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Puentes Educativos – Bildungsbrücken Lesbia Karina Gadea Salguera Übersetzung: Rita Muckenhirn Name der Aktivität Puentes Educativos – Eine Bildungsstrategie für Kinder von Wanderarbeiter*innen Benötigte Zeit Zwölf Stunden (5:30 bis 17:30 Uhr) täglich während der dreimonatigen Kaffeeernte zwischen Oktober und März Überblick Eine Strategie, die darauf abzielt, Kindern, die während der dreimonatigen Kaffeeernte zwischen Oktober und März vom Bildungssystem ausgeschlossen und der Gefahr von Kinderarbeit ausgesetzt sind, Zugang zu Bildung zu verschaffen, damit sie den Anschluss an den regulären Schulunterricht nicht verlieren. Material/Raum Ein sicherer, komfortabler Platz in Kaffeeplantagen, pädagogisches Material zur Unterstützung der pädagogischen Intervention Personenzahl Flexibel Zielgruppe und Alter 1. Kleinkinder im Alter von drei Monaten bis zu drei Jahren 2. Kinder von vier bis dreizehn Jahren

Puentes Educativos – Bildungsbrücken · Entstehungsgeschichte der Puentes Educativos Die Bildungsstrategie Puentes Educativos hat ihren Ursprung in einer sozio-edukativen Datenerhebung

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Puentes Educativos – Bildungsbrücken

Lesbia Karina Gadea Salguera Übersetzung: Rita Muckenhirn

Name der Aktivität

Puentes Educativos – Eine Bildungsstrategie für Kinder von Wanderarbeiter*innen

Benötigte Zeit

Zwölf Stunden (5:30 bis 17:30 Uhr) täglich während der dreimonatigen Kaffeeernte zwischen Oktober und März

Überblick

Eine Strategie, die darauf abzielt, Kindern, die während der dreimonatigen Kaffeeernte zwischen Oktober und März vom Bildungssystem ausgeschlossen und der Gefahr von Kinderarbeit ausgesetzt sind, Zugang zu Bildung zu verschaffen, damit sie den Anschluss an den regulären Schulunterricht nicht verlieren.

Material/Raum

Ein sicherer, komfortabler Platz in Kaffeeplantagen, pädagogisches Material zur Unterstützung der pädagogischen Intervention

Personenzahl

FlexibelZielgruppe und Alter

1. Kleinkinder im Alter von drei Monaten bis zu drei Jahren2. Kinder von vier bis dreizehn Jahren

PART I: Der Hintergrund der Methode

Pädagogische PhilosophieDas Programm versucht durch pädagogische Interventionen in kleinen Dosen in der direkten Umgebung von Kindern, Bildung für alle zu gewährleisten. Wir haben gelernt, dass es in Fällen, in denen Kinder keine Möglichkeit haben, am regulären Schulunterricht teilzunehmen, notwendig ist, nach unkonventionellen Wegen zu suchen, um die Kinder zu erreichen. In diesem Sinne ist Puentes Educativos – „Bildungsbrücken“ eine Strategie, die darauf abzielt, Kindern, die während der dreimonatigen Kaffeeernte (Oktober–März) vom Bildungssystem ausgeschlossen und der Gefahr von Kinderarbeit ausgesetzt sind, Zugang zu Bildung zu verschaffen, damit sie den Anschluss an den regulären Schulunterricht nicht verlieren.

Das Programm wird in Zusammenarbeit mit lokalen Akteur*innen, Ministerien und der Zivilgesellschaft ausgeweitet, um Puentes Educativos in verschiedenen Gebieten zu etablieren und damit den von Kinderarbeit bedrohten Kindern ihr Recht auf Bildung zu garantieren.

