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8 | Pharmazie in unserer Zeit | 31. Jahrgang 2002| Nr. 1
T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |
M E D IZ I N |Grüner Tee gegen ProstatakrebsPolyphenole aus Grünem Tee könnten möglicherweise bei der Behand-lung von Prostatakrebs eingesetzt werden. Zumindest im Tiermodellzeigen sie eine starke Wirksamkeit.
chen Prostatakrebses nach, inklusiveMetastasenbildung in verschiedenenOrganen. Ab einem Alter von 8 Wo-chen erhielten die Tiere 24 Wochenlang drei mal wöchentlich anstattWasser eine 0,1 %ige GTP-Lösung zutrinken. Auf den Menschen bezogenwürde das ungefähr dem Konsumvon sechs Tassen Grünem Tee proTag entsprechen. Während alle un-behandelten Kontroll-Mäuse im Altervon 32 Wochen Prostatatumorenaufwiesen, entwickelten nur 35 %der GTP-trinkenden Tiere Tumoren.Über Kernspin-Imaging konnte fer-ner gezeigt werden, dass die Größeder Tumoren wesentlich geringerwar als bei den Kontrolltieren. An-scheinend hemmen die Polyphenoleaus Grünem Tee den Teilungszyklus
von Krebszellen und bewirken außer-dem ein Absterben entarteter Prosta-tazellen durch Apoptose-Induktion.Besonders interessant ist außerdem,dass es bei den mit GTP-behandeltenMäusen in keinem Fall zur Bildungvon Metastasen kam, obwohl dieKontrolltiere zu 100 % Tumorstreu-ungen in Lymphgewebe, Lunge, Le-ber oder Knochen zeigten.
Somit scheint Grüner Tee durch-aus vorbeugend gegen Prostatakrebszu wirken und liefert mit seinenspezifischen Polyphenolen mögli-cherweise einen Ansatzpunkt zurWachstumshemmung bei Prostata-tumoren und vor allem zur Verhinde-rung der Bildung von Metastasen.
[1] Gupta, S. et al., Inhibition of prostate carci-nogenesis in TRAMP mice by oral infusionof green tea polyphenols, PNAS 9988 (2001),10350-10355.
Petra Jacoby, Wittlich
Prostatakrebs ist zur Zeit nurschlecht therapierbar und führt inüber 60 % der Fälle zur Metastasen-bildung. Auf der Suche nach einemMedikament hat nun ein amerikani-sches Forscherteam sein Augenmerkauf Grünen Tee gesetzt. In China undJapan, wo das Getränk regelmäßigkonsumiert wird, tritt Prostatakrebsvergleichsweise selten auf. Außerdemzeigten aus Grünem Tee extrahiertePolyphenole (GTP) in mehreren Un-tersuchungen mit menschlichenProstatacarcinom-Kulturzellen einewachstumshemmende Wirkung.
Die Wissenschaftler benutzten fürihre Untersuchungen so genannteTRAMP-Mäuse. Diese speziell kon-struierten transgenen Tiere ahmensehr gut das Krankheitsbild menschli-
A B B . Effekt der GTP-Behandlung auf den Urogenitaltraktund die Prostata-Histologie in TRAMP-Mäusen. A, C: unbehan-delte Mäuse, B, D: nach Behandlung mit GTP. Der Urogenital-trakt der behandelten Mäuse ist wesentlich kleiner (B) unddas Drüsenepithel ist deutlich dünner und weniger stark ge-faltet.
M E D IZ I N I S C H E C H E M I E |Antimalariamittelzur Therapie derCreutzfeldt-Jakob-Krankheit?
Zum Formenkreis der übertragbaren(engl. transmissible) spongiformenEnzephalopathie (TSE) gehören Scra-pie (Traber-Krankheit) bei Schafenund Ziegen, chronische Auszehrung(chronic wasting disease) beiSchwarzwedelhirschen und Elchen,die bovine spongiforme Enzepha-lopathie (BSE) bei Kühen und die Ku-ru- und Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung(engl. disease; CJD) bei Menschen.Patienten mit CJD oder auch anderenPrionen-Erkrankungen wie fatale In-somnie oder der Gerstmann-Sträuss-ler-Scheinker-Krankheit entwickelnstarke neurologische Dysfunktionen,die in weniger als einem Jahr zumTode führen. Da es bisher keine Be-handlungsmöglichkeit gibt, ist esdringend notwendig, nach wirksa-men Therapiemöglichkeiten gegenPrionen-Erkrankungen in Menschund Tier zu suchen.
Experimentelle Arbeiten im La-bor haben ergeben, dass Prionen imwesentlichen aus anomalen, falschgefalteten protease-resistenten Prote-inen (PrPsc) bestehen, die posttrans-lational aus den endogenen Protease-empfindlichen Isoformen (PrPc)durch Veränderung der Konformati-on entstanden sind (Abb. 1). Die Bil-
A B B . 1 Modelle von PRPc (links) undPRPsc (rechts)
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dung dieser Proteine PrPsc ist daszentrale Ereignis der TSE-Pathogene-se, das es zu verhindern gilt. Damitstellt die Hemmung dieser Umwand-lung eine Therapiestrategie dar. EineReihe von Substanzen sind bisher alsInhibitoren in Mäuse-Neuroblastoma-Zellen identifiziert worden, wie z.B.Congo-rot, Polyanionen oder Tetra-pyrrol; aber keine konnte sich bisherin der Therapie durchsetzen.
