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Arzneimittelkontrolle Deutsche Apotheker Zeitung · 142. Jahrgang 07.11.2002 Nr. 45 DAZ Arzneimittelkontrolle 5504 50 Ein gewisser Anteil der prä-mRNA unterliegt je- doch alternativen Spleißprozessen. Es entsteht hier- bei unter anderem eine um 45 Nucleotide verkürzte Variante der mRNA, die nach Translation in die entsprechende Proteinsequenz zu einer Variante des Wachstumshormons führt, bei der die Aminosäuren Illegale und gefälschte Wachstumshormon- präparate Y Das Wachstumshormon Somatropin wird u. a. in der Bodybuildingszene illegal als Dopingmittel zum Muskelaufbau einge- setzt. Außerhalb der regulären Vertriebs- wege kommen dabei häufig Präparate von zweifelhafter Herkunft mit erheblichen Qua- litätsmängeln zum Einsatz. In den letzten Jahren wurden von uns neben Präparaten mit in der EU nicht zugelassenen Somatropin- Varianten und gefälschten Präparaten, die anstelle des deklarier- ten rekombinanten Wachstumshormons r-hGH das Schwanger- schaftshormon hCG enthielten, weitere illegal gehandelte Präparate untersucht, die Wachstumshormon aus menschlichen Hypophysen (Hirnanhangdrüsen) enthiel- ten. Vor dem Hintergrund von mehr als 50 nachgewiesenen Fällen der Übertragung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit durch kontaminierte Wachstums- hormonpräparate Anfang der 80er-Jahre [1 – 4] muss vor dem Gebrauch solcher Präparate dringend gewarnt werden [5 – 9]. Biosynthese von Somatropin Das menschliche Wachstumshormon Somatropin (human growth hormone, hGH) ist ein nicht-glyko- syliertes Proteinhormon mit einer Kettenlänge von 191 Aminosäuren und einer molekularen Masse von ca. 22 kD. Die Tertiärstruktur des Proteins wird durch zwei Disulfidbrücken stabilisiert (Abb. 1). Die endogene Synthese und Freisetzung erfolgt im Hypophysen-Vorderlappen unter der Kontrolle von Hypothalamuspeptidhormonen. Endogenes Soma- tropin wird zunächst als Prä-Hormon mit 217 Ami- nosäuren Kettenlänge synthetisiert, von dem ein Signalpeptid mit 26 Aminosäuren bei der Sekretion abgespalten wird [10]. Das Gen für das Hormon umfasst fünf codierende Abschnitte (Exons). Die nicht codierenden Abschnitte (Introns) des Primär- transkriptes werden bei dessen Weiterverarbeitung entfernt [11]. In der Mehrzahl der Fälle resultiert daraus eine mRNA, die für das vollständige Wachs- tumshormon mit einer Kettenlänge von 191 Amino- säuren und einer Masse von ca. 22 kD (22-kD- hGH) codiert. Von Frank Jung, Michael Scherges und Peter Fürst, Münster Analytische Charakterisierung und Beurteilung von Gesundheits- gefahren Abb. 1: Das Wachstumshormon Somatropin in der Variante 22-kD-hGH. Dreidimensionale Struktur, generiert aus den in der Proteindatenbank SWISS-PROT abgelegten Röntgen- strukturdaten mit Hilfe des Programms RasMol. Gelb markiert sind die N-terminale Aminosäure (unten links), die beiden Disulfidbrücken und der Sequenzbereich, der bei der Variante 20-kD-hGH fehlt (oben). Rot markiert sind die Bereiche mit α-Helix-Struktur. Abb. 2: Synthese der beiden Somatropin-Varianten. Im menschlichen Genom ist das Somatropin-Gen auf fünf Ab- schnitte (Exons) verteilt. Aus der durch die Transkription der DNA entstehenden prä-mRNA werden die nicht codie- renden Abschnitte (Introns A – D) entfernt, und es entsteht die für das 22-kD-hGH codierende mRNA (links). Beim Spleißen wird mit einer Häufigkeit von ca. 5 bis 10% auch ein Teil des Exons 3 entfernt (Spleißstelle B’, gelb markiert). Durch dieses alternative Spleißen entsteht eine verkürzte mRNA, die nach Translation zum 20-kD-hGH führt (rechts).

Arzneimittelkontrolle · Arzneimittelkontrolle Deutsche Apotheker Zeitung· 142. Jahrgang 07.11.2002 Nr. 45 DAZ 51 5505 in Position 32–46 fehlen (Abb. 2). Das resultie-rende 20-kD-hGH

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A r z n e i m i t t e l ko n t r o l l eDeutsche Apotheker Zeitung · 142. Jahrgang 07.11.2002 Nr. 45D A Z A r z n e i m i t t e l k o n t r o l l e

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Ein gewisser Anteil der prä-mRNA unterliegt je-doch alternativen Spleißprozessen. Es entsteht hier-bei unter anderem eine um 45 Nucleotide verkürzteVariante der mRNA, die nach Translation in dieentsprechende Proteinsequenz zu einer Variante desWachstumshormons führt, bei der die Aminosäuren

Illegale und gefälschteWachstumshormon-präparate

Y Das Wachstumshormon Somatropinwird u. a. in der Bodybuildingszene illegalals Dopingmittel zum Muskelaufbau einge-setzt. Außerhalb der regulären Vertriebs-wege kommen dabei häufig Präparate vonzweifelhafter Herkunft mit erheblichen Qua-

litätsmängeln zum Einsatz. In den letzten Jahren wurden von unsneben Präparaten mit in der EU nicht zugelassenen Somatropin-Varianten und gefälschten Präparaten, die anstelle des deklarier-ten rekombinanten Wachstumshormons r-hGH das Schwanger-

schaftshormon hCG enthielten, weitereillegal gehandelte Präparate untersucht, die Wachstumshormon aus menschlichenHypophysen (Hirnanhangdrüsen) enthiel-ten. Vor dem Hintergrund von mehr als 50nachgewiesenen Fällen der Übertragung

der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit durch kontaminierte Wachstums-hormonpräparate Anfang der 80er-Jahre [1 – 4] muss vor demGebrauch solcher Präparate dringend gewarnt werden [5 – 9].