Hintergrund zur Trägerorganisation Die Bildungs- und Kommunikationsorganisation La Cuculmeca ist eine Non-Profit-Organisation in Jinotega, Nicaragua, und kann bereits auf über 27 Jahre Arbeit im Bereich der Kinder- und Jugendbildung zurückblicken. La Cuculmeca vesteht Bildung als Grundstein für eine alternative Entwicklung ihrer Zielgruppen. In diesem Sinne lautet ihr erstes strategisches Ziel: Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Erwachsene, die von La Cuculmeca begleitet werden, erhalten

Lernziele/Ergebnisse

Maßgeschneiderte pädagogische Interventionen in kleinen Dosen; in der direkten Umgebung von Kindern als Möglichkeit, Bildung für alle zu gewährleisten: die Schule zu den Kindern bringen, wenn sie nicht zur Schule kommen können.

Unkonventionelle Wege bei der „Aufgabe für alle im Rahmen der gemeinsamen sozialen Verantwortung“ zwischen Staat, privaten Unternehmen und Organisationen der Zivilgesellschaft finden.

einen besseren Zugang zu einer hochwertigen Bildung, die den Fokus auf ihre Rechte setzt und die für ihr Leben von Relevanz ist.

Entstehungsgeschichte der Puentes EducativosDie Bildungsstrategie Puentes Educativos hat ihren Ursprung in einer sozio-edukativen Datenerhebung des kommunalen Bildungsministeriums aus dem Jahr 2005, die aufdeckte, dass sich 8565 Kinder außerhalb des kommunalen Bildungssystems Jinotegas befinden. Diese Erkenntnis verdeutlichte die Notwendigkeit, Kräfte zu vereinen, um die Kinder in eben dieses Bildungssystem zu integrieren und ihnen somit ihr Recht auf einen Zugang zu Bildung zu garantieren.

Unter den wichtigsten Ursachen für die Nichtteilhabe und die mangelnde Integration vieler Kinder in das Schulsystem konnte Kinderarbeit als deren Beitrag zum Lebensunterhalt von Familien identifiziert werden. Die Familien dieser Kinder müssen von Kommune zu Kommune ziehen, auf der Suche nach Arbeit auf einer der Kaffeeplantagen. Viele Aspekte spielen bei diesem Phänomen eine Rolle – in vielen Fällen argumentieren diese Familien, dass sie auf die Unterstützung ihrer Kinder angewiesen sind, und darüber hinaus wird es kulturell akzeptiert, den Kindern schon in jungen Jahren häusliche und familiäre Verantwortung zu übertragen.

Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die mangelnde Betreuung der Kinder, während ihre Eltern auf dem Feld arbeiten.

Als Resultat dieser Analyse wurden Strategien und Aktionen erarbeitet, die sich mit eben diesem Problem befassen. Es wurde ein Arbeitsansatz entwickelt, der den Kindern die notwendigen Bedingungen garantieren soll, damit sie durchgehend am Schulunterricht teilhaben und von einem Schuljahr ins kommende wechseln können – was von fundamentaler Bedeutung im Rahmen der „Batalla por el sexto grado“ („Kampf für das sechste Schuljahr“) des Bildungsministeriums ist.

Schritte zur Errichtung der Puentes Educativos

Schritt 1: Koordination und ZusammenarbeitIm Zuge der Situationsanalyse der arbeitenden Kinder haben sich strategische Allianzen gebildet, unter anderem zwischen dem Bildungsministerium (MINED), dem Arbeitsministerium (MITRAB), dem Ministerium für Familienangelegenheiten (MIFAM), dem Institut für Soziale Sicherheit (INSS), dem Gesundheitsministerium (MINSA) und dem privaten Sektor (Besitzer*innen von Kaffeefarmen), die

jeweils ihre Rollen und Verantwortlichkeiten in den Bereichen Bildung, Kinderarbeit und Entwicklung der Kinder und Jugendlichen anerkennen.

Schritt 2: Prozess der Aufklärung von Produzenten und ArbeitgebernDieser Prozess umfasst ein Angebot an Information, Fortbildungen und Aufklärung für die Produzent*innen und Arbeitgeber*innen bezüglich der Gesetze und Abkommen, die das Erfüllen der integralen Rechte und des Schutzes der Kinder stützen.

