halten, was auch bedeutet, dass eigenes Einkommen oder Vermögen zuerst für den Lebensunterhalt verwendet werden muss"

6. Die Reform bedeutete auch eine "Entlastung der

Kommunen von der Zahlung für die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger in Millionenhöhe"7.

2. Die geistesgeschichtliche Überlieferung Hinter diesen nüchternen Begriffen verbarg sich ein Programm für den umfassenden sozialpolitischen Neuanfang. Er veränderte die Arbeits- und Sozialverwaltungen grundlegend und richtete auch die sie tragenden Konzepte und Leitmotive neu aus. Die Reform rückte die Frage nach dem Verhältnis von Arbeit und Sozialleistungen ins Zentrum. Diese Problematik ist sehr alt. Bei Paulus heißt es: "Wenn jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen. Denn wir hören, dass etliche wandeln unordentlich und arbeiten nichts, sondern treiben unnötige Dinge".

8 Zur christlichen

Überlieferung gehört diese paulinische Botschaft ganz ebenso wie die Forderungen, seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben

9 und dem geringsten Bruder zu helfen,

10 auf dass ein jeder des anderen Lasten trage.

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Der Sozialstaat ist also weder eine Laune der Geschichte, noch eine Erfindung der jüngsten Vergangenheit, sondern sehr eng mit der Arbeitsgesellschaft verbunden. Mehr noch: Der Sozialstaat der Gegenwart ist der Sozialstaat der Arbeitsgesellschaft. Er schützt die Menschen in der Arbeit, bewahrt sie aber nicht vor der Arbeit. Schon 1812 – als die moderne, arbeitsteilige Verkehrswirtschaft sich voll zu entfalten begann – formulierte Johann Gottlieb Fichte im "System der Rechtslehre"

12: "Keiner hat eher Anspruch auf die Hilfe des Staats, als bis

er nachgewiesen, daß er in seiner Sphäre alles Mögliche getan hat, um sich zu halten und daß es ihm danach nicht möglich ist. Weil man aber doch auch in diesem Falle ihn nicht umkommen lassen könnte, auch der Vorwurf, daß er nicht zur Arbeit angehalten wurde, auf den Staat zurückfallen würde, so hat der Staat notwendig das Recht auf Aufsicht, wie jeder sein Staatsbürgereigentum verwalte. Wie … kein Armer, so soll auch kein Müßiggänger im Staate sein". Noch bündiger formuliert es Georg Friedrich Hegel

13 3 in § 240 seiner „Rechtsphilosophie“: "Wie die bürgerliche

Gesellschaft schuldig ist, die Individuen zu ernähren, hat sie auch das Recht dieselben anzuhalten, für ihre Subsistenz zu sorgen". Daraus folgt: Ist die Arbeit die Basis aller Sozialleistungen, so sind durch sie primär die Arbeitsunfähigen zu bedenken. Die Arbeitsfähigen sind dagegen angehalten und notfalls anzuhalten an der Erwirtschaftung der Sozialleistungen durch eigene Arbeit teilzunehmen. Arbeitslosen ist daher im Sozialstaat der Arbeit vor allem durch Vermittlung von und in Arbeit zu helfen und nicht durch die dauerhafte Bereitstellung eines Lohnunterhalts ohne Arbeit. Die Bekräftigung dieses sozialen und moralischen Fundaments der Arbeitsgesellschaft und seines Sozialstaates war daher das erste Anliegen der Arbeitsmarktreform. 3. Arbeit geht vor Sozialleistung (Work First Welfare State)

3 Ebd., 391.

4 Ebd.,

5 Ebd., 393.

6 Ebd., 394.

7 Ebd., 397.

8 Zweiter Brief des Paulus an die Thessalonicher, 3, 10.

9 Matthäus, 22, 37.

10 Matthäus, 25, 40.

11 Galater, 6, 2.

12 Fichte, System der Rechtslehre, Erstes Buch, Drittes Kapitel.

13 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, § 240.

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Redebeitrag von Prof. Eberhard Eichenhofer beim TdkJ 2015

Der Vorrang der Arbeit vor den Sozialleistungen ist seit jeher auch die Grundlage der Arbeitslosenversicherung. Give a hand, not a handout! – diese Losung J. F. Kennedys hat die Leitidee dieser Politik formuliert. Deren Leistungen werden nur an die vormals beschäftigten Erwerbstätigen und -fähigen gewährt und auch nur in Höhe eines Bruchteils des früheren Lohnes. Dass die Versicherungsleistung damit deutlich hinter dem Einkommen aus Erwerbsarbeit und notwendig zurück bleiben muss, rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass das Sozialleistungssystem keine Fehlanreize auf Arbeitslose ausüben darf. Es darf sich für Arbeitsuchende schlicht nicht lohnen, arbeitslos zu bleiben, wenn konkrete Arbeit in Aussicht steht. Die Arbeitslosenversicherung bindet die Leistungsansprüche vor allem an die Verfügbarkeit des Beschäftigten für die Arbeitsvermittlung. Dieser Zusammenhang veranschaulicht, dass Geldleistungen an Arbeitslose nur befristet und durch die neuerliche Aufnahme einer anderweitigen Arbeit bedingt gewährt werden sollen. 4. Durch Mitwirkungshandlung des Leistungsberechtigten bedingte Sozialhilfeansprüche Das grundlegend Neue in der Arbeitsmarktreform lag in der Einforderung der Kooperation von Arbeitsverwaltung und berechtigter Person. Es kam damit zu der Verknüpfung von Geldleistungsansprüchen des Berechtigten mit Mitwirkungshandlungen durch den Leistungsberechtigten. Sozialleistungen werden seither nicht mehr einseitig gewährt, sondern fortan als Leistungsaustausch gedacht. Hilfe wird nur zur Selbsthilfe gewährt. Die nachweisliche Bemühung des Sozialleistungsberechtigten um die Selbsthilfe erscheint als Bedingung für den zu gewährenden Leistungsanspruch. Sozialleistungsansprüche werden damit nicht nur an Mitwirkungshandlungen des Berechtigten gebunden, sondern deren Entstehung und Fortwirkung wird an die fortdauernde und tatsächliche Mitwirkungshandlung geknüpft. Aus vormals unbedingten sind damit die durch Mitwirkungshandlungen des Berechtigten bedingten Sozialleistungsansprüche geworden. 5. Vertrags- und Fallmanagement Diese Form der Förderung geht auch mit einer neuen Vorstellung von Sozialverwaltung einher, die mit den Begriffen ,,Vertrags- und Fallmanagement" umschrieben ist. Dieses sind deutschsprachige Bezeichnungen für die englischsprachigen Begriffe case oder contract management. Die sehr unorthodoxe Figur des Vertrages hält nun erstmals in der Arbeitsverwaltung in Gestalt von Eingliederungsvereinbarungen zwischen Leistungsberechtigtem und Leistungsträger ihren Einzug (§ 15 SGB II). Die Eingliederungsvereinbarung nimmt die rechtliche Darstellungsform eines Vertrages an. Damit soll symbolisiert werden, dass der Sozialleistungsbezug eines Arbeitsuchenden an die Erwartung von Gegenleistungen gebunden ist. Nicht von ungefähr lautet ein Wahlspruch der Reform: "Keine Rechte ohne Verantwortung" "No rights without responsibilities!": (Anthony Giddens).