Biosynthese von Somatropin

Das menschliche Wachstumshormon Somatropin(human growth hormone, hGH) ist ein nicht-glyko-syliertes Proteinhormon mit einer Kettenlänge von191 Aminosäuren und einer molekularen Masse vonca. 22 kD. Die Tertiärstruktur des Proteins wirddurch zwei Disulfidbrücken stabilisiert (Abb. 1). Die endogene Synthese und Freisetzung erfolgt imHypophysen-Vorderlappen unter der Kontrolle vonHypothalamuspeptidhormonen. Endogenes Soma-tropin wird zunächst als Prä-Hormon mit 217 Ami-nosäuren Kettenlänge synthetisiert, von dem einSignalpeptid mit 26 Aminosäuren bei der Sekretionabgespalten wird [10]. Das Gen für das Hormonumfasst fünf codierende Abschnitte (Exons). Dienicht codierenden Abschnitte (Introns) des Primär-transkriptes werden bei dessen Weiterverarbeitungentfernt [11]. In der Mehrzahl der Fälle resultiertdaraus eine mRNA, die für das vollständige Wachs-tumshormon mit einer Kettenlänge von 191 Amino-säuren und einer Masse von ca. 22 kD (22-kD-hGH) codiert.

Von Frank Jung, Michael Schergesund Peter Fürst,Münster

AnalytischeCharakterisierungund Beurteilungvon Gesundheits-gefahren Abb. 1: Das Wachstumshormon Somatropin in der Variante

22-kD-hGH. Dreidimensionale Struktur, generiert aus den

in der Proteindatenbank SWISS-PROT abgelegten Röntgen-

strukturdaten mit Hilfe des Programms RasMol. Gelb

markiert sind die N-terminale Aminosäure (unten links),

die beiden Disulfidbrücken und der Sequenzbereich, der

bei der Variante 20-kD-hGH fehlt (oben). Rot markiert sind

die Bereiche mit α-Helix-Struktur.

Abb. 2: Synthese der beiden Somatropin-Varianten. Im

menschlichen Genom ist das Somatropin-Gen auf fünf Ab-

schnitte (Exons) verteilt. Aus der durch die Transkription

der DNA entstehenden prä-mRNA werden die nicht codie-

renden Abschnitte (Introns A – D) entfernt, und es entsteht

die für das 22-kD-hGH codierende mRNA (links). Beim

Spleißen wird mit einer Häufigkeit von ca. 5 bis 10% auch

ein Teil des Exons 3 entfernt (Spleißstelle B’, gelb markiert).

Durch dieses alternative Spleißen entsteht eine verkürzte

mRNA, die nach Translation zum 20-kD-hGH führt (rechts).

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in Position 32–46 fehlen (Abb. 2). Das resultie-rende 20-kD-hGH entsteht nicht bei der gentechni-schen Herstellung, die bereits vom fertig gespleiß-ten Gen ausgeht. Es kann daher als Marker zurIdentifizierung von aus menschlichen Hypophysengewonnenen Wachstumshormonpräparaten heran-gezogen werden [11 –12]. Tabelle 1 gibt einenÜberblick über verschiedene Wachstumshormone.

Pharmakologische Bedeutung

Die Wirkung von Wachstumshormon wird durchBindung an den Wachtumshormonrezeptor, einTransmembranprotein, vermittelt [14]. Das Hor-mon-Signal wird durch Dimerisierung des Rezep-tors und nachfolgende Signaltransduktion über ver-schiedene Phosphorylierungsschritte ins Zellinnereweitergeleitet [15, 16]. In der Leber wird unter der Einwirkung vonWachstumshormon der insuline like growth factor1 (IGF-1, Somatomedin C) freigesetzt, der einenTeil der Wachstumshormonwirkung vermittelt.Durch direkte und indirekte Einwirkung von Soma-tropin kommt es zu wachstumsfördernden Effektenauf Knochen und Skelettmuskeln und zu einem An-

stieg der Proteinbiosynthese, verbunden mit ver-stärktem Abbau von Fett. Der Einsatz von Wachs-tumshormon führt außerdem zu einem Anstieg desBlutzuckerspiegels [10].

Gentechnische Herstellung

Vor der Einführung gentechnischer Methoden zurGewinnung rekombinanter Proteine wurde mensch-liches Wachstumshormon durch Extraktion vonHypophysen aus Leichenmaterial gewonnen.Wegen des Risikos der Übertragung von Infek-tionskrankheiten, wie der den Prionkrankheiten zu-gerechneten Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD),wurden aus menschlichen Hypophysen gewonneneWachstumshormonpräparate in Deutschland Mitteder 80er-Jahre vom Markt genommen [17]. Seit-dem werden legal in Deutschland vertriebeneWachstumshormonpräparate nur noch gentechnischhergestellt. Die gentechnische Produktion erfolgt in der Regelmit Hilfe von E. coli. Eine Ausnahme stellt dasPräparat Saizen® von Ares-Serono dar, das aus derMaus-Zelllinie C127 gewonnen wird. Durch diekontrollierte gentechnische Herstellung der zuge-

