16
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Das heutige Evangelium (vgl. Joh 3,16-18) am Fest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zeigt – in der prägnanten Sprache des Apostels Johannes – das Geheimnis der Liebe Gottes zur Welt, seiner Schöpfung. In dem kurzen Dialog mit Nikodemus offenbart sich Jesus als derjenige, der den Heils- plan des Vaters für die Welt zur Vollendung bringt. Er sagt: »Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab« (V. 16). Diese Worte weisen darauf hin, dass das Wirken der drei göttlichen Personen – Vater, Sohn und Heiliger Geist – ein einziger Plan der Liebe ist, der die Menschheit und die Welt rettet, es ist ein Heilsplan für uns. Gott hat die Welt gut und schön geschaffen, doch nach der Sünde ist die Welt vom Bösen und der Verderbnis geprägt. Wir Männer und Frauen sind alle Sünder. Gott könnte also eingreifen, um die Welt zu richten, das Böse zu vernichten und die Sünder zu bestrafen. Aber er liebt die Welt, trotz ihrer Sünden; Gott liebt jeden von uns, auch wenn wir Fehler machen und uns von ihm ab- wenden. Gott, der Vater, liebt die Welt so sehr, dass er, um sie zu retten, das Kostbarste gibt, was er hat: seinen eingeborenen Sohn, der sein Leben für die Menschheit hingibt, aufersteht, zum Vater zurückkehrt und mit ihm zusammen den Heili- gen Geist sendet. Die Dreifaltigkeit ist also Liebe, ganz im Dienste der Welt, die sie retten und neu erschaffen will. Wenn wir heute an Gott Vater und den Sohn und den Heiligen Geist denken, denken wir an die Liebe Gottes! Und es wäre schön, wenn wir uns geliebt fühlten. »Gott liebt mich«: das ist das Gefühl heute. Wenn Jesus sagt, dass der Vater seinen einge- borenen Sohn hingegeben hat, denken wir spon- tan an Abraham und das Opfer seines Sohnes Isaak, von dem das Buch Genesis spricht (vgl. 22,1-14): das ist das »Maß ohne Maß« der Liebe Gottes. Und denken wir auch daran, wie Gott sich Mose offenbart: voller Zärtlichkeit, barmher- zig, gnädig, langmütig und reich an Huld und Treue (vgl. Ex 34,6). Die Begegnung mit diesem Gott ermutigte Mose, der sich, wie uns das Buch Exodus sagt, nicht scheut, sich zwischen das Volk und den Herrn zu stellen und zu ihm zu sagen: »Weil es ein hartnäckiges Volk ist, musst du uns unsere Schuld und Sünde vergeben und uns dein Eigentum sein lassen!« (V. 9). Und das tat Gott auch, indem er seinen Sohn sandte. Wir sind Kin- der im Sohn durch die Kraft des Heiligen Geistes! Wir sind Gottes Erbe! Liebe Brüder und Schwestern, das heutige Fest lädt uns ein, uns einmal mehr von Gottes Schönheit faszinieren zu lassen; Schönheit, Güte und unerschöpfliche Wahrheit. Aber auch Schön- heit, Güte und demütige, nahe Wahrheit, die Fleisch geworden ist, um in unser Leben, in un- sere Geschichte, in meine Geschichte, in die Ge- schichte eines jeden von uns einzutreten, damit jeder Mann und jede Frau ihr begegnen und das ewige Leben haben kann. Und das ist der Glaube: Den Gott, der Liebe ist, aufnehmen, die- sen Gott, der Liebe ist, aufnehmen, der sich in Christus schenkt, der bewirkt, dass wir uns im Heiligen Geist bewegen; zulassen, dass er uns be- gegnet und auf ihn vertrauen. Das ist das christli- che Leben. Lieben, Gott begegnen, Gott suchen; und er sucht uns als erster, er begegnet uns als erster. Möge die Jungfrau Maria, Wohnstatt der Drei- faltigkeit, uns helfen, offenen Herzens die Liebe Gottes aufzunehmen, die uns mit Freude erfüllt und unserem Weg in dieser Welt einen Sinn ver- leiht und ihn immer auf das Ziel ausrichtet: den Himmel. Nach dem Angelus sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Ich grüße euch alle, die Römer und die Pilger: die einzelnen Gläubigen, die Familien und die Or- densgemeinschaften. Und eure Anwesenheit auf dem Platz ist auch ein Zeichen dafür, dass in Ita- lien die akute Phase der Epidemie vorbei ist, auch wenn weiterhin die Notwendigkeit besteht – aber Vorsicht, stimmt nicht sofort das Siegeslied an, stimmt nicht zu früh ein Siegslied an! –, die geltenden Regeln mit Sorgfalt zu befolgen, denn es sind Regeln, die uns helfen, zu verhindern dass das Virus sich weiter überträgt. Gott sei Dank sind wir im Begriff, aus dem Gröbsten herauszu- kommen, immer aber mit den Vorschriften, die uns die Behörden geben. Aber leider fordert das Virus in anderen Ländern – ich denke an meh- rere – immer noch sehr viele Opfer. Letzten Frei- tag ist in einem Land ein Mensch pro Minute gestorben! Schrecklich. Ich möchte der Bevölke- rung, den Kranken und ihren Familien und allen, die sich um sie kümmern, meine Nähe zum Aus- druck bringen. Lasst uns mit unseren Gebeten einander nahe sein. Der Monat Juni ist in besonderer Weise dem Herzen Christi gewidmet, eine Verehrung, die die großen geistlichen Lehrmeister und die einfa- chen Leute des Gottesvolks vereint. Denn das menschliche und göttliche Herz Jesu ist die Quelle, aus der wir immer die Barmherzigkeit, die Vergebung und die Zärtlichkeit Gottes schöp- fen können. Wir können dies tun, indem wir bei einem Abschnitt des Evangeliums verweilen und spüren, dass im Mittelpunkt jeder Geste, jedes Wortes Jesu die Liebe steht, die Liebe des Vaters, der seinen Sohn gesandt hat, die Liebe des Heili- gen Geistes, der in uns ist. Und wir können dies in der Anbetung der Eucharistie tun, wo diese Liebe im Sakrament gegenwärtig ist. Dann wird auch unser Herz nach und nach geduldiger, großzügiger, barmherziger werden, in Nachah- mung des Herzens Jesu. Es gibt ein altes Gebet – ich habe es von meiner Großmutter gelernt –, das folgendermaßen lautete: »Jesus, mach, dass mein Herz dem deinen gleiche.« Es ist ein schönes Ge- bet. »Mach mein Herz wie deins.« Ein schönes, kleines Gebet, das wir in diesem Monat beten können. Wollen wir es jetzt gemeinsam sagen? »Jesus, möge mein Herz dem deinen gleichen.« Noch einmal: »Jesus, möge mein Herz dem dei- nen gleichen.« Ich wünsche euch allen einen schönen Sonn- tag. Fast hätte ich gesagt, »einen schönen und warmen Sonntag«. Einen schönen Sonntag. Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen. UNICUIQUE SUUM NON PRAEVALEBUNT Redaktion: I-00120 Vatikanstadt 50. Jahrgang – Nummer 24/25 – 12. Juni 2020 Wochenausgabe in deutscher Sprache Schwabenverlag AG D-73745 Ostfildern Einzelpreis Vatikan d 2,20 Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am Dreifaltigkeitssonntag, 7. Juni Fasziniert von der Schönheit Gottes In dieser Ausgabe Generalaudienz am 3. Juni ............................................... 2 Rosenkranzgebet in den Vatikanischen Gärten zum Abschluss des Marienmonats ............................................................................................... 3 Die Päpste und der Tabak....................................................... 5 Das neue Studienjahr an den Päpstlichen Universitäten.................................................................................................... 6 Predigt bei der Eucharistiefeier am Hochfest Pfingsten................................................................................ 7 Videobotschaft von Papst Franziskus – an die Teilnehmer der von CHARIS organisierten Gebetsvigil ........................................................ 8 – an die Bewegung »Thy Kingdom Come« .................................................................... 8 Brief von Papst Franziskus an die Priester der Diözese Rom....................................................................... 10-11 Generalaudienz am 27. Mai ......................................... 12 Regina Caeli am Pfingstsonntag................ 12-13 Botschaft des Papstes zum 50. Jahrestag der Promulgation des Ritus der Jungfrauenweihe.................................................................................. 13 Predigten des Papstes bei den Frühmessen in Santa Marta ............................. 14-15 Videobotschaft von Papst Franziskus an die Teilnehmer einer von »Scholas occurrentes« veranstalteten Videokonferenz...................................................................................... 16 Promulgation von Dekreten ......................................... 16 Die akute Phase der Pandemie sei zwar in Italien überwunden, doch riet der Papst weiter zur Vorsicht. Beim Angelus hielten die Anwesenden den »Sicherheitsabstand« ein. Vatikanstadt. Papst Franziskus hat anläss- lich des Weltumwelttags zu einer entschlossenen ökologischen Wende aufgerufen. Es sei nicht die Zeit, weiter wegzuschauen, während der Planet aus Profitgier und teilweise im Namen des Fort- schritts geplündert und geschändet werde, er- klärte der Papst am 5. Juni. Franziskus äußerte sich in einem Brief an Kolumbiens Staatspräsi- dent Iván Duque Márquez, Gastgeber einer zen- tralen Veranstaltung zum internationalen Um- welttag. Das ursprünglich in Bogotá anberaumte Treffen fand wegen der Corona-Pandemie virtuell statt. »Das ist eine Herausforderung, die uns daran erinnert, dass es im Angesicht von Widrig- keiten immer neue Wege gibt, um als große Menschheitsfamilie vereint zu sein«, so der Papst. Franziskus unterstrich weiter, man dürfe nicht schweigen angesichts der Zerstörung und der Ausbeutung des Ökosystems. Umweltschutz und die Bewahrung der Artenvielfalt gingen alle an. Der Blick auf die gegenwärtige Situation des Planeten müsse ein Engagement zur Folge haben und bezeugen, wie ernst die Lage sei. »Wir kön- nen nicht vorgeben, gesund zu sein in einer Welt, die krank ist«, schrieb der Papst. »Es liegt an uns, die Richtung zu ändern und auf eine bessere, ge- sündere Welt zu setzen, um sie künftigen Gene- rationen als Vermächtnis zu hinterlassen. Alles hängt von uns ab und davon, ob wir es wirklich wollen.« So sollten alle gemeinsam sich stärker der Sorge und des Schutzes des gemeinsamen Hauses wie auch der schwächsten und ausge- grenzten Brüder und Schwestern in der Gesell- schaft bewusst werden. Der Papst erinnerte an seine Umwelt-Enzy- klika Laudato si’ und lud zur Beteiligung an dem kürzlich ausgerufenen Aktionsjahr ein, in dessen Mittelpunkt das vor fünf Jahren veröffentlichte Lehrschreiben steht. Geplant sind in den kom- menden Monaten Webinare, Tagungen und Ak- tionen in digitalen Netzwerken, aber auch die Pu- blikation eines Leitfadens und ein Runder Tisch beim nächsten Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar. Die Enzyklika befasst sich mit Umwelt- und Klimaschutz unter der Perspektive einer ganzheitlichen und nachhaltigen Entwicklung. In einem Tweet zum internationalen Um- welttag erinnerte der Papst zudem an die soziale Seite des ökologischen Engagements: »Alles ist aufeinander bezogen: die echte Sorge für unser eigenes Leben und für unsere Beziehungen zur Natur ist nicht zu trennen von der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit und der Treue gegenüber den anderen.«. Der Weltumwelttag wurde am 5. Juni 1972 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen mit dem Ziel, das Bewusstsein und das Engage- ment für mehr Umweltschutz zu stärken. Kein Umweltschutz ohne Gerechtigkeit »Hier bin ich, sende mich« (Jes 6,8) Botschaft von Papst Franziskus zum Weltmissionssonntag am 25. Oktober Seite 9

Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am ... · 2 Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von Abraham ertönt. Eine Stimme,

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Page 1: Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am ... · 2 Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von Abraham ertönt. Eine Stimme,

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Das heutige Evangelium (vgl. Joh 3,16-18) am

Fest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zeigt – in

der prägnanten Sprache des Apostels Johannes –

das Geheimnis der Liebe Gottes zur Welt, seiner

Schöpfung. In dem kurzen Dialog mit Nikodemus

offenbart sich Jesus als derjenige, der den Heils-

plan des Vaters für die Welt zur Vollendung

bringt. Er sagt: »Gott hat die Welt so sehr geliebt,

dass er seinen einzigen Sohn hingab« (V. 16).

Diese Worte weisen darauf hin, dass das Wirken

der drei göttlichen Personen – Vater, Sohn und

Heiliger Geist – ein einziger Plan der Liebe ist, der

die Menschheit und die Welt rettet, es ist ein

Heilsplan für uns.

Gott hat die Welt gut und schön geschaffen,

doch nach der Sünde ist die Welt vom Bösen und

der Verderbnis geprägt. Wir Männer und Frauen

sind alle Sünder. Gott könnte also eingreifen, um

die Welt zu richten, das Böse zu vernichten und

die Sünder zu bestrafen. Aber er liebt die Welt,

trotz ihrer Sünden; Gott liebt jeden von uns, auch

wenn wir Fehler machen und uns von ihm ab-

wenden. Gott, der Vater, liebt die Welt so sehr,

dass er, um sie zu retten, das Kostbarste gibt, was

er hat: seinen eingeborenen Sohn, der sein Leben

für die Menschheit hingibt, aufersteht, zum Vater

zurückkehrt und mit ihm zusammen den Heili-

gen Geist sendet. Die Dreifaltigkeit ist also Liebe,

ganz im Dienste der Welt, die sie retten und neu

erschaffen will. Wenn wir heute an Gott Vater

und den Sohn und den Heiligen Geist denken,

denken wir an die Liebe Gottes! Und es wäre

schön, wenn wir uns geliebt fühlten. »Gott liebt

mich«: das ist das Gefühl heute.

Wenn Jesus sagt, dass der Vater seinen einge-

borenen Sohn hingegeben hat, denken wir spon-

tan an Abraham und das Opfer seines Sohnes

Isaak, von dem das Buch Genesis spricht (vgl.

22,1-14): das ist das »Maß ohne Maß« der Liebe

Gottes. Und denken wir auch daran, wie Gott

sich Mose offenbart: voller Zärtlichkeit, barmher-

zig, gnädig, langmütig und reich an Huld und

Treue (vgl. Ex 34,6). Die Begegnung mit diesem

Gott ermutigte Mose, der sich, wie uns das Buch

Exodus sagt, nicht scheut, sich zwischen das Volk

und den Herrn zu stellen und zu ihm zu sagen:

»Weil es ein hartnäckiges Volk ist, musst du uns

unsere Schuld und Sünde vergeben und uns dein

Eigentum sein lassen!« (V. 9). Und das tat Gott

auch, indem er seinen Sohn sandte. Wir sind Kin-

der im Sohn durch die Kraft des Heiligen Geistes!

Wir sind Gottes Erbe!

Liebe Brüder und Schwestern, das heutige

Fest lädt uns ein, uns einmal mehr von Gottes

Schönheit faszinieren zu lassen; Schönheit, Güte

und unerschöpfliche Wahrheit. Aber auch Schön-

heit, Güte und demütige, nahe Wahrheit, die

Fleisch geworden ist, um in unser Leben, in un-

sere Geschichte, in meine Geschichte, in die Ge-

schichte eines jeden von uns einzutreten, damit

jeder Mann und jede Frau ihr begegnen und das

ewige Leben haben kann. Und das ist der

Glaube: Den Gott, der Liebe ist, aufnehmen, die-

sen Gott, der Liebe ist, aufnehmen, der sich in

Christus schenkt, der bewirkt, dass wir uns im

Heiligen Geist bewegen; zulassen, dass er uns be-

gegnet und auf ihn vertrauen. Das ist das christli-

che Leben. Lieben, Gott begegnen, Gott suchen;

und er sucht uns als erster, er begegnet uns als

erster.

Möge die Jungfrau Maria, Wohnstatt der Drei-

faltigkeit, uns helfen, offenen Herzens die Liebe

Gottes aufzunehmen, die uns mit Freude erfüllt

und unserem Weg in dieser Welt einen Sinn ver-

leiht und ihn immer auf das Ziel ausrichtet: den

Himmel.

Nach dem Angelus sagte der Papst:

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich grüße euch alle, die Römer und die Pilger:

die einzelnen Gläubigen, die Familien und die Or-

densgemeinschaften. Und eure Anwesenheit auf

dem Platz ist auch ein Zeichen dafür, dass in Ita-

lien die akute Phase der Epidemie vorbei ist, auch

wenn weiterhin die Notwendigkeit besteht –

aber Vorsicht, stimmt nicht sofort das Siegeslied

an, stimmt nicht zu früh ein Siegslied an! –, die

geltenden Regeln mit Sorgfalt zu befolgen, denn

es sind Regeln, die uns helfen, zu verhindern dass

das Virus sich weiter überträgt. Gott sei Dank

sind wir im Begriff, aus dem Gröbsten herauszu-

kommen, immer aber mit den Vorschriften, die

uns die Behörden geben. Aber leider fordert das

Virus in anderen Ländern – ich denke an meh-

rere – immer noch sehr viele Opfer. Letzten Frei-

tag ist in einem Land ein Mensch pro Minute

gestorben! Schrecklich. Ich möchte der Bevölke-

rung, den Kranken und ihren Familien und allen,

die sich um sie kümmern, meine Nähe zum Aus-

druck bringen. Lasst uns mit unseren Gebeten

einander nahe sein.

Der Monat Juni ist in besonderer Weise dem

Herzen Christi gewidmet, eine Verehrung, die die

großen geistlichen Lehrmeister und die einfa-

chen Leute des Gottesvolks vereint. Denn das

menschliche und göttliche Herz Jesu ist die

Quelle, aus der wir immer die Barmherzigkeit,

die Vergebung und die Zärtlichkeit Gottes schöp-

fen können. Wir können dies tun, indem wir bei

einem Abschnitt des Evangeliums verweilen und

spüren, dass im Mittelpunkt jeder Geste, jedes

Wortes Jesu die Liebe steht, die Liebe des Vaters,

der seinen Sohn gesandt hat, die Liebe des Heili-

gen Geistes, der in uns ist. Und wir können dies

in der Anbetung der Eucharistie tun, wo diese

Liebe im Sakrament gegenwärtig ist. Dann wird

auch unser Herz nach und nach geduldiger,

großzügiger, barmherziger werden, in Nachah-

mung des Herzens Jesu. Es gibt ein altes Gebet –

ich habe es von meiner Großmutter gelernt –, das

folgendermaßen lautete: »Jesus, mach, dass mein

Herz dem deinen gleiche.« Es ist ein schönes Ge-

bet. »Mach mein Herz wie deins.« Ein schönes,

kleines Gebet, das wir in diesem Monat beten

können. Wollen wir es jetzt gemeinsam sagen?

»Jesus, möge mein Herz dem deinen gleichen.«

Noch einmal: »Jesus, möge mein Herz dem dei-

nen gleichen.«

Ich wünsche euch allen einen schönen Sonn-

tag. Fast hätte ich gesagt, »einen schönen und

warmen Sonntag«. Einen schönen Sonntag. Bitte

vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete

Mahlzeit und auf Wiedersehen.

UNICUIQUE SUUM NON PRAEVALEBUNT

Redaktion: I-00120 Vatikanstadt

50. Jahrgang – Nummer 24/25 – 12. Juni 2020Wochenausgabe in deutscher Sprache

Schwabenverlag AG

D-73745 Ostfildern

Einzelpreis

Vatikan d 2,20

Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am Dreifaltigkeitssonntag, 7. Juni

Fasziniert von der Schönheit Gottes

In dieser Ausgabe

Generalaudienz am 3. Juni ............................................... 2

Rosenkranzgebet in den Vatikanischen

Gärten zum Abschluss des

Marienmonats............................................................................................... 3

Die Päpste und der Tabak....................................................... 5

Das neue Studienjahr an den Päpstlichen

Universitäten.................................................................................................... 6

Predigt bei der Eucharistiefeier am

Hochfest Pfingsten................................................................................ 7

Videobotschaft von Papst Franziskus

– an die Teilnehmer der von CHARIS

organisierten Gebetsvigil........................................................ 8

– an die Bewegung

»Thy Kingdom Come« .................................................................... 8

Brief von Papst Franziskus an die Priester

der Diözese Rom....................................................................... 10-11

Generalaudienz am 27. Mai ......................................... 12

Regina Caeli am Pfingstsonntag................ 12-13

Botschaft des Papstes zum 50. Jahrestag

der Promulgation des Ritus der

Jungfrauenweihe.................................................................................. 13

Predigten des Papstes bei den

Frühmessen in Santa Marta............................. 14-15

Videobotschaft von Papst Franziskus

an die Teilnehmer einer von

»Scholas occurrentes« veranstalteten

Videokonferenz...................................................................................... 16

Promulgation von Dekreten......................................... 16

Die akute Phase der Pandemie sei zwar in Italien überwunden, doch riet der Papst weiter zur Vorsicht.

Beim Angelus hielten die Anwesenden den »Sicherheitsabstand« ein.

Vatikanstadt. Papst Franziskus hat anläss-

lich des Weltumwelttags zu einer entschlossenen

ökologischen Wende aufgerufen. Es sei nicht die

Zeit, weiter wegzuschauen, während der Planet

aus Profitgier und teilweise im Namen des Fort-

schritts geplündert und geschändet werde, er-

klärte der Papst am 5. Juni. Franziskus äußerte

sich in einem Brief an Kolumbiens Staatspräsi-

dent Iván Duque Márquez, Gastgeber einer zen-

tralen Veranstaltung zum internationalen Um-

welttag. Das ursprünglich in Bogotá anberaumte

Treffen fand wegen der Corona-Pandemie virtuell

statt. »Das ist eine Herausforderung, die uns

daran erinnert, dass es im Angesicht von Widrig-

keiten immer neue Wege gibt, um als große

Menschheitsfamilie vereint zu sein«, so der Papst.

Franziskus unterstrich weiter, man dürfe

nicht schweigen angesichts der Zerstörung und

der Ausbeutung des Ökosystems. Umweltschutz

und die Bewahrung der Artenvielfalt gingen alle

an. Der Blick auf die gegenwärtige Situation des

Planeten müsse ein Engagement zur Folge haben

und bezeugen, wie ernst die Lage sei. »Wir kön-

nen nicht vorgeben, gesund zu sein in einer Welt,

die krank ist«, schrieb der Papst. »Es liegt an uns,

die Richtung zu ändern und auf eine bessere, ge-

sündere Welt zu setzen, um sie künftigen Gene-

rationen als Vermächtnis zu hinterlassen. Alles

hängt von uns ab und davon, ob wir es wirklich

wollen.« So sollten alle gemeinsam sich stärker

der Sorge und des Schutzes des gemeinsamen

Hauses wie auch der schwächsten und ausge-

grenzten Brüder und Schwestern in der Gesell-

schaft bewusst werden.

Der Papst erinnerte an seine Umwelt-Enzy-

klika Laudato si’ und lud zur Beteiligung an dem

kürzlich ausgerufenen Aktionsjahr ein, in dessen

Mittelpunkt das vor fünf Jahren veröffentlichte

Lehrschreiben steht. Geplant sind in den kom-

menden Monaten Webinare, Tagungen und Ak-

tionen in digitalen Netzwerken, aber auch die Pu-

blikation eines Leitfadens und ein Runder Tisch

beim nächsten Weltwirtschaftsforum in Davos

im Januar. Die Enzyklika befasst sich mit Umwelt-

und Klimaschutz unter der Perspektive einer

ganzheitlichen und nachhaltigen Entwicklung.

In einem Tweet zum internationalen Um-

welttag erinnerte der Papst zudem an die soziale

Seite des ökologischen Engagements: »Alles ist

aufeinander bezogen: die echte Sorge für unser

eigenes Leben und für unsere Beziehungen zur

Natur ist nicht zu trennen von der Brüderlichkeit,

der Gerechtigkeit und der Treue gegenüber den

anderen.«.

Der Weltumwelttag wurde am 5. Juni 1972

von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen

mit dem Ziel, das Bewusstsein und das Engage-

ment für mehr Umweltschutz zu stärken.

Kein Umweltschutz ohne Gerechtigkeit

»Hier bin ich,

sende mich« (Jes 6,8)

Botschaft von Papst Franziskus

zum Weltmissionssonntag

am 25. Oktober

Seite 9

Page 2: Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am ... · 2 Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von Abraham ertönt. Eine Stimme,

12. Juni 2020 / Nummer 24/25

2

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von

Abraham ertönt. Eine Stimme, die ihn einlädt,

sich auf einen Weg zu machen, der absurd klingt:

eine Stimme, die ihn anspornt, seine Heimat, die

Wurzeln seiner Familie zu verlassen, um auf eine

neue Zukunft, eine andere Zukunft zuzugehen.

Und alles auf der Grundlage einer Verheißung,

auf die man nur vertrauen muss. Und auf eine

Verheißung zu vertrauen ist nicht leicht, es

braucht Mut. Und Abraham vertraute.

Die Bibel schweigt über die Vergangenheit

des ersten Erzvaters. Die Logik der Dinge lässt

vermuten, dass er vielleicht andere Gottheiten

verehrte. Vielleicht war er ein weiser Mann, der

den Himmel und die Sterne zu erforschen pflegte.

Denn der Herr verheißt ihm eine Nachkommen-

schaft, die so zahlreich ist wie die Sterne, die den

Himmel sprenkeln.

Und Abraham bricht auf. Er hört die Stimme

Gottes und vertraut auf sein Wort. Das ist wichtig:

Er vertraut auf Gottes Wort. Und mit seinem Auf-

bruch entsteht eine neue Weise, die Beziehung

zu Gott zu verstehen. Aus diesem Grund ist der

Erzvater Abraham in den großen geistlichen Tra-

ditionen des Judentums, des Christentums und

des Islam gegenwärtig als der vollkommene

Mann Gottes, der fähig ist, sich diesem zu unter-

werfen, auch wenn sein Wille sich als hart, wenn

nicht sogar unverständlich erweist.

Abraham ist also der Mann des Wortes. Wenn

Gott spricht, wird der Mensch zum Empfänger je-

nes Wortes und sein Leben zu dem Ort, an dem

es Mensch werden will. Das ist eine große Neu-

heit auf dem religiösen Weg des Menschen: Man

beginnt, das Leben des Gläubigen als Berufung

aufzufassen, also als Ruf, als Ort, an dem eine Ver-

heißung Wirklichkeit wird. Und er wandelt in der

Welt nicht unter der Last eines Rätsels, sondern

mit der Kraft jener Verheißung, die eines Tages

Wirklichkeit werden wird. Und Abraham glaubte

an Gottes Verheißung. Er glaubte und zog weg,

ohne zu wissen, wohin er ziehen würde – so

heißt es im Brief an die Hebräer (vgl. 11,8). Aber

er vertraute.

Wenn wir das Buch Genesis lesen, dann ent-

decken wir, dass Abraham das Gebet in beständi-

ger Treue zu jenem Wort lebte, das sich auf seinem

Weg immer wieder zeigte. Zusammenfassend

können wir sagen, dass im Leben Abrahams der

Glaube zur Geschichte wird. Der Glaube wird zur

Geschichte. Ja, Abraham

lehrt uns sogar mit sei-

nem Leben, mit seinem

Vorbild diesen Weg, die-

sen Pfad, auf dem der

Glaube zur Geschichte

wird. Gott wird nicht

mehr nur in den kosmi-

schen Phänomenen gese-

hen, als ein ferner Gott,

der Furcht einflößt. Der Gott Abrahams wird

»mein Gott«, der Gott, der mich begleitet, der Gott

meiner persönlichen Geschichte, der meine

Schritte lenkt, der mich nicht verlässt; der Gott

meiner Tage, der Gefährte meiner Abenteuer; der

Gott, der die Vorsehung ist. Ich frage mich, und ich

frage euch: Haben wir diese Gotteserfahrung?

»Mein Gott«; der Gott, der mich begleitet; der Gott

meiner persönlichen Geschichte; der Gott, der

meine Schritte lenkt; der mich nicht verlässt; der

Gott meiner Tage? Haben wir diese Erfahrung?

Denken wir darüber nach.

Diese Erfahrung Abrahams wird auch von ei-

nem der originellsten Texte der Geschichte der

Spiritualität bezeugt: dem Gedenkblatt von Blaise

Pascal. Es beginnt so: »Der Gott Abrahams, der

Gott Isaaks und der Gott Jakobs, nicht der Philo-

sophen und der Gelehrten. Gewissheit, Gewiss -

heit, Empfinden, Freude, Frieden. Der Gott Jesu

Christi.« Dieses Gedenkblatt, das auf einem klei-

nen Pergament geschrieben und nach seinem

Tod in ein Gewand des Philosophen eingenäht ge-

funden wurde, bringt keine intellektuelle Refle-

xion zum Ausdruck, die ein weiser Mann wie er

über Gott machen könnte, sondern das leben-

dige, selbsterfahrene Bewusstsein um seine

Gegenwart. Pascal notiert sogar den genauen

Augenblick, in dem er jene Wirklichkeit ver-

spürte, sie endlich gefunden hatte: am Abend des

23. November 1654. Es ist nicht der abstrakte

Gott oder der kosmische Gott, nein. Es ist der Gott

eines Menschen, eines Rufes, der Gott Abra-

hams, Isaaks, Jakobs; der Gott, der Gewissheit ist,

der Empfinden ist, der Freude ist.