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Der Vertrag steht für die unterschiedlichen Funktionen, die diesem das deutsche, englische und französische Recht beimisst.

15 Während das deutsche Recht im Vertrag die Willensübereinstimmung und das französische

Recht die individuelle Gestaltung, anstelle einer allgemeinen Regelung sieht, ist der Vertrag im englischen Recht primär ein Kompromiss. Aus allen drei Überlegungen lässt sich die Eingliederungsvereinbarung erklären. Die Beteiligten kommen darin über die Wege zumutbarer und erfolgreicher Arbeitsuche überein. Diese Abstimmungen treten an die Stelle allgemeiner Regeln und der geschlossene Vertrag ermöglicht die Individualisierung. Sie wird mit dem Empfänger auf sein Leistungsvermögen und seine Bedürfnisse abgestimmt. Er ermöglicht damit die vom Sozialhilferecht geforderte Individualisierung und damit die Ausrichtung des Verwaltungshandelns auf die höchst individuellen Bedürfnisse und Potenziale des Berechtigten. Aus der Sicht der Sozialhilfeverwaltung tritt an die Stelle einer standardisierten Routine der Einzelfall. Aus einer bürokratischen auf Geldleistungen ausgerichteten Behörde wird eine auf Sozialarbeit und Integration des Berechtigten in den Arbeitsmarkt gerichtete Institution. Vertrag und Fallmanagement schaffen schließlich die Grundlagen für die Sanktionierung. Die von Berechtigten und Verwaltung abge- und beschlossene Eingliederungsstrategie kann bei Verletzung durch den Berechtigten als Vertragsbruch gewürdigt und dementsprechend sanktioniert werden. D. h. jede Sanktionierung gründet letztlich auf den Vorwurf an den Berechtigten, ein gegebenes Versprechen nicht gehalten zu haben. Der zu Sanktionierende wird daher aus sich selbst heraus widerlegt. III. Internationale Beispiele und europäische Forderungen 1. Internationaler Hintergrund und europäischer Geltungsgrund Die Arbeitsmarktreform war als Teil der Agenda 2010 angelegt. In seinen Erinnerungen berichtet Gerhard Schröder, der Begriff "Agenda 2010" sei von Doris Schröder-Köpf vorgeschlagen worden wegen seiner

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Ders., Beyond Left and Right, 1994.p. 18,180 15

Eberhard Eichenhofer, Recht des aktivierenden Wohlfahrtsstaates, Baden-Baden, 2013, S. 124 f.

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Redebeitrag von Prof. Eberhard Eichenhofer beim TdkJ 2015

"europäischen Anklänge"16

. Diese Bemerkung veranschaulicht die – selten wahrgenommene – internationale Dimension der Reform, die im Übrigen nur aus der Perspektive europäischen Rechts ganz verständlich wird. Die Agenda 2010 ist, zusammengefasst, als der deutsche Beitrag zu der 2000 verabschiedeten mit der Perspektive auf 2010 ausgerichteten Lissabon-Strategie zu verstehen. 2. Niederländische, dänische und britische Beispiele Nicht nur in Australien und den USA, sondern auch in Europa wurden in den 1980er und 1990er Jahren Reformen auf dem Arbeitsmarkt verwirklicht, die in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt schließlich von dort übernommen und auch verabschiedet worden sind. Die Niederlande waren in den frühen 1980er Jahren von Wachstumsschwäche und hoher Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung gekennzeichnet. Die "niederländische Krankheit" wurde zum stehenden Begriff und sie wurde durch das "Polder-Modell" erfolgreich überwunden. Ausgehend von einem 1982 in Wassenaar von Staat und Sozialpartnern geschlossenen Abkommen sollten durch Lohnzurückhaltung, Abgabensenkungen und Rückführung der Staatsausgaben sowie schließlich die Neugestaltung der Arbeitsmarktpolitik ein Beispiel für eine beschäftigungsorientierte Umgestaltung einer in die Krise geratenen Wirtschaftsgesellschaft gegeben werden.

