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ASPEKTE der Jugendsozialarbeit Was nicht passt, wird passend gemacht? Individuelle Hilfe in vernetzten Strukturen. Konzeptionelle Überlegungen zu niedrigschwelligen Qualifizierungs- und Bildungsangeboten für benachteiligte Jugendliche. Nr. 69

Aspekte Nr. 69

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Was nicht passt, wird passend gemacht? Individuelle Hilfe in vernetzten Strukturen. Konzeptionelle Überlegungen zu niedrigschwelligen Qualifizierungs- und Bildungsangeboten für benachteiligte Jugendliche.

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Page 1: Aspekte Nr. 69

ASPEKTEder Jugendsozialarbeit

Was nicht passt, wird passend gemacht?Individuelle Hilfe in vernetzten Strukturen.

Konzeptionelle Überlegungen zu niedrigschwelligen Qualifizierungs-

und Bildungsangeboten für benachteiligte Jugendliche.

Nr.

69

Page 2: Aspekte Nr. 69

Impressum

Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozial-arbeit (BAG KJS) e. V.

Carl-Mosterts-Platz 140477 DüsseldorfFon: 0211 – 94485-0Fax: 0211 – [email protected]

Verantwortlich:Andreas Lorenz (Geschäftsführer)

Redaktion: Silke Starke-Uekermann, Thomas Thieme, Clemens Bech, Martin Sänger

Konzept:qpoint - Agentur für Social Marketing und Fundraising

Gestaltung und Layout: qpoint - Agentur für Social Marketing und Fundraising, www.qpoint.de

Druck:Schöttler Druck40878 Ratingen

ISSN: 1612-9105

Inhaltsverzeichnis

Editorial ································································································ 3

Einführung – Individuelle Qualifikation statt Bildung von der Stange ············· 4

Meinung – Acht Eckpunkte für ein gutes Gelingen ······································· 6

Konkret – Konzeptionelle Überlegungen zu niedrigschwelligen

Qualifizierungs- und Bildungsangeboten für benachteiligte Jugendliche ······· 9

Praxisbeispiele ···················································································· 33

Literaturverzeichnis ·············································································· 40

Bildnachweise:time. / photocase.com, stop-sells / photocase.com, taku / photocase.com, DWerner / photocase.com, Bengelsdorf / photocase.com, thomasfuer / photocase.com, leicagirl / photocase.com, stocksnapper / photocase.com, stop-sells / photocase.com, zabalotta / photocase.com, tosini / photocase.com, nivoa / photocase.com, Linda Yolanda / istockphoto.com, © stillkost - Fotolia.com, MADworks / photocase.com, AllzweckJack / photocase.com, ryu-tako / photocase.com, piney / photocase.com, Khoroshunova Olga / shutterstock.com

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3

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser!

Vielleicht haben Sie eine Idealfigur, vielleicht auch nicht. Vielleicht finden Sie Ihre Arme zu lang oder Ihre Beine zu kurz. Stellen Sie sich vor, Sie benötigen einen neuen Anzug oder ein neues Kleid und müssen bei Ihrer Suche durch die Kaufhäuser immer wieder Kompromisse machen. Sie haben zwei, drei Stücke erworben, sind aber dann vor dem heimischen Spiegel doch wieder unzufrieden. Vielleicht konsultieren Sie schließlich einen Schneider und lassen ein Kleidungsstück individuell anfertigen. Sie sind dann mög-licherweise überrascht, dass Sie im Vergleich mit den vorherigen Fehlkäufen noch relativ günstig davon kommen. Und sparen neben Geld vor allem Zeit, Frust und Selbstzweifel. Ähnliche Fragen stellen sich manchmal auch in der Jugendsozialarbeit. Um die Kompetenzen beeinträchtigter und benachteiligter jun-ger Menschen, insbesondere in strukturschwachen ländlichen Räumen, zu erschließen und zu fördern, braucht es bisweilen neben den konfektionierten, standardisierten Maßnahmen auch maßgeschneider-te, also individualisierte und passgenaue Unterstützung; es braucht aufsuchende Ansätze und niedrig-schwellige Zugänge.In unserem Auftrag hat der Caritasverband für das Erzbistum Berlin e. V. mögliche niedrigschwellige Ansätze untersucht und ein vielschichtiges Konzept entwickelt, das wir in dieser Ausgabe von ASPEKTE entfalten.

Vielleicht passt das Thema besonders gut gerade zu dieser Ausgabe, denn auch unsere bewährte Zeit-schrift wird Ihnen künftig ein wenig niedrigschwelliger begegnen: Nicht nur grafisch im neuen Gewand, sondern auch mit einer neuen Gliederung haben wir unser differenziertes Informationsangebot für Sie noch servicefreundlicher aufbereitet. In dieser wie in den kommenden Ausgaben finden Sie für Ihren Schnelleinstieg ins Thema eine verdichtete Einführung mit allen wesentlichen Fragestellungen sowie an-schließend einen inhaltlich-politischen Eckpunktekatalog mit den wichtigsten Umsetzungsschritten. Ist Ihre Neugierde geweckt, haben Sie interessante Ansatzpunkte für die eigene – praktisch-soziale oder konzeptionelle, wissenschaftliche, politische oder publizistische – Tätigkeit entdeckt, laden die ausführli-che Konzeption sowie ein detaillierter Praxisteil und das Literaturverzeichnis zu einem tiefen Einstieg ins Thema ein.Verbunden mit meinem herzlichen Dank an die Autoren dieser Ausgabe wünsche ich Ihnen eine anregen-de Lektüre und freue mich über Rückmeldungen zu unseren ASPEKTEN im neuen Gewand.

HerzlichIhr

Andreas LorenzGeschäftsführer

Andreas Lorenz Geschäftsführer

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EinführungIndividuelle Qualifikation statt Bildung von der Stange

Von Thomas Thieme

Knapp 86.000 Jugendliche schaffen laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit den Übergang von der Schule in die Ausbildung nicht. Über ihren Verbleib schweigt sich die Statistik aus. Hinzu kommen 175.000 „Altbewerber“, darunter sind etliche schon länger als ein Jahr ohne Beschäftigung und Ausbildung, viele mit Mehrfachbenachteiligungen (1). Auf sie wirkt sich die insgesamt verbesserte Situation am Ausbil-dungsmarkt offensichtlich kaum aus. Ausbildende Unternehmen lassen Ausbildungsplätze eher unbe-setzt, als Jugendliche aus dieser Gruppe einzustellen, denn sie sehen sich außerstande, diese Jugend-lichen individuell zu fördern. Andererseits stellen die starren Bewertungsmaßstäbe des Schulsystems die vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen der Jugendlichen nur unzureichend dar. Was sich nicht in Schulnoten ausdrücken lässt, bleibt in den üblichen Zertifikaten und Beurteilungen meist unerwähnt. Genau daran orientieren sich jedoch die ausbildenden Unternehmen.

Zugleich profitiert dieser Personenkreis kaum von den Fördermaßnahmen des SGB II und SGB III. Die Erfahrungen vieler Praktiker in Projekten und Angeboten am Übergang von der Schule ins Erwerbsle-ben zeigen, dass die Jugendlichen häufiger standardisierte Maßnahmen der Arbeitsverwaltung ablehnen. Wenn ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen keine Rolle spielen und sie meinen instrumentalisiert zu werden, nehmen sie lieber Sanktionen in Kauf, als sich dem zu unterwerfen, was Dritte für sie als Ziel festgelegt haben.

Bildung wird von sehr vielen dieser Jugendlichen ausschließlich mit Schule assoziiert, mit Frontalunterricht

1 Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2012). AVL:

https://www.arbeitsagentur.de/nn_216654/Navigation/zentral/Veroeffentlichungen/Statistik/Statistik-Nav.html, 31.12.2012

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und formalisierter Wissensvermittlung. Negative Erfahrungen mit Schule erzeugen oft eine grundsätzli-che Ablehnung von Bildungsmaßnahmen. Wer aufgrund der eigenen Ausgangssituation Schwierigkeiten mit starren Lehrplänen und der Art der Wissensvermittlung in der Schule hat, reagiert eher ablehnend gegenüber formellen Bildungsangeboten.

Während in Ballungsräumen eine Vielzahl unterschiedlicher, auch niedrigschwelliger Angebote und Projekte für Jugendliche existiert, stellt sich die Situation in ländlichen strukturschwachen Gebieten völlig anders dar. Diese Gebiete stehen in der Gefahr einer Abwärtsspirale aus sinkender Attraktivität, Abwanderung und Einschränkung der Infrastruktur (Schulschließungen, Ärztemangel, Ausdünnung des öffentlichen Personenverkehrs). Die Räume sind insofern durch eine (stark) schrumpfende und altern-de Bevölkerung gekennzeichnet. Infolge der selektiven Abwanderung bleiben überdurchschnittlich viele geringqualifizierte junge Männer zurück. Ihr wirtschaftliches und berufliches Umfeld kennzeichnen über-durchschnittliche Arbeitslosenquoten, fehlende Qualifikationen, ein hoher Pendleranteil und ein einge-schränktes Ausbildungsplatzangebot. Da die Kaufkraft der Bevölkerung und die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand niedrig sind, zeigt sich besonders auch die soziale Infrastruktur für Jugendliche (Ange-bote nach §§ 11-14 SGB VIII) ausgedünnt und ressourcenarm. (Diese Leerstellen einer ausgetrockneten Jugendhilfe werden schlimmstenfalls von rechtsradikalen Gruppierungen gefüllt.) Aufgrund der geringen Zahl von Jugendlichen mit gleich gelagerten Ressourcen und Zielen stehen häufig nur die standardisier-ten Angebote der Arbeitsverwaltung zur Verfügung. Diese halten neben Aktivierungs- und Trainingsmaß-nahmen für benachteiligte Jugendliche noch Berufsvorbereitung und Angebote der außerbetrieblichen Ausbildung vor. Starre Konzepte erschweren hier jedoch eine individuelle und flexible Förderung an den Ressourcen und Zielen der einzelnen Jugendlichen orientiert.

Doch auch Jugendliche, die eine Ausbildung im Rahmen der Benachteiligtenförderung absolviert haben, sind auf dem Arbeitsmarkt nur schwer vermittelbar. Der Misserfolg in der Schule setzt sich nicht selten – trotz bestandener Ausbildung – im Erwerbsleben fort.

Neben den negativen Erfahrungen im Bildungssystem bestehen bei vielen betroffenen Jugendlichen so-ziale Handicaps und Benachteiligungen, die zu Exklusion und Stigmatisierung führen. Es fehlen soziale Kompetenzen und ein individuelles soziales Netzwerk, das den Jugendlichen bei auftretenden Schwie-rigkeiten und Problemen den nötigen Rückhalt gibt und motivierend zur Seite steht. Daher steht neben dem Erwerb von allgemeinbildenden und fachlichen bzw. berufspraktischen Kenntnis-sen gerade die Stärkung der persönlichen und sozialen Kompetenzen im Fokus niedrig-schwelliger Bildungsangebote.

Das Übergangssystem steht vor der Herausforderung, Jugendliche in das reguläre För-der- und Ausbildungssystem zu integrieren, um Exklusionsprozesse zu verhindern. Dazu bedarf es ergänzender niedrigschwelliger und individueller Förder- und Bildungs-angebote, wie bereits ein Modellprojekt von INBAS im Jahr 2004 feststellte (2). Die im Rahmen von Evaluationsprozessen und -vorhaben gesammelten und ausgewerteten Erfahrungen der verschiedenen Modellprojekte, Beratungsangebote der Jugendberufs-hilfe und Mitarbeitenden der Arbeitsverwaltung finden Eingang in ein Konzept, das die skizzierten Herausforderungen vor dem Hintergrund eines ländlichen, strukturschwachen Kontextes aufgreift und praktische Lösungsansätze präsentiert.

2 Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik (INBAS) GmbH: Entwicklungsinitiative: Neue Förderstruktur für

Jugendliche mit besonderem Förderbedarf“; Laufzeit: 01.09.2001 bis 31.12.2006. Rahmenkonzept – Präsentation (2003) S. 12-17

Was sich nicht durch Schulnoten ausdrücken lässt, bleibt unerwähnt

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63 Vgl. BAG KJS, 2013

MeinungNiedrigschwellige Qualifizierungs- und Bildungs-angebote ermöglichen! Acht Eckpunkte für gutes Gelingen

Von Clemens Bech & Martin Sänger

Die Notwendigkeit niedrigschwelliger Qualifizierungs- und Bildungsangebote ist in der vorangestellten Einführung deutlich geworden. Die ausführliche Konzeptentwicklung im nächsten Teil dieses Heftes ver-tieft und konkretisiert diesen Gedanken. Hier nun fassen wir vorab zusammen, welche Grundhaltungen und Perspektivwechsel notwendig sind. Die nachfolgenden Punkte betreffen darüber hinaus grundle-gende Rahmenbedingungen, die das Gelingen niedrigschwelliger Angebote überhaupt erst ermöglichen. Auch wenn der Focus dabei auf dem strukturschwachen ländlichen Raum liegt, sind diese Eckpunkte für Großstädte und Ballungsräume ebenso von Bedeutung.

1. Jugendhilfe führt ein rechtskreisübergreifendes Netzwerk: Die Übergangshilfen müssen zwischen den verschiedenen zuständigen Rechtskreisen SGB II, SGB III und SGB VIII abgestimmt sein und damit eine kohärente Förderung bieten. Die Jugendhilfe sollte hier, weil sie einen besonders weit formulierten Auftrag zur Erziehung, Förderung sowie beruflichen und gesellschaftli-chen Eingliederung junger Menschen hat (§§ 1, 13 SGB VIII), eine federführende Rolle übernehmen (3). Die kommunale Jugendhilfe muss finanziell besser ausgestattet werden. Derzeit herrscht im strukturschwachen ländlichen Raum eine dauerhafte Unterfinanzierung. Vernetzung benötigt zusätzliche Ressourcen.

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2. Änderung der Sanktionspraxis des SGB II: Die schärfere Sanktionierung von Jugendlichen (U25), wie sie im § 31a (2) SGB II normiert ist, muss beendet werden. Die Wirkungen sind verheerend. Beobachtet wird bei aussanktionierten Jugendlichen eine sehr starke Exklusi-onsgefahr (4). Überschuldung, Abdrängen in die Schat-tenwirtschaft oder Kleinkriminalität sind nicht selten die Folge. Erfahrungen aus der Arbeit der Einrichtungen und Dienste der katholischen Jugendsozialarbeit belegen, dass es sich vor allem im strukturschwachen ländlichen Raum mit einer eher eingeschränkten Leistungslandschaft häufiger zu nicht zielführenden Zuweisungen seitens der Jobcenter und infolge dessen zu Verweigerungshaltung der Jugendlichen kommt. Daher ist ein Anreizsystem im Rahmen in-dividueller Hilfepläne anstelle der bisherigen Vorgehensweise zu schaffen.

3. Mobilitätsprobleme müssen durch zusätzliche finanzielle Leistungen be-hoben werden:Die langen Wege, die Jugendliche in ländlichen Bereichen zu Bildungsträgern, Praxisstellen oder Berufsschulen zurücklegen müssen, belasten deren ohnehin knappe Mittel zusätzlich. Die derzeit gewährten Mobilitätshilfen reichen häufig nicht aus. Das Problem ist im Rahmen der Hilfepläne individu-ell zu analysieren und zu beheben, indem entweder die realen Kosten der Jugendlichen übernommen oder die Mobilität durch den Träger des Qualifizierungs- bzw. Bildungsangebots gewährleistet wird.

4. Interkulturelle Kompetenz:Durch die bisher relativ geringe Zahl von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im strukturschwachen ländlichen Raum ist die Migrantenselbstorganisation schwach ausgeprägt. Ämter oder Angebotsträgern verfügen über wenig interkulturelle Kompetenz. Hier müssen Kenntnisse und Konzepte ausgebaut wer-den, um eine Segregation zu verhindern.