»Das Gebet Abrahams äußert sich zunächst in

Taten: Er ist ein Mann des Schweigens; überall,

wo er sich niederlässt, errichtet er dem Herrn ei-

nen Altar« (Katechismus der Katholischen Kirche,

2570). Abraham erbaut keinen Tempel, sondern

übersät den Weg mit Steinen, die an das Vorüber-

gehen Gottes erinnern. Eines überraschenden

Gottes – wie damals, als er ihn in Gestalt von drei

Gästen besucht, die er und Sara mit Fürsorge auf-

nehmen und die ihnen die Geburt ihres Sohnes

Isaak verkündigen (vgl. Gen 18,1-15). Abraham

war 100 Jahre alt und seine Frau 90, in etwa. Und

sie glaubten, sie vertrauten Gott. Und Sara, seine

Frau, empfing einen Sohn. In dem Alter! Das ist

der Gott Abrahams, unser Gott, der uns begleitet.

So wird Abraham ein Vertrauter Gottes, der

auch in der Lage ist, mit ihm zu diskutieren, aber

immer im Glauben. Er spricht mit Gott, er disku-

tiert. Bis hin zur äußersten Prüfung, als Gott ihn

bittet, seinen eigenen Sohn Isaak, den Sohn sei-

nes Alters, den einzigen Erben, zu opfern. Hier er-

lebt Abraham den Glauben als Drama, als ein

Vorantasten durch die Nacht, unter einem Him-

mel, der diesmal ohne Sterne ist. Und oft ge-

schieht das auch uns: in der Dunkelheit zu wan-

deln, aber mit dem Glauben. Gott selbst wird die

Hand Abrahams aufhalten, die schon bereit ist,

zuzuschlagen, weil er seine wirklich völlige Be-

reitschaft gesehen hat (vgl. Gen 22,1-19).

Brüder und Schwestern, lernen wir von Abra-

ham, lernen wir, mit Glauben zu beten: auf den

Herrn hören, unterwegs sein, mit ihm sprechen

und sogar diskutieren. Haben wir keine Angst,

mit Gott zu diskutieren! Ich werde auch etwas sa-

gen, das eine Häresie zu sein scheint. Oft habe ich

Menschen gehört, die zu mir sagen: »Wissen Sie,

mir ist dieses und jenes passiert, und ich bin zor-

nig geworden auf Gott.« – »Du hattest den Mut,

zornig zu werden auf Gott?« – »Ja, ich bin zornig

geworden.« – »Das ist eine Form des Gebets.«

Denn nur ein Kind ist in der Lage, zornig zu wer-

den auf den Vater und ihm dann wieder zu begeg-

nen. Lernen wir von Abraham, mit Glauben zu

beten, zu sprechen, zu diskutieren, aber stets be-

reit, das Wort Gottes anzunehmen und in die Pra-

xis umzusetzen. Mit Gott lernen wir zu sprechen

wie ein Kind mit seinem Vater: ihn anhören, ant-

worten, diskutieren. Aber transparent, wie ein

Kind mit seinem Vater. So lehrt Abraham uns be-

ten. Danke.

(Orig. ital. in O.R. 4.6.2020)

L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache

Aus dem Vatikan

Generalaudienz am 3. Juni als Videostream aus der Bibliothek des Apostolischen Palastes

Von Abraham beten lernen

Raffael-Ausstellung in den »Scuderie« wird bis 30. August verlängert

Aus dem Dornröschenschlaf erwacht

»Raffael 1520 – 1483«, die

bedeutendste Ausstellung

Italiens im Jahr 2020 in den römi-

schen Scuderie (den ehemaligen

Stallungen) des Quirinals, ist bis

30. August verlängert worden. Nur

wenige Tage nach der Eröffnung

am 5. März hatte sie wegen

des Corona-Lockdowns geschlossen

werden müssen. Am 2. Juni wurde

sie aus dem Dornröschenschlaf ge-

weckt. Mit über 200 Ausstellungs-

werken, darunter Leihgaben aus 52

nationalen und internationalen Mu-

seen, ist sie im 500. Todesjahr des

Renaissance-Künstlers die größte

Raffael-Schau, die es je gegeben hat

(wir berichteten in Ausgabe 16/17

vom 17. April).

»Keiner der 52 Leihgeber, von

den Uffizien über den Louvre bis hin

zu den Nationalgalerien von London

und Washington sowie zur Royal

Collection der Queen, hat einen

Rückzieher gemacht«, teilte Präsi-

dent Mario de Simoni von den Scu-

derie mit. Während des Lockdown

sei die Ausstellung zur besseren

Konservierung der Meisterwerke

komplett verdunkelt worden. Jede

Woche hätten Restauratoren den Zu-

stand der Gemälde, Zeichnungen

und Manuskripte überprüft. Gleich-

zeitig habe man die letzten Wochen

erfolgreich mit 30 Versicherungsfir-

men verhandelt. Für die Rekord-

summe von vier Milliarden Euro

war die Ausstellung versichert ge-

wesen, jetzt sei ein Mehrpreis für

die Verlängerung bezahlt worden.

Zum Schutz von Besuchern und

Mitarbeitern des Ausstellungs -

gebäudes gelten strenge Corona-

Auflagen, die eine beträchtliche

Besuchereinschränkung zur Folge

haben werden. Nur nach Voranmel-

dung ist ein Besuch möglich. Die an-

gegebene Uhrzeit auf der Eintritts-

karte muss genau eingehalten wer-

den. Alle fünf Minuten werden

sechs Personen eingelassen, die sich

insgesamt höchstens 80 Minuten in

der Ausstellung aufhalten dürfen.

Sie werden jeweils von einem Mit-

arbeiter beim Rundgang begleitet.

Der Zwei-Meter-Abstand zwischen

den einzelnen Ausstellungsbesu-

chern ist auf dem Fußboden einge-

zeichnet. Es herrscht Maskenpflicht

und Desinfektionsmittel stehen be-

reit. Am Eingang wird mittels Ther-

moscanner die Körpertemperatur

der Besucher gemessen. Die Aus-

stellung ist täglich von 9 bis 22 Uhr

(letzter Einlass 20.30 Uhr) geöffnet.

Insgesamt rechnen die Scuderie

in den nächsten drei Monaten

mit höchstens 90.000 verkauften

Eintrittskarten.

Ohne Corona-Einschränkungen

wären voraussichtlich 400.000 Be-

sucher gekommen und darunter

sehr viele ausländische Touristen,

die in diesem Krisensommer in Ita-

lien in der Minderzahl sein werden.

Aber sollte das Interesse doch

größer ausfallen, dann will man

eventuell zusätzlich auch nachts öff-

nen. Scuderie-Präsident Mario De

Simone: »Moskau stellte die Sixtini-

sche Madonna von Raffael drei Mo-

nate lang Tag und Nacht aus, bevor

sie 1955 der Stadt Dresden zurück-

gegeben wurde.« Das könne für Raf-

fael in Rom wiederholt werden.

Christa Langen-Peduto

Adresse: Scuderie del Qurinale,

Rom, Via XXIV Maggio 16.

Voranmeldung und weitere or-

ganisatorische Einzelheiten unter

www.scuderiequirinale.it, über das

Callcenter 0039 02 92897722,

oder über Vivaticket-Verkaufsstel-

len.

Papst Franziskus

sehr besorgt über

Unruhen in den USA

Vatikanstadt. Papst Franziskus hat

sich am Mittwoch, 3. Juni, »sehr besorgt«

angesichts der seit Tagen anhaltenden Un-

ruhen in den Vereinigten Staaten geäußert.

Mit Blick auf den Tod des Schwarzen

George Floyd bei einem Polizeieinsatz in

Minneapolis am 25. Mai sagte er in seiner

Videoansprache zur wöchentlichen Gene-

ralaudienz: »Wir dürfen Rassismus weder

tolerieren noch dürfen wir die Augen da-

vor verschließen.« Zugleich betonte Fran-

ziskus in seinem Grußwort an die Pilger

englischer Sprache, dass »die Gewalt der

vergangenen Nächte selbstzerstörerisch

und kontraproduktiv« sei. »Durch Gewalt

wird nichts gewonnen, aber so vieles ver-

loren«, so der Papst. Er bete gemeinsam

mit der Kirche in den USA für Floyd und

alle Opfer der »Sünde des Rassismus«.

Vor dem Hintergrund der jüngsten ge-

waltsamen Ausschreitungen in mehreren

Städten rief der Papst die US-Amerikaner

zu »nationaler Versöhnung« auf. Nur so

könne der Frieden erlangt werden, nach

dem sich alle sehnten.

Wir können keine Art von Rassismus

oder Ausgrenzung tolerieren oder unsere

Augen davor verschließen. Zudem müssen

wir erkennen, dass Gewalt destruktiv und

selbst-schädigend ist. Mit Gewalt kann man

nichts gewinnen, aber viel verlieren. Beten

wir für Versöhnung und Frieden.

Tweet von Papst Franziskus

Page 3: Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am ... · 2 Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von Abraham ertönt. Eine Stimme,

12. Juni 2020 / Nummer 24/25 L’OSSERVATORE ROMANO

3

Wochenausgabe in deutscher Sprache

Aus dem Vatikan

Nächtliche Begegnung

mit dem Herrn

Vatikanstadt. In der Generalaudienz am

Mittwoch, 10. Juni, setzte Papst Franziskus die

Katechesenreihe über das Gebet fort. Ein Mitar-

beiter der deutschsprachigen Abteilung des

Staatssekretariats trug folgende Zusammenfas-

sung vor:

Liebe Brüder und Schwestern,

im Rahmen unserer Mittwochskatechesen

über das Gebet betrachten wir heute eine Epi-

sode aus dem Alten Testament: das Ringen des

Patriarchen Jakob mit Gott bei seiner Rückkehr in

das Land seiner Väter. Jakob war schlau und ge-

rissen; ein Mann, dem alles gelang. Weil er sich

das Erstgeburtsrecht erschlichen hatte, musste er

vor seinem Bruder Esau fliehen, doch im Ausland

gelangte er zu Reichtum und Ansehen. Bei seiner

Rückkehr kämpfte er des Nachts mit einem Un-

bekannten, der ihn schließlich segnete und ihm

einen neuen Namen gab: Israel, »Gottesstreiter«.

Jakob ging aus dem Kampf verändert hervor. Er

hinkte, und er war geläutert. Gott führte ihn zur

Wahrheit des Sterblichen zurück, der seine Gren-

zen erkennt und Furcht vor dem Höheren emp-

findet. So trat Jakob in das gelobte Land ein, ver-

letzlich und verwundet, aber mit einem neuen

Herzen. »Die geistliche Überlieferung der Kirche

hat in dieser Geschichte – so sagt der Katechis-

mus – ein Sinnbild des Gebetes gesehen, insofern

dieses ein Glaubenskampf und ein Sieg der Be-

harrlichkeit ist« (KKK 2573). Auch auf uns wartet

eine nächtliche Begegnung mit dem Herrn. Er

überrascht uns in einem Augenblick, in dem wir

es nicht erwarten. Dann wird uns bewusst, dass

wir bedürftige Menschen sind. Aber der Herr

schenkt seinen Segen allen, die sich von ihm ver-

ändern lassen.

Der Heilige Vater grüßte die deutschsprachi-

gen Pilger auf Italienisch. Anschließend wurde

folgende deutsche Übersetzung der Grüße vorge-

lesen:

Einen herzlichen Gruß richte ich an die Brü-

der und Schwestern deutscher Sprache. Warten

wir nicht darauf, dass die anderen sich ändern.

Machen wir selbst den ersten Schritt, um ihnen

zu begegnen, und der Herr wird gegenwärtig und

macht uns zu Zeugen seiner Güte. Gott ist unser

Licht und unser Heil!

Rosenkranz in den Vatikanischen Gärten zum Ende des Marienmonats Mai

Eifrig und einmütig im GebetVatikanstadt. Der Papst hat am Samstag -

nachmittag, 30. Mai, mit Gläubigen in aller Welt

den Rosenkranz angesichts der aktuellen Corona-

Pandemie gebetet. Das Ereignis, in das Wall-

fahrtsstätten aller Kontinente einbezogen waren,

wurde weltweit über Fernsehen und Internet

übertragen. Franziskus begab sich eigens zur

Lourdes-Grotte in den Vatikanischen Gärten, um

an dem Mariengebet teilzunehmen. Begleitet

wurde er von einigen Dutzend Personen, die –

mit ausreichend Sicherheitsabstand – hinter dem

Heiligen Vater Platz nahmen. Auch ein kleiner

Chor war zugegen.

Mit eindringlichen Worten wandte sich der

Papst an die Gottesmutter Maria mit der Bitte,

dass »diese harte Prüfung endet und dass ein Ho-

rizont der Hoffnung und des Friedens zurück-

kehrt«. Er bat um Erleuchtung für all jene, die an

einem Heilmittel gegen das Virus forschten: »Mö-

gen sie die richtigen Lösungen finden.« Die

Menschheit befinde sich in einer »dramatischen

Situation, voller Leiden und Ängste, die die ganze

Welt umhüllen«.

Die Andacht unter dem Motto »Eifrig und ein-

mütig im Gebet, zusammen mit Maria« wurde

von Männern und Frauen mitgestaltet, die

während der Pandemie Besonderes geleistet ha-

ben. Darunter etwa ein Priester, eine Kranken-

schwester und eine Journalistin. Sie traten ab-

wechselnd vor die Lourdes-Grotte, um den

Rosenkranz vorzubeten. An dem Gebet beteilig-

ten sich mehr als 50 Marienwallfahrtsstätten auf

der ganzen Welt, unter anderem Lourdes (Frank-

reich), Fatima (Portugal), Tschenstochau (Polen)

und Guadalupe (Mexiko).

»Für uns ist es eine große Freude und Ermuti-

gung, den Rosenkranz mit dem Heiligen Vater be-

ten zu können«, sagte Don Nicola Ventriglia, itali-

enischer Kaplan im französischen Lourdes. Man

habe eine große Leinwand aufgestellt, um dem

Gebet in den Vatikanischen Gärten folgen zu kön-

nen, so der Geistliche im Vorfeld der Aktion. Auch

der deutsche Wallfahrtsort Altötting in Bayern

zählte zu den Mitwirkenden. Er habe sich »spon-

tan« zur Teilnahme entschlossen, sagte Wallfahrts-

rektor Günther Mandl dem Portal »Vatican

News«. »Unter dem Schutzmantel Marias können

wir alle Krisen gut meistern«, betonte der Prälat.

Papst Franziskus hatte in den vergangenen

Wochen bereits mehrfach zu Gebetsaktionen ge-

gen das Coronavirus aufgerufen. Zuletzt betei-

ligte er sich am 14. Mai mit mehreren muslimi-

schen Gruppen an einer globalen Initiative.

Einheit und Vielheit sind

keine Gegensätze in der Ökumene

Vatikanstadt. Noch nach 60 Jahren öku-

menischen Dialogs zwischen dem Vatikan und

nichtkatholischen Kirchen und kirchlichen Ge-

meinschaften besteht laut Kurienkardinal Kurt

Koch »kein wirklich tragfähiger Konsens« über

die Form einer künftigen Einheit der Christen.

Nötig sei ein »klares Ziel«, das für die Einheit un-

abdingbar sei. Nur so ließen sich in der Ökumene

die nächsten Schritte gehen, erklärte der Schwei-

zer Kardinal am Freitag, 5. Juni, auf der Internet-

seite »Vatican News«. Die Vorgängereinrichtung

des von Koch geleiteten Päpstlichen Rats zur För-

derung der Einheit der Christen, das »Sekretariat

zur Förderung der Einheit der Christen« wurde

am 5. Juni 1960 unter dem Pontifikat des heiligen

Papstes Johannes XXIII. gegründet.

Die katholische Kirche könne als Universalkir-

che mit vielen Ortskirchen aufzeigen, »dass Ein-

heit und Vielheit auch in der Ökumene keine

Gegensätze darstellen, sondern sich wechselsei-

tig fördern«, sagte Koch. Umgekehrt könne die ka-

tholische Kirche von den Orthodoxen über die

Kollegialität der Bischöfe lernen. Als »ver-

heißungsvolle Initiative« bezeichnete der Kardi-

nal die Einladung von Papst Johannes Paul II.

(1978-2005) in der vor 25 Jahren veröffentlichten

Ökumene-Enzyklika Ut unum sint, gemeinsam

über die Ausübung der päpstlichen Vorrangstel-

lung nachzudenken.

In den einzelnen Diözesen trügen die Orts-

bischöfe die erste Verantwortung für die Einheit

der Christen, betonte Koch. Er sprach von einer

»Pflicht, an der ökumenischen Bewegung teilzu-

nehmen«. Ein im Herbst erscheinender Öku-

mene-Leitfaden solle den Bischöfen helfen, »ihre

ökumenische Verantwortung besser verstehen

und verwirklichen zu können«, sagte der oft als

vatikanischer »Ökumeneminister« bezeichnete

Kardinal. Mit Blick auf seine eigene zehnjährige

Tätigkeit an der Spitze des Einheitsrats sagte

Koch, er sei sich »bewusst, dass es nur einen Öku-

meneminister gibt, nämlich den Heiligen Geist«.

Vatikanstadt. Im Zusammenhang

mit einer Investment-Affäre in London hat

die vatikanische Justiz einen italienischen

Finanzmanager verhaftet. Wie das Presse-

amt des Heiligen Stuhls am Freitagabend,

5. Juni, mitteilte, werden dem Geschäfts-

mann mehrfache Erpressung, Veruntreu-

ung, schwerer Betrug und Geldwäsche

vorgeworfen. Nach einer Vernehmung im

Vatikan habe Staatsanwalt Gian Piero Mi-

lano Haftbefehl erlassen und sofort voll-

streckt. Bei einer Verurteilung drohen ihm

nach vatikanischem Recht bis zu zwölf

Jahre Freiheitsentzug.

******

Vatikanstadt. Um Arbeitern und klei-

nen Angestellten zu helfen, die von den

Pandemie-Folgen besonders stark betrof-

fen sind, will Papst Franziskus einen Hilfs-

fonds für die Diözese Rom einrichten. Der

Fonds »Jesus, der göttliche Arbeiter« werde

den Angaben der Dözese zufolge zunächst

mit einer Million Euro ausgestattet.

Kurz notiert

Vatikanstadt. Der Vatikan hat ein neues Regelwerk für die Vergabe

öffentlicher Aufträge auf den Weg gebracht. Ein entsprechendes Motu

proprio des Papstes wurde am Pfingstmontag, 1. Juni, veröffentlicht. Der

Erlass, der sich an gängigen modernen Standards orientiert, soll am 1. Juli

in Kraft treten. Mit dem aus rund 100 Artikeln bestehenden Gesetzestext

wird der Modus von Auftragsvergaben für Kurie, Vatikanstaat und andere

Einrichtungen des Heiligen Stuhls vereinheitlicht. Ziel ist die Schaffung

von mehr Transparenz, einer effizienteren Verwaltung und fairen Wettbe-

werbsbedingungen für Dienstleister und Auftragnehmer. Auch sind er-

weiterte Kontrollmöglichkeiten für die Justizbehörden vorgesehen.

Franziskus begründete die Maßnahmen mit der Möglichkeit »erhebli-

cher Kosteneinsparungen«. Vatikanische Entscheidungsträger müssten

bei Auftragsvergaben mit der »Sorgfalt eines Familienvaters« vorgehen,

mahnte der Papst. Die neuen Regeln orientierten sich an bewährten in-

ternationalen Vorgaben – etwa an der UN-Konvention gegen Korruption.

Zudem trügen sie den speziellen Gegebenheiten im Vatikan Rechnung.

Die Reform geschieht einerseits vor dem Hintergrund der aktuellen

Corona-Krise, die dem Vatikan Millionenverluste und zusätzliche Spar-

zwänge beschert hat. Andererseits bemüht sich der Papst bereits seit Jah-

ren, das vatikanische Wirtschafts- und Finanzwesen neu zu strukturieren

und effizienter zu gestalten. Im Sommer 2018 etwa hatte Franziskus öf-

fentlich einen Mentalitätswandel bei der Güterverwaltung angemahnt,

weil er die notwendige Transparenz vermisse.

Vatikanstadt. Die Vatikanbank IOR hat ihren Gewinn im Jahr 2019

gegenüber einem schlechteren Vorjahrsergebnis 2018 wieder deutlich

verbessert. Der Reingewinn von 38 Millionen Euro soll gemäß Vorgabe

des Papstes für Aufgaben des Vatikans verteilt werden, heißt es in der vom

»Institut für die Religiösen Werke« (IOR) am Montag, 8. Juni, veröffentlich-

ten Jahresbilanz 2019. 2018 betrug der Gewinn 17,5 Millionen Euro.

Laut dem Bericht verwaltet das IOR Einlagen von 5,1 Milliarden Euro

(2018: 5,0 Milliarden), darunter Einlagen nicht-vatikanischer Kunden in

Höhe von 3,4 Milliarden Euro. Das Eigenkapital des Instituts beträgt

630,3 Millionen Euro. Der vom Aufsichtsrat Ende April einstimmig ge-

nehmigten Bilanz habe auch der für das IOR zuständige Kardinalsrat zu-

gestimmt. Das IOR habe sich weiter konsolidiert und seine Anlagepolitik

konsequent an Kriterien der Katholischen Soziallehre ausgerichtet, so der

Aufsichtsratsvorsitzende Jean-Baptiste Douville de Franssu, im Bilanz-

Vorwort. Zusätzlich habe das Finanzinstitut seine IT modernisiert und

ausgebaut, um den Anforderungen des europäischen Zahlungsraums

SEPA (Single Euro Payments Area) zu genügen. Seit dem 1. Oktober 2019

ist das IOR in die SEPA eingebunden.

Hinsichtlich finanzieller Risiken ist das IOR den Angaben zufolge

gut abgesichert. Demnach beträgt die Liquiditätsdeckungsquote (LCR)

443 Prozent; die Mindesthöhe dieser international etablierten Kennzahl

zur Bewertung kurzfristiger Liquiditätsrisiken von Kreditinstituten be-

trägt 100 Prozent.

Neue Regeln für

Auftragsvergaben im Vatikan»Institut für die Religiösen Werke«

schließt 2019 mit höherem Gewinn ab

Liebe Leserinnen und Leser,

auch weiterhin wird die Arbeit der

Redaktion durch die Corona-Pandemie er-

schwert. Bitte haben Sie Verständnis,

wenn es zu Verzögerungen bei den Er-

scheinungsterminen, zu reduzierten Aus-

gaben oder außerplanmäßigen Doppel-

nummern kommen kann. Redaktion und

Verlag bedanken sich für Ihr Verständnis.

Papst beteiligt sich

an Benefizaktion

Vatikanstadt. Papst Franziskus beteiligt sich

an einer Benefizauktion für zwei norditalienische

Krankenhäuser. Wie das Portal »Vatican News«

berichtete, stellt er mehrere persönliche Gegen-

stände für die Versteigerung zur Verfügung.

Sie begann am 8. Juni auf der Internetplattform

charitystars.com. Geplant sind mehrere Aukti-

onsrunden bis 8. August. Franziskus spendet

dafür unter anderem ein Rennrad in den Farben

des Heiligen Stuhls und Argentiniens, das er vom

slowakischen Weltmeister Peter Sagan erhalten

hat. Der Erlös soll dem Personal zweier Kranken-

häuser in Brescia und Bergamo zugute kommen.

Zu den Organisatoren der Benefizaktion zählt

Kardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des Päpstli-

chen Rates für die Kultur. Beteiligt an der Initiative

unter dem Motto »We Run Together« sind zudem

der vatikanische Sportverein »Athletica Vati-

cana«, der Leichtathletikverband der Region La-

tium sowie die Sportabteilung der italienischen

Finanzpolizei.

Page 4: Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am ... · 2 Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von Abraham ertönt. Eine Stimme,

Privataudienzen

Der Papst empfing:

28. Mai:

– den Präfekten der Kongregation für die Glau-

benslehre, Kardinal Luis Francisco Ladaria

Ferrer;

– den Bischof von Teggiano-Policastro (Italien),

Antonio De Luca;

– den Generalsekretär der Italienischen Bischofs-

konferenz, Stefano Russo, emeritierter Bischof

von Fabriano-Matelica;

– den Botschafter von Honduras, Carlos Ávila

Molina, zu seinem Abschiedsbesuch;

29. Mai:

– den emeritierten Erzbischof von Lyon (Frank-

reich), Kardinal Philippe Barbarin, mit einer

Delegation der Gemeinschaft »Làzare«;

30. Mai:

– den Präfekten der Kongregation für die

Bischöfe, Kardinal Marc Ouellet;

– den Präfekten der Kongregation für die Evange-

lisierung der Völker, Kardinal Luis Antonio G.

Tagle;

6. Juni:

– den Präfekten der Kongregation für die

Bischöfe, Kardinal Marc Ouellet;

– den Vorsitzenden des Rats der europäischen

Bischofskonferenzen (CCEE), Kardinal Angelo

Bagnasco, Apostolischer Administrator der Erz-

diözese Genua;

– den Bürgermeister von Manresa (Spanien),

Herrn Valentí Junyent Torras, mit Gefolge;

8. Juni:

– den Präfekten der Kongregation für die Glau-

benslehre, Kardinal Luis Francisco Ladaria

Ferrer;

– den Erzpriester der Päpstlichen Basilika St. Pe-

ter im Vatikan und Generalvikar seiner Heiligkeit

für den Staat der Vatikanstadt, Kardinal Angelo

Comastri;

– den Erzbischof von Salerno-Campagna- Acerno

(Italien), Andrea Bellandi;

– den Präsidenten der Päpstlichen Akademie für

Theologie, Ignazio Sanna, emeritierter Erzbi-

schof von Oristano;

– den Präfekten des Dikasteriums für die Kom-

munikation, Dr. Paolo Ruffini.

Bischofskollegium

Ernennungen

Der Papst ernannte:

29. Mai:

– zum Metropolitan-Erzbischof von Ibagué (Ko-

lumbien): Orlando Roa Barbosa, bisher Bischof

von Espinal;

– zum Bischof der Diözese Barrancabermeja (Ko-

lumbien): Ovidio Giraldo Velásquez, vom Kle-

rus der Diözese La Dorada-Guaduas, bisher Na-

tionaldirektor des Netzes für Neuevangelisierung

(SINE);

30. Mai:

– zum Weihbischof in der Diözese Umuahia (Ni-

geria): Michael Kalu Ukpong, vom Klerus der

Diözese, bisher Kanzler der Diözese und Pfarrer

der »St. Theresa’s Parish«, mit Zuweisung des Ti-

tularsitzes Igilgili;

– zum Bischof der Diözese Nuestra Señora de la

Altagracia en Higüey (Dominikanische Republik):

Jesús Castro Marte, bisher Weihbischof in der

Erzdiözese Santo Domingo und Titularbischof

von Giufi;

31. Mai:

– zum Bischof der Diözese Niigata (Japan):

P. Paul Daisuke Narui SVD, bisher Sekretär für

Gerechtigkeit und Frieden im Generalat der Ge-

sellschaft des Göttlichen Wortes (Verbiten) in

Rom;

1. Juni:

– Der Papst hat die Diözese Mont-Laurier und die

Diözese Saint-Jérôme (Kanada) »in persona epis-

copi« vereint und den Bischof von Saint-Jérôme,

Raymond Poisson, auch zum Bischof von

Mont-Laurier ernannt;

– zum Bischof von Telsiai (Litauen): Algirdas Ju-

revicius, bisher Weihbischof in der Erzdiözese

Kaunas und Titularbischof von Materiana;

– zum Apostolischen Administrator »ad nutum

Sanctae Sedis« des Militärordinariats der Nieder-

lande: Everardus Johannes de Jong, Weihbi-

schof in der Diözese Roermond und Titularbi-

schof von Cariana;;

5. Juni:

– zum Weihbischof in der Metropolitan-Erzdiö-

zese La Plata (Argentinien): Jorge Esteban Gon-

zález, vom Klerus der Erzdiözese, bisher Rektor

der Kathedrale und stellvertretender Generalvi-

kar der Erzdiözese, mit Zuweisung des Titularsit-

zes Alesa;

6. Juni:

– zum Weihbischof in der Diözese San Cristóbal

de Las Casas (Mexiko): Luis Manuel López Al-

faro, bisher Generalvikar der Diözese, mit Zu-

weisung des Titularsitzes Garba;

8. Juni:

– zum Bischof von Astorga (Spanien): Jesús

Fernández González, bisher Weihbischof in

der Erzdiözese Santiago de Compostela und Titu-

larbischof von Rotdon;

9. Juni:

– zum Bischof von Beaumont (Vereinigte Staaten

von Amerika): David L. Toups, vom Klerus der

Diözese Saint Petersburg (Florida), bisher Rektor

des »Saint Vincent de Paul Regional Seminary« in

Boyton Beach;

– zum Bischof von San Luis (Argentinien): Ga-

briel Bernardo Barba, bisher Bischof von Gre-

gorio de Laferrere;

Errichtung von Kirchenbezirken

30. Mai:

Der Papst hat den Kirchenbezirk Pointe-Noire

(Republik Kongo) errichtet, indem er die Diözese

zum Metropolitansitz erhoben und ihr die Diöze-

sen Dolisie und Nkayi als Suffragandiözesen un-

terstellt hat.

Zum ersten Metropolitan-Erzbischof ernannte er

den bisherigen Bischof von Pointe-Noire, Miguel

Ángel Olaverri Arroniz.

Der Papst hat den Kirchenbezirk Owando (Repu-

blik Kongo) errichtet, indem er die Diözese zum

Metropolitansitz erhoben und ihr die Diözesen

Impfondo und Ouesso als Suffragandiözesen un-

terstellt hat.

