25

„Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

  • Upload
    others

  • View
    8

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung
Page 2: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

„Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer Geschäftsführer“

Beitrag 1.3

Das Krankenhaus im Wandel –Prozessorientierung im Krankenhaus

Peter Stratmeyer/Axel Düsenberg

Rn.

1 Das Krankenhaus vom Kopf auf die Füße stellen –Organisation patientennaher kooperativer Versorgungs-prozesse auf Stations- und Abteilungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 – 36

1.1 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 – 101.2 Paradigmenwechsel – von der Versäulung zur Prozess-

organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 121.3 Modell Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus . . . . . . . . 13 – 181.4 Konzept der erweiterten Pflegeaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – 221.5 Bezugspersonenkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 – 351.6 Zusammenfassung und Überleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

2 Das ECO-Konzept des DRK-Krankenhauses Clementinenhaus 37 – 772.1 Zukünftige Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 – 452.2 Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462.3 Organisationselemente des ECO-Konzepts (Expert Care

Organisation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 – 682.4 Implementierung und Evaluation des ECO-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . 69 – 77

3 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 – 81

Literatur

Stratmeyer/Düsenberg 43

Page 3: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

1

2

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

Schlagwortübersicht

Rn. Rn.

Bezugspersonenkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . 23DRK-Krankenhaus Clementinen-haus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 f., 78

ECO-Konzept(Expert Care Organisation) . . . . . . . . . . 71

ECO-Pflegefachkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . 52, 58Erweitertes Behandlungsteam . . . . . . . 50, 53Expertensystem Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . 55Expertensystem Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56Fallverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Abstract: Ziel des Aufsatzes ist es, ein auf praktische Erfahrungen basierendessowie theoretisch begründetes kooperatives Modell moderner Organisationsge-staltung von Krankenhäusern vorzustellen. Ausgehend von dem Leitmotiv patien-tenorientierter Versorgung werden die Leistungsprozesse der Patientenversorgungkonsequent in den Vordergrund gerückt, an denen sich die Anforderungen derArbeitsteilung sowie des Zusammenwirkens der Berufsgruppen und der jeweili-gen Leitungsstrukturen zu orientieren haben. Vorgestellt wird ein Krankenhaus,das sich bereits vor Jahren auf den Weg gemacht hat, eine grundlegende Revisionihrer Organisation in Richtung auf konsequente Umsetzung von Prozessorganisa-tion und Prozessmanagement durchzuführen.

1 Das Krankenhaus vom Kopf auf die Füßestellen – Organisation patientennaherkooperativer Versorgungsprozesse aufStations- und Abteilungsebene

1.1 AusgangslageSeit vielen Jahren wird beklagt, dass die Krankenhausorganisation unter berufs-ständischer Versäulung leide, die einer Konzentration auf die arbeitsteilig zu er-bringenden Leistungsprozesse entgegenwirke.1

Organisationstheoretisch bedeutet die Vorstellung, dem Krankenhaus mit seinenBerufsgruppen, Hierarchiegefügen und Stellen in der Organisationsgestaltung ei-nen zentralen Stellenwert einzuräumen, in die sich die Leistungsprozesse einzu-passen haben, eine primäre Orientierung an der Strukturorganisation. Wer sich

1 Stratmeyer, Das patientenorientierte Krankenhaus, 2002.

44 Stratmeyer/Düsenberg

Kernteam . . 31, 35, 50 f., 53, 58, 60, 71, 79Kooperatives Prozessmanagement(KoPM®) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 15

Leistungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Leitungsrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 f.Mitarbeiterorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 80Patientenorientierung . . . . . . . . . . . . . 17, 79 f.Prozessorganisation . . . . . 11, 23, 26, 32, 36Prozessverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . 23, 32Zentrale Patientenaufnahme (ZPA) . . . . 48

Page 4: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Das Krankenhaus vom Kopf auf die Füße stellen

einen Überblick über ein Krankenhaus verschaffen will, wird sich auch zunächstam formalen Organisationsaufbau orientieren: Krankenhausleitung, Medizini-sche Fachabteilungen mit ihren jeweiligen personellen Untergliederungen, Pflege-dienst, Verwaltung und Wirtschaftsabteilung, medizinische Funktionsdienste,usw.

Die medizinische Fachabteilung nimmt dabei eine besondere Rolle ein, da sieden eigentlichen produktiven Kern des Krankenhauses darstellt. In der Abteilungwerden die Patienten aufgenommen, behandelt, gepflegt, versorgt und in der Re-gel auch wieder entlassen. Die nichtmedizinischen Abteilungen bekommen dabeiden Status von Service- und Supportfunktionen zugewiesen. Dieses Bild, die me-dizinischen Fachabteilungen mit ihren Hauptrepräsentanten den Chefärzten alseigentliche Kernbereiche zu verstehen, um die sich das übrige Krankenhaus mitseinen vielfältigen Berufsgruppen herumorganisiert, besteht sicherlich noch invielen Köpfen leitender Krankenhausärzte, hat sich aber angesichts der Entwick-lungen immer mehr überlebt.

Dafür ist eine ganze Reihe von Gründen verantwortlich. So haben die Kranken-häuser im Laufe ihrer Geschichte ausdifferenzierte Strukturen hausgebildet, dieeine Art systemisches Eigenleben betreiben und z. T. nur noch lose an die medizi-nische Versorgung in den Abteilungen gekoppelt sind. Sie fühlen sich den Prämis-sen der ärztlichen Versorgung der Patienten nicht mehr alleine und im vollemUmfang verpflichtet, sondern stärker den Zielen und Aufgaben des eigenen Berei-ches. Als eindrucksvolle Beispiele zählen insbesondere die Wirtschafts- und Qua-litätsmanagementabteilungen. Um es deutlich zu machen, diese Entwicklung magaus krankenhausärztlicher Sicht beklagt werden, sie ist aber unweigerlich der Or-ganisationsevolution geschuldet, die durch vielerlei gesellschaftliche, politische,wissenschaftliche und berufsständische Entwicklungen beeinflusst wird. So gilt esheute mehr denn je, eine moderne Organisationsform zu etablieren, die in derLage ist, dem systemischen Eigenleben von Subsystemen des Krankenhauses ent-gegenzuwirken, um dem Leistungsbedarf angemessene und für die Akteure zu-friedenstellende Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Am Beispiel des Kooperationsverhältnisses von Ärzten und Pflegenden soll dieKrankenhaussystementwicklung kurz nachgezeichnet werden. Der Pflegediensthat sich, gestützt durch politische, gesetzgeberische, berufständische und aktuellauch wissenschaftliche Entwicklungen, als eine eigene Berufssäule mit eigener be-ruflicher Identität, eigenen Organisations- und Leitungsstrukturen parallel undz. T. auch unabhängig von der Krankenhausmedizin entwickelt. Während derPflege im Krankenhaus alter Prägung das Kümmern um basale Grundbedürfnisseder Patienten, hauswirtschaftliche Versorgung, die ärztliche Assistenz und der Be-reich der Zuwendung und Fürsorge zugeschrieben wurde, drängt sich darausheute mit immer größerem Selbstbewusstsein eine wissenschaftlich begründetePflege neben die Medizin und macht ihr in Teilen ihre Vormachtstellung streitig.

Die Abgrenzungs- und z. T. auch nicht immer richtig verstandenen Professionali-sierungsbestrebungen der Pflege, die ihre Entwicklungsmöglichkeiten unter einer

Stratmeyer/Düsenberg 45

3

4

5

6

Page 5: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

7

8

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

allseits dominierenden Medizin im Krankenhaus beschnitten sahen, erhielten zu-letzt insbesondere in den 90er Jahren Auftrieb durch zunehmende Probleme derPersonalsicherung. Hohe Abwanderungsquoten und geringerer Nachwuchsschafften vielen Krankenhäusern erhebliche Engpässe bis hin zu Betten- und OP-Saalschließungen. Auch auf politischer Ebene wurde zu dieser Zeit der Blick aufstrukturelle Mängel und Versäumnisse in der Pflege geschärft. Neben moderaterStellenerhöhung, Einkommensverbesserungen erhielt die Formel „Abgabe be-rufsfremder Arbeiten“ Hochkonjunktur, um eine spürbare Verbesserung der Ar-beitssituation zu erreichen. Mit z. T. relativer Beliebigkeit wurden in vielen Kran-kenhäusern einzelne Aufgaben herausgeschnitten, die fortan von anderen Berufs-gruppen erbracht werden sollten. Im Focus standen Bereiche derhauswirtschaftlichen Versorgung, administrative Tätigkeiten und ärztliche Aufga-ben. Blutentnahmen, Injektionen, mitunter auch Blutdruckmessung und andereswurde in die Kategorie „berufsfremd“ verbannt. Der eherne ökonomische Grund-satz, dass unter Wahrung der Rechtssicherheit Aufgaben von denen übernommenwerden sollten, die dies nicht nur am besten, sondern auch mit den geringstenPersonalkosten tun können, wurde auf dem Schauplatz des Pflegenotstands geop-fert. Das langwährende stillschweigende Übereinkommen, Pflegearbeit als einedisponible Restgröße des Krankenhauses zu verstehen, die die Lücken zwischenden sich immer weiter ausdifferenzierenden Berufsgruppen schließt, wurde zu-nehmend in Frage gestellt und aufgekündigt. Die Zugriffsmöglichkeiten des ärzt-lichen Dienstes auf Pflegearbeit wurden mit der Ära des Pflegenotstands immermehr beschnitten.