Tab. 1: Molekularmassen und isoelektrische Punkte verschiedener Somatropine. Bei allen in Deutsch-land zur Anwendung am Menschen derzeit zugelassenen Somatropin-Präparaten handelt es sich umrekombinante Proteine (r-hGH), die mit der häufigeren Variante des natürlichen Wachstumshormons(22-kD-hGH) identisch sind. Met-hGH und des-Phe1-hGH sind gentechnisch hergestellte Varianten desmenschlichen Wachstumshormons, die in Deutschland nicht (mehr) zugelassen sind. Wachstumshor-mone aus Schwein, Rind und Pferd werden in der Veterinärmedizin eingesetzt. Sie könnten jedoch auchin gefälschten Präparaten, die als menschliches Wachstumshormon deklariert sind, auftreten.

Spezies Bezeichnung Swiss Prot Kettenlänge Molekularmasse IEP(Eintrag) (Amino- (in D)

säuren)

Mensch 22-kD-hGH P01241 191 22125 5,27

Mensch 20-kD-hGH P01241 176 20270 5,39

Mensch, r-hGH 191 22125 5,27rekombinant

Mensch, Met-hGH 192 22256 5,27rekombinant

Mensch, des-Phe1-hGH 190 21978 5,27rekombinant

Schwein P01248 190 21727 7,01

Rind P01246 190 21741 7,83

Ratte P01244 190 21807 6,37

Pferd P01245 190 21753 7,01

Die theoretisch zu erwartende Molekularmasse und der isoelektrische Punkt (IEP) wurden aus den in der Proteindatenbank SWISS-PROT [13]hinterlegten Aminosäurensequenzen ermittelt.

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lassenen Präparate kann ausgeschlossen werden,dass sie die Patienten mit der CJD infizieren.

Therapeutischer Einsatz

Auf dem deutschen Arzneimittelmarkt befindensich zurzeit regulär zugelassene Wachstumshor-monpräparate der Firmen Lilly (Humatrope®),Pharmacia (Genotropin®), NovoNordisk (Norditro-pin®), Ferring (Zomacton®) und Ares-Serono (Sai-zen®). Die genannten Präparate enthalten als Wirk-stoff gentechnisch hergestelltes, naturidentischeshumanes Wachstumshormon der Masse von ca.22 kD (r-hGH). Sie sind zugelassen für die Be-handlung von Minderwuchs bei Kindern vor Ab-schluss der Wachstumsphase bzw. zur Substitu-tionstherapie bei Erwachsenen mit nachgewiese-nem Wachstumshormonmangel. Ihre Sicherheit,Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei bestim-mungsgemäßer Anwendung sind durch das durch-laufene Zulassungsverfahren und die kontrollierteHerstellung unter GMP-Bedingungen gewährleis-tet. Die Applikation erfolgt als Dauertherapie wö-chentlich in Form von intramuskulären oder sub-kutanen Injektionen.

Illegaler Einsatz bei Sport und Bodybuilding

Somatropin eignet sich insbesondere in Kombina-tion mit niedrig dosierten anabolen Steroiden an-scheinend hervorragend als Dopingmittel zur Um-wandlung von Fett- in Muskelmasse (Abb. 3) underfreut sich zusammen mit Erythropoietin bzw.Epoetin (EPO) in der Dopingszene offenbar zuneh-mender Beliebtheit [18 –20]. Auch im Bereich desFreizeitsports kommen neben anderen leistungs-fördernden Medikamenten Wachstumshormon-präparate zum Einsatz [23].

Ähnlich wie das EPO-Doping war Wachstumshor-mon-Doping bis vor kurzem kaum nachzuweisen,da es sich im Gegensatz zu den meisten anabolenSteroiden um ein naturidentisches Hormon handelt[21]. Erst in jüngster Zeit wurde von einer Münch-ner Forschergruppe ein entsprechendes Nachweis-verfahren entwickelt [22]. Die Methode basiert aufmonoklonalen Antikörpern, die zwischen den bei-den im Blutkreislauf zirkulierenden endogenenhGH-Varianten unterscheiden können. Die Bestim-mung des Verhältnisses des 22-kD-hGH zum Ge-samt-hGH im Serum gestattet den Nachweis desDopings mit dem gentechnisch hergestellten r-hGHin einem Zeitfenster von 36 Stunden nach Applika-tion. Es sind daher engmaschige Trainingskontrol-len mit Abnahme von Blut erforderlich, um Wachs-tumshormon-Doping sicher zu verhindern. Als billige Alternative zu den teuren zugelassenenPräparaten werden insbesondere in der Bodybuil-dingszene auch illegale Wachstumshormonpräpa-rate gehandelt, die in Deutschland nicht zugelassensind.

Einsatz als Lifestyle-Droge: Anti-Aging und Anti-Obesity

Insbesondere in den USA wird Somatropin außer-halb der zugelassenen Indikationsgebiete als Life-style-Droge eingesetzt, die verjüngen und schlankmachen soll. Die entsprechenden Privatklinikenbedienen die gut situierte Klientel z.B. aus Holly-wood [24]. Ein klinisch relevanter funktionellerNutzen einer solchen Substitutionstherapie konnteallerdings bislang nicht belegt werden [25].

