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Animal Welfare Report 2016 Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz

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Animal Welfare Report 2016

Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen

der Schweiz

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ANIMAL WELFARE REPORT 2016

Impressum 6. Auflage, herausgegeben 2016 von

InterpharmaVerband der forschenden pharmazeutischen Firmen der SchweizPetersgraben 35Postfach4009 BaselTelefon +41 (0)61 264 34 00E-Mail [email protected]

Redaktionsteam Interpharma:Sara Käch, Carolin Lorber

Disponible en traduction françaiseAvailable in English

© Interpharma, 2016 BaselAbdruck mit Quellenangabe erwünscht

Die forschende Pharmaindustrie setzt sich dafür ein, neue Therapien und Medikamente für Patientinnen und Patienten zu finden. Im Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz (Interpharma) hat sie sich zusammengeschlossen, um die gemeinsamen Interessen zu vertreten.

Interpharma arbeitet eng mit allen Beteiligten im Gesundheitswesen und den Interessen-vertretungen der Pharmabranche im In- und Ausland zusammen. Wir informieren über die Belange, die für die Branche von Bedeutung sind, über den Pharmamarkt Schweiz, das Gesundheitswesen und die biomedizinische Forschung.

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Vorwort

Es gibt Begriffe, die im Volksmund nahe beieinanderliegen. Fällt in einer Runde das Wort «Tierversuche», kommt danach unweigerlich die Pharmaindustrie zur Sprache. Nur wenigen ist bewusst, dass heutzutage in den Labors unserer Universitäten und Hochschulen deutlich mehr Tiere gehalten und für Versuche genutzt werden als von schweizerischen Pharmafirmen, welche 40 000 Menschen beschäftigen und eine jährliche Wertschöpfung von 25 Milliarden Franken aufweisen.

Diese Trendumkehr bei Tierversuchen in der einheimischen Pharmaindustrie ist seit einem guten Jahrzehnt nachweisbar. «Weg vom Tierversuch» nannte sich eine Volks- initiative des Schweizer Tierschutz STS, welche 1993 zwar mit 56% Nein-Stimmen von Volk und Ständen abgelehnt wurde. Aber das Parlament verpflichtete damals im Tierschutzgesetz Bund, Hochschulen und die Industrie auf das 3R-Prinzip. Unabhän-gig wie man persönlich zu Sinn und Nutzen von belastenden Tierversuchen steht: Schweizer Pharmafirmen scheinen bestrebt zu sein, den gesetzlichen 3R-Vorgaben nachzuleben, Tierversuche einzuschränken und vorhandene Alternativmethoden ein-zusetzen.

Aus Sicht des STS ist das eine gute Entwicklung. Wir ermuntern die Branche aus-drücklich, diesen Weg weiter zu beschreiten, in der Überzeugung, dass Spitzenfor-schung sowie wirksame und erfolgreiche Pharmaprodukte ohne belastende Tierver-suche sich nicht ausschliessen.

Diese Einschätzungen bewogen den STS und andere Tierschutzorganisationen vor fünf Jahren, ein Angebot von Interpharma zu einem regelmässigen Dialog anzuneh-men. Seither treffen sich Pharma- und Tierschutzvertreter in der Regel zwei Mal jähr-lich zu vorab gemeinsam festgelegten Themen. Dabei geht es häufig um die 3R- Bemühungen der Industrie; aber auch, wie diesem Konzept zu mehr Breitenwirkung in der gesamten Forschungslandschaft der Schweiz verholfen werden könnte. Einig-keit besteht darüber, dass das aufgrund eines parlamentarischen Vorstosses der WBK-N nun diskutierte «3R-Kompetenzzentrum» zu einem wertvollen Instrument für Universitäten, Wirtschaft und Tierschutz werden könnte. Konsens herrscht auch be-züglich des Anliegens, verstärkt staatliche Forschungsgelder in die Entwicklung und Implementierung von Ersatzmethoden zu belastenden Tierversuchen zu investieren.

Ich bin überzeugt, dass mehr Tierschutz – in Form eines nationalen «3R-Kompetenz-zentrums» und konsequenterer Forschungsbemühungen im Bereich Ersatzmethoden den Forschungs-, Bildungs- und Wirtschaftsstandort Schweiz voranbringen wird!

Dr. Hansuli HuberGeschäftsführer FachbereichSchweizer Tierschutz STS

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* Im Zusammenhang mit der Zulassung von Arzneimitteln und der Bewertung von chemischen Risiken ist der Tierversuch zur Beurteilung möglicher Gesundheitsrisiken für Menschen und Tiere im Rahmen internationaler standardisierter Prüfanforderungen häufig vorgeschrieben (vgl. ICH-Guidelines; The International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use). Diese Richtlinien gelten sowohl für die Schweiz als auch für Europa, die USA und Japan.

Forschung und Entwicklung sind ein wichtiger Beitrag zur Ver-besserung der medizinischen Versorgung. Dank zahlreicher Innovationen in den letzten Jahrzehnten konnte die Pharmain-dustrie bessere Produkte und Dienstleistungen für die Diag-nose und die Behandlung von Krankheiten bereitstellen. Die Interpharma-Mitglieder haben ihre Forschungsschwerpunkte vielfältig gesetzt. Der Fokus liegt zum einen auf den grossen medizinischen Herausforderungen wie Krebserkrankungen, Störungen des Zentralnervensystems (Demenzerkrankungen, Parkinson), Erkrankungen des Immunsystems (Rheuma, multi-ple Sklerose), Stoffwechselstörungen (Diabetes), Infektions-krankheiten (HIV, Hepatitis), Herz-Kreislauf-Problemen und Er-krankungen der Atemwege. Zum anderen stehen auch seltene Krankheiten und solche, die vornehmlich in den Ländern der Dritten Welt ein Problem darstellen, im Interesse der Inter-pharma-Mitgliedsfirmen.

Auf dem langen Weg zu neuen Medikamenten zum Wohl der Patientinnen und Patienten sind in vielen Fällen auch Versuche an und mit Tieren unerlässlich.* Die Mitgliedsfirmen von Inter-pharma haben sich zum Ziel gesetzt, diesen Teilbereich der Forschung mit grösster Verantwortung zu behandeln und si-cherzustellen, dass der Tierschutz höchsten Ansprüchen ge-nügt. Auch modernste Technologien vermögen lebende Orga-nismen in ihrer Gesamtheit und das Zusammenspiel von Organen und Organsystemen noch nicht genügend abzubil-den. Um Krankheitsmechanismen zu verstehen und neue Be-handlungen zu entwickeln und zu prüfen, ist die Forschung am Tier derzeit noch unverzichtbar.

Bei der Arzneimittelentwicklung ist der Tierversuch stets letzter Schritt, den ein Arzneimittelkandidat nimmt. Vorab liegt ein lan-ger Weg tierfreier Experimente. Nur solche Arzneimittelkandi-daten, die in diesen Experimenten besonders gute Ergebnisse bringen, werden dann gemäss den gesetzlichen Vorgaben auf Wirksamkeit und Sicherheit im Tier getestet. Die Übersicht zeigt den langen Entwicklungsprozess eines neuen Medika-mentes und den gezielten Einsatz von Tieren in der Forschung in den verschiedenen (prä-)klinischen Entwicklungsphasen. n

Der lange Weg zu einem neuen Medikament

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Präklinische PhaseChemische und biologische Forschung� Wirkstoffsynthese� Gezielter Wirkungsnachweis in biochemischen

Experimenten und in Zellsystemen� Wirksamkeitsbeweis positiv getesteter Medikamente

im Tiermodell� Untersuchung von Pharmakodynamik (Wirkung

des Stoffes auf den Organismus) und Pharmakokinetik (Gesamtheit aller Prozesse, denen ein Arzneistoff im Körper unterliegt, wie Aufnahme, Verteilung, Abbau und Ausscheidung) am Tier

Vorklinische Entwicklung� Verträglichkeitsprüfung am Tier� Teratologie (Ausschluss von Missbildungen bei Föten am Tier)� Wirkstoffherstellung� Entwicklung geeigneter Darreichungsformen

Klinische Phase I� Sicherheit und Tolerabilität am Menschen� Untersuchung von Pharmakodynamik und Pharmakokinetik

am Menschen (Wirkstoffeffekte)� Wirkung an gesunden Freiwilligen� Wirkstoffherstellung in grossen Mengen

20151050

10 Präparate

20 Substanzen

>1 Mio. Substanzen

10 000 Substanzen

1 Präparat

Forschung Präklinische Phase Klinische Phase Verkauf

Jahre

I II III IV

Klinische Phase II� Pharmakologie an Patienten (Wirksamkeit und

Pharmakokinetik im Organismus)� Wirkung an einer kleineren Zahl ausgewählter Patienten� Fertilität (Wirkung auf Fortpflanzung beim Tier)� Verträglichkeit über 6, 12 und mehr Monate am Tier

Klinische Phase III� Wirkung an einer grösseren Zahl Patienten unter

praxisnahen Bedingungen� Ausschluss einer krebserzeugenden Wirkung nach

Langzeitanwendung beim Tier� Markteinführungsparameter� Entwicklung der endgültigen Darreichungsformen� Wirkstoffproduktion für die Einführung

Klinische Phase IV� Nach der Einführung des Medikamentes: nach Bedarf

weitere, gezielte klinische Prüfungen� Überwachung des Medikamentes in der

medizinischen Praxis� Erfassung und Auswertung von Nebenwirkungen

Der Werdegang eines Medikamentes

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Artikel 1 «Wir verpflichten uns, die Tierschutz - prinzipien gemäss der 3R-Prinzipien• Reduction (Reduzie-rung), Refinement (Verbesserung) und Replacement (Ersatz von Tierstudien) anzuwenden und aktiv zu fördern – insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung und den Einsatz von Methoden und Techniken, um Tierversuche weiter zu ersetzen, die erforderliche Zahl der Tiere zu reduzieren oder die Belastung der Labortiere vor, während und nach dem Einsatz auf ein Minimum zu beschränken.»