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An die Stelle eines sich jegliche Anforderung an den Leistungsempfänger versagenden permissiven, weichen Wohlfahrtsstaats sollte die Maxime: Werk boven inkomst treten, also Arbeit dem Bezug von Sozialleistungen vorgehen. Arbeit sollte lohnender als der Bezug von Sozialleistungen sein und Arbeitsuche sollte für Arbeitslose die primäre Verpflichtung sein und nicht der Bezug von Geldleistungen. Ein Jahrzehnt später wurde in Dänemark eine ähnliche Politik entwickelt. Die auf dem dänischen Arbeitsmarkt seit jeher hohe Flexibilität des Arbeitsrechts, die sich in einem weithin fehlenden Kündigungsschutz ausdrückt, durch eine freiwillige, von den Gewerkschaften getragene bei niedrigen und Durchschnittsverdienern 90 % des zuletzt bezogenen Nettoeinkommens sichernde Arbeitslosenversicherung ergänzt. Sie stellt an Arbeitsuchende hohe Anforderungen an deren Verfügbarkeit und Bereitschaft zur Übernahme zumutbarer Arbeit, so dass jede unbegründete Ablehnung zumutbarer Arbeit mit gravierenden Sanktionen belegt wird.

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Ende der 1990er Jahre wurde im Vereinigten Königreich von New Labour

19 im Zeichen einer Politik des "Dritten

Weges" die Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit dem Ziel einer Vertiefung der sozialen Gerechtigkeit verbunden. Die in dieser Tradition stehende Sozialpolitik anerkannte zwar, dass wegen der sozialen Abhängigkeit und wechselseitigen Bedingtheit aller Lebensverläufe die Armut und Arbeitslosigkeit jenseits individueller Kontrolle liegen. Der Hilfeempfänger wird jedoch dazu verpflichtet, seinen Teil an der Überwindung der eigenen Notlage beizutragen. Dementsprechend werden von den Arbeitsuchenden Mitwirkungshandlungen und Verhaltensänderungen erwartet, welche die Arbeitsverwaltung ihrerseits anstößt und welchen die berechtigte Person auch nachkommen muss. Erwerbsarbeit muss sich auch lohnen – make work pay. Daher wurde der seit 1908 im Vereinigten Königreich bestehende und unter Thatcher vorübergehend abgeschaffte gesetzliche Mindestlohn wieder eingeführt. Die Integration von Arbeitsuchenden in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft werden durch Verträge gesteuert. Ein gezieltes vom Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnetes Vorgehen wurde als Grundlage der Gewährung von Arbeitslosensicherungen formuliert. 3. EU-Einfluss Alle diese Veränderungen sind auch als Folge der Europäischen Beschäftigungspolitik zu verstehen, die seit 1994 betrieben wurde und seit 1997 in Artikeln 145 bis 151 AEUV im Einzelnen geregelt ist. Diese sollte das auf wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt gerichtete Binnenmarktvorhaben und auf das sozialpolitische Ziel der Vollbeschäftigung und des Wachstums ausrichten. Die europäische Beschäftigungspolitik ist ein wichtiges Instrument zur Vollendung des Binnenmarktes. Dieser wird in Artikel 3 III EUV mit folgenden Worten gekennzeichnet: "Die Union errichtet einen Binnenmarkt. Sie zielt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hinwirkt. Sie fördert den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Sie bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierung und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz."

16

Ebd., 393. 17

Vgl. Eichenhofer, Recht des aktivierenden Wohlfahrtsstaates, 26 ff. 18

Ebd.,31 ff. 19

Ebd., 43 ff.

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Redebeitrag von Prof. Eberhard Eichenhofer beim TdkJ 2015

Inwieweit entspricht die deutsche Arbeitsmarktreform diesem Ziel? Dieser Bestimmung ist zunächst zu entnehmen, dass der Binnenmarkt die Wirtschaft in den Dienst sozialer Ziele stellt. Wirtschaften sollen im Binnenmarkt nicht um ihrer selbst willen, sondern um sozialer Zwecke willen betrieben werden. Die wirtschaftliche Integration wird als das zentrale Mittel des sozialpolitischen Fortschritts verstanden. Die Europäische Beschäftigungsstrategie setzt auf Aktivierung der Arbeitsuchenden und daher auch auf Eingliederung der behinderten und älteren Menschen in den Arbeitsmarkt. Sie bezweckt innovative Ansätze durch Mittel aus dem ESF zu fördern

20 und die Bildungspolitik der Mitgliedschaften zu prüfen, kontrollieren und

schließlich auf gemeinsame Ziele auszurichten. Sie erstrebt im Sinne von Flexicurity die Flexibilität der Arbeitsplätze mit der Sicherheit der Beschäftigten zu verbinden. Hierfür sind das Sozialleistungs-, Steuer- und Bildungssystem auf Beschäftigung, lebenslanges Lernen und aktives Altern auszurichten und die Arbeitsvermittlung (Job Matching) zu verbessern. Die Beschäftigungsfähigkeit (employability) soll erhöht und der Unternehmergeist (entrepreneurship) gestärkt, die Anpassungsfähigkeit (adaptability) von Unternehmen und Beschäftigten durch wirtschaftliche und zugleich soziale Arbeitsverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt verbessert und die Beschäftigungschancen für am Arbeitsmarkt unterrepräsentierte Gruppen erhöht werden. Die soziale Sicherheit wird nicht nur als finanzielle Belastung, sondern auch als Produktionsfaktor gesehen, durch welchen die Grundlagen für die Produktivität auf der Basis sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit geschaffen werden können. Dies muss aber so ausgestaltet werden, dass die soziale Sicherheit ihrerseits die Beschäftigung fördert und diese nicht gegenüber der Gewährung von Sozialleistungen zur schlechteren Alternative wird. IV. Fazit Das Sozialgesetzbuch II fügt sich in die Europäische Beschäftigungsstrategie ein und versucht, die sich in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union als gute Praktiken entwickelten Regeln und auch auf die dringende mit Sanktionsandrohungen untersetzte Empfehlung der Europäischen Union in Deutschland zu verwirklichen. Sie beruht auf einem Ansatz, der soziale Rechte zugleich als soziale Pflichten versteht und sie statt bürokratischer und standardisierter Routinen die individuelle Fürsorge und Hilfe in Gestalt von Sozialarbeit vorsieht. Darin lag die tiefgreifende Veränderung des deutschen Sozialstaats durch die Arbeitsmarktreform 2003/2004, deren Voraussetzungen und Leitvorstellungen aus internationaler und europäischer Perspektive erst eigentlich sichtbar werden.