Material und Methoden

Herkunft von Proben und ReferenzsubstanzenSchwarzmarkt-Proben aus der Bodybuilder- und Doping-szene wurden uns von einem Journalisten zur Verfügunggestellt [26] bzw. von verschiedenen Zollfahndungsstellenund Arzneimittel-Überwachungsbehörden zur amtlichenUntersuchung vorgelegt. Referenzmaterial für rekombinantes humanes Somatropin(chemical reference substance: CRS) und für Somatropinaus Hypophysenextrakten (biological reference product:BRP) stammten vom European Directorate for the Qualityof Medicines (EDQM), Straßburg, bzw. vom National In-stitute for Biological Standards and Control (NIBSC),South Mimms, Potters Bar, GB [27]. Humanes Chorion-gonadotropin (hCG) aus Schwangerenurin wurde vonFa. Sigma, Deisenhofen, bezogen. Als hCG-haltiges Ver-gleichspräparat wurde Pregnyl® der Firma Organon ver-wendet.

Untersuchungsmethoden

Peptide mappingDie tryptische Peptidkartierung wurde in Anlehnung andie Somatropin-Monographie des Europäischen Arznei-buchs durchgeführt [28]. Ca. 2 mg Somatropin wurden in1 ml Trometamolacetat-Pufferlösung pH 8,5 R gelöst, mit

Abb. 3: In der Bodybuildingszene wird Wachstumshormon

neben den üblichen Anabolika sowohl im professionellen

als auch im Freizeitsport-Bereich illegal zum Muskelaufbau

eingesetzt. Als weitere nicht zugelassene Indikationen ge-

winnen Anti-Aging und Anti-Obesity, insbesondere in den

USA, an Bedeutung.

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15 µl einer 0,2%igen Trypsin-Lösung (Trypsin zurProteinsequenzierung R) versetzt und für 4 Stunden beieiner Temperatur von 37 °C inkubiert. Die Trennung derresultierenden Peptid-Bruchstücke erfolgte anschließenddurch reversed-phase HPLC auf einer LiChrosorb RP-8Säule (5 µm Partikelgröße, Dimension 4,0 mm � 250mm, Merck, Darmstadt) bei einer Säulentemperatur von35 °C. Das Injektionsvolumen betrug 100 µl. Als mobilePhase wurde ein Wasser/Acetonitril-Gradient mit 0,1%Trifluoressigsäure (TFA) bei einer Flussrate von 1,0 mlverwendet. Gradientenbedingungen: Fließmittel A: 0,1%(G/V) TFA in Wasser. Fließmittel B: 0,1% (G/V) TFA,10% (V/V) Wasser, 90% (V/V) Acetonitril. Gradienten-programm siehe Tabelle 2. Die UV-Detektion erfolgte bei einer Wellenlänge von214 nm. Der Anstieg der Basislinie wurde durch Subtrak-tion des Chromatogramms des Blindwerts (Trometamol-acetat-Puffer) von den Chromatogrammen der Standard-und Probenlösungen korrigiert. Die Untersuchungenwurden mit einem HPLC-System der Firma Shimadzu(Pumpe LC10, ternärer Hochdruckgradient, SPD-M10ADioden-Array-Detektor) durchgeführt.

Reversed-phase HPLCDie reversed-phase HPLC zur Bestimmung von Identitätund Reinheit des Somatropins erfolgte nach der vonRiggin entwickelten Methode [29] in Anlehnung an dieTestvorschrift für „Verwandte Proteine“ der Somatropin-Monographie [28] auf einer Jupiter C4-Säule (Dimension4,6 mm � 250 mm, Partikelgröße 5 µm, Porengröße300 Å, Phenomenex, Aschaffenburg). Als mobile Phasewurde 1-Propanol / 50 mM Tris pH 7,5 bei einer Fluss-rate von 0,5 ml/min eingesetzt. Die Detektion erfolgte bei220 nm. Es wurde ein HPLC-System der Firma Merck-Hitachi mit Gradientenpumpe L-6200, Autosampler AS-2000 und Dioden-Array-Detektor L-4500 verwendet.

SDS-PAGEDie denaturierende SDS-Polyacrylamidgelelektrophoresezur Identitätsbestimmung und zur Charakterisierung desProtein-Verunreinigungsprofils wurde nach dem Verfah-ren von Lämmli [30] durchgeführt. Es wurden Ready GelGradientengele 4 bis 15% der Firma Bio-Rad verwendet.Die Färbung erfolgte mit Coomassie Blau. Die Auswer-tung erfolgte über ein kalibriertes Densitometer GS710mit der Software Quantity One der Firma Bio-Rad.

IEFDie Isoelektrische Fokussierung wurde auf Clean Gel IEFFertiggelen der Firma Amersham Pharmacia Biotech inAnlehnung an die Ph.Eur.-Monographie [28] durchge-

führt. Die Gele wurden mit Coomassie Blau gefärbt undanschließend getrocknet. Die Auswertung erfolgte überein kalibriertes Densitometer wie oben beschrieben.

ESI-MassenspektrometrieMit Hilfe der Elektrospray-Ionisations-Massenspektrome-trie wurde das Molekulargewicht der Haupt-Proteinkom-ponenten mit einer Auflösung von <1 D bestimmt. Eswurde ein Triple-Quadrupol-Gerät (Micromass QuattroII, Fa. Micromass) eingesetzt. Die Ionisation wurde impositive mode durchgeführt. Zur Probenvorbereitungwurde die zu untersuchende Substanz in einer Konzentra-tion von ca. 50 bis 100 ppm in einem Wasser/Acetoni-tril/Ameisensäure-Gemisch gelöst. Die so hergestellteProbenlösung wurde ohne chromatographische Trennungmittels flow injection der Ionenquelle des Massenspektro-meters zugeführt.