3R-Förderungsprojekte und -programme

Die Zukunft der 3R in der SchweizErfreulicherweise finden die 3R immer mehr Beachtung in der Forschung. Die Gesamtzahl der eingesetzten Tiere verringerte sich laut Schweizer Tierversuchsstatistik kontinuierlich: Sie sank von nahezu zwei Millionen im Jahr 1983 auf 682 333 Tiere im Jahr 2015. Dies bedeutet einen Rückgang von über 60 Pro-zent in diesem Zeitraum.

1987 wurde die Stiftung Forschung 3R ins Leben gerufen. Die Stiftung unterstützt die Forschung für bessere Methoden oder Alternativen zu Tierversuchen und wurde von Beginn an durch den Bund und Interpharma finanziert. In den letzten 29 Jahren hat die Stiftung rund 138 Forschungsprojekte aus rund 450 Beitragsgesuchen mit einem Betrag von insgesamt rund 18 Mio. Franken unterstützt. Diese Projekte sind von einem hoch qualifizierten Expertengremium beurteilt und begleitet worden. Auf der Homepage der Stiftung sind alle geförderten Projekte aufgelistet und detailliert beschrieben.

Der Bundesrat hat im Juli 2015 einen Bericht zum Thema 3R veröffentlicht und hat darin verschiedene Massnahmen vorge-schlagen, um die 3R weiter zu fördern. Eines der Kernele-mente bildet die Erweiterung der Aus- und Fortbildung von Forschenden im Bereich 3R. Schon heute absolvieren For-schende, die Tierversuche durchführen, eine mehrtägige the-oretische und praktische Ausbildung. Neu soll das Thema 3R im Curriculum der Studierenden aller naturwissenschaftlichen und medizinischen Studienrichtungen aufgenommen werden. Als weitere zentrale Massnahme soll die Schaffung eines nati-onalen Kompetenzzentrums geprüft werden. Dieses soll die Forschung nach Alternativmethoden gezielt fördern und in Zu-sammenarbeit mit der Industrie und den Hochschulen die ent-sprechenden Ergebnisse nachhaltig umsetzen. Das Kompe-tenzzentrum könnte Dienstleistungen für die Vollzugsbehörden, die Industrie und die Hochschulen im Bereich der 3R-Aus-, Weiter- und Fortbildung erbringen. Zudem soll es 3R-relevante Daten wissenschaftlich aufarbeiten und den Forschungsgrup-pen zur Verfügung stellen, 3R-Methodenforschung und -vali-dierung initiieren sowie die internationale wissenschaftliche Vernetzung sicherstellen.

Im Frühjahr 2016 hat swissuniversities (Verein der universitären Hochschulen, der Fachhochschulen und der Pädagogischen Hochschulen der Schweiz) vom Bund das Mandat erhalten, die Struktur und das Aufgabengebiet eines solchen Zentrums auszuarbeiten. In einer Arbeitsgruppe sowie in verschiedenen Subgruppen mit Interessensvertretern aus Akademie, Indust-rie und Behörden werden die Details für ein zukünftiges 3R-Kompetenzzentrum ausgearbeitet.

NC3Rs «CRACK IT»NC3Rs (National Center of Replacement, Refinement, Reduc-tion of Animals in Research) ist eine unabhängige und gröss-tenteils von der Regierung Grossbritanniens finanzierte Orga-nisation, die wissenschaftliche Aktivitäten rund um die 3R fördert. Zusätzliche Finanzierung erhält NC3Rs durch die pharmazeutische und chemische Industrie sowie durch ge-meinnützige Organisationen wie den Wellcome Trust oder Alzheimer’s Research UK. Unter dem Dach des «CRACK IT»-Programms geht die Organisation wissenschaftliche Heraus-forderungen an. Forscher aus der Industrie veröffentlichen auf der NC3Rs-Homepage einen Aufruf z.B. für eine neue Alterna-tivmethode. Daraufhin können sich akademische Gruppen, die sich mit dieser wissenschaftlichen Frage auseinanderset-zen, um die Forschungsfinanzierung bei NC3Rs bewerben. Bis jetzt befinden sich 21 Projekte in verschiedenen Phasen. Ei-nige dieser Projekte werden auch von Interpharma-Mitglieds-firmen unterstützt.

• Das 3R-Konzept wurde 1959

von Russell und Burch entwickelt.

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IMI – Innovative Medicines Initiative

Die Initiative stellt die weltweit grösste Public-private-Partner-ship im Lifesciences-Bereich dar. Sie verfolgt das Ziel, die nächste Generation von Impfstoffen, Medikamenten und Be-handlungen sowie neue Antibiotika zu entwickeln. Zusammen mit Unternehmen, Universitäten, öffentlichen Labors, innovati-ven kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs), Patienten-gruppen und Regulierungsbehörden sollen neue Therapien gefunden und die Zukunft der internationalen Wettbewerbsfä-higkeit der europäischen Pharmaindustrie gesichert werden.

IMI 1 wurde mit einem Budget von 2 Mrd. Euro für den Zeit-raum von 2008 bis 2017 errichtet. IMI 2, welches von 2014 bis 2024 läuft, wird mit einem noch grösseren Budget von 3,276 Mrd. Euro ausgestattet. Die EU wird 1,638 Mrd. Euro aus dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation «Horizon 2020» beisteuern. EFPIA, der europäische Dachverband der pharmazeutischen Industrie, hat sich im Umfang von 1,425 Mrd. Euro in Form von Sachleistungen verpflichtet. Derzeit sind über 70 Projekte in der Durchführung.

Bei der Auswahl der IMI-Programme sind 3R-Aspekte in die Planung eingeflossen. Nachfolgend einige aktuelle Projekte, an denen sich Interpharma-Mitgliedsfirmen beteiligen.

ABIRISKImmer mehr Medikamente basieren auf Biomolekülen wie Pro-teinen und monoklonalen Antikörpern. Diese können bisweilen eine Reaktion des körpereigenen Abwehrsystems auslösen, was die Wirksamkeit des Arzneimittels herabsetzen oder schwere Nebenwirkungen hervorrufen kann. Ziel des IMI- finanzierten ABIRISK-Projektes ist es, die Faktoren hinter die-ser Abwehrreaktion neu zu beleuchten. Als erste abgestimmte Bemühung zur Lösung des Problems soll dieses Projekt zur Entwicklung neuer, sicherer Biopharmazeutika beitragen und auch Hilfsmittel an die Hand geben, anhand derer Voraussa-gen darüber getroffen werden können, wie der einzelne Pati-ent in klinischen Studien und auch nach der Markteinführung wahrscheinlich auf diese reagieren wird, ohne dass dafür Tier-versuche benötigt werden. Das Projekt ist mit einem Gesamt-budget von 32,9 Millionen Euro ausgestattet.

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COMPACTViele neue Medikamente basieren auf Biomolekülen wie Prote-inen, Peptiden oder Nukleinsäuren. Ziel des COMPACT-Pro-jektes ist es, die biologischen Barrieren neu zu beleuchten, die diese Medikamente (auch bezeichnet als Biopharmazeutika oder Biopharmaka) durchdringen müssen, um im Körper dort-hin zu gelangen, wo sie gebraucht werden. Das Projektteam wird die gewonnenen Informationen für die Entwicklung und Validierung biopharmazeutischer Darreichungsformen heran-ziehen, die eine zielgenaue Anwendung dieser neuartigen Wirkstoffe erlauben. Dafür sollen ausgeklügelte In-vitro-Mo-delle für biologische Barrieren und entsprechende Tiermodelle entwickelt werden, um neue Zellpfade für den effizienten Transport eines Biopharmakawirkstoffs zu dessen Zielgewebe zu finden und sich zunutze zu machen. Das Gesamtbudget des Projektes beläuft sich auf 31,9 Millionen Euro.

eTOX Das eTOX-Projekt verfolgt das Ziel, innovative Methoden und Strategien sowie neuartige Softwaretools zu entwickeln, um mögliche Toxizitäten für neue Arzneimittelkandidaten besser vorhersagen zu können. Eine frühzeitige Verfügbarkeit zuver-lässiger toxikologischer Ergebnisse würde nicht nur die Quali-tät der Wirkstoffkandidaten erhöhen, sondern auch eine nied-rigere Ausfallrate in den nachfolgenden Entwicklungsphasen sicherstellen. Folglich müssten tierexperimentelle Untersu-chungen nur bei optimierten Substanzen durchgeführt werden, was die Zahl der in präklinischen Studien benötigten Versuchs-tiere insgesamt senken würde. Das Projekt ist mit einem Ge-samtbudget von 18,7 Millionen Euro ausgestattet.

MARCARDie Effizienz der Wirkstoffentwicklung könnte verbessert wer-den, wenn unerwünschte Wirkungen von Arzneimittelkandida-ten in einer früheren Phase der Entwicklung entdeckt würden. Daher sucht und testet das Wissenschaftlerteam im MARCAR-Projekt biologische Indikatoren, sogenannte Biomarker, die

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Hinweise in der Früherkennung wirkstoffinduzierter Tumorent-stehung liefern können. Biomarker, die dazu beitragen, Tumor-wachstum in einem sehr frühen Stadium genauer zu pro- gnostizieren, reduzieren den Bedarf an Tierversuchen, be-schleunigen die Wirkstoffentwicklung und erhöhen die Arznei-mittelsicherheit für Patienten. Das Projekt ist mit einem Budget von 13,1 Millionen Euro ausgestattet.