Die Bestrebungen zur Aufwertung der Pflege führten auch zu einer deutlichenVerbesserung des Leitungskaders. Ab 1993 konnte unterhalb der Ebene der Pfle-gedienstleitung für jeweils 80 Beschäftigte im Tag- und Nachtdienst eine leitendeKrankenpflegeperson oberhalb der Stationsleitungsebene eingesetzt werden. Dassein solches Erstarken auf der Leitungsebene die systemischen Verselbstständi-gungstendenzen des Pflegedienstes befördern, ist unmittelbar einsichtig.2

Nach im internationalen Vergleich extrem verzögerter Akademisierungsentwick-lung wurden seit etwa Mitte der 90er Jahren in fast allen Bundesländern die Wei-chen für die Hochschulqualifikation der Pflegeberufe gestellt. Innerhalb wenigerJahre wurden etwa 50 Studiengänge eingerichtet. Nachdem in den ersten Jahrennoch die traditionellen Weiterbildungsziele wie Leitungs- und Unterrichtsqualifi-kation auf Hochschulniveau gehievt wurden, sind in den letzten Jahren verstärktTendenzen zur wissenschaftlichen Fundierung der klinischen Pflege zu beobach-ten. Das damit erworbene Professionalisierungsniveau erreicht in diversen An-wendungsbereichen Qualitäten, die den Vergleich mit ärztlicher Kompetenz kei-nesfalls scheuen müssen. Rückwirkungen dieser Entwicklung reichen bis in dieAus-, Fort- und Weiterbildungsstrukturen und in die Pflegepraxis. So haben sich

2 Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung,BGBl. 1992 I S. 2266, Leitende Krankenpflegepersonen.

46 Stratmeyer/Düsenberg

Page 6: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Das Krankenhaus vom Kopf auf die Füße stellen

in einzelnen Segmenten der medizinisch-pflegerischen Versorgung mittlerweile invielen Krankenhäusern pflegefachliche Expertisen entwickelt, die weit über diedurchschnittlich zu erwartenden Kompetenzen von Ärzten hinausgehen: z. B.Wundmanagement, Inkontinenzversorgung, Schmerzmanagement, Patienten-edukation, Patientenüberleitung, Entlassungs- und Casemanagement. Durch un-zureichende Arbeitsteilung, Delegation und Aufgabenübertragung nutzen dieKrankenhäuser diese Potenziale aber bisher viel zu wenig.

Zwar kommt in der Krankenhausversorgung der ärztlichen Dienstleistung nachwie vor eine Vorrangstellung zu, allerdings gilt diese Vorrangstellung nicht mehrungebrochen und gilt nicht mehr in jedem Fall. Der Sachverständigenrat urteiltrecht klar, wenn er Defizite in der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe kon-statiert und die zentrale Schlüsselstellung von Ärzten nicht mehr als durchgehendangemessen in der Gesundheitsversorgung erachtet. Die Verteilung der Tätigkei-ten würde längst nicht mehr den demographischen, strukturellen und innovati-onsbedingten Anforderungen gerecht.3

Zwischenzeitlich hat sich das Blatt gewendet. Vom Pflegenotstand ist keine Redemehr. Dies liegt zum großen Teil auch daran, dass in den Jahren 1995 bis 2006insgesamt knapp 46.000 Vollkraftstellen im Pflegebereich allgemeiner Kranken-häuser abgebaut wurden (– 14,2 %), während im gleichen Zeitraum rund 21.000Stellen für Ärzte geschaffen wurden (+ 21,7 %).4 Diese Entwicklung im ärztlichenBereich hat allerdings ganz offenbar nicht die erhofften Entlastungswirkungengezeigt. Im Gegenteil, die Attraktivität des Berufes Krankenhausarzt hat sehr deut-lich gelitten. Heute sind wenigstens 4.000 Arztstellen unbesetzt.5 Jüngste Verbes-serungen im Bereich Arbeitszeit und Einkommen zeigen ganz offensichtlich nichtoder noch nicht die erwünschten Wirkungen und schon zeigt sich am Horizontein neuer Pflegenotstand, da sich die Arbeits- und z. T. auch Einkommensbedin-gungen für Pflegende im Krankenhaus in den letzten Jahren deutlich verschlech-tert haben.6

Die traditionelle, versäulte Krankenhausorganisation ist nicht in der Lage, dieseEntwicklungslinien der Berufsfelder angemessen zu berücksichtigen. Vielmehrwirkt die Orientierung an den traditionellen Strukturen der Aufbauorganisationeiner produktiven Leistungserstellung und für Ärzte und Pflegende zufriedenstel-lenden Arbeitsbedingungen entgegen. Die Fokussierung auf berufsgruppenbezo-gene Egoismen, Durchsetzung berufsständischer Partialinteressen, Department-denken und Abgrenzungsversuche befördern Separationsentwicklungen unter de-nen letztlich Ärzte und Pflegende gleichermaßen leiden. Bereiche undAbteilungen haben die Tendenz sich nach innen zu orientieren und gegeneinan-

3 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2007, S. 96.4 Simon, Personalabbau im Pflegedienst der Krankenhäuser, 2009, S. 111.5 Blum/Offermanss/Perner, Ärztemangel bundesweit drastisch zugenommen, 2009, S. 36.6 Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e. V., Pflegethermometer 2007(www.dip.de/fileadmin/data/pdf/material/Pflege-Thermometer2007–Zusammenfassung.pdf).

Stratmeyer/Düsenberg 47

9

10

Page 7: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

11

12

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

der abzuschotten. Damit ist geringere Transparenz verbunden und erschwerte Ko-operation zwischen den Abteilungen. Die Probleme in den Schnittstellen der Be-reiche müssen mit relativ großem Aufwand mittels hierarchischer Kontrolle koor-diniert werden. Das kostet der Organisation viel Energie und Ressourceneinsatz,der an anderer Stelle sinnvoller einzusetzen wäre.7 Selbst wenn es einer Organisa-tionseinheit gut gelingt, Optimierungen herbeizuführen, so geht dies mitunter zuLasten der anderen. Die Geschichte der Arbeitsteilung von Ärzten und Pflegendenim Krankenhaus hat hierfür eine ganze Reihe eindrucksvoller Beispiele hervorge-bracht.

1.2 Paradigmenwechsel – von der Versäulung zurProzessorganisation

Ein organisatorischer Gegenentwurf zum Primat der Aufbauorganisation wie eroben problematisiert wurde, stellt die Prozessorganisation dar. Ihr Ansatzpunktist es, sich in erster Linie an den Anforderungen von möglichst optimal ausgerich-teten Leistungsprozessen zu orientieren, die berufsgruppen-, hierarchie- und ab-teilungsübergreifend modelliert werden. Grundverständnis stellt dabei das Modellder Kunden- und Lieferantenbeziehung dar. Eine vertragliche Vereinbarung zwi-schen beiden regelt, dass der Lieferant ein Produkt bzw. eine Dienstleistung lie-fert, die den Erwartungen des Kunden entspricht. Dieser simple Grundsatz wirdnun nicht nur auf die Beziehungen zwischen Leistungsakteuren und externenKunden wie Patienten, Einweisern, Krankenkassen etc. bezogen, sondern auchauf die Beziehungen aller an Leistungsprozessen beteiligten internen betrieblichenAkteure übertragen. Der Pflegedienst übergibt einen Patienten in den OP-Bereichin einer vereinbarten Dienstleistungsqualität, die es dem „Kunden“ OP-Abteilungermöglicht, störungsfrei seine Arbeit unter optimalen Voraussetzungen aufzuneh-men. Gleichermaßen kann die Station darauf vertrauen, den Patienten vom OPin einer definierten Qualität übergeben zu bekommen: mit stabiler Kreislauffunk-tion, selbstständig und hinreichend atmend, mit aseptischemWundverband, voll-ständigen Unterlagen usw. So markiert der output eines Teilprozesses im Idealfallden input des nächsten Teilprozesses, der dann weiterverarbeitet wird (through-put) usw.

Der Strukturorganisation kommt in dieser Betrachtung eine zweitrangige Bedeu-tung zu. Nicht das Selbstverständnis einer Stelle, ihr etabliertes Profil oder ihretraditionelle Funktion sind ausschlaggebend, sondern die Frage, inwieweit dieStellen in der Lage sind, die Leistungsprozesse möglichst optimal zu unterstüt-zen – das gilt wohlgemerkt nicht nur für Prozessmitarbeiter unterer Hierarchie-ebenen, sondern gleichermaßen für die Leitungskräfte bis in die Beletage desKrankenhauses hinein.