MALDI-TOF-MassenspektrometrieDie MALDI-TOF-Massenspektrometrie wurde extern aufeinem Voyager-DE STR MALDI-MS Gerät (PE-Biosys-tems) durchgeführt. Ein kleiner Teil der Probe wurde inWasser gelöst, 0,3 µl der Lösung wurden mit 0,3 µl Ma-trix (gesättigte Lösung von Sinapinsäure in 30% Acetoni-tril, 0,1% TFA) auf dem Target gemischt und luftgetrock-net. Die Messung erfolgte im positiven Linear-Modus mitdelayed extraction (750 ns), einer Beschleunigungsspan-nung von 25000 V, 100 laser shots pro Spektrum undeinem Massenbereich von 5000 bis 200000 D.

Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen

Bei der Untersuchung von Proben mit der Bezeich-nung „Somatogenum“ in den Jahren 1996 bis 1998waren Abweichungen vom authentischen Wachs-tumshormon erstmalig im peptide mapping aufge-fallen. Nach enzymatischem Abbau des Proteinsdurch Trypsin und chromatographischer Auftren-nung der Bruchstücke zeigte sich bei einer „Soma-togenum“-Probe ein unterschiedliches Peakmusterim Vergleich zur Referenzsubstanz. Beim Identitäts-test durch reversed-phase HPLC (Identitätstest Bder Arzneibuch-Monographie) waren bei der „So-matogenum“-Probe mehrere Peaks mit unterschied-lichen Retentionszeiten im Vergleich zur Somatro-pin-Referenzsubstanz zu beobachten. Bei der fürSomatropin zu erwartenden Retentionszeit trat hin-gegen kein Peak auf. Die Bestimmung der Molekularmasse durch LC-MS mit Elektrospray-Ionisation (ESI) ergab beiden Hauptpeaks der untersuchten Proben einen imVergleich zur Referenzsubstanz deutlich niedrige-ren Wert. Die beobachtete Massendifferenz von147 D entsprach exakt der Masse eines Phenylala-nins in der Peptidkette. Da sowohl der N-Terminusals auch der C-Terminus des Somatropins mit Phe-nylalanin beginnt [13] und auch innerhalb der Pep-tidkette mehrere Phenylalanin-Bausteine vorkom-men, war eine Sequenzierung erforderlich, um dieexakte Position der Deletion zu bestimmen. Glück-licherweise lieferte bereits die Sequenzierung desN-Terminus die benötigte zusätzliche Information.Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Wirk-

Zeit (min) % A % B

0 100 0

20 80 20

40 75 25

65 50 50

70 100 0

85 100 0

Tab. 2: Gradientenprogramm für die Peptid-markierung.

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stoff der untersuchten Präparate um des-Phe1-So-matropin handelte, bei dem im Vergleich zum 22-kD-hGH mit 191 Aminosäuren die erste (N-ter-minale) Aminosäure fehlt [31]. Neben der reversed-phase Chromatographie liefer-ten damals auch die beiden elektrophoretischenVerfahren SDS-PAGE und IEF eindeutige Hin-weise auf proteolytischen Abbau und andere Pro-teinabbauprodukte, die durch Desamidierung undS-Oxidation von Aminosäurenseitenketten z.B. beiunsachgemäßer Lagerung entstehen können. DieAnforderung der Arzneibuchmonographie in denTests auf verwandte Proteine und beim IEF-Testwaren nicht erfüllt. Das Fehlen des für Hypophysenextrakte charakte-ristischen 20-kD-hGH ließ jedoch den Schluss zu,dass es sich bei den in den Jahren 1996 bis 1998untersuchten Proben nicht um Material ausmenschlichen Hypophysen, sondern mit hoherWahrscheinlichkeit um gentechnisch hergestelltesMaterial gehandelt hatte.

Ergebnisse neuerer Untersuchungen

Probe mit der Bezeichnung „Somatogenum“ Die Untersuchung durch Elektrospray-Massen-spektrometrie ergab, dass es sich auch bei der hierim Jahre 1999 untersuchten Probe (Abb. 4) um dengentechnisch gewonnenen Wirkstoff des-Phe1-So-matropin handelte: Während bei der Referenzsub-stanz (CRS) die durch ESI-Massenspektrometrieermittelte mittlere molekulare Masse von 22125,8± 0,5 D sehr gut mit dem aus der Aminosäurense-quenz unter Berücksichtigung der zwei intramole-kularen Disulfidbrücken berechneten Erwartungs-wert von 22125 D übereinstimmte, lieferte die „So-matogenum“-Probe wiederum ein Signal bei einer

Abb. 4: Ampulle und Faltschachtel „Somatogenum-L Biofa“.

Die Ampullen waren mit einem blauen Aufdruck mit dem

Wortlaut: „Somatogenum-L, 4UI, 019801, Exp. 199901,

i.m./s.c. BIOFA“ gekennzeichnet.

Abb. 5: ESI-Massenspektren von Somatropin CRS (oben)

und „Somatogenum“. Bei der Elektrospray-Ionisation ent-

steht im positiven Ionisations-Modus auch bei einem reinen

Protein eine Serie von mehrfach positiv geladenen Molekül-

ionen (hier: 13- bis 19fach positiv geladen, rechte Hälften

der Abbildungen). Durch ein Dekonvolutions-Verfahren er-

rechnet die Software des Massenspektrometers die mole-

kulare Masse des Proteins (links). Die erreichte Genauig-

keit lag hier bei ca. ± 1 D. Bei der Referenzsubstanz (CRS)

stimmte die ermittelte Masse im Rahmen der Messunsicher-

heit mit dem theoretisch zu erwartenden Wert von 22125 D

überein. Die Hauptproteinkomponente der untersuchten

Probe ergab hingegen einen um ca. 147 D niedrigeren

Wert.