SAFE-TEine der grössten Herausforderungen in der Arzneimittelent-wicklung ist die Verbesserung der Patientensicherheit, zumal viele Arzneimittelnebenwirkungen nicht hinreichend vorher-sagbar sind und häufig zu spät entdeckt werden, wenn das Ri-siko schwerwiegender Verläufe bereits hoch ist. Die Wissen-schaftler des SAFE-T-Projektes arbeiten an der Entwicklung besserer Hilfsmittel für die Vorhersage, Erkennung und Ver-laufsbeobachtung arzneimittelinduzierter Schädigungen von Nieren, Leber und Gefässsystem, indem sie Marker im Blut und/oder Harn der Patienten dafür heranziehen. Das Projekt ist mit einem Budget von 35,9 Millionen ausgestattet.

StemBANCC Ziel des StemBANCC-Projektes ist die Gewinnung und Cha-rakterisierung von 1500 hochqualitativen humanen induzierten pluripotenten Stammzelllinien (iPS-Zellen) aus 500 Patienten als Forschungsinstrument für die Wirkstoffentdeckung. Die iPS-Zellen werden verwendet, um humane Krankheitsmodelle in vitro zu entwickeln und um die Wirkstoffentwicklung in der Frühphase voranzubringen. Die Zelllinien werden Wissenschaft-lern zur Verfügung stehen, um ein breites Spektrum von Krank-heiten wie Erkrankungen des peripheren Nervensystems, Er-krankungen des zentralen Nervensystems, neurologische Störungen und Diabetes zu erforschen. Zudem wird das Pro-jekt den Einsatz von humanen iPS-Zellen für toxikologische Tests untersuchen, indem Leber-, Herz-, Nerven- und Nieren-zellen geschaffen werden. Die Zelllinien tragen dazu bei, den Prozess der Wirkstoffentwicklung zu verbessern und zu be-schleunigen sowie die Toxizitätsuntersuchungen bei Tieren zu reduzieren. Das Projekt ist mit einem Budget von 55,6 Millio-nen Euro ausgestattet.

3R-Preise und -Arbeitsgruppen

Interne Awards In einigen Mitgliedsfirmen werden regelmässige interne natio-nale und internationale 3R-Preise vergeben. Die Forschenden aus den verschiedenen Abteilungen haben die Möglichkeit, ihre Tätigkeiten und Entwicklungen einzugeben. In den letzten Jahren ist das Interesse, an den 3R-Wettbewerben mitzuma-chen, stetig gestiegen. So konnte eine Mitgliedsfirma einen Anstieg der eingereichten Projekte um 30 Prozent verbuchen.

Kategorie ReplacementPharmakologie der Mastzelldegranulation in humanen HautexplantatenMastzellen (MZ) sind gewebeständige potente Effektorzellen der körpereigenen natürlichen Immunabwehr. Die aus Mast-zellen freigesetzten Substanzen spielen eine wichtige Rolle bei pathologischen Vorgängen wie Allergien, Urtikaria, bullösem Pemphigoid etc. Daher stehen MZ und insbesondere die Hem-mung des Aktivierungsprozesses im Mittelpunkt zielgerichte-ter Behandlungsansätze wie beispielweise oben genannter Krankheitsgeschehen. MZ weisen in verschiedenen Geweben (Haut, Bindegewebe, Schleimhaut usw.) spezielle Funktionen auf und sie unterscheiden sich auch zwischen Nagetieren und Mensch. Die In-vivo-Modelle stützen sich vorwiegend auf Na-getiere. Die neu etablierte Methode ermöglicht die Beurteilung der MZ-Degranulation in frischer humaner Haut. Damit ist das neue Testverfahren ein ausgezeichnetes Translationssystem, das die humane MZ-Pharmakologie in der Gewebeumgebung untersucht. Vor allem aber eignet es sich als Ersatz für das derzeit verwendete Mausmodell als Screeningsystem. Das In-vitro-Modell mit humaner Haut kann auch als Filter bei Aktivi-täten im Rahmen der Präparatoptimierung verwendet werden, bevor weitere In-vivo-Versuche unternommen werden.

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menden Zytokinen in einem Zielgewebemodell mit möglichst wenigen Mäusen zu testen und zu optimieren, ohne dabei die biologische Signifikanz einzubüssen. Das Testen multipler Do-sen oder Arzneimittelversionen würde eine grossen Zahl von Versuchstieren erfordern, ganz abgesehen von verlängerten Zeitrahmen und einem höheren Ressourcenverbrauch. Die Entwicklung des neuen Ex-vivo-Vollbluttests ermöglichte eine Reduzierung der für die Tests der gleichen Zahl von Dosen be-nötigten Versuchstiere um circa 90 Prozent.

Einbau der Mikrosampling-Technologie in bestehende toxikologische TestsDer Arbeitsgruppe ist es mit Erfolg gelungen, das sogenannte Mikrosampling in bestehenden toxikologischen Tests zu ver-wenden, wodurch die Zahl der Labortiere um 40 Prozent redu-ziert werden konnte. Während die Toxizität, also die potenziell schädliche Wirkung eines Wirkstoffkandidaten untersucht wird, erfolgen parallel dazu stets Untersuchungen zur Toxiko-kinetik. Diese liefern Aufschlüsse darüber, wie und in welcher Geschwindigkeit Substanzen vom Körper aufgenommen, ver-teilt, verstoffwechselt und ausgeschieden werden. Bislang wa-ren dafür in der Regel Labortiere einer Satellitengruppe erfor-derlich. Bei der Suche nach Alternativen stiess man auf die Mikrosampling-Methode, bei der Mäusen mehrmals hinterein-ander nur sehr geringe Mengen von Blut abgenommen wer-den. Sollte es gelingen, diese Methode in die bisherige Testab-folge zu integrieren, könnten Untersuchungen zur Toxikologie und Toxikokinetik bei ein und denselben Tieren vorgenommen werden. Um diese Methode aber fest zu etablieren, musste zu-erst gezeigt werden, dass die wiederholte Abnahme von Blut-proben praktisch keine Auswirkungen auf das Wohl der Tiere im Allgemeinen und auch nicht auf die toxikologischen Para-meter hat. Heute ist das Mikrosampling ein Standardverfahren in der frühen Forschung und die Satellitengruppe wird nicht mehr benötigt.

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate: ein In-vitro-Test, der die Stabilität im Blut über 24 Stunden bestimmt Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (AWK) werden gebildet, indem Antikörper über eine Verbindungssubstanz an biologisch ak-tive Zytotoxine gebunden werden. Das erklärte Ziel dieser AWK-Technologie ist es, im Gegensatz zur herkömmlichen Chemotherapie, gezielt Krebszellen anzugreifen und zu be-kämpfen und dabei gesunde Zellen weniger in Mitleidenschaft zu ziehen. Die zahllosen möglichen Kombinationen dieser Komponenten ermöglichen eine ungewöhnliche Zahl von Arz-neimittelkandidaten. Es war sowohl eine fachliche als auch lo-gistische Herausforderung, nur die wirklich aussichtsreichen Kandidaten in Tierversuchen zu testen. Auf der Suche nach ei-nem geeigneten primären Screeningverfahren konzentrierten sich die Preisträger auf das Kriterium Stabilität, sodass nur die AWK mit stabilen Konzentrationen bei lebenden Tieren getes-tet werden. Allerdings wurden die Stabilitätstests bislang an Plasma durchgeführt und die Korrelation mit der tatsächlichen Stabilität in einem komplexen Organismus war unzureichend. Die Biologen entwickelten erfolgreich einen In-vitro-Test, in dem die Stabilität im Blut über 24 Stunden gemessen wird. Sie konnten zeigen, dass sich die im Reagenzglas an Tierblut ge-wonnenen Messergebnisse bestens auf den Gesamtorganis-mus übertragen lassen. Dies hat Wirksamkeitsstudien an le-benden Tieren als primäres Screeningverfahren entbehrlich gemacht, sodass in dieser Phase auf mehr als 80 Prozent der Tierversuche verzichtet werden konnte.