7 Dahlgaard/Stratmeyer, Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus, 2006, S. 22.

48 Stratmeyer/Düsenberg

Page 8: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Das Krankenhaus vom Kopf auf die Füße stellen

Eine solche Perspektive kommt – wie man sich leicht denken kann – in einemtraditionellen Krankenhaus einem Paradigmenwechsel gleich. Wer Prozessorgani-sation als umfassendes Managementprinzip versteht, muss darauf eingestellt sein,dass das Krankenhaus sich damit auf einen Prozess längerer Organisationsent-wicklung mit z. T. weitreichenden Restrukturierungsmaßnahmen einlässt. Nie-derschwellig bietet sich Prozessorganisation aber durchaus auch an, wenn bei dys-funktionalen Abläufen partielle Lösungen gesucht werden: etwa in der Reorgani-sation des Transportdienstes, des Patienteneinbestellwesens oder desVisitenablaufes auf der Station. In diesem Zusammenhang sprechen wir dahervon kleinen prozessorientierten Organisationslösungen, die Verbesserungen brin-gen ohne die Gesamtstruktur einer Abteilung im Sinne eines umfassendenChange-Managements einer Revision zu unterwerfen.

1.3 Modell Kooperatives Prozessmanagement imKrankenhaus

Das Kooperative Prozessmanagement (KoPM®) geht auf eine mittlerweile mehr-jährige Entwicklung zurück. Ausgangspunkt des Modells sind gleichermaßen diesubjektiven Erwartungen von Patienten (und ggf. der Angehörigen) an eine guteKrankenhausbehandlung und Unterbringung sowie die objektiven Erfordernisseeiner Patientenversorgung, die immer stärker geprägt wird durch demografische,epidemiologische und gesundheitsökonomische Einflüsse:

• Älteres und kränkeres Klientel bei immer kürzeren Liegezeiten,

• hinreichendes Versorgungsangebot, das sich zwar in erster Linie den aktuellenmedizin- und pflegewissenschaftlichen Entwicklungen verpflichtet fühlt, dabeiaber nicht die wirtschaftlichen Möglichkeiten des die Arbeitsplätze sicherndenKrankenhauses außer Acht lässt.

Kooperatives Prozessmanagement setzt an der Zusammenarbeit von Ärzten undPflegenden an. Es zielt auf Optimierung: Verbesserung der Patientenversorgungbei gleichzeitiger Elimination von Verschwendung im Prozess der patientenbezo-genen Leistungsabläufe. Ob es dabei zu Einsparungen kommt oder „nur“ zurVerbesserung der Versorgungsqualität, hängt von den analysierten Problemenund von der Zielsetzung des Krankenhauses ab.

Zentrale Merkmale der patientenorientierten Versorgung im KoPM®-Modell sind:

• Eine hochwertige medizinische Versorgung,

• eine gleichermaßen hochwertige, die medizinische Behandlung der Patientenunterstützende Pflege, die auf ein möglichst hohes Maß an körperlicher Unab-hängigkeit der Patienten ausgerichtet ist,

• eine kontinuierliche und vertrauenfördernde Beziehungsstruktur zwischenÄrzten und Pflegenden auf der einen Seite und Patienten bzw. Angehörigenauf der anderen,

Stratmeyer/Düsenberg 49

13

14

15

16

Page 9: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

17

18

19

20

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

• eine wirkungsvolle psycho-soziale Unterstützung der Patienten bzw. Angehöri-gen im Prozess der emotionalen Krankheitsbewältigung,

• eine funktionelle Edukation zur Verbesserung des Krankheitsmanagementsder Patienten ggf. unter Beteiligung von Angehörigen sowie

• ein auf die Patientenanforderungen ausgerichtetes funktionelles Versorgungs-arrangement.

Die Grundsätze der Arbeitsteilung zwischen Ärzten und Pflegenden werden ausder Perspektive der Patientenorientierung und des beruflichen Handlungsvermö-gens beider Gruppen unter Berücksichtigung rechtlicher Prämissen abgeleitet.Dabei werden die jeweiligen Anteile aufeinander abgestimmt und ergänzen sichsinnvoll. Der Prozessmanagementansatz bietet das grundlegende Gestaltungsmo-dell zur Orientierung bei der Steuerung der Abläufe. Die jeweiligen Verantwor-tungsbereiche sind zwischen Ärzten und Pflegenden geklärt und die Manage-mentaufgaben im Prozess der Patientenversorgung sind funktionell zwischen Ärz-ten und Pflegenden aufgeteilt. Im KoPM®-Modell konzentrieren sich Ärztegrundsätzlich auf Kernaufgaben der medizinischen Diagnostik und Therapie. Da-für sind sie ausgebildet, dies entspricht in der Regel auch ihren beruflichen Nei-gungen und es bedeutet gleichzeitig auch eine möglichst hohe Nutzung ihrer ver-gleichsweise teuren Arbeitskraft. Auf die Berufsgruppe der Pflegenden kommenallerdings erhöhte Anforderungen und erweiterte Pflegeaufgaben zu.

Auch dies entspricht dem Bedürfnis nicht aller aber vieler Pflegenden, die heraus-fordernde Arbeitsbedingungen suchen und einen größeren Verantwortungs- undEntscheidungsbereich für sich reklamieren.

Anhand von drei wesentlichen Konzeptbestandteilen wird im Folgenden dasKoPM®-Modell näher illustriert.

1.4 Konzept der erweiterten PflegeaufgabenPflege und Medizin stellen die größten Bereiche gesundheitlicher Versorgung dar.Zwar lassen sich beide Disziplinen hinsichtlich ihrer Hauptzielrichtungen diffe-renzieren – Medizin zielt auf Erkennen, Heilen und Lindern von Krankheiten ab,Pflege auf die Bewältigung der durch Krankheit und Pflegebedürftigkeit entstan-denen Beeinträchtigungen – so konkurrieren doch beide im selben Feld und eineAbgrenzung fällt schwer, wenn beide für sich Versorgungsansprüche reklamieren.Zum Beispiel: Wem gehört der Prozess der Patientenentlassung? Dem Arzt, deraus medizinischem Kalkül den Entlassungstag festlegt, oder der Pflegenden, diesich darum kümmert, dass das häusliche Umfeld auf die Entlassung vorbereitetist?

Prozessverantwortung bedeutet, die Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnissezwischen den Berufsgruppen so eindeutig wie möglich festzulegen, ohne dabei

50 Stratmeyer/Düsenberg

Page 10: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Das Krankenhaus vom Kopf auf die Füße stellen

in ein starres Konzept der Überreglementierung zu verfallen, in dem sich beideAkteursgruppen auf ein „das-ist-aber-nicht-meine-Aufgabe“-Prinzip zurückzie-hen können.

Der Sachverständigenrat spricht in diesem Zusammenhang von einem „Kompe-tenzpool“, der es grundsätzlich beiden Gruppen ermöglicht, Aufgaben zu erledi-gen.8 Im Verständnis der Prozessorganisation bedeutet dies, dass Aufgaben imKompetenzpool von denjenigen wahrgenommen werden, die damit den größtenProzessnutzen erbringen. Der Streit über die Zuständigkeit von Blutentnahmenbekommt so eine neue Richtung. Nicht die Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppeentscheidet über die Aufgabenerledigung, sondern die Erfordernisse des Prozes-ses. Lässt sich die Blutentnahme in die morgendliche Versorgung der Patientensinnvoll integrieren, übernehmen es die Pflegenden. Ist sie Bestandteil der ärztli-chen Patientenaufnahme, so ist es seine Aufgaben.

Während im KoPM®-Modell der ärztliche Aufgabenbereich eine Konzentrationauf die Kernbereiche der Diagnostik und Therapie (Medizinprozess) erfährt, wirddie Rolle der Pflege im Sinne einer Komplementärfunktion erweitert. Sie lässt sichmit drei Aufgabenbereichen skizzieren, die allesamt nicht neu sind, aber schärferals verbindliches Nutzenversprechen konturiert werden und traditionelle Aufga-bengrenzen verschieben.

a) Aufgaben im Pflegeprozess

Die Aufgaben im Rahmen des Pflegeprozesses stellen eine Komplementärfunktionzur medizinischen Versorgung dar. Sie unterstützen damit ärztliche Behandlungs-ziele, zu deren Zweck die allermeisten Patienten in das Krankenhaus kommen.Das pflegerische Arbeitsvermögen im Pflegeprozess setzt sich dabei aus dreiHauptfunktionen zusammen:

Im Bereich der „körperfunktionsorientierten Unterstützung “ versuchen Pfle-gende körperliche Beeinträchtigungen durchWiederherstellung oder Substitutionzu vermindern bzw. körperliche Ressourcen zu mobilisieren.

Der Bereich der „psycho-sozialen Unterstützung “ dient vor allem der Begleitungder Patienten in ihrem Prozess der Krankheitsbewältigung. Insbesondere Men-schen mit chronischen Krankheiten, mit unklarer Prognose, prekärem Krank-heitsverlauf benötigen emotionalen Beistand und Entlastung.

