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11 Reportage Grenz-Echo Freitag, 27. April 2012 Auf einem Erdwall schlängelt sich ein Drache entlang des Wassers. Das Kunstwerk misst von der Schwanzspitze bis zur Schnauze 38 Meter. Fotos: David Hagemann Im Jahr 1901 pflanzte die da- malige Forstverwaltung das Arboretum von Mefferscheid, um den Wuchs von verschiede- nen fremdländischen Baumar- ten auf dem kargen Boden des Hertogenwaldes zu testen. Die hundertjährige Versuchspflan- zung erstreckt sich über eine Gesamtfläche von fünf Hektar und umfasst hauptsächlich Na- delhölzer aus Nordamerika, Asien und Europa. Die letzten hundert Jahre haben allerdings auch bei die- sem Pflanzenbestand Spuren hinterlassen. Zwei Weltkriege und zahlreiche Stürme haben die einst zahlreich gepflanzten Setzlinge dezimiert. Dennoch sind noch viele verschiedene Baumriesen vorhanden. Unter ihnen sind auch seltene Beson- derheiten zu bestaunen. Aller- dings erfreute sich dieses bota- nische Experimentierfeld in letzter Zeit keiner besonders großen Bekanntheit. Das soll sich nun ändern. Um das Arbo- retum aus seinem Dornrös- chenschlaf wachzuküssen, hat sich die Forstverwaltung etwas Ungewöhnliches einfallen las- sen. Sie suchte die Zusammen- arbeit mit einem Welkenraed- ter Künstler. Eric Hagelstein schafft seit rund 20 Jahren Werke aller Art - ob mit Stein, aus Ton, Papier oder Holz. Er versteht sich selber als »Natur- künstler« und nimmt als Skulpteur auch schweres Gerät zur Hand. Das anhaltende Ge- räusch einer Motorsäge hat ihn bei der Arbeit am Arboretum in den letzten zwei Jahren be- gleitet. Allerdings stellt er klar: »Ich habe hier kein Kettensä- genmassaker veranstaltet. Ich arbeite gezielt und überlegt. Außerdem habe ich nur Bäu- me bearbeitet, die schon tot oder dem Tod geweiht waren.« So entstand in dem Arbore- tum ein Pfad von rund einem Kilometer Länge, der von ins- gesamt neun Kunstwerken ge- säumt wird. Die erste Arbeit gibt dem Weg seinen maleri- schen Namen: »Drachenpfad«. In leicht erhöhter Position schlängelt sich ein Lindwurm auf einem Erdwall dahin. Er misst von der Schwanzspitze bis zur Schnauze 38 Meter. Zahlreiche Holzzylinder bilden seine Wirbel, die auf Metallstä- ben befestigt sind und sich im Wind wiegen - er bewegt sich also Drache, kriecht langsam über die Anhöhe. In dem davor angelegten Teich spiegelt sich das Holzungetüm. »Meine Kunstwerke sind meistens sehr groß. Das ist ein- fach so«, erklärt der 48-jährige Künstler, der halbtags auch noch vor einer Schulklasse steht und unterrichtet. In die- sem Fall war für ihn die beson- dere Herausforderung, auch in lichter Höhe an den Bäumen arbeiten zu müssen. »Es war dabei unmöglich, das Kunst- werk als Ganzes zu betrachten. Ich habe immer nur einen Teil bearbeitet und musste das Ge- samtbild vor dem inneren Au- ge haben«, beschreibt er sein Vorgehen. Er bediente sich dabei im- mer nur der Materialien, die er vor Ort fand. Bäume, Wurzeln und Äste erwachten unter sei- nen Händen zu neuem Leben. »Ich füge nichts Künstliches hinzu. Das Einfache berührt die Menschen«, ist Eric Hagel- stein überzeugt. Dass seine Kunstwerke sich im Laufe der nächsten Jahre durch den natürlichen Alte- rungsprozess des Holzes noch verändern werden, stört ihn nicht. Im Gegenteil: »Das ge- hört dazu und ist gewollt. Kunst ist Leben.« Auch was die Interpretationen seiner Werke angeht, scheint der Künstler ei- nen ganz unkomplizierten An- satz zu verfolgen. Nur ungern gibt Eric Hagelstein seinen Werken daher Namen. Er möchte sein Publikum durch den Titel des Werkes nicht in eine bestimmte Richtung drän- gen. In diesem Fall hat er aller- dings eine Ausnahme gemacht. »Weil es sich um einen ge- schlossenen Parcours handelt, erschien es mir sinnvoll, die Werke zu benennen. Aller- dings soll jeder darin sehen, was er will. Es gibt nicht die ei- ne richtige Erklärung. Ein Werk kann Verschiedenes aus- drücken. Alles liegt im Auge des Betrachters«, lautet seine Einladung an Interessierte. Der Drachenpfad wird am Samstag ab 20 Uhr mit einem kleinen Fest eingeweiht. Ein Feuerspei- er, Musikgruppen und Tänzer sorgen im Wald und am Lager- feuer für Stimmung. Die fünf Euro Eintrittsgeld fließen in ein Naturschutzprojekt im Amazonasgebiet. Unter www.grenze- cho.net/fotos sind ebenfalls Bilder zu diesem Thema zu sehen. ArtBoretum: Kunst am Baum in Mefferscheid Alter Baum trifft auf mo- derne Kunst: So könnte die Synthese des Projek- tes lauten, das am Sams- tag in Mefferscheid bei Hestreux im Hertogen- wald eingeweiht wird. Der Welkenraedter Künstler Eric Hagelstein hat im Auftrag der Forst- verwaltung das rund hundertjährige Arbore- tum durch seine Skulp- turen aufgewertet. Welkenraedter Eric Hagelstein schafft mit der Kettensäge Kunst im Wald - »Drachenpfad« wird am Samstag eingeweiht Von Nathalie Wimmer Neben den uralten Nadelbäumen reckt sich eins der neun Kunstwerke des »Drachenpfads« in den Himmel. Zwei der neun Kunstwerke im Arboretum von Mefferscheid wurden von befreundeten Künstlern von Eric Hagelstein gefertigt, wie dieses. Seit zwanzig Jahren schlägt sein Herz für die Kunst. »Ohne könnte ich nicht mehr leben«, sagt Eric Hagel- stein.