5. Berücksichtigung von Geschlechterspezifika: Infolge der selektiven Abwanderung besteht in vielen ostdeutschen Regionen ein ungleiches Geschlech-terverhältnis. Hier ist eine von Männern dominierte Unterschicht entstanden, deren Mitglieder von der Teilhabe an wesentlichen gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen sind (5). Die spezifischen Bedarfs-lagen dieser Zielgruppe müssen Bestandteil eines Qualifizierungs- und Bildungsangebots sein, etwa die Stärkung sozialer Kompetenzen oder politische und antirassistische Bildungsarbeit. Bei jungen Müttern, die alleinerziehend oder in wechselnden Partnerschaften leben, benötigen die Konzepte Lösungen für den zeitlichen Konflikt zwischen Kinderbetreuung, allgemeiner Lebensbewältigung und der Maßnahme selbst, um Überforderungen und eventuellen Abbrüchen vorbeugen zu können.

6. Niedrigschwelligkeit – individuelle Hilfen:Niedrigschwelligkeit als Grundhaltung oder Handlungsparadigma der Jugendsozialarbeit geht über die Definition nicht vorhandener oder geringer Zugangserfordernisse hinaus. Sie fokussiert ganz grundsätz-lich auf die individuelle Situation des Jugendlichen/jungen Erwachsenen. Es braucht die Bereitschaft, Barrieren in ihrer Subjektivität auflösen oder absenken zu wollen (6). In der Konzeption eines regionalen Übergangsmanagements stehen die Problemlagen wie auch die Handlungskompetenz der jungen Men-schen im Vordergrund. Hier wird die zwingende Notwendigkeit eines tragfähigen Vertrauensverhältnisses

4 Vgl. Tillmann & Gehne, 2012, S.245 Vgl. Kröhnert & Klingholz, 2007

6 Vgl. Muche, Oehme, & Schröter, 2010, S. 7 ff.

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zwischen „Adressat“ und „Bildungsbegleiter“ sichtbar. Zentral ist die Bereitschaft, Hilfen zur Lebensbe-wältigung (7) anzubieten und an den Bedürfnissen und Zugangsmöglichkeiten (8) der Jugendlichen aus-zurichten. Aus der Studie „Situation ausgegrenzter Jugendlicher“ geht hervor, dass Praktiker der Jugend-sozialarbeit die Straßensozialarbeit als besonders geeignet für die Re-Integration wahrnehmen.

7. Partizipation | Ko-Produziertes Lernen:„Ohne die aktive Rolle und Mitwirkung der Lernenden kommen keine Lernprozesse zustande.“ (9) Die Aussage ist der Kern eines Bildungsverständniss, das auf der unmittelbaren Beteiligung von Jugendlichen

fußt. „Selbstbildung“ (vgl. ebd.) im Sinn des bewussten, koproduzierten Lernens muss Leitziel (10) jeglichen Qualifizierungs- und Bildungsangebots sein.

Lernprozesse dürfen nicht auf ein ambivalentes Verhältnis zwischen „Anleiter“ und „Anzuleitendem“ beruhen, sondern müssen da-

von ausgehen, dass der Jugendliche nicht bloß Adressat sondern Subjekt ist. Die Mitgestaltung des Bildungspro-

zesses sichert eine Didaktik des „Fordern & Förderns“ auf Augenhöhe. Dieses Bildungsverständnis geht

über die defizitorientierte (11) Qualifizierung im Sinne einer vorgefertigten Maßnahmeplanung

weit hinaus. Standardisierte Bildungs- oder Qualifikationsangebote sind mit einem ef-

fizienten Bildungsverständniss unverein-bar. Darum sind individuelle Förderpläne für den einzelnen Jugendlichen zwin-gend notwendig.

8. Klärung des Sozialraum-BegriffesDie Sozialraumorientierung hat in der Sozialarbeit einen hohen Stellenwert. Im strukturschwachen ländlichen Raum zeigt sich allerdings ein Dilemma: Wäh-rend die Verwaltung aus pragmatischen

Gründen häufig Sozialräume als Teil-bereiche z. B. des Landkreises definiert

(meist eine Zusammenfassung einiger Städte und Gemeinden), bewegen sich Ju-

gendliche entsprechend ihrer Lebenslage in ganz anderen realen und auch virtuellen Räu-

men (Wohnort, Lernort, Freizeitorte, …). Die Frage kann an dieser Stelle nicht geklärt werden, muss aber

bei einer Konzeptionsentwicklung Beachtung finden.

7 Muche, Oehme, & Schröter, 2010, S. 138 Vgl. Tillmann & Gehne, 2012, S. 25 ff.

9 Olk & Roth, 2007, S. 46

10 Reicher, 2009, S. 39-40

11 vgl. Muche, Oehme, & Schröter, 2010, S. 11-13

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Konkret Konzeptionelle Überlegungen zu niedrigschwelligen Qualifizierungs- und Bildungsangeboten für benachteiligte Jugendliche

Von Thomas Thieme | Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V

1. DefinitionenNiedrigschwelligkeit

„Unter Niedrigschwelligkeit wird die Art des Zugangs zu einem Hilfesystem verstanden, die sich da-durch auszeichnet, dass die potenziellen Nutzer nur geringe oder gar keine Voraussetzungen erfüllen müssen, um die Angebote der Einrichtung nutzen zu können.“ (1)

Niedrigschwelligkeit stellt insofern kein kohärentes fachliches Konzept dar, vielmehr muss die genaue Bedeutung mit Bezug auf das jeweilige Arbeitsfeld bestimmt werden. Je nach der im Feld Sozialer Arbeit eingenommenen Perspektive unterscheiden sich daher auch die Kriterien für Niedrigschwelligkeit. Kri-terien und Anforderungen an niedrigschwellige Arbeit lassen sich handlungsfeldspezifisch in Projektbe-schreibungen, Konzeptdarstellungen, Handlungsempfehlungen o. ä. finden.Ein gemeinsames zentrales Merkmal stellt jedoch die Nähe zur Lebenswelt bzw. der Lebensweltbezug dar.

1 Kähnert 1999, S. 171

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Soziale Benachteiligung (Jugendliche)Bei der Zielgruppe des Projektes handelt es sich um Jugendliche, die im Hinblick auf die soziale und berufliche Integration im Zeitrahmen des Überganges von der Schule in das Berufsleben hohen Exklusi-

onsrisiken ausgesetzt sind.

„Die Gruppe der ausgegrenzten Jugendlichen und jungen Er-wachsenen umfasst solche 14- bis 27-Jährigen, die sich

außerhalb von Bildungsinstitutionen befinden, die außerdem zur Sicherung ihres Lebensun-

terhalts nicht auf reguläre Erwerbseinkom-men oder Sozialleistungen zurückgreifen

(können), sondern sich z. B. durch Bet-teln, Schwarzarbeit, Drogenhandel,

(Klein-)Kriminalität oder illegale Prostitution alimentieren. Auch

sind Jugendliche und Heran-wachsende gemeint, denen Sozialleistungen durch Sor-geberechtigte vorenthalten werden, oder solche, die sich als illegale Einwande-rer in Deutschland aufhal-ten.“ (2)

Diese Exklusionsrisiken ergeben sich aus be-stimmten Konstellationen von sozialen Problemla-gen sowie fehlenden Kom-

petenzen und Ressourcen. „So fasst Kronauer (2002)

soziale Exklusion nicht nur als Ausschluss aus Interdepen-

denzbeziehungen auf, sondern ebenso als Ausschluss von Partizi-

pationsmöglichkeiten. Ersterer um-fasst dabei eine Marginalisierung am

Arbeitsmarkt bis hin zur Erwerbslosigkeit sowie eine soziale Isolation durch fehlende

oder erodierte persönliche Netzwerke. […] Der zweite Aspekt von Exklusion schließt Kronauer zu-

folge drei Felder eingeschränkter oder fehlender Par-tizipation ein: geringe materielle Teilhabe, den Ausschluss

von politisch-institutioneller Teilhabe und den Ausschluss von kul-tureller Teilhabe.“(3) „Nach dem Exklusionsmodell von Castel (2000) ste-

hen sich die sozialen Zustände der Exklusion und der Inklusion bipolar gegenüber. Verbunden sind beide Pole dabei durch den Bereich der persönlichen sozialen Vulnerabilität.“(4)

„Relevante Gefährdungsgruppen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind offensichtlich jene, denen der Zugang zu Bildung, Ausbildung und Arbeit erschwert oder versagt ist (Popp 2011).“ (5)

2 Tillmann, F./ Gehne, C. 2012, S. 133 Ebd. S. 13-14

4 Ebd. S. 145 Ebd. S. 15

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Integration vs. InklusionIntegration im Kontext der Jugendberufshilfe ist kein „finaler Zustand“, sondern ein dynamischer Prozess. Diesen Integrationsprozess bestimmen die individuellen Ziele und Voraussetzungen/Ressourcen der ein-zelnen Jugendlichen. Dabei geht es um Inklusion in gesellschaftlicher, sozialer und beruflicher Hinsicht: also um gesellschaftliche Teilhabe, ein bestehendes individuelles soziales Netzwerk und die Einbindung in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.Somit haben die dazu erforderlichen Schritte sowohl eine strukturelle als auch eine individuelle Kompo-nente. Die strukturelle Komponente besteht in der Eröffnung von Zugängen, die den Jugendlichen bisher verschlossen waren; die individuelle in der Befähigung der Einzelnen, diese Zugänge zu nutzen, sich die erforderlichen Kompetenzen bewusst zu machen und/oder zu erwerben.Integration beinhaltet eine Anpassungsleistung, um in die Gesellschaft „eingegliedert“ werden zu kön-nen. Inklusion hingegen bedeutet, dass der Zugang für alle Menschen ermöglicht wird, unabhängig von ihrer Diversität. Insofern betrachtet Integration einen langen, dynamischen, vielschichtigen, dualen Pro-zess von Akzeptanz und Anpassung, während Inklusion den Zugang unabhängig vom individuellen Le-bensentwurf der Einzelnen gewährleisten will.Durch den Integrationsprozess werden Unterschiede zwischen Menschen oder Gruppen (unterschied-licher ethnischer oder kultureller Herkunft) in gewissem Umfang nivelliert, wobei sich gleichzeitig die Bandbreite der akzeptierten Lebensentwürfe und damit die Heterogenität der Gesellschaft erweitern. Trotzdem bestehen Grenzen, wenn beispielsweise die individuellen Voraussetzungen der für den Inte-grationsprozess notwendigen Anpassungsleistungen des Individuums nicht geschaffen werden können. In diesem Fall bleibt die Exklusion bestehen. Gleichzeitig setzt Integration zwei verschiedene Gruppen voraus, nämlich die Gruppe derjenigen, die integriert sind und jenen, die integriert werden sollen bzw. die sich integrieren sollen. Insofern werden dadurch bestimmte Menschen(gruppen) schon per Definition exkludiert.

„Während im Begriff Integration somit noch ein vorausgegangener gesellschaftlicher Ausschluss mit-schwingt, bedeutet Inklusion Mitbestimmung und Mitgestaltung für alle Menschen ohne Ausnahme. Inklusion beinhaltet die Vision einer Gesellschaft, in der alle Mitglieder in allen Bereichen selbstver-ständlich teilnehmen können und die Bedürfnisse aller Mitglieder ebenso selbstverständlich berück-sichtigt werden. Inklusion bedeutet davon auszugehen, dass alle Menschen unterschiedlich sind und dass jede Person mitgestalten und mitbestimmen darf. Es soll nicht darum gehen, bestimmte Gruppen an die Gesellschaft anzupassen.“ (6)

Während die Integration von notwendigen Veränderungen sowohl auf der Seite der Mehrheitsgesellschaft als auch auf Seiten der bisher exkludierten Gruppen ausgeht, stellt die Inklusion darauf ab, dass die Re-geln der Mehrheitsgesellschaft so verändert werden müssen, dass alle Menschen ihrer Diversität teilha-ben können. Insoweit geht der Inklusionsbegriff über die Integration hinaus.

Exklusionsrisiken In zahlreichen Studien und Erhebungen zur Bildungssituation in Deutschland, wie beispielsweise den PISA- und IGLU-Studien, den Armuts- und Reichtumsberichten der Bundesregierung, der UNICEF-Studie 2005, dem 11. Kinder- und Jugendbericht Deutschlands lassen sich empirisch gewonnene Aussagen zu den verschiedenen Exklusionsrisiken, vor allem im Hinblick auf das Bildungssystem finden. Untermau-ert wird dies durch Angaben des Statistischen Bundesamtes z. B. über das Verhältnis von Deutschen und Ausländern im Hinblick auf Absolventen der verschiedenen Schulformen bzw. auf das Erreichen von Schulabschlüssen im deutschen Bildungssystem.

6 Krög, W. 2005, S. 4

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Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1 (7)

Danach lassen sich folgende Exklusionsrisiken festlegen:

Geschlechtszugehörigkeit (Geschlechterstereotypen), geschlechtliche OrientierungDie geschlechtsbezogene Differenzierung beginnt laut PISA bereits im Kindesalter bzw. in der Schule. So können die unterschiedlichen Leistungen im Lesen und in naturwissenschaftlichen Fächern nicht auf genetische Dispositionen zurückgeführt werden, sondern auf eine geschlechtsspezifische „soziale Kons-truktion“, die bereits im Kindesalter beginnt.Dies setzt sich mit dem Schulversagen von Jungen fort. Neben dem Zusammentreffen der Risikofaktoren soziale Benachteiligung und Migrationshintergrund spielt ein Männlichkeitsbild eine Rolle, welches Un-angepasstheit und „Rangkämpfe“ im Sinne einer patriarchalischen Struk-tur fordert. In diesem Fall stellt Schulerfolg sogar ein Zeichen von Unmännlichkeit dar.

Armut und VerschuldungArmut bedeutet die Zugehörigkeit zu sozial benachteiligten Milieus mit einem hohen Anteil von Exkludierten in Bezug auf Bil-dungsangebote und das Aufwachsen in Elternhäusern bzw. Familien ohne Bil-dungszugang bzw. Bildungsaffinität. In verschiedenen Studien wurde ein direkter Zusammenhang zwischen der in einem Haushalt vorhande-nen Anzahl von Büchern und dem Schulerfolg der Kinder festge-stellt. Zum einen hängt der Erfolg im Bereich der formalen Bildung, also in der Schule, von der Unter-stützungsleistung der Eltern (oder der Fähigkeit und Möglichkeit der

7 Die Beauftragte der Bundesregierung für Mi-

gration, Flüchtlinge und Integration 2007, S. 43

Abschlussart deutsche Schulentlassene ausländische Schulentlassene

insgesamt männlich weiblich insgesamt männlich weiblich

ohne

Abschluss

7,2 9,1 5,3 17,5 21,0 13,7

Haupschulab-

schluss

23,2 26,5 19,7 41,7 43,0 40,2

Realschulab-

schluss

42,6 41,3 43,9 31,2 28,0 34,8

Fachhochschulreife 1,3 1,2 1,4 1,4 1,3 1,5

Hochschulreife 25,7 21,9 29,7 8,2 6,7 9,8

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13

Quelle: Bildung in Deutschland 2012, S. 206

Eltern, die erforderliche Unterstützung zu organisieren) ab, zum anderen aber auch von den Zugangsmög-lichkeiten, für die durch die erforderlichen Kostenaufwendungen weitere Barrieren bestehen.

Migrationshintergrund (in Verbindung mit Zugehörigkeit zu einem sozial benachteiligten Milieu oder bei mangelnder Unterstützungsmöglichkeit durch die Familie)Das Exklusionsrisiko ist entsprechenden Studien zufolge am höchsten bei Kindern, deren beide Eltern nicht in Deutschland geboren worden sind. Eine wichtige Rolle spielen auch hier der individuelle Zugang der Eltern zu formaler Bildung und die Kenntnisse des Schul- und Berufsbildungssystems in Deutschland. Ohne diese sind die Eltern kaum in der Lage, ihre Kinder entsprechend zu unterstützen und zu fördern.