Kategorie ReductionReduzierung von Tierversuchen durch Einsatz eines Ex-vivo-VollbluttestsEin wesentlicher Teil der Wirkstoffentdeckung beinhaltet das Testen neuartiger medikamentöser Therapien an Tieren, um biologische Parameter und Wirkmechanismen in vivo zu unter-suchen. Die Konzeptionierung eines In-vivo-Versuchs ist mit der zusätzlichen Verantwortung verbunden, die Behandlung und die Auswirkungen auf die Tiere zu hinterfragen, an denen die neuen Wirkstoffe getestet werden sollen. Der Ex-vivo-Voll-bluttest wurde entwickelt, um die entzündungshemmenden Wirkungen unzähliger Serien und Dosen von aus Zellen stam-

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Kategorie RefinementEntwicklung einer bildgebenden Methode zur Darstellung der Hirnatrophie bei der Maus als Marker für eine Neuro-degeneration des ZNS: ein neuartiges präklinisches Surrogat für einen klinisch relevanten NachweisHerkömmlicherweise wird die Krankheitsaktivität bei Patienten mit multipler Sklerose (MS) anhand Entzündungsaktivität, jähr-licher Schubrate und klinischer Untersuchungen gemessen. Ein Parameter, der in der Klinik jedoch bislang keine Beach-tung fand, ist die Hirnatrophie als Marker für die Neurodegene-ration. MS-Patienten weisen im Vergleich zu Gesunden eine vermehrte Hirnschrumpfung auf. Seit einiger Zeit gehört ein In-terpharma-Unternehmen zu den Ersten, die die Art und Weise der Messung von MS-Krankheitsaktivitäten bei Patienten wei-terentwickelt haben. Die Prognoseermittlung für Patienten er-folgt exakter, wenn neben NEDA-3 zur Erfassung der Krank-heitsaktivität auch das Hirnvolumen bestimmt wird. Die Messung des Hirnvolumens bei MS-Patienten erfolgt mittels MRT. Die Ergänzung der Schlüsselparameter um die Hirnatro-phie als viertes NEDA-Kriterium (NEDA 4) ist der zukünftige kli-nische Massstab. Leider musste bislang für die Messung der ZNS-Atrophie in einem präklinischen MS-Tiermodell eine gro-sse Zahl von Nagetieren zu verschiedenen Zeitpunkten zum Zweck histologischer Untersuchen geopfert werden. Es ist nun gelungen, ein langfristig stabiles Mausmodell für den MS-arti-gen Phänotyp zu etablieren, das eine neue MRT-Methode er-möglicht, die wiederholte Messungen am selben Tier erlaubt. Somit kann die Hirnatrophie im zeitlichen Verlauf wiederholt gemessen werden, wobei statistisch gesehen die Daten in ho-hem Masse robust sind, sodass sich Studien zur Arzneimittel-wirksamkeit durchführen lassen. Diese neue Methode stellt eine wichtige technische Verbesserung gegenüber den bis-lang angewandten technischen Methoden dar und ist zudem mit einem reduzierten Bedarf an Versuchstieren im Vergleich zu alternativen Ex-vivo-Methoden zur Messung der Neurode-generation verbunden.

Genotypisierung von Kaninchen durch einen nicht invasiven MundhöhlenabstrichIn der Vergangenheit erfolgte die Genotypisierung bei Kanin-chen an deren Ohrgewebe. Die Preisträger dachten, dass es möglich sein sollte, das Verfahren durch einen nicht invasiven Mundhöhlenabstrich zu ersetzen. Es wurden verschiedene Pufferlösungen ausprobiert, um DNA aus den Wattestäbchen zu separieren, und es wurden Untersuchungen zum Einfluss von Nahrungsresten und vor allem auch zur Zuverlässigkeit des Verfahrens durchgeführt. Erste Versuche scheiterten, weil man die Rechnung ohne die Kaninchen gemacht hatte, die na-türlich die Wattestäbchen zernagten. Es musste dann erst ein geeigneteres Trägermaterial gefunden wurde, das den wissen-schaftlichen Ansprüchen entsprach und sich in einer Hinsicht sogar überlegen zeigte, denn die Verwendung eines neuen Abstrichträgers für jeden Test vermeidet Kreuzkontaminatio-nen und somit falsch-positive Ergebnisse. Das erspart dem Laborpersonal und den Tieren selbst die Belastung durch Nachuntersuchungen. Für etwa 600 Kaninchen im Jahr be-deutet dies deutlich weniger Stress und Unbehagen. n

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Artikel 2 «Wir verpflichten uns, eine hohe Qualität und den aktuellen Standard bei der Haltung und Pflege unserer Labortiere sicherzustellen und uns um eine stetige Verbesserung dieser Bedingungen zu bemühen.»

EU-Direktive Mit der Mitarbeit von Interpharma-Vertretern und Vertretern aus den Mitgliedsfirmen in der EFPIA-Arbeitsgruppe für Tier-schutz werden auf europaweiter Ebene Anregungen für hohe Tierschutzstandards eingebracht. Eine Hauptaufgabe der Gruppe ist unter anderem die aktive Mitarbeit bei der Umset-zung und Implementierung der EU-Tierversuchsrichtlinie 2010/63 in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Zudem tritt die Gruppe für einen offenen Austausch und eine gute Zusammenarbeit mit anderen Organisationen ein, die sich für die Forschung im Bereich 3R einsetzen. Die EFPIA-Ar-beitsgruppe setzt sich aus Experten in den Bereichen Toxiko-logie, Pharmakologie, Ethik, Rechtswissenschaften, Public Af-fairs und Tierschutz, aber auch aus Beobachtern aus dem universitären und dem behördlichen Umfeld zusammen.

Ethische StandardsEine Vertreterin einer Interpharma-Mitgliedsfirma nimmt eben-falls einen Sitz in der Ethikgruppe von ICLAS, dem International Committee for Laboratory Animal Science, ein. Mit einem inter-nationalen Netzwerk an Forschern/-innen, Universitäten und Instituten versucht ICLAS, weltweit durch ethische Richtlinien den Standard in der Versuchstierkunde zu verbessern.

ILAR-Guide Eine Vertreterin einer Interpharma-Mitgliedsfirma ist seit eini-gen Jahren im Ausschuss des Institute for Laboratory Animal Research der National Academies in den USA tätig. Der Aus-schuss trifft sich zweimal im Jahr. Dieses Gremium ist verant-wortlich für den «ILAR Guide», das amerikanische Leitregel-werk für Unterbringung, Haltung und Behandlung von Versuchstieren. Mit dieser Vertretung will Interpharma sicher-stellen, dass die in der Schweiz und in Europa geführten De-batten auch in den USA Gehör finden.

Die Firma Merck hat durch eine neue Rattenhaltung die Lebens- und Pflegebedingungen der Versuchstiere verbessert. Die neue Rattenhaltung in grossen Kolo-nien über vier Käfigebenen macht die Tiere aktiver, stressresistenter und ermöglicht eine zusätzliche, objektive, automatische und beobacherunabhängige Gesundheitsüberwachung.

Gute Ergebnisse bereits nach wenigen WochenDas Zusammenleben in grossen sozialen Gruppen in komple-xem Umfeld stimuliert eigenmotiviert die Aktivität. Mit der Mes-sung der Aktivität einzelner Tiere im Vergleich zur Gruppe kann wiederum der Gesundheitszustand überprüft werden. Um die-ses Potenzial zu nutzen, wurde ein neues Rattenkoloniehal-tungssystem etabliert. Bis zu 48 männliche Ratten leben hier als eine soziale Gemeinschaft auf vier Ebenen verbunden über Sprunglöcher und ein Treppenhaus. Durch die Ausstattung der Ebenen mit Futter, Versteck- und Spielmöglichkeiten werden Bereiche mit unterschiedlichen Funktionen geschaffen. Der praktische Umgang und experimentelle Daten zeigen, dass Ratten durch diese Haltungsform schon nach wenigen Wochen aktiver, weniger stressanfällig und weniger ängstlich gegenüber z.B. neuen Versuchsumgebungen oder dem Personal sind.

Haltung und Pflege von Ratten verbessern

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Stressfreies Monitoring des GesundheitszustandesIm nächsten Schritt wurden die Käfige mit Wiegestationen und Antennen ausgestattet, die an ausgewählten Übergängen (Sprunglöcher oder Treppenhauseingang) individuelle Ratten über unter die Haut implantierte radiofrequenzbasierte Mikro-chips zur Identifikation (RFID) erkennen. Die Informationen über das komplexe Aktivitätsmuster sowie das Körpergewicht wer-den so während der gesamten Haltungszeit automatisch in eine Datenbank übertragen. Es zeigt sich, dass gesunde, junge Ratten pro Tag mindestens 100-mal die Ebene wechseln und täglich an Gewicht zunehmen. Weichen einzelne Ratten von dieser Norm der Gruppe ab, kann dies ein Zeichen für ein gesundheitliches Problem sein. Die Praxis zeigt, dass Befunde

Haltung und Pflege von Ratten verbessern

bei konventionellen Gesundheitschecks, wie z.B. Gewichts-abnahme oder Bewegungseinschränkungen, mit dem auto-matisierten Trackingsystem erfasst werden können. Durch die regelmässige Auswertung der Datenbank und/oder ein Alarm-system für das Unterschreiten von Schwellenwerten kann so frühzeitig und objektiv alarmiert, das Tier genauer untersucht und unter Umständen früher behandelt werden.

Die neue Rattenkoloniehaltung verbessert so durch artgerech-tere Haltung und Gesundheitsüberwachung das Befinden der Versuchstiere und erhebt zusätzliche Daten für Arzneimittelwir-kung und Nebenwirkung. n

Wiegestation

Wasser

Wasser

Sprungloch

Treppenhaus

Futter

Koloniekäfig, besetzt mit 48 Lister Hooded Ratten

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IQ Consortium – 3Rs Leadership GroupVerschiedene Mitgliedsunternehmen von Interpharma enga-gieren sich auch im IQ Consortium (International Consortium for Innovation and Quality) und wirken in der 3Rs Leadership Group mit. Die Gruppe wurde gegründet, um den Austausch und die Verwirklichung von hochqualitativen wissenschaftli-chen Praktiken zu fördern. Das Prinzip der 3R soll bei Tierstu-dien in der Entdeckung und Entwicklung von neuen Arzneimit-teln, Impfstoffen, Medizin- und Gesundheitsprodukten für die Anwendung bei Mensch und Tier vorangebracht werden.

Über die European Liaison Working Group der 3Rs Leadership Group des IQ Consortium bestehen offizielle Kontakte zu Inter-pharma. Diese Teilgruppe fördert den Austausch von 3R-Ex-pertise und die gegenseitige Bereitschaft zum Austausch von 3R-relevantem Wissen sowie die auf gegenseitigem Interesse beruhende Überzeugung, dass in den USA ähnliche Ziele ver-folgt werden wie in Europa. Man sucht den internationalen Schulterschluss in Erwartung eines gemeinsamen Mehrwerts.