ArtBoretum: Kunst am Baum in Mefferscheiddls.demetec.net/DLS/services/branchenindex/dokumente/29248/Grenz-E… · Arboretum von Mefferscheid, um den Wuchs von verschiede-nen fremdländischen

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Page 1: ArtBoretum: Kunst am Baum in Mefferscheiddls.demetec.net/DLS/services/branchenindex/dokumente/29248/Grenz-E… · Arboretum von Mefferscheid, um den Wuchs von verschiede-nen fremdländischen

11ReportageGrenz-Echo

Freitag, 27. April 2012

Auf einem Erdwall schlängelt sich ein Drache entlang des Wassers. Das Kunstwerk misst von der Schwanzspitze bis zur Schnauze 38 Meter. Fotos: David Hagemann

Im Jahr 1901 pflanzte die da-malige Forstverwaltung dasArboretum von Mefferscheid,um den Wuchs von verschiede-nen fremdländischen Baumar-ten auf dem kargen Boden desHertogenwaldes zu testen. Diehundertjährige Versuchspflan-zung erstreckt sich über eineGesamtfläche von fünf Hektarund umfasst hauptsächlich Na-delhölzer aus Nordamerika,Asien und Europa.

Die letzten hundert Jahrehaben allerdings auch bei die-sem Pflanzenbestand Spurenhinterlassen. Zwei Weltkriegeund zahlreiche Stürme habendie einst zahlreich gepflanztenSetzlinge dezimiert. Dennochsind noch viele verschiedeneBaumriesen vorhanden. Unterihnen sind auch seltene Beson-derheiten zu bestaunen. Aller-dings erfreute sich dieses bota-nische Experimentierfeld inletzter Zeit keiner besondersgroßen Bekanntheit. Das sollsich nun ändern. Um das Arbo-

retum aus seinem Dornrös-chenschlaf wachzuküssen, hatsich die Forstverwaltung etwasUngewöhnliches einfallen las-sen. Sie suchte die Zusammen-arbeit mit einem Welkenraed-ter Künstler. Eric Hagelsteinschafft seit rund 20 JahrenWerke aller Art - ob mit Stein,aus Ton, Papier oder Holz. Er

versteht sich selber als »Natur-künstler« und nimmt alsSkulpteur auch schweres Gerätzur Hand. Das anhaltende Ge-räusch einer Motorsäge hat ihnbei der Arbeit am Arboretumin den letzten zwei Jahren be-gleitet. Allerdings stellt er klar:»Ich habe hier kein Kettensä-genmassaker veranstaltet. Icharbeite gezielt und überlegt.Außerdem habe ich nur Bäu-me bearbeitet, die schon totoder dem Tod geweiht waren.«