Auch die fehlende bilinguale Ausrichtung der schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund trägt zu einem schlechteren Schulerfolg bei.

Weitere soziale Handicaps wie psychische Erkrankungen, Suchterkrankungen, Delinquenz, Zugehörigkeit zu einer subkulturellen Gruppe

Zugänge zu formaler Bildung hängen nicht unwesentlich von einem sozial erwünschten Ver-halten der Bildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer ab, wozu die Einhaltung bestimmter

Regeln, Normen und Rituale gehört. Jugendliche mit alternativen Lebensentwürfen oder Zugehörigkeit zu einer subkulturellen Gruppe, deren eigene Wertmaßstäbe nur geringe Übereinstimmungen mit diesen Anforderungen des Bildungssystems aufweisen, wird der Zugang erschwert oder auch sogar verwehrt.Gleiches gilt für Jugendliche, die aufgrund psychischer Erkrankungen oder Suchterkran-kungen abweichendes Verhalten aufweisen. Auch delinquentes Verhalten kann zum Ausschluss führen oder einen Zugang erheblich erschweren. Die Gefahr eines Ausschlusses steigt grundsätzlich, wenn mehrere Exklusionsrisiken bei einer Person oder Familie zusammentreffen.

2010

2009

2008

2007

2006

2005

40 30

Hoch (ISCED 5-6)

20

Weiblich Männlich

10 10 20 30 400 in % 0

Mittel (ISCED 3-4) Niedrig (ISCED 0-2)

Armutsgefährdungsrisiko in Deutschland nach Bildungsstand und Geschlecht 2005 bis 2010 (in %)Abschlussart deutsche Schulentlassene ausländische Schulentlassene

insgesamt männlich weiblich insgesamt männlich weiblich

ohne

Abschluss

7,2 9,1 5,3 17,5 21,0 13,7

Haupschulab-

schluss

23,2 26,5 19,7 41,7 43,0 40,2

Realschulab-

schluss

42,6 41,3 43,9 31,2 28,0 34,8

Fachhochschulreife 1,3 1,2 1,4 1,4 1,3 1,5

Hochschulreife 25,7 21,9 29,7 8,2 6,7 9,8

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BedarfssituationWie aktuelle Studien und die statistischen Daten der Bundesagentur für Arbeit zur Situation der Schulab-gänger und den Übergang von der Schule zum Erwerbsleben darstellen, liegt der Anteil der Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, in Brandenburg in den letzten Jahren konstant zwischen 15 und 17 %. Hinzu kommt eine weitere Gruppe von Jugendlichen, die aufgrund ihrer schulischen Leistungen nur eine einfache Berufsbildungsreife erreicht haben. Sie erfüllen Anforderungen der ausbildenden Un-ternehmen an die Bewerber somit kaum. Insofern ist es angemessen, von etwa 20 % Schulabgängern zu sprechen, die ein sehr hohes Exklusionsrisiko im Hinblick auf die berufliche Bildung aufweisen.

Die Gründe für diese hohe Quote von Jugendlichen ohne Schulerfolg sind vielfältig. Zum einen ermöglicht das System Schule kaum eine Förderung, die sich an den individuellen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Interessen der Kinder und Jugendlichen orientiert. Stattdessen müssen sich die Schüler dem System Schule anpassen. Die Voraussetzungen der Schüler sind jedoch sehr unterschiedlich: Ein hoher Grad an Individualität, die unterschiedlichen ethnischen und kulturellen Herkunftskontexte und eine breite Auf-fächerung der sozialen Schichten und Milieus ergeben eine sehr heterogene Gesellschaftsstruktur. Diese Entwicklung ist vor allem in den neuen Bundesländern seit der politischen Wende im Jahr 1989 in einer enormen Geschwindigkeit verlaufen.Die Schule sieht ihre Aufgabe vornehmlich in der Vermittlung allgemeinbildenden Wissens, weniger in einer Persönlichkeitsentwicklung, die auch soziale Kompetenzen beinhaltet. Es findet in der Regel keine Anschluss- oder Übergangsplanung statt, die den Jugendlichen eine Perspektive nach dem Schulbesuch aufzeigen würde. Die Gestaltung des Übergangs von der Schule in den Beruf bzw. die berufliche Bildung bleibt so hauptsächlich in der Verantwortung der oft überforderten Eltern.Die Vielfalt der Berufsabschlüsse, Bildungswege und -ziele zu durchschauen, gelingt oft nur mit profes-sioneller Hilfe. Die Feststellung von Eignungen und daraus resultierenden Bildungsmöglichkeiten erfolgt vielfach durch standardisierte Instrumente (Berufswahltests), die jedoch die Individualität der Jugendli-chen kaum abbilden können. Es gibt kein verbindliches oder standardisiertes Vorgehen bei der Begleitung der Jugendlichen am Über-gang von der Schule in das Erwerbsleben. Die Inanspruchnahme von Hilfen und Unterstützungsleistung

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005

18

16

14

12

10

8

6

4

2

0

in %

Gesamt West Ost

Jahre

Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss

2.

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15

hängt wiederum von der Initiative und dem Engagement der Jugendlichen selbst oder deren Eltern ab. Fehlt dieses, entsteht häufig eine Lücke im Bildungsweg.Befinden sich die Jugendlichen oder die Familien der Jugendlichen im Sozialleistungsbezug des SGB II, erfolgt eine Berufsberatung oder -orientierung durch das örtliche Jobcenter. Wie die Erfahrungen in ver-schiedenen Projekten der Jugendsozialarbeit mit Jugendlichen im SGB II-Leistungsbezug zeigen, findet aber auch hier oft keine individuelle, an den Bedürfnissen, Zielen und Ressourcen der Jugendlichen orien-tierte Beratung statt, sondern die Hinführung (oft mit sanftem Druck) zu freien Ausbildungsplätzen – oft auch in der Benachteiligtenförderung. Jugendliche, die keinen Schulabschluss erwerben konnten und die Schule ohne eine Berufsbildungsreife verlassen, finden sich häufig in sogenannten „Maßnahmenkarrieren“ wieder, d. h. sie werden verschie-denen Berufsvorbereitungsmaßnahmen zugewiesen, die vom SGB II-Träger vorgehalten werden. Diese sind jedoch durch ihre pauschale Zielsetzung zumeist nicht hilfreich, um den Jugendlichen auf dem Weg zu ihrer individuellen beruflichen Zielstellung erforderliche Kompetenzen zu vermitteln. Dies nehmen die Jugendlichen wahr, fühlen sich missachtet und brechen diese Maßnahmen häufig ab, was wiederum zu Sanktionen durch das Jobcenter führt. Die aktuellen Statistiken belegen bei 15- bis 24-Jährigen eine we-sentlich höhere Sanktionsquote als für andere Altersgruppen im Erwachsenenalter.Der nachweislich geringere Schulerfolg von Jungen korrespondiert hier wiederum mit einer ebenfalls ge-genüber den Mädchen höheren Sanktionsquote, was weder die Motivation der betroffenen Jugendlichen stärkt, noch ihre weitere Entwicklung positiv beeinflusst. Erfahrungen in der Arbeit mit dieser Personen-gruppe durch Einrichtungen der Jugendsozialarbeit zeigen, dass Sanktionen eher Rückzugstendenzen und die Entstehung von Lebensentwürfen befördern, die schwierig mit einer Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen sind.Fehlt diese perspektivische Hinführung (in Verbindung mit einer behutsamen Heranführung an die Er-werbstätigkeit), bzw. verbinden die Kinder und Jugendlichen durch fehlende eigene oder negative Erfah-rungen Erwerbstätigkeit mit etwas wenig Erstrebenswertem, wirkt sich dies ungünstig auf die eigene Mo-tivation aus. Lernziele werden nicht verfolgt.

Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: IAB-Kurzbericht 10/2010

Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss

Januar April Juli Okt. Januar April Juli Okt. Januar April Juli Okt.

10

8

6

4

2

0

in %

2007 2008 2009

15- bis 24-Jährige 25- bis 49-Jährige 50- bis 64-Jährige

Sanktionsquoten von Arbeitslosen im SGB IInach Altersgruppen von Januar 2007 bis Dezember 2009 (in Prozent)

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„Ausgehend von der These, dass Bildung eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass Menschen ihr Leben eigenverantwortlich gestalten können, Bildung die gesellschaftliche Teilhabe über Erwerbs-arbeit sichert und Grundlage einer sozial gerechten Gesellschaft ist, wurde hier gezeigt, wie in der Bundesrepublik Deutschland ein beträchtlicher Teil junger Menschen von weiterführender Bildung ausgeschlossen wird und daher ein erheblicher Bedarf besteht, der hohen sozialen Selektivität des bundesdeutschen allgemeinbildenden Schulsystems, die sich auf der Ebene der beruflichen Bildung fortsetzt, entgegenzuwirken.“ (8)

Perspektivische EntwicklungDie Entwicklung der Schülerzahlen bis 2025 ist durch einen starken Rückgang gekennzeichnet. In den neuen Bundesländern ist diese Entwicklung besonders gravierend, der Rückgang der Schülerzahl betrug von 2005 bis 2012 etwa 21 %. Im Jahr 1995 wurden noch über 3 Mill. Schüler gezählt, 2012 sind es nur noch 1,7 Mill. Schüler.Dies führt(e) vor allem im ländlichen Raum zu Schulschließungen und zur Konzentration der Schüler in zum Teil weit entfernten Schulen (in Brandenburg betragen die Schulwege in Einzelfällen bis 65 km) in großen Klassen von 25 bis 30 Schülern. Dadurch verbessern sich die Lernbedingungen für die Kinder und Jugendlichen nicht, was mit dazu beiträgt, dass die Zahl der Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss oder mit der einfachen Berufsbildungsreife verlassen, konstant bleibt.

Quelle: Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz (9)

Bestandsaufnahme vorhandener FörderansätzeZu nennen sind hier zuerst die vorhandenen und etablierten Standardangebote des SGB II/III:

• Das einjährige Berufsvorbereitungs- bzw. Ausbildungsvorbereitende Jahr (BVJ/AVJ).

• Die berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB).

• Die Produktionsschulangebote (PS).

8 Christe, G. (2012) S. 9 9 Vgl. Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz (2011) S. 35

2012 2014 2016 2018 2020 2022 2024

1.000.000

900.000

800.000

700.000

600.000

500.000

400.000

300.000

200.000

100.000

2008

mit Hochschulreife

mit Fachhochschulreife

mit Realschulabschluss

mit Hauptschulabschluss

darunter aus Förderschulen

Schulabgänger bis 2025

3.

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Über die Wirksamkeit dieser Angebote wird zwischen den verschiedenen Akteuren (Politik, SGB II/III-Trä-ger, öffentliche Träger der Jugendhilfe, Fachkräfte der Jugendsozialarbeit) seit längerem kontrovers dis-kutiert. Eine Evaluationsstudie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) untersuchte die Wirksamkeit der o. g. Angebote hinsichtlich einer sozialen und beruflichen Integration. Danach gelang es den BvB häufiger als den beiden anderen, Jugendliche im Anschluss an die Maßnahme in Ausbildung zu vermitteln. Das BVJ/AVJ führt am ehesten zu einer Vermittlung in ein weiteres berufsvorbereitendes Angebot (Maßnahmen-karriere) oder in eine weitere schulische Ausbildung, mit der höherwertige Schulabschlüsse angestrebt werden. Absolventen der PS nahmen häufiger als die der anderen Maßnahmen eine Erwerbstätigkeit auf bzw. waren häufiger nach Beendigung des Angebotes erneut arbeitslos. Insofern sind die berufsvorberei-tenden Bildungsmaßnahmen noch am ehesten geeignet, die berufliche Integration zu fördern.

Im Bereich der Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII sind vor allem zu nennen:

• Sozialarbeit an Schulen (Schulsozialarbeit);

• Schulverweigererprojekte (z. B. Koordinierungsstellen „Die 2. Chance“, „WerkStattSchule“);

• Kompetenzagenturen (sozialpädagogische Beratung und Begleitung nach dem Case Management Prinzip);

• Jugendmigrationsdienste (sozialpädagogische Beratung und Begleitung nach dem Case Management Prinzip für Jugendliche mit Migrationshintergrund);

• Jugendwerkstätten;

• Sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen (nach § 13 Abs. 2 SGB VIII);

• Sozialpädagogisch begleitete Wohnformen (nach § 13 Abs. 3 SGB VIII);

• Offene und mobile Jugendsozialarbeit;

• Internationaler Jugendaustausch unter berufsbezogenen Aspekten;

• Soziale Gruppenarbeit (z. B. bei straffälligen und/oder gewaltbereiten Jugendlichen).

Diese Angebote werden häufig temporär in Projektform angeboten und bieten somit keine kontinuierliche und bedarfsgerechte Grundstruktur. Ein großer Teil der vorhandenen Angebote wird über Förderrichtlini-en des Bundes aus ESF-Mitteln finanziert und ist somit von einer dauerhaften Förderung ausgeschlossen. Die Übernahme der Modellprojekte in eine Regelfinanzierung scheitert häufig an fehlenden Finanzmitteln der Länder und Kommunen. Hinzu kommt, dass die örtlichen Bedarfe und Strukturen in den durch den Bund vorgegebenen Förderrichtlinien nur unzureichend Berücksichtigung finden, was sich auf die Akzep-tanz durch die örtlichen Leistungsträger negativ auswirken kann.

Weitere Angebote sind standardisierte Freiwilligendienste, die von Jugendlichen der Zielgruppe genutzt werden können. Im Rahmen dieser Dienste:

• Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ)

• Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ)

• Bundesfreiwilligendienst (BFD)

• Europäischer Freiwilligendienst (EFD)

• Internationale Freiwilligendienste (IFD)

• „weltwärts“ – entwicklungspolitischer Freiwilligendienst

• Internationaler Jugendfreiwilligendienst (IJFD)

können Jugendliche nicht nur praktische und sinnvolle Arbeit für die Gesellschaft leisten, sondern gleich-zeitig eine Vielzahl an Kompetenzen festigen, erweitern und erwerben; bei den internationalen Freiwilli-gendiensten auch interkulturelle Kompetenzen und Sprachkenntnisse.

Schulabgänger bis 2025

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Das freiwillige und bürgerschaftliche Engagement ist daher besonders gut geeignet für Jugendliche, die sich für soziale, kulturelle und politische Belange und Themenfelder interessieren, und bietet neben dem Kompetenzerwerb auch eine nachhaltige Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe – unabhängig von der beruflichen Perspektive.