Zwei Gruppen, Doh-Ura in Japan[1] und Prusiner an der University ofCalifornia at San Francisco [2], habennach Inhibitoren des PrPc → PrPsc-Umwandlungs-Prozesses gesucht undsind in gleichen Verbindungsklassenfündig geworden, nicht zuletzt des-halb, da sie nach Substanzen gesuchthaben, die bekanntermaßen die Blut-Hirn-Schranke passieren können. Pru-siner fand bei den Neuroleptika vomChlorpromazin-Typ (Abb. 2) potenteInhibitoren (EC50-Wert = 3 µM).Struktur-Aktivitäts-Untersuchungenergaben, dass neben dem tricycli-schen Ringsystem die aliphatische Di-methylaminopropan-Seitenkette, diean den Phenothiazin-Stickstoff gebun-den ist, für die Wirkung essentiell ist:lässt man sie weg, ist die Inhibitor-Aktivität komplett verloren.
Als zweite Substanzgruppeidentifizierte Prusiner, wie auch Doh-Ura, das tricyclische MalariamittelMepacrin (Quinacrin, Abb. 2), einAcridin-Derivat, über dessen Aktivität
gegen Prionen in Mäusen bereits Mit-te der achtziger Jahre des letztenJahrhunderts berichtet wurde. Me-pacrin ist zehnfach potenter alsChlorpromazin. Struktur-Wirkungs-Untersuchungen am Mepacringerüstergaben ein ähnliches Bild wie beiden Chlorpromazin-Derivaten. So-wohl das tricyclische Ringsystem wie auch die aliphatische Seitenkettesind essentiell. Nur kleine Verände-rungen, wie z.B. der Ersatz der Dime-thylaminogruppe gegen eine analo-ge Etherfunktion führen genausozum kompletten Verlust der Wirk-samkeit wie der Austausch des Acri-din-Gerüstes gegen das bicyclischeChinolinsystem. Weitere Untersu-chungen müssen nun folgen. Prusi-ner bezeichnet Mepacrin als idealeLeitstruktur zur Entwicklung poten-ter Inhibitoren des PrPc→ PrPsc-Pro-zesses.
Nun muss die Wirksamkeit vonMepacrin gegen Prionen-Erkrankun-gen sorgsam am Menschen getestetwerden. Durch die Anwendung desArzneistoffes gegen Lambliasis, vorallem im zweiten Weltkrieg, und ge-gen Malaria weiß man über Neben-wirkungen und Pharmakokinetik Be-scheid, so dass man Mepacrin gleich
M E D IZ I N |Was macht Tumorzellen zu Metastasen?Die Überexpression einer „einfachen“ Tyrosin-Phosphatase (PRL-3)scheint für die Metastasierung von Colon-Carcinomzellen verantwort-lich zu sein. Ist das die neue Zielstruktur für zukünftige Krebsthera-peutika?
am Menschen anwenden kann. DieBehandlung der ersten zwei Patien-ten bestätigt die Hoffnung, dass manauf dem richtigen Weg ist.
Aber auch mit Antikörpern undAntikörper-Fragmenten [3, 4] ver-sucht man, den Prionen auf ähnlicheWeise zu Leibe zu rücken. Versuchean Tieren und Menschen gibt es hieraber noch nicht.
[1] K. Doh-Ura, T. Iwaki, B. Caughey, Lysoso-motropic Agents and Cysteine Protease In-hibitors Inhibit Scrapie-Associated PrionProtein Accumulation. J. Virol. 7744 (2000)4894-4897.
[2] C. Korth, B.C.H. May, F.E. Cohen, S.B. Prusi-ner, Acridine and Phenothiazine Derivati-ves as Pharmacotherapeutics for Prion di-sease. Proc. Nat. Acad. Sci. (USA) 9988(2001), 9836-9841.
[3] D. Peretz, R.A. Williamson, K. Kanako, J.Vergara, E. Leclerc, G. Schmitt-Ulms, I.R.Mehlhorn, G. Legname, M.R. Wormald,P.M. Rudd, R.A.Dwek, D.R. Burton, S.B.Prusiner, Antibodies inhibit prion propaga-tion and clear cell culture of prion infec-tivity. Nature 441122 (2001), 739-743.
[4] M. Enari, E. Flechsig, C. Weissmann, Scra-pie prion protein accumulation by scrapie-infected neuroblastoma cells abrogated byexposure to a prion protein antibody. Proc.Nat. Acad. Sci. (USA) 9988 (2001), 9295-9299.
Ulrike Holzgrabe, Würzburg
A B B . 2 Inhibitoren des PrPc → PrP sc-Umwandlungs-Prozesses
Nicht der Tumor an sich, sondernvielmehr seine Metastasen, die heim-lich in andere Körperteile ausschwär-men und dort ungehindert wachsen,sind die Feinde der Onkologen. Aberwas bringt z.B. Colon-Carcinomzellendazu, plötzlich aus dem Darm inbeispielsweise die Leber zu wan-dern?
Obwohl gerade die Entstehungdes Colon-Carcinoms molekular sehr
gut aufgeklärt ist, weiß man nochsehr wenig über den Mechanismusder Metastasenbildung. KennethKinzler, Bert Vogelstein und ihre Kol-legen an den Johns Hopkins MedicalInstitutions wollen hier Licht insDunkel bringen und untersuchtenzunächst Lebermetastasenzellen vonColon-Tumoren auf differentielle Genexpression gegenüber primärenTumorzellen und normalen, nicht-