Bei immer kürzeren Krankenhausaufenthalten, aber auch bei der längerfristigenoder dauerhaften Versorgung von Patienten, müssen Aufgaben des Krankheits-managements auf die Betroffenen oder ihre Angehörigen übertragen werden. Der

8 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklungen im Gesundheitswesen 2007, S. 96und 160.

Stratmeyer/Düsenberg 51

21

22

Page 11: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

Bereich der „edukativen Unterstützung“ dient dazu, stabile Versorgungsarrange-ments herzustellen, in denen Patienten resp. Angehörige informiert, geschult, an-geleitet und beraten werden.

b) Aufgaben im Medizinprozess

Der zweite wesentliche Aufgabenbereich dient der direkten Unterstützung desMedizinprozesses. Zum Einen geht es um die Übernahme von klar umschriebe-nen diagnostischen und therapeutischen Tätigkeiten (z. B. Blutentnahmen, Anla-gen von Venenverweilkathetern, intravenöse Injektionen), sofern hierfür kein me-dizinwissenschaftlicher Sachverstand vonnöten ist. Zum Anderen handelt es sichum die Übertragung von weitgehend klar umschriebenen und abgrenzbaren me-dizinischen Teilprozessen. Beispiele sind die Übernahme des präoperativen As-sessments, der postoperativen Überwachung, des Wundmanagements und desSchmerzmanagements. Diese Aufgaben werden in weitgehender Autonomie vonhierfür besonders qualifizierten und autorisierten Pflegenden übernommen, voll-ziehen sich aber nicht unabhängig von ärztlicher Überwachung. Diese Aufgabenwerden heute unter dem aus dem angloamerikanischen Raum stammenden Kon-zept der Advanced Nursing Practise verstanden.9

c) Manageriale Aufgaben im Versorgungsprozess

Hierbei geht es um die eindeutige Adressierung von Aufgaben und Befugnisse dernoch immer in Krankenhäusern eher stiefmütterlich behandelten Steuerung derindividuellen Versorgungsprozesse der Patienten an die Berufsgruppe der Pfle-genden. Dabei lassen sich zwei Hauptfunktionen unterscheiden. Zum Einen müs-sen patientenbezogen alle Prozeduren von Diagnostik, Therapie und Pflege somiteinander koordiniert, veranlasst, gesteuert und überwacht werden, dass einmöglichst sachlich und zeitlich optimaler Behandlungsablauf für die Patientenerfolgt. Die Funktionen werden heute oftmals im informellen Arrangement mitunklaren Absprachen und Befugnissen zwischen Ärzten und Pflegenden aufge-teilt. Die Folge sind unnötige Zeitverzögerungen, Pannen durch Vergesslichkeit,erhöhter Aufwand für kurzfristige Nachregulation usw. Verbindliche Behand-lungspfade, die für generelle Abläufe stehen, können erheblich den Routinebe-trieb entlasten, indem Pflegende alle vorgesehenen Prozeduren veranlassen bzw.(insbesondere unerfahrene) Ärzte auf die entsprechenden Maßnahmen orientie-ren. Die individuelle ärztliche Therapiehoheit ist damit nicht ausgesetzt sondernwird wirksam unterstützt.

Die sogenannte Case-Managementfunktion impliziert darüber hinausgehend, dieEinbettung der Krankenhausbehandlung in übergreifende Versorgungsprozesseder Patienten. Insbesondere Patienten mit chronischen Krankheiten bedürfen ei-

9 Sachs, Advanced Nursing Practise-Trends, 2007, S. 101 – 117.

52 Stratmeyer/Düsenberg

Page 12: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Das Krankenhaus vom Kopf auf die Füße stellen

ner vorausschauenden Planung des poststationären Behandlungs- und Pflegever-laufes. Neben der traditionellen Überweisung in die haus- oder fachärztliche Pra-xis oder Rehabilitationseinrichtung entstehen wegen der komplexeren Versor-gungssettings besondere Anforderungen zur Einbeziehung von Angehörigensowie zur Überleitung in pflegerische Versorgungseinrichtungen. Die besondereHerausforderung ist die Aufnahme einer über die Krankenhausbehandlung hi-nausgehenden, gleichermaßen medizinische wie pflegerische Belange integrieren-den Versorgungsperspektive.

1.5 BezugspersonenkonzeptProzessorganisation und Prozessmanagement ist ohne die Zuweisung von eindeu-tiger Prozessverantwortung für die einzelnen Prozessebenen und Teilprozess nichterfolgversprechend. Eine in vielen Behandlungspfaden vorzufindende allgemeineZuschreibung „Arztdienst“ oder „Pflege“ erweist sich als völlig unzureichend, weilsie nur Selbstverständlichkeiten abbildet, aber keine konkreten Verbindlichkeiteneinlöst. Die Erfahrung zeigt, dass dies ein Kardinalfehler bei der Umsetzung vonProzessorganisation ist und eine der Hauptgründe für deren Scheitern.

Passt man die Grundsätze der Prozessorganisation auf die Besonderheiten derpatientenbezogenen Versorgungsprozesse an, so ergeben sich daraus Prämissen:

These 1: Der individuelle Behandlungs- und Pflegeprozess muss patientennahmodelliert werden.

Alle Entscheidungen, die nicht unmittelbar am Patientenbett, d. h. vorzugsweiseunter Einbezug des Patienten getroffen werden, bedeuten zusätzlichen Aufwanddurch erhöhte Informationsarbeit, durch vermeidbare Feedback-Schleifen undRisiken der Informationsübermittlung an den Übergabepunkten. Prozessorgani-sation impliziert immer auch Rückführung der Arbeitsteilung auf ein vernünfti-ges, unverzichtbares Maß und damit Vermeidung entbehrlicher Schnittstellen.Das ist ihr eigentlicher Nutzen. Eine Verlagerung von Entscheidungen fern abvom Patienten bedeutet somit, sinnvolle interprofessionelle Entscheidungenbspw. zwischen Ärzten und Pflegenden zu behindern oder aufwändig über Koo-perationsgremien organisieren zu müssen. In der Regel müssen keine neuen Be-sprechungsgremien kreiert werden. Vielmehr bietet die tägliche Visite eine für diemeisten Fälle ideale Bedingung, die allerdings zu einem Ort der interprofessionel-len Begegnung von Patient, Arzt und Pflegenden weiterentwickelt werden muss.10

Wohl verstanden geht es hier nicht um ein Entweder-oder-Prinzip, sondern umeine Leitorientierung. So wird es auch weiterhin intraprofessionelle Bespre-chungsgremien geben müssen, in denen z. B. komplizierte therapeutische Abwä-gungen getroffen, Behandlungsverläufe kritisch betrachtet oder differenzierte

10 Dahlgaard/Schürgers/Stratmeyer, Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus, 2007,S. 60 – 72.

Stratmeyer/Düsenberg 53

23

24

25

26

27

Page 13: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

28

29

30

31

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

Entscheidungen getroffen werden müssen. Die in der deutschen Medizin längstüberfällige Debatte um Shared Decision-Making zeigt, wie wichtig es ist, Patien-ten in für sie wesentliche Entscheidungsprozesse einzubinden.11

Eine Verlagerung von medizinischen und pflegerischen Entscheidungen an dasPatientenbett ist allerdings nicht voraussetzungslos zu erreichen. Ärzte und Pfle-gende müssen über die notwendigen fachlichen und kommunikativen Kompeten-zen verfügen. Sie müssen auch mit Entscheidungsmandaten ausgestattet sein, ver-bindliche und (nicht nur bis zur nächsten Chefarztvisite) gültige Vereinbarungenherzustellen. Darüber hinaus müssen sie über Befugnisse verfügen, ihre Entschei-dungen auch innerhalb der jeweiligen Berufsgruppe durchzusetzen. Das ist nichtbei allen Ärzten, v.a. aber auch innerhalb der Pflegenden noch keine Selbstver-ständlichkeit.

These 2: Es bedarf eindeutiger und zeitlich stabiler patientenbezogener Zu-ständigkeits- und Verantwortungsregelungen über den gesamten Prozess desPatientenaufenthalts.

Patienten brauchen verlässliche Ansprechpartner, die nicht ständig wechseln.Selbst die rationalsten Therapie- und Pflegeentscheidungen basieren auf Ver-ständnis, Vertrauen, Zuversicht und menschlicher Zuwendung, die für tragfähige,stabile Behandlungs- und Pflegeregimes notwendige Voraussetzung darstellen.Häufig wechselnde Verantwortlichkeiten bedeuten zudem eine stetige Quellemöglicher Fehler und erfordern einen hohen Abstimmungsaufwand innerhalbund zwischen den beteiligten Personen. Ein Arzt, der sich bei der Visite alltäglichmit anderen Pflegekräften vereinbaren muss, stellt gleichermaßen ein Organisati-onsproblem dar wie eine Pflegekraft, die sich ständig neuen zuständigen Ärztengegenübersieht.