Erfolg versprechende alternative Methodenansätze in Auswertung vorhandener Projekte und AngeboteFür die Gestaltung dieses Konzeptes war es wichtig, „das Rad nicht neu zu erfinden“, sondern vorhande-ne, erprobte und bewährte Konzepte und Ansätze im Sinne einer „best practice“ einzubeziehen und sie mit diesem Konzept zu multiplizieren. Dazu wurde eine Auswahl von Jugendmigrationsdiensten und Kom-petenzagenturen befragt, die in einem überwiegend ländlichen, von Strukturschwäche gekennzeichne-ten Kontext tätig sind. Aufgrund ihrer Aufgabenstellung und ihrer Vernetzungs- und Kooperationsstruktur verfügen sie über eine gute Kenntnis der in ihrem Einzugsbereich vorhandenen Angebote und Projekte. Um eine möglichst zielorientierte Förderplanung mit den Jugendlichen gestalten zu können, sondieren sie laufend die vorhandenen Bildungsmaßnahmen. Daneben wurden diverse Veröffentlichungen des Pro-gramms „JUGEND STÄRKEN“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf ent-sprechende Modellansätze hin analysiert. (10)

Leider hat sich im Ergebnis gezeigt, dass es sehr wenige tatsächlich niedrigschwellige Bildungsangebote gibt. In den meisten Fällen ergeben sich Zugangsbarrieren durch die Finanzierung der Angebote. Dies sind:

• Altersbegrenzungen;

• regionale oder örtliche Zuständigkeiten;

• Kostenübernahmeerfordernisse;

• Zuweisung durch SGB II-Träger oder Jugendamt;

• komplexe oder kombinierte Angebote, die nicht partiell in Anspruch genommen werden können;

• Bindung an bestimmte Benachteiligungen (Segregation);

• kein laufender und damit bedarfsgerechter Zugang möglich;

• zeitliche Begrenzung des Angebotes;

Im Folgenden werden die vorhandenen Angebote und Ansätze vorgestellt:Ausgehend vom inklusiven Ansatz steht als primäres Ziel des Konzeptes nicht die berufliche Integration benachteiligter Jugendlicher, sondern deren gesellschaftliche Teilhabe. Nach dem christlichen Menschen-bild bestimmt sich gesellschaftliche Teilhabe und damit Inklusion aus der Würde des Menschen. Diese Würde besteht per se; nicht nur aus christlicher Sicht sondern auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in deren Präambel die „angeborene Würde“ beschrieben ist, wie im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ (Art. 1 Satz 1 GG). Sie bestimmt sich nicht über den Wert der beruflichen Tätigkeit und des damit zu erzielenden Einkommens, obwohl die aktuelle sozialpolitische Diskussion, insbesondere rund um das SGB II, dies zuweilen so erscheinen lässt. In der gesellschaftlichen Praxis spielen das Erwerbseinkommen und die zum großen Teil daraus resultie-rende Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Milieus jedoch immer noch eine große Rolle hinsichtlich des Zugangs zu bestimmten gesellschaftlichen Ressourcen und Aktivitäten. Gesellschaftliche Modelle, die von einer Erwerbsarbeitsvollbeschäftigung ausgehen, haben mit der Realität bereits jetzt immer weniger zu tun.

10 Vgl. Reinecke, M.; Nachtsheim, K.; Lindner, M. (2012)

4.

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Dementsprechend soll der konzeptionelle Ansatz dazu beitragen, Jugendlichen – unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen und dem sozialen Herkunftsmilieu – Zugang zu den verschie-denen gesellschaftlichen Ressourcen und Aktivitäten zu ermöglichen. Hierbei spielen Bildung und soziale Kompetenzen eine zentrale Rolle.Als Konsequenz aus dieser Grundhaltung stellen auch nicht die unterschiedlichen Erwartungen gesellschaftlicher Akteure an die Jugendlichen den Maßstab des konzeptionellen Ansatzes dar, sondern die Ziele und Vorstellungen der Jugendlichen selbst. Die Betroffenen sollen selbst ihren Part in der Gesellschaft finden, sich gezielt und nach ihren Kompetenzen und Fähigkeiten einbringen und nicht als „Räd-chen“ in ein Getriebe eingefügt werden, schon gar nicht nach Nützlichkeit und Leistungsfähigkeit für die wirtschaftli-che Entwicklung beurteilt werden. Inso-fern folgt das Konzept einem ganzheit-lichen und individuellen Ansatz.Die stringente Ausrichtung am Inklusi-onsgedanken und der Niederschwel-ligkeit des Ansatzes verbietet die Fest-legung von Zugangsvoraussetzungen zu den Maßnahmen und Angeboten. Zugangsbarrieren wirken exkludierend, definieren Problem- und Randgruppen, unterscheiden nach Jugendlichen mit und ohne Defizite. Ein zweiter, eng mit dem In-klusionsgedanken verknüpfter Grundsatz stellt die Ressourcenorientierung dar.Bildung wird in unserer Gesellschaft sehr stark mit formaler Bildung assoziiert. Doch gerade so-ziale Kompetenzen, also das, was Menschlichkeit und das menschliche Miteinander ausmacht, lässt sich nicht durch Institutionen der klassischen, formalen Bildung vermitteln, sondern durch die Familie und das direkte gesell-schaftliche Umfeld: durch informelle Bildung. Da die Jugendlichen der Zielgruppe des Konzeptes häufig aus nichtintakten Familien kommen, in de-nen dieser Wissenstransfer und Kompetenzerwerb nicht mehr stattfindet, darf nicht nur die Vermittlung von allgemeinbildenden Kenntnissen, die beispielsweise eine Ausbildung ermöglichen, im Mittelpunkt stehen, sondern die Ausprägung sozialer Kompetenzen. Daher nehmen Angebote der nonformalen bzw. informellen Bildung einen großen Raum innerhalb des Konzeptes ein.

Übergänge gestalten, Brüche und Ausgrenzungen vermeiden – kein Ausschluss aus der SolidargemeinschaftDie aktuelle gesellschaftliche Situation ist durch Selektion, Segregation und Ausgrenzung geprägt. Dies gilt für die bundesrepublikanische Gesellschaft insbesondere. Zahlreiche Studien und Untersuchungen der jüngeren Vergangenheit, z. B. PISA haben Deutschland eine stärkere soziale Differenzierung und da-mit verbundene Ausgrenzung bestimmter Teile der Gesellschaft attestiert als vielen europäischen Nach-barstaaten.

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Um Exklusion zu vermeiden, müssen nicht die Jugendlichen gefördert wer-den, die der Exklusionsgefahr ausgesetzt sind. Vielmehr müssen die

gesellschaftlichen Akteure und Angebote ihre Zugänge und Auf-nahmeregeln dahingehend verändern, dass alle Menschen

Teilhabe ermöglicht wird. Da dies aber in der aktuellen ge-sellschaftlichen Situation eher unrealistisch erscheint, ist

für die Übergangszeit vom integrativen zum inklusiven Ansatz sowohl eine Arbeit mit den von Exklusion be-

drohten Jugendlichen im integrativen Sinne als auch mit den gesellschaftlichen Akteuren und Angeboten im inklusiven Sinne erforderlich. Dies stellt eine besondere Herausforderung für das Übergangsma-nagement bzw. die Übergangssysteme dar.Kernziel ist die Orientierung der Angebote an den individuellen Bedarfen der teilnehmenden Jugendli-chen. Dabei ist es wichtig, sich nicht an den Defiziten und durch Dritte formulierten Integrationsbedarfen

zu orientieren, sondern an den Zielen und Vorstel-lungen der Jugendlichen selbst. Dabei haben sozial-

pädagogische Beratungsangebote der Jugendberufs-hilfe und Jugendsozialarbeit (z. B. Kompetenzagenturen,

Koordinierungsstelle „2. Chance“, Jugendmigrationsdienst, Schulsozialarbeit) im Sinne des § 13 SGB VIII eine Schlüssel-

funktion. Hier heißt es im Absatz 1, Satz 1: „Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung

individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hil-

fen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern.“ Dabei wird nicht auf eine bestimmte Altersgruppe abgestellt. Die Bezeichnung „junge Menschen“ schließt somit auch junge Volljährige im Alter zwischen 18 und 27 Jahren mit ein, umfasst somit die komplette Zielgruppe dieses konzeptionellen Ansatzes.Um diese Übergänge gestalten zu können, ist eine enge Zusammenarbeit mit den Schulen und den Ein-richtungen der beruflichen Bildung bzw. der Arbeitsverwaltung (z. B. Ausbildungsberatung der Jobcenter/Berufsberatung der Arbeitsagentur mit ihren jeweiligen Angeboten zur beruflichen Orientierung oder Vorbe-reitung auf eine berufliche Ausbildung oder Tätigkeit) im Sozialraum erforderlich. In die Vernetzung müssen auch die Kammern (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer) und die regionalen Wirtschaftsver-bände einbezogen werden. Sie stellen das Bindeglied zu den ausbildenden Unternehmen und Institutionen dar und sind für die Akzeptanz der Bildungsangebote im Hinblick auf die Herstellung der Ausbildungs- und Vermittlungsfähigkeit der Jugendlichen von elementarer Bedeutung. Diese Schlüsselfunktion können die genannten Dienste und Institutionen jedoch nur wahrnehmen, wenn die Angebote kontinuierlich gestaltet sind, d. h. wenn sie den Jugendlichen grundsätzlich und dauerhaft zur Verfügung stehen.Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der präventive Charakter der Prozessgestaltung. Um Brüche im Bildungs-verlauf und damit verbundene Problemsituationen zu vermeiden, ist neben einer engen Zusammenarbeit der beteiligten Organisationen und Träger eine unterstützende und integrative Begleitung der Jugend-lichen erforderlich, um vorhandenen Exklusionsrisiken entgegenwirken zu können. Eine grundsätzliche Beschränkung oder Ausrichtung der Angebote auf den Personenkreis der sozial benachteiligten Jugend-lichen würde bereits exkludierend wirken. Daher sollten die Angebote allen Jugendlichen offenstehen. Dies gewährleistet letztlich die Niedrigschwelligkeit. Diese Prozesse sollen durch die Koordination des Netzwerkes gesteuert werden. Wesentliches Element des Konzeptes ist in dieser Hinsicht die Einrichtung einer Koordinationsstelle, die einen Überblick über die vorhandenen Angebote und Maßnahmen hat und

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das örtliche Übergangsnetzwerk managt. Diese kann bei einem der örtlichen Träger der Jugendhilfe oder des SGB II/III oder bei einem am Übergangsmanagement beteiligten Träger angedockt sein, der durch sein Engagement ein gutes Standing und hohe Akzeptanz im Sozialraum aufweist.Für die Handlungsfähigkeit der Koordination ist es sinnvoll, die Ausreichung von Kofinanzierungen oder die Ausstellung von Letters of intend zur Legitimation und Unterstützung von Förderanträgen vom Votum des Netzwerkes abhängig zu machen. Die Arbeit der Begleitausschüsse des Förderprogrammes „STÄR-KEN vor Ort“ stellt hierfür ein gutes und erprobtes Beispiel dar. Die Sinnhaftigkeit und Bedarfsorien-tierung von neuen Angeboten kann am besten von den vor Ort tätigen Trägern und Akteuren beurteilt werden. Gleichzeitig würde dies die Einbindung des bzw. der örtlichen Träger der Jugendhilfe und des SGB II/III manifestieren.

Erreichbarkeit/Erreichung der ZielgruppeIm ländlichen Raum einer strukturschwachen Region ist die Erreichung der Zielgruppe eine besondere Herausforderung. Dies bedeutet, dass eine Beratungsinfrastruktur im Sinne des § 13 SGB VIII oder an-derer Angebote nur in den Mittelzentren und Wachstumskernen vorhanden ist. Die fehlende Anonymität in den Dörfern erschwert zudem die aufsuchende Beratung vor Ort. In den meisten Fällen halten sich die Jugendlichen zeitweise in den größeren Kommunen im Landkreis auf, da sich dort die wichtigsten Insti-tutionen befinden, die sie im Rahmen ihres Alltags frequentieren, z. B. Schule, Jobcenter, Arbeitsagentur, Jugendklubs, Diskotheken, Treffpunkte mit anderen Jugendlichen aus der Peer Group (z. B. im Kontext der Schule), Sportverein, Musikschule. Insofern besteht auch für die Angebote der Jugendsozialarbeit im Rahmen des Übergangsmanagements die Möglichkeit, den Kontakt zu den Jugendlichen aufzunehmen.Hierbei ist wiederum die enge Zusammenarbeit mit den genannten Institutionen und Angeboten erforder-lich, vor allem mit den Schulen und der Schulsozialarbeit sowie Projekten der Jugendsozialarbeit an den Schulen (z. B. „2. Chance“). Ebenso wichtig ist die Kommunikation der Ange-bote durch Multiplikatoren, also Jugendliche, die bereits Leistungen des Übergangssystems in Anspruch genommen und positive Erfahrun-gen mit dessen Leistungen gemacht haben.Eine weitere Möglichkeit besteht in der Einbeziehung der Angebote der Mobilen Jugendarbeit und der Jugendpfle-ger bzw. Jugendkoordinatoren der Ämter im ländlichen Bereich. Sie verfügen über Kontakte zu Jugendlichen, die keine Einrichtungen der Jugendarbeit nutzen, sondern die öffentliche Plätze und Straßen als Aktionsräume gewählt haben bzw. die sich im ländlichen Raum aufhalten und keinen Zugang zu städtischen Angeboten oder Institutionen haben bzw. nicht mehr zur Schule gehen.Eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit zur Erreichung Jugendlicher stellt die wachsende Bedeutung sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter und anderer dar. Sie können durch die Angebote der Jugendsozialarbeit und der Jugend-berufshilfe genutzt werden, um die Zielgruppe in einer jugendgerechten und damit für sie anspre-chenden Form für die Inanspruchnahme von Bil-dungsangeboten zu erreichen.

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Zusammenarbeit mit Schule, Jugendsozialarbeit, offener und mobiler JugendarbeitBildungsangebote im Sinne des Konzeptes stellen keine klassischen, formalen Bildungsmaßnahmen dar, sondern ein vernetztes, modulares Angebot verschiedenster Maßnahmen der Träger vor Ort. Dabei han-delt es sich vorrangig um nonformale und informelle Bildungsangebote. Neben der Kombination bereits existierender Angebote stellt auch die bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Bildungsmaßnahmen im Sinne einer Evaluation einen wesentlichen Aspekt des Konzeptes dar. Insofern ist eine Vernetzung der Träger, die am Übergang zwischen Schule und Beruf tätig sind, unerlässlich.Einbezogen werden müssen vor allem die örtlichen Schulen, deren Besuch mit einer einfachen oder er-weiterten Berufsbildungsreife oder auch ohne Ausbildungsreife abschließt. Dies sind vorrangig Förder-, Haupt- und Oberschulen. Während die Fachkräfte der Jugendsozialarbeit und Jugendarbeit in der Regel schon einen hohen Grad an Vernetzung aufweisen, stellt die Einbeziehung der Schulen in Netzwerkstruk-turen häufig ein größeres Problem dar. Die besondere Struktur des Schulsystems, bei der für die Schule in der Regel eine kommunale Trägerschaft besteht, die Lehrer jedoch beim Land angestellt sind, macht dies nicht einfacher. Hier kommt es oft auf die Persönlichkeit und die persönlichen Kontakte zu den Schul-leitern oder deren besonderes Interesse an der Gestaltung des Überganges an. Fehlt dieses, gelingt die Vernetzung oft nicht.Wie eingangs erwähnt, ist die Einrichtung einer koordinierenden Stelle für das Netzwerk zu empfehlen. Jedoch ist aufgrund der individuellen örtlichen Gegebenheiten und Strukturen auf eine generelle Vorgabe im Hinblick auf die Struktur des Netzwerkes zu verzichten. Die bisherigen Erfahrungen bei der Netzwerk-arbeit legen aber die Empfehlung nahe, einen möglichst hohen Grad an Verbindlichkeit zu erzielen. Dieser ist für die Wirksamkeit des Netzwerkes zur Gestaltung des Übergangssystems von großer Bedeutung. Die notwendige Verbindlichkeit ist nur möglich, wenn neben den Trägern der Jugendarbeit/Jugendsozialar-beit und den Bildungsträgern auch die Akteure der Arbeitsverwaltung (Jobcenter, Arbeitsagentur) und die der örtliche Träger der Jugendhilfe einbezogen sind.Ziel sollte es sein, den Netzwerken eine Steuerungsfunktion zu ermöglichen. Dies kann erreicht werden, wenn dem Netzwerk eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Etablierung neuer Projekte und Angebote im Übergangsmanagement zukommt.