Die 3Rs Leadership Group hat diesen Mai neue Schulungs-massnahmen im Hinblick auf den Tierschutz und die 3R ange-regt. In vielen Unternehmen macht das Outsourcing von Stu-dien einen grossen Teil ihres gesamten Tierforschungspro-gramms aus. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Tieren und die 3R sind jedoch erst dann komplett, wenn auch ausge-lagerte Forschungsaktivitäten auf den Prüfstand gestellt wer-den und überlegt wird, wie der Umgang mit Tieren an externen Auftragsforschungseinrichtungen weiter verbessert werden kann. Diese Schulungsmassnahmen wurden entwickelt, um Defizite anzugehen, die von Mitgliedern des IQ Consortium und Vertretern grosser Auftragsforschungsinstitute (CRO) er-kannt wurden, die routinemässig präklinische Tierversuche outsourcen bzw. durchführen. Es kommt darauf an, zu erken-

nen, wie wichtig solche Entscheidungen für das Wohlergehen der Tiere und die Qualität der Forschung sind, und diese Schu-lung, gedacht zur internen Weiterbildung in den einzelnen Un-ternehmen und Instituten, soll Grundlagen zur Untermauerung von Kosten-Nutzen-Überlegungen liefern, die es ermöglichen, besser informierte Entscheidungen zu treffen.

Interne Weiterbildungen Bei einer Mitgliedsfirma werden in der Schweiz jedes Jahr 1 bis 2 offiziell anerkannte Weiterbildungstage angeboten, die es tierexperimentell tätigen Personen ermöglichen, ihre gesetzlich vorgeschriebene Weiterbildung zu absolvieren. Ein Teil dieser Veranstaltung umfasst Themen im Bereich der 3R, wie zum Beispiel die Präsentation der Beiträge, die für den 3R-Preis ein-gereicht wurden. Zu den Referenten zählen auch Vertreter des kantonalen Veterinäramtes, was sicherstellt, dass die Mitarbei-ter über den aktuellen Stand der Gesetzgebung sowie über die Anliegen der Tierversuchskommission informiert werden. n

Artikel 3 «Wir verpflichten uns, die Weiterbildung und Schulung für alle unsere Mitarbeitenden und unsere Partner, die in ihrer Tätigkeit mit Labortieren zu tun haben, weiterzuentwickeln, zu fördern und zu unter stützen.»

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Artikel 4 «Wir verpflichten uns, unsere Geschäfts-partner vertraglich darauf zu verpflichten, unsere hohen Standards zum Schutz der Tiere einzuhalten, wenn sie für uns Tierstudien durchführen oder uns mit Tieren beliefern.»

Weltweite Audits von Partner– und Tochterfirmen Forschungsinstitutionen, welche im Auftrag von Interpharma-Firmen Tierversuche durchführen, sowie Partner- und Tochter-firmen müssen sich verpflichten, die vorgegebenen technischen Vorgaben und ethischen Massstäbe einzuhalten. Mitgliedsfir-men von Interpharma führen regelmässig Audits bei externen Forschungspartnern auf der ganzen Welt durch. Diese Audits

dienen nicht nur dem Zweck der Angleichung von Standards und der Sicherstellung, dass diese eingehalten werden, son-dern sie tragen auch zum Ausbau von Kapazitäten und Exper-tisen in Märkten bei, in denen die Forschung am Tier gesetzlich nur unzureichend oder gar nicht reguliert ist. n

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Strenge interne Audits Die Mitgliedsfirmen überprüfen in ihren eigenen Forschungsin-stitutionen weltweit die Einhaltung definierter Qualitätsstan-dards jeweils im Rahmen individueller Verfahren. Alle von Fir-men geprüften Kriterien sind schriftlich festgehalten und haben globale Gültigkeit. n

Artikel 5 «Wir verpflichten uns, durch strenge interne Auditingsysteme• die Einhaltung der verein barten Standards zum Tierschutz sicherzustellen.»

•Unter einem Audit bzw. einer Überprüfung im

Zusammenhang mit der Charta für den Tierschutz (Charter on Ani-mal Welfare) sind Verfahrensweisen und/oder (Kontroll-) Prozesse zu

verstehen, die eingerichtet wurden, um die Einhaltung einer Reihe von Voraus setzungen zu Unterbringung, Pflege und Umgang mit

Tieren sicherzustellen, auf die sich die Unterzeichner der Charta ver-ständigt haben. Diese bindenden Auflagen beinhalten als Mindest-

voraussetzungen die gesetzlichen Standards zum Tierschutz wie im US-amerikanischen Tierschutz gesetz (US Animal Welfare Act

[1966/2007]) niedergelegt, dessen Geltungsbereich auf alle Wirbel-tiere ausgeweitet wurde (d.h. AW Act [9 USC §3] und die US Guides

for the [1] Care and Use of Laboratory Animals and [2] Agricultural Animals in Agricultural Research and Teaching). Die Einhaltung wird

überwacht vom US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium USDA (United States Department of Agriculture) und seiner Unteror-

ganisation APHIS (Animal and Plant Health Inspection Service) so-wie der Tierschutzbehörde Animal Care Agency (www.nal.usda.gov/

awic/legislat/usdaleg1.htm). Interpharma-Audits: In Ländern, in de-nen die gesetzlichen Bestimmungen über diese Mindest-

anforderungen hinaus gehen, wird der Mindeststandard entspre-chend angepasst.

Was ist ein Audit?Ein Audit ist definiert als eine systematische und unabhängige Untersuchung von Daten, Stellungnahmen, Aufzeichnungen, Vorgängen und Leistungen eines Unter-nehmens zu einem angegebenen Zweck. In einem Auditverfahren sichtet der Auditor das ihm zur Verfügung gestellte Material zur Prüfung, Verifizierung und Auswertung und kommt auf dieser Grundlage zu einer Einschätzung, die in einem Auditbericht niedergelegt wird. Um die Einhaltung der Standards zum Tierschutz weiter sicherzu-stellen, hat ein Mitgliedsunternehmen regelmässige Besuche der internen Labor- und Tierhaltungseinrichtungen initiiert, ebenso wie häufige informelle Treffen mit Perso-nen, die mit Tierversuchen zu tun haben.

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Gemeinsame Audits Die Auditarbeitsgruppe von Interpharma wurde 2010 im Zuge der Etablierung der Animal Welfare Charta geschaffen. Der Grundgedanke dieser Arbeitsgruppe ist, bei Züchterfirmen, von denen einige der Interpharma-Mitgliedsfirmen Tiere bezie-hen, gemeinsame Audits vorzunehmen. Dabei dienen diese Audits dem Ziel, eventuelle Mängel im Tierschutzbereich früh-zeitig zu entdecken und partnerschaftlich Verbesserungen zu realisieren. Der Austausch soll der optimalen Umsetzung der gesetzlichen Mindestvorgaben dienen und darüber hinausge-hende Bemühungen zur Implementierung von 3R verbessern und vereinfachen. Das Ausarbeiten der entsprechenden Check-listen, Positionspapiere und einer gemeinsamen Regelung hat einige Zeit in Anspruch genommen und wurde in den letzten Jahren firmenübergreifend entwickelt. 2014 konnten die ersten Audits erfolgreich durchgeführt werden.

Audits 2016Und auch im Berichtsjahr waren die Interpharma-Auditkomitees fleissig: Es wurden insgesamt drei Audits im europäischen Aus-land durchgeführt. Die Auditergebnisse werden innerhalb der Mitgliedsfirmen gemeinsam genutzt und vertraulich behandelt.

Komplexer Prozess und umfangreiche ChecklisteEin Auditprozess ist sehr komplex und erfordert von allen Sei-ten fundiertes Detailwissen zu gesetzlichen Regelungen und tierhaltungsspezifischen Anforderungen.

Die nötigen Dokumente zum Ablauf vor Ort und die Checkliste werden im Vorfeld des eigentlichen Audits an den Züchter ver-sandt. Dieser kann bereits vorab einige der Fragen beantwor-ten und Nachweisdokumente vorbereiten. Beim tatsächlichen Audit vor Ort, das in der Regel zwei Tage in Anspruch nimmt,

Artikel 6 «Wir verpflichten uns zu einem firmenübergreifenden und weltweiten Engagement mit dem Ziel, unsere externen Partner im Hinblick auf die Tierschutzstandards und deren Einhaltung einem Audit zu unterziehen.»

inspiziert das Interpharma-Auditkomitee (in der Regel Vertreter von zwei bis drei Interpharma-Mitgliedsfirmen) die individuellen Tierhaltungseinrichtungen und trifft die Tierpfleger vor Ort als auch die zuständigen Tierärzte. Die gemeinsame Checkliste umfasst rund 200 Fragen zu folgenden Gebieten:

� Länderspezifischer Akkreditierungsstatus durch das jewei-lige Veterinäramt

� Qualifikations- und Ausbildungsnachweis der Angestellten� Art und Weise der Datensammlung� Details der Tierzucht und Tierhaltung� Futter- und Wasserversorgung� Informationen zu Hygiene, Ungezieferbekämpfung, Reini-

gung der Käfige und Abfallbehandlung� Richtlinien zu tierärztlicher Pflege, Krankheits- und Quaran-

tänemassnahmen � Gesundheits- und Sicherheitsprogramme für Angestellte� Notfall- und Katastrophenplan� Regelungen zu Versuchstiertransporten und -beschaffung � Tierartspezifische Anforderungen

Weiteres Vorgehen und AbschlussNach dem eigentlichen Audit vor Ort, verfasst das Auditkomitee anschliessend einen Auditreport und listet im CAPA-Plan (cor-rective action, preventive action) im Detail mögliche Beanstan-dungen für die jeweiligen Bereiche auf und bestimmt das weitere Vorgehen. Der Züchter hat dann die Möglichkeit, auf den Report zu reagieren und mögliche Ergänzungen vorzunehmen.