Das KoPM®-Modell sieht daher vor, patientenbezogene Kernteams, bestehendaus Bezugsarzt und Bezugspflegende, zu bilden (vgl. Abb. 1). Im Sinne der kom-plementären Arbeitsteilung kommt dem Arzt für seine, von ihm betreuten Patien-ten die Fallverantwortung zu, der alle patientenbezogenen Entscheidungen letzt-endlich zu vertreten hat. Der Bezugsarzt hat gegenüber seinem Vorgesetzten(Ober- oder Chefarzt) seine Entscheidungen und sein Vorgehen zu rechtfertigen.Die Bezugspflegende unterliegt der Begründungspflicht gegenüber ihrem Bezugs-arzt. Im Interesse einer gedeihlichen Arbeitsbeziehung gilt dieser Grundsatzselbstverständlich auch im umgekehrten Fall. Der Prozessnutzen wird dann amgrößten, wenn der Handlungsspielraum der Bezugspflegenden dabei – wie obenausgeführt – möglichst großzügig gestaltet wird. Die Steuerung und Koordinationdes gesamten integrierten Medizin-Pflegeprozesses wird verantwortlich von derBezugspflegenden übernommen – ihr kommt damit die Funktion des Fallmana-gements (Bezugspflege-Casemanagement) zu, die sich z. B. auch auf Fragen derPatientenentlassung oder Überleitung bezieht. Der Bezugsarzt hat dabei lediglichmöglichst frühzeitig den Entlassungszeitpunkt festzulegen.

11 Scheibler/Pfaff (Hrsg.), Shared Decision-Making, 2003.

54 Stratmeyer/Düsenberg

Page 14: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Das Krankenhaus vom Kopf auf die Füße stellen

Abb. 1: KoPM-Kernteammodell

Es sollte deutlich geworden sein, Prozessorganisation schließt nicht nur Prozess-verantwortung ein, sondern auch eine Leistungsgarantie gegenüber den Koope-rationspartnern i. S. der internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Dies giltselbstverständlich wechselseitig auch im Binnenverhältnis von Bezugsarzt und Be-zugspflegender.

These 3: Die Leitungsrollen müssen im Dienste des Prozessnutzens kritischüberdacht und z. T. neu definiert werden.

Die Etablierung des Kooperativen Prozessmanagements hat Konsequenzen für dietraditionellen Leitungsrollen im Arzt- und Pflegedienst. In diesem Konzept neh-men leitende Ärzte stärker als bisher eine Doppelfunktion ein. Zum Einen, wennsie als Bezugsärzte direkte Behandlungsverantwortung für Patienten übernehmen(z. B. bei privat versicherten Patienten mit Anspruch auf Chefarztbehandlung).Für sie gilt dann das bisher ausgeführte gleichermaßen. Zum anderen muss ihreRolle aber sehr stark darauf ausgerichtet sein, den Versorgungsprozess möglichstoptimal zu unterstützen. Als „Prozesseigner“ sind sie für die grundlegende Mo-dellierung der Prozesse verantwortlich, z. B. indem sie über die Implementierungneuer Behandlungsverfahren entscheiden. Sie sorgen im Rahmen des Personal-einsatzes und der Personalentwicklung dafür, dass z. B. Bezugsärzte auch über dieerforderlichen fachlichen (und sozialen) Kompetenzen verfügen und sie überwa-chen mithilfe geeigneter Führungsinstrumente die Qualität der Arbeitsausfüh-rung. Für viele Ober- und Chefärzte kann dieses bedeuten, sich von der unmittel-

Stratmeyer/Düsenberg 55

32

33

34

Page 15: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

35

36

37

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

baren Einflussnahme auf patientenbezogene Entscheidungen zurückzunehmen.Ihre Rolle ist mehr die eines Coaches im Sinne einer Unterstützung von Entschei-dern als die eines Anweisers in Entscheidungssituationen.

Für pflegerische Leitungskräfte sind die Anforderungen an den Rollenwandel glei-chermaßen erheblich. In diesem Modell stellt die Bezugspflegende die oberstepflegefachliche patientenbezogene Instanz dar, die nur gegenüber dem Bezugsarztbegründungspflichtig ist. Personalführung bedeutet somit, die Rahmenbedingun-gen herzustellen, dass bestmögliche fachliche (und soziale) Kompetenzen vonPflegenden in den Funktionen der Bezugspflegenden verfügbar sind – das Kern-team aus Bezugsarzt und Bezugspflegenden stellt gleichsam die Schlüsselstellungim Kooperativen Prozessmanagement dar. Pflegeleitungen übernehmen somitzentrale Aufgaben der personellen Ressourcensteuerung, sichern durch Einfüh-rung neuer pflegerischer Verfahren Pflegequalität und überwachen ihrerseitsdurch geeignete Führungsinstrumente, dass diese Verfahren auch fachgerechtumgesetzt werden. Eine unmittelbare Verantwortung für die Ausformung einesindividuellen Versorgungsprozesses gegenüber einzelnen Patienten übernehmensie dagegen nicht.

1.6 Zusammenfassung und ÜberleitungBereits in vielen Krankenhäusern sind die Weichen in Richtung Prozessorganisa-tion und Prozessmanagement gestellt. Oftmals leiden diese Vorhaben allerdingsdaran, dass sie nur berufsständische Insellösungen (z. B. Case-Management) dar-stellen und nicht in ein integratives Organisationsmodell eingebettet sind unddamit hinter ihren Möglichkeiten verbleiben, mitunter sogar zusätzliche Reibun-gen verursachen. Eines der Krankenhäuser, das sich auf den Weg gemacht hat,konsequent Prozessorganisation im Kernbereich der Patientenversorgung einzu-führen, ist das DRK-Krankenhaus Clementinenhaus in Hannover. Exemplarischwird daher im Folgenden dieses unter dem eigenen Label ECO (expert care orga-nisation) firmierende Unternehmenskonzept vorgestellt. Es wird – nicht zuletztwegen der jahrelangen fruchtbaren Zusammenarbeit des KoPM-Zentrums an derHochschule für Angewandte Wissenschaft in Hamburg mit dem DRK-Kranken-haus – deutlich, dass beide Partner mit der Synthese von Theorie und Praxis hiereine fruchtbare Partnerschaft eingegangen sind.

2 Das ECO-Konzept des DRK-KrankenhausesClementinenhaus

Das DRK-Krankenhaus Clementinenhaus (Stiftung bürgerlichen Rechts, gemein-nützig) ist ein mittleres Krankenhaus der Regelversorgung mit 213 Betten imZentrum von Hannover. Mit den Hauptfachabteilungen (Viszeralchirurgie, Un-

56 Stratmeyer/Düsenberg

Page 16: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Das ECO-Konzept des DRK-Krankenhauses Clementinenhaus

fallchirurgie/Orthopädie, Gastroenterologie, Kardiologie, Anästhesie/Intensivme-dizin) sowie den Belegabteilungen (Augen, Gynäkologie, HNO, Kardiologie/HK-Labor, Orthopädie, Urologie) ist es als Stadtteilkrankenhaus auch überregionalbedeutsam.

Um mittel- und langfristig als eigenständiges Krankenhaus in der engen Situationin Hannover bestehen zu können, wurde beschlossen, neben guter medizinisch-pflegerischer Qualität eine Dienstleistungsstruktur zu schaffen, die den Patientenuneingeschränkt in den Mittelpunkt stellt. Dabei wird die Klinik in einem länge-ren Organisationsentwicklungsprozess konsequent auf eine prozessorientierteOrganisationsstruktur umgestellt.

2.1 Zukünftige Herausforderungen

2.1.1 Patienten

Die demographische Entwicklung lässt zukünftig immer mehr ältere Patientenerwarten mit Zunahme altersgemeinschaftlicher Lebensphasen und gleichzeitigerVerkleinerung der Familienverbände. Der Rückgang der Fürsorgereserve durchEntkopplung sozialer Bindungen zu nachfolgenden Generationen macht Pflegeund Betreuung zunehmend durch Lebenspartner notwendig. Kliniken werdennoch mehr gefordert sein, für Patienten und betreuende Lebenspartner nebenguter medizinisch-pflegerischer Qualität Dienstleistungen anzubieten, die Unter-stützung im gesamten Genesungsprozess geben. Das beinhaltet die Organisationpoststationärer Betreuung genauso wie z. B. Prävention, gezielte OP-Vorbereitungund Hilfe für Angehörige während des Klinikaufenthaltes. Auf diese Entwicklun-gen müssen Versorgungsstrukturen im Krankenhaus eine Antwort geben.

2.1.2 Medizinisch-pflegerische Dienstleistungen

Das Morbiditätsspektrum zukünftiger Patienten ist gekennzeichnet durch gleich-bleibende Diagnoseschwerpunkte und Zunahme chronischer Krankheiten undMultimorbidität. Angesichts immer kürzerer Verweildauern und immer komple-xerer diagnostisch-therapeutischer Maßnahmen gewinnt die begleitende Kom-munikation als gleichwertiger Anteil der medizinisch-pflegerischen Dienstleis-tung noch stärker an Bedeutung.