Freiwilliger Zugang – keine Sanktionierung als Damoklesschwert, um Entschei-dungsfreiheit zu akzeptierenEin wesentliches Element niedrigschwelliger Bildungsangebote ist der freiwillige und freie Zu-gang. Die Entwicklung eigener Ziele und der dafür erforderlichen Motivation können nicht durch einen Zwangskontext erreicht werden. Eine durch drohende Sanktionen gespeiste extrinsische Motivation führt in den meisten Fällen nicht zu einem nachhaltigen Engage-ment und verhindert damit auch die eigenmotivierte Arbeit an der Persönlichkeit der teil-nehmenden Jugendlichen. Daher verbietet sich eine Teilnahme an Bildungsangeboten im Zwangskontext von vornherein.Eine Grundvoraussetzung für eine nachhaltige und gelingende Teilnahme ist das Ver-trauensverhältnis zwischen dem Bildungsbegleiter bzw. den Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeitern und den Jugendlichen. Vertrauen kann nicht durch erzwungene Mitwir-kung entstehen. Durch den Zwangskontext besteht vielmehr die Gefahr, dass die vorder-gründigen Ziele des Jobcenter-Mitarbeiters oder des den Teilnahmezwang ausübenden Trägers verfolgt werden und nicht die eigenen Vorstellungen des Jugendlichen. Letzteres ist die Basis für die intrinsische Motivation der Teilnehmenden, die letztlich den Erfolg und dessen Nachhaltigkeit ermöglichen.

Einbeziehung des Jugendamtes und der SGB II/ III-Träger; Umgang mit LeistungskonkurrenzDie eingangs geforderte Vernetzung impliziert auch die Einbeziehung des Jugendamtes sowie des Jobcenters und der Arbeitsagentur mit ihren Angeboten, z. B. Berufsberatung, Benachteiligtenförde-

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rung, Berufseinstiegsbegleitung, vertiefte Berufsorientierung, Berufsvorbereitende Bildungsmaßnah-men (BvB), Einstiegsqualifizierung (EQ), Integrations- bzw. Rehaförderung.Erschwerend wirkt sich die Leistungskonkurrenz zwischen diesen Trägern. In den meisten Fällen hängt eine gute Zusammenarbeit weniger von den vorhandenen Strukturen als zumeist von den handelnden Personen ab. Daher ist es wichtig, eine gute Ebene der Zusammenarbeit zu finden. Die Kooperation der Leistungsträger im Sinne einer ganzheitlichen und systemischen Betrachtung des Einzelfalles kann mit der Implementierung von Fallkonferenzen unter Einbeziehung der Betroffenen und weiterer Dienste oder Angebote, die mit dem betreffenden Jugendlichen arbeiten, erreicht werden. (11) Das Netzwerk bietet wiederum die Möglichkeit, die Kooperationsstruktur laufend zu evaluieren und zu optimieren.Die Zusammenarbeit wird häufig dadurch erschwert, dass viele Förderprogramme von Beratungs- und Coachingangeboten im Übergangsmanagement die Methode des Case Management verbindlich vor-schreiben. Dies erfordert erst recht eine intensive Abstimmung der Vorgehensweise aller beteiligten Helfer und eine Transparenz der Entscheidungen bzw. der Entscheidungsfindung. Dazu gehört auch die Akzeptanz bestimmter Zwänge, die durch gesetzliche Vorgaben definiert werden.Um die Bereitschaft der Mitarbeitenden zur Kooperation zu stärken und zu unterstützen, ist eine deutliche Positionierung der Leitung der jeweiligen Leistungsträger im Sinne eines Top-Down-Prozesses hilfreich. Ein kritisches Moment in der Zusammenarbeit im Rahmen des Netzwerkes stellt die Notwendigkeit einer Gesprächsebene auf „Augenhöhe“ und die damit verbundene Akzeptanz der Vertreter der freien Träger durch die öffentlichen Träger dar. Eine Dominanz der „Amtsvertreter“ ist in diesem Zusammenhang wenig hilfreich.

Bedarfs- und Kompetenzermittlung als Basis eines individuellen BildungszielsUm einen individuellen, an der Situation des einzelnen Jugendlichen und dessen Vorstellungen und Wün-schen orientierten Bildungsplan zu entwickeln, stellt die umfassende Ermittlung der vorhandenen Kom-

petenzen, Ressourcen und sozialen Bindungen eine Grundvoraussetzung dar. Vor allem die sozialen Bindungen und Kontakte der Jugendlichen im Sozialraum bzw. der

Region bilden einen wichtigen Ausgangspunkt für die Arbeit sowohl im Rahmen der Übergangsbegleitung allgemein als auch für die Festle-

gung der individuellen Bildungsziele des Jugendlichen. Sie bilden die lebensbiografische Basis und entscheiden über die Sinnhaf-

tigkeit und Nachhaltigkeit der anzustoßenden Entwicklungen durch die niedrigschwelligen Bildungsmaßnahmen.

Neben den sozialen Netzwerken und Kontakten sind die individuellen Stärken und Ressourcen der Jugendlichen von grundlegender Bedeutung für die Zielfindung und die Erarbeitung eines Förder- und Integrationsplanes. Jugendliche sind sich ihrer Stärken und Kompetenzen oft nicht bewusst, da in den formalen Bildungseinrich-tungen noch überwiegend defizitorientiert gearbeitet wird. Die Jugendlichen wissen zumeist sehr genau, was sie nicht können bzw. wo sie versagt haben. Die vorhan-denen Kompetenzen liegen oft in Bereichen, die durch die Zeugnisse oder Zertifikate nicht dargestellt werden: im lebenspraktischen Bereich, in der Gestaltung des ei-

genen (Über-)Lebens. Auch hier wird deutlich, dass die Bewertung von Können und Leistung ausschließlich am

wirtschaftlichen Beitrag, an der Erwerbsarbeit gemessen werden.

Für die Ermittlung der Kompetenzen und Fähigkeiten liegt ein breiter Katalog von Verfahren und Techniken vor, ein Portfolio an

11 Vgl. Hampel, Ch. (2010) S. 10

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standardisierten und zertifizierten Instrumenten bis hin zu selbst entwickelten Verfahren der Träger im Rahmen eines Methodenmix und zum biografischen Interview.Die Kompetenz- und Bedarfsermittlung soll durch in das Netzwerk eingebundene, unabhängige Bera-tungsangebote des Übergangsmanagements durchgeführt werden, da hier langjährige Erfahrungen und kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorhanden sind. Zudem können sie sich durch die Unab-hängigkeit von Vermittlungszwängen oder notwendiger Teilnehmerakquise für Bildungs- und Aktivie-rungsmaßnahmen ausschließlich und objektiv auf die Jugendlichen und deren individuelle Situation fo-kussieren.Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer nachhaltigen Beratungsinfrastruktur im Bereich des Übergangs von der Schule in die Ausbildung. Die vorhandenen Angebote sind meist projektfinanziert und damit tem-porär wie Kompetenzagenturen, Koordinierungsstellen „2. Chance“ oder für eine bestimmte Zielgruppe innerhalb der benachteiligten Jugendlichen, wie beispielsweise der Jugendmigrationsdienst.Erschwerend kommt an dieser Stelle hinzu, dass die örtlichen Träger der Jugendhilfe die Realisierung von Angeboten nach dem § 13 SGB VIII mit Verweis auf das SGB II und dessen Verpflichtung, Jugendlichen unter 25 Jahren ein Angebot unterbreiten zu müssen, ablehnen. Ferner liegt der Fokus des SGB II-Trägers aufgrund der gesetzlichen Grundlage jedoch auf der beruflichen Integration. Erscheint diese wegen der schwierigen sozialen Situation oder Probleme der Jugendlichen der Zielgruppe und der damit verbun-denen Exklusion aus gesellschaftlichen Teilbereichen mittelfristig nicht möglich, sind die Angebote des Jobcenters in der Regel nicht zielführend, sondern verstärken die Demotivation der Jugendlichen bis hin zur Sanktionierung und einer noch stärkeren Exklusion! Da somit die notwendigen niedrigschwelligen Bildungsangebote mit denen des SGB II nicht kongruent sind, stellen die SGB II-Maßnahmen auch keine Konkurrenz zum SGB VIII dar.Die Kompetenz- und Bedarfsermittlung muss sich wie erwähnt ausschließlich an der individuellen Situ-ation des einzelnen Jugendlichen orientieren. Zuschreibungen von bisherigen Bildungsangeboten sollen bewusst außer Acht gelassen werden, um ein möglichst hohes Maß an Objektivität zu erreichen und Vor-urteile zu vermeiden.

Quo vadis individuum? – Partizipativer Ansatz zur Zielbestimmung ohne Beeinflussung durch SGB II-TrägerAusgehend von der Bedarfs- und Kompetenzermittlung wird durch die Mitarbeiterin bzw. den Mitarbei-ter des sozialpädagogischen Beratungsangebotes (z. B. Kompetenzagentur) gemeinsam mit der Klientel eine individuelle Zielstellung erarbeitet. Durch den partizipativen Ansatz sollen die Jugendlichen jederzeit „Herren des Verfahrens“ bleiben und nie das Gefühl erleben, fremdbestimmt zu sein. Nur wenn das Ziel tatsächlich auch „das des Jugendlichen“ ist, besteht die Chance einer nachhaltigen Realisierung durch die Jugendlichen, da nur so die notwendige Motivation erzeugt bzw. erhalten bleiben kann.Primäre Ziele der sozialpädagogischen Arbeit sind die Vermeidung von Exklusion aus gesellschaftlichen (Sub-)Systemen und die damit verbundenen Bildungs- und Entwicklungsziele der Jugendlichen. Ob die berufliche Integration Bestandteil der Zielbestimmung ist, ergibt sich somit aus der aktuellen Situation der Klienten.

Individuelle Zielstellung vs. Zielvorgabe durch JobcenterJugendliche im Leistungsbezug des SGB II (Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld) werden – unabhängig von einer Beratung durch die Kompetenzagentur oder ein adäquates Beratungsangebot – durch die persön-lichen Ansprechpartner und/oder Fallmanager des Jobcenters betreut. Sie arbeiten ebenfalls nach dem Case Management Prinzip, was ein hohes Maß an Kommunikation und Abstimmung zwischen den An-geboten des Übergangsmanagements inklusive der Beratungsangebote und des Jobcenters erforderlich macht.Schwierigkeiten ergeben sich erfahrungsgemäß immer dann, wenn die Förderplanung des Jobcenters nicht primär von den individuellen Zielen der Jugendlichen bestimmt wird, sondern von den Zwängen und gesetzlichen Vorgaben des SGB II. Da das Fallmanagement des Jobcenters aufgrund der gesetzlichen De-

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finition Vorrang vor allen anderen Angeboten hat, führt dies sehr schnell zu einer Fremdbe-stimmung der Jugendlichen durch die Projektion der Vorstellungen gelungener gesellschaftlicher Integra-tion seitens der Arbeits-verwaltung.An dieser Stelle ist die Qualität der Zusam-menarbeit zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der freien Träger und der Jobcenter/ Arbeitsagenturen von ent-scheidender Bedeutung. Hier kommt es weniger auf eine entsprechende Top-Down-Kommunikation, als auf die Be-reitschaft der jeweiligen Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter an. Funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Insti-tutionen auf der persönlichen Ebene, können Lösungen im Sinne der Jugendlichen ermöglicht werden. Gelingt dies nicht, besteht die Gefahr, dass die Jugendlichen zwischen den Systemen „zerrieben“ wer-den oder Zielstellungen „aufgedrückt“ bekommen, mit denen siesich nicht identifizieren.Empfehlenswert sind daher intensive regelmäßige Arbeitstreffen zwischen den Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern der Beratungsangebote des Übergangsmanagements und den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern der Arbeitsverwaltung. Beide Seiten müssen das Gefühl haben, nicht gegeneinander zu arbeiten, sondern im Sinne der Jugendlichen der Zielgruppe. Optimal wäre die Delegation des Fallmanagements an das Beratungsangebot des Übergangsmanagements mit einer regelmäßigen fallbezogenen Berichter-stattung und Abstimmung zwischen beiden Seiten unter Einbeziehung der Jugendlichen.

Dynamische Zielentwicklung während des gesamten BildungsprozessesDa sich die zugrunde liegenden Ziele an der Lebensbiografie der Jugendlichen orientieren, kann die Ziel-entwicklung und die damit zusammenhängende Förderplanung nicht statisch sein, sondern stellt einen dynamischen Prozess dar. Diese Prozesshaftigkeit macht es erforderlich, Ziele und Pläne laufend mit den Jugendlichen zu evaluieren, um sie an die sich verändernden Lebenssituationen anzupassen.Wenn sich Ziele als nicht realisierbar erweisen, muss gemeinsam mit den Jugendlichen überprüft wer-den, ob entweder die Ziele oder die Förderplanung zur Erreichung der Ziele verändert werden müssen. Möglicherweise sind die Ziele auch am Anfang sehr moderat gesteckt worden und können aufgrund der Erfolgserlebnisse und der damit verbundenen höheren Motivation der Jugendlichen anspruchsvoller ge-staltet werden. Zu Beginn des Beratungs- und Bildungsprozesses sollten Ziele und Handlungsschritte so gestaltet sein, dass sie den Jugendlichen schnelle Erfolgserlebnisse vermitteln. Mit dieser Erfahrung wächst die Motivation und damit die Bereitschaft zur Mitarbeit.Diese dynamische Zielentwicklung wird – wie auch die Förderplanung – dokumentiert und muss mit den beteiligten Leistungsträgern abgestimmt und kommuniziert werden.

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Fördern und fordern im (sozial)pädagogischen Sinne und nicht im sozialpolitischen SinnDer Grundsatz „fördern und fordern“ hat durch die Umsetzung des SGB II bzw. der Jobcenter eine eigene Dynamik erfahren. Sie wird von den Betroffenen zumeist als einseitige Forderung an die Arbeitslosen verstanden. Sie müssen sich anpassen, ihre eigenen Ziele und Vorstellungen denen der wirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen und sich als leistungsbereite und flexible Arbeitnehmer anbieten. Dabei müs-sen sie sehr oft die Erfahrung machen, dass eine Unterstützung durch das Jobcenter zumeist ausbleibt, da die Möglichkeiten und Angebote, die dem Jobcenter zur Verfügung stehen, begrenzt sind.Dies entspricht jedoch nicht den Grundsätzen des Förderns im Sinne dieses Ansatzes. Sie stehen aus-schließlich in einem sozialpädagogischen Kontext. Die Bildungsangebote sollen sich deshalb auch an den Bedarfen der Jugendlichen orientieren, ihnen dabei helfen, die Kompetenzen zu stärken und die Fä-higkeiten zu erwerben, die es ihnen ermöglichen, ihre individuellen Ziele zu erreichen, Teilhabe an der Gesellschaft im gewünschten Maße zu erreichen.Das Fordern in diesem Zusammenhang besteht aus Motivationsarbeit, um die intrinsische Motivation und das Engagement der Jugendlichen zu erhöhen.

Niedrigschwellige und partizipative, an der biografischen Lebenssituation der Teilnehmenden orientierte AngeboteJugendliche mit Benachteiligungen verbinden mit den Standardangeboten der formalen Bildung oft ne-gative Erfahrungen. Aufgrund dieser Erfahrungen haben sie sich diesen Angeboten auch bereits bewusst entzogen oder lehnen sie gar grundsätzlich ab. Dies bezieht sich zumeist auch auf die Standardangebote des Übergangsmanagements und die Maßnahmen des SGB II-Trägers (z. B. Aktivierungsmaßnahmen, BVJ). Insofern erscheinen sie dann als „Bildungsverweigerer“. Die Verweigerungshaltung bezieht sich je-doch nicht auf Bildung an sich, sondern auf die spezifische Form von Bildung, die sie als negativ erlebt haben.Daher ist es wichtig, Angebote zu schaffen, die sich in Form und Inhalt an den biografischen Lebenssitua-tionen der Jugendlichen orientieren. Wenn es gelingt, das Interesse der Jugendlichen zu wecken, Themen-bereiche und Ansätze konsequent so zu gestalten, dass sie an der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen ansetzen, sind Maßnahmen erfolgreich. Dabei steht die Alltags- und Lebensbewältigung an erster Stelle, da ihr aktueller Lebensabschnitt nicht durch (Erwerbs-)Arbeit geprägt ist.