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deutlich niedrigeren Masse (21978,1 ± 0,3 D, Mas-sendifferenz: ca. 147 D), wie es für des-Phe1-So-matropin zu erwarten ist (Abb. 5). Auf eine weitereUntersuchung z. B. durch peptide mapping oder re-versed-phase HPLC konnte daher verzichtet wer-den. Im Gegensatz zu den in den vorangegangenenJahren untersuchten Proben mit der Bezeichnung„Somatogenum“ entsprachen die Ergebnisse derReinheitsprüfungen mittels IEF und SDS-PAGEbei der hier untersuchten Probe den Anforderungendes Arzneibuchs an Somatropin. Sowohl im IEF alsauch bei der SDS-PAGE zeigte die Probe nur eineHauptbande im erwarteten pH- bzw. Molekular-massenbereich. Es ergaben sich keine Hinweise aufProtein-Abbauprodukte. Offenbar handelte es sichbei der hier untersuchten Probe um ein proteinche-misch betrachtet recht sauberes, unzersetztes Pro-dukt.

Proben mit der Bezeichnung „Corpormon“Bei der Untersuchung der Proben mit der Bezeich-nung „Corpormon“ (Abb. 6) verlief der Identitäts-test auf Somatropin über Reversed-phase HPLCnegativ (Abb. 7). Anstelle des zu erwartendenPeaks bei einer Retentionszeit von ca. 30 Minutenwaren mehrere Peaks bei sehr kurzen Retentions-zeiten von 5 bis 8 Minuten zu beobachten. Eine Internet-Recherche mit dem Suchbegriff

„Corpormon“ lieferteHinweise aus der Body-buildingszene, dass dasPräparat Corpormon of-fenbar häufig als Fäl-schung mit dem Wirk-stoff hCG anstelle desdeklarierten rekombi-nanten Somatropins inden Schwarzmarkt ge-langt. Der Verdacht be-stätigte sich bei den hieruntersuchten Proben.Ein in entsprechenderVerdünnung durchge-führter konventionellerSchwangerschaftstestzum hochselektiven im-munologischen Nach-weis von hCG war beibeiden Proben positiv.Das Ergebnis wurde

durch SDS-PAGE (Abb. 8) bestätigt. Beide „Cor-pormon“-Proben ergaben zwei für die alpha- undbeta-Untereinheit von hCG charakteristische Ban-den.

Probe mit der Bezeichnung „CCOOMMAATTOOTTPPOOèàHHóEEãOOBBEEKKAA, Fa. Endokrininai“Nach der Isoelektrischen Fokussierung traten beider untersuchten Probe (Abb. 9) neben der Haupt-bande bei pH 5,2 mehrere intensive Nebenbanden

im pH-Bereich von 4,6 bis 5,2 auf. Auch bei deraus Hypophysen gewonnenen älteren Vergleichs-substanz (BRP) waren ähnliche Nebenbanden zubeobachten. Die Nebenbanden sind wahrscheinlichauf die Hydrolyse von Asparagin- und Glutamin-Seitenketten des Proteins zu den entsprechendenDesamido-Formen zurückzuführen. Durch die Um-wandlung der Säureamidgruppen in Carbonsäure-gruppen verschiebt sich der isoelektrische Punktdes Proteins in den sauren Bereich. Bevorzugte Angriffspunkte für den hydrolytischenAbbau sind die exponierten Säureamidgruppen vonAsparagin in Position 149 und 152 der Polypeptid-kette [32, 33]. Die Forderung der Arzneibuchmono-graphie, wonach keine Nebenbande mit einerIntensität von mehr als 6,25% der Intensität derHauptbande auftreten darf, war somit bei dem vor-liegenden Präparat nicht erfüllt. Bei der Prüfung auf verwandte Substanzen mittelsreversed-phase HPLC war zwar ein Peak bei derRetentionszeit von Somatropin zu sehen, es tratenjedoch mehrere intensive Nebenpeaks mit kürzerenRetentionszeiten auf (Abb. 10). Auch hier war dieReinheitsanforderung der Arzneibuch-Monogra-phie (Summe der Peakflächen der Nebenpeaks< 13%) nicht erfüllt. Mittels ESI-Massenspektrometrie konnte der Wirk-stoff Somatropin durch die massenspektrometri-sche Detektion des Molekülions bei der erwartetenMasse von 22125 D eindeutig in der Probe nachge-wiesen werden (Abb. 11). Die zusätzlich beobach-teten intensiven Signale bei 22224 D und bei22322 D und das insgesamt recht unsaubere Mas-senspektrum wiesen allerdings auf Verunreinigun-gen durch Begleitproteine und Zersetzungspro-dukte hin. Bei der Untersuchung durch SDS-Polyacrylamid-gelelektrophorese (Abb. 12) zeigte die Probe nebender Hauptbande bei 22 kD zahlreiche deutlicheNebenbanden u. a. bei 20 kD und 44 kD. Das Mus-

Abb. 6a: Injektionsflaschen „Corpormon 8UI“,

die im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen

Ermittlungsverfahrens untersucht wurden. Die

mangelhafte Kennzeichnung (z.B. Buchstabier-

fehler „Corol Labs“ anstelle von „Control Labo-

ratories“) ließ bereits vermuten, dass es sich

um eine eher primitive Fälschung handelt.

Abb. 6b: Injektionsflaschen „Corpormon 4UI“, die im Zuge

der kürzlich ergangenen Warnmeldung [9] untersucht wur-

den. Es handelte sich um professionell aufgemachte Injek-

tionsflaschen von ca. 4,3 cm Länge und 1,6 cm Durchmes-

ser mit einer weißen Masse am Boden der Ampulle.