Zum ersten Metropolitan-Erzbischof ernannte er

den bisherigen Bischof von Owando, Victor

Abagna Mossa.

Rücktritte

Der Papst nahm die Rücktrittsgesuche an:

29. Mai:

– von Bischof Camilo Fernando Castrellón

Pizano von der Leitung der Diözese Barranca-

bermeja (Kolumbien);

30. Mai:

– von Bischof Gregorio Nicanor Peña Rodrí-

guez von der Leitung der Diözese Nuestra

Señora de la Altagracia en Higüey (Dominikani-

sche Republik);

1. Juni:

– von Bischof Jozef Maria Punt von der Leitung

der Diözese Haarlem-Amsterdam (Niederlande);

– sein Nachfolger ist der bisherige Bischof-Koad-

jutor der Diözese, Johannes Willibrordus Ma-

ria Hendriks;

– von Bischof Jozef Maria Punt von seinem

Amt als Apostolischer Administrator »ad nutum

Sanctae Sedis« des Militärordinariats der Nieder-

lande;

6. Juni:

– von Bischof Jerome Dhas Varuvel von der

Leitung der Diözese Kuzhithurai (Indien);

9. Juni:

– von Bischof Curtis John Guillory von der Lei-

tung der Diözese Beaumont (Vereinigte Staaten

von Amerika);

– von Bischof Pedro Daniel Martínez Perea

von der Leitung der Diözese San Luis (Argenti-

nien).

Todesfälle

Am 25. Mai ist der emeritierte Apostolische

Vikar von Napo in Ecuador, Paolo Mietto, aus

der Kongregation des heiligen Josef, im Alter von

85 Jahren gestorben.

Am 26. Mai ist der emeritierte Bischof von

Benguela in Angola, Óscar Lino Lopes Fern-

andes Braga, im Alter von 88 Jahren gestorben.

Am 1. Juni ist der emeritierte Erzbischof von

Passo Fundo in Brasilien, Pedro Ercílio Simon,

im Alter von 78 Jahren gestorben.

Am 2. Juni ist der emeritierte Bischof von

Amiens in Frankreich, Jacques Noyer, im Alter

von 93 Jahren gestorben.

Ebenfalls am 2. Juni ist der emeritierte Bischof

von Alotau-Sideia in Papua Neuguinea, Des-

mond Charles Moore, aus dem Orden der Mis-

sionare des Heiligsten Herzens Jesu, im Alter von

94 Jahren gestorben.

Am 3. Juni ist der emeritierte Bischof von Pro-

priá in Brasilien, Mario Rino Sivieri, im Alter

von 78 Jahren gestorben.

Am 5. Juni ist der Bischof von Youngstown in

den Vereinigten Staaten von Amerika, George

Vance Murry, aus dem Jesuitenorden, im Alter

von 71 Jahren gestorben.

Ebenfalls am 5. Juni ist der emeritierte Bischof

von Kalamazoo in den Vereinigten Staaten von

Amerika, James Albert Murray, im Alter von

87 Jahren gestorben.

Am 6. Juni ist der ehemalige Weihbischof in

der Diözese Verona in Italien, Andrea Veggio,

Titularbischof von Velia, im Alter von 96 Jahren

gestorben.

Der Apostolische Stuhl

Apostolische Nuntiaturen

Der Papst ernannte:

1. Juni:

– zum Apostolischen Nuntius in der Russischen

Föderation: Giovanni d’Aniello, Titularerzbi-

schof von Paestum, bisher Apostolischer Nuntius

in Brasilien.

VATIKANISCHES BULLETIN

L’OSSERVATORE ROMANOWochenausgabe in deutscher Sprache

50. JahrgangHerausgeber: Apostolischer Stuhl

Verantwortlicher Direktor: Andrea MondaVizedirektor: Giuseppe Fiorentino

Redaktion

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12. Juni 2020 / Nummer 24/25

4

L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache

Aus dem Vatikan

Papst Franziskus hat an Pfingsten einen

von ihm gestifteten Krankenwagen geseg-

net, der speziell für Arme und Obdachlose

gedacht ist. Der Wagen sei auf dem neue-

sten technischen Stand und werde seinen

Dienst als Teil des vatikanischen Rettungs-

dienstes in den nächsten Tagen aufneh-

men, heißt es in der Mitteilung des Päpstli-

chen Almosenamtes vom 1. Juni.

*******

In einem Brief hat der Papst dem von

Jesuiten betriebenen Centro Astalli in Rom

für dessen Engagement in der Flüchtlings-

hilfe gedankt. In dem am 28. Mai veröf-

fentlichten Schreiben heißt es: »Möge Ihr

Beispiel ein neues Verlangen nach mehr

wahrhaftiger Willkommenskultur und So-

lidarität in der Gesellschaft entfachen.«

Franziskus lobte die Mitarbeiter des Zen-

trums für ihren Mut angesichts der Her-

ausforderung durch immer neue Migrati-

onsströme. Gerade in der jetzigen Zeit sei

es wichtig, entschlossen für das Recht auf

Asyl einzutreten.

*******

Bei der Päpstlichen Schweizergarde ha-

ben am 1. Juni fünf Männer die Sommer-

Rekrutenschule mit einer zweimonatigen

Grundausbildung begonnen. Die Neulinge

kommen aus den Kantonen Luzern, Bern,

Appenzell Ausserrhoden und Nidwalden.

In den ersten Wochen lernen sie ihren

Dienstbereich im Vatikan kennen, neh-

men an Italienischkursen teil und müssen

sich einem Gesundheitscheck unterzie-

hen. Im Herbst folgt gemeinsam mit wei-

teren Rekruten eine mehrwöchige Ausbil-

dung bei der Tessiner Kantonspolizei in

Isone.

*******

Die Vatikanischen Museen wollen

Ärzte und Pflegepersonal für ihren Einsatz

in der Corona-Krise belohnen. Wer einen

entsprechenden Ausweis vorlegt, kann

mit einer Begleitperson die Sammlungen

vom 8. bis 13. Juni kostenlos besichtigen.

Kunst und Medizin vereine ein höheres

Ziel: »die Sorge um den Menschen in sei-

ner Ganzheit«, heißt es in der Mitteilung.

Aus dem Vatikanin Kürze

Vatikanstadt. Der Vatikan erinnert

mit einer Gedenkmünze an Ludwig van

Beethoven, dessen 250. Geburtstag in die-

sem Jahr gefeiert wird. Daneben gibt es

neue Münzen mit dem Wappen von Papst

Franziskus sowie eine Münze zum 100. Ge-

burtstag des heiligen Johannes Paul II.

Erhältlich sein sollen die Münzen ab dem

23. Juni. Die Beethoven-Münze hat einen

Nominalwert von fünf Euro, während wei-

tere Sondermünzen das Thema Taufe be-

handeln und einen Nominalwert von zehn

Euro aufweisen.

Kurz notiert

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12. Juni 2020 / Nummer 24/25 L’OSSERVATORE ROMANO

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Die Einstellung der Päpste zum Tabak

erfuhr in der jüngeren Zeit eine Wende.

Von einer einstigen Förderung des

Rauchwerks kam es zu einem

umfassenden Rauchverbot und dem

Verbot des Verkaufes von Zigaretten

in der Vatikanstadt.

Von Ulrich Nersinger

Eine frühe Nachricht über den Gebrauch

des Tabaks findet sich in dem Bericht

eines Eremitenmönches, Frà Romano

Pane, an Papst Alexander VI. (Rodrigo Borgia,

1492-1503). Der Ordensmann war Christoph

Columbus auf seiner zweiten Reise von dem

Borgia-Papst mitgegeben worden. Auf der Insel

Hispaniola, dem heutigen Haiti, hatte Pane beob-

achtet, wie die indianischen Priester und Medi-

zinmänner den Tabak als Wundkraut benutzten.

Kardinal Prospero Publicola di Santa Croce

(1513-1589) war der Botschafter des Papstes am

portugiesischen Hof gewesen. Als er von seiner

diplomatischen Mission in Lissabon nach Rom

zurückkehrte, brachte er Tabaksamen als Ge-

schenk für Pius IV. (Gian Pietro Carafa, 1559-

1565) mit. Der Papst übergab das kostbare Pflanz-

gut den Zisterziensermönchen der Ewigen Stadt.

Für eine Reihe von Jahren verblieb das sonder-

bare Kraut in den Kräutergärten der Ordensleute

und diente ausschließlich als Heilmittel. Die

Pflanze, zunächst als »erba santa – heiliges Kraut«

bekannt, erhielt später den lateinischen Namen

»nicotiana rustica«, so benannt nach Jean Nicot,

dem französischen Botschafter in Portugal, der

zeitgleich mit dem Kardinal den Samen nach

Frankreich brachte.

Kirchliche Rauchverbote

Der erste Anbau von Tabak in den Päpstlichen

Staaten, der nicht ausschließlich zu medizini-

schen Zwecken geschah, fand in den Marken

statt, in Chiaravalle, einem Kloster des Zisterzien-

serordens. Die Mönche erzeugten aus den ge-

trockneten Blättern der Pflanze mit primitiven

Steinmühlen ein Pulver, aus dem Schnupftabak

gewonnen wurde. Nur wenige Jahre nachdem

Kardinal Prospero di Santa Croce die Tabak-

pflanze nach Italien gebracht hatte, sorgte ein an-

derer Purpurträger für einen weiteren Meilen-

stein in der Geschichte des Tabaks. Während

eines Empfangs bei dem römischen Fürsten Virgi-

nio Orsini wurde Kardinal Cesario vom Haus-

herrn ein Gegenstand gezeigt, den der Adelige

kurz zuvor in London erworben hatte. Das Objekt

– unter dem Name »Pfeife« bekannt – fand das In-

teresse des Geistlichen. Der Kardinal be geisterte

sich so sehr für die Möglichkeit, den Tabak auf

diese Weise zu genießen, dass er die Pfeife um das

Jahr 1590 am päpstlichen Hof einführte – von dort

aus fand sie Heimstatt und Verbreitung in Rom

und im ganzen Herrschaftsgebiet des Papstes.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts

wurde erstmals ein kirchliches Rauchverbot aus-

gesprochen; es betraf jedoch nur den Missbrauch

in einigen Gotteshäusern und wandte sich nicht

gegen das Rauchen generell. Papst Urban VIII.

(Maffeo Barberini, 1623-1644) erließ am 30. Ja-

nuar 1642 eine Bulle, die sich gegen bestimmte

Ausuferungen in spanischen Kirchen wandte.

Als der Papst die Strafe der Exkommunikation

nicht ausschloss, erntete er den Spott der Römer.

An der Statue des Pasquino war zu lesen: »Gegen

ein Blatt, das vom Winde fortgerissen wird, gehst

du mit Macht vor, und einen dürren Halm ver-

folgst du«. Der Spruch gefiel dem Papst und er ver-

sprach dem Verfasser großzügig fünfhundert

Scudi Belohnung. Pasquino antwortete: »Gib sie

dem Hiob.« Die Worte waren nämlich dem Buch

Hiob, Kapitel XIII, Vers 25, entnommen.

Die Bestimmungen der Bulle wurden nur in

Spanien durchgeführt – dort aber rigoros: In San-

tiago mauerte man im Jahre 1692 fünf Mönche

ein, weil sie sich während religiöser Zeremonien

wiederholt nicht an das päpstliche Rauchverbot

gehalten hatten. 1650 verfügte Innozenz X. (Gio-

vanni Battista Pamphilj, 1644-1655) ein Rauch-

und Schnupfverbot für Sankt Peter. Bei einem

Hochamt in der Basilika hatte der Papst beobach-

tet, wie sich sogar hochstehende Mitglieder sei-

nes Hofstaates mehr an der Konsumierung des

Tabaks erfreuten als an der feierlichen Liturgie.

Am 17. Oktober 1711 regelte dann Papst Kle-

mens XI. (Giovanni Francesco Albani, 1700-1721)

durch eine eigens erlassene Bulle den Verkauf

des Genussmittels durch die römischen Tabak-

händler. Das Rauchen und Schnupfen nahm in

der Öffentlichkeit wieder geordnetere Dimensio-

nen an. Benedikt XIII. (Pietro Francesco Orsini,

1724-1730) hob im Jahre 1725 alle kirchlichen

Zensuren auf, die auf den Tabakgenuss (oder viel-

mehr auf dessen Missbrauch) standen; er er-

laubte zudem den Klerikern den Gebrauch von

Tabak, ermahnte sie jedoch, »dabei keinen Anlass

zum Ärgernis zu geben« und untersagte es, »die

Tabakdose herumzureichen, während man im

Chor sitzt und die Gebete verrichtet«.

1740 entstand im römischen Stadtteil Traste-

vere eine Tabakmanufaktur. Für den Betrieb ihrer

hydraulischen Mühlen nutzte die manufattura

das Wasser der Acqua Paola beim Gianicolo. Be-

nedikt XIV. (Propero Lambertini, 1740-1758),

ein begeisterter Raucher und Schnupfer, schaffte

am 21. Dezember 1757 die Tabaksteuer ab. Von

diesem Zeitpunkt an waren für einige Jahrzehnte

die Aussaat, die Ernte und der Verkauf des Tabaks

auch Privatleuten möglich. In Rom selbst gab es

in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts drei

große staatliche Manufakturen: In Santa Maria

dell’Orto wurden leichte Zigarren hergestellt, im

Hospiz von San Michele schwere Zigarren und

im Konvent von S. Margerita Schnupftabak.

Im Jahre 1779 erteilte Papst Pius VI. (Giann -

angelo Braschi, 1775-1799) dem deutschen Kauf-

mann Peter Wendler die Konzession für eine Ta-

bakmanufaktur in Rom; in ihr wickelte man die

berühmten bastoni di tabacco (»Tabakstäbe«).

Eine Jahr später verfasste Wendler eine vielbeach-

tete Anleitung für die Kultivierung des Tabaks im

Kirchenstaat – die Istruzione per la coltivazione

del Tabacco nello Stato Pontificio. Während der

Okkupation des Kirchenstaates durch die Franzo-

sen schufen die Besatzer in der Ewigen Stadt die

Regia dei sali e tabacchi; sie erhielt ihren Sitz in

einem Ordenshaus, dem Convento S. Caterina a

Magnapoli. Im Jahre 1815, nach dem Sturz Napo-

leons, bestätigte Papst Pius VII. (Barnaba Chiara-

monti, 1800-1823) die Einrichtung und die Statu-

ten der Regia.

Jährliche Zigarrenspende

Um das Jahr 1830 wurden in Cori bei Rom die

Hersteller des Moro di Cori verpflichtet, die Blät-

ter als Schnupftabak an die Würdenträger des

päpstlichen Hofs zu verkaufen; 1831 führte Gre-

gor XVI. (Bartolomo Alberto Cappellari, 1831-

1846) die Kultivierung dieses Tabaks in ein Staats-

monopol über. 1850 begann man in der

päpstlichen Legation von Umbrien mit dem An-

bau des Kentucky; Versuche, dort auch die Brasil

und andere Sorten zu kultivieren, führten zu eher

unbefriedigenden Ergebnissen.

1851 erließ Kardinalstaatssekretär Giacomo

Antonelli im Namen Pius’ IX. (Giovanni Maria

Mastai Ferretti, 1846-1878) die Verordnung, den

Tabakkonsum im Herrschaftsgebiet des Papstes

nicht zu behindern. 1852 später wurde in den

Päpstlichen Staaten eine Aktiengesellschaft der

»Regia del tabacco« gegründet; die Leitung war ei-

nem Beamten der Kurie anvertraut worden, der

als Gestore die Geschäfte des Unternehmens

führte. Die päpstliche Regierung hielt 65% der

Aktienanteile der Gesellschaft. Jahre später ver-

fügte Pius IX. den Bau einer neuen großen Tabak-

manufaktur in der Ewigen Stadt; noch heute die-

nen deren Baulichkeiten der Generaldirektion

der »Autonomen Verwaltung der italienischen

Staatsmonopole«.

Die Vorliebe Pius’ IX. für den Schnupftabak

war allerorts bekannt, ebenso die seines Nachfol-

gers Leo XIII. (Gioacchino Pecci, 1878-1903) Die

Leidenschaft des Pecci-Papstes für dieses Genuss -

mittel wurde sogar in der Weltliteratur verewigt.

In seinem Roman Rome berichtete Emile Zola,

dass die Soutane, die der Papst trug, sich voll brau-

nen Schmutzes zeigte, der längs der Knöpfe her-

untergerieselt war; auf dem Schoße habe er ein

großes Schnupftuch gehabt. Pius X. (Giuseppe

Sarto, 1903-1914) trug Sorge dafür, dass es seinen

Mitarbeitern und Besuchern nicht am Tabakge-

nuss mangelte. Zu bestimmten Anlässen ließ er

ihn den Bediensteten seines Hofstaates als Grati-

fikation zukommen. Bei einem seiner Spazier-

gänge durch den Apostolischen Palast, der ihn am

Quartier der Nobelgarde vorbeiführte, bemerkte

er, wie aus diesem ein feiner Tabakgeruch her-

ausdrang. Von diesem Tage an konnten sich die

aristokratischen Leibwächter des Heiligen Vaters

an einer alljährlichen päpstlichen Zigarrenspende

erfreuen.

Über das Verhältnis Papst Benedikts XV. (Gia-

como della Chiesa, 1914-1922) zum Tabak ist

recht wenig bekannt. Pius XI. (Achille Ratti, 1922-

1939) wusste eine gute Zigarre zu schätzen, er

bevorzugte vor allem toskanische; er rauchte sie

zumeist nach den Mahlzeiten. Pius XII. (Eugenio

Pacelli, 1939-1958) nahm viele Jahre Schnupfta-

bak zu sich, bis er bedingt durch eine schwere

Lungenentzündung darauf verzichten musste.

Von Johannes XXIII. (Giuseppe Angelo Roncalli,

1958-1963) ist bekannt, dass er Zigaretten konsu-

mierte. Auch der ansonsten eher asketische Papst

Paul VI. (Giovanni Battista Montini, 1963-1978)

rauchte. Der Montini-Papst bot bei Staatsbesu-

chen den Gästen während der Gespräche in sei-

ner Privatbibliothek Rauchwaren an.

Papst Johannes Paul II. (Karol Wojtyla, 1978-

2005) galt als Nichtraucher – was möglicher-

weise eine drastische Verordnung vom 1. Juli

2002 ein wenig verständlich macht. An diesem

Tag trat durch ein von der Päpstlichen Kommis-

sion für den Staat der Vatikanstadt erlassenes Ge-

setz ein umfassendes Rauchverbot für den Kir-

chenstaat in Kraft; es gilt auch für vatikanische

Dienstfahrzeuge und die exterritorialen Besitzun-

gen des Heiligen Stuhls. Die Gendarmerie des Va-

tikans wurde damit beauftragt, die Einhaltung

des Verbotes zu überwachen. Begründet wurde

das Gesetz mit einem neuen Gesundheitsbe -

wusstsein und der Vermeidung eines Suchtver-

haltens.

Mit dem Datum vom 1. Januar 2018 ging Papst

Franziskus noch einen Schritt weiter. Er verfügte,

dass im Vatikan keine Zigaretten mehr verkauft

werden dürfen.

Wochenausgabe in deutscher Sprache

Kultur

Die Päpsteund der Tabak

Kurioses ausder Geschichte

des Kirchenstaates

Zeichnung der Tabakpflanze »Nicotiana

tabacum« aus einem botanischen Atlas,

um 1880 (oben);

Münze aus dem Pontifikat von Pius IX.:

auf der Rückseite ist die Fassade der im Jahr

1740 errichteten Tabakmanufaktur in Rom

abgebildet (oben links);

das Gebäude der ehemaligen Manufaktur im

heutigen Stadtteil Trastevere (links).

Tabakdose von Leo XIII. (ganz unten links).

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12. Juni 2020 / Nummer 24/25 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache

6 Kirche in der Welt

Von Roberto Cetera

Es gibt in Rom kein internationaleres Le-

bensumfeld als das der Päpstlichen Uni-

versitäten. Jedes Jahr kommen aus den

Diözesen aller Welt Hunderte junger Kleriker und

Laien in die Ewige Stadt, um ein akademisches

Studium zu beginnen, vor allem im theologischen

Bereich, aber nicht nur. Sehr oft handelt es sich

um Studiengänge des zweiten und dritten Zyklus

(Lizenz und Promotion), aber nicht selten erwer-

ben Studenten auch das Bakkalaureat an den rö-

mischen Hochschulen und wohnen dann in den

verschiedenen Kollegien ihrer Herkunftsländer.

Der plötzliche Ausbruch der Pandemie hat das

Leben dieser Einrichtungen stark erschüttert. Als

der Lockdown verhängt wurde, lagen die Prüfun-

gen des Wintersemesters einige Wochen zurück,

und die Vorlesungen des zweiten Semesters hat-

ten gerade begonnen. Wie haben die katholi-

schen Hochschulen darauf reagiert? Und wie

blicken sie vor allem in die Zukunft, wie bereiten

sie sich auf das kommende Studienjahr vor?

»Ich würde sagen, dass die Reaktion in allen

Einrichtungen rasch und positiv vonstattenging«,

erläutert Mauro Mantovani, Rektor der Päpstli-

chen Universität der Salesianer. Er ist Präsident

der Cruipro (Konferenz der Rektoren der Päpstli-

chen Universitäten und Institute in Rom), die

22 akademische Einrichtungen, darunter neun

Hochschulen, koordiniert. Und es ist von großer

Bedeutung, dass diese positive Bilanz ausgerech-

net vom Rektor jener Universität kommt, die vom

Virus am stärksten betroffen ist: 62 Infizierte, ei-

nige wurden ins Krankenhaus eingeliefert, der

Ökonom P. Gregorio Jaskot ist verstorben. Aus

den Worten des Rektors geht jedoch deutlich her-

vor, dass der Schmerz über den Verlust eines

wertvollen Mitbruders keineswegs den Willen

auslöscht, sobald wie möglich zur Mission

zurückzukehren, die den Geist der Universität

ausmacht.

Digitale Unterrichtsformen

»Wir haben sofort mit dem Fernunterricht

begonnen, wobei uns die Tatsache zu Hilfe kam,

dass wir bereits seit einiger Zeit digitale Unter-

richtsformen erprobt hatten. Außerdem ist

unsere Hochschule unter anderem für den Studi-

engang in Kommunikationswissenschaften be-

kannt. Natürlich ist uns völlig klar, dass auch die

beste Technologie nie den Wert der unmittelba-

ren pädagogischen Beziehung ersetzen kann,

wie das die kürzlich, am 7. Mai, veröffentlichten

Weisungen der Kongregation für das katholische

Bildungswesen erläutert haben. Sie werden ver-

stehen, dass der Unterschied zwischen reinem

Lernen und einem pädagogischen Prozess bei

uns Söhnen von Don Bosco in die DNA einge-

schrieben ist. Bekanntlich bieten wir auch ›welt-

liche‹ Studiengänge an, in Psychologie, Pädago-

gik, Kommunikationswissenschaften. Daher sind

unter unseren Studenten auch zahlreiche Laien.

In der Osterzeit haben wir an alle unsere Stu-

denten einen Fragebogen verteilt, um ihre An-

passungsfähigkeit an diese ungewöhnlichen

Lernbedingungen zu überprüfen, und ich muss

sagen, dass die Ergebnisse sehr ermutigend wa-

ren. Unsere Psychologische Fakultät zählt tradi-

tionell zu den renommiertesten in Italien. Daher

haben wir auch einen psychologischen Hilfs-

dienst für unsere Studenten und ihre Familien

eingerichtet, denn die Situation ist ja auch psy-

chologisch schwierig.

Was das kommende Studienjahr betrifft, so

haben wir das Vorlesungsverzeichnis bereits fer-

tig. Es steht in voller Kontinuität zu den Vorjah-

ren. Wir rechnen bei unserer Planung damit, dass

der Unterricht als Präsenzveranstaltung stattfin-

den kann. Sollte dies jedoch nicht möglich sein,

dann werden wir im Zeichen der Flexibilität on-

line arbeiten, wobei uns die Erfahrung der letzten

Monate zugutekommt. Und falls es Studenten ge-

ben sollte, die im Oktober noch nicht in Rom an-

wesend sein können, werden wir sie mit Sicher-

heit annehmen: Sie können dem Unterricht über

Video folgen. Ganz sicher werden wir nieman-

den im Stich lassen. Die einzige wirkliche Sorge

sind gegenwärtig die Visa und Einreisegenehmi-

gungen für Studenten aus Ländern, die nicht der

Europäischen Union angehören. Wir hoffen, dass

es von Seiten der Regierung eine besondere Sen-

sibilität für diesen Aspekt geben wird. Aber ich

möchte noch einmal wiederholen, dass Studen-

ten, die vielleicht im Oktober noch nicht kom-

men können, nicht abgehängt werden. Ein

Punkt, den ich als Präsident der Rektorenkonfe-

renz unbedingt betonen möchte, ist die Tatsache,

dass sich bei dieser Gelegenheit eine stärkere Zu-

sammenarbeit zwischen allen Päpstlichen Hoch-

schulen in Rom herausgebildet hat als je zuvor.

Und das ist ein Reichtum, der nicht verlorenge-

hen wird.«

»Ich danke dem L’Osservatore Romano, dass

er uns diese Gelegenheit gibt, eine Botschaft an

alle seine Leser zu richten, besonders an die

Bischöfe und die Höheren Oberen: Habt keine

Angst, im kommenden Jahr wie gewohnt Pries -

ter, Seminaristen, Novizen und Laien nach Rom

zu senden. Ihre gesundheitliche Sicherheit und

das gewohnte hohe Studienniveau, das alle un-

sere Universitäten bieten, werden gewährleistet

sein.«

»An der Gregoriana ist die Situation nicht sehr

viel anders, mit Ausnahme der höheren Zahl aus-

ländischer Studenten, von denen die meisten in

den Nationalkollegien wohnen, insgesamt fast 75

Prozent unserer 2.800 Studenten«, so P. Mark A.

Lewis, Vizerektor der renommierten Studienein-

richtung. »Viele sind jedoch beim Ausbruch der

Pandemie in ihre Heimatländer zurückgekehrt.«

Und er fügt hinzu: »Als Ende Februar die Si-

tuation ernst zu werden begann, haben wir uns

drei Ziele gesetzt: höchste Aufmerksamkeit und

Fürsorge für die Gesundheit unserer Mitarbeiter

und Studenten; sofortige Aufnahme des Fernun-

terrichts sowie elektronische Weiterleitung aller

Unterrichtsmaterialien, die zur Fortsetzung des

Studiums notwendig sind; das Bemühen, keine

Veränderungen am Studienkalender vorzuneh-

men und auch die Termine der Abschluss- und

Einzelprüfungen einzuhalten, sei es online oder

bei persönlicher Präsenz. Wir haben versucht,

möglichst viel Material zu digitalisieren, um die

Unmöglichkeit, die Bibliothek zu benutzen, aus-

zugleichen. Unsere Bibliothek besteht aus etwa

einer halben Million Bücher. Unsere drei Lese-

säle werden am 18. Mai wieder geöffnet, wobei

die Zahl der Plätze auf ein Drittel reduziert wer-

den wird, also auf 75 Plätze, die online reserviert

werden können. Das ist eine große Hilfe für un-

sere Doktoranden.«

Logistik der Hörsäle

»Insgesamt sind wir mit unserer Reaktions-

fähigkeit zufrieden«, so P. Mark weiter. »Auch die

Planung für das nächste Jahr geht gut voran: Wir

haben die Eröffnung des Studienjahres für den

5. Oktober bestätigt, und wir sind gut vorbereitet,

um mit einem gemischten System aus Präsenz-

und Online-Unterricht weiterzumachen. Wir ha-

ben die Logistik der Hörsäle geändert, um die

soziale Distanzierung zu gewährleisten. Und

wir zeichnen gerade den propädeutischen Italie-

nischunterricht für die Studienanfänger auf, da-

mit diese bereits Grundkenntnisse haben, wenn

sie mit den Vorlesungen beginnen, vor allem

dann, wenn sie aufgrund von Visaproblemen ver-

spätet in Rom ankommen sollten. Wir koordinie-

ren die Arbeit mit den wichtigsten nationalen

Kollegien, wo gewöhnlich die meisten unserer

Studenten wohnen. Die Gebühren bleiben

gleich, und wir hoffen, dass in der weltweiten

wirtschaftlichen Unsicherheit die Studienstipen-

dien nicht zurückgehen.«

Der Rektor der Gregoriana, P. Nuno da Silva

Gonçalves, hat keine Zweifel: »Wir werden mit Si-

cherheit gut vorbereitet sein, um sowohl unsere

Studenten, die sich in Rom befinden, als auch jene,

die aufgrund von Ausreiseschwierigkeiten oder

Visaproblemen nicht nach Rom gelangen können,

aufzunehmen und zu begleiten. Wir werden nie-

manden zurücklassen oder alleinlassen.«

In der wunderschönen Kulisse des Aventin

steht die Päpstliche Hochschule Sant’Anselmo

wie eine Festung, die von einem großen Teil des

historischen Stadtkerns von Rom aus zu sehen ist.