So entstand in dem Arbore-tum ein Pfad von rund einemKilometer Länge, der von ins-gesamt neun Kunstwerken ge-säumt wird. Die erste Arbeitgibt dem Weg seinen maleri-schen Namen: »Drachenpfad«.In leicht erhöhter Positionschlängelt sich ein Lindwurmauf einem Erdwall dahin. Ermisst von der Schwanzspitzebis zur Schnauze 38 Meter.Zahlreiche Holzzylinder bildenseine Wirbel, die auf Metallstä-ben befestigt sind und sich imWind wiegen - er bewegt sichalso Drache, kriecht langsamüber die Anhöhe. In dem davorangelegten Teich spiegelt sichdas Holzungetüm.

»Meine Kunstwerke sindmeistens sehr groß. Das ist ein-

fach so«, erklärt der 48-jährigeKünstler, der halbtags auchnoch vor einer Schulklassesteht und unterrichtet. In die-sem Fall war für ihn die beson-dere Herausforderung, auch inlichter Höhe an den Bäumenarbeiten zu müssen. »Es wardabei unmöglich, das Kunst-werk als Ganzes zu betrachten.

Ich habe immer nur einen Teilbearbeitet und musste das Ge-samtbild vor dem inneren Au-ge haben«, beschreibt er seinVorgehen.

Er bediente sich dabei im-mer nur der Materialien, die ervor Ort fand. Bäume, Wurzelnund Äste erwachten unter sei-nen Händen zu neuem Leben.

»Ich füge nichts Künstlicheshinzu. Das Einfache berührtdie Menschen«, ist Eric Hagel-stein überzeugt.

Dass seine Kunstwerke sichim Laufe der nächsten Jahredurch den natürlichen Alte-rungsprozess des Holzes nochverändern werden, stört ihnnicht. Im Gegenteil: »Das ge-hört dazu und ist gewollt.Kunst ist Leben.« Auch was dieInterpretationen seiner Werkeangeht, scheint der Künstler ei-nen ganz unkomplizierten An-satz zu verfolgen. Nur ungerngibt Eric Hagelstein seinenWerken daher Namen. Ermöchte sein Publikum durchden Titel des Werkes nicht ineine bestimmte Richtung drän-gen. In diesem Fall hat er aller-dings eine Ausnahme gemacht.»Weil es sich um einen ge-schlossenen Parcours handelt,erschien es mir sinnvoll, dieWerke zu benennen. Aller-dings soll jeder darin sehen,was er will. Es gibt nicht die ei-ne richtige Erklärung. EinWerk kann Verschiedenes aus-drücken. Alles liegt im Augedes Betrachters«, lautet seineEinladung an Interessierte. DerDrachenpfad wird am Samstagab 20 Uhr mit einem kleinenFest eingeweiht. Ein Feuerspei-er, Musikgruppen und Tänzersorgen im Wald und am Lager-feuer für Stimmung. Die fünfEuro Eintrittsgeld fließen inein Naturschutzprojekt imAmazonasgebiet.

Unter www.grenze-cho.net/fotos sind ebenfallsBilder zu diesem Thema zusehen.

ArtBoretum: Kunst am Baum in Mefferscheid

Alter Baum trifft auf mo-derne Kunst: So könntedie Synthese des Projek-tes lauten, das am Sams-tag in Mefferscheid beiHestreux im Hertogen-wald eingeweiht wird.Der WelkenraedterKünstler Eric Hagelsteinhat im Auftrag der Forst-verwaltung das rundhundertjährige Arbore-tum durch seine Skulp-turen aufgewertet.

Welkenraedter Eric Hagelstein schafft mit der Kettensäge Kunst im Wald - »Drachenpfad« wird am Samstag eingeweiht

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� Von Nathalie Wimmer

Neben den uralten Nadelbäumen reckt sich eins der neun Kunstwerke des »Drachenpfads« in den Himmel.

Zwei der neun Kunstwerke im Arboretum von Mefferscheid wurdenvon befreundeten Künstlern von Eric Hagelstein gefertigt, wie dieses.

Seit zwanzig Jahren schlägt sein Herz für die Kunst. »Ohne könnte ich nicht mehr leben«, sagt Eric Hagel-stein.