Gleichzeitig steigt mit zunehmender finanzieller Beteiligung und medizinischerExpertise in eigener Sache die Erwartung der Patienten besonders an den kommu-nikativen Anteil der Dienstleistung:

• Darstellung professionell, nachvollziehbar, vergleichbar

• Inhalte nicht so sehr fachlich vereinfacht, sondern individualisiert

• Gleichzeitigkeit zwischen Informations-Anforderung und Erhalt

Stratmeyer/Düsenberg 57

38

39

40

41

Page 17: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

42

43

44

45

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

• Transparente modulare Struktur mit Wahl- und Kombinationsmöglichkeit

• Nicht nur therapeutische Elemente, sondern auch adjuvante Leistungen (Prä-vention, life-style-induzierte Angebote, ….)

• Sektorenübergreifend vernetzt mit anderen Anbietern von Gesundheitsleis-tungen

• Informationsaustausch aller am Behandlungsprozess Beteiligten nicht mono-logisch sondern dialogisch

Nur wenige primär zuständige und kompetente Ansprechpartner, die die Patien-ten während des ganzen stationären Aufenthaltes begleiten und auf das Leben zuHause vorbereiten, können die Anforderungen an gemeinsame Entscheidungenund individuelle Kommunikation erfüllen.

2.1.3 Mitarbeiter

Dem steigenden Bedarf hochqualifizierter Mitarbeiter/-innen bei erhöhter Nach-frage nach medizinisch-pflegerischen Dienstleistungen steht eine immer kleinerwerdende Anzahl junger Arbeitnehmer/-innen gegenüber. Auch die Mitarbeiter/-innen im Krankenhaus werden zukünftig einen höheren Altersdurchschnitt auf-weisen. Bis zum Jahre 2035 stellt die Gruppe der über 50-jährigen (babyboomer)das größte Arbeitskräftereservoir für Krankenhäuser dar. Der Erfolg einer Klinikwird davon abhängen, ob es gelingt, Mitarbeiter/-innen in allen Altersstufen at-traktive Arbeitsplätze anzubieten.

Der Notwendigkeit einer Klinik, medizinisch-pflegerisches Spezialwissen auf ak-tuell hohem Niveau vorzuhalten, kommt das Interesse insbesondere von Ärztenund Pflegekräften entgegen, klar strukturierte Weiterbildungs- und Aufstiegs-möglichkeiten zu erhalten und fest zu vereinbaren. Dabei ist es attraktiver undeffizienter, jeden in seiner Hauptkompetenz (z. B. als Facharzt) auch einzusetzenund nicht in für den Beruf unspezifischen Aufgabenfeldern. Im Rahmen einesberuflichen Aufstiegs wird gerade bei fachlich hochqualifizierten Mitarbeiter/-in-nen die Zunahme der Entscheidungsfreiheit über das eigene Handeln ebenso wieeigene Kompetenzbereiche die Arbeitszufriedenheit erhöhen. Dabei stellt es eineHerausforderung dar, dieses in berufsübergreifenden Teamstrukturen zu verwirk-lichen, die horizontal entlang einer Behandlungskette arbeiten und dadurchgleichzeitig eine Versorgung auf hohem Niveau sicherzustellen.

2.1.4 Führung, Steuerung

Rahmenbedingungen für Kliniken ändern sich ständig. Es gibt eine unüberseh-bare Menge an Einflussnehmern und Einflussnahmen, Prognosen sind mittel-und langfristig nur sehr eingeschränkt möglich. Diese zunehmende Komplexitätbewirkt eine schlechter werdende Entscheidungssituation. Der Zwang, sich insUnbekannte fortzuentwickeln bedeutet,

58 Stratmeyer/Düsenberg

Page 18: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Das ECO-Konzept des DRK-Krankenhauses Clementinenhaus

• seine Lage immer wieder neu zu bedenken,

• neue Anpassungen vorzunehmen,

• das Erreichte auf kontrollierte Weise permanent in Frage zustellen,

• Vorgehensweisen zu stärken, die von innen heraus Integration und Koordina-tion bewirken.

2.2 ZieleDie Ziele des längerfristig angelegten Organisationsentwicklungsprozesses lassensich wie folgt zusammenfassen:

Patientenorientierung als Leitidee für die Versorgungsprozesse nach dem Prinzipder primär verantwortlichen Rundumbetreuung durch wenige Ansprechpartnerim Sinne des zuvor beschriebenen Bezugspersonenkonzepts

Prozessorientierung: Organisation der Klinik entlang der Kernprozesse aus Pati-entensicht: „Weg durch die Klinik als Kette von Ereignissen“ und „Patientenori-entierter Tagesablauf“

Mitarbeiterorientierung: Schaffung attraktiver Arbeitsplätze für engagierte Mit-arbeiter/-innen, die die Bedürfnisse nach beruflicher Weiterentwicklung, Einsatzim eigenen Kompetenzfeld, Entscheidungsspielraum und Einbeziehen des fami-liären Umfeldes berücksichtigen

Umgang mit Komplexität: Schaffung der Voraussetzungen für erfolgreicheTeamarbeit: Adäquate fachliche Kompetenz, ausreichende Dispositionsspiel-räume, Fehlertoleranz, Förderung von Selbstorganisation und Selbststeuerung,Delegation von Aufgaben und Entscheidungen an die „richtige“ Stelle, Kontrolleüber „output“-Kennzahlen

2.3 Organisationselemente des ECO-Konzepts (ExpertCare Organisation)

Mit ECO wurde begonnen, die Aufbauorganisation unserer Klinik entlang desKernprozesses „Aufnahme – Diagnostik, Therapie, Pflege – Entlassung“ neu zugestalten.

2.3.1 Zentrale Patientenaufnahme (ZPA)

Die ZPA ist eine eigenständige Abteilung unter pflegerischer Leitung in der eininterdisziplinäres Behandlungsteam nach kooperativen Regeln der Arbeitsteilungzusammenwirkt. Seit 2001 gelangt jeder Patient durch die zentrale Patientenauf-nahme (ZPA) in die Klinik.

Stratmeyer/Düsenberg 59

46

47

48

Page 19: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

49

50

51

52

53

54

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

Die ZPA ist zentrale Kommunikationsstelle nach draußen, organisiert den „erstenEindruck“ des Patienten von der Klinik, nimmt alle Patienten administrativ, pfle-gerisch und ärztlichen nach festgelegten Standards auf, bündelt alle ambulantenDienstleistungen des Hauses, schafft Voraussetzungen zur erfolgreichen Kostensi-cherung, ist verantwortlich für die Terminplanung (auch Beginn der OP-Planung)und managt die Belegung des Krankenhauses.

2.3.2 Kernteam Arzt-Pflegekraft

Jeder Patient wird verantwortlich betreut durch ein Kernteam bestehend aus ei-nem Arzt und einer Pflegekraft, das primär für alle individuellen Belange desPatienten zuständig ist, alle Maßnahmen eng abstimmt, Transparenz herstellt, ge-meinsam Entscheidungen fällt und ggf. andere Experten hinzuzieht (erweitertesBehandlungsteam). Das besondere Vertrauensverhältnis ermöglicht eine erfolg-reiche Kommunikation mit dem Patienten und seinen Angehörigen, um die Kom-plexität des Krankenhauses und der medizinisch-pflegerischen Maßnahmen adä-quat zu vermitteln und den Bedürfnissen des Patienten anzupassen. Das Kern-team steuert den horizontalen Behandlungsprozess und nimmt den gesamtenBehandlungsverlauf (auch vor- und nachstationär) in das Blickfeld.

Einerseits ist die Aufgabenverteilung zwischen Arzt und Pflegekraft eindeutig de-finiert, andererseits bewirkt die intensive berufsgruppenübergreifende Koopera-tion, dass jeder Patient eine Teamleistung des „Kernteams“ wahrnimmt.

Aufgabenverteilung: Die Planung des stationären Aufenthaltes erfolgt durch denArzt ergänzt durch den pflegerischen Aspekt der ECO-Pflegefachkraft (s.u.) amAufnahmetag. Sie beinhaltet die Diagnosen, die diagnostisch-therapeutisch-pfle-gerische Zielplanung und den voraussichtlichen Entlassungstag. Die operativeSteuerung bis zur Entlassung übernimmt die Pflege, Kontrollen und Anpassungentäglich in der Visite. Darüber hinaus erhält die Pflege weitere klar umschriebeneAufgabenbereiche (s.u.)

Erweitertes Behandlungsteam: Das Kernteam zieht bei Bedarf weitere Experten(Physiotherapie, Logopädie, Konsilärzte, Diätberatung, Sozialdienst u. a.) hinzuund formt damit ein patientenindividuelles Behandlungsteam.