In einer finalen Telefonkonferenz mit Interpharma und dem jewei-ligen Züchter werden offene Punkte geklärt und abschliessende Massnahmen definiert: zeitlicher Rahmen für korrektive Mass-nahmen, Definition der Kontaktpersonen, Ausspruch von Emp-fehlungen, weitere Nacharbeit und möglicher Wiederbesuch.

Der ganze Prozess mit Vor- und Nachbereitung dauert in der Re-gel etwa drei Monate. Ziel ist es, die Audits bei den jeweiligen Züchtern im Abstand von zwei bis drei Jahren zu wiederholen. n

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Ad-Hoc-ConsultantsZusätzlich dazu setzen sich unsere Mitgliedsfirmen mit profes-sionellen Ad-Hoc-Consultants ein, Akkreditierungen bei an-deren Firmen, Institutionen und Organisationen im Sinne von AAALAC durchzuführen. AAALAC hat mehr als 360 Ad-hoc-Consultants, die Ausschussmitglieder bei Besuchen vor Ort begleiten und dem Ausschuss gegenüber Empfehlungen aus-sprechen. Viele dieser Consultants können Expertisen vor-weisen, die über den Bereich der herkömmlichen Labortier-spezies hinausgehen. Andere wiederum haben Kompetenzen in einem besonderen Fachgebiet wie z.B. in den angewand-ten Neurowissenschaften, Verhaltenswissenschaften, in Toxi-kologie, Pharmakologie oder Physiologie. Diese Spezialisten verleihen dem Team, das die Visite vor Ort durchführt, einen erweiterten Horizont und verstehen die Komplexität, wenn es darum geht, Forschungsaufträge mit Tierschutz in Einklang zu bringen.

AAALAC internationalDie private nichtstaatliche Organisation fördert mithilfe freiwilli-ger Bewertungs- und Akkreditierungsprogramme die humane Behandlung von Tieren in der Wissenschaft. Bis jetzt haben sich mehr als 950 Organisationen, Institutionen und Unterneh-men in 41 Ländern von AAALAC (Association for Assessment and Accreditation of Laboratory Animal Care) akkreditieren lassen. Auch mehrere Standorte von Interpharma-Mitgliedsfir-men sind AAALAC-zertifiziert und werden durch ein Mitglied des europäischen Verbands (EFPIA) im Board of Trustees ver-treten. Interpharma nimmt seit 2013 ebenfalls im Board of Trustees einen Sitz ein und kann so direkt Einfluss nehmen, um die Förderung von unabhängigen Animal-Welfare-Zertifizie-rungsprogrammen voranzutreiben. Doch nicht nur unsere Mit-gliedsfirmen, sondern vielfach auch deren Partner lassen sich von AAALAC inspizieren und bemühen sich, die verlangten Standards umzusetzen. Dies wiederum bietet eine der Grund-lagen für eine gute Zusammenarbeit zwischen den Firmen und für die firmenübergreifende Einhaltung der Tierschutzstan-dards.

Artikel 7 «Wir verpflichten uns, neben regelmässigen behördlichen Inspektionen die Entwicklung externer, unabhängiger Programme zu unterstützen, die unsere Standards und Einrichtungen zum Schutz der Tiere weltweit beurteilen.»

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Globales 3R-Award-ProgrammIn Zusammenarbeit mit dem IQ Consortium wurde von AAA-LAC ein globales 3R-Award-Programm initiiert. Das Pro-gramm richtet sich an Forscher aus Akademie und Industrie. Die Projekte können Änderungen an den bestehenden For-schungstechniken oder innovative Forschungsansätze umfas-

Region EuropaEin Projekt mit dem Titel «Buprenorphin zur Schmerzlinde-rung bei Mäusen: wiederholte Injektionen versus Depotfor-mulierung mit gleichmässig anhaltender Wirkstofffreisetzung» wurde mit dem Global 3Rs Award in der Region Europa aus-gezeichnet. Ziel der Studie war die Untersuchung der Wirk-samkeit von Buprenorphin, des bei Mäusen am häufigsten verwendet Schmerzmittels. Dieses wird bei Mäusen meist 2–3-mal täglich injiziert, obwohl wiederholte Injektionen, die eine Fixierung erfordern, als potenziell Stress verursachend kritisiert wurden. Vorgeschlagen wurde eine für die Tiere we-niger belastende Anwendungsart, die einmalige Injektion ei-ner langwirksamen Depotformulierung. Die Studie ergab, dass mit der Einmalinjektion eine anhaltende Schmerzlinde-rung mit begrenzten Nebenwirkungen erreicht werden kann.

Region NordamerikaIn der Region Nordamerika wurde ein Projekt mit dem Titel «Hybride organoide Lebertumorstrukturen als In-vitro-Modell für Tumorwachstum und Wirkstoffansprechen» ausgezeich-net. Die derzeitigen In-vitro-Modelle für Tumorwachstum und Metastasen stellen die In-vivo-Krebsphysiologie nur schlecht nach und sind somit für die Entwicklung von Arzneimitteln zur Bekämpfung von Krebs nicht optimal. Dreidimensionale (3-D) organoide Gewebestrukturen, bei denen humane Zellen in einer speziell abgestimmten Mikroumgebung herangezogen werden, besitzen das Potenzial zur Nachstellung der In-vivo-

Bedingungen und räumen mit den Beschränkungen der ak-tuellen 2-D-Modelle auf. Die Studie zeigt das Potenzial von organoiden 3-D Leberstrukturen in vitro als Modell für Meta-stasenwachstum und Tests zum Tumoransprechen auf Wirk-stoffe, was die Notwendigkeit von In-vivo-Tierversuchen re-duziert. Region restliche WeltEin Projekt mit dem Titel «Eine alternative Mikromethode zur Bewertung der prokoagulatorischen Wirkung des Gifts der Jararaca-Lanzenotter (Bothrops jararaca) und Bewertung der Wirksamkeit des Gegengifts» wurde mit dem Global 3Rs Award für die Region restliche Welt ausgezeichnet. Der un-mittelbare Nutzen dieser Forschungsarbeit liegt in der Ver-fügbarkeit einer empfindlichen Ex-vivo-Methode zur Bestim-mung der gerinnungsfördernden Wirkung von Giften und Toxinen sowie der neutralisierenden Wirkung spezifischer Gegengifte. Dadurch kann die Zahl benötigter Versuchstiere reduziert werden, da anstelle von Mäusen für die Ermittlung der effektiven neutralisierenden Dosis beim Letaltest (LD50) eine Ex-vivo-Methode bevorzugt wird, für die Plasma ver-wendet wird, das bei der Verarbeitung von aus Hühnerflügel-venen entnommenem Blut anfällt. Dadurch können mindes-tens 100 Mäuse pro Test ersetzt werden, die Versuchsdauer kann von Tagen auf Stunden reduziert werden und auch die pro Test verwendete Menge an Gift und Gegengift, was den Tieren Leiden erspart.

sen, wie z.B. die Verbesserungen gegenüber Ganztiermodel-len, gewebebasierte Modelle (Zelllinien, Gewebekulturen), molekulare Techniken, analytische und rechnerische Modelle, Studiendesign oder technische Verfeinerung (Stichproben-techniken, verbesserte Testverfahren) und transnationale Me-dizinanwendungen. Die ausgezeichneten Projekte waren:

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Artikel 8 «Wir verpflichten uns, bei den Aufsichts-behörden die Validierung und die Akzeptanz von Methoden zu fördern, welche geeignet sind, Tierstudien zu ersetzen, zu reduzieren oder zu verbessern.»

CAAT Einige Mitgliedsfirmen von Interpharma sind sowohl im euro-päischen wie auch im amerikanischen Vorstand von CAAT (Center for Alternatives to Animal Testing) vertreten. Darüber hinaus bringen mehrere Fachleute der Interpharma-Mitglieds-firmen ihr Expertenwissen in den verschiedenen Projekten von CAAT durch ihre aktive Teilnahme ein. CAAT fördert die Ent-wicklung und Validierung von Alternativmethoden in der For-schung und Medikamentensicherheit sowie in der Ausbildung.

CAAT-Europe organisiert 2–4 Workshops und Think Tanks pro Jahr zu verschiedenen Themen mit jeweils 10–20 Experten. Die Experten sind führende Vertreter vonseiten der Akademie, Regulierungsbehörden, der Pharma-, Chemie-, Kosmetik- und der Lebensmittelindustrie sowie der Tierschutzorganisationen. Sie kommen für 2–3 Tage zusammen, um ein bestimmtes Thema zu diskutieren, Lösungen zu finden und Empfehlungen auszusprechen. Die Ergebnisse der Workshops werden in der Regel im ALTEX-Journal publiziert.

EPAA Die Plattform EPAA (European Partnership for Alternative Ap-proaches to Animal Testing), die als Partnerschaft zwischen der Europäischen Kommission und verschiedenen Industrie-sektoren darauf setzt, Wissen und Ressourcen auszutau-schen, um so die Entwicklung und Validierung von tierfreien Versuchsmethoden zu verbessern, wird von Interpharma-Mit-gliedern aktiv gefördert. Im Dezember 2015 feierte EPAA unter dem Titel «A decade of support to the 3Rs» sein 10-Jahre- Jubiläum im europäischen Parlament. Im vergangenen Jahr-zehnt wurden von EPAA 40 Workshops veranstaltet und 17 Pu-blikationen herausgegeben.