20

Streinz/Eichenhofer, EUV-AEUV, Art. 62, Rn. 1 ff.

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Entwicklungslinien im SGB II – Welchen Weg weisen sie?

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Gliederung

I. Vorbemerkungen II. Eingliederungsleistungen III. Sanktionen IV. New Governance

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I. Vorbemerkungen

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I. Vorbemerkungen

Stand April 2015: 66 Änderungsgesetze, zuletzt

• Fünftes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (5. SGB IV-ÄndG) vom 15. April 2015

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II. Eingliederungsleistungen

• Leistungen zur Eingliederung aufgrund Verweisung auf die Vorschriften des SGB III (§ 16 SGB II)

• Spezifische Eingliederungsleistungen des SGB II – z.B. kommunale Eingliederungsleistungen, Einstiegsgeld, Arbeitsgelegenheiten usw. (§ 16a SGB II ff.)

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II. Eingliederungsleistungen

BSG vom 23.11.2006 – B 11b AS 3/05 R Als weitere Eingliederungsleistungen iS des § 16 Abs 2 S 1 SGB II kommen auch Leistungen zur Fortsetzung selbständiger Erwerbstätigkeit in Betracht, wenn sie zur Eingliederung erforderlich sind und die Leistungsempfänger zum Kreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gehören.

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III. Sanktionen

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III. Sanktionen

BSG vom 23.5.2013 – B 4 AS 67/12 R Ist die Sanktion eines SGB II-Trägers gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit dem Wegfall der Leistungen für Unterkunftsaufwendungen verbunden, kann dies eine Abweichung vom „Kopfteilprinzip“ und höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft an die weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder rechtfertigen.

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III. Sanktionen

BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R Hinsichtlich der Minderungen von bis zu 30 % des maßgebenden Regelbedarfs konnte der Senat sich die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Regelungen nicht bilden, weil das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwar dem Grunde nach unverfügbar ist, aber der Konkretisierung durch den Gesetzgeber bedarf und die vorliegend einschlägigen Regelungen noch von seiner Gestaltungsfreiheit umfasst sind.

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IV. New Governance

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IV. New Governance

BSG vom 22.9.2009 – B 4 AS 13/09 R Ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger hat gegenüber dem Grundsicherungsträger keinen Rechtsanspruch auf Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung oder auf Verhandlungen hierüber.

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IV. New Governance

BSG vom 14.2.2013 – B 14 AS 195/11 R Die Auslegung des § 15 Abs 1 SGB II spricht eher dafür, dass ein die Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakt nur in Betracht kommt, wenn der Grundsicherungsträger zuvor den Versuch unternommen hat, mit dem Arbeitsuchenden eine Vereinbarung zu schließen oder im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, die den Abschluss einer Vereinbarung als nicht sachgerecht erscheinen lassen, was im ersetzenden Verwaltungsakt im Einzelnen darzulegen wäre.

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IV. New Governance

BSG vom 6.12.2012 – B 11 AL 15/11 R Während einer bewilligten Weiterbildungsmaßnahme kann der Leistungsträger aufgrund einer Rechtsänderung eine Eingliederungsvereinbarung nach den Vorschriften über den öffentlich-rechtlichen Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur kündigen, wenn ihm ein Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht zuzumuten ist.

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Redebeitrag von Dr. Dietlind Tiemann beim TdkJ 2015