2.3.3 Trennung der fachlichen Expertensysteme von operativ-organisatorischer Struktur

Ärzte, aber auch Pflegekräfte wurden im Zuge berufsfachlicher Qualifikation undBeförderung zunehmend in administrative und Managementaufgaben eingebun-den, die sie in der Ausübung ihrer eigentlichen Grundkompetenz und Selbstbe-stimmung einschränken. Als konsequenten Schritt in Richtung Prozessorientie-rung werden zukünftig die vertikalen Expertensysteme Medizin und Pflege vonder horizontalen operativ-organisatorischen Struktur getrennt. Fachliche Exper-

60 Stratmeyer/Düsenberg

Page 20: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Das ECO-Konzept des DRK-Krankenhauses Clementinenhaus

tise und strukturierte Fort- und Weiterbildung werden in den vertikalen Exper-tensystemen „Medizin“ und „Pflege“ sichergestellt. Als horizontale, prozessorien-tierte Struktur werden Abteilungen geschaffen, in denen die Arbeit in berufsüber-greifenden Behandlungsteams organisiert wird. So ergibt sich die Chance,Mitarbeiter/-innen differenziert nach Qualifikation eher fachlich medizinisch-pflegerisch oder operativ-organisatorisch einzusetzen.

Expertensystem Medizin: Das bereits seit langem bestehende „ExpertensystemMedizin“ (Chefarzt – Oberarzt – Stationsarzt) organisiert erfolgreich Fort- undWeiterbildung und stellt sicher, dass jeder Patient mit adäquater fachlicher Exper-tise behandelt wird. Über betriebliches „Wissensmanagement“ finden aktuellewissenschaftliche Erkenntnisse genau so Anwendung wie optimierte hausinterneStandards.

Expertensystem Pflege: Diesem Vorbild werden wir parallel ein „ExpertensystemPflege“ zur Seite stellen, so dass auch hier eine auf pflegewissenchaftliche Erkennt-nisse beruhende Handlungsgrundlage entsteht und zwischen den Professionen„auf Augenhöhe“ kommuniziert werden kann.

Aufbau und Weiterentwicklung des Expertensystems Pflege wird im Verantwor-tungsbereich einer pflegewissenschaftlich qualifizierten Mitarbeiterin liegen. Siestellt die oberste pflegefachliche Leitungsinstanz des Krankenhauses dar und istMitglied der Führungsgruppe (s.u.). Sie ist an der Strategieentwicklung des Hau-ses beteiligt, stellt das pflegerische Leistungsangebot sicher, kontrolliert und ent-wickelt die Pflegequalität, und ist an der Personalentwicklung der Mitarbeiter/-innen des Pflegedienstes beteiligt.

Die ECO-Pflegefachkraft steht als Mitglied im Kernteam „Arzt-Pflegekraft“ (s.o.)im Zentrum des kooperativen Organisationsmodells auf der operativen Ebene.Die ECO-Pflegefachkraft übernimmt die im „Konzept der erweiterten Pflegeauf-gaben“ (vgl. Rn. 19ff.) näher vorgestellten Aufgaben. Folgende Schwerpunktauf-gaben:

• Verantwortliche Übernahme des Pflegeprozesses (Körperfunktionsorientie-rung, psycho-soziale Begleitung von Patienten und Angehörigen, Verhaltens-und handlungsorientierte Unterstützung)

• Erweiterte Mitarbeit im Medizinprozess (z. B.: präoperatives Assessment, Rou-tinediagnostik, postoperative Überwachung, Schmerzmanagement, Wundma-nagement, Medikamentenmonitoring, Management vorbeugender Maßnah-men und „Alltagsbeschwerden“)

• Aufgaben im Bereich des operativen Managements des Behandlungsprozesses(Koordination von Diagnostik und Therapie nach zeitlichen und sachlichenErfordernissen im Rahmen der vorgegebenen Standards (Behandlungspfade)oder individueller Anordnung, Veranlassung der Untersuchungen und Thera-pien auf der Grundlage einer einzigen ärztlichen Anordnung, Überprüfung derordnungsgemäßen Anordnung (Scheine), Überwachung der Befundeingänge,Absprachen mit Funktionsabteilungen)

Stratmeyer/Düsenberg 61

55

56

57

58

Page 21: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

59

60

61

62

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

• Case-Management-Funktionen für den gesamten Versorgungsprozess (insbe-sondere Advokaten-Funktion und vermittelnde Funktion)

Die „ECO-Pflegefachkraft“ arbeitet mit den jeweiligen Bezugsärzten, die die pati-entenbezogene Verantwortung für den Medizinprozess tragen, eng zusammenund übernimmt in Abstimmung mit diesen zusätzlich zur Pflege der PatientenAufgaben, die im Schnittfeld der Versorgung durch beide Berufsgruppen liegen(vgl. Rn. 23ff.). Durch diese Aufgaben- und Verantwortungsübernahme werdendie Ansprechbarkeit für den Patienten verbessert und typische Schnittstellenprob-leme der Versorgung reduziert. Dieses Expertensystem „Pflege“ macht es möglich,je nach Bedarf mit differenzierten Qualifikationen zu arbeiten. ECO-Pflegefach-kräfte werden geschult, Aufgaben zu delegieren sowie auch Pflegeassistenzkräftezielgerichtet einzusetzen und deren Arbeitsausführung zu überwachen.

Um die zukünftigen Aufgaben als Teil des Kernteams „Arzt – Pflege“ übernehmenzu können, werden derzeit examinierte Pflegekräfte in Kooperation mit derHochschule für Angewandte Wissenschaften berufsbegleitend in zweijährigerWeiterbildung auf die Aufgaben der „ECO-Pflegefachkräfte“ vorbereitet.

2.3.4 Berufsgruppenübergreifende Abteilungsstruktur

Im Rahmen einer kompletten baulichen Sanierung des Clementinenkrankenhau-ses werden je 2 Stationen zu einer interdisziplinären „Abteilung“ mit 50 Bettenzusammengelegt. Diese Abteilungen werden durch Abteilungsleitungen geführt,die die Rahmenbedingungen zur Organisation und Ressourcensteuerung für dieArbeit der Behandlungsteams schaffen und den kompletten Wertschöpfungspro-zess überblicken. Die Abteilungsleitungen werden Mitglieder der Führungs-gruppe (s.u.) der Klinik.

Die Abteilungsleitung

• sorgt für ausreichend und adäquat qualifiziertes Personal und ausreichendSachmittel, plant den mengenmäßigen und zeitlichen Einsatz und unterstütztdie Entwicklung einer gemeinsamen medizinisch-pflegerischen Versorgungs-identität,

• entwickelt und supervidiert gemeinsam mit den Oberärzten und den Pflege-fachkräften medizinisch-pflegerische Standardprozesse,

• koordiniert die Behandlungsteams hinsichtlich Zeit, Raum und Ressourcenund gestaltet die Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen im Gesamt-netzwerk des Krankenhauses,

• ist dafür verantwortlich, dass für ihren Bereich zeitnah Kennzahlen mit jährli-chen Zielwerten vorliegen und ist gemeinsam mit den Behandlungsteams fürdie Zielerreichung verantwortlich,

62 Stratmeyer/Düsenberg

Page 22: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Das ECO-Konzept des DRK-Krankenhauses Clementinenhaus

• führt nicht so sehr direkt, sondern eher systemisch über eine Gestaltung vonArbeitsbedingungen mit dem Ziel, Selbststeuerung der Behandlungsteams zuermöglichen und Kontrollaufwand zu minimieren,

• ist disziplinarisch weisungsbefugt gegenüber den Pflegekräften und gegenüberallen MitarbeiterInnen in der Abteilung hinsichtlich der Einhaltung feststehen-der Prozessvereinbarungen.

Die Position der Abteilungsleitung spiegelt am weitesten die Vorgabe der Prozess-orientierung wider. Sie übernimmt Verantwortung für die Qualität der Kernpro-zesse in der Zusammenarbeit der interdisziplinären Behandlungsteams in ihrerAbteilung.

2.3.5 Prozessorientierte Aufbauorganisation

Mit der Orientierung am horizontalen Behandlungsprozess des Patienten folgtauch die Aufbauorganisation den Abläufen. Zentrale Patientenaufnahme und in-terdisziplinäre Abteilungen sind die Hauptleistungseinheiten unserer Klinik. OP,Funktionsabteilungen, Medizinische Therapeuten, Intensivstation und Interme-diate Care sind in einem medizinischen; Verwaltung, Technik, Wirtschaft/Versor-gung, EDV und Controlling in einem wirtschaftlichen Dienstleistungsbereich zu-sammengefasst.