Die EU-Kommission und 35 Firmen aus sieben Industriesekto-ren (Chemie-, Pharma-, Kosmetik-, Parfum-, Seifen- und Rei-nigungsindustrie und Tiergesundheit) haben eine weitere 5-Jahres-Zusammenarbeit von 2016–2020 vereinbart. Der Fo-kus soll verstärkt auf der Kooperation mit internationalen Auf-sichtsbehörden und nationalen Regulierungsbehörden liegen. EPAA möchte die internationale Harmonisierung von regulato-rischen Sicherheitstestanforderungen, wann immer geeignet und möglich, weiterhin intensiv fördern.

Kompetenzzentrum TEDD Organähnliche humane Gewebemodelle sind ein wichtiges In-strument für die Medikamentenentwicklung und zur Beurtei-lung von Wirkstoffen. Das nationale Kompetenzzentrum TEDD (Tissue Engineering – Drug Development) bündelt und transfe-riert Wissen und Technologien, um die Weiterentwicklung und Anwendung der In-vitro-Zell- und -Gewebekultur voranzutrei-ben. Medikamentenentwicklung und Wirkstoffprüfung können sich nicht länger nur auf konventionelle In-vitro-Tests mit Zellen in Kombination mit Tierversuchen abstützen. Neue Technolo-gien, die die Funktion und Struktur von gesunden und kranken Geweben und Organen physiologisch relevanter darstellen, sind im Vormarsch. Diese neuen Technologien sind allerdings noch in einer frühen Entwicklungsphase und nur beschränkt für den Routineeinsatz geeignet. Um ihr volles Potenzial aus-zuschöpfen, müssen neue Analyseverfahren entwickelt und die kontrollierte und standardisierte Herstellung der Gewebe, die Konservierung, Automatisierung, Routineanwendung so-wie die Qualitätskontrolle weiterentwickelt werden.

Durch konkrete Forschungsprojekte und Wissenstransfer in ei-nem Netzwerk von Partnern aus verschiedenen Interessens-gruppen – auch drei Mitgliedsfirmen von Interpharma – ent-steht eine Plattform, die die Entwicklung und Anwendung von alternativen Testmethoden für den Routineeinsatz in der In-dustrie aktiv mitgestaltet. Das nationale Konsortium für Bio-technologie Biotechnet verstärkt die Zusammenarbeit aller Partner und trägt damit zur Umsetzung der Ergebnisse bei.

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ICH(The International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use)Dieses Projekt bringt Regulierungsbehörden von Europa, Ja-pan und den Vereinigten Staaten und Experten aus der phar-mazeutischen Industrie zusammen, um wissenschaftliche und technische Aspekte der pharmazeutischen Produktregistrie-rung zu diskutieren. Zweck der ICH ist es, Tests, die während der Forschung und Entwicklung von neuen Medikamenten zur Anwendung kommen, und technische Richtlinien und Anforde-rungen für die Produktregistrierung zu harmonieren. Diese Ver-einheitlichung soll zu einer wirtschaftlicheren Nutzung von Mensch, Tier und materiellen Ressourcen und zur Beseitigung von unnötigen Verzögerungen in der globalen Entwicklung und Verfügbarkeit neuer Medikamente führen. Gleichzeitig soll sie als Garantie für Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit fungieren. Der Harmonisierungsprozess ist komplex und kann mehrere Jahre dauern. Er bezieht sich auf die Bereiche Qualität, Sicher-heit (hier sind die Tierversuche verortet), Wirksamkeit und mul-

tidisziplinäre Bereiche. Die ICH-Mitglieder treffen sich alle zwei Jahre für eine Woche; es nehmen 10–15 Arbeitsgruppen mit 200–300 Experten teil. Eines der Mitglieder ist der europäische Dachverband der pharmazeutischen Industrie (EFPIA). EFPIA ist ein sehr aktiver Partner im Bereich Sicherheitsprüfungen und Einsatz von Alternativmethoden zu Tierversuchen. n

WHO

Health Canada

Swissmedic

IFPMA

PhRMA

EU

EFPIA

MHLW

JPMA

FDA

Health Canada

Swissmedic

IFPMA

PhRMA

EU

EFPIA

MHLW

JPMA

FDA

ICH-Mitgliedschaft

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Medizin und Tierversuche Das Modul «Medizin und Tierversuche» wurde in diesem Jahr im Mai bereits zum 8. Mal wieder für Medizinstudenten im 2. Studienjahr bei einem Mitgliedsunternehmen in der Schweiz in Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät der Universi-tät Basel und dem Vizepräsidenten der kantonalen Tierver-suchskommission durchgeführt.

Die Studierenden beschäftigen sich wie in den vergangenen Jahren vertieft mit den verschiedenen Aspekten von Tierversu-chen in der Medizin (gesetzliche Grundlagen, Theorie und praktische Durchführung von Tierversuchen, ethische As-pekte des Umgangs des Menschen mit dem Tier, wissen-schaftlicher Gewinn von Tierversuchen und Medikamentensi-cherheit). Nach dem Besuch der Tierhaltungseinrichtungen einer Mitgliedsfirma konnten sie einen Tag in einem For-schungslabor verbringen. Die Beurteilung durch die Studen-ten fiel auch dieses Jahr wieder positiv aus. Sie fanden Aner-kennung für die offene Informationspolitik und die Möglichkeit, sich einen objektiven Eindruck durch wertvolle Einblicke in den Umgang (Haltung und Einsatz im Versuch) mit Versuchstieren zu verschaffen.

Basel Deklaration Das Ziel der «Basel Declaration Society» ist es, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die tierexperimentelle biomedizinische Forschung zu stärken, die Kommunikation zwischen For-schenden und der Öffentlichkeit zu fördern und die Akzeptanz der Basler Deklaration zu steigern. Wie die Deklaration von Helsinki, in welcher die ethischen Grundsätze für die klinische Forschung am Menschen formuliert sind, will die «Basel Decla-ration Society» dazu beitragen, dass ethische Prinzipien, wie die 3R, in der tierexperimentellen Forschung weltweit ange-wendet werden. Interpharma und zwei Mitgliedsfirmen leisten seit Jahren finanzielle Unterstützung für dieses Vorhaben.

Artikel 9 «Wir verpflichten uns, unseren Beitrag zu einem stetigen, offenen und konstruktiven Dialog über Tierversuche und Tierschutz zu leisten – einerseits mit der Öffentlichkeit im Allgemeinen und anderseits mit den Behörden, politischen Entscheidungsträgern und anderen interessierten Kreisen.»

Da die Qualität der Aus- und Weiterbildung von Personal oder Forschenden, die mit Versuchstieren arbeiten, weltweit sehr unterschiedlich ist, fördert die Basel Declaration Society mit ei-nem jährlichen Award die Harmoniesierung von Qualitätsstan-dards beim Umgang mit Versuchstieren. Der diesjährige Preisträger ist Prof. Dr. Abdurrahman Aksoy, Dekan der veteri-närmedizinischen Fakultät der Ondokuz Mayis University in Samsun (Türkei). Er wird in die Schweiz eingeladen und erhält eine einwöchige Weiterbildung in Labortierkunde an der Uni-versität Zürich nach den europäischen Richtlinien der FELASA (Federation of European Laboratory Animal Science Associa-tions). Das gibt ihm das Rüstzeug, die qualitativ hochstehen-den ethischen und wissenschaftlichen Standards in allen Be-langen rund um Tierversuche nach dem Prinzip der 3R auch an seiner Heimatuniversität umzusetzen.

Schweizer Tierschutz Seit gut fünf Jahren steht Interpharma in einem Dialog mit dem Schweizerischen Tierschutz (STS). Zudem sind die Organisati-onen Animalfree Research und der Zürcher Tierschutz dem Dialog beigetreten. Die regelmässigen Treffen dienen dem ge-genseitigen Verständnis und dem Zugang zu Fragen des Tier-schutzes sowie der Erörterung von fachlichen Fragen zu Tier-versuchen und zum Schutz der Labortiere.

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Bei der 9. Tierversuchstagung des Schweizer Tierschutz STS ging es um die 3R-Forschung in der Schweiz und die Suche nach Ersatzmethoden zu Tierversuchen. In der Schweizer Tierschutzgesetzgebung ist die Förde-rung und Implementierung von 3R-Methoden seit 1993 festgeschrieben. Das wissenschaftliche und wirtschaftli-che Potenzial von 3R-Methoden ist unbestritten, jedoch beklagt der Tierschutz, dass solche Methoden und die Forschung für diese noch zu stiefmütterlich behandelt werden.

Aktive ForschungsgemeindeDass sich einiges tut in der 3R-Forschung, zeigten die Ausfüh-rungen von Dr. Mardas Daneshian, CEO von CAAT-Europe. «Die neue Ära der Lebenswissenschaften ist geprägt durch den Validitätsgedanken (z.B. Reproduzierbarkeit von Versu-chen), durch den Einsatz von menschlichen Biomaterialien (3-D-Zellkulturen oder Organoide) und durch die Kombination von computerbasierten Ansätzen», erzählte Dr. Daneshian. Auch Prof. Dr. Michael Hengartner, Rektor der Universität Zü-rich, berichtete über 3R-Methoden, die in der Hochschulfor-schung zum Einsatz kommen. «Für uns sind alle 3R gleichsam von Bedeutung. Die Erkenntnisse kommen z.B. zur direkten Anwendung in Forschung und Klinik und werden auch bei der Weiterbildung der Forschenden eingebracht», führte Hengart-ner aus.