Tag der kommunalen Jobcenter 2015

„Perspektiven des SGB II – Wo stehen wir in zehn Jahren?“

12.05.2015, Leonardo Royal Hotel Berlin

Redebeitrag von Dr. Dietlind Tiemann, Oberbürgermeisterin der Stadt Brandenburg an der Havel und Mitglied im Präsidium des Deutschen Städtetages - es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Damen und Herren, der heutige Tag der kommunalen Jobcenter beschäftigt sich mit den Perspektiven des SGB II in zehn Jahren, also im Jahr 2025. In sechs Fachforen haben Sie sich mit wichtigen Zukunftsfragen für die Arbeitsmarktpolitik beschäftigt. Der Blick nach vorn braucht aber auch den Blick zurück – denn die Erfahrungen der Vergangenheit prägen uns und aus ihnen lernen wir. Aus der Bilanz, die wir ziehen, entwickeln wir neue Ideen für die Zukunft. Einführung und Hintergrund Vor gut zehn Jahren, am 1. Januar 2005, wurden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zur „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ im Sozialgesetzbuch II zusammengeführt. Dem war eine langwierige und schwierige Debatte um die Organisation des neuen Leistungssystems vorausgegangen. Erst im letzten Moment wurde parallel zum Modell der „Arbeitsgemeinschaften“ aus Bundesagentur für Arbeit und Kommunen auch ein politischer Kompromiss für ein tragfähiges Modell der alleinigen kommunalen Trägerschaft gefunden – für die Optionskommunen. Aus kommunaler Sicht war es vor allem wichtig, die Kompetenzen der Kommunen für die Betreuung von arbeitsmarktfernen Personengruppen in das neue Leistungsrecht einzubeziehen. Ein wichtiger Motor für die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende war ja gerade, dass viele Menschen faktisch von den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung ausgeschlossen waren, die damaligen Sozialhilfebezieher. Seit den neunziger Jahren hatten deshalb viele Kommunen selbst Beschäftigungsprojekte aufgelegt. Nur so konnte für die Sozialhilfeempfänger eine realistische Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsleben und damit zur Sicherung der eigenen Existenz entwickelt werden. Dadurch entwickelte sich aber auch eine Parallelstruktur von Arbeitsförderung der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf der einen Seite und kommunaler Beschäftigungsförderung auf der anderen Seite, die durch die Reform wieder zusammengeführt werden sollte. Gleichzeitig war auch die Arbeitslosenhilfe ein Fremdkörper im Versicherungssystem der Arbeitslosenversicherung. Es war kaum nachzuvollziehen, dass aufgrund einer einmal erzielten Anspruchsberechtigung dauerhaft eine Zweiklassengesellschaft von Arbeitslosen entstand – zum einen aus den Menschen, die einen Anspruch erworben hatten und damit praktisch lebenslang Arbeitslosenhilfe beziehen konnten und zum anderen aus denjenigen, die vielleicht knapp keinen Anspruch erworben hatten und dauerhaft auf Sozialhilfe angewiesen waren. Dies betraf auch junge Menschen, denen der Einstieg in die Arbeitsgesellschaft nicht gelungen war. Denjenigen, die heute noch die Leistungskürzung für die ehemaligen Bezieher von Arbeitslosenhilfe beklagen, muss die verbesserte Situation der ehemaligen Sozialhilfeempfänger entgegengehalten werden, auch wenn die Reform nicht alle Versprechen von damals eingelöst hat. Wir müssen uns vor Augen führen: Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war eine Jahrhundertreform. Es ist gelungen, Versicherungsleistung und Fürsorgeleistung sauber voneinander zu trennen und die Benachteiligung von Sozialhilfeempfängern zu beenden. Die Kompetenzen der Kommunen sind im Rahmen ihrer Beteiligung an den gemeinsamen Einrichtungen und als alleinige kommunale Träger in das System einbezogen worden. Eine solche Reform ist jedoch nach zehn Jahren noch nicht abgeschlossen, sondern wir sind mitten im Umsetzungsprozess. Eine besondere Herausforderung bedeutet die Zusammenführung der beiden unterschiedlichen „Kulturen“ von Arbeitsförderung auf der einen und sozialer Unterstützungsleistung auf der

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Redebeitrag von Dr. Dietlind Tiemann beim TdkJ 2015

anderen Seite, die sich nicht nur – in den gemeinsamen Einrichtungen – in der doppelten Trägerschaft von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen niederschlägt, sondern auch im Gesetz selbst abbildet. Schlaglichter: Erfahrungen aus den letzten zehn Jahren Wir haben in Vorbereitung der heutigen Veranstaltung einige „Zeitzeugen“ nach ihren Erfahrungen mit dem SGB II gefragt. Es handelt sich um Persönlichkeiten, die als Akteure der „ersten Stunde“ an der Umsetzung des SGB II mitgearbeitet haben oder die aktuell Verantwortung im Bereich des SGB II tragen. Wir haben ihnen zwei Fragen gestellt: Welche Erfahrung der letzten zehn Jahre hat Sie bei der Umsetzung der neuen Grundsicherung für

Arbeitsuchende am meisten geprägt oder beeindruckt? Was sollte sich aus Ihrer Sicht in zehn Jahren geändert haben? Auch mithilfe der Antworten will ich zum Abschluss der heutigen Tagung einige konkrete Forderungen für die Zukunft der Grundsicherung für Arbeitsuchende entwickeln. Aber zunächst einige „Schlaglichter“ zu den Erfahrungen der letzten zehn Jahre. Auf kommunaler Seite haben wir den Vorsitzenden des Städtetages Nordrhein-Westfalen und Oberbürgermeister der neuen Optionsstadt Wuppertal, Peter Jung sowie den Kreisdirektor a.D. des Kreises Steinfurt und langjährigen Vorsitzenden der Kommunalkonferenz Option in NRW, Dr. Wolfgang Ballke, befragt. Beide heben die große Bedeutung der Arbeit der Jobcenter für die Situation vor Ort hervor. Besonders beeindruckend sei der Abbau von Arbeitslosigkeit, der in den letzten Jahren erzielt wurde. In der Tat: Beim Abbau der Arbeitslosigkeit sind bedeutende Erfolge zu verzeichnen. Nach einem Höchststand von fünf Millionen Arbeitslosen im Jahr 2005 – der auch aus dem Aufdecken der versteckten Arbeitslosigkeit in der Sozialhilfe resultierte – ging ihre Zahl bis zum Jahr 2014 auf unter drei Millionen Arbeitslose zurück. Auch im Rechtskreis SGB II sank die Zahl der arbeitslosen Menschen von fast drei Millionen auf unter zwei Millionen. Die Langzeitarbeitslosen konnten allerdings bis jetzt nur wenig von der positiven Entwicklung profitieren; ihre Zahl stagniert bei etwa einer Millionen Personen. Dieses Thema werde ich später noch aufgreifen. Oberbürgermeister Peter Jung schildert weiter die beeindruckende Wirkung der Wuppertaler Nordbahntrasse. Im Rahmen von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen erfolgte der Umbau der ehemaligen Bahntrasse zu einem multifuntkionalen Rad- und Fußweg, der mittlerweile mit einer Länge von 22 Kilometern durch ganz Wuppertal führt und zu einer absoluten Freizeitattraktion und einem Ort der Begegnung geworden ist. In seinem Umfeld siedeln sich zahlreiche soziale und kulturelle Einrichtungen an. So trägt ein Beschäftigungsprojekt dazu bei, dass eine Stadt insgesamt lebenswerter wird. Auf diese positiven Synergieeffekte, die wir aus der kommunalen Beschäftigungsförderung kennen, sollten wir zukünftig wieder stärker bauen. Die Bedeutung der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Bundesebene stellt die zuständige Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Dr. Elisabeth Neifer-Porsch, heraus. Das System umfasse alleine auf Bundesseite ein Finanzvolumen von mehr als 32 Milliarden Euro. Rund 75.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in den Jobcentern beschäftigt. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende präge damit ein zentrales Stück der Lebenswirklichkeit von mehr als sechs Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Hinzu kommen die kommunalen Aufwendungen für das SGB II, insbesondere für die Wohnkosten von Leistungsempfängern. Die Kosten der Unterkunft lagen im Jahr 2013 bei fast 14 Milliarden Euro, abzüglich der Bundesbeteiligung. Uns belastet vor allem der stetige Anstieg dieser Kosten. Durch die fehlende Dynamik des Wohngeldes rutschen immer mehr Familien in den Bezug von SGB II-Leistungen, selbst wenn Erwerbseinkommen vorliegt. Das neue Wohngeldgesetz wird hier nur teilweise Abhilfe schaffen. Der Leiter der Abteilung Arbeitsmarktpolitik des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dr. Wilhelm Adamy, bewertet die Reform allerdings kritisch. Aus seiner Sicht ist „Hartz IV“ die neue Sozialhilfe, die zu viele soziale Problemlagen auffangen soll. Damit sei das System überfordert. Außerdem solle die Spaltung der Arbeitsmarktpolitik in zwei Rechtskreise revidiert werden. Die Einschätzung, dass die Arbeitsmarktpolitik in zwei Rechtskreise gespalten wurde, teilen wir, wie ja oben schon ausgeführt, ausdrücklich nicht. Im Gegenteil, durch die Sozialreform wurde Ungleichbehandlung verringert und eine klare Trennung zwischen beitragsfinanzierter Arbeitslosenversicherung und steuerfinanzierter Existenzsicherung vorgenommen. Eine „Rückabwicklung“ der Grundsicherung für Arbeitsuchende wäre tatsächlich ein großer Rückschritt und würde die so mühsam erreichte Errungenschaft der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wieder aufgeben. Ich denke, dass will heute keiner mehr, auch wenn es lange