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ter der Proteinverunreinigungen war dem der ausHypophysenmaterial gewonnenen Vergleichssub-stanz (BRP) sehr ähnlich. Die Anwesenheit der 20-kD-Bande in der Probe bewies, dass es sich in derTat um ein aus menschlichen Hypophysen gewon-nenes Wachstumshormonpräparat handelte. Die Er-gebnisse der SDS-PAGE konnten später durch dieMALDI-TOF MS bestätigt werden.

Abb. 7: Reversed-Phase-HPLC von a) Somatropin CRS (r-hGH), b) „Corpormon

4UI“ und c) hCG-haltigem Präparat. Der Hauptpeak für Somatropin war unter

den gewählten chromatographischen Bedingungen bei ca. 30 min zu erwarten

(a). Bei „Corpormon 4UI“ fehlte dieser Peak. Statt dessen traten mehrere

Peaks bei sehr kurzen Retentionszeiten von 5 bis 8 min auf (b). Das nachträg-

lich untersuchte hCG-haltige Präparat ergab ebenfalls einen Peak bei 5 min (c).

Abb. 8: SDS-PAGE von „Corpormon“: In der denaturieren-

den SDS-PAGE werden Proteine während der Probenvorbe-

reitung in ihre Untereinheiten aufgespalten und anschlie-

ßend durch Elektrophorese auf Polyacrylamid-Gelen nach

ihrer Größe aufgetrennt. Auf den beiden äußeren Bahnen

war ein Standard-Proteingemisch aufgetragen. Die unter-

suchten Proben von „Corpormon“ ergaben ebenso wie

hCG bzw. das hCG-haltige Präparat Pregnyl® zwei Banden

bei ca. 22 kD und 34 kD, wie sie für die alpha- und beta-

Untereinheit des hCG zu erwarten waren. Rekombinantes

Somatropin (r-hGH) ergab wie erwartet nur eine Bande bei

ca. 22 kD.

Abb. 9: Ampullen und Faltschachtel der Firma Endokrininai:

Es handelte sich um Injektionsflaschen von ca. 5,3 cm Höhe

und 1,6 cm Durchmesser, verschlossen mit einer silber-

farbenen Metallkappe. Es befand sich eine leicht gelbliche,

zum Teil verklebte Trockensubstanz am Boden der Injektions-

flaschen. Auf der Vorderseite der Faltschachtel ist oben zu

lesen: „Somatropinum humanum pro injectionibus“.

Darunter das Gleiche auf Russisch sowie die Angaben:

„Steril, intramuskulär, 5 Ampullen zu 4 I.E.“. Auf der Rück-

seite stand auf Russisch: „Endokrine Präparate Kaunas.

5 Ampullen. 0,25% Lösung von Novocain in 2 ml. Aufbe-

wahren an einem trockenen Ort bei einer Temperatur nicht

über 10 °C. P.76.647.6“. Chargenbezeichnung und Verfall-

datum waren auf der Seite der Verpackung eingraviert.

a)

b)

c)

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Risiken wegen fehlender EU-Zulassungoder Verfälschung

Sämtliche bisher von uns untersuchten Proben mitder Bezeichnung „Somatogenum“ enthielten denWirkstoff des-Phe1-Somatropin. Präparate mit die-sem Wirkstoff sind als gentechnisch hergestellteWachstumshormonpräparate der ersten Generation,analog z. B. zum Met-Somatropin, einzustufen. Alsgentechnisch hergestellte Arzneimittel wären sieinnerhalb der EU obligatorisch über die europä-ische Zulassungsbehörde EMEA in London zentralzuzulassen. Da eine entsprechende Zulassung nichtvorliegt, sind Präparate mit dem Wirkstoff des-Phe1-Somatropin derzeit in der EU nicht verkehrs-fähig. In Litauen und einigen anderen osteuropäischenLändern ist ein Arzneimittel der Bezeichnung „So-matogenum-L 4 UI“ der Firma Biofa mit dem In-haltsstoff des-Phe1-Somatropin zur Behandlungvon Wachstumsstörungen registriert [34]. Bei den

auf dem Schwarzmarkt gehandelten Produkten mitder Bezeichnung „Somatogenum“ könnte es sichsomit sowohl um Originalprodukte aus osteuropä-ischen Ländern als auch um Fälschungen handeln.Eine Prüfung auf Sicherheit, Wirksamkeit und Un-bedenklichkeit hat innerhalb der EU nicht stattge-funden. Da die Herstellungsbedingungen nicht be-kannt sind, kann ein Infektionsrisiko durch mögli-che Kontamination mit pathogenen Keimen nichtausgeschlossen werden. In Japan (nicht aber in der EU) ist ein Fertigarznei-mittel mit der Bezeichnung „Corpormon 4UI“ derFirma Nikken mit gentechnisch hergestelltem So-matropin als Wirkstoff zugelassen. Bei den hieruntersuchten Proben mit der Bezeichnung „Corpor-mon“ handelt es sich offensichtlich um Fälschun-gen, die das Schwangerschaftshormon hCG ent-hielten. Durch den Austausch mit einem anderenverschreibungspflichtigen Wirkstoff sind diese Prä-parate als medizinisch besonders bedenklich zu be-urteilen.

Infektionsgefahr nicht unterschätzen!