Professor Bernhard Eckerstorfer, ein österreichi-

scher Benediktinermönch, ist der Rektor der

Hochschule »Anselmianum«, die neben der Theo-

logischen und der Philosophischen Fakultät

berühmt ist für das Päpstliche Liturgische Institut

sowie für das Institut für monastische Spiritua-

lität. Trotz seiner sichtbaren konstruktiven Ener-

gie kann er ein verhaltenes Staunen über die Er-

eignisse nicht verbergen: »Verstehen Sie? Ich bin

am 16. Dezember letzten Jahres zum Rektor die-

ser Hochschule ernannt worden, voller Pläne und

mit neuen Ideen im Kopf. Ich hatte gerade mal ein

paar Wochen, um mich umzusehen und die Pro-

fessoren kennenzulernen, da kommt diese Pan-

demie über uns! Ich kann Ihnen jedoch versi-

chern, das keines der Projekte zur Weiter-

entwicklung der Hochschule, die wir im Hinter-

kopf haben, beiseitegelegt werden wird.« »Auch

wenn Sant’Anselmo die Päpstliche Universität

mit der größten Zahl ausländischer Studenten in

Rom ist, so bin ich doch recht zuversichtlich, dass

wir keine Absagen haben werden. Unsere Ein-

richtung ist Hochschule und Kolleg zugleich; wir

beherbergen im monastischen Lebensstil etwa

120 von fast 700 Studenten. Wissen Sie, ich bin

sehr stolz: Keiner unserer Studenten hat das Kol-

leg aufgrund des Coronavirus verlassen! Und

zwar aufgrund unserer Besonderheit: der monas -

tischen ›stabilitas‹. Sie ist unter diesen Umständen

nicht nur ein geistlicher Lebensstil, sondern auch

eine Garantie für die Sicherheit im Hinblick auf

die Gesundheit. Niemand verlässt die Abtei,

außer wenn es absolut notwendig ist, und den-

noch ist ein zufriedenstellendes und anregendes

Lebensumfeld gewährleistet.

Ja, wir haben jetzt sogar Anfragen für das

kommende Jahr, die gerade durch den Aufenthalt

im Kolleg bedingt sind. Bischöfe, Äbte und Obere

sind beruhigter, wenn sie wissen, dass ihre Stu-

denten in einem geschützten Studienumfeld blei-

ben, das keine Ortswechsel erfordert. Im Übrigen

gibt es, wie Sie wissen, in 15 Jahrhunderten des

benediktinischen Mönchtums viele Geschichten

von Abteien und Klöstern, die wunderbaren

Schutz gegen Epidemien und die Pest geboten ha-

ben. Konkret haben wir sofort online zu arbeiten

begonnen, wobei uns die Tatsache geholfen hat,

dass wir bereits seit einigen Jahren Onlineunter-

richt auf unserer Plattform angeboten haben. Wir

setzen auch sehr auf asynchrone Vorlesungen:

Wenn Studenten nicht nach Rom kommen kön-

nen, können sie doch wenigstens dem Unterricht

folgen, unabhängig von der Zeitverschiebung.

Dafür investieren wir gerade 7.000 Euro in jeden

Vorlesungssaal, um ihn mit Kameras und techni-

schen Geräten auszustatten, die dazu geeignet

sind, die Vorlesungen aufzuzeichnen und zu

übertragen. Unter Berücksichtigung des Copy-

rights versuchen wir auch, möglichst viele Texte

aus unserer Bibliothek – einer Schatzkiste einzig-

artiger liturgischer und monastischer Materialien

– zu digitalisieren. Ich glaube, dass wir am Ende

dieser Pandemie stärker sein werden als vorher.

Ich denke vor allem an zwei Aspekte: Die Multi-

medialität wird es uns endlich gestatten, die theo-

logische Kultur auch in die Klausurklöster der hal-

ben Welt zu bringen, und außerdem können die

Vorlesungen durch sie anregender gestaltet wer-

den, durch Beiträge von Fachleuten von außen

und »digitale Gastprofessoren«. Und sagen Sie

mir: Wie kann man darauf verzichten, Theologie

in Rom zu studieren? Es ist eine einzigartige, un-

verzichtbare Erfahrung im Leben!

Wenn man auf Rom nicht verzichten kann,

kann man auf Jerusalem erst recht nicht verzich-

ten. P. Alessandro Coniglio OFM ist Professor und

Sekretär des »Studium Biblicum Franciscanum«

(SBF) der Heiligen Stadt, das der Päpstlichen Uni-

versität »Antonianum« in Rom angeschlossen ist.

»Wir sind eine sehr spezialisierte Einrichtung mit

kleinen Zahlen, in der wir nur Studiengänge des

zweiten und dritten Zyklus anbieten. Auch wir

führen seit März nur Online-Unterricht durch,

und drei Lizenzarbeiten wurden bereits in dieser

Form verteidigt. Die Auswirkungen der Pande-

mie waren in Israel nicht so dramatisch wie in der

restlichen Welt, und das Land öffnet sich bereits

wieder. Wir sind zuversichtlich, dass auch wir

bald wieder die Arbeit aufnehmen können, denn

die Präsenz ist für uns wesentlich: Unser Plus-

punkt ist das Studium mitten im Lebensumfeld

des Heiligen Landes.« Von Rom bis Jerusalem er-

geht dieselbe Botschaft vor allem an die Bischöfe:

»Wir sind bereit. Es geht wieder los. Habt keine

Angst, eure Studenten zu schicken. Gewiss mit

Flexibilität, was die Mittel betrifft, aber mit der

gewohnten Qualität und Leidenschaft.«

(Orig. ital. in O.R. 13.5.2020)

An den Päpstlichen Universitäten ist alles bereit für das neue Studienjahr

Die Päpstliche Uni-

versität Gregoriana

wurde 1551 von

Ignatius von Loyola

gegründet. Normaler-

weise studieren hier

mehr als 4000

Studenten aus über

80 verschiedenen

Ländern.

Die Päpstliche Hochschule der Salesianer ist für den Studiengang

Kommunikationswissenschaften bekannt.

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»Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber

nur den einen Geist« (1 Kor 12,4), schreibt der

Apostel Paulus an die Korinther. Und er fährt

fort: »Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den

einen Herrn; es gibt verschiedene Kräfte, die wir-

ken, aber nur den einen Gott« (V. 5-6). Die Ver-

schiedenen – der Eine: Paulus legt Wert auf die

Verbindung dieser scheinbar widersprüchlichen

Worte. Er will uns sagen, dass der Heilige Geist

dieser Eine ist, der die Verschiedenen zusammen-

bringt, und dass die Kirche so geboren wird: Wir,

die Verschiedenen, werden durch den Heiligen

Geist geeint.

Begeben wir uns also an den Anfang der Kir-

che, zum Pfingsttag. Schauen wir uns die Apostel

an. Unter ihnen gibt es einfache Leute, die, wie

etwa die Fischer, gewohnt sind, von ihrer Hände

Arbeit zu leben; da ist aber auch Matthäus, der

ein gebildeter Steuereinnehmer war. Sie kom-

men aus unterschiedlichen sozialen Verhältnis-

sen, sie haben jüdische und griechische Namen,

sanfte und feurige Charaktere, unterschiedliche

Sichtweisen und Empfindungen. Alle waren sie

verschieden. Jesus hatte sie nicht verändert, er

hatte sie nicht vereinheitlicht und zu »Serienmo-

dellen« gemacht. Nein. Er ließ ihre Unterschiede

bestehen und nun vereint er sie, indem er sie mit

dem Heiligen Geist salbt. Die Vereinigung – die

Einheit dieser Verschiedenen – kommt mit der

Salbung. An Pfingsten erkennen die Apostel die

einheitsstiftende Kraft des Geistes. Mit eigenen

Augen sehen sie, dass alle, obwohl sie unter-

schiedliche Sprachen sprechen, ein einziges Volk

bilden, das Volk Gottes, das geformt ist vom Hei-

ligen Geist, der aus unseren Unterschieden eine

Einheit webt und alles in Einklang bringt, weil im

Heiligen Geist Einklang ist. Er ist der Einklang.

Kommen wir nun zu uns, zur Kirche von

heute. Wir können uns fragen: »Was verbindet

uns, worauf gründet unsere Einheit?« Auch bei

uns gibt es Unterschiede, zum Beispiel in den

Meinungen, in den Entscheidungen, im Empfin-

den. Aber die Versuchung besteht immer darin,

dass wir unsere eigenen Ideen »bis aufs Messer«

verteidigen, dass wir glauben, diese seien gut für

alle und dass wir nur mit denen zurechtkommen,

die so denken wie wir. Und das ist eine schlimme

Versuchung, die Spaltung bringt. Aber dies ist ein

Glaube nach unserer Fasson, es ist nicht das, was

der Geist will. Man könnte freilich auch meinen,

dass unsere Einheit darin besteht, dass wir das

Gleiche glauben und die gleichen Verhaltenswei-

sen praktizieren. Aber da ist noch viel mehr. Un-

ser Prinzip der Einheit ist der Heilige Geist. Er er-

innert uns daran, dass wir zuallererst Gottes ge-

liebte Kinder sind. Darin sind wir alle gleich und

alle verschieden. Der Geist kommt zu uns, mit all

unseren Unterschieden und Nöten, um uns zu

sagen, dass wir einen einzigen Herrn, nämlich Je-

sus, und einen einzigen Vater haben und dass wir

deshalb Brüder und Schwestern sind! Lasst uns

von diesen Überlegungen her noch einmal auf die

Kirche schauen, und zwar so, wie der Heilige

Geist und nicht wie die Welt sie betrachtet. Aus

weltlicher Sicht gehören wir der Rechten oder der

Linken an, mit dieser oder jener Ideologie; für den

Geist gehören wir zum Vater und zu Jesus. Die

Welt sieht Konservative und Progressive; der

Geist sieht Kinder Gottes. Ein weltlicher Blick

sieht Strukturen, die ef-

fizienter gestaltet wer-

den müssten; ein geist-

licher Blick sieht Brüder

und Schwestern, die

um Erbarmen betteln.

Der Geist liebt uns und

kennt den Platz eines je-

den im großen Ganzen.

Für ihn sind wir keine im Wind treibenden Kon-

fettischnipsel, sondern unersetzliche Steinchen

seines Mosaiks.

Kehren wir zum Pfingsttag zurück und ent-

decken wir das erste Werk der Kirche: die Ver-

kündigung. Dabei sehen wir aber auch, dass sich

die Apostel keine Strategie überlegen. Als sie dort

hinter verschlossenen Türen im Abendmahlssaal

waren, da überlegten sie sich keine Strategie,

nein, da erstellen sie auch keinen Pastoralplan.

Sie hätten die Menschen nach den verschiede-

nen Volkszugehörigkeiten in Gruppen aufteilen

können, sie hätten sich zuerst an die Nahen und

dann an die weiter Entfernten wenden können,

ganz geordnet… Sie hätten mit der Verkündi-

gung auch noch eine Weile warten können, um

die Lehre Jesu erst einmal zu vertiefen, und so ge-

wisse Risiken zu vermeiden… Nein, das konnten

sie nicht. Der Geist will nicht, dass die Erinne-

rung an den Meister in geschlossenen Gruppen

gepflegt wird, in Kreisen, in denen man sich

gerne »sein Nest baut«. Und dies ist eine

schlimme Krankheit, die die Kirche befallen

kann, dass die Kirche nicht Gemeinschaft, nicht

Familie, nicht Mutter, sondern ein Nest ist. Er öff-

net, er erhöht, er drängt über das bereits Gesagte

und Getane, er drängt über die Einfriedungen ei-

nes schüchternen und zurückhaltenden Glau-

bens hinaus. In der Welt kommt man ohne ein

kompaktes Arrangement und eine ausgeklügelte

Strategie nicht weit. In der Kirche hingegen ga-

rantiert der Geist denen Einheit, die verkündigen.

Und so machen sich die Apostel unvorbereitet auf

den Weg, sie setzen einiges aufs Spiel, sie gehen

hinaus. Ein einziger Wunsch beseelt sie: das wei-

terzugeben, was sie erhalten haben. Am Anfang

des Ersten Johannesbriefes heißt es sehr schön:

»Das, was wir empfangen und gesehen haben,

das geben wir weiter an euch« (vgl. 1,3).

Und so verstehen wir schließlich, was das Ge-

heimnis der Einheit, was das Geheimnis des Hei-

ligen Geistes ist. Das Geheimnis der Einheit in der

Kirche, das Geheimnis des Heiligen Geistes ist die

Hingabe. Weil er ganz Gabe ist, lebt er, indem er

sich selbst gibt, und auf diese Weise hält er uns zu-

sammen und lässt uns teilhaben an eben dieser

Gabe. Es ist wichtig, daran zu glauben, dass Gott

ganz Gabe ist, dass er nicht nimmt, sondern gibt.

Warum ist das wichtig? Weil es von unserer Got -

tesvorstellung abhängt, auf welche Weise wir un-

seren Glauben leben. Wenn wir einen Gott im

Sinn haben, der sich alles nimmt, der sich auf-

drängt, dann möchten auch wir uns alles nehmen

und uns aufdrängen: Räume besetzen, Bedeu-

tung beanspruchen, nach Macht streben. Aber

wenn wir Gott als Gabe in unseren Herzen

spüren, ändert sich alles. Wenn uns bewusst

wird, dass das, was wir sind, sein Geschenk ist,

seine freie und unverdiente Gabe, dann werden

auch wir dieses Leben zu einem Geschenk ma-

chen wollen. Und indem wir demütig lieben und

unentgeltlich und freudig dienen, werden wir der

Welt das wahre Bild Gottes offenbaren. Der Geist,

das lebendige Gedächtnis der Kirche, erinnert

uns daran, dass wir uns einer Gabe verdanken

und dass wir wachsen, indem wir uns hingeben;

nicht indem wir unser Leben bewahren, sondern

indem wir uns hingeben.

Liebe Brüder und Schwestern, schauen wir

auf unser Leben und fragen wir uns, was uns

daran hindert, uns selbst zu geben. Es gibt sozu-

sagen drei Feinde der Hingabe, drei besonders

schlimme, die immer vor der Tür des Herzens

kauern: der Narzissmus, das Selbstmitleid und

der Pessimismus. Der Narzissmus führt dazu,

dass man sich selbst vergöttert, dass nur der ei-

gene Vorteil zählt. Der Narzisst denkt: »Das Le-

ben ist schön, wenn es sich für mich auszahlt.«

Und so sagt er schließlich: »Warum sollte ich

mich anderen hingeben?« Wie schlimm ist, jetzt

in dieser Pandemie, der Narzissmus, der Rückzug

auf die eigenen Bedürfnisse, die Gleichgültigkeit

gegenüber den Bedürfnissen anderer, das Nicht -

eingestehen der eigenen Fehler und Schwächen.

Aber auch der zweite Feind, das Selbstmitleid,

ist gefährlich. Der von Selbstmitleid Befallene be-

schwert sich jeden Tag über seine Mitmenschen:

»Niemand versteht mich, niemand hilft mir, nie-

mand mag mich, alle haben etwas gegen mich!«

Wie oft haben wir dieses Gejammer schon

gehört! Und sein Herz verschließt sich, während

er sich fragt: »Warum sind die anderen nicht für

mich da?« Wie unschön ist solches Selbstmitleid

angesichts der dramatischen Situation, in der wir

uns befinden! Zu denken, dass niemand uns ver-

steht und das fühlt, was wir fühlen. Das ist das

Selbstmitleid. Und dann ist da noch der Pessimis-

mus. Hier lautet die tägliche Litanei: »Nichts ist

gut, weder die Gesellschaft, noch die Politik, noch

die Kirche…« Der Pessimist hat ein Problem mit

der Welt, bleibt aber untätig und denkt: »Was

bringt es schon, etwas zu geben? Es ist nutzlos.«

Jetzt, im großen Bemühen um einen Neubeginn,

wie schädlich ist da der Pessimismus, die

Schwarzmalerei und die ständige Leier, dass

nichts mehr so sein wird, wie es einmal war!

Wenn man so denkt, kehrt die Hoffnung sicher

nicht zurück.

Wenn diese drei Götzen herrschen – der nar-

zisstische Götze des Spiegels, wenn man sein

Spiegelbild vergöttert; der Gott des Gejammers,

wenn man sich über das Jammern definiert; und

der Gott des Pessimismus, wenn uns alles

schwarz und dunkel erscheint –, dann erleben

wir einen Mangel an Hoffnung und wir müssen

das Geschenk des Lebens wieder schätzen ler-

nen, das Geschenk, das jeder von uns ist. Deshalb

brauchen wir den Heiligen Geist, die Gabe

Gottes, der unseren Narzissmus, unser Selbstmit-

leid und unseren Pessimismus heilt. Er heilt uns

von unseren Spiegelbildern, vom Gejammer und

von aller Dunkelheit.

Brüder und Schwestern, lasst uns zu ihm be-

ten: Heiliger Geist, Gedächtnis Gottes, belebe in

uns die Erinnerung an die empfangene Gabe. Be-

freie uns aus der Lähmung des Egoismus und ent-

zünde in uns die Sehnsucht, zu dienen und Gutes

zu tun. Denn schlimmer als die gegenwärtige

Krise wäre nur, wenn wir die Chance, die sie

birgt, ungenutzt verstreichen ließen und uns in

uns selbst verschlössen. Komm, Heiliger Geist,

der du der Einklang bist, mache uns zu Erbauern

der Einheit; du, der du dich immer hingibst, gib

uns den Mut, aus uns selbst herauszugehen, ein-

ander zu lieben und uns gegenseitig beizustehen,

um eine einzige Familie zu werden. Amen.

Wochenausgabe in deutscher Sprache

Aus dem Vatikan

Eucharistiefeier im Petersdom am Hochfest Pfingsten

Die einheitsstiftende Kraft des GeistesPredigt von Papst Franziskus am 31. Mai

Der Heilige Vater hat die Gläubigen zu Pfingsten

zur kirchlichen Einheit gemahnt. Auch in der

Kirche gebe es unterschiedliche Meinungen,

Entscheidungen, Empfindungen, sagte er in

seiner Predigt am Sonntagmorgen im Peters-

dom. »Aber unser Prinzip der Einheit ist der

Heilige Geist.« Für ihn »sind wir keine im Wind

treibenden Konfettischnipsel, sondern unersetz-

liche Steinchen seines Mosaiks«, so der Papst.

Die Pfingstmesse im Vatikan war wegen der

Corona-Pandemie nicht öffentlich zugänglich.

Nur einige Dutzend Gläubige durften an der

Zeremonie am Kathedra-Altar – mit Schutz -

masken und Sicherheitsabstand – teilnehmen.

Der Gottesdienst wurde live über TV und im

Internet übertragen. Zum Abschluss seiner

Predigt bat der Papst den Heiligen Geist, die

Menschen aus der »Lähmung des Egoismus« zu

befreien. »Denn schlimmer als die gegenwärtige

Krise wäre nur, wenn wir die Chance, die sie

birgt, ungenutzt verstreichen ließen und uns

in uns selbst verschlössen«, mahnte er.

An Pfingsten erkennen die Apostel die einheitsstiftende

Kraft des Geistes. Mit eigenen Augen sehen sie, dass alle,

obwohl sie unterschiedliche Sprachen sprechen,

ein einziges Volk bilden, das Volk Gottes, das geformt ist vom

Heiligen Geist, der aus unseren Unterschieden eine Einheit

webt und alles in Einklang bringt, weil im

Heiligen Geist Einklang ist. Er ist der Einklang.

Page 8: Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am ... · 2 Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von Abraham ertönt. Eine Stimme,

12. Juni 2020 / Nummer 24/25 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache

8 Aus dem Vatikan

Videobotschaft von Papst Franziskus an die Teilnehmer der von CHARIS online organisierten Gebetsvigil

Trost und Kraft des Heiligen GeistesTausende Gläubige aus über hundert Ländern

beteten am Abend des 30. Mai gemeinsam. Der

»Internationale Dienst für die Katholische Cha-

rismatische Erneuerung (CHARIS)« hatte dazu

eingeladen. Er wurde vor einem Jahr von Papst

Franziskus ins Leben gerufen und am 8. Dezem-

ber 2018 vom Dikasterium für die Laien, die Fa-

milie und das Leben errichtet. Seine Statuten tra-

ten an Pfingsten 2019 in Kraft. Der Papst wandte

sich mit einer Videobotschaft auf Spanisch an die

Teilnehmer der Gebetsvigil. Er sagte:

Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war,

waren alle Gläubigen zusammen am selben Ort.

So beginnt das zweite Kapitel der Apostelge-

schichte, das wir gerade gehört haben. Auch

heute sind wir dank des technischen Fortschritts

bei der Pfingstvigil vereint, Gläubige aus ver-

schiedenen Teilen der Welt.

Der Text fährt fort: »Da kam plötzlich vom

Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger

Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in

dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen

wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von

ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom

Heiligen Geist erfüllt« (V. 2-4).

Der Heilige Geist lässt sich auf jedem Jünger

nieder, auf einem jedem von uns. Der von Jesus

verheißene Geist kommt, um jeden von uns zu

erneuern, zu bekehren, zu heilen. Er kommt, um

die Ängste – wie viele Ängste haben wir –,

die Unsicherheiten zu heilen; er kommt, um un-

sere Wunden zu heilen, auch die Wunden,

die wir uns gegenseitig zufügen; und er kommt,

um uns in Jünger zu verwandeln, missionarische

Jünger, mutige Zeugen, erfüllt von apostolischer

Parrhesia, was notwendig ist für die Verkündi-

gung des Evangeliums Jesu, wie es bei den Jün-

gern war und wir es in den anschließenden Ver-

sen lesen.

Die Verheißung

Heute brauchen wir es mehr denn je, dass der

Vater uns den Heiligen Geist sendet. Im ersten

Kapitel der Apostelgeschichte sagt Jesus zu sei-

nen Jüngern: »Wartet auf die Verheißung des Va-

ters, die ihr von mir vernommen habt! Denn

Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet

schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist

getauft werden« (V. 4). Und in Vers 8 fügt er

hinzu: »Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der

Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und

ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und

in ganz Judäa und Samarien und bis an die Gren-

zen der Erde.«

Zeugnis für Jesus. Zu diesem Zeugnis führt uns

der Heilige Geist. Heute leidet die Welt und ist

verwundet. Wir leben in einer sehr verwundeten

Welt, die leidet, besonders in den Ärmsten, die

ausgeschlossen werden. Jetzt, wo all unsere Si-

cherheiten verschwunden sind, braucht die Welt

es, dass wir ihr Jesus geben. Sie braucht unser

Zeugnis für das Evangelium, das Evangelium Jesu.

Dieses Zeugnis können wir nur mit der Kraft des

Heiligen Geistes geben.

Wir brauchen es, dass der Geist uns neue Au-

gen schenkt, unseren Verstand und unser Herz

öffnet, damit wir uns dem gegenwärtigen Augen-

blick und der Zukunft stellen mit der Lektion, die

wir gelernt haben: Wir sind eine einzige Mensch-

heit. Niemand rettet sich alleine. Niemand. Der

heilige Paulus sagt im Galaterbrief: »Es gibt nicht

mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und

Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle

seid einer in Christus Jesus« (3,28), ein einziger

Leib, der durch die Kraft des Heiligen Geistes zu-

sammengehalten wird. Durch diese Taufe des

Heiligen Geistes, die Jesus verkündet. Wir wissen

es, wir wissen es, aber diese Pandemie, die wir er-

leben, hat uns dies auf sehr viel dramatischere

Weise erfahren lassen.

Wir stehen vor der Pflicht, eine neue Wirk-

lichkeit aufzubauen. Der Herr wird es tun, wir

können mitarbeiten: »Seht, ich mache alles neu«

(Offb 21,5).

Wenn wir diese Pandemie überstanden ha-

ben werden, werden wir nicht weiter das tun

können, was wir immer getan haben und wie

wir es getan haben. Nein, alles wird anders sein.

All dieses Leid wird nichts genützt haben, wenn

wir nicht alle gemeinsam eine gerechtere, fairere,

christlichere Gesellschaft aufbauen, nicht dem

Namen nach, sondern tatsächlich, eine Realität,

die uns zu christlichem Verhalten führt. Wenn

wir nicht daran arbeiten, die Pandemie der Armut

in der Welt, die Pandemie der Armut in unseren

jeweiligen Ländern, in der Stadt, in der jeder von

uns lebt, zu beenden, wird diese Zeit vergeblich

gewesen sein.

Aus den großen Prüfungen der Menschheit,

und unter diesen der Pandemie, geht man besser

oder schlechter hervor. Man bleibt nicht gleich.

Ich frage euch: Wie wollt ihr daraus hervorge-

hen? Besser oder schlechter? Und das ist der

Grund, warum wir uns heute dem Heiligen Geist

öffnen, damit er unser Herz verwandeln und uns

helfen möge, als bessere Menschen daraus her-

vorzugehen.

Wir werden nicht besser daraus hervorgehen,

wenn wir nicht so leben, dass wir danach beur-

teilt werden, was Jesus uns sagt: »Denn ich war

hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich

war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen;

ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen«

(vgl. Mt 25,35-36).

Und das ist die Aufgabe von allen, von uns al-

len. Und auch eure Aufgabe von Charis, die ihr

alle vereint seid als Charismatiker.

Strom der Gnade

Das dritte Dokument von Malines, geschrie-

ben in den 1970er Jahren von Kardinal Suenens

und von Bischof Hélder Câmara, mit dem Titel

Charismatische Erneuerung und Dienst am Men-

schen, erkennt diesen Weg als einen Strom der

Gnade an. Seid diesem Ruf des Heiligen Geistes

treu!

Mir kommen die prophetischen Worte von

Johannes XXIII. in den Sinn, mit denen er das

Zweite Vatikanische Konzil angekündigt hat und

die die Charismatische Erneuerung in besonderer

Weise beherzigt: »Der anbetungswürdige Geist

Gottes möge das heiße Flehen der gesamten

Menschheit hören, das täglich aus allen Teilen

der Welt zu ihm emporgetragen wird, und sich

herablassen. ›Erneuere in dieser unserer Zeit

durch ein neues Pfingsten deine Wunder und ge-

währe deiner heiligen Kirche, mit Maria, der

Mutter Jesu, einmütig im Gebete zu verharren

und unter der Führung des heiligen Petrus das

Reich des göttlichen Heilandes auszubreiten, das

Reich der Wahrheit und Gerechtigkeit, das Reich

der Liebe und des Friedens.‹«Euch allen wünsche ich in dieser Gebetsvigil

den Trost des Heiligen Geistes. Und die Kraft des

Heiligen Geistes, um die Pandemie, diesen Mo-

ment des Schmerzes, der Traurigkeit und der Prü-

fung, zu überstehen, um besser daraus hervorzu-

gehen.

Der Herr segne euch und die Jungfrau Maria

behüte euch.

(Orig. span.; ital. in O.R. 1./2.6.2020)

Videobotschaft von Papst Franziskus an die Teilnehmer der Gebetsvigil der Bewegung »Thy Kingdom Come«

Füreinander beten und Verantwortung tragen

Liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude schließe ich

mich Erzbischof Justin Welby und

euch allen an, um das, was ich im Her-

zen trage, mit euch zu teilen. Es ist

Pfingsten: Wir denken an den Tag, an

dem der Geist Gottes machtvoll herab-

gekommen ist. Von jenem Tag an hat

sich das Leben Gottes unter uns ver-

breitet und uns eine neue Hoffnung ge-

bracht, einen Frieden und eine Freude,

die wir vorher nicht kannten. An

Pfingsten hat Gott die Welt mit Leben

angesteckt. Was für ein Gegensatz ist

all dies zur tödlichen Ansteckung, die

die Erde seit Monaten heimsucht! Da-

her ist es heute mehr denn je notwen-

dig, den Heiligen Geist anzurufen, da-

mit er das Leben Gottes, die Liebe, in

unsere Herzen ausgieße. Denn damit

die Zukunft besser wird, muss unser

Herz besser werden.

Am Pfingsttag begegneten einan-

der Völker mit unterschiedlichen Spra-

chen. In diesen Monaten dagegen wer-

den wir aufgefordert richtige und

notwendige Maßnahmen zu befolgen,

um Abstand zu halten. Aber in unse-

rem Inneren können wir besser ver-

stehen, was die anderen fühlen. Angst

und Unsicherheit sind uns gemein-

sam. So viele betrübte Herzen sind zu

trösten. Ich denke an das, was Jesus

sagte, als er über den Heiligen Geist

sprach: Er gebrauchte ein besonderes

Wort, »Paraklet«, das heißt Tröster.

Viele von euch haben seinen Trost er-

fahren, jenen inneren Frieden, der be-

wirkt, dass wir uns geliebt fühlen; jene

sanfte Kraft, die immer, auch im

Schmerz, Mut verleiht. Der Heilige

Geist gibt uns die Gewissheit, dass wir

nicht allein sind, sondern von Gott ge-

stützt werden. Meine Lieben, was wir

empfangen haben, müssen wir weiter-

geben: Wir sind aufgerufen, den Trost

des Geistes, die Nähe Gottes, zu ver-

breiten.

Wie können wir das tun? Denken

wir an das, was wir jetzt haben möch-

ten: Trost, Ermutigung; jemanden, der

sich um uns kümmert; jemanden, der

für uns betet, der mit uns weint, der

uns hilft, unsere Probleme zu bewälti-

gen. Das ist es: Alles, was ihr wollt,

dass euch die Menschen tun, das tut

auch ihnen (vgl. Mt 7,12). Wir möch-

ten, dass uns jemand zuhört? Hören

wir zu! Wir brauchen Ermutigung?

Machen wir Mut! Wir möchten, dass

sich jemand um uns kümmert? Küm-

mern wir uns um denjenigen, der nie-

manden hat! Wir brauchen Hoffnung

für morgen? Schenken wir heute Hoff-

nung! Heute erleben wir einen tragi-

schen Mangel an Hoffnung. Wie viele

Wunden, wie viel nicht gefüllte Leere,

wie viel trostloser Schmerz! Werden

wir zu Dolmetschern des Trostes, der

vom Heiligen Geist kommt, vermitteln

wir Hoffnung und der Herr wird auf

unserem Lebensweg neue Wege eröff-

nen.