Resultat dieser Anstrengung ist, dass Produzent*innen und Arbeitgeber*innen die Verpflichtung anerkennen, die Rechte und den Schutz der Kinder im Rahmen zweier Kodizes zu gewährleisten:

• Kodex der Kindheit und Jugend Nicaraguas – Internationale Konvention für Kinderrechte,• Nicaraguanischer Kodex der Arbeit – sechstes Kapitel, in dem das Mindestarbeitsalter festgehalten ist.

Schritt 3: Einrichtung von Bildungsorten auf den Farmen durch die Farmbesitzer*innenDie Farmbesitzer*innen und Arbeitgeber*innen investieren finanzielle Mittel in die Einrichtung von Örtlichkeiten für die Durchführung der Puentes Educativos. Sie garantieren die Erfüllung von Mindestvoraussetzungen zur Kinderbetreuung, inklusive einer Bereitstellung der Örtlichkeiten für die Kinderbetreuung.

Schritt 4: Identifikation geeigneten Personals zur Umsetzung des Projekts auf den KaffeefarmenEs werden Lehrer*innen und Erzieher*innen aus den Kommunen gesucht, die auf den Kaffeefarmen arbeiten könnten. Eine weitere Zielgruppe sind Lehramtsstudierende in ihrem abschließenden Studienjahr, deren Einsatz im Projekt als Lehrpraktikum anerkannt wird. Über die praktischen Erfahrungen hinaus wird ihr Einsatz zudem durch den*die Farm- oder Plantagenbesitzer*in vergütet.

Schritt 5: Koordination zwischen MINED, La Cuculmeca und Farmbesitzer*innen zur Ausbildung von Betreuer*innen während der KaffeeernteDen zukünftigen Betreuer*innen wird der Ansatz der Puentes Educativos vermittelt. Sie lernen die Methoden zur Umsetzung kennen.

Schritt 6: Umsetzung der Puentes Educativos während der Zeit der KaffeeernteDas Projekt kommt dann in den Monaten Oktober bis März des folgenden Jahrs zum Einsatz. Während die Eltern ihre Arbeitskraft bei der Kaffeeernte einsetzen, werden ihre Kinder in dem geschützten Raum der Puentes Educativos betreut.

Schritt 7: Besuche und Begleitung durch staatliche Institutionen und La CuculmecaAlle bereits genannten Akteur*innen koordinieren begleitende Besuche der jeweiligen Farmen.

• MITRAB: Garantiert, dass die Kinder nicht als Arbeitskräfte missbraucht werden. Eine Überprüfung der Gehaltslisten ebenso wie Kontrollbesuche in den Kaffeeplantagen sind die Norm.

• MINED und La Cuculmeca: Bieten die technische und methodologische Begleitung, um eine ganzheitliche Betreuung der Kinder mit schulischer Unterstützung, Freizeit, Kultur und Umweltbildung zu gewährleisten. Zudem wird geprüft, ob die Kinder vor Kinderarbeit geschützt sind.

• MINSA: Gewährleistet angemessene hygienische Konditionen sowie eine ganzheitliche Gesundheitsaufklärung für die Kinder der Puentes Educativos.

• INSS: Gewährleistet, dass die Mitarbeitenden versichert sind.

PART II: Die Methode

Methodik der Puentes EducativosDie methodischen Schritte im Prozess der Puentes Educativos sind in der folgenden Weise definiert:

• Beginn: Ankommen der Kinder° Zwischen 5.30 und 7.00 Uhr werden die Kinder in

Empfang genommen.° Zwischen 7 und 8 Uhr werden verschiedene

Lerngruppen gebildet:· Kinder zwischen drei Monaten und drei Jahren,· Kinder zwischen vier und dreizehn Jahren;

entsprechend den durch die Kinder vertretenen Jahrgangsstufen bilden sich im Regelfall drei Untergruppen:

˚ Kindergartengruppe für Vier- bis Sechsjährige,

˚ erste, zweite und dritte Klasse für Kinder zwischen sieben und neun Jahren und

˚ vierte, fünfte und sechste Klasse für Kinder zwischen zehn und dreizehn Jahren.