Unsere in den letzten Jahren durchgeführten Unter-suchungen bestätigen, dass mehr als 15 Jahre nachEinführung der gentechnisch hergestellten Wachs-

Abb. 10: Reversed-Phase-HPLC von a) Somatropin CRS (r-hGH) und b) Präparat

der Fa. Endokrininai. Bei der Referenzsubstanz (a) lag der Hauptpeak für Soma-

tropin unter den gewählten Bedingungen bei ca. 33 min. Der Anteil an verwand-

ten Proteinen (u. a. Desamidierungs- und Oxidations-Produkte) lag hier weit

unter der in der Arzneibuchmonographie angegebenen Obergrenze von 13%.

Bei der untersuchten Probe der Fa. Endokrininai (b) war neben dem Peak für

Somatropin ein hoher Anteil an Protein-Verunreinigungen nachweisbar. Die Rein-

heitsanforderungen des Arzneibuchs waren nicht erfüllt.

Abb. 11: ESI-Massenspektrum der Probe der Fa. Endokrini-

nai. Das nach flow-injection erhaltene ESI-Massenspek-

trum deutete auf einen hohen Anteil an Protein-Verunreini-

gungen hin. Nach Dekonvolution war zwar ein Peak bei der

erwarteten Masse von Somatropin (Tab. 1) nachweisbar, es

traten jedoch eine ganze Reihe von weiteren Peaks auf.

Das aus menschlichen Hypophysen erhaltene Vergleichs-

material (Somatropin BRP) ergab ähnliche Spektren (nicht

abgebildet).

a)

b)

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tumshormonpräparate auch heute noch Hormonprä-parate aus menschlichen Hypophysen auf demSchwarzmarkt in Deutschland im Umlauf sind. Bei der Anwendung solcher Präparate besteht einerhebliches Risiko der Übertragung der Creutz-feldt-Jakob-Krankheit [1 –4] und möglicherweiseanderer Infektionskrankheiten wie z.B. Hepatitis Bund C. Da die Risiken in der Szene mittlerweile be-kannt sein sollten, dürfte der geringere Preis dieserrisikobehafteten Präparate der ausschlaggebendeFaktor für deren Anwendung sein (s. Kasten).

Dennoch kann vor dem Gebrauch solcher Präparatenur eindringlich gewarnt werden. Z

Danksagung:Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Bernhard Hoffmann undHerrn Dr. Helmut Brand für die kritische Durchsicht desManuskripts sowie bei Frau Elisabeth Feller und beiHerrn Abdi Ismail für die sorgfältige Durchführung vonexperimentellen Arbeiten.

Abb. 12: SDS-PAGE der Probe der Fa. Endokrininai im Ver-

gleich mit gentechnisch hergestelltem Somatropin-Refe-

renzstandard (CRS) und einem aus menschlichen Hypophy-

sen gewonnenen älteren Standard (BRP). Die Anwesenheit

des 20-kD-hGH unterhalb der Hauptbande beweist, dass es

sich bei der Probe um ein risikobehaftetes, aus mensch-

lichen Hypophysen gewonnenes Präparat handelte (vgl.

Abb. 1).

Lukrative Arzneimittelfälschungen

Wachstumshormonpräparate sind aufgrund des re-lativ hohen Preises und des weit verbreiteten illega-len Einsatzes außerhalb der zugelassenen Indika-tionsgebiete interessante Ziele für Arzneimittelfäl-schungen. In den USA wurde in jüngster Zeit überzwei gefälschte Somatropin-Präparate berichtet, diebis in die Regale amerikanischer Apotheken gelangtwaren [35, 36].

In Deutschland sind gefälschte Somatropin-Präpa-rate bisher nur im Bereich des Schwarzmarktes be-kannt geworden [37]. Die Nachfrage regelt sich überden Preis: Während vier Einheiten eines solchenSchwarzmarktpräparates bereits für 40 bis 50 DMzu haben waren [19], kostete die gleiche Menge einesgentechnisch hergestellten und regulär zugelassenenProduktes das 4- bis 5fache (Rote Liste 2000).

Über gefälschte Anabolikapräparate in der Bodybuil-dingszene wurde bereits in dieser Zeitschrift berich-tet [38].

Dr. Frank Jung studierte von1984 bis 1990 Pharmazieund Chemie an der Univer-sität Marburg und wurde1994 im Fach Pharmazeuti-sche Chemie an der Univer-sität Kiel promoviert. Nacheinem von der DFG geförder-ten Forschungsaufenthaltam Scripps Research Institute in La Jolla (SanDiego, Kalifornien) war er bei der FreseniusMedical Care AG tätig. 1999 wechselte er zumLandesinstitut für den Öffentlichen Gesundheits-dienst des Landes NRW in Münster. Hier ist erals Laborleiter in der amtlichen Arzneimittelunter-suchungsstelle sowie als Sachverständiger beibehördlichen GMP- und GLP-Inspektionen vonPharmazeutischen Betrieben tätig.

Anschrift: Dr. F. Jung, LÖGD NRW, Abt. 6, von-Stauffenberg-Str. 36, 48151 Münster [email protected]

Dipl.-Ing. Michael Scher-ges studierte von 1986 bis1990 Chemie in Wuppertal,von 1990 bis 1992 Chemie-Ingenieurwesen an der FHMünster. 1992 Diplomarbeitbei Wyeth-Pharma, 1993Tätigkeit in verschiedenenpharmazeutischen Unterneh-men, seit 1994 ist er Mitarbeiter der Arzneimit-teluntersuchungsstelle im LÖGD NRW.

Dr. Peter Fürst leitet die Ab-teilung Zentrale Analytik imChemischen Landes- undStaatlichen Veterinärunter-suchungsamt in Münster. Erist international ausgewiese-ner Experte auf dem Gebietder Dioxin-Analytik.

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