Ich möchte euch gerne etwas über

unseren Weg sagen. Wie sehr

wünschte ich, dass wir als Christen

noch mehr und mehr gemeinsam Zeu-

gen der Barmherzigkeit für die hart ge-

prüfte Menschheit wären. Bitten wir

den Heiligen Geist um das Geschenk

der Einheit, denn wir werden Ge-

schwisterlichkeit nur dann verbreiten,

wenn wir unter uns als Brüder und

Schwestern leben. Wir können die

Menschheit nicht bitten, vereint zu

bleiben, wenn wir unterschiedliche

Wege gehen. So wollen wir füreinan-

der beten und uns füreinander verant-

wortlich fühlen.

Der Heilige Geist schenkt Weisheit

und Rat. In diesen Tagen wollen wir

ihn herabrufen auf alle, die schwierige,

dringende Entscheidungen zu treffen

haben, um das menschliche Leben

und die Würde der Arbeit zu schützen.

Man muss investieren: in Gesundheit,

Arbeit, die Ausmerzung von Ungleich-

heit und Armut. Mehr denn je brau-

chen wir heute einen Blick, der voller

Menschlichkeit ist: Man darf nicht

wieder anfangen, den eigenen Erfolg

zu suchen, ohne sich um diejenigen zu

kümmern, die nicht nachkommen.

Und auch wenn das viele tun werden,

bittet der Herr uns, den Kurs zu än-

dern. Am Pfingsttag sagte Petrus mit

der Parrhesia des Heiligen Geistes:

»Kehrt um!« (Apg 2,38), das heißt än-

dert die Richtung, schlagt eine andere

Fahrtrichtung ein. Wir müssen wieder

auf Gott und den Nächsten zugehen:

nicht getrennt, nicht taub gegenüber

dem Schrei der Vergessenen und des

verwundeten Planeten. Wir müssen

vereint sein, damit wir uns den sich

ausbreitenden Pandemien stellen kön-

nen: der Pandemie des Virus, aber

auch der des Hungers, der Kriege, der

Geringschätzung des Lebens, der

Gleichgültigkeit. Nur wenn wir ge-

meinsam gehen, werden wir weit

kommen.

Liebe Brüder und Schwestern, ihr

verbreitet die Verkündigung des Le-

bens, die im Evangelium enthalten ist,

und ihr seid ein Zeichen der Hoffnung.

Ich danke euch von Herzen. Ich bitte

Gott, dass er euch segnen möge, und

euch bitte ich zu beten, damit er auch

mich segne. Danke.

(Orig. ital. in O.R. 1./2.6.2020)

»Thy Kingdom Come« ist eine welt-

weite Gebetsbewegung, die Christen

einlädt, in besonderer Weise von Him-

melfahrt bis Pfingsten zu beten. Seit

der Gründung durch die Erzbischöfe

von Canterbury und York im Jahr 2016

haben Christen aus 172 Ländern und

65 Konfessionen dafür gebetet, dass

Freunde und Familien im Glauben an

Jesus Christus gestärkt werden.

Momentaufnahme aus der weltweiten Online-Pfingstvigil.

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12. Juni 2020 / Nummer 24/25 L’OSSERVATORE ROMANO

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»Hier bin ich,

sende mich« (Jes 6,8)

Liebe Brüder und Schwestern,

für den Einsatz, mit dem der vergangene Ok-

tober, der außerordentliche Missionsmonat, in

der gesamten Kirche begangen wurde, möchte

ich Gott danken. Ich bin überzeugt, dass dieser

dazu beigetragen hat, viele Gemeinschaften auf

dem Weg, der durch das Thema »Getauft und ge-

sandt: die Kirche Christi auf Mission in der Welt«

vorgezeichnet war, zur missionarischen Neuaus-

richtung zu bewegen.

Wenn das aktuelle Jahr auch von den durch

die Covid-19 Pandemie verursachten Leiden und

Herausforderungen gekennzeichnet ist, so setzt

sich doch der missionarische Weg der gesamten

Kirche im Lichte jenes Wortes fort, das wir in der

Erzählung der Berufung des Propheten Jesaja fin-

den: »Hier bin ich, sende mich« (Jes 6,8). Es ist die

immer neue Antwort auf die Frage des Herrn:

»Wen soll ich senden?« (ebd.). Dieser Ruf kommt

aus dem Herzen Gottes, aus seiner Barmherzig-

keit, der in der gegenwärtigen weltweiten Krise

sowohl an die Kirche als auch an die Menschheit

ergeht. »Wie die Jünger des Evangeliums wurden

wir von einem unerwarteten heftigen Sturm

überrascht. Uns wurde klar, dass wir alle im sel-

ben Boot sitzen, alle schwach und orientierungs-

los sind, aber zugleich wichtig und notwendig,

denn alle sind wir dazu aufgerufen, gemeinsam

zu rudern, alle müssen wir uns gegenseitig bei-

stehen. Auf diesem Boot … befinden wir uns

alle. Wie die Jünger, die wie aus einem Munde

angsterfüllt rufen: ›Wir gehen zugrunde‹ (vgl.

V. 38), so haben auch wir erkannt, dass wir nicht

jeder für sich, sondern nur gemeinsam voran-

kommen« (Betrachtung auf dem Petersplatz,

27. März 2020). Wir sind wirklich erschrocken,

orientierungslos und verängstigt. Der Schmerz

und der Tod lassen uns unsere menschliche Zer-

brechlichkeit erfahren; aber zugleich nehmen

wir alle in uns eine starke Sehnsucht nach Leben

und Befreiung vom Übel wahr. In diesem Zusam-

menhang stellt sich der Ruf zur Mission – die Ein-

ladung, um der Liebe zu Gott und zum Nächsten

willen aus sich selbst hinauszugehen – als Gele-

genheit des Teilens, des Dienens, der Fürbitte dar.

Die Mission, die Gott jedem anvertraut, führt von

einem ängstlichen und verschlossenen zu einem

wiedergefundenen und durch die Selbsthingabe

erneuerten Ich.

Im Kreuzesopfer, in dem sich die Sendung

Jesu erfüllt (vgl. Joh 19,28-30), offenbart uns Gott,

dass seine Liebe jedem und allen gilt (vgl. Joh

19,26-27). Und er bittet uns um die persönliche

Sendungsbereitschaft, weil er die Liebe ist, die in

beständiger Missionsbewegung immer aus sich

herausgeht, um Leben zu geben. Aus Liebe zu

den Menschen hat Gott Vater den Sohn Jesus ge-

sandt (vgl. Joh 3,16). Jesus ist der Missionar des

Vaters: Seine Person und sein Werk sind gänzli-

cher Gehorsam zum Willen des Vaters (vgl. Joh

4,34; 6,38; 8,12-30; Hebr 10,5-10). Seinerseits

zieht uns der für uns gekreuzigte und auferstan-

dene Jesus in seine Liebesbewegung hinein, mit

eben seinem Geist, der die Kirche beseelt; er

macht uns zu Jüngern Christi und sendet uns auf

Mission in die Welt und zu den Völkern.

»Die Mission und ›die Kirche im Aufbruch‹sind nicht ein Programm, ein Vorhaben, das

durch Willensanstrengung zu verwirklichen ist.

Christus lässt die Kirche aufbrechen. Du bewegst

dich in der Mission der Verkündigung des Evan-

geliums, weil der Geist dich antreibt und führt«

(Vgl. Senza di Lui non possiamo far nulla, Città

del Vaticano 2019, 16f). Gott liebt uns immer als

Erster und mit dieser Liebe begegnet er uns und

ruft uns. Unsere persönliche Berufung rührt da-

her, dass wir Söhne und Töchter Gottes in der Kir-

che sind, seine Familie, Brüder und Schwestern

in jener Liebe, die Jesus uns bezeugt hat. Alle aber

haben eine menschliche Würde, die auf dem gött-

lichen Ruf gründet, Kinder Gottes zu sein, im Sa-

krament der Taufe und der Freiheit des Glaubens

das zu werden, was sie von je her im Herzen

Gottes sind.

Schon die Tatsache des ohne unser eigenes Zu-

tun empfangenen Lebens stellt eine implizite Ein-

ladung dar, in die Dynamik der Selbsthingabe ein-

zutreten: In die Getauften wird ein Same gelegt,

der als Liebesantwort reife Gestalt in der Ehe oder

der Jungfräulichkeit um des Himmelreiches wil-

len annehmen wird. Das menschliche Leben ent-

springt der Liebe Gottes, es wächst in der Liebe

und strebt zur Liebe hin. Niemand ist von der

Liebe Gottes ausgeschlossen und im heiligen Op-

fer des Sohnes Jesu am Kreuz hat Gott die Sünde

und den Tod besiegt (vgl. Röm 8,31-39). Für Gott

wird das Böse, ja sogar die Sünde, zu einer Heraus-

forderung, zu lieben und immer mehr zu lieben

(vgl. Mt 5,38-48; Lk 23,33-34). Daher heilt die

göttliche Barmherzigkeit im Pascha mysterium die

Urwunde der Menschheit und ergießt sich über

das ganze Universum. Die Kirche als universales

Sakrament der Liebe Gottes für die Welt setzt die

Mission Jesu in der Geschichte fort und sendet

uns überallhin aus, auf dass durch unser Glau-

benszeugnis und die Verkündigung des Evangeli-

ums Gott noch einmal seine Liebe kundtue und

Herz, Verstand und Körper aller Menschen sowie

die Gesellschaften und Kulturen überall und zu je-

der Zeit berühren und verwandeln möge.

Die Mission ist die freie und bewusste Ant-

wort auf den Ruf Gottes. Aber diesen Ruf können

wir nur wahrnehmen, wenn wir eine persönli-

che Liebesbeziehung mit Jesus pflegen, der in der

Kirche lebendig ist. Fragen wir uns: Sind wir be-

reit, die Gegenwart des Heiligen Geistes in unse-

rem Leben anzunehmen? Sind wir bereit, den

Ruf zur Mission zu vernehmen, sowohl im Ehe -

leben als auch auf dem Weg der gottgeweihten

Keuschheit oder des Weihepriestertums und

überhaupt im gewöhnlichen alltäglichen Leben?

Sind wir bereit, überallhin ausgesandt zu wer-

den, um unseren Glauben an Gott, den barmher-

zigen Vater, zu bezeugen, um das Evangelium

des Heils Jesu Christi zu verkünden, um am gött-

lichen Leben des Heiligen Geistes teilzuhaben

und so die Kirche aufzubauen? Sind wir bereit,

wie Maria, die Mutter Jesu, vorbehaltlos dem

Willen Gottes zu dienen (vgl. Lk 1,38)? Diese in-

nere Bereitschaft ist sehr wichtig, um Gott ant-

worten zu können: »Hier bin ich, Herr, sende

mich« (Jes 6,8). Und dies nicht in einer abstrakten

Vorstellung, sondern im Heute der Kirche und der

Geschichte.

Verstehen, was Gott uns in diesen Zeiten der

Pandemie sagen will, wird zu einer Herausforde-

rung auch für die Mission der Kirche. Die Krank-

heit, das Leiden, die Angst, die Isolation richten

Anfragen an uns. Die Armut desjenigen, der al-

lein stirbt, der sich selbst überlassen ist, der die

Arbeit und den Lohn verliert, der kein zu Hause

und nichts zu essen hat, werfen Fragen auf. Ge-

rade weil wir dazu verpflichtet sind, körperlichen

Abstand zu halten und zu Hause zu bleiben, sind

wir eingeladen, wiederzuentdecken, dass wir der

sozialen Beziehungen bedürfen und auch der ge-

meinschaftlichen Beziehung zu Gott. Fernab da-

von, das Misstrauen und die Gleichgültigkeit zu

mehren, sollte dieser Zustand uns aufmerksamer

für unsere Art und Weise machen, mit den ande-

ren in Beziehung zu treten. Und das Gebet, in

dem Gott unser Herz berührt und bewegt, öffnet

uns für die Bedürfnisse der Liebe, der Würde, der

Freiheit unserer Brüder wie auch für die Sorge

um die ganze Schöpfung. Die Unmöglichkeit, uns

als Kirche zu versammeln, um die Eucharistie zu

feiern, hat uns die Lage vieler christlicher Ge-

meinschaften teilen lassen, die die Messe nicht

jeden Sonntag feiern können. In diesem Zusam-

menhang wird die Frage, die Gott uns stellt, »Wen

soll ich senden?«, erneut an uns gerichtet und er-

wartet von uns eine neue großzügige und über-

zeugte Antwort: »Hier bin ich, sende mich« (Jes

6,8). Gott fährt in der Suche fort, wen er in die

Welt und zu den Völkern senden kann, um seine

Liebe, seine Errettung von Sünde und Tod, seine

Befreiung vom Bösen zu bezeugen (vgl. Mt 9,35-

38; Lk 10,1-12).

Den Weltmissionstag zu begehen bedeutet

auch zu bekräftigen, wie das Gebet, das Nach-

denken und die materielle Hilfe eurer Spenden

eine Gelegenheit darstellen, um aktiv an der Mis-

sion Jesu in seiner Kirche teilzunehmen. Die

Nächstenliebe, die in den Kollekten der liturgi-

schen Feiern des dritten Sonntags im Oktober

zum Ausdruck gebracht wird, hat den Zweck, die

in meinem Namen geleistete missionarische Ar-

beit der Päpstlichen Missionswerke zu unterstüt-

zen, um den geistlichen und materiellen Bedürf-

nissen der Völker und der Kirchen auf der ganzen

Welt zum Heile aller nachzukommen.

Die allerseligste Jungfrau Maria, Stern der

Evangelisierung und Trösterin der Betrübten, mis-

sionarische Jüngerin ihres eigenen Sohnes Jesus,

möge weiterhin für uns Fürsprache einlegen und

uns beistehen.

Rom, St. Johannes im Lateran,

am 31. Mai 2020, dem Hochfest Pfingsten.

Wochenausgabe in deutscher Sprache

Aus dem Vatikan

Botschaft des Heiligen Vaters zum Weltmissionssonntag am 25. Oktober 2020

Aktive Teilnahme an der Mission Jesu in seiner Kirche

Die Mission ist die freie und

bewusste Antwort auf den Ruf Gottes.

Aber diesen Ruf können wir nur

wahrnehmen, wenn wir eine

persönliche Liebesbeziehung mit Jesus

pflegen, der in der Kirche lebendig ist.

Fragen wir uns: Sind wir bereit,

die Gegenwart des Heiligen Geistes in

unserem Leben anzunehmen? Sind wir

bereit, den Ruf zur Mission zu

vernehmen, sowohl im Eheleben als auch

auf dem Weg der gottgeweihten

Keuschheit oder des Weihepriestertums

und überhaupt im gewöhnlichen

alltäglichen Leben?

Wien/Rom. Große Freude

über die näher rückende Selig -

sprechung von Pauline Marie Jari-

cot (1799-1862) herrscht bei

den Päpstlichen Missionswerken

(Missio): Die Französin sei eine

»große Laienmissionarin«, und

man danke dem »Missionspapst

Franziskus« für die Anerkennung

eines Wunders auf ihre Fürspra-

che, hieß es am 28. Mai auf der

Facebook-Seite von »Missio Öster-

reich«. Jaricot habe »durch Gebet

und Spende die Weltmission neu

erfunden«. Papst Franziskus hatte

zuvor ein auf Fürbitte Jaricots ge-

wirktes Wunder per Dekret aner-

kannt und damit den Weg für die

Seligsprechung geebnet.

Die Lebensgeschichte von Pau-

line Marie Jaricots ist eng mit jener

der Päpstlichen Missionswerke

verbunden: Als 23-Jährige grün-

dete sie in Frankreich 1822 das

»Werk der Glaubensverbreitung«,

das Papst Pius XI. (1922-39) 100

Jahre später zu »seinen« Missions-

werken gemacht habe. Die Initia-

tive »Lebendiger Rosenkranz«, die

von Missio Österreich derzeit un-

ter dem Motto »Gott kann«

(www.gott-kann.at) wieder aufge-

griffen wird, ist ebenfalls eine »Er-

findung« Jaricots: 2,4 Millionen

Franzosen wurden von ihr ab

1826 zum Gebet für die Weltmis-

sion motiviert. Sie teilte dazu

Gebetsgruppen jeden Monat nach

einer Eucharistiefeier ein Rosen-

kranzgeheimnis zu, um für die

Missionen zu beten.

Auch die Päpstlichen Missions-

werke auf Weltebene sprachen

von einem »Moment großer

Freude« und einem »sehr wichti-

gen Schritt«: »Es bedeutet, dass ihr

Engagement für die Mission, das

aus Gebet und Nächstenliebe be-

steht, für die Weltkirche spricht

und auch heute noch von Bedeu-

tung ist«, erklärte der weltweite

Missio-Präsident Kurienerzbischof

Giampietro Dal Toso.

Grundlage für die baldige Se-

ligsprechung ist die nun von der

Kirche als Wunder anerkannte

Heilung eines damals dreijährigen

Mädchens namens Mayline Tran

im Jahr 2012, das nach einem

20-minütigen Stillstand des Herz-

Kreislaufssystems kaum Überle-

benschancen hatte. Als die Fami-

lie eine Novene zu Pauline Marie

Jaricot betete, sei das Mädchen

wieder zu Bewusstsein gekom-

men und danach wider Erwarten

völlig genesen.

Freude über baldige Seligsprechung von Pauline Marie Jaricot

Page 10: Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am ... · 2 Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von Abraham ertönt. Eine Stimme,

12. Juni 2020 / Nummer 24/25 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache

10 Aus dem Vatikan

Liebe Brüder!

Ich hatte vor, in dieser Osterzeit mit euch zu-

sammenzutreffen und gemeinsam die Chrisam-

Messe zu feiern. Da aber eine Feier auf Diöze-

sanebene nicht möglich ist, schreibe ich euch

diesen Brief. Die neue Phase, die wir beginnen,

erfordert von uns Klugheit, Weitblick und einen

gemeinsamen Einsatz, damit all die bisherigen

Anstrengungen und Opfer nicht umsonst waren.

In dieser Zeit der Pandemie haben viele von

euch über Email oder Telefon mit mir darüber ge-

sprochen, was diese unvorhergesehene und be-

unruhigende Situation bedeutete. Obwohl es

nicht möglich war, hinauszugehen oder direkten

Kontakt zu haben, habt ihr mir so ermöglicht,

»aus erster Hand« zu erfahren, was ihr erlebt. Die-

ser Austausch hat mein Gebet genährt, in vielen

Fällen, um für das mutige und großherzige Zeug-

nis zu danken, das ich von euch empfangen habe;

in anderen Fällen waren es Bitte und Fürsprache

im Vertrauen auf den Herrn, der immer seine

Hand ausstreckt (vgl. Mt 14,31). Obwohl es not-

wendig war, die soziale Distanzierung einzuhal-

ten, hat dies nicht verhindert, dass sich das Ge-

fühl der Zusammengehörigkeit, der Gemein-

schaft und der Mission verstärkte, was uns ge-

holfen hat, dafür zu sorgen, dass die Liebe, vor al-

lem gegenüber den am meisten benachteiligten

Menschen und Gemeinschaften, nicht unter

Quarantäne gestellt wurde. In diesen aufrichti-

gen Gesprächen konnte ich feststellen, dass die

notwendige Distanz nicht gleichbedeutend war

mit Rückzug auf sich selbst oder Abkapselung,

die die Mission betäubt, einschläfert und aus-

löscht.

Ermutigt von diesem Austausch schreibe ich

euch, weil ich euch näher sein möchte, um euren

Weg zu begleiten, zu teilen und zu stärken. Die

Hoffnung hängt auch von uns ab und erfordert,

dass wir einander helfen, damit sie lebendig und

aktiv bleibt, jene ansteckende Hoffnung, die in

der Begegnung mit den anderen gepflegt und ge-

stärkt wird und die uns als Geschenk und Auf-

gabe gegeben ist, um die neue »Normalität« auf-

zubauen, nach der wir uns so sehr sehnen.

Ich schreibe euch mit dem Blick auf die erste

Gemeinschaft der Apostel, die ebenfalls Mo-

mente des Eingeschlossenseins, der Isolierung,

der Angst und Unsicherheit durchgemacht hat.

Fünfzig Tage vergingen zwischen Unbeweglich-

keit und Abkapselung und der beginnenden Ver-

kündigung, die ihr Leben für immer verändern

sollte. Während die Türen des Ortes, wo sie sich

befanden, aus Angst verschlossen waren, wur-

den die Jünger von Jesus überrascht, der »in ihre

Mitte trat und zu ihnen sagte: Friede sei mit euch!

Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände

und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie

den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ih-

nen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater ge-

sandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das ge-

sagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen:

Empfangt den Heiligen Geist!« (Joh 20,19-22).

Lassen auch wir uns überraschen!

»Als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei

verschlossenen Türen beisammen waren« (Joh

20,19).

Heute wie gestern spüren wir: »Freude und

Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von

heute, besonders der Armen und Bedrängten al-

ler Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer

und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts

wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Her-

zen seinen Widerhall fände« (Gaudium et spes, 1).

Wie gut kennen wir dies alles! Alle haben wir die

Zahlen und Quoten gehört, die uns tagtäglich be-

drängten. Wir haben den Schmerz der Menschen

mit Händen greifen können. Was uns erreichte,

waren keine weit entfernten Daten: Die Statisti-

ken trugen Namen, Gesichter, gemeinsam er-

lebte Begebenheiten. Als priesterliche Gemein-

schaft waren wir dieser Wirklichkeit nicht fremd

und haben sie nicht vom Fenster aus beobachtet.

Vom Sturm, der wütete, durchnässt, wart ihr er-

finderisch, um bei euren Gemeinden zu sein und

sie zu begleiten: Ihr habt den Wolf kommen sehen

und seid weder geflohen noch habt ihr die Herde

im Stich gelassen (vgl. Joh 10,12-13).

Wir haben den plötzlichen Verlust von Fami-

lienangehörigen, Nachbarn, Freunden, Gemein-

demitgliedern, Beichtvätern, Orientierungspunk-

ten unseres Glaubens, erlitten. Wir haben die

untröstlichen Gesichter derjenigen gesehen, die

ihren Angehörigen in den letzten Stunden nicht

nahe sein durften und sich nicht von ihnen ver-

abschieden konnten. Wir haben das Leid und die

Ohnmacht des Krankenhauspersonals gesehen,

Ärzte und Pflegekräfte, die sich in nicht enden

wollenden Arbeitstagen aufrieben, um die zahl-

losen Hilferufe zu beantworten. Alle haben wir

die Unsicherheit und Angst der Erwerbstätigen

und freiwilligen Helfer gespürt, die sich Tag für

Tag dem Risiko aussetzten, um die Grundversor-

gung zu sichern, und auch um sich derjenigen an-

zunehmen, die aufgrund ihrer Ausgrenzung und

Schutzlosigkeit stärker unter den Folgen dieser

Pandemie zu leiden hatten, und sie zu begleiten.

Wir haben die Schwierigkeiten und Nöte der so-

zialen Einschränkungen gesehen und von ihnen

gehört: Einsamkeit und Isolierung vor allem der

alten Menschen; Sorge, Angst und das Gefühl der

Schutzlosigkeit gegenüber der Unsicherheit in

Bezug auf Arbeit und Wohnung; Gewalt und Zer-

mürbung in den Beziehungen. Die uralte Angst

vor der Ansteckung hat wieder zugeschlagen.

Wir haben auch die beklemmenden Sorgen

ganzer Familien geteilt, die nicht wissen, was in

der nächsten Woche auf den Tisch kommen soll.

Wir haben unsere eigene Verwundbarkeit

und Ohnmacht erlebt. Wie der Brennofen die

Gefäße des Töpfers prüft, so sind wir auf die

Probe gestellt worden (vgl. Sir 27,5). Verwirrt von

allem, was geschah, haben wir verstärkt die Un-

sicherheit unseres Lebens und des apostolischen

Einsatzes gespürt. Die

Unvorhersehbarkeit der

Situation hat unsere Un-

fähigkeit ans Licht ge-

bracht, mit Unbekann-

tem zu leben und uns

damit auseinanderzuset-

zen, mit dem, was wir

nicht beherrschen oder

kontrollieren können,

und wie alle anderen haben wir uns verwirrt,

verängstigt, schutzlos gefühlt. Wir erleben auch

jene gesunde und notwendige Wut, die uns

drängt, angesichts der Ungerechtigkeiten nicht

mutlos die Hände sinken zu lassen, und die uns

daran erinnert, dass wir für das Leben erträumt

wurden. Wie Nikodemus bei Nacht überrascht,

weil »der Wind weht, wo er will; du hörst sein

Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und

wohin er geht«, haben wir uns gefragt: »Wie kann

das geschehen?« Und Jesus hat uns geantwortet:

»Du bist der Lehrer Israels und verstehst das

nicht?« (vgl. Joh 3,8-10).

Die Komplexität dessen, was zu bewältigen

war, erlaubte keine fertigen Rezepte oder Ant-

worten aus dem Handbuch. Es erforderte weit

mehr als oberflächliche Ermahnungen oder er-

bauliche Reden, die nicht in der Lage sind, all

das, was das konkrete Leben von uns verlangte,

gewissenhaft aufzunehmen und darin verwur-

zelt zu sein. Das Leid unserer Gläubigen tat uns

weh, ihre Unsicherheiten machten uns betrof-

fen, unsere geteilte Schwäche nahm uns jegli-

che falsche idealistische oder spiritualistische

Selbstgefälligkeit wie auch jede Möglichkeit ei-

ner puritanischen Flucht. Niemand steht außer-

halb von dem, was geschieht. Wir können sa-

gen, dass wir gemeinsam die Stunde des

weinenden Herrn erlebt haben: Wir haben vor

dem Grab des Freundes Lazarus geweint (vgl.

Joh 11,35), vor der Verschlossenheit seines

Volkes (vgl. Lk 13,14; 19,41), in der dunklen

Nacht von Getsemani (vgl. Mk 14,32-42; Lk

22,44). Es ist auch die Stunde des weinenden

Jüngers vor dem Geheimnis des Kreuzes und

des Bösen, das so viele Unschuldige trifft. Es ist

das bittere Weinen des Petrus nach der Verleug-

nung (vgl. Lk 22,62), das Weinen der Maria

Magdalena vor dem Grab (vgl. Joh 20,11).

Wir wissen, dass es unter solchen Umständen

nicht leicht ist, den richtigen Weg zu finden, und

es wird auch nicht an Stimmen fehlen, die all das

aufzählen werden, was man angesichts dieser

unbekannten Wirklichkeit hätte tun können. Un-

sere gewöhnliche Art und Weise, Beziehungen

zu pflegen, zu organisieren, Liturgie zu feiern, zu

beten, einzuladen und sogar Konflikte zu bewäl-

tigen, sind von einer unsichtbaren Präsenz ver-

ändert und in Frage gestellt worden, die unseren

Alltag in Widrigkeiten verwandelt hat. Es handelt

sich weder bloß um eine individuelle oder fami-

liäre Angelegenheit noch um die einer bestimm-

ten gesellschaftlichen Gruppe oder eines Landes.

Die Merkmale des Virus bringen die Logik zum

Verschwinden, nach der wir gewöhnlich die Rea-

lität aufgeteilt oder klassifiziert haben. Die Pan-

demie kennt keine Adjektive, Grenzen und nie-

mand darf meinen, allein zurechtzukommen.

Wir sind alle betroffen und beteiligt.

Das Narrativ einer Gesellschaft der Vorsorge,

einer unerschütterlichen und stets zu unbe-

grenztem Konsum bereiten Gesellschaft ist in

Frage gestellt worden und hat das Fehlen einer

kulturellen und spirituellen Immunität gegen -

über Konflikten offenbart. Eine Reihe alter und

neuer Fragen und Probleme (die in vielen Gegen-

den der Welt als veraltet und überwunden be-

trachtet wurden) haben den Horizont und die

Aufmerksamkeit besetzt. Fragen, die durch die

bloße Wiedereröffnung der verschiedenen Akti-

vitäten keine Antwort finden werden. Vielmehr

wird es unerlässlich sein, ein Zuhören zu ent-

wickeln, das aufmerksam, aber voller Hoffnung,

gelassen, aber hartnäckig, konstant, aber nicht

ängstlich ist, und das die Wege bahnen und be-

reiten kann, die der Herr uns zu gehen aufruft

(vgl. Mk 1,2-3). Wir wissen, dass man aus Leid

und schmerzhaften Erfahrungen nicht unverän-

dert hervorgeht. Wir müssen wachsam und auf-

merksam sein. Der Herr selbst hat in seiner ent-

scheidenden Stunde dafür gebetet: »Ich bitte

nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern

dass du sie vor dem Bösen bewahrst« (Joh 17,15).

Persönlich und gemeinschaftlich gefährdet und

getroffen in unserer Verwundbarkeit und

Schwäche sowie in unseren Grenzen, ist die Ge-

fahr groß, dass wir uns zurückziehen und weiter

über die Trostlosigkeit nachgrübeln, die die Pan-

demie uns vor Augen stellt, oder dass wir uns auf

einen grenzenlosen Optimismus versteifen, der

unfähig ist, die reale Dimension der Ereignisse zu

akzeptieren (vgl. Apostolisches Schreiben Evan-

gelii gaudium, 226-228).