„Dabei geht es in niedrigschwelligen Projekten zuerst um eine Stärkung des Selbstwertgefühls, eine Klärung und Stabilisierung sozialer und familiärer Beziehungen, den Aufbau eines positiven Körper-gefühls, die Suche nach Lebenssinn und einer eigenen, konkreten Lebensperspektive. Erst in diesen Zusammenhängen wird es sinnvoll, formale Abschlüsse und Anschlüsse zu thematisieren, die weitere Perspektiven eröffnen.“

Infolge dieses akzeptierenden Ansatzes ist es notwendig, sich am konkreten Unterstützungs- und Hilfe-bedarf der Jugendlichen in der Region zu orientieren. Hierbei spielen die emotionalen und sozialen Be-dürfnisse eine übergeordnete Rolle. Wichtig sind Maßnahmen und Angebote, die ihnen Erfolgserlebnisse verschaffen, um das Selbstwertgefühl zu steigern. Die Einbeziehung der Jugendlichen ermöglicht eine umfassende Berücksichtigung ihrer Lebenssituation und der Bedarfe. Werden die Bedarfe ausschließlich durch Fachkräfte definiert und daraus resultierende Konzepte entwickelt, besteht die Gefahr, dass gut gemeinte Ansätze nicht angenommen werden, weil die Jugendlichen selbst ihre Bedarfe anders interpretieren. Ferner ermöglicht die Beteiligung der Jugendli-chen bei der Entwicklung der Angebote auch eine entsprechende Methodik, die von den Jugendlichen als positiv erfahren und angenommen wird.Ein weiterer wichtiger Aspekt im Sinne nachhaltiger Wirkung ist die Verankerung der Angebote und Ge-legenheiten für Bildung, befriedigende Tätigkeiten und damit auch die soziale Anerkennung und Un-terstützung in der Region. Wenn die Maßnahmen nicht nur für die Jugendlichen sinnvoll sind, sondern auch regionale Bedarfe aufgreifen – wo also die Jugendlichen etwas für ihre Region tun können, in der

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sie selbst leben, erhalten sie die entsprechende Anerkennung auch vor Ort – von denjenigen, die vor Ort Verantwortung tragen und deren Akzeptanz für die Jugendlichen bzw. ihre gesellschaftliche Teilhabe von entscheidender Bedeutung ist. Wenn Jugendliche Themen und Arbeitsfelder aufgreifen, in denen ein Handlungsbedarf besteht, den noch niemand aufgegriffen hat, können sie dadurch eine breite gesell-schaftliche Anerkennung finden. Die Einbindung oder Einbettung der Maßnahmen und Projekte in gesell-schaftliche Prozesse wie z. B. in laufende Projekte der Stadtentwicklung oder Wohnumfeldverbesserung vermittelt den Jugendlichen nicht nur die gesellschaftliche Anerkennung, sondern auch die Gewissheit, keine „Arbeitstherapie“ zu leisten oder als Beschäftigte des „dritten Arbeitsmarktes“ zu agieren. Dadurch werden Stigmatisierungen vermieden und Inklusion gefördert.Die in diesem Zusammenhang entstehenden sozialen Kontakte zu gesellschaftlichen Akteuren, mit denen die Jugendlichen bisher aufgrund unterschiedlicher Lebensentwürfe noch keine Berührungspunkte hat-ten, fördern auf nachhaltige Weise ihre gesellschaftliche Teilhabe. Die Gewinnung dieser Kontakte und Kontexte erfordert wiederum die eingangs beschriebene, umfangreiche Vernetzung der Akteure der Ju-gendsozialarbeit und des Übergangsmanagements in der Region.

Mögliche Themenbereiche niedrigschwelliger Bildungsmaßnahmen sind aus der Erfahrung bisheriger Projekte etwa

• Fahrrad- oder Mofareparatur,

• Boots- oder Möbelbau,

• Medienarbeit/Filmproduktionen und

• Gestaltung und Management örtlicher oder regionaler Events

in Verbindung mit Gruppenerfahrungen und konkreten Mehrwerten für die Jugendlichen selbst. Diese können sowohl gegenständlicher (z. B. das selbst zusammengeschraubte Fahrrad oder das selbst er-stellte Möbelstück) als auch immaterieller Natur sein (Erfolgserlebnisse; das Gefühl, etwas geschafft zu haben, was Anerkennung durch Dritte findet). Durch die Zusammenarbeit in den Maßnahmen und Projek-ten werden nicht nur die manuellen und kreativen Fähigkeiten der Jugendlichen gefördert, sondern auch die kommunikativen Kompetenzen. Perspektivübernahme, gewaltfreie und nonverbale Kommunikation werden so trainiert, ohne dies als solches zu thematisieren. Dies trägt wiederum dem niedrigschwelligen Ansatz Rechnung, verhindert Defizitorientierung und Stigmatisierung.Die Initiierung und Durchführung soziokultureller Projekte in der Region und das damit verbundene bür-gerschaftliche oder freiwillige Engagement ermöglichen neben Erfolgserlebnissen und positiver Bestäti-gung auch eine nachhaltige Einbeziehung der Jugendlichen in die Gesellschaft im direkten Umfeld (Sozi-alraum) der Jugendlichen.Um den Zugang zur Erwerbsarbeit und eines durch sie geprägten Lebensentwurfes zu erreichen, ist es auch von großer Bedeutung, den Jugendlichen positive Erfahrungen mit Arbeit zu vermitteln. Arbeit muss in diesem Zusammenhang wie bereits beschrieben, nicht zwangsläufig die Form von Erwerbsarbeit ha-ben. Wichtig ist, dass es sich um eine sinnvolle und sinnhafte Tätigkeit handelt, die von den Jugendlichen auch so wahrgenommen wird.Wichtig ist der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu den Mitarbeitern, die die Maßnahmen durch-führen bzw. zu denjenigen, die die Jugendlichen während des Übergangsprozesses sozialpädagogisch begleiten. Gerade Vertrauen ist etwas, was die Jugendlichen zumeist nur durch die eigene Peer Group erfahren haben, weniger durch Akteure der „etablierten“ Gesellschaft oder formaler Bildungsangebote. Durch das Vertrauensverhältnis nehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den jeweiligen Ange-boten und Maßnahmen der niederschwelligen Bildung eine Schlüsselrolle ein. Von ihrer Kreativität und ihrem authentischen Engagement hängt maßgeblich der Erfolg der Maßnahmen ab. Daher ist es sinnvoll und notwendig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Projekt tätig werden sollen, in die Konzeption der Maßnahmen einzubeziehen.

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Niedrigschwellige Angebote und Maßnahmen, die sich an den Bedarfen der Ju-gendlichen und den regionalen bzw. örtlichen Gegebenheiten orientieren, erfordern eine ständige Neuorientierung und Fortschreibung, da sich diese Bedarfe dynamisch entwickeln und individueller Natur sind.

Keine berufliche Eingliederung ohne gesell-schaftliche/soziale Integration – inklusiver AnsatzUm Exklusion durch das Fördersystem zu vermeiden, ist es erforderlich, die Bildungsmaßnahmen inklusiv auszurichten. Die Unterstützung darf nicht an einer den Jugendlichen zugeschriebenen und definierten Problemlage festgemacht werden, sondern muss grundsätzlich zur Verfügung stehen. Maßnahmen im Sinne von Inklusion müssen mit ihrem Umfang und Zeitrahmen den Jugendlichen unabhängig von deren Ausgangsituation zur Verfügung stehen. Die Teilnahme soll sich am Förderbedarf der einzelnen Interessenten orientieren und nicht an ihren Defi-ziten (Ressourcenorientierung).Die Erfahrung bisheriger Dienste und Projekte der Jugendsozialarbeit und der Jugendberufshilfe be-sagt, dass ohne die gesellschaftliche Partizipation,ohne stabile soziale Beziehungen und Netzwerke weder Integration noch Inklusion möglich ist. Der in-klusiven Ausrichtung der Angebote müssen auch das Bedürfnis und der Wunsch der Jugendlichen gegenüber-stehen, teilhaben zu wollen. Dabei besteht eine Korrelation zwischen der inklusiven Ausrichtung der Angebote und der Entwicklung dieser Bedürfnisse. Erst wenn die Jugendlichen Be-dingungen vorfinden, die sie als „einladend“ empfinden, kann sich das Bedürfnis teilhaben zu wollen entwickeln. Ohne stabile soziale Beziehungen und Netzwerke fehlen die Bereitschaft und die Motivation, um nachhaltig teilhaben zu können.

Was ist Bildung? Welches Ziel hat Bildung? Keine „Scheuklappen“ bei der Didaktik/Methodik – Was zählt, ist das Ziel, nicht der WegViele Jugendliche haben in der dem Konzept zugrunde liegenden Befragung deutlich gemacht, dass sie Bildung ausschließlich mit formalen Angeboten assoziieren. Dies sind vor allem die Schule, ggfs. auch berufsvorbereitende oder berufsbildende Maßnahmen. Daher sind ihnen Zeugnisse und Zertifikate wich-tig, mit denen sie den Erfolg einer Bildungsmaßnahme darstellen können. Gleichermaßen bedeutet das Nichterlangen von formalen Abschlüssen auch das Erleben des Scheiterns und der damit verbundenen Exklusion aus regulären Bildungsgängen und der Manifestierung der schwierigen sozialen Situation. Bil-dungsarbeit in nonformaler oder informeller Form, durch Angebote der Jugendsozialarbeit, alternative Bildungsträger, soziale Bezugsgruppen (z. B. Peer Groups) ist in ihrem Wert entweder nicht bewusst oder wird als solche nicht wahrgenommen.Gleichzeitig wurde durch die Befragung auch deutlich, dass Partizipation bei der Gestaltung von Bildungs-angeboten und das Lernen in der Gruppe gewünscht sind. Die formale Bildung ist jedoch in den meisten Fällen durch Frontalunterricht und Einzelansprache bzw. Einzelleistung gekennzeichnet. Dies trägt weder der gesellschaftlichen, noch der betrieblichen Realität Rechnung. Sowohl im privaten Umfeld und der Fa-

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milie als auch im betrieblichen Kontext werden häufig Aufgabenstellungen in der Gruppe bearbeitet, findet Arbeit zunehmend in Projektform statt.

Obwohl die befragen Jugendlichen Bildung häufig nur mit formaler Bildung assoziieren, wird diese abgelehnt (z. B. Schul- und Aus-

bildungsabbrüche). Dies erzeugt den Eindruck von Bildungs-verweigerung, bezieht sich aber tatsächlich auf die Form

der Bildung oder auf die Lehrperson(en). Die Beteiligung und Mitarbeit der Jugendlichen an nonformalen oder in-

formellen Bildungsangeboten und die dabei gezeigten Ergebnisse zeigen dies deutlich. Wichtig ist, den Ju-gendlichen zu vermitteln, dass Bildungsverläufe auf-grund der veränderten gesellschaftlichen Realität nicht mehr geradlinig und stringent verlaufen, dass unkonventionelle Wege und Brüche „normal“ wer-den. Somit stellen Abbrüche nicht mehr zwangs-läufig einen Makel dar, sondern Phasen der Neu-orientierung.Bewährt hat sich auch die Kombination verschie-dener Angebote und Formen, z. B. die Begleitung von formalen oder nonformalen Bildungsangebo-ten durch informell arbeitende ehrenamtliche Bil-dungspaten oder Lerngruppen.

Wichtig ist außerdem, wie bereits erwähnt, die par-tizipative Beteiligung der Jugendlichen an der Ent-

wicklung und methodischen Gestaltung der Bildungs-maßnahmen. Insbesondere bei nonformalen Angeboten

bieten sich gute Möglichkeiten für die Einbeziehung. Dies können Jugendliche sein, die bereits selbst Erfahrungen mit

nonformalen Bildungsangeboten gesammelt haben und die als Multiplikatoren fungieren. Zum anderen ist die Einbeziehung

von Jugendlichen im Übergangsnetzwerk sinnvoll, um bereits hier die Beteiligung zu ermöglichen. Des Weiteren besteht eine Möglich-

keit in der gezielten Befragungen von Jugendlichen.Über die Erfahrungen der Beratungsangebote im Übergangssystem können

ferner die Bedarfe transportiert werden. Auch dies erfordert eine umfangreiche Einbeziehung der verschiedenen Träger und Angebote in das Netzwerk und einen ge-

wissen Grad an Verbindlichkeit des Netzwerkes. Daher sollen sich die Wahl und die Gestaltung von Bildungsangeboten am Bildungsziel der Jugendlichen orientieren und nicht an bestimmten formalen Kriterien. Dies erfordert nicht nur Mut und Kreativität der Anbieter, sondern auch Lobbyarbeit, um die Ak-zeptanz unterschiedlichster Bildungsangebote in der Gesellschaft, insbesondere auch in der Wirtschaft zu erhöhen.

Kombination von theoretischem Kompetenzerwerb mit betrieblichen Praktika, um einen direkten Bezug zu Arbeitswelt zu ermöglichen – Spielräume zum Ausprobieren schaffenEine weitere Erfahrung sowohl der Beratung der Kompetenzagenturen und der Jugendmigrationsdienste als auch aus der Befragung der Jugendlichen ist die Bedeutung von praktischen Erfahrungen und prakti-scher Arbeit. Die Negativerfahrungen mit formalen Bildungsangeboten beinhalten, dass viele Jugendliche keine Relevanz der zu vermittelnden theoretischen Kenntnisse für die Praxis des täglichen Lebens wie auch für die berufliche Praxis sehen. Erfahrungen mit der Erwerbsarbeit und den damit verbundenen

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Arbeitsabläufen in den unterschiedlichen Berufen sind kaum vorhanden. In den Familien wird dies sel-ten thematisiert, auch wenn ein oder beide Elternteile einer Erwerbsarbeit nachgehen. Die betrieblichen Praktika während der Schule bieten nur einen unzureichenden Einblick und vermitteln kaum praktische Erfahrungen.Insofern sollten betriebliche Praktika oder praktische Tätigkeiten in den Bildungsangeboten einen breiten Raum einnehmen. So erhalten die Jugendlichen die Möglichkeit, Erfolgserlebnisse zu sammeln. Manuelle Arbeit – etwas mit den eigenen Händen entstehen zu lassen, ein „handfestes“ Ergebnis der eigenen Arbeit präsentieren zu können, stellt eine wichtige Erfahrung dar, zumal die motorischen Fähigkeiten während der Schule nur unzureichend gefördert werden. Praktische Angebote und Praxislernen haben erst jüngst Einzug in die Sekundarstufe gehalten.Über die praktischen Tätigkeiten können sich die Jugendlichen ausprobieren und eigene Interessen, Be-gabungen und Fähigkeiten austesten. Über die praktische Arbeit können zudem Interessen für theoreti-sche Themenfelder bei den Jugendlichen geweckt werden. Sie erhalten eine Vorstellung, welche Kenntnis-se sie benötigen, und wozu diese Kenntnisse nützlich sein können.Vor allem der betriebliche Zusammenhang – etwas zu schaffen, was gebraucht und nachgefragt wird, unabhängig, ob es sich um industrielle oder handwerkliche Tätigkeiten oder um Dienstleistungen handelt – vermittelt den Jugendlichen das Gefühl, anerkannt und gebraucht zu werden. Schulische und außerbe-triebliche Trainingsmaßnahmen und ihr „Laborcharakter“ werden von den Jugendlichen als „virtueller Ersatz“ oder „Arbeitstherapie“ wahrgenommen. Sie befürchten – nicht zu Unrecht – dass sie über diese Angebote nicht die Kenntnisse und Kompetenzen erwerben können, mit denen sie im harten Alltag des Erwerbslebens bestehen können.

Modelle individueller Lernbegleitung durch Sozialpädagogen und BildungspatenDie Prozesshaftigkeit der Übergangsbegleitung inklusive der Zielfindung und Förderplanung erfordert eine kontinuierliche Begleitung der Jugendlichen. Dies geschieht zum einen über die Case Management basierten Beratungsangebote, die nicht nur den Prozess mit den Jugendlichen gestalten und evaluieren, sondern auch bei auftretenden persönlichen Problemen und Krisensituationen aufgrund des bestehen-den Vertrauensverhältnisses Ansprechpartner sind.