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Redebeitrag von Dr. Dietlind Tiemann beim TdkJ 2015

gedauert hat – und noch andauert – die organisatorischen und kulturellen Schwierigkeiten der gemeinsamen Trägerschaft und der verschiedenen Trägermodelle zu überwinden. Aber was richtig ist: Wir brauchen eine Aufgabenklärung der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sie darf nicht durch zu viele fachfremde Aufgaben überfordert werden – Beispiele dafür sind die Bekämpfung von Problemen am Wohnungsmarkt (z.B. bei Schrottimmobilien) oder die Durchsetzung des Mindestlohns. Hierfür sind andere Akteure zuständig, und es kommt darauf an, die Schnittstellen zu definieren und die Zusammenarbeit weiterzuentwickeln. Dafür haben die Jobcenter oftmals eine wichtige Initialfunktion. Auf der kommunalen Ebene haben wir die große Chance, sehr viele kommunale Aufgabenbereiche mit den Zielen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu verzahnen. Herausforderungen: Wir brauchen ein Umsteuern in der Arbeitsmarktpolitik, um Langzeitarbeitslose zu integrieren Während die Ziele und Grundsätze der Sozialreform also überwiegend große Zustimmung finden, ist die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitsuchende allerdings noch durch viele Schwierigkeiten und Hürden gekennzeichnet. Hierzu möchte ich den zuständigen Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Arbeitsministerium, Dr. Wilhelm Schäffer, zitieren. Auf die Frage, was sich in zehn Jahren geändert haben soll, sagt er: „Es sollte besser gelingen,

- Arbeitsmarkt und soziale Dienstleistungen zu verknüpfen, - die ganzheitliche und umfassende Unterstützung der arbeitsuchenden Menschen umzusetzen, - soziale Teilhabe für die zu sichern, die keine realistische Chance auf eine Einmündung in den

Arbeitsmarkt haben und - eine angemessene Finanz- und Personalausstattung zu gewährleisten.“

Herr Dr. Schäffer spricht damit die Herausforderungen an, vor denen wir im Moment stehen. Wir haben alle zusammen erkannt, dass das eigentliche Versprechen der Sozialreform noch nicht eingelöst werden konnte. Für die Menschen, die schon lange Sozialleistungen beziehen, konnten wir noch keine nachhaltigen Perspektiven entwickeln. Die Zahl der Langzeitleistungsbeziehenden im SGB II liegt bei etwa drei Millionen Personen. Selbst wenn darunter viele Erwerbsaufstocker sind oder Personen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen – das kann uns nicht zufriedenstellen. Die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit und Langzeitleistungsbezug ist DIE Herausforderung der Zukunft. Deutschland als wirtschaftlich prosperierendes Land mit einer positiven Beschäftigungsentwicklung muss seine Bürger, die aus welchen Gründen auch immer auf Hilfe bei der Existenzsicherung angewiesen sind, teilhaben lassen und sozial integrieren. Ich halte es daher für erforderlich, dass wir in wesentlichen Bereichen der aktiven Arbeitsförderung umsteuern. Wir haben im Moment die kuriose Situation, dass wir im Bereich der Geldleistungen im SGB II auf Instrumente und Verfahren der ehemaligen Sozialhilfe zurückgreifen. Im Bereich der Eingliederungsleistungen setzen wir dagegen hauptsächlich auf die gleichen Instrumente, die auch für Kurzzeitarbeitslose im SGB III genutzt werden. Zwar wird mittlerweile viel über den Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit gesprochen. Aber die neuen Programme und Pläne bleiben an der Oberfläche, werden auf das Regelsystem einfach aufgesetzt. Hinzu kommt, dass nicht die Ressourcen und Mittel bereitgestellt werden, die für eine effektive Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit tatsächlich erforderlich wären. Ein Umsteuern in der Arbeitsmarktpolitik heißt: a) Wir müssen im Rahmen der SGB II-Zielsteuerung die richtigen Impulse setzen. Statt immer nur auf die