Die Stunden der Prüfung rufen unsere Unter-

scheidungsgabe auf den Plan, um zu entdecken,

welche Versuchungen uns in einer Atmosphäre

der Bestürzung und Verwirrung gefangen zu hal-

ten drohen, um dann in die schlechte Ange-

wohnheit einer Vorgehensweise zu verfallen, die

unsere Gemeinschaften daran hindern wird, das

neue Leben zu fördern, das der auferstandenen

Herr uns schenken will. Es gibt verschieden Ver-

suchungen, die charakteristisch sind für diese

Zeit und die uns blind machen können, indem

wir bestimmte Empfindungen und Haltungen

pflegen, die es der Hoffnung nicht erlauben, un-

sere Kreativität, unsere Phantasie und unsere

Fähigkeit zu einer Antwort zu stimulieren. Das

reicht von der Tatsache, ehrlich die gravierende

Situation annehmen zu wollen, allerdings mit

dem Versuch, sie lediglich mit Ersatzaktivitäten

oder Notbehelfen zu lösen, während man wartet,

dass alles zur »Normalität« zurückkehrt, und die

tiefen Wunden und die Zahl der in der Zwi-

schenzeit Verstorbenen ignoriert. Bis hin zum

Eingetaucht-Bleiben in eine gewisse lähmende

Nostalgie nach der jüngsten Vergangenheit, die

uns sagen lässt, dass »nichts sein wird wie zu-

vor«, und die uns unfähig macht, die anderen

zum Träumen aufzufordern, zum Entwerfen

neuer Wege und neuer Lebensstile.

»Jesus trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen:

Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er

ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten

sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. Jesus

sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch!«

(Joh 20,19-21).

Der Herr hat keine ideale Situation gewählt

oder gesucht, um sich im Leben seiner Jünger

Bahn zu brechen. Sicher hätten wir es vorgezo-

gen, wenn all das, was passiert ist, nicht gesche-

hen wäre. Aber es ist passiert. Und wie die Em-

mausjünger können auch wir weiter traurig auf

dem Weg murren (vgl. Lk 24,13-21). Als der Herr

bei verschlossenen Türen in das Obergemach

trat, mitten in Isolierung, Angst und Unsicher-

heit, in der sie lebten, war er in der Lage, jede Lo-

gik zu verwandeln und der Geschichte und den

Ereignissen eine neue Bedeutung zu verleihen.

Jede Zeit ist geeignet, Frieden zu verkünden,

keine Situation ist seiner Gnade beraubt. Seine

Gegenwart inmitten des Eingeschlossen-Seins

Brief von Papst Franziskus an die Priester der Diözese Rom

Propheten einer neuen Zukunft

Fortsetzung auf Seite 11

In einigen römischen Pfarreien wurde die heilige Messe über Livestream übertragen, in anderen feier-

ten die Priester die heilige Messe mit Lautsprechern auf dem Dach der Kirche, so dass die Nachbarn

daran teilnehmen konnten.

Die christliche Freude entspringt

genau dieser Gewissheit. Mitten in den Widersprüchen

und dem Unbegreiflichen, dem wir uns jeden Tag

stellen müssen, überflutet und sogar betäubt

von so vielen Worten und Zusammenhängen,

verbirgt sich die Stimme des Auferstandenen,

der zu uns sagt:

»Friede sei mit euch!«

Page 11: Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am ... · 2 Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von Abraham ertönt. Eine Stimme,

12. Juni 2020 / Nummer 24/25 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache

11Aus dem Vatikan

und der erzwungenen Abwesenheit kündet für

die Jünger von damals wie für uns heute einen

neuen Tag an, der Bewegungslosigkeit und Resi-

gnation in Frage zu stellen und im Dienst an der

Gemeinschaft alle Gaben zu mobilisieren ver-

mag. Durch seine Gegenwart ist das Eingeschlos-

sen-Sein fruchtbar geworden und hat der neuen

Gemeinschaft der Apostel Leben geschenkt.

Sagen wir es mit Vertrauen und ohne Angst:

»Wo jedoch die Sünde mächtig wurde, da ist die

Gnade übergroß geworden« (Röm 5,20). Haben

wir keine Angst vor den komplexen Szenarien,

die wir bewohnen, weil der Herr dort mitten un-

ter uns ist! Gott hat immer das Wunder voll-

bracht, gute Früchte hervorzubringen (vgl. Joh

15,5). Die christliche Freude entspringt genau

dieser Gewissheit. Mitten in den Widersprüchen

und dem Unbegreiflichen, dem wir uns jeden Tag

stellen müssen, überflutet und sogar betäubt von

so vielen Worten und Zusammenhängen, ver-

birgt sich die Stimme des Auferstandenen, der zu

uns sagt: »Friede sei mit euch!«

Es ist tröstlich, das Evangelium zur Hand zu

nehmen und Jesus zu betrachten, wie er mitten

unter seinem Volk ist, während er das Leben und

die Menschen, so wie sie sind, annimmt und um-

armt. Seine Gesten verkörpern den schönen Lob-

gesang Marias: »Er vollbringt mit seinem Arm

machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll

Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom

Thron und erhöht die Niedrigen« (Lk 1,51-52). Er

selbst hat seine Hände und seine verwundete

Seite als Weg zur Auferstehung angeboten. We-

der verbirgt noch verhüllt er seine Wunden, ja

vielmehr lädt er Thomas ein, mit Händen zu grei-

fen, dass eine Seitenwunde Quelle des Lebens in

Fülle sein kann (vgl. Joh 20,27-29).

Wiederholt durfte ich als geistlicher Begleiter

Zeuge folgender Tatsache sein: »Der Mensch, der

die Dinge sieht, wie sie wirklich sind, der sich

vom Schmerz durchdringen lässt und in seinem

Herzen weint, ist fähig, die Tiefen des Lebens zu

berühren und wahrhaft glücklich zu sein. Dieser

Mensch wird getröstet, aber mit dem Trost Jesu

und nicht mit dem der Welt. So kann er sich

trauen, fremdes Leid zu teilen, und hört auf, vor

den schmerzvollen Situationen zu fliehen. Auf

diese Weise findet er, dass das Leben Sinn hat,

wenn man dem anderen in seinem Schmerz bei-

steht, wenn man die fremde Angst versteht,

wenn man den anderen Erleichterung verschafft.

Dieser Mensch spürt, dass der andere Fleisch von

seinem Fleisch ist; er fürchtet sich nicht davor,

sich zu nähern und sogar seine Wunde zu

berühren; er hat solches Mitleid, das ihn erfahren

lässt, dass alle Distanz verschwindet. So kann

man die Ermahnung des heiligen Paulus anneh-

men: ›Weint mit den Weinenden!‹ (Röm 12,15).

Mit den anderen zu trauern wissen, das ist Hei-

ligkeit« (Apostolisches Schreiben Gaudete et ex-

sultate, 76)

»Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich

euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er

sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen

Geist!« (Joh 20,21-22).

Liebe Brüder, als Presbyterium sind wir auf-

gerufen, die Zukunft zu verkünden und zu pro-

phezeien, wie der Wächter, der das Morgenrot

ankündet, das einen neuen Tag bringt (vgl. Jes

21,11): Entweder wird es etwas Neues sein oder

es wird mehr, sehr viel mehr und schlimmer sein

als gewöhnlich. Die Auferstehung ist nicht nur

ein historisches Ereignis der Vergangenheit, an

das man sich erinnert und das man feiert. Sie ist

mehr, sehr viel mehr: Sie ist die Ankündigung

des Heils einer neuen Zeit, die bereits heute er-

klingt und sich Bahn bricht: »Schon sprießt es,

merkt ihr es nicht?« (Jes 43,19). Es ist das »An-

Kommende«, zu dessen Aufbau der Herr uns auf-

ruft.

Der Glaube befähigt uns zu einer realistischen

und kreativen Vorstellungskraft, die in der Lage

ist, die Logik der Wiederholung, des Ersatzes oder

der Bewahrung beiseite zu lassen, und die uns

einlädt, eine immer neue Zeit zu beginnen: die

Zeit des Herrn. Wenn uns eine unsichtbare, laut-

lose, expansive und virale Präsenz in eine Krise

gestürzt und erschüttert hat, dann wollen wir zu-

lassen, dass uns diese andere diskrete, respekt-

volle und nicht invasive Gegenwart erneut ruft

und uns lehrt, keine Angst zu haben, uns der

Wirklichkeit zu stellen. Wenn eine nicht fassbare

Präsenz in der Lage war, die Prioritäten und eine

scheinbar unverrückbare globale Agenda – die

unsere Gemeinschaften und unsere Schwester

Erde so sehr ersticken und verheeren – durch-

einanderzubringen und auf den Kopf zu stellen,

dann wollen wir keine Angst haben, dass die Ge-

genwart des Auferstandenen uns den Weg bahnt,

neue Horizonte eröffnet und uns den Mut gibt,

diesen historischen und einzigartigen Augen-

blick zu leben. Eine Handvoll furchtsamer Män-

ner war in der Lage, eine neue Bewegung ins Le-

ben zu rufen: die Verkündigung des lebendigen

Gottes-mit-uns. Habt keine Angst! »Die Kraft des

Zeugnisses der Heiligen liegt darin, die Seligprei-

sungen und den Maßstab des Jüngsten Gerichts

zu leben« (Apostolisches Schreiben Gaudete et

exsultate, 109).

Lassen wir uns neu vom Auferstandenen

überraschen. Von seiner Seitenwunde her, Zei-

chen dafür, wie hart und ungerecht die Realität

wird, möge er es sein, der uns drängt, der harten,

schwierigen Realität unserer Brüder und Schwes -

tern nicht den Rücken zu kehren. Er möge es

sein, der uns lehrt, die Wunden unseres Volkes

zu begleiten, zu heilen und zu verbinden, nicht

ängstlich, sondern mutig und mit der wunderba-

ren Überfülle der Brotvermehrung aus dem

Evangelium (vgl. Mt 14,15-21); mit dem Mut, der

Fürsorge und der Verantwortung des Samariters

(vgl. Lk 10,33-35); mit der Freude und dem Fest

des Hirten für sein wiedergefundenes Schaf (vgl.

Lk 15,4-6); mit der versöhnenden Umarmung

des Vaters, der die Vergebung kennt (vgl. Lk

15,20); mit dem Mitleid, der Sanftmut und der

Zärtlichkeit der Maria von Bethanien (vgl. Joh

12,1-3); mit der Sanftmut, Geduld und Klugheit

der missionarischen Jünger des Herrn (vgl. Mt

10,16-23). Mögen die verwundeten Hände des

Auferstandenen unsere Traurigkeiten trösten,

unsere Hoffnung neu wecken und uns drängen,

jenseits unserer üblichen Zufluchtsorte das Reich

Gottes zu suchen.

Lassen wir uns auch überraschen von unse-

rem gläubigen und einfachen Volk, dem so oft

geprüften und aufgeriebenen, aber auch von der

Barmherzigkeit des Herrn besuchten Volk.

Möge dieses Volk uns lehren, unser Hirtenherz

mit Sanftmut und Mitleid zu formen und zu stär-

ken, mit Demut und mit der Großherzigkeit der

aktiven, solidarischen, geduldigen und mutigen

Widerstandsfähigkeit, die nicht gleichgültig

bleibt, sondern jede Art von Skeptizismus und

Fatalismus Lügen straft und entlarvt. Wie viel

gibt es da zu lernen von der Kraft des gläubigen

Gottesvolks, das immer einen Weg findet, um

dem, der gefallen ist, zu helfen und ihn zu be-

gleiten! Die Auferstehung ist die Verkündigung,

dass sich die Dinge ändern können. Lassen wir

es zu, dass das Osterfest, das keine Grenzen

kennt, uns auf kreative Weise zu den Orten

führt, wo die Hoffnung und das Leben zu kämp-

fen haben, wo Leid und Schmerz zu einem Kor-

ruption und Spekulation begünstigenden Raum

werden, wo Aggressivität und Gewalt der letzte

Ausweg zu sein scheinen.

Als Priester, Söhne und Glieder eines pries -

terlichen Volkes kommt es uns zu, die Verant-

wortung für die Zukunft zu übernehmen und sie

als Brüder zu entwerfen. Legen wir unsere Ver-

wundbarkeit, die Verwundbarkeit unseres

Volkes und der ganzen Menschheit als heilige

Opfergabe in die verwundeten Hände des Herrn.

Der Herr ist derjenige, der uns verwandelt, der

sich unser bedient wie des Brotes, der unser Le-

ben in seine Hände nimmt, uns segnet, uns

bricht, uns austeilt und seinem Volk gibt. Lassen

wir uns in aller Demut von den Worten des heili-

gen Paulus salben, damit sie sich wie wohlrie-

chendes Öl in den unterschiedlichen Winkeln

unserer Stadt verbreiten und so die verborgene

Hoffnung wecken, die viele stillschweigend in

ihrem Herzen tragen: »Von allen Seiten werden

wir in die Enge getrieben und finden doch noch

Raum; wir wissen weder aus noch ein und ver-

zweifeln dennoch nicht; wir werden gehetzt und

sind doch nicht verlassen; wir werden niederge-

streckt und doch nicht vernichtet. Immer tragen

wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit

auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar

wird« (2 Kor 4,8-10). Nehmen wir mit Jesus an

seiner Passion teil, unsere Passion, um mit ihm

auch die Kraft der Auferstehung zu leben: Ge-

wissheit der Liebe Gottes, die das Innerste zu be-

wegen und an die Wegkreuzungen hinauszuge-

hen vermag, um »den Armen eine frohe

Botschaft zu bringen, um den Gefangenen die

Entlassung zu verkünden und den Blinden das

Augenlicht, um die Zerschlagenen in Freiheit zu

setzen und ein Gnadenjahr des Herrn auszuru-

fen« (vgl. Lk 4,18-19), in der Freude darüber, dass

alle mit ihrer Würde als Kinder des lebendigen

Gottes aktiv teilhaben können.

All dies, was ich in dieser Zeit der Pandemie

gedacht und gespürt habe, möchte ich brüderlich

mit euch teilen, damit es uns helfen möge auf

dem Weg des Lobpreises an den Herrn und des

Dienstes an den Brüdern und Schwestern. Ich

hoffe, dass dies uns allen eine Hilfe sein möge,

um »mehr zu lieben und mehr zu dienen«.

Der Herr segne euch und die allerseligste

Jungfrau behüte euch. Und bitte vergesst nicht,

für mich zu beten.

Brüderlich

Rom, bei St. Johannes im Lateran, am 31. Mai

2020, Hochfest Pfingsten

(Orig. ital. in O.R. 31.5.2020)

Brief von Papst Franziskus an die Priester der Diözese Rom

Fortsetzung von Seite 10

Charles de Foucauld

»Patron bei Corona-Einsamkeit«

Vatikanstadt. Mit Charles

de Foucauld (1858-1916) erhält

die katholische Kirche einen

Abenteurer als neuen Heiligen,

der vor allem durch seine »radi-

kale Gottsuche« hervorsticht:

Das hat P. Bernard Ardura, Prä-

sident des Päpstlichen Komitees

für Geschichtswissenschaften

und zugleich Postulator für die

Heiligsprechung des in Algerien

ermordeten Eremiten, in einem

Interview mit dem Portal »Vati-

can News« dargelegt. Papst

Franziskus hat am 26. Mai ein

auf Foucaulds Fürbitte gewirk-

tes Wunder anerkannt, womit

die formalen Voraussetzungen

für die weltweite Verehrung des

bereits 2005 seliggesproche-

nen Ordensmanns erfüllt sind.

Ein Termin für die Heilig -

sprechung ist allerdings noch

nicht bekannt.

Durch Foucaulds Leben in

der Abgeschiedenheit der Wüs -

te könne er durchaus als

Schutzheiliger in Zeiten des

Corona-bedingten »Social Di-

stancing« gelten, befand der Hi-

storiker und Priester Ardura:

Auch Foucauld selbst habe

lange Zeit weder die Messe fei-

ern noch die Eucharistie emp-

fangen können.

Der 1858 in Straßburg gebo-

rene Foucauld trat als Offizier

und Nordafrika-Forscher 1890

zunächst in den Trappistenor-

den ein. Nach Aufenthalten in

Klöstern Frankreichs und spä-

ter Syriens wurde er sieben

Jahre später Eremit. Auf der Su-

che nach einem einfachen Le-

ben arbeitete er in Nazareth als

Hausangestellter im Garten des

Klarissenklosters, ehe er sich im

westlichen Algerien niederließ.

Nach der Übersiedlung nach

Tamanrasset im Süden, wo er

vermittelnd unter den lokalen

Tuareg-Völkern leben wollte,

wurde er 1916 in seiner Einsie-

delei bei einem Überfall ermor-

det. Auf Foucauld beziehen

sich zahlreiche Ordensgemein-

schaften.

Foucauld, der sich »Kleiner

Bruder Charles von Jesus«

nannte, habe in Nordafrika

neue Wege in der Spiritualität,

im interreligiösen Dialog, in

der Mission, vor allem aber in

der persönlichen Gottsuche

eingeschlagen, hob der Postula-

tor hervor. Im Mittelpunkt

habe für den baldigen »Wüs -

tenheiligen« die Begegnung

mit Christus im Evangelium

und in der Eucharistie gestan-

den. Sein Zeugnis ohne viele

Worte sei geprägt durch eine

»große Kohärenz« zwischen

Glauben und Leben.

»Christus selbst hat seine Hände und seine verwundete Seite als Weg zur Auferstehung angeboten.

Weder verbirgt noch verhüllt er seine Wunden, ja vielmehr lädt er Thomas ein, mit Händen zu greifen,

dass eine Seitenwunde Quelle des Lebens in Fülle sein kann (vgl. Joh 20,27-29).«

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12. Juni 2020 / Nummer 24/25 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache

12 Aus dem Vatikan

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

Wir widmen die heutige Katechese dem Ge-

bet der Gerechten.

Der Plan Gottes für die Menschheit ist gut,

aber in unserem täglichen Leben erfahren wir

die Gegenwart des Übels: Das ist eine tägliche Er-

fahrung. Die ersten Kapitel des Buches Genesis

beschreiben die allmähliche Ausbreitung der

Sünde im menschlichen Leben. Adam und Eva

(vgl. Gen 3,1-7) zweifeln an den guten Absichten

Gottes und meinen, sie hätten es mit einer neidi-

schen Gottheit zu tun, die es ihnen verwehre,

glücklich zu sein. Daher die Auflehnung: Sie glau-

ben nicht mehr an einen großherzigen Schöpfer,

der ihre Glückseligkeit will. Ihr Herz gibt der Ver-

suchung des Bösen nach und ist vom Allmachts-

wahn befallen: »Wenn wir die Frucht von dem

Baum essen, werden wir wie Gott« (vgl. V. 5).

Und das ist die Versuchung: Das ist der Ehrgeiz,

der ins Herz hineinkommt. Die Erfahrung kehrt

sich jedoch ins Gegenteil: Ihre Augen öffnen sich,

und sie erkennen, dass sie nackt sind (vgl. V. 7),

ohne alles. Vergesst das nicht: Der Versucher ist

ein schlechter Zahler, er bezahlt schlecht.

Das Übel bricht noch weiter herein, ist noch

stärker in der zweiten Generation der Mensch-

heit: Das ist die Geschichte von Kain und Abel

(vgl. Gen 4,1-16). Kain ist eifersüchtig auf seinen

Bruder: Der Wurm der Eifersucht ist da. Obwohl

er der Erstgeborene ist, sieht er in Abel einen Ri-

valen, jemanden, der nach seiner Vorrangstellung

trachtet. Das Übel kommt in seinem Herzen zum

Vorschein, und Kain kann es nicht beherrschen.

Das Übel schleicht sich in das Herz: Die Gedan-

ken gehen immer dahin, den anderen in einem

schlechten Licht, mit Misstrauen zu sehen. Und

das geschieht auch mit dem Gedanken: »Er ist

böse, er wird mir etwas Böses antun.« Und dieser

Gedanke schleicht sich ins Herz ein… Und so en-

det die Geschichte des ersten Brüderpaars mit ei-

nem Mord. Ich denke an die menschliche Brüder-

lichkeit heute… überall Kriege.

Bosheit des Menschen

In Kains Nachkommenschaft entwickeln sich

die Berufe und die Künste, aber es entwickelt sich

auch die Gewalt. Sie wird zum Ausdruck ge-

bracht vom düsteren Gesang des Lamech, der

wie ein Rachehymnus klingt: »Ja, einen Mann er-

schlage ich für meine Wunde und ein Kind für

meine Strieme. Wird Kain siebenfach gerächt,

dann Lamech siebenundsiebzigfach« (Gen 4,23-

24). Die Rache: »Du hast es getan, du wirst dafür

bezahlen.« Aber das sagt nicht der Richter, das

sage ich. Und ich mache mich zum Richter der Si-

tuation. Und so breitet sich das Übel wie ein Lauf-

feuer aus, bis es das ganze Bild einnimmt: »Der

Herr sah, dass auf der Erde die Bosheit des Men-

schen zunahm und dass alles Sinnen und Trach-

ten seines Herzens immer nur böse war« (Gen

6,5). Die großen Bilder von der Sintflut (Kap. 6-7)

und vom Turmbau zu Babel (Kap. 11) offenbaren,

dass es eines Neuanfangs bedarf, gleichsam einer

neuen Schöpfung, die in Jesus Christus ihre volle

Erfüllung finden wird.

Dennoch steht auf diesen ersten Seiten der Bi-

bel auch eine andere Geschichte geschrieben. Sie

ist weniger spektakulär, viel demütiger und ehr-

fürchtiger, und steht für die Befreiung der Hoff-

nung. Auch wenn sich fast alle unmenschlich ver-

halten, indem sie Hass und Eroberung zur großen

Triebkraft des menschlichen Lebens machen, so

gibt es doch Menschen, die fähig sind, aufrichtig

zu Gott zu beten und das Schicksal des Menschen

in eine andere Richtung zu lenken. Abel bringt

Gott die Erstlingsfrüchte als Opfer dar.

Nach seinem Tod hatten Adam und Eva einen

dritten Sohn, Set, dem Enosch geboren wurde

(was »Sterblicher« bedeutet), und es heißt: »Da-

mals fing man an, den Namen des Herrn anzuru-

fen« (4,26). Dann erscheint Henoch, der »mit Gott

geht« und in den Himmel aufgenommen wird

(vgl. 5,22.24). Und schließlich ist da die Ge-

schichte von Noach, einem gerechten Mann: »Er

ging mit Gott« (6,9), und angesichts seiner gibt

Gott sein Vorhaben auf, die Menschheit zu ver-

nichten (vgl. 6,7-8).

Wenn man diese Berichte liest, dann hat man

den Eindruck, dass das Gebet der Schutzwall, die

Zuflucht des Menschen angesichts der großen

Welle des Übels sei, die in der Welt wächst. Ge-

nauer betrachtet beten wir auch darum, von uns

selbst erlöst zu werden. Es ist wichtig zu beten:

»Herr, ich bitte dich, erlöse mich von mir selbst,

von meinem Ehrgeiz, von meinen Leidenschaf-

ten.« Die Beter der ersten Seiten der Bibel sind

Friedensstifter: Denn wenn das Gebet echt ist,

befreit es von dem Drang zur Gewalt und ist ein

Blick, der Gott zugewandt ist, auf dass er wieder

Sorge tragen möge für das Herz des Menschen.

Im Katechismus heißt es: »Diese Art des Gebetes

wird von vielen Gerechten aller Religionen ge-

pflegt« (KKK, 2569). Das Gebet pflegt blühende

Beete der Neugeburt an Orten, wo der Hass des

Menschen nur in der Lage war, die Wüste zu er-

weitern. Und das Gebet ist mächtig, weil es

Gottes Macht anzieht, und Gottes Macht schenkt

immer Leben: immer. Er ist der Gott des Lebens;

er lässt uns neu geboren werden.

Darum durchzieht die Herrschaft Gottes die

Kette dieser Männer und Frauen, die in der Welt

oft unverstanden oder ausgegrenzt sind. Aber die

Welt lebt und wächst durch die Kraft Gottes, die

seine Diener mit ihrem Gebet anziehen. Sie sind

eine alles andere als lärmende Kette, die selten in

die Schlagzeilen gerät, und dennoch ist sie so

wichtig, um der Welt wieder Zuversicht zu schen-

ken!

Verwandlung des Herzens

Ich erinnere mich an die Geschichte eines

Mannes: eines Regierungsoberhauptes, eines

wichtigen Mannes, nicht aus unserer Zeit, son-

dern aus der Vergangenheit. Ein Atheist, der kei-

nen religiösen Sinn im Herzen hatte, aber als

Kind die Großmutter hatte beten hören, und das

ist ihm im Herzen geblieben. Und in einem

schwierigen Augenblick seines Lebens ist ihm

die Erinnerung ins Herz zurückgekehrt, und er

sagte: »Die Großmutter hat doch gebetet…« So

begann er zu beten mit den Formulierungen der

Großmutter, und dort hat er Jesus gefunden. Das

Gebet ist eine Kette des Lebens, immer: viele

Männer und Frauen, die beten, die Leben säen.

Das Gebet sät Leben, das kleine Gebet: Darum ist

es so wichtig, die Kinder beten zu lehren. Es

schmerzt mich, wenn ich Kindern begegne, die

nicht das Kreuzzeichen machen können. Man

muss sie lehren, das Kreuzzeichen richtig zu ma-

chen, denn es ist das erste Gebet. Später mögen

sie es vielleicht vergessen, einen anderen Weg

einschlagen: Aber die ersten Gebete, die man als

Kind gelernt hat, bleiben im Herzen, denn sie

sind ein Same des Lebens, der Same des Dialogs

mit Gott.

Der Weg Gottes in der Geschichte Gottes hat

durch sie hindurchgeführt: Er ist durch einen

»Rest« der Menschheit gegangen, der sich nicht

dem Gesetz des Stärkeren angepasst, sondern

Gott gebeten hat, seine Wunder zu vollbringen

und vor allem unser Herz von Stein in ein Herz

von Fleisch zu verwandeln (vgl. Ez 36,26). Und

das hilft dem Gebet: Denn das Gebet öffnet Gott

die Tür und verwandelt unser Herz, das oft von

Stein ist, in ein menschliches Herz. Und es

braucht dafür viel Menschlichkeit, und mit der

Menschlichkeit betet man gut.

(Orig. ital. in O.R. 28.5.2020)

Generalaudienz vom 27. Mai als Video-Stream aus der Bibliothek des Apostolischen Palastes

Das Gebet öffnet Gott die Tür

Ansprache von Papst Franziskus beim Regina Caeli am Hochfest Pfingsten, 31. Mai

Worte der Versöhnung und Vergebung

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

Jetzt, da der Petersplatz wieder geöffnet ist,

können wir hierher zurückkehren. Es ist mir eine

Freude!

Wir feiern heute das hohe Pfingstfest zum Ge-

denken an die Ausgießung des Heiligen Geistes

über die erste Christengemeinde. Das heutige

Evangelium (vgl. Joh 20,19-23) führt uns zurück

zum Osterabend und zeigt uns den auferstande-

nen Jesus, der im Abendmahlssaal erscheint, wo-

hin sich die Jünger geflüchtet haben. Sie hatten

Angst. »Er trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen:

Friede sei mit euch!« (V. 19). Diese ersten Worte,

die der Auferstandene aussprach: »Friede sei mit

euch«, sind mehr als ein Gruß: sie drücken Verge-

bung aus, die Vergebung, die den Jüngern ge-

währt wurde, die ihn, um die Wahrheit zu sagen,

im Stich gelassen hatten. Es sind Worte der Ver-

söhnung und Vergebung. Und auch wir schen-

ken, wenn wir anderen Frieden wünschen, Ver-

gebung und bitten auch um Vergebung. Jesus

bietet seinen Frieden gerade diesen Jüngern an,

die sich fürchten, denen es schwer fällt zu glau-

ben, was sie gesehen haben, nämlich das leere

Grab, und die das Zeugnis der Maria von Magdala

und anderer Frauen unterschätzen. Jesus vergibt,

er vergibt immer, und bietet seinen Freunden sei-

nen Frieden an. Vergesst nicht: Jesus wird nicht

müde, zu vergeben. Wir sind es, die es müde wer-

den, um Vergebung zu bitten.

Indem Jesus seinen Jüngern vergibt und sie

um sich versammelt, macht er sie zu einer Kirche,

zu seiner Kirche, die eine versöhnte, missionsbe-

reite Gemeinschaft ist. Versöhnt und bereit zur

Mission. Wenn eine Gemeinschaft nicht ver-

söhnt ist, ist sie nicht bereit für die Mission: sie ist

bereit, untereinander zu diskutieren, sie ist bereit

für interne [Diskussionen]. Die Begegnung mit

dem auferstandenen Herrn stellt die Existenz der

Apostel auf den Kopf und macht sie zu mutigen

Zeugen. Tatsächlich sagt er unmittelbar danach:

»Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich

euch« (V. 21). Diese Worte machen deutlich, dass

die Apostel gesandt sind, um die gleiche Mission

Fortsetzung auf Seite 13

Oben: Adam und Eva beweinen den toten Abel

(Jan Saenredam, 1604): »Und so endet die

Geschichte des ersten Brüderpaars mit einem

Mord. Ich denke an die menschliche Brüder -

lichkeit heute… überall Kriege«, merkte der

Papst zu dieser biblischen Begebenheit an.

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12. Juni 2020 / Nummer 24/25 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache

13Aus dem Vatikan

Liebe Schwestern!