Da die Bildungsangebote für die Jugendlichen temporäre Stationen darstellen, ist es ebenso wichtig, eine individuelle und kontinuierliche Lernbegleitung zu organisieren. Diese Lernbegleitung erfüllt zwei Funk-tionen:

• Die Lernbegleiter sind gesellschaftliche Akteure aus dem Sozialraum bzw. der Region und stellen für die Jugendlichen Kontakte in andere gesellschaftliche Bereiche her, zu denen sie bisher keinen Zu-gang hatten. Sie erweitern damit die individuellen sozialen Netzwerke der Jugendlichen und fördern die Inklusion.

• Über die Lernbegleitung haben die Jugendlichen die Möglichkeit, Kompetenzen zu festigen und zu erweitern. Die individuelle Unterstützung ergänzt die Möglichkeiten der Bildungsmaßnahmen, indem sie viel stärker auf die individuellen Bedarfe der Jugendlichen eingehen können als formale oder auch nonformale Bildungsangebote, die mit Gruppen arbeiten und ihre Methodik und Didaktik auf die Vermittlung von Inhalten und Kompetenzen in der Gruppe abstellen.

Vor allem die Kombination aus sozialpädagogischer Beratung und ehrenamtlichen Bildungspaten vermit-telt den Jugendlichen die notwendige Sicherheit und Unterstützung, um den eigenen Bildungsprozess zu bewältigen und die selbst gesteckten Ziele zu erreichen.

Personenbezogene Bildungsdokumentation statt pauschaler ZertifikateFormale Bildungsgänge werden in der Regel durch pauschale Zertifikate und Zeugnisse nachgewiesen. Sie haben den Vorteil des allgemein anerkannten Standards, sind in ihrer Aussagekraft jedoch stark be-grenzt. Sie stellen dar, ob die Jugendlichen im Rahmen der formalen Bildung Wissen in einem bestimmten

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Umfang akkumuliert haben. Darüber hinausreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Prob-lemlösungskompetenzen, soziale und emotionale Intelligenz bleiben durch diese Zertifizierungen meist unberücksichtigt.Um die mit den Bildungsmaßnahmen nach diesem Konzept erreichten Bildungsziele darzustellen, sind derartige Zertifikate jedoch weniger geeignet. Dies geschieht stattdessen mit einer personenbezogenen Bildungsdokumentation, die eine ganzheitliche Darstellung des Kompetenzzuwachses ermöglicht.Auch in dieser Hinsicht ist die Abstimmung der Träger im Rahmen des Netzwerkes erforderlich. Dort kön-nen verbindliche Standards für die personenbezogene Bildungsdokumentation festgelegt werden. Über die Beteiligung der Kammern und Wirtschaftsverbände im regionalen Übergangsnetzwerk besteht die Möglichkeit, Akzeptanz bei den ausbildenden Unternehmen und Institutionen in der Region für diese Dokumentation zu erhalten, um den Jugendlichen den Zugang zu Ausbildung und Arbeit zu erleichtern (Lobbyarbeit).

Einbettung der Bildungsangebote in die allgemeine Jugendarbeit und Jugendsozialar-beit, um eine Segregation in Subsysteme mit exkludierendem Charakter zu vermeidenDiesem Punkt des Konzeptes kommt eine besondere Bedeutung bzw. Sensibilität zu. Um dem Inklusions-ansatz gerecht zu werden, ist es wichtig, keine separierenden „Sonderangebote“ für die benachteiligten Jugendlichen zu schaffen, sondern sie einzubetten in die allgemeinen Angebote der Bildungsträger und der Träger der Jugendsozialarbeit. Dies ist umso schwieriger, als die Zielgruppendefinition und der in-tegrative Förderansatz dieser Träger dazu verleiten, die Jugendlichen als defizitär im Gegensatz zu den „normalen“ Jugendlichen anzusehen.Insofern sollten die Angebote so gestaltet werden, dass sie prinzipiell allen Jugendlichen offen stehen, also keine Zugangsbarrieren aufweisen. Auch der institutionelle Kontext der Bildungsmaßnahmen darf keinen segregierenden Charakter aufweisen. Über die bedarfsorientierte Gestaltung der niedrigschwelli-gen Bildungsmaßnahmen erübrigt sich die Steuerung des Zugangs ohnehin.

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Überlegungen zur FinanzierungEine Finanzierung aus einem Guss ist aufgrund der Modularität der verschiedenen Angebote und des Netzwerkcharakters des Übergangsmanagements nicht möglich. Daher kommt eine Vielzahl von Finan-zierungsquellen in Betracht; wegen der ständigen Weiterentwicklung der Angebote und des damit ver-bundenen Projektcharakters kommen temporäre. Diese können sowohl Mittel der Arbeitsverwaltung als auch Landesmittel, kommunale oder Stiftungsmittel sein. Ferner kommen natürlich auch Mittel der Bundesverwaltung und Europäische Fördermittel in Betracht.Kontinuierliche Beratungsangebote im Sinne der Kompetenzagenturen oder Jugendmigrationsdienste erfordern aber auch dauerhafte Finan-zierungen. Im Rahmen des Netzwerkes sollten die Bedarfe für eine Grundstruktur im Sinne des § 13 SGB VIII festgestellt und die ent-sprechende Struktur entwickelt werden.Wie erwähnt, sollte das Netzwerk eine wichtige Rolle bei der Be-urteilung der Sinnhaftigkeit und Förderfähigkeit von Angeboten spielen, bis hin zu einer Kofinanzierungsempfehlung bzw. der Ausstellung von Letters of intend für Förderanträge.Ein wichtiger Aspekt ist die Argumentationslinie gegenüber po-tenziellen Geldgebern. Hierbei stellt sich immer wieder die Frage, wie der Nutzen bzw. die Wirksamkeit der zu finanzierenden Maß-nahmen und Angebote überzeugend dargestellt werden können. Sind die Ziele gut und präzise formuliert, können Indikatoren und Messgrößen definiert werden, mit denen die Zielerreichung überprüft werden kann. Hierzu bieten die Indikatoren für das Umsetzungsmonitoring im Rahmen von „JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region“ eine gute Orientie-rung. Sie differenzieren die Bewertung in fünf Bereiche:

1. Etablierung geeigneter Kooperationsstrukturen,2. Abgleich von Bedarf und Angebot,3. Weiterentwicklung der Angebotsstruktur,4. Fallbezogene Abstimmung und5. Sicherstellung von Qualität und Zielerreichung.

Da quantitative Indikatoren überzeugender darzustellen sind als qualitative, überwiegen sie häufig. Ein wichtiges Kriterium mit quantitativer wie auch qualitativer Aussagekraft ist der Verbleib der Jugendlichen nach dem Erreichen des Bildungsziels. Dies kann wiederum mit statistischen Erhebungen z. B. der Ar-beitsagentur in Relation gebracht werden, um die Wirksamkeit zu dokumentieren.Darüber hinaus gibt es Modellrechnungen, z. B. von der LASA Brandenburg GmbH, die anhand der durch sie begleiteten Modellprojekte aus der sogenannten „Innopunkt 11 Kampagne: Neue Wege zur Ausbil-dung“ (2003 – 2006) die Kosten für die Integration eines Jugendlichen berechnet und in Relation zu den eingesparten Transferleistungen gesetzt haben:

„Die erfolgreiche Vermittlung von Jugendlichen mit ,schlechten Startchancen‘ ist als ein Prozess zu verstehen, in dessen Verlauf die vorher nicht existierenden spezifischen Rahmenbedingungen zur Ver-mittlung in Ausbildung geschaffen werden müssen. Dies sind u. a. die Betreuungs-, Informations- und Abstimmungsleistungen einerseits und Aktivitäten zum Aufschluss von Unternehmen andererseits. Die sich nach Auswertung aller Projekte ergebenden durchschnittlichen Brutto-Vermittlungskosten (incl. der geleisteten Eigenanteile der Träger) belaufen sich auf ca. 4.000,- EUR pro Jugendlichem.“ (12)

Eine weitere Möglichkeit stellt die Kombination von Angeboten bzw. Fördermöglichkeiten im SGB VIII (z. B. § 27 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 2 SGB VIII) oder rechtskreisübergreifend zwischen SGB II, III und VIII. dar.

5.

12 Vogel, M. (2006)

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Praxisbeispiele Berufliche Integration und Grundbildung (BIG)Das Projekt Berufliche Integration und Grundbildung (BIG) wird in der Stadt Wismar in Mecklenburg-Vor-pommern durchgeführt. Ziel ist es, berufsschulpflichtige Jugendliche ohne Schulabschluss alternativ zu beschulen und zur Ausbildungsreife zu führen. Die Maßnahme besteht aus einem niederschwelligen The-orieteil und praxisbezogenem Lernen sowie einem individuellen Case Management. Neben dem Erwerb eines Schulabschlusses steht die soziale Integration der teilnehmenden Jugendlichen im Fokus.Entstanden ist das Projekt bzw. der Anstoß zur Entwicklung des Projektes im Beirat der Kompetenzagen-tur. Der Bedarf wurde in Kooperation mit der Berufsberatung festgestellt. In die Konzeption wurden Er-fahrungen mit bereits durchgeführten Projekten einbezogen. Es erfolgte eine enge Abstimmung mit den Lehrerinnen und Lehrern des Berufsschulzentrums.Im Rahmen der Evaluation des ersten Durchganges wurden stärkere Differenzierungen vorgenommen, um die Maßnahme besser an die unterschiedlichen bzw. individuellen Bedarfe der Jugendlichen anzu-passen. Dazu wurden unterschiedliche Gruppen mit einer stärkeren Homogenität zusammengestellt, um das Interesse der Jugendlichen zu gewinnen und die Motivation zu erhalten. Dazu gehört auch, dass die Zeiträume für den Maßnahmendurchlauf flexibilisiert wurden. Eine Gruppe durchläuft sie in einem Jahr, andere Gruppen in bis zu zwei Jahren.Kernelement ist die Abstimmung der Angebote der beruflichen Orientierung im Netzwerk, um eine Konsis-tenz zu erreichen und den Jugendlichen so eine klare Perspektive aufzeigen zu können.Um eine individuelle Maßnahmenplanung zu erreichen, werden gemeinsame Fallbesprechungen mit dem Projektpersonal, den Fallmanagern des Jobcenters und den Jugendlichen durchgeführt.Um die Nachhaltigkeit des Angebotes und den Übergang in Ausbildung zu ermöglichen, werden die loka-len Akteure der freien Wirtschaft (IHK, HWK, Berufsverbände) in die Vernetzung mit einbezogen.Ein weiterer wichtiger Aspekt im Rahmen einer stringenten Übergangsbegleitung ist die Einbeziehung der Sekundarschulen, insbesondere der Schulsozialarbeiter in die Netzwerkarbeit, damit Jugendliche nicht verloren gehen.Es besteht der Wunsch, diesen Ansatz als kooperatives Modell zwischen Schule und Jugendhilfe als alter-natives Berufsvorbereitungsjahr in das Regelsystem zu überführen.

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CheckUp – aufsuchende SozialarbeitCheckUp ist ein Projekt der aufsuchenden Sozialarbeit in Lüdenscheid, Nordrhein-Westfalen. Es richtet sich an Schülerinnen und Schüler, die die Schule nach Beendigung der Schulpflicht ohne Abschluss ver-lassen haben oder die Schule verweigern und von den Standardangeboten vor Ort nicht mehr erreicht werden.Durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projektes werden die Jugendlichen kurzfristig mit einer aufsuchenden Einzelberatung erreicht. In Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Netzwerkpartnern wird mit den Jugendlichen ein Handlungskonzept für den gelingenden Übergang erarbeitet. Damit sollen Perspektiven für den Übergang eröffnet und die Jugendlichen in das vorhandene Fördersystem integriert werden.Das Konzept der Maßnahme wurde stark an den Bedürfnissen der Jugendlichen orientiert. Nicht erwähnt wurde jedoch, ob dies in einem partizipativen Ansatz oder ausschließlich aus „Expertensicht“ geschehen ist. Die Orientierung an den Zielen und Bedürfnissen der Jugendlichen bedeutet auch, dass nicht in jedem Fall die sofortige Reintegration in das Fördersystem möglich ist.Leitmotiv ist die Freiwilligkeit des Zuganges durch die Jugendlichen. Sie sollen einen Nutzen in der Teil-nahme sehen und daraus ihre Motivation entwickeln. Dazu gehört auch die Wertschätzung und Akzeptanz der Jugendlichen in ihrer Entscheidungsfreiheit. Das Projekt wird von den Jugendlichen gut angenommen und erfährt hohe Wertschätzung durch andere Institutionen und Maßnahmen.Es erfolgt selbstverständlich eine umfassende Zusammenarbeit mit den Leistungsträgern des SGB II, III und VIII.

Medienwerkstatt KemptenDie Medienwerkstatt befindet sich im Jugendhaus Kempten, einem soziokulturellen Zentrum als offener Treff mit Café, AGs und Konzerten. Sie besteht aus einem Tonstudio, Videoausrüstung, Fotoausrüstung und Fotostudio.Mit der Medienwerkstatt als Angebot sollen neben der Beziehungsarbeit im Jugendhaus weitere Bil-dungsinhalte vermittelt werden.Neben dem Vertrauensaufbau, der Perspektivenfindung und dem Vermitteln von Medienkompetenz sol-len die Jugendlichen auch für weitere Schritte auf ihrem Weg zur Erreichung individueller Ziele an andere Beratungsmöglichkeiten und in andere Maßnahmen weitervermittelt werden.Die Attraktivität für die Jugendlichen bezieht das Projekt durch das Aufgreifen von Interessen aus dem Lebensalltag der Jugendlichen, der wesentlich durch die Mediennutzung bestimmt wird. Die Erstellung eigener Web- oder Facebook-Seiten der Jugendlichen durch das Projekt stellt einen hohen persönlichen Nutzen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dar. Über die Arbeit im Projekt erwerben oder verbessern sie nicht nur ihre Kompetenzen im Umgang mit den neuen Medien, sondern setzen sich auch mit den rechtlichen Rahmenbestimmungen und den Gefahren der medialen Welt, z. B. den Manipulationsmöglich-keiten auseinander. Gleichzeitig wird durch den kompetenten Umgang mit den Medien ein Ausgleich von Benachteiligungen und eine Reduzierung der Exklusionsgefahren erreicht.Die Anbindung an das Jugendhaus ermöglicht einen niederschwelligen Zugang für die Jugendlichen. Ne-ben einer Beratung mit festen Sprechzeiten werden auch Projekte angeboten. Bei der Vermittlung an andere Dienste steht die kontinuierliche Zielverfolgung im Mittelpunkt.Das Angebot wird laufend evaluiert und weiterentwickelt. So wurde aufgrund des hohen Anteils von Ju-gendlichen mit psychischen Auffälligkeiten und mit Suchtproblematiken eine psychiatrische Beratung mit einbezogen. Um einen stärker präventiven Ansatz zu ermöglichen, soll der Zugang für noch jüngere Kinder und Jugendliche ermöglicht werden.Wichtig ist auch hier die Vernetzung mit den abgebenden und aufnehmenden Institutionen und Maßnah-men im Bereich des Übergangs, um alle Jugendlichen zu erreichen.