• Erste Phase: morgens° Schulische Unterstützung/Vertiefung insbesondere im

Schulfach Mathematik° Pause° Schulische Unterstützung/Vertiefung insbesondere im

Bereich Sprachen und Literatur° Mittagessen

• Zweite Phase: nachmittags° Workshops (Handarbeit, Umweltbildung begleitet durch

Waldpflege- und Aufforstungsprojekte, Hygieneverhalten)° Ausflüge ° Sportangebote – angeleitete Spiele

• Abschluss: Die Kinder kehren zwischen 16 und 17 Uhr zu ihren Familien zurück.

Mit wem wird gearbeitet?• Kinder im Alter zwischen null und zwölf Jahren• Mütter und Väter dieser Kinder• Farm- und Plantagenbesitzer*innen• Verwalter*innen von Kaffeefarmen und -plantagen• Arbeitergewerkschaften der Kaffeefarmen und -plantagen

Errungenschaften der Puentes Educativos in Bildungsfragen für Kinder im ländlichen Bereich

1). Die Kinder erhalten Möglichkeiten der individuellen Entwicklung sowie Zugang zu sicheren Orten, in denen sie in einem spielerisch-kreativen und gemütlichen Umfeld ihre Kindheit genießen können. Mittels eines erfahrungsbasierten methodischen Vorgehens erhalten sie Bildung mit dem Fokus auf Kreativität und Kultur, die für die Lebensrealität der Kinder relevant ist.

2). Nach Abschluss des Prozesses von Puente Educativo (nach drei Monaten) erhalten die Kinder ein Zertifikat über ihr Bestehen des jeweiligen Schuljahrs, ausgestellt durch das Bildungsministerium, mit dem sie sich in jeder beliebigen Schule des Landes für das folgende Schuljahr einschreiben können.

3). Die direkte Information und Sensibilisierung der Mütter und Väter über die Rechte ihrer Kinder, über die Bedeutung von Bildung sowie die Konsequenzen von Kinderarbeit ermöglicht es den Eltern, ihre Kinder mit mehr Vehemenz und Kraft zu schützen und in ihrer Ausbildung zu fördern.

4). Stärkung, Koordination und organisatorische Unterstützung der lokalen Akteur*innen sowie staatlicher Institutionen, um das Erziehungsangebot sowie die Einhaltung der Rechte der Kinder zu gewährleisten.

5). Sensibilisierte Produzent*innen und Landwirt*innen haben die Herausforderung angenommen, die Strategie der Puentes Educativos umzusetzen, und planen sie als Form der sozialen Verantwortung Jahr für Jahr auf ihren Farmen ein.

6). Produktive Nutzung des Wissens und der Erfahrungen aller beteiligten Akteur*innen und Sektoren auf der Suche nach Lösungen für die Defizite und Probleme im Bereich der Kinderbetreuung und der Erfüllung der Rechte der Kinder.

7). Pädagogische Begleitung von Erzieher*innen der Puentes Educativos und organisatorische Unterstützung für Farm- und Plantagenbesitzer*innen sowie staatliche Institutionen, wodurch die integrale und integrative Betreuung der Kinder in den Puentes Educativos sichergestellt wird.

8). Institutionalisierung der Strategie Puentes Educativos als „eine Aufgabe für alle im Rahmen der gemeinsamen sozialen Verantwortung“ durch den Staat, private Unternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen (La Cuculmeca).

Über die Autorin

Lesbia Karina Gadea Salguera ist Coach für Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP), Ökonomin, Beraterin und Moderatorin für persönliche und organisatorische Entwicklungsprozesse. Seit 2013 ist sie verantwortlich für das Institut für Wissensmanagement der gemeinnützigen Organisation „La Cuculmeca“, die sich für eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Bevölkerung Nicaraguas einsetzt.