Wissenschaftliche HerausforderungenProf. Dr. Rolf Zeller, Department Biomedizin der Universität Ba-sel, betonte, dass für den Erkenntnisgewinn und das bessere Verständnis der fundamentalen biologischen Prozesse Tier-versuche notwendig seien. «Ohne solche Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung ist die Suche nach Therapien und neuen Medikamenten in der angewandten Forschung nicht möglich», sagte Zeller. «Ein signifikanter Teil der heutigen Grundlagenfor-schung erfolgt mit zellulären und computerbasierten Modellen. Durch die Bioinformatik können heute Tierversuche viel geziel-ter zum Einsatz kommen und werden nur dann durchgeführt, wenn komplexe Prozesse wie z.B. die Embryonalentwicklung oder die Organbildung durch andere Systeme nicht erforscht werden können», betonte Zeller.

Prof. Dr. Olivier Guenat, von ARTOG Center for Biomedical En-gineering Research der Universität Bern, berichtete von zwei neuen In-vitro-Modellen für die Lunge, die in Zusammenarbeit mit der Pneumologie und der Thoraxchirurgie des Inselspitals Bern entwickelt werden. Mit diesen sollen bestimmte Lungen-krankheiten wie die Lungenfibrose und Lungenkrebs reprodu-zierbar werden. «Aus meiner Sicht liegt die Zukunft in der Entwicklung von In-vitro-Modellen, die eine spezifische Frage-stellung liefern und damit die Zahl der Tierversuche deutlich re-duzieren können. Die Komplexität des menschlichen Körpers lässt sich aber nur schwer In-vitro-Modellen nachbilden», er-klärte Guenat.

Die Zukunft der 3R in der SchweizNationalrätin Maya Graf begrüsste das geplante nationale 3R-Kompetenzzentrum. Die vorgeschlagenen Massnahmen des Bundesrates zur Stärkung der 3R werden von Akademie, In-dustrie, Behörden und Tierschutz grösstenteils unterstützt. So könnte das Zentrum als Koordinationsstelle für Wissenschaft, Industrie und Aufsichtsbehörden oder auch als Plattform für Wissenstransfer und Austausch von Know-how fungieren. Für Dr. med. vet. Stefanie Schindler von Animalfree-Research, sind die internationale Vernetzung, eine 3R-Projektkoordinierung und ein freier Zugang zu Publikationen – auch von negativen Resultaten – Punkte, die zukünftig verstärkt aufgenommen werden sollten.

Dr. med. vet. Kaspar Jörger, Leiter Tierschutz vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, erklärte in der anschliessenden Paneldiskussion, dass das zukünftige Enga-gement der verschiedenen Interessensgruppen wichtig ist für die optimale Umsetzung des nationalen Kompetenzzentrums. Thomas Cueni, Generalsekretär von Interpharma, betont dass vonseiten der Industrie auch in Zukunft Interesse besteht, die 3R-Kompetenzen zu fördern und ein entsprechendes Zentrum Unterstützung finde. Auch engagierten sich die Pharmafirmen seit Jahren im Bereich der 3R und hätten firmenintern zum Bei-spiel durch die Vergabe von Awards Anreize geschaffen, um die 3R zu fördern.

9. Versuchstiertagung des Schweizer Tierschutz STS: die Zukunft der 3R

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Im Jahr 2015 feierte die weltweit agierende Novartis Animal Welfare Organization ihr 10-Jahre-Jubiläum. Die Organisation traf sich mit Vertretern des Schweizer Tierschutzes STS, des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesens (BLV), der Basel Deklaration, des Verbandes «Forschung für Leben», der Schweizerischen Gesellschaft für Versuchstier-kunde (SGV) sowie der Schweizerischen Stiftung Forschung 3R, um die Arbeit der letzten 10 Jahre zu würdigen und Wis-senschaftler für ihre Bemühungen zu ehren, die Verwendung von Versuchstieren in der Forschung zu reduzieren, zu verbes-sern und zu ersetzen.

Obwohl verschiedene Tierschutzorganisation in verschiedenen Teilen des Unternehmens und Ländern etabliert waren, ver-folgte Novartis bis vor 10 Jahren noch keinen globalen Ansatz zum Schutz ihrer Versuchstiere. Im Jahr 2004 wurde eine Gruppe, der Paul Herrling vorstand, damals Chef von Corpo-rate Research, mit der Aufgabe betraut, den Tierschutz im Un-ternehmen zu harmonisieren und zu vereinheitlichen. Im Mai des folgenden Jahres wurde dann die weltweit agierende No-vartis Animal Welfare Organization ins Leben gerufen, eine Gruppe, die Tierschutzstandards auf lokaler und globaler Ebene einführen, durchsetzen und überwachen sollte.

Auf dem Ende Oktober abgehaltenen Symposium wurde im Schnelldurchlauf vorgestellt, was bis 2015 erreicht worden war. Die Eröffnungsrede der Veranstaltung hielt Jörg Reinhardt, Prä-sident des Verwaltungsrates von Novartis. Paul Herrling, jetzt Leiter des Novartis Institute for Tropical Diseases (NITD) und ehemals Tierschutzbeauftragter des Unternehmens (Corporate Animal Welfare Officer) erläuterte die Entstehung der globalen Organisation, ihre Zielsetzungen und Verantwortlichkeiten wie z.B. die Einführung und Durchsetzung der Novartis Animal Wel-fare Standards, die Lenkung der Tierschutzpolitik bei Novartis (Novartis Animal Welfare Policy) und die Koordination sämtli-cher tierschutzbezogener Aktivitäten. Er betonte, welche Schlüsselrolle die Novartis Animal Welfare Organization dabei einnimmt, die Akzeptanz von Novartis in der Bevölkerung si-cherzustellen, was nicht genug gewürdigt werden kann.

10 Jahre Tierschutz bei Novartis

Jörg Reinhardt, Präsident des Verwaltungsrates von Novartis (links)

Paul Herrling, Leiter des Novartis Institute for Tropical Diseases (NITD) (rechts)

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Drei Redner beleuchteten das Thema Tierversuche aus ganz anderen Perspektiven. Arnd Hoeveler, Leiter der Arbeitsgruppe für neuartige medizinische Entwicklungen (Novel Medical De-velopments Unit) für die Europäische Kommission stellte den Standpunkt der EU bezüglich Forschung und Innovation zur Unterstützung der 3R vor. Kathryn Chapman, zuständig für In-novation und Translation am Nationalen Zentrum für den Er-satz, die Verbesserung und die Reduzierung von Tierversu-chen in der Forschung (NC3Rs), rief ihre Zuhörer auf, die 3R immer wieder neu zu bewerten, damit sichergestellt wird, dass Verbesserungen in Wissenschaft weiter vorangetrieben wer-den und auch das Unternehmen dadurch noch besser wird. Nicht zuletzt war es Paul Flecknell, Professor für Labortierwis-senschaft an der Universität von Newcastle, der über das Schmerzmanagement nach Eingriffen bei Labortieren sprach.

Das Symposium endete mit der Ehrung von Novartis-Wissen-schaftlern für ihre Bemühungen zur Reduktion, Verbesserung und zum Ersatz von Versuchstieren in der Forschung. n

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24 > ANIMAL WELFARE REPORT 2016

Artikel 10 «Wir verpflichten uns, jährlich über die im Rahmen dieser Charta erzielten Fortschritte Bericht zu erstatten.»

Sechster JahresberichtDer Jahresbericht 2016 ist der sechste Bericht seit dem Verab-schieden der Tierschutzcharta im Jahre 2010. Die Arbeits-gruppe für Tierschutz des europäischen Verbands EFPIA hat sich dazu entschlossen, nach diesem Beispiel ebenfalls einen Bericht zum aktuellen Stand der Tier schutz standards auf eu-ropäischer Ebene zu verfassen. n Bestellung und Anregungen an [email protected]

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Linksammlung der erwähnten Institutionen und weitere Informationen zur Forschung mit Tieren

ALTEX – Alternatives to Animal Experimentationwww.altex.ch

Animalfree Researchwww.animalfree-research.org

Association for Assessment and Accreditation of Laboratory Animal Care International – AAALACwww.aaalac.org

Basel Deklarationwww.basel-declaration.org

European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations – EFPIAwww.efpia.eu

European Partnership for Alternative Approaches to Animal Testing – EPAAwww.ec.europa.eu/growth/sectors/chemicals/epaa

Federation of European Laboratory Animal Science Associationswww.felasa.eu

Institute for Laboratory Animal Research www.dels.nas.edu/ilar

International Committee for Laboratory Animal Sciencewww.iclas.org

International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use – ICHwww.ich.org

International Consortium for Innovation and Qualitywww.iqconsortium.org

Johns Hopkins University Center for Alternatives to Animal Testing – CAAThttp://caat.jhsph.edu

Kompetenzzentrum TEDDwww.project.zhaw.ch/de/science/tedd/vision.html

National Center of the Replacement, Refinement & Reduction of Animals in Researchwww.nc3rs.org.uk

New Jersey Association for Biomedical Researchwww.njabr.com

Schweizerische Gesellschaft für Versuchstierkunde SGVhttp://www.naturwissenschaften.ch/organisations/sgv

Schweizer Tierschutz STSwww.tierschutz.com

Stiftung 3Rwww.forschung3r.ch

Understanding Animal Researchwww.understandinganimalresearch.org.uk

vtk onlinewww.vtk-online.de

Zürcher Tierschutzwww.zuerchertierschutz.ch

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InterpharmaPetersgraben 35, PostfachCH-4009 BaselTelefon +41 (0)61 264 34 00Telefax +41 (0)61 264 34 [email protected]