Ein wesentliches Führungsinstrument des Krankenhauses und oberstes Leitungs-gremium ist die Führungsgruppe. Sie besteht aus Geschäftsführung, Chefärzten,Pflegedienstleitung, Innovations- und Prozessmanagement und kaufmännischerLeitung und existiert bereits seit 11 Jahren. In monatlichen Sitzungen werden dieEntscheidungen „im Konsent“ getroffen, also gemeinsam unter der Vorausset-zung, vorrangig die Belange des ganzen Hauses zu berücksichtigen. Am Ende je-des Jahres erfolgen die Bilanz der Jahresziele jedes einzelnen Mitgliedes der Füh-rungsgruppe und die Festlegung der Ziele für das Folgejahr. Diese sind Grundlageder Zielvereinbarungsgespräche mit Nachgeordneten in jedem Bereich. Alle5 Jahre trifft sich die Führungsgruppe mehrtägig außerhalb des Krankenhauses,um die mittel- bis langfristige Strategie des Hauses zu bilanzieren und neu auszu-richten. Zukünftig wird die Führungsgruppe durch die Abteilungsleitungen unddie Pflegewissenschaftlerin ergänzt.

Die Expertensysteme: Die bisherigen vertikalen Abteilungen, nach Berufsgrup-pen organisiert, existieren als Expertensysteme weiter (Medizin, Physiotherapie,…) oder werden als solche neu gestaltet (Pflege).

Expertensysteme dienen der Sicherstellung fachlicher Expertise sowie der struktu-rierten Fort- und Weiterbildung als Voraussetzung für eine qualitativ hochwertigePatientenversorgung und für berufliche Weiterentwicklung.

Stratmeyer/Düsenberg 63

63

64

65

66

67

Page 23: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

68

69

70

71

72

73

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

Operativ-organisatorische Belange im Tagesgeschäft der Patientenversorgung sindAufgabe der neuen Abteilungen. Die Verteilung personeller Ressourcen nach fach-licher Qualifikation obliegt (besonders im ärztlichen Bereich) weiterhin den Ex-pertensystemen in enger Abstimmung mit den Abteilungsleitungen.

2.4 Implementierung und Evaluation des ECO-ModellsDas ECO-Projekt ist eingebettet in einen vor 12 Jahren begonnenen Organisati-onsentwicklungsprozess. Es besteht darüber Einigkeit in der Führungsgruppe undim Kuratorium (Aufsichtsrat); die Mitarbeiter/-innen sind über das Vorhabenumfassend informiert. Mit Fertigstellung der Baumaßnahme 2011 werden auchräumlich alle Voraussetzungen für die Umsetzung gegeben sein.

Seit Anfang 2009 wird die erste Gruppe der zukünftigen ECO-Pflegefachkräfteberufsbegleitend weitergebildet. Bei zunehmender Expertise und Fähigkeiten wer-den die Arbeitsweise in den Kern- und Behandlungsteams bereits ab November2009 schrittweise eingeführt. Die Steuerung erfolgt durch die Projektgruppe „Im-plementierung“ und folgt den Schritten:

• Identifikation derjenigen Anteile der Qualifizierungsmassnahme, die im lau-fenden Versorgungsprozess implementierbar sind

• Beschreibung der dazu notwendigen Organisationsentwicklungsmaßnahmen

• Herbeiführen eines positven Beschlusses durch die Führungsgruppe

• Implementieren der identifizierten ECO-Anteile in den Behandlungsprozess

• Evaluation

Über den Behandlungsprozess im Kernteam „Arzt-Pflege“ hinaus werden Anteiledes ECO-Modells schrittweise implementiert, so dass am Ende des Umbaues dasvollständige ECO-Konzept eingeführt ist.

Das betrifft insbesondere:

• die Trennung der Expertensysteme von der operativen Steuerung der Abteilun-gen,

• neue Positionen in der Aufbauorganisation: Abteilungeleitung, Pflegewissen-schaftlerin, ECO-Pflegefachkräfte,

• neue Rollen und Aufgabenstellungen (insbesondere von Ärzten und Pflegen-den),

• fachlich orientierte hierarchische Differenzierung im Pflegebereich,

• erweitertes und profiliertes Aufgabenfeld im Pflegeprozesses.

In allen Abschnitten des OE-Prozesses ist Evaluation zur Erfolgskontrolle zentra-les Element. Sie bezieht sich sowohl auf die prozessbegleitende Generierung von

64 Stratmeyer/Düsenberg

Page 24: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

Fazit

Erkenntnissen, die in den weiteren Projektverlauf rückgekoppelt werden (forma-tive Evaluation), als auch auf eine abschließende Bewertung der Projektergebnisse(summative Evaluation).

Darüber hinaus sollen Erkenntnisse erzielt werden, die generelle Aussagen übereinen erfolgreichen Implementationsprozess von Projekten dieser Größenord-nung im Krankenhausbereich zulassen.

Zur Anwendung kommen daher diverse Methoden der Evaluation, die unter-schiedlich fokussieren, zur Triangulation der Ergebnisse geeignet sind, sich z. T.gegenseitig ergänzen und damit insgesamt der Komplexität des Organisationsvor-habens im hohen Maße Rechnung tragen.

Evaluationsbereiche sind:

• Evaluation der Qualifizierungsmaßnahme

• Evaluation des neuen Pflegeprozesses

• Evaluation der Implementierung des ECO-Konzeptes

• Ergebnisevaluation des ECO-Konzeptes insgesamt

Die Gesamtkoordination des Evaluationsvorhabens wird vom Institut für Allge-meinmedizin des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf, Direktor Prof. Dr.Hendrik van den Bussche, übernommen.

3 Fazit

Für das DRK-Krankenhaus Clementinenhaus ist der erwartete Nutzen des Pro-jekts entsprechend der Zielsetzung wie folgt zu beschreiben:

Patientenorientierung: Jedem Patienten wird primär verantwortlich ein Kern-team Arzt – Pflegekraft zur Seite gestellt, das die individuelle Dienstleistungsaus-wahl mit dem Patienten bespricht, vereinbart und im gesamten Verlauf koordi-niert. Erwartet wird damit eine Steigerung der Wertschätzung unseres Hauses mitFallzahlsteigerung durch eine deutlich erhöhte Patientenzufriedenheit und eineintensivere und effizientere Kommunikation mit den niedergelassenen Ärzten.

Mitarbeiterorientierung:

Durch Trennung von Expertensystemen und operativ-organisatorischen Abtei-lungen erhält das strukturierte Gewinnen fachlicher Expertise und die Organisa-tion von Fort- und Weiterbildung und beruflichem Aufstieg einen der Patienten-orientierung gleichwertigen Stellenwert. Insbesondere der Aufbau des Experten-systems Pflege eröffnet für die Mitarbeiter/-innen neue Perspektiven.

Stratmeyer/Düsenberg 65

74

75

76

77

78

79

80

Page 25: „Ärztlicher Direktor“ und „Ärztlicher/Medizinischer ...¼senberg... · Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus Bereichder„ edukativen Unterstützung

81

Das Krankenhaus im Wandel – Prozessorientierung im Krankenhaus

Erwartet werden:

• attraktivere Arbeitsplätze, insbesondere für hochqualifizierte Mitarbeiter, diebei beruflichem Aufstieg eine Zunahme der Entscheidungsfreiheit über das ei-gene Handeln ebenso wie eigene Kompetenzbereiche bieten,

• höhere Arbeitszufriedenheit und Effizienz durch Einsatz der Mitarbeiter in ih-rer Hauptkompetenz,

• Stärkung unseres Hauses bei der Gewinnung hochqualifizierter Mitarbeiter,

• prozessorientierte Aufbauorganisation.

LiteraturBlum, K./Offermanss, M./Perner, P.: Ärztemangel bundesweit drastisch zugenommen, in: Arzt

und Krankenhaus, 2/2009, S. 36.Dahlgaard, K./Stratmeyer, P.: Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus. Band 2: Pro-

zessorganisation, Neuwied/Köln/München 2006.Dahlgaard, K./Schürgers, G./Stratmeyer, P.: Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus.

Band 6: Kooperation und Führung, Neuwied/Köln/München 2007.Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e. V. (Hrsg.): Pflegethermometer 2007. Online

verfügbar: www.dip.de/fileadmin/data/pdf/material/Pflege-Thermometer2007_Zusammen-fassung.pdf (abgerufen: 11.1.2010).

Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung, in:BGBl. 1992 I S. 2266, Leitende Krankenpflegepersonen.

Sachs, M.: Advanced Nursing Practise – Trends: Implikationen für die deutsche Pflege. Ein Lite-raturüberblick mit Beispielen aus den USA, Großbritannien und den Niederlanden, in:Pflege & Gesellschaft, 2/2007, S. 101–117.

Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Hrsg.): Koopera-tion und Verantwortung – Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung,Gutachten 2007, Langfassung.

Scheibler, F./Pfaff, H. (Hrsg.): Shared Decision-Making. Der Patient als Partner im medizini-schen Entscheidungsprozess, Weinheim/München 2003.

Simon, M.: Personalabbau im Pflegedienst der Krankenhäuser: Hintergründe, Ursachen, Per-spektiven, in: Pflege & Gesellschaft, 2/2009, S. 111.

Stratmeyer, P.: Das patientenorientierte Krankenhaus. Eine Einführung in das System Kranken-haus und die Perspektiven für die Kooperation zwischen Pflege und Medizin. Weinheim/München 2002.

66 Stratmeyer/Düsenberg