1. Vor fünfzig Jahren promulgierte die Heilige

Kongregation für den Gottesdienst, im Auftrag

des heiligen Paul VI., den neuen Ritus der Jung-

frauenweihe. Die noch andauernde Pandemie hat

die Kongregation für die Institute des geweihten

Lebens und die Gesellschaften apostolischen Le-

bens dazu gezwungen, das internationale Treffen

zu verschieben, welches sie zur Feier dieses

wichtigen Jahrestages einberufen hatte. Ich

möchte mich dennoch Eurem Dank anschließen,

wie der heilige Johannes Paul II. anlässlich des

25. Jahrestages der Promulgation des Ritus sagte,

für diese »zweifache Gabe des Herrn an seine Kir-

che«: für den erneuerten Ritus und »für den der

Gemeinschaft der Kirche zurückgegebenen«

Ordo fidelium (Ansprache an die Teilnehmerin-

nen der Internationalen Tagung des Ordo Virgi-

num, 2. Juni 1995).

Eure Lebensform findet ihre erste Quelle im

Ritus, erhält ihre rechtliche Gestaltung in can.

604 des Kodex des kanonischen Rechts und ab

2018 in der Instruktion Ecclesiae Sponsae imago.

Eure Berufung macht den unerschöpflichen und

vielfältigen Reichtum des Geistes des Auferstan-

denen deutlich, der alles neu macht (vgl. Offb

21,5). Zugleich ist sie ein Zeichen der Hoffnung:

Die Treue des Vaters legt auch heute noch einigen

Frauen den Wunsch ins Herz, dem Herrn in Jung-

fräulichkeit geweiht zu sein und diese in ihrem

gewöhnlichen sozialen und kulturellen Umfeld,

in einer Teilkirche verwurzelt, in einer alten und

gleichzeitig neuen und modernen Lebensform zu

leben.

Von Euren Bischöfen begleitet, habt Ihr die Ei-

genart Eurer Form des gottgeweihten Lebens ver-

tieft und dabei erfahren, dass die Jungfrauen-

weihe Euch in der Kirche zu einem besonderen

Ordo fidelium macht. Setzt diesen Weg fort und

bemüht Euch gemeinsam mit den Bischöfen um

ernsthafte Wege der Berufungsfindung, der ein-

führenden Ausbildung und der ständigen Weiter-

bildung. Das Geschenk Eurer Berufung drückt

sich in der Tat in der Symphonie der Kirche aus,

die entsteht, wenn sie in Euch Frauen erkennen

kann, die das Geschenk der Schwesternschaft zu

leben im Stande sind.

2. Fünfzig Jahre nach dem Inkrafttreten des

erneuerten Ritus möchte ich Euch sagen: Löscht

die Prophetie Eurer Berufung nicht aus! Ihr seid

nicht durch eigenes Verdienst, sondern aufgrund

der Barmherzigkeit Gottes dazu berufen, in Eurer

Existenz das Antlitz der Kirche, der Braut Christi,

aufleuchten zu lassen, die Jungfrau ist, weil sie,

obwohl sie aus Sündern besteht, den Glauben un-

versehrt bewahrt sowie eine neue Menschheit

empfängt und wachsen lässt.

Gemeinsam mit dem Geist, mit der ganzen

Kirche und jedem Hörer des Wortes seid Ihr

eingeladen, Euch Christus anzuvertrauen und

ihm zu sagen: »Komm!« (Offb 22,17), um in der

Kraft zu verbleiben, die seine Antwort spendet:

»Ja, ich komme bald!« (Offb 22,20). Diese An-

kunft des Bräutigams ist der Horizont Eures

Weges in der Kirche, Euer Ziel und die jeden Tag

neu zu ergreifende Verheißung. »Auf diese

Weise könnt ihr mit eurer ehrenhaften Lebens-

weise Sterne sein, die Orientierung geben für den

Lauf der Welt« (Benedikt XVI., Ansprache an die

Teilnehmerinnen am Kongress des Ordo Virgi-

num, 15. Mai 2008).

Ich lade Euch ein, die Texte des Ritus neu zu

lesen und zu meditieren, in denen die Bedeutung

Eurer Berufung widerhallt: Ihr seid berufen, zu

erfahren und zu bezeugen, dass Gott uns in sei-

nem Sohn zuerst geliebt hat, dass seine Liebe al-

len gilt und die Kraft hat, Sünder in Heilige zu ver-

wandeln. In der Tat hat »Christus die Kirche

geliebt und sich für sie hingegeben […], um sie zu

heiligen, da er sie gereinigt hat durch das Wasser-

bad im Wort!« (Eph 5,25-26). Euer Leben wird die

eschatologische Spannung durchscheinen lassen,

die die gesamte Schöpfung belebt, die ganze Ge-

schichte antreibt und aus der Einladung des auf-

erstandenen Herrn entspringt: »Steh auf, meine

Freundin, meine Schöne, so komm doch!« (vgl.

Hld 2,10; Origenes, Predigten über das Hohelied

II, 12).

3. Die Modellpredigt des Ritus der Jungfrauen-

weihe ermahnt Euch: »Liebt alle und bevorzugt

die Armen« (Nr. 29). Die Jungfrauenweihe behält

Euch Gott vor, ohne Euch von Eurem Umfeld zu

entfremden, in dem Ihr lebt und dazu berufen

seid, Euer Zeugnis in dem evangeliumsgemäßen

Stil der Nähe zu geben (vgl. Ecclesiae Sponsae im-

ago, 37-38). Mit dieser besonderen Nähe zu den

Menschen von heute möge Eure jungfräuliche

Weihe der Kirche helfen, die Armen zu lieben,

materielle und geistige Armut zu erkennen und

den Gebrechlichsten und Wehrlosesten zu hel-

fen, den körperlich und psychisch Leidenden, den

Kleinen und den alten Menschen, denen, die in

Gefahr sind, wie Abfall ausgesondert zu werden.

Seid Frauen der Barmherzigkeit, Experten der

Menschlichkeit. Frauen, die »an das Revolu-

tionäre der Zärtlichkeit und der Liebe« glauben

(Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium,

288). Die Pandemie lehrt uns: »Es ist an der Zeit,

die Ungleichheit zu beseitigen, die Ungerechtig-

keit zu heilen, die die Gesundheit der gesamten

Menschheit bedroht!« (Predigt in der heiligen

Messe, Barmherzigkeitssonntag, 19. April 2020).

Was in der Welt gerade geschieht, möge Euch auf-

rütteln: Verschließt nicht die Augen und lauft

nicht weg; durchschreitet mit Feingefühl den

Schmerz und das Leiden; haltet durch und ver-

kündigt das Evangelium von der Fülle des Lebens

für alle!

Das Gebet der Jungfrauenweihe ruft die viel-

fältigen Gaben des Geistes für Euch herab und bit-

tet darum, dass Ihr in einer casta libertas zu leben

vermögt. (Ritus der Jungfrauenweihe, 38). Möge

das Eure Art sein, Beziehung zu leben, um Zei-

chen der bräutlichen Liebe zu sein, die Christus

mit der Kirche, Jungfrau und Mutter, Schwester

und Freundin der Menschheit, vereint. Mit Eurer

Güte (vgl. Phil 4,5) knüpft Ihr echte Beziehungs-

geflechte, die unsere Stadtviertel aus der Einsam-

keit und Anonymität befreien mögen. Seid zur

Parrhesia fähig, von der Versuchung zu Ge-

schwätz und Klatsch aber haltet Euch fern. Tretet

der Überheblichkeit mit Weisheit, Unterneh-

mungsgeist und der Maßgeblichkeit der Nächs -

tenliebe entgegen und verhindert so Machtmiss -

brauch.

4. Am Pfingstfest möchte ich jede Einzelne

von Euch segnen wie auch die Frauen, die sich

auf diese Weihe vorbereiten und alle, die sie in

der Zukunft empfangen werden. »Der Heilige

Geist ist der Kirche mitgeteilt worden als uner-

schöpfliches Prinzip ihrer Freude als Braut des er-

höhten Christus» (Hl. Paul VI., Apostolisches

Schreiben Gaudete in Domino, 41). Seid als Zei-

chen für die Kirche in ihrer bräutlichen Dimen-

sion Frauen der Freude nach dem Beispiel von

Maria von Nazaret, der Frau des Magnificat, der

Mutter des lebendigen Evangeliums.

Rom, bei St. Johannes im Lateran,

am 31. Mai 2020,

dem Hochfest Pfingsten.

Botschaft von Papst Franziskus zum 50. Jahrestag der Promulgation des Ritus der Jungfrauenweihe

Zeichen der bräutlichen Dimension der Kirche

Regina Caeli am Pfingstsonntag

zu verlängern, die der Vater Jesus anvertraut hat.

»Ich sende euch«: es ist nicht die die Zeit, einge-

sperrt zu sein, und auch nicht die Zeit, zu bedau-

ern: die »guten Zeiten«, die mit dem Meister ver-

brachte Zeit. Die Freude über die Auferstehung

ist groß, aber es ist eine ausgeweitete Freude, die

nicht für sich selbst behalten werden sollte, son-

dern die es zu schenken gilt. An den Sonntagen

der Osterzeit hörten wir zuerst dieselbe Episode,

dann die Begegnung mit den Jüngern von Em-

maus, dann den Guten Hirten, die Abschieds -

reden und die Verheißung des Heiligen Geistes:

all dies ist darauf ausgerichtet, den Glauben der

Jünger – und auch unseren – im Hinblick auf die

Mission zu stärken.

Und gerade um die Mission zu beleben gibt

Jesus den Aposteln seinen Geist. Das Evangelium

sagt: »Er hauchte sie an und sagte: Empfangt den

Heiligen Geist« (V. 22). Der Heilige Geist ist Feuer,

das Sünden verbrennt und neue Männer und

Frauen schafft; er ist Feuer der Liebe, mit dem die

Jünger »die Welt in Brand setzen« können, jene

Liebe der Zärtlichkeit, die die Kleinen, die Armen,

die Ausgeschlossenen bevorzugt… In den Sakra-

menten der Taufe und der Firmung haben wir

den Heiligen Geist mit seinen Gaben empfangen:

Weisheit, Einsicht, Rat, Stärke, Erkenntnis, Fröm-

migkeit, Gottesfurcht. Diese letzte Gabe – die

Gottesfurcht – ist genau das Gegenteil der Furcht,

die zuvor die Jünger gelähmt hatte: sie ist die

Liebe zum Herrn, sie ist die Gewissheit seiner

Barmherzigkeit und Güte, sie ist das Vertrauen

darauf, dass wir uns in die von ihm gewiesene

Richtung bewegen können, ohne jemals auf seine

Gegenwart und Unterstützung verzichten zu

müssen.

Das Pfingstfest erneuert das Bewusstsein,

dass die Leben spendende Gegenwart des Heili-

gen Geistes in uns wohnt. Er gibt uns auch den

Mut, außerhalb der schützenden Mauern unse-

rer »Abendsmahlssäle«, der kleinen Gruppen,

zu gehen, ohne uns im ruhigen Leben auszuru-

hen oder uns in sterilen Gewohnheiten einzu -

schließen. Erheben wir nun unsere Gedanken zu

Maria. Sie war zusammen mit den Aposteln da-

bei, als der Heilige Geist kam, Protagonistin zu-

sammen mit der ersten Gemeinde der wunderba-

ren Erfahrung von Pfingsten, und wir beten zu

ihr, dass sie für die Kirche den glühenden missio-

narischen Geist erhalte.

Nach dem Regina Caeli sagte der Papst zu den

auf dem Petersplatz versammelten Gläubigen:

Liebe Brüder und Schwestern!

Vor sieben Monaten endete die Amazonas-

Synode. Heute, am Pfingstfest, rufen wir den Hei-

ligen Geist an, um der Kirche und der Gesell-

schaft im von der Pandemie schwer getroffenen

Amazonasgebiet Licht und Kraft zu geben. Es gibt

viele Infizierte und Tote, auch unter den indige-

nen Völkern, die besonders gefährdet sind. Auf

die Fürsprache Marias, der Mutter Amazoniens,

bete ich für die Ärmsten und Schutzlosesten die-

ser lieben Region, aber auch für die Menschen in

der ganzen Welt, und ich appelliere, dass es nie-

mandem an medizinischer Versorgung mangeln

möge. Sich um die Menschen sorgen, nicht für

die Wirtschaft sparen. Sich um Menschen sor-

gen, die wichtiger sind als die Wirtschaft. Wir

Menschen sind der Tempel des Heiligen Geistes,

nicht die Wirtschaft.

Heute wird in Italien der nationale Tag zur Lin-

derung des Leidens begangen, um unsere Solida-

rität mit den Kranken zu fördern. Ich erneuere

meine Wertschätzung für all jene, die gerade in

dieser Zeit ihr Zeugnis der Fürsorge für andere ge-

geben haben und geben. Ich gedenke mit Dank-

barkeit und Bewunderung all jener, die durch die

Unterstützung der Kranken in dieser Pandemie

ihr Leben gegeben haben. Wir beten im Stillen

für die Ärzte, Freiwilligen, Krankenschwestern,

für alle Mitarbeiter des Gesundheitswesens und

die Vielen, die in dieser Zeit ihr Leben gegeben

haben.

Ich wünsche allen einen schönen Pfingst-

sonntag. Wir brauchen so sehr das Licht und die

Kraft des Heiligen Geistes! Die Kirche braucht sie,

um gemeinsam und mutig zu gehen und das

Evangelium zu bezeugen. Und die ganze

Menschheitsfamilie braucht sie, um aus dieser

Krise geeinter und nicht noch gespaltener hervor-

zugehen. Ihr wisst, dass man aus einer Krise wie

dieser nicht mehr so herausgeht, wie man vorher

war: man geht entweder besser oder schlechter

daraus hervor. Dass wir den Mut haben, uns zu

verändern, besser zu sein, besser zu sein als zu-

vor und in der Lage, die Zeit nach der Krise der

Pandemie positiv zu gestalten.

Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Geseg-

nete Mahlzeit und auf Wiedersehen!

Fortsetzung von Seite 12

Das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen dargestellt auf einer zeitgenössischen Ikone:

Der Papst hat die Wiedereinführung der Jungfrauenweihe vor 50 Jahren als Teil des »vielfältigen Reich-

tums« der Kirche gewürdigt. Auch heute gebe es Frauen, die den Wunsch hätten, dem Herrn in Jung-

fräulichkeit geweiht zu sein, schreibt Franziskus seiner Botschaft. Während des Zweiten Vatikanischen

Konzils (1962-1965) entdeckte die Kirche diesen Lebensstand wieder. Daraufhin erließ Papst Paul VI.

am 31. Mai 1970 eine Instruktion, die den Ritus der Jungfrauenweihe wieder einführte. Laut einer

Schätzung gibt es derzeit weltweit mehr als 5.000 geweihte Jungfrauen. Sie leben auf allen Kontinen-

ten, wo sie unterschiedlichsten Tätigkeiten nachgehen.

Page 14: Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am ... · 2 Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von Abraham ertönt. Eine Stimme,

L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache12. Juni 2020 / Nummer 24/25

14 Aus dem Vatikan

Am Samstag, 25. April

Der missionarische Impulsdes Glaubens

Zu Beginn der Frühmesse in der Kapelle des

vatikanischen Gästehauses Santa Marta am

Samstag, 25. April, Fest des Evangelisten Markus,

brachte Papst Franziskus sein Gebetsanliegen

zum Ausdruck:

Lasst uns heute gemeinsam für die Menschen

beten, die Bestattungsdienste durchführen. Was

sie tun, ist sehr schmerzlich, sehr traurig, und sie

spüren den Schmerz der gegenwärtigen Pande-

mie aus nächster Nähe. Beten wir für sie.

In der Predigt sprach der Papst mit Bezug auf

den Abschnitt aus dem Markusevangelium

(16,15-20) über den missionarischen Impuls, der

immer mit dem christlichen Glauben verbunden

sein muss. Er sagte:

Heute feiert die Kirche den heiligen Markus,

einen der vier Evangelisten, der dem Apostel Pe-

trus sehr nahestand. Das Evangelium nach Mar-

kus war das erste, das geschrieben wurde. Es ist

einfach, ein einfacher Stil, sehr nahe. Wenn ihr

heute etwas Zeit habt, nehmt es zur Hand und

lest es. Es ist nicht lang, und es ist schön zu lesen,

mit welcher Einfachheit Markus vom Leben des

Herrn berichtet.

Im Text, den wir gerade gelesen haben – es ist

das Ende des Markusevangeliums –, findet sich

die Einladung des Herrn. Der Herr hat sich als Er-

löser offenbart, als eingeborener Sohn Gottes: Er

hat sich ganz Israel, dem Volk, offenbart, insbe-

sondere – in mehr Einzelheiten – den Aposteln,

den Jüngern. Das ist der Abschied des Herrn, der

Herr geht: Er ging fort, wurde »in den Himmel

aufgenommen und setzte sich zur Rechten

Gottes« (Mk 16,19). Bevor er fortging, erschien er

jedoch den Elf und sagte zu ihnen: »Geht hinaus

in die ganze Welt und verkündet das Evangelium

der ganzen Schöpfung!« (Mk 16,15). Es ist der mis-

sionarische Impuls des Glaubens. Der Glaube ist

entweder missionarischer Impuls, oder er ist kein

Glaube. Der Glaube ist nicht etwas, das nur für

mich da ist, damit ich durch den Glauben

wachse: Das ist »eine gnostische Irrlehre«. Der

Glaube bringt dich immer dazu, aus dir heraus-

zugehen. Herausgehen. Die Weitergabe des

Glaubens. Der Glaube muss weitergegeben wer-

den, er muss angeboten werden, vor allem durch

das Zeugnis: »Geht hinaus, damit die Menschen

sehen, wie ihr lebt« (vgl. V. 15).

Jemand, ein europäischer Priester aus einer

europäischen Stadt, hat zu mir gesagt: »In unse-

ren Städten gibt es so viel Unglauben, so viel

Agnostizismus, weil die Christen keinen Glau-

ben haben. Wenn sie ihn hätten, würden sie ihn

gewiss den Menschen geben.« Es fehlt der mis-

sionarische Impuls. Denn im Grunde fehlt die

Überzeugung: »Ja, ich bin Christ, ich bin katho-

lisch…« So als wäre es eine gesellschaftliche Hal-

tung. Auf dem Personalausweis heißt du so und

so…, und »ich bin Christ«. Es ist eine Angabe im

Personalausweis. Das ist kein Glaube! Das ist et-

was Kulturelles.

Der Glaube lässt dich unbedingt hinausge-

hen, lässt dich ihn weiterschenken: Denn der

Glaube muss von seinem Wesen her weitergege-

ben werden. Er ist nicht ruhig. »Aha, wollen Sie

damit sagen, Vater, dass wir alle Missionare sein

und in ferne Länder gehen sollen?« Nein, das ist

ein Teil des missionarischen Impulses. Es bedeu-

tet, dass du, wenn du Glauben hast, unbedingt

aus dir herausgehen und den Glauben sozial zei-

gen musst. Der Glaube ist sozial, er ist für alle:

»Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet

das Evangelium der ganzen Schöpfung!« (V. 15).

Und das bedeutet nicht, Proselytismus zu betrei-

ben, so als wäre ich eine

Fußballmannschaft, die

Proselytismus betreibt,

oder als wäre ich eine

wohltätige Organisation.

Nein, der Glaube ist:

»Kein Proselytismus!« Er

bedeutet, die Offenba-

rung sichtbar zu machen,

damit der Heilige Geist in

den Menschen wirken

kann durch das Zeugnis:

als Zeuge, durch das Dienen. Das Dienen ist eine

Lebensform. Wenn ich sage, dass ich Christ bin,

und wie ein Heide lebe, das geht nicht! Das über-

zeugt niemanden! Wenn ich sage, dass ich Christ

bin, und als Christ lebe, das zieht an. Das ist das

Zeugnis.

In Polen hat mich ein Universitätsstudent ein-

mal gefragt: »An der Universität habe ich viele

atheistische Kommilitonen. Was soll ich ihnen sa-

gen, um sie zu überzeugen?« – »Nichts, mein Lie-

ber, nichts! Das Letzte, was du tun sollst, ist et-

was zu sagen. Beginne den Glauben zu leben,

und wenn sie dein Zeugnis sehen, werden sie

dich fragen: ›Aber warum lebst du so?‹« Der

Glaube muss weitergegeben werden: nicht um

zu überzeugen, sondern um einen Schatz anzu-

bieten. »Dort ist er, seht ihr?« Und das ist auch die

Demut, von der der heilige Petrus in der Ersten

Lesung gesprochen hat: Meine Lieben, alle »be-

gegnet einander in Demut! Denn Gott tritt Stol-

zen entgegen, Demütigen aber schenkt er seine

Gnade« (1 Petr 5,5). Wie oft sind in der Kirche, in

der Geschichte Bewegungen, Vereinigungen von

Männern oder Frauen entstanden, die andere

vom Glauben überzeugen, sie zur Konversion

bringen wollten… Wahre »Proselytenmacher«.

Und was war ihr Ende? Korruption und Verderb-

nis.

Dieser Abschnitt des Evangeliums ist sehr lie-

bevoll und innig! Aber wo ist die Gewissheit?

Wie kann ich sicher sein, dass ich, wenn ich aus

mir herausgehe, in der Weitergabe des Glaubens

fruchtbar sein werde? »Verkündet das Evange-

lium der ganzen Schöpfung« (Mk 16,15); ihr wer-

det Wunder wirken (vgl. V. 17-18). Und der Herr

wird mit uns sein bis zum Ende der Welt. Er be-

gleitet uns. Bei der Weitergabe des Glaubens ist

der Herr immer mit uns. Bei der Weitergabe der

Ideologie mag es Lehrer geben, aber wenn ich

eine Haltung des Glaubens habe, der weitergege-

ben werden muss, dann ist der Herr dort und be-

gleitet mich. Bei der Weitergabe des Glaubens bin

ich nie allein. Der Herr ist mit mir und gibt den

Glauben weiter. Er hat es verheißen: »Ich bin mit

euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20).

Bitten wir den Herrn, dass er uns helfen

möge, unseren Glauben so zu leben. Den Glau-

ben der offenen Türen, einen transparenten,

nicht »proselytistischen« Glauben, der jedoch

zeigt: »So bin ich.« Und der mit dieser gesunden

Neugier den Menschen helfen möge, die Bot-

schaft anzunehmen, die sie erlösen wird.

Am Sonntag, 26. April

Jesus istunser Weggefährte

In seiner Einleitung zur Frühmesse am

26. April, dem dritten Sonntag der Osterzeit, gal-

ten die Gedanken des Papstes denen, die auf-

grund der Pandemie traurig sind:

Wir beten heute, in dieser heiligen Messe, für

alle Menschen, die traurig sind, weil sie allein

sind oder weil sie nicht wissen, welche Zukunft

sie erwartet, oder weil sie ihre Familien nicht

ernähren können, weil sie kein Geld haben,

weil sie keine Arbeit haben. Viele Menschen,

die unter Traurigkeit leiden. Lasst uns heute für

sie beten.

In seiner Predigt kommentierte der Papst das

Evangelium vom Tag (Lk 24,13-35), das von der

Begegnung des auferstandenen Jesus mit den

Jüngern von Emmaus berichtet und wie sie den

Herrn daran erkannten, wie er das Brot brach.

Jesus sei geduldig und höre zu, dann antworte

und erkläre er. Wir begegneten Jesus auf unserem

Weg, auch in dunklen Stunden. Der Kern des

Christentums sei die Begegnung mit Jesus:

Wir haben oft gehört, dass das Christentum

nicht nur eine Lehre ist, dass es keine Verhal-

tensweise ist, keine Kultur. Ja, es ist all das, aber

noch wichtiger ist, dass es in erster Linie eine Be-

gegnung ist. Ein Mensch ist Christ, weil er Jesus

Christus begegnet ist, weil er die »Begegnung mit

Ihm« zugelassen hat.

Der Abschnitt aus dem Lukasevangelium er-

zählt uns von einer Begegnung, um uns ver-

ständlich zu machen, wie der Herr handelt und

wie unsere Vorgehensweise aussieht. Wir wer-

den mit einem Samen der Unruhe geboren. Gott

wollte es so: Unruhe, um die Fülle zu finden, Un-

ruhe, um Gott zu finden, oft sogar ohne zu wis-

sen, dass wir diese Unruhe in uns haben. Unser

Herz ist unruhig, unser Herz dürstet: Es dürstet

nach der Begegnung mit Gott. Es sucht ihn, oft

auf den falschen Wegen: Es verirrt sich, es kommt

zurück, es sucht ihn… Andererseits dürstet Gott

nach der Begegnung, und zwar so sehr, dass er

Jesus gesandt hat, um uns zu begegnen, um die-

ser Unruhe entgegenzukommen.

Wie handelt Jesus? In diesem Abschnitt aus

dem Evangelium (vgl. Lk 24,13-35) sehen wir gut,

dass er unsere jeweilige Situation respektiert, er

respektiert sie, er geht nicht weiter. Nur manch-

mal, bei eigensinnigen Menschen, denken wir

etwa an Paulus, als er ihn vom Pferd wirft. Aber

normalerweise geht er langsam und respektvoll

mit der Zeit um, die wir brauchen. Er ist der Herr

der Geduld. Wie viel Geduld hat der Herr mit uns,

mit einem jeden von uns!

Der Herr geht an unserer Seite, wie wir hier

bei diesen beiden Jüngern gesehen haben. Er

hört sich an, was uns beunruhigt – er weiß es! –

und an einem bestimmten Punkt sagt er uns et-

was. Der Herr hört gerne zu, wie wir sprechen,

um uns gut zu verstehen und um die richtige Ant-

wort auf diese Unruhe zu geben. Der Herr be-

schleunigt den Schritt nicht, er geht immer in un-

serem Tempo, oft langsam, aber so ist seine

Geduld.

Es gibt eine alte Pilgerregel, die besagt, dass

der wahre Pilger im Schritttempo des langsams -

ten Pilgers gehen muss. Und Jesus bringt das fer-

tig, er tut es, er beschleunigt nicht, er wartet dar-

auf, dass wir den ersten Schritt tun. Und wenn

die Zeit gekommen ist, stellt er uns die Frage. In

diesem Fall ist es klar: »Was sind das für Dinge,

über die ihr auf eurem Weg miteinander redet?«

(vgl. V. 17). Er stellt sich unwissend, um uns zum

Reden zu bringen. Er mag es, wenn wir reden,

um uns zuzuhören und zu antworten, er lässt uns

reden. Als stellte er sich unwissend, aber mit sehr

viel Respekt. Und dann antwortet er, er erklärt,

soweit es notwendig ist. Hier sagt er zu uns:

»Musste nicht der Christus das erleiden und so in

seine Herrlichkeit gelangen? Und er legte ihnen

dar, ausgehend von Mose und allen Propheten,

was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben

steht« (V. 26-27). Er erläutert, er lässt es ver-

ständlich werden. Ich gestehe, dass ich neugierig

bin zu erfahren, auf welche Weise Jesus erklärt

hat, um es genauso zu machen. Es war eine wun-

derschöne Katechese.

Und dann stellt sich derselbe Jesus, der uns

begleitet hat, der sich uns genähert hat, so, als

gehe er weiter, um das Maß unserer Unruhe zu

sehen: »Nein, komm, komm, bleib ein wenig bei

uns.« So geschieht Begegnung. Aber die Begeg-

nung ist nicht nur der Augenblick, in dem hier das

Brot gebrochen wird, sondern sie ist der ganze

Weg. Wir begegnen Jesus in der Dunkelheit un-

serer Zweifel. Auch im hässlichen Zweifel unse-

rer Sünden ist er da, um uns zu helfen, in unserer

Unruhe… Er ist immer bei uns.

Der Herr begleitet uns, weil er uns begegnen

will. Deshalb sagen wir, dass der Kern des Chris -

tentums eine Begegnung ist: Es ist die Begegnung

mit Jesus. »Warum bist du Christ? Warum bist du

Christin?« Und viele Leute können es nicht sa-

gen. Einige aus Tradition. Andere vermögen es

nicht zu sagen, da sie Jesus zwar begegnet sind,

aber nicht bemerkt haben, dass es eine Begeg-

nung mit Jesus war. Jesus ist immer auf der Suche

nach uns. Immer. Und wir haben unsere Unruhe.

In dem Augenblick, in dem unsere Unruhe Jesus

begegnet, beginnt das Leben der Gnade, das Le-

ben der Fülle, das Leben des christlichen Weges.

Möge der Herr uns allen diese Gnade schen-

ken, Jesus täglich zu begegnen; zu wissen, zu er-

kennen, dass er in all unseren Augenblicken mit

uns geht. Er ist unser Weggefährte auf unserer Pil-

gerreise.

Predigten von Papst Franziskus bei den Frühmessen in Santa Marta

Auch in der Volksrepublik China nahmen Tausende Gläubige über die Medien an der heiligen Messe

teil, die Papst Franziskus vom 9. März bis 17. Mai täglich in Santa Marta feierte. Sie war über Smart-

phone und über die in China am meisten verbreitete App Wechat zu empfangen, die auch von der

älteren Generation benutzt wird. Es gab eine Simultanübersetzung der Predigt des Papstes. Das er-

möglichte den Christen in China, sich im Gebet mit dem Nachfolger Petri und der Weltkirche vereint

zu wissen. Während Papst Franziskus die Messe im Vatikan um 7 Uhr feierte, war es in China bereits

13 Uhr.

Der heilige Markus (Evangeliar, Mitte 11. Jh., Aus-

schnitt): Sein Evangelium »ist nicht lang, und es

ist schön zu lesen, mit welcher Einfachheit Mar-

kus vom Leben des Herrn berichtet«, unterstrich

der Papst.