Integrationsquote zu schauen, müssen wir signalisieren, dass es nicht um kurzfristige Erfolge geht, sondern dass wir tatsächlich langfristig soziale Teilhabe auch für arbeitsmarktferne Menschen realisieren wollen.

b) Mit der letzten Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente hat teilweise eine Flexibilisierung

stattgefunden. Das war gut. Aber es sind erhebliche Restriktionen bei den Instrumenten der öffentlich geförderten Beschäftigung vorgenommen werden. Diese müssen zurückgenommen werden. Wir brauchen – neben den Programmen zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung - auch niederschwellige Beschäftigungsangebote für arbeitsmarktferne Personen, die längerfristig und flexibel genutzt werden können. Die Arbeitsgelegenheiten sollten zu solchen „Teilhabejobs“ ausgebaut werden können.

c) Wir brauchen eine aufgabenadäquate und ausreichende Mittelausstattung für die Jobcenter, damit sie dieser

großen gesellschaftlichen Herausforderung gerecht werden können. Die Mittel für Eingliederungsleistungen sind in den vergangenen Jahren erheblich reduziert worden. Diese Kürzungen müssen zurückgenommen werden, damit wir nicht irgendwann vor den Scherbenhaufen unserer Arbeitsmarktpolitik stehen und

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Redebeitrag von Dr. Dietlind Tiemann beim TdkJ 2015

feststellen müssen, dass immer mehr Menschen vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt sind. Der Bund muss außerdem den Verwaltungskostentitel anheben. Steigende Kosten wie z.B. Mieten und Gehälter, werden darin überhaupt nicht berücksichtigt, geschweige denn steigende Anforderungen an die Jobcenter. Die Umschichtungen aus dem Eingliederungstitel kosten den Bund keinen Cent zusätzlich, während die Kommunen durch den kommunalen Finanzierungsanteil an den Verwaltungskosten draufzahlen.

d) Das Thema „Netzwerk“ erlebt in der letzten Zeit eine große Renaissance. Tatsächlich erscheint es nur über

die Zusammenarbeit Vieler möglich, die nach wie vor bestehenden Probleme und Schwierigkeiten bei der Integration von benachteiligten Zielgruppen in Arbeit zu lösen. Wir sollten alle daran arbeiten, die Schnittstellen verschiedener Rechtskreise und Aufgabenfelder besser durchgängig zu machen. Allerdings sollten wir auch ehrlich bleiben. Die bessere Verzahnung von Arbeitsmarktdienstleistungen und sozialen Dienstleistungen wird nicht ausreichen, Langzeitarbeitslosigkeit und –leistungsbezug in Deutschland dauerhaft abzubauen. Die Wahrheit ist doch: Beim Abbau von langfristigem Leistungsbezug haben die bisherigen Mittel versagt. Das werden wir nicht als Kommunen alleine auffangen können. Ich freue mich, dass offenbar den sozialen Dienstleistungen eine solche Bedeutung zugesprochen wird. Aber wir wissen auch alle, dass es vor allem eine Beschäftigung und die damit verbundene Teilhabe ist, die Menschen sozial stabilisiert.

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2025 Welche Vision wünschen wir uns für die Grundsicherung für Arbeitsuchende in zehn Jahren? Zwei unserer „Zeitzeugen“, der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, und der damals zuständige Unterabteilungsleiter im BMAS, Dr. Rolf Schmachtenberg, sehen in dem Streit und in dem Ringen der an der Reform beteiligten Akteure um den richtigen Weg oder besser noch: die richtige Philosophie in der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Grundlage für einen nachhaltigen Erfolg. Und diese beiden sind wahrlich streiterprobt! Heinrich Alt sagt weiter: „In den letzten zehn Jahren hat sich für mich gezeigt, dass genau diese Mischung aus Arbeitsmarktprofis und Spezialisten aus der fürsorgenden Sozialpolitik den Erfolg ausmacht.“ Ich sehe darin auch eine wichtige Anerkennung unserer kommunalen Kompetenzen. Für den Erfolg der Auseinandersetzung um den richtigen Weg ist allerdings entscheidend, dass alle Beteiligten offen sind für die Argumente der anderen Seite und dass tatsächlich der Wille besteht, etwas zu verändern. An diesem Punkt befinden wir uns jetzt. Es ist noch nicht wirklich gelungen, die Kompetenzen beider Systeme zusammenzuführen. Es reicht nicht, wie Heinrich Alt fordert, dass System unbürokratischer zu gestalten und die gesetzlichen Regeln einfacher und klarer auszugestalten. Dies ist eine wichtige Vorbedingung, damit den Jobcentern mehr Zeit bleibt für die persönliche Beratung und Betreuung der Leistungsberechtigten. Wir brauchen aber auch inhaltlich ein neues Leitbild in der Arbeitsmarktpolitik, dass stärker als bisher anerkennt, dass wir die Menschen, für die wir Verantwortung tragen, nicht kurzfristig und „auf Knopfdruck“ wieder arbeitsmarktfähig machen können, sondern dass wir ihnen individuelle, manchmal auch längerfristige Angebote machen müssen, und dass wir soziale und berufliche Teilhabe sicherstellen müssen. Die Arbeit der Jobcenter sichert, so Oberbürgermeister Peter Jung, den sozialen Frieden in der Stadt. Wir müssen uns fragen, was es uns in dieser Gesellschaft wert ist, die berufliche und damit auch soziale Ausgrenzung von Menschen zu verhindern. Dies gilt übrigens auch für viele andere Politikbereiche. Wir sind als Kommunen in besonderer Weise von den negativen Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen, von gesundheitlichen und sozialen Problemen, Erziehungs- und Bildungsdefiziten, Sucht- und Drogenproblemen, psychischen Problemen und Kriminalität. Wir stehen als Kommunen bereit, unseren Teil dazu beizutragen, dass berufliche und soziale Inklusion gelingt. Das schaffen wir aber nicht alleine. Deshalb fordere ich alle Akteure, insbesondere Bund und Länder, dazu auf, die oben beschriebenen Herausforderungen gemeinsam mit uns anzupacken. Frau Dr. Neifer-Porsch hat uns geschrieben: „Von uns als Akteuren erwarte ich, dass wir die