Im Tagesevangelium sagt der Herr:

»Geht hinaus in die ganze Welt und

verkündet das Evangelium« (Mk 16,15).

Der Glaube will, dass du hinausgehst.

Der Glaube muss weitergegeben werden,

vor allem durch das Zeugnis. Geht,

damit die Menschen sehen, wie ihr lebt.

Tweet von Papst Franziskus

Page 15: Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am ... · 2 Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von Abraham ertönt. Eine Stimme,

12. Juni 2020 / Nummer 24/25 L’OSSERVATORE ROMANO

15

Am Montag, 27. April

Die Erinnerung andie erste Begegnung

In seiner Einleitung zur Frühmesse im Gäste-

haus Santa Marta am 27. April, Montag der drit-

ten Woche im Osterkreis, wandte Papst Franzis-

kus seine Gedanken den Künstlern zu:

Lasst uns heute für die Künstler beten, die

diese Fähigkeit zu unglaublich großer Kreativität

haben und uns durch den Weg der Schönheit den

Weg weisen, den wir gehen sollen. Möge der

Herr in dieser Zeit uns allen die Gnade der Krea-

tivität schenken.

In seiner Predigt kommentierte Franziskus

das Tagesevangelium (Joh 6,22-29), in dem Jesus

der Menge vorwirft, dass sie ihn nach der Ver-

mehrung der Brote und Fische nur deshalb suche,

weil sie gesättigt worden seien. Er ermahne sie,

sich nicht um die Speise zu bemühen, die nicht

von Dauer sei, sondern um jene Speise, die für

das ewige Leben bleibe und die der Menschen-

sohn geben werde. Der Herr, so Papst Franziskus

in seiner Predigt, erinnere die Menge an das erste

Empfinden, die erste Begeisterung. Er korrigiere

den Weg der Menschen, die einen eher weltlichen

als dem Evangelium entsprechenden Weg einge-

schlagen hätten. Jesus lasse uns zur ersten Begeg-

nung zurückkehren. Der Papst sagte:

Die Menschen, die Jesus den ganzen Tag über

zugehört hatten und denen dann diese Gnade der

Brotvermehrung zuteil geworden war und die die

Macht Jesu gesehen hatten, wollten ihn zum Kö-

nig machen. Zunächst gingen sie zu Jesus, um das

Wort zu hören und auch um die Heilung der Kran-

ken zu erbitten. Sie blieben den ganzen Tag, um

Jesus zuzuhören, ohne sich zu langweilen, ohne

zu ermüden: sie waren dort, glücklich und zufrie-

den. Als sie dann sahen, dass Jesus ihnen zu es-

sen gab, was sie nicht erwartet hatten, dachten

sie: »Das wäre aber ein guter Herrscher für uns,

und er würde uns sicher von der Macht der Rö-

mer befreien und das Land voran bringen.« Und

sie setzten sich begeistert dafür ein, ihn zum Kö-

nig zu machen. Ihre Absichten änderten sich

dann allerdings, denn sie sahen und dachten:

»Gut … denn ein Mensch, der dieses Wunder

vollbringt, der dem Volk zu essen gibt, kann ein

guter Herrscher sein« (vgl. Joh 6,1-15). Aber sie

hatten in jenem Moment die Begeisterung ver-

gessen, die das Wort Jesu in ihren Herzen hervor-

gerufen hatte.

Jesus zog sich zurück, um zu beten (vgl. V. 15).

Diese Leute blieben dort, und am nächsten Tag

suchten sie Jesus, »weil er hier sein muss«, wie sie

sagten, weil sie gesehen hatten, dass er nicht mit

den anderen in das Boot gestiegen war. Und da

war ein Boot, es war dort geblieben… (vgl. Joh

6,22-24). Aber sie wussten nicht, dass sich Jesus

zu den anderen gesellt hatte, indem er über das

Wasser ging (vgl. V. 16-21). So beschlossen sie, auf

die andere Seite des Sees von Tiberias zu gehen,

um Jesus zu suchen, und als sie ihn sahen, war

das erste Wort, das sie zu ihm sagten: »Rabbi,

wann bist du hierhergekommen? (V. 25)«, als

wollten sie sagen: »Wir verstehen das nicht, es

kommt uns seltsam vor«.

Und Jesus lässt sie zum ersten Empfinden

zurückkehren, zu dem, was sie vor der Vermeh-

rung der Brote hatten, als sie das Wort Gottes hör-

ten: »Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich

nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt – wie am

Anfang, die Zeichen des Wortes, die sie begeistert

hatten, die Zeichen der Heilung – , sondern weil

ihr von den Broten gegessen habt und satt gewor-

den seid« (V. 26). Jesus offenbart ihre Absicht und

sagt: »Aber so ist es, ihr habt eure Haltung geän-

dert.« Und sie waren demütig, statt sich zu recht-

fertigen: »Nein, Herr, nein.« Jesus fährt fort:

»Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt,

sondern für die Speise, die für das ewige Leben

bleibt und die der Menschensohn euch geben

wird! Denn ihn hat Gott, der Vater, mit seinem

Siegel beglaubigt« (V. 27). Und sie, gute Men-

schen, sagten: »Was müssen wir tun, um die

Werke Gottes zu vollbringen?« (V. 28). »Das ist

das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er ge-

sandt hat« (V. 29). Dies ist ein Fall, in dem Jesus

die Haltung der Menschen, der Menge, korrigiert,

denn auf halbem Weg waren sie vom ersten Au-

genblick, vom ersten geistlichen Trost ein wenig

abgewichen und hatten einen Weg eingeschla-

gen, der nicht richtig war, einen eher weltlichen

als dem Evangelium entsprechenden Weg.

Das lässt uns daran denken, dass wir viele

Male im Leben einen Weg in der Nachfolge Jesu

einschlagen, auf den Spuren Jesu, mit den Werten

des Evangeliums, und auf halbem Weg kommt

uns eine andere Idee, wir sehen einige Zeichen,

und wir entfernen uns und passen uns an etwas

Zeitlicheres, etwas Materielleres, etwas Weltli-

cheres an. Und vielleicht kommt uns die Erinne-

rung an jene erste Begeisterung, die wir hatten,

als wir Jesus sprechen hörten, abhanden. Der

Herr lässt uns immer zur ersten Begegnung

zurückkehren, zu dem ersten Moment, in dem er

uns angeschaut hat, zu uns gesprochen hat und

in uns den Wunsch hat aufkommen lassen, ihm

nachzufolgen. Das ist eine Gnade, um die man

den Herrn bitten muss, denn wir werden im Le-

ben immer dieser Versuchung ausgesetzt sein,

uns zu entfernen, weil wir etwas anderes sehen:

»Aber das wird gut gehen, aber das ist eine gute

Idee…« Wir entfernen uns. Die Gnade, immer

wieder zum ersten Ruf, zum ersten Moment

zurückzukehren: nicht vergessen, meine Ge-

schichte nicht vergessen, als Jesus mich voller

Liebe angeschaut und zu mir gesagt hat: »Das ist

dein Weg«; als Jesus mir mithilfe vieler Menschen

verständlich gemacht hat, was der Weg des Evan-

geliums war, und nicht andere, ein wenig weltli-

che Wege, mit anderen Werten. Zur ersten Begeg-

nung zurückkehren.

Es hat mich immer betroffen gemacht, dass

Jesus – unter den Dingen, die er am Morgen der

Auferstehung sagt – Folgendes bekräftigt: »Geht

und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa

gehen und dort werden sie mich sehen« (vgl.

Mt 28,10), Galiläa war der Ort ihrer ersten Begeg-

nung. Dort waren sie Jesus begegnet. Jeder von

uns hat sein eigenes »Galiläa« in sich, seinen per-

sönlichen Augenblick, in dem Jesus sich uns

genähert und uns gesagt hat: »Folge mir nach«.

Im Leben geschieht das, was diesen Menschen

widerfahren ist – guten Menschen, denn sie sa-

gen dann zum ihm: »Aber was sollen wir tun?«,

sie haben sofort gehorcht – es kommt vor, dass

wir uns entfernen und nach anderen Werten su-

chen, nach einer anderen Hermeneutik, nach an-

deren Dingen, und die Frische des ersten Rufs

verlieren. Daran erinnert auch der Verfasser des

Briefes an die Hebräer: »Erinnert euch an die

früheren Tage« (vgl. Hebr 10,32). Die Erinnerung,

die Erinnerung an die erste Begegnung, die Erin-

nerung an »mein Galiläa«, als der Herr mich voller

Liebe anschaute und zu mir sagte: »Folge mir

nach«.

Der Papst beendete die Messfeier mit der An-

betung und dem Eucharistischen Segen

Am Dienstag, 28. April

Die Lynchjustizdes Klatsches

Zu Beginn der Frühmesse im Gästehaus Santa

Marta am Dienstag, 28. April, formulierte Papst

Franziskus sein Gebetsanliegen:

In dieser Zeit, in der es erste Bestimmungen

gibt, um aus der Quarantäne herauszukommen,

wollen wir den Herrn bitten, dass er seinem Volk,

uns allen, die Gnade der Umsicht und des Gehor-

sams gegenüber den Bestimmungen schenken

möge, damit die Pandemie nicht zurückkehrt.

In seiner Predigt mahnte Papst Franziskus mit

Bezug auf den Bericht von der Steinigung des Erz-

märtyrers Stephanus (Apg 7,51-8,1a) vor dem

Übel der Lynchjustiz, die oft mit Klatsch beginne.

Er sagte:

In der Ersten Lesung dieser Tage haben wir

vom Martyrium des Stephanus gehört: eine ein-

fache Sache, wie es geschehen ist. Die Gesetzes-

lehrer duldeten die Klarheit [seiner] Lehre nicht,

und gleich nach ihrer Verkündigung haben sie ei-

nige Männer angestiftet zu sagen, sie hätten

gehört, dass Stephanus gegen Gott, gegen das Ge-

setz gelästert habe (vgl. Apg 6,11-14). Und danach

stürmten sie auf ihn los und steinigten ihn: so,

ganz einfach (vgl. Apg 7,57-58). Dieses Hand-

lungsschema tritt nicht zum ersten Mal auf: Auch

mit Jesus haben sie dasselbe getan (vgl. Mt 26,60-

62). Das anwesende Volk, das unsicher war, ha-

ben sie zu überzeugen versucht, dass er ein Got -

teslästerer sei, und es hat geschrien: »Kreuzige

ihn!« (Mk 15,13). Das ist eine Bestialität. Eine Bes -

tialität: von falschen Zeugnissen auszugehen, um

»Gerechtigkeit herzustellen«. Das ist das Schema.

Auch in der Bibel gibt es solche Fälle:

Susanna wurde dasselbe angetan

(vgl. Dan 13,1-64), Nabot wurde das-

selbe angetan (vgl. 1 Kön 21,1-16),

und dann hat Haman versucht, dem

Volk Gottes dasselbe anzutun (vgl. Est

3,1-14). Falsche Nachrichten, Ver-

leumdungen, die die Gemüter des

Volkes erhitzen und Gerechtigkeit

fordern. Das ist Lynchjustiz, wahre

Lynchjustiz.

Und so führen sie ihn vor den

Richter, damit der Richter dem

Ganzen eine legale Form verleihe:

Aber er ist bereits verurteilt worden.

Der Richter muss sehr, sehr mutig

sein, um sich gegen ein »so populäres«

Urteil zu wenden, das mit Absicht ge-

fällt wurde, das vorbereitet war. Es ist

wie bei Pilatus: Pilatus sah ganz

deutlich, dass Jesus unschuldig war,

aber er sah das Volk, er wusch sich

die Hände (vgl. Mt 27,24-26). Es ist

eine Art, Rechtsprechung auszuüben.

Auch heute sehen wir das: Auch

heute kommt es vor, in einigen Län-

dern, wenn man einen Staatsstreich

machen oder einen Politiker »beseiti-

gen will«, damit er nicht für die Wahl

kandidieren kann: falsche Nachrich-

ten, Verleumdungen, dann vertraut

man es einem jener Richter an, denen

es gefällt, Rechtsprechung zu betrei-

ben mit jenem »situationsgebunde-

nen« Positivismus, der in Mode ist;

und dann die Verurteilung. Es ist ge-

sellschaftliche Lynchjustiz. Und so ge-

schah es mit Stephanus; so wurde das Urteil über

Stephanus gesprochen: Jemand wird vor den

Richter geführt, der vom Volk, das getäuscht

wurde, bereits verurteilt worden ist.

Das geschieht auch mit den heutigen Märty-

rern: Die Richter haben keine Möglichkeit, Ge-

rechtigkeit herzustellen, weil sie bereits verurteilt

worden sind. Denken wir an Asia Bibi zum Bei-

spiel. Wir haben gesehen: zehn Jahre im Gefäng-

nis, weil sie aufgrund einer Verleumdung verur-

teilt wurde und von einem Volk, das ihren Tod

will. Angesichts dieser Flut an falschen Nachrich-

ten, die meinungsbildend sind, kann man oft

nichts tun: Man kann nichts tun.

Ich denke oft an die Shoah. Die Shoah ist ein

solcher Fall. Es wurde die Stimmung gegen ein

Volk geschaffen, und dann war es normal zu sa-

gen: »Ja, ja, sie müssen getötet werden, sie müssen

getötet werden.« Eine Vorgehensweise, um Men-

schen zu »beseitigen«, die lästig sind, die stören.

Wir alle wissen, dass dies nicht gut ist. Was

wir nicht wissen, ist jedoch, dass es eine kleine

tägliche Lynchjustiz gibt, die versucht, Menschen

zu verurteilen, Menschen in einen schlechten

Ruf zu bringen, sie auszusondern, sie zu verurtei-

len: die kleine tägliche Lynchjustiz des Klatsches,

der eine Meinung schafft. Oft hört man, wie über

jemanden schlecht geredet wird, und sagt: »Aber

nein, das ist ein gerechter Mensch!« – »Nein,

nein, man sagt, dass…« – Und mit diesem »man

sagt, dass« schafft man eine Meinung, um diesen

Menschen fertigzumachen. Die Wahrheit ist eine

andere: Die Wahrheit ist das Zeugnis des Wahren,

der Dinge, die jemand glaubt; die Wahrheit ist

klar, sie ist transparent. Die Wahrheit duldet kei-

nen Druck. Schauen wir auf Stephanus, den Mär-

tyrer: den ersten Märtyrer nach Jesus. Den ersten

Märtyrer. Denken wir an die Apostel: Alle haben

Zeugnis abgelegt. Und denken wir an die vielen

Märtyrer, auch an jenen, dessen Gedenktag wir

heute feiern, den heiligen Pierre Chanel: Der

Klatsch hat [die Meinung] geschaffen, dass er ge-

gen den König war… Man bringt ihn in Verruf,

und er wird ermordet. Und denken wir an uns, an

unsere Zunge: Oft beginnen wir mit unseren

Kommentaren einen solchen Lynchmord. Und in

unseren christlichen Einrichtungen haben wir

viele tägliche Lynchmorde gesehen, die aus dem

Klatsch entstanden sind.

Der Herr möge uns helfen, in unseren Urtei-

len gerecht zu sein, diese massive Verurteilung,

die der Klatsch hervorruft, nicht zu beginnen oder

weiterzuführen.

Wochenausgabe in deutscher Sprache

Aus dem Vatikan

Predigten des Papstes bei den Frühmessen in Santa Marta

Die Steinigung des heiligen Stephanus,

Pietro da Cortona (1660).

Page 16: Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am ... · 2 Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Da ist eine Stimme, die plötzlich im Leben von Abraham ertönt. Eine Stimme,

12. Juni 2020 / Nummer 24/25 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache

16 Aus dem Vatikan

Liebe Brüder und Schwestern von »Scholas«!

Heute, nach all den Jahren des Austauschs

über die für uns grundlegende Frage, ist es eine

große Freude, dass wir uns »Gemeinschaft« nen-

nen können: Gemeinschaft von Freunden, Ge-

meinschaft von Brüdern, Schwestern.

Ich erinnere mich noch an den Anfang: zwei

Lehrkräfte, zwei Lehrer, mitten in einer Krise, mit

ein bisschen Verrücktheit und ein bisschen Intui-

tion. Eine ungeplante Sache, nach und nach er-

lebt, so wie es voranging.

Während die Krise zu jener Zeit ein Terrain

der Gewalt hinterließ, brachte diese Ausbildung

junge Menschen zusammen, erzeugte Sinn und

damit Schönheit.

Drei Bilder dieses Weges bewahre ich im Her-

zen, drei Bilder, die drei Jahre der Reflexion und

der Begegnung geleitet haben: der Narr aus »La

strada« von Fellini, »Die Berufung des Matthäus«

von Caravaggio und »Der Idiot« von Dostojewski.

Sinnhaltigkeit, der Narr, die Berufung, Mat-

thäus und die Schönheit. Alle drei Geschichten

sind die Geschichte einer Krise. Und in allen drei

kommt damit die menschliche Verantwortung

zum Tragen. Krise bedeutet ursprünglich

»Bruch«, »Schnitt«, »Öffnung«, »Gefahr«, aber

auch »Chance«.

Wenn die Wurzeln Platz brauchen zum Wei-

terwachsen, wird der Blumentopf irgendwann

zerbrechen.

Tatsache ist, dass Leben größer ist als unser ei-

genes Leben, und so zerbricht es. Aber so ist das

Leben! Es wächst, es zerbricht.

Arme Menschheit ohne Krise! Alles perfekt,

alles aufgeräumt, alles in steife Form gebracht.

Die Ärmste. Stellen wir uns das vor, eine solche

Menschheit wäre eine kranke, sehr kranke

Menschheit. Gottlob passiert das nicht. Es wäre

eine schlafende Menschheit.

Da die Krise uns belebt, in-

dem sie uns zur Offenheit auf-

ruft, kann das andererseits eine

Gefahr darstellen, wenn nie-

mand uns gelehrt hat, uns auf

diese Offenheit einzulassen.

Deshalb sind Krisen, wenn sie

nicht gut begleitet werden, ge-

fährlich, weil man die Orientie-

rung verlieren kann. Und der

Rat der Klugen auch für kleine

persönliche, eheliche und so-

ziale Krisen ist: »Gehe nie allein in die Krise, son-

dern sei in Begleitung.«

Dort, in der Krise, überfällt uns die Angst; wir

verschließen uns als Individuen, oder wir fangen

an, das zu wiederholen, was für sehr wenige gut

ist, indem wir leer werden an Sinn, indem wir un-

sere Berufung verstecken, die Schönheit verlie-

ren. Das passiert, wenn man allein und ohne

Rückhalt durch eine Krise geht. Diese Schönheit,

die, wie Dostojewski sagte, die Welt retten wird.

Die Bewegung »Scholas« ist aus einer Krise

heraus entstanden, aber sie hat weder die Fäuste

geballt, um gegen die Kultur zu kämpfen, noch

hat sie resigniert die Hände in den Schoß gelegt

oder unter Tränen gesagt: »Welch ein Unglück,

welch schreckliche Zeiten!« »Scholas« ging hin-

aus, um auf die Herzen der jungen Menschen zu

hören, um die neue Realität zu aufzubauen. »Das

funktioniert nicht? Lasst uns dort suchen.«

»Scholas« schaut durch die Risse der Welt,

nicht mit dem Kopf, mit dem ganzen Leib, um zu

sehen, ob aus der Offenheit eine andere Antwort

zurückkommt.

Und das ist Bildung. Bildung hört zu, oder sie

bildet nicht. Wenn sie nicht zuhört, bildet sie

nicht. Bildung schafft Kultur, oder sie bildet nicht.

Bildung lehrt uns zu feiern, oder sie bildet nicht.

Jemand könnte einwenden: »Aber wie, heißt

Bildung nicht, Dinge zu wissen?« Nein. Da han-

delt es sich um Wissen. Bildung heißt zuhören,

Kultur schaffen, feiern. So ist »Scholas« gewach-

sen.

Nicht einmal diese beiden Verrückten – die

Gründerväter, so könnten wir sie mit einem Au-

genzwinkern nennen – ahnten, dass aus dieser

pädagogischen Erfahrung in der Diözese Buenos

Aires nach zwanzig Jahren eine neue Kultur er-

wachsen würde, »die dieses Land poetisch be-

wohnt«, wie Hölderlin uns lehrte. Zuhörend, Le-

ben schaffend und das Leben feiernd. Diese neue

Kultur, die dieses Land poetisch bewohnt.

Die Sprache des Denkens mit den Gefühlen

und dem Tun in Einklang bringen. Das ist es, was

ihr mich bereits mehrmals habt sagen hören:

Sprache des Kopfes, des Herzens und der Hände,

im Einklang. Kopf, Herz und Hände, die harmo-

nisch wachsen.

Ich habe bei »Scholas« japanische Lehrer und

Schüler gesehen, die mit Kolumbianern tanzten.

Das ist unmöglich! Ich habe das gesehen. Ich sah,

wie Jugendliche aus Israel mit Jugendlichen aus

Palästina spielten. Ich habe es gesehen. Studen-

ten aus Haiti reflektieren gemeinsam mit Studen-

ten aus Dubai. Und Kinder aus Mosambik malen

zusammen mit Kindern aus Portugal… Ich habe

zwischen Ost und West einen Olivenbaum gese-

hen, der eine Kultur der Begegnung schuf.

In dieser neuen Krise, der sich die Menschheit

heute stellen muss, in der die Kultur erwiesener-

maßen ihre Vitalität verloren hat, möchte ich da-

her die Tatsache loben, dass »Scholas« als eine Ge-

meinschaft, die bildet, als eine Intuition, die

wächst, die Türen der »Universität der Sinnhal-

tigkeit« öffnet. Denn bilden bedeutet, den Sinn

der Dinge zu suchen. Es bedeutet zu lehren, den

Sinn der Dinge zu suchen.

Indem man den Traum der Kinder und Ju-

gendlichen mit der Erfahrung der Erwachsenen

und alten Menschen zusammenbringt. Beides

muss immer zusammentreffen, sonst gibt es

keine Menschlichkeit, weil es keine Wurzeln,

keine Geschichte, keine Verheißungen, kein

Wachstum, keine Träume, keine Prophetie gibt.

Schüler aller Realitäten, Sprachen und Welt-

anschauungen, denn niemand wird außen vor

gelassen, wenn das, was gelehrt wird, nicht eine

Sache, sondern das Leben ist. Dasselbe Leben,

das uns entstehen lässt und immer andere Wel-

ten entstehen lassen wird. Verschiedene Welten,

einzigartig, so wie wir es sind. In unseren tief-

sten Schmerzen und Freuden, unserer Sehn-

sucht und Nostalgie. Welten der Unentgeltlich-

keit, des Sinns und der Schönheit. »Der Idiot«, die

»Berufung« von Caravaggio und der Narr aus »La

strada«.

Vergesst diese drei letzten Worte niemals: Un-

entgeltlichkeit, Sinn und Schönheit. Sie mögen

nutzlos erscheinen, besonders heutzutage. Wer

gründet ein Unternehmen auf der Suche nach

Unentgeltlichkeit, Sinn und Schönheit? Das ist

unproduktiv, das ist unproduktiv. Und doch

hängt von dieser Sache, die nutzlos erscheint, die

ganze Menschheit, die Zukunft ab.

Geht voran, nehmt diese Mystik, die ein Ge-

schenk ist, die niemand erfunden hat! Die ersten,

die überrascht waren, waren diese beiden Ver-

rückten, die sie gegründet haben. Und deshalb

verschenken sie sie, sie geben sie weiter, weil sie

nicht ihnen gehört. Es ist etwas, das ihnen ge-

schenkt wurde. Geht voran und sät und erntet

weiter, mit einem Lächeln, mit dem Risiko, aber

alle zusammen und immer Hand in Hand, um

jede Krise zu überwinden.

Gott segne euch. Und bitte vergesst nicht, für

mich zu beten. Vielen Dank.

(Orig. span.; ital. in O.R. 6.6.2020)

Videobotschaft von Papst Franziskus an die Teilnehmer einer von »Scholas occurrentes« veranstalteten Videokonferenz

Lernen, den Sinn zu suchen

Promulgation von DekretenVatikanstadt. Papst Franziskus hat am

26. Mai den Präfekten der Kongregation für die

Selig- und Heiligsprechungsprozesse, Kardinal

Angelo Becciu, in Audienz empfangen. Bei der

Audienz hat der Papst die Kongregation autori-

siert, folgende Dekrete zu promulgieren.

Sie betreffen:

– ein Wunder auf Fürsprache des seligen

César de Bus, Priester, Gründer der Kongrega-

tion der Priester der christlichen Lehre (Doktrina-

rier); geboren in Cavaillon (Frankreich) am 3. Fe-

bruar 1544; gestorben in Avignon (Frankreich)

am 15. April 1607;

– ein Wunder auf Fürsprache des seligen

Charles de Foucauld (genannt Charles de Jé-

sus), Diözesanpriester; geboren in Straßburg

(Frankreich) am 15. September 1858; gestorben

in Tamanrasset (Algerien) am 1. Dezember 1916;

– ein Wunder auf Fürsprache der seligen Ma-

ria Domenica Mantovani, Mitgründerin und

erste Generaloberin der Kleinen Schwestern von

der Heiligen Familie in Verona; geboren in Cas -

telletto di Brenzone (Italien) am 12. November

1862; gestorben ebendort am 2. Februar 1934;

– ein Wunder auf Fürsprache des Ehrwürdigen

Dieners Gottes Michael McGivney, Diözesan-

priester, Gründer des Ordens der Kolumbusritter

(The Knights of Columbus); geboren in Waterbury

(Vereinigte Staaten von Amerika) am 12. August

1852; gestorben in Thomaston (Vereinigte Staaten

von Amerika) am 14. August 1890;

– ein Wunder auf Fürsprache der Ehrwürdi-

gen Dienerin Gottes Pauline Marie Jaricot,

Gründerin des »Werkes der Glaubensverbrei-

tung« und des »Lebendigen Rosenkranzes«; ge-

boren in Lyon (Frankreich) am 22. Juli 1799; ge-

storben ebendort am 9. Januar 1862;

– das Martyrium des Dieners Gottes Si-

meone Cardon und 5 weiterer Gefährten, Pro-

fessmönche der Zisterzienserkongregation von

Casamari; getötet aus Glaubenshass in Casamari

zwischen dem 13. und 16. Mai 1799;

– das Martyrium des Dieners Gottes Cosma

Spessotto (mit bürgerlichem Namen: Sante),

Professpriester des Ordens der Minderen Brüder;

geboren in Mansuè (Italien) am 28. Januar 1923;

getötet aus Glaubenshass in San Juan Nonualco

(El Salvador) am 14. Juni 1980;

– den heroischen Tugendgrad des Dieners

Gottes Melchior Marie de Marion-Brésillac,

Titularbischof von Prusa, Apostolischer Vikar von

Coimbatore, Gründer der Gesellschaft der Afrika-

missionen; geboren in Castelnaudary (Frank-

reich) am 2. Dezember 1813; gestorben in Free-

town (Sierra Leone) am 25. Juni 1859.

Beim einem virtuellen weltweiten Treffenvon Jugendlichen, Lehrern und Eltern derPäpstlichen Stiftung »Scholas Occurrentes«wurde die Eröffnung einer »Universität derSinnhaltigkeit« (»Universidad del Sentido«) an-gekündigt, ebenfalls unter Leitung der »Scho-las«. Neben Tausenden von jungen Menschenaus 170 Städten der ganzen Welt nahmenneun First Ladies aus Lateinamerika und derKaribik an der Videokonferenz teil.

Nach einem historischen Rückblick aufwichtige Meilensteine, geleitet von den beidenDirektoren José María de Corral und EnriquePalmeyro, stellten die First Ladies ein Videovor, das zeigt, wie die Jugend ihrer Länder aufden Aufruf des Papstes reagiert, sich durch

eine Kultur der Begegnung der Sorge für dieUmwelt zu widmen. Darüber hinaus wurdedaran erinnert, wie »Scholas« durch Partner-schulen in der ganzen Welt Brücken gebautund Türen geöffnet hat, in jüngster Zeit in Mo-sambik, Haiti, den Vereinigten Staaten, Japanund Chile. Insgesamt sind es eine halbe Mil-lion Schulen. Der Imam des Islamischen Zen-trums in Argentinien, Abdel Nabi Elhefnawi,der sephardische Oberrabbiner von Jerusalem,Shlomo Amar, und Kardinal Carlos Aguiar Re-tes, Erzbischof von Mexiko-Stadt, übermittel-ten eine gemeinsame interreligiöse Botschaftzum Tag der Umwelt.

Papst Franziskus sagte in seiner Videobot-schaft:

In dieser neuen Krise, der sich die Menschheit

heute stellen muss, in der die Kultur

erwiesenermaßen ihre Vitalität verloren hat,

möchte ich die Tatsache loben, dass »Scholas«

als eine Gemeinschaft, die bildet,

als eine Intuition, die wächst, die Türen der

»Universität der Sinnhaltigkeit« öffnet.

Denn bilden bedeutet, den Sinn der Dinge zu suchen.

Es bedeutet zu lehren,

den Sinn der Dinge zu suchen.

Der Franziskaner Cosma Spessotto wurde

vor 40 Jahren in El Salvador ermordet. Er

stammte aus der italienischen Region Ve-

netien und war seit 1950 als Missionar

und Gemeindepfarrer in El Salvador tätig.

In einer politisch instabilen Zeit kümmerte

er sich um die Menschen und prangerte

den Machtmissbrauch der Militärjunta an,

weshalb er mehrfach mit dem Tod bedroht

wurde. Am Abend des 14. Juni 1980

wurde er in der Pfarrkirche erschossen.