Möglichkeiten für Langzeitarbeitslose weiter verbessern.“ Genau das erwarte ich ebenfalls, auch wenn es heißt, miteinander um die beste Lösung zu ringen. Unsere Vision für die Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2025 ist, dass es uns gelingt, das ursprüngliche Versprechen der Reform einzulösen und soziale und berufliche Ausgrenzung für alle Menschen in Deutschland nachhaltig zu verhindern. Vielen Dank.

04.09.2015

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Perspektiven des SGB II

Dr. Dietlind Tiemann

Berlin, 12. Mai 2015

Tag der kommunalen Jobcenter 2015

Zeitzeugen

Oberbürgermeister Peter Jung, Wuppertal

„In Wuppertal verzeichnen wir den niedrigsten Stand der Arbeitslosen seit vielen Jahren. Dazu hat wesentlich auch das Jobcenter beigetragen. Und auch den Beitrag von Arbeitslosen an der Stadtent-wicklung – beispielsweise durch Beschäfti-gungs- und Qualifizierungsmaßnahmen an der Nordbahntrasse – finde ich beeindruckend.“

Kreisdirektor a.D. Dr. Wolfgang Ballke, Kreis Steinfurt

"Die Kommunen - insbesondere die Optionskommunen - haben ihre ureigene Verantwortung, sich um arbeitslose Menschen zu kümmern, angenommen. Sie haben sich damit der seinerzeit wichtigsten gesellschafts-politischen Aufgabe in Deutschland, nämlich der Reduzierung der damals sehr hohen Arbeitslosenzahlen, gestellt.“

04.09.2015

2

Zeitzeugen

Dr. Elisabeth Neifer-Porsch, BMAS

„Den meisten Eindruck machen auf mich die Lebendigkeit der Grundsicherung für Arbeitsuchende und das große Engagement all derer, die sie mitgestalten. Bund, Länder und Kommunen bringen ihre Ressourcen, ihre Erfah-rungen und ihre Ideen in ein System mit einem Finanz-volumen von mehr als 32 Mrd. Euro im Jahr allein auf Bundesseite und insgesamt rd. 75.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein. Bei diesen Dimensionen wird schnell klar: Die Grundsicherung für Arbeitsuchende prägt ein zentrales Stück der Lebenswirklichkeit von mehr als 6 Mio. Bürgern. Alle Akteure arbeiten also mit hoher sozialer Verantwortung. Trotz aller Kritik und allen Verbesserungspotenzials, das wir nach wie vor haben, können wir sagen, diese Arbeit ist eine erfolgreiche Arbeit.“

Zeitzeugen

Dr. Wilhelm Adamy, DGB

„Trotz allen Engagements der Beschäftigten in den Jobcentern kommt das Hartz-IV-System nicht wirklich zu Ruhe. Die Konstruktionsfehler mit einer überkomplexen Aufbau- und Ablauforganisation wiegen zu schwer. Hartz IV ist die neue Sozialhilfe, die wie ein Container (zu) viele soziale Problemlagen auffangen soll. Damit ist das System überfordert und sowohl Beschäftigte wie Empfänger geraten unter Druck.“

04.09.2015

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Zeitzeugen

Dr. Wilhelm Schäffer, MAIS

„Es sollte besser gelingen, Arbeitsmarkt- und soziale Dienstleistungen miteinander zu verknüpfen, die ganzheitliche und umfassende Unterstützung der arbeitsuchenden Menschen umzusetzen, soziale Teilhabe für diejenigen zu sichern, die keine realistische Chance auf eine Einmündung in den Arbeitsmarkt haben und eine angemessene Finanz- und Personalaus-stattung zu gewährleisten.“

Zeitzeugen

Heinrich Alt, BA

„Der Start in die neue Grundsicherung vor zehn Jahren war alles andere als brillant. Viel zu hektisch und unvorbereitet. Es gab keine hinreichend geschulte Mannschaft, sondern zwei Teams aus unterschiedlichen Verwaltungs-kulturen, die auf einmal dasselbe Trikot anhatten und auf das gleiche Tor zurannten. In den zehn Jahren hat sich für mich gezeigt, dass genau diese Mischung aus Arbeitsmarktprofis und Spezialisten aus der fürsorgenden Sozialpolitik den Erfolg ausmacht.“

04.09.2015

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Zeitzeugen

Dr. Rolf Schmachtenberg, BMAS

„In den Anfangsjahren der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben wir, Bund, Länder und Kommunen, über den richtigen Weg miteinander gerungen. Dieser Prozess war oft anstrengend und nicht immer einfach für alle Beteiligten. Trotz allem war er notwendig, denn der intensive und offene Austausch ist die Basis für die nach-haltigen Lösungen zur Verbesserung der Chancen der Langzeitarbeitslosen.“

Perspektiven des SGB II

Dr. Stephan Articus, DST

„Unsere Vision für die Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2025 ist, dass es uns gelingt, das ursprüngliche Versprechen der Reform einzulösen und soziale und berufliche Ausgrenzung für alle Menschen in Deutschland nachhaltig zu verhindern.“

04.09.2015

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Dr. Dietlind Tiemann

Berlin, 12. Mai 2015

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!