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Get up GöttingenGet up ist ein Lückenschlussprojekt für junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren, die ein hohes Exklusionsrisiko aufweisen und durch andere Angebote nicht mehr er-reicht werden und die durch Sanktionen des Jobcenters belegt sind. Das Projekt arbeitet nach dem Case Management Prinzip mit einem niederschwelligen, aufsuchenden Ansatz. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projektes suchen die Ju-gendlichen zu Hause oder an anderen, von ihnen frequentierten Orten für ein Einstiegsgespräch auf. In diesem Einstiegsgespräch werden ihnen erste Hilfestellungen angeboten.Krisenintervention und Case Work sind die zentralen Aufga-ben des Projektes. Neben der Einzelberatung zur Zielformu-lierung und Hilfeplanung wird soziale Gruppenarbeit als zweites Angebot vorgehalten.Das Konzept für das Projekt wurde in enger Zusammen-arbeit mit anderen Fachdiensten entwickelt, z. B. Sucht- und Schuldnerberatung, Jugendgerichtshilfe. Eine par-tizipative Einbeziehung der Zielgruppe ist jedoch nicht erfolgt.Gruppenmaßnahmen sind eher schwierig zu realisieren, da die Jugendlichen diesen eher ablehnend gegenüber-stehen und eher sporadisch agieren, sich längerfristigen Planungen in dieser Lebensphase eher entziehen. Wich-tig in diesem Zusammenhang ist das Vertrauen zwischen den Jugendlichen und den Case Managern.Eine grundsätzliche Evaluation stand zum Berichtszeitraum noch aus. Sie soll klären, ob das Ziel, vor allem hinsichtlich der Erreichung der Zielgruppe realisiert werden konnte.

Jugendwohngruppe für obdachlose JugendlicheIn der Stadt Herne, Nordrhein-Westfalen, wurde das Projekt „Jugend-wohngruppen für obdachlose Jugendliche“ initiiert. Kurzfristiges Ziel ist das Auffangen und die Begleitung der Jugendlichen durch die Aufnahme in eine der Jugendwohngruppen und damit verbunden, die Rückkehr in das Sys-tem der Regelversorgung (Sozialleistungsbezug). Längerfristig werden die Stabili-sierung der Lebenssituation und eine Integration in den Arbeitsmarkt angestrebt.Die Unterbringung in der Wohngruppe ist mit der Akzeptanz von Regeln und Arbeitsplänen verknüpft, die Jugendlichen die Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen soll.Ein wesentliches Element ist der niederschwellige Zugang zum Projekt für die Jugendlichen und die Frei-willigkeit der Teilnahme.Gemeinsam mit den Jugendlichen wird eine individuelle Perspektive entwickelt und damit zusammenhän-gend, ein Plan zur Erreichung dieser Ziele (Wohnung finden, Papiere in Ordnung bringen, soziale Netze (re-)aktivieren). Die Dauer des Aufenthaltes orientiert sich am Bedarf der Jugendlichen. Sie reicht von 6 bis maximal 14 Monaten.Die Kontaktaufnahme erfolgt durch die Jugendlichen selbst (Mundpropaganda) und über die Kooperation mit der örtlichen Obdachlosenunterkunft. Die Finanzierung erfolgt über das Jobcenter, mit dem eine enge Kooperation erfolgt, sowohl institutionell als auch fallbezogen.Das Angebot wird von den Jugendlichen sehr gut angenommen, die Wohngruppen waren bisher immer voll belegt. Die teilnehmenden Jugendlichen konnten in verschiedene weiterführende Maßnahmen ver-mittelt werden (berufsvorbereitende Maßnahmen, Arbeit, Praktika, Schule, Langzeittherapien). Basis für den Erfolg ist unter anderem das Vertrauensverhältnis der Jugendlichen zu den sozialpädagogischen Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern.

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Die größte Schwierigkeit besteht darin, den Jugendlichen schnell Erfolgserlebnisse zu vermitteln, um ihre Motivation zu stärken und zu fördern. Ein Schwerpunkt ist die umfassende Koor-

dination der Teilnahme der Jugendlichen an therapeutischen Maßnahmen und die damit zusammenhängende Kooperation mit den Kostenträgern und Therapie-

einrichtungen.

Clearingstelle KOMPASSDie Clearingstelle KOMPASS arbeitet nicht im städtischen Kontext,

sondern in der Fläche des Landkreises Neunkirchen im Saarland. Sie ist im gleichnamigen JugendBeratungsZentrum verortet

und wurde im Rahmen der Initiative „JUGEND STÄRKEN: Ak-tiv in der Region“ entwickelt. In dieser Clearingstelle sind

verschiedene Akteure im Übergangsmanagement tätig. Sie versteht sich als zentrale und offene Anlaufstelle für Ju-gendliche mit Problemen beim Übergang von der Schule in den Beruf.Die Clearingstelle hat eine Lotsenfunktion. Mit Hilfe ei-nes sozialpädagogischen Profilings wird ein Hilfe- bzw. Förderplan erarbeitet und eine Weitervermittlung vor-genommen. Während des Fallverlaufes werden die Ju-gendlichen weiter von der Clearingstelle begleitet. Zent-rales Anliegen ist es, das Scheitern an den sogenannten „Statuspassagen“ durch ein flankierendes Eintreten zu

verhindern. Zentrale Aktionsfelder und Kooperationspart-ner sind allgemein- und berufsbildende Schulen in der Re-

gion.Neben den Jugendlichen werden auch die Fachkräfte und

Lehrerinnen und Lehrer durch die Clearingstelle in Fragen des Übergangsmanagements beraten und sensibilisiert. An der Kon-

zepterstellung waren Schulsozialarbeiter maßgeblich beteiligt.

Koordinierungsstelle Jugendsozialarbeit – Arbeitsgruppe „JUGEND STÄRKEN (JUST)“

Bei der Koordinierungsstelle Jugendsozialarbeit handelt es sich um eine rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt.

Auch dieses Angebot befindet sich im ländlichen Raum und hat als Einzugsbereich ei-nen eher strukturschwachen Landkreis.

Ziel dieser Koordinierungsstelle ist es, eine umfassende Förderung von Jugendlichen mit und ohne Mi-grationshintergrund zu erreichen, die durch soziale und individuelle Beeinträchtigungen und Benachtei-ligungen auf Unterstützung angewiesen sind, um eine Exklusion aus Gesellschaft und Bildungssystemen zu verhindern.Zentrales Anliegen ist die Vernetzung der Akteure der verschiedenen Leistungsträger des SGB II, III und VIII.Über regelmäßige Treffen lernen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander kennen und gegenseitige Hospitationen ermöglichen ein besseres Verständnis der unterschiedlichen Tätigkeitsberei-che, Zuständigkeiten und Arbeitsfelder.Im Rahmen des Austausches und der Zusammenarbeit werden Bedarfe festgestellt, Maßnahmen und Angebote evaluiert und neue Ideen für bedarfsgerechte und zielorientierte Angebote entwickelt.Um ganzheitliche und wirksame Hilfen anbieten zu können, ist eine Bündelung der Ressourcen, wie durch die Koordinierungsstelle realisiert, naheliegend.Die Koordinierungsstelle arbeitet darüber hinaus auch in der Arbeitsgruppe „JUGEND STÄRKEN (JUST)“ mit, an der neben den o. g. Leistungsträgern auch die Angebote der Jugendsozialarbeit (Kompetenzagen-tur, „Die 2. Chance“, Jugendmigrationsdienst, weitere Projekte des Übergangsmanagements) beteiligt

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sind. Diese Arbeitsgruppe bündelt die Öffentlichkeitsarbeit, führt Zielgruppenanalysen durch und ver-bessert dadurch die Arbeit mit der Zielgruppe. Eine Einbeziehung der Jugendlichen selbst im Sinne eines partizipativen Ansatzes erfolgt jedoch nicht.Ein weiteres Ziel der Koordinierungsstelle und der Arbeitsgruppe ist die Entwicklung einer langfristig wir-kenden Strategie für den Übergang von der Schule in den Beruf für den Landkreis und die Gewinnung weiterer Kooperationspartner.

Rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit im Rahmen von JugendkonferenzenIn Dortmund wurden Jugendkonferenzen initiiert, um eine rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit zu erreichen. Ursprünglich waren das Jugendamt, das Jobcenter und die AG nach § 78 SGB VIII beteiligt, um die in § 18 SGB II geforderte Zusammenarbeit der Akteure am regionalen Arbeitsmarkt zu erreichen. Die Kontrolle der Steuerungsgruppe lag beim Jugendamt und beim Jobcenter.Anfangs standen der regelmäßige Informationsaustausch, die Optimierung der Netzwerkstruktur und die Organisation der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit im Mittelpunkt.Im Laufe der Zeit wurde der Teilnehmerkreis kontinuierlich erweitert, unter anderem durch die Jugendli-chen selbst im Sinne einer Partizipation der Zielgruppe.Über diese Konferenzen wurden innovative Beschäftigungsmöglichkeiten, Qualitätsstandards und Betei-ligungsstrukturen entwickelt.

Um effektiv arbeiten zu können, bilden sich themenspezifische Arbeitsgruppen, die sich regelmä-ßig alle zwei Monate treffen.

Die Konferenzen selbst finden themen- und anlassbezogen statt. Um das Interesse und die Arbeitsfähigkeit zu erreichen, werden realistische Ziele formuliert, an

deren Umsetzung gearbeitet wird. Nach den Konferenzen wird im Rahmen eines „Follow up“-Prozesses durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer

an den Handlungsempfehlungen weitergearbeitet.Erfolge sind die Entwicklung neuer Projekte im Bereich des Über-

ganges von der Schule in den Beruf und dass die Jugendlichen selbst aktiv mit eingebunden sind.

Wichtig für den Erfolg der Konferenzen ist, dass die Beteiligten transparent in alle Prozesse einbezogen sind und gleichberech-tigt, auf „Augenhöhe“ miteinander kommunizieren.

„finanziell fit wie Dagobert Duck“ – Finanztraining für Jugendliche und junge ErwachseneMit dem Projekt „finanziell fit wie Dagobert Duck“ wird ein er-weitertes Finanztraining für Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre in der Region Bernkastell-Wittlich und Cochem-Zell

angeboten. Die Finanzierung erfolgt über die Volksbank-Raiffei-senbank.

Entwickelt und durchgeführt wird das Projekt von der Kompetenz-agentur Bernkastell-Wittlich in Kooperation mit dem Caritasverband

Mosel-Eifel-Hunsrück e. V.Neben den Jugendlichen selbst gehören auch Lehrerinnen und Lehrer von

allgemein- und berufsbildenden Schulen als mögliche Multiplikatoren zur Zielgruppe des Projektes.

Ziel ist die Stärkung der persönlichen und wirtschaftlichen Situation junger Men-schen. Mit einem modular angelegten Bildungsangebot werden wirtschaftliche Planungs-

kompetenz, Finanzkompetenz, persönliche Krisenbewältigungskompetenz und Zukunftsplanung ver-mittelt und gestärkt. Die Inhalte orientieren sich an der Lebenssituation Jugendlicher und sollen ihnen helfen, ihre Teilhabemöglichkeiten zu stärken und Exklusionsrisiken entgegenzuwirken. Die Ver- und Überschuldung stellt ein hohes, diesbezügliches Risiko dar, denn der Konsumdruck korrespondiert häu-fig nicht mit den finanziellen Möglichkeiten der Jugendlichen und ihrer Familien.

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Das Angebot ist niederschwellig, da keine Zugangsbarrieren existieren und es allen Jugendlichen offen steht.

„Einfach praktisch Deutsch lernen“ – Konversationskurs mit beruflicher OrientierungDas Projekt „Einfach praktisch Deutsch lernen“ ist ein Konversationskurs zur sprachlichen Förderung und beruflichen Orientierung für junge Migrantinnen und Migranten zwischen 16 und 25 Jahren.Es richtet sich somit an eine bestimmte Zielgruppe innerhalb der benachteiligten Jugendlichen. Die untere Altersbegrenzung orientiert sich am Ende der Schulpflicht.Die Thematik orientiert sich an den Anforderungen des Ausbildungsmarktes. Neben der Weiterentwick-lung und Anwendung der deutschen Sprache werden Informationen und Kenntnisse vermittelt, die den Jugendlichen helfen, sich zum einen im Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu orientieren und zum anderen praktische Hilfe bei der Bewältigung von Zugängen und Phasenwechseln bieten.Der Zugang ist jedoch nicht niederschwellig, da die Teilnehmenden zum einen ausbildungs- oder arbeits-suchend sein müssen und das Sprachniveau A2/B1 aufweisen müssen. Die Lebensweltorientierung ist teilweise vorhanden, da es ausschließlich um Themenbereiche im Zusammenhang mit Ausbildung und Arbeit geht. Dies ist wie in vielen ähnlichen Projekten der Finanzierung durch öffentliche Mittel eines bestimmten Rechtskreises und deren Förderbestimmungen geschuldet. In diesem Fall wird das Projekt aus dem Programm „Weiterbildung von Migrantinnen und Migranten des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz gefördert.Durchgeführt und konzeptionell entwickelt wird der Kurs durch die Kompetenzagentur Bernkastell-Witt-lich, den Jugendmigrationsdienst Trier und die Träger der beiden Projekte, den Caritasverband Trier e. V. und den Caritasverband Mosel-Eifel-Hunsrück e. V.

„Let´s go – Fit für den Job“ – Berufsorientierung theoretisch und praktisch„Let´s go – Fit für den Job“ des überbetrieblichen Ausbildungszentrums Wittlich will Jugendlichen im Laby-rinth der beruflichen Möglichkeiten helfen, eine konkrete Vorstellung von den eigenen beruflichen Zielen zu entwickeln. Dies beinhaltet neben der Analyse der Kompetenzen und Fähigkeiten und des Testens der beruflichen Neigungen auch die Vermittlung theoretischer und praktischer Fähigkeiten rund um die beruf-liche Tätigkeit und die Ausbildung.Das Projekt ermöglicht den Jugendlichen, sich praktisch in verschiedenen Arbeitsfeldern auszuprobieren und sich konkret auf die Bewerbung und die Ausbildung vorzubereiten.Der zeitliche Rahmen für die einzelne Teilnehmerin bzw. den einzelnen Teilnehmer beträgt maximal 12 Monate, orientiert sich innerhalb dieses Zeitrahmens an der individuellen Situation der Jugendlichen.Die Maßnahmen orientieren sich an den Anforderungen des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes, weniger an der konkreten Lebenswelt der Jugendlichen. Sie werden ebenso wenig partizipativ in die Gestaltung der Inhalte eingebunden. Eine Begleitung über die Projektteilnahme erfolgt nicht durch den Projektträger selbst, sondern durch andere Partner des Netzwerkes, wie z. B. die Kompetenzagentur.Der Zugang selbst ist niederschwellig, einzige Vorbedingung ist, dass die Teilnehmenden nicht mehr der Schulpflicht unterliegen und noch keinen Ausbildungsplatz haben. Ein SGB II-Leistungsbezug ist nicht Voraussetzung, insofern hat die Teilnahme auch keine stigmatisierende oder segregierende Wirkung.

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Literatur- und QuellenverzeichnisSeite 4-8

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Hrsg.: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012): Bildung in Deutschland 2012 – Ein indikatoren-gestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf. Bielefeld: Bertelsmann Verlag

Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2007): 7. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Auslände-rinnen und Ausländer in Deutschland

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Christe, G (2012), Jugendsozialarbeit und Bildung – Grundlagen für ein Bildungsmonitoring, Expertise, Hrsg.: AWO-Bundesverband, Schriftenreihe Theorie und Praxis 2012. Berlin

Hrsg.: Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2011): Vorausberechnung der Schüler- und Absolventenzahlen 2010 bis 2025. Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz Nr. 192 – August 2011. Berlin

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Der HerausgeberDie Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugend-sozialarbeit (BAG KJS) e. V. ist ein Zusammenschluss katholischer bundeszentraler Organisationen und Lan-desarbeitsgemeinschaften. Sie tritt auf Bundesebene anwaltschaftlich für die Belange junger Menschen ein. Dazu arbeitet sie mit Personen und Institutionen aus Kirche, Staat, Politik, Wirtschaft und Verbänden zusam-men. Sie nimmt aktiv am wissenschaftlichen und ge-sellschaftlichen Diskurs teil und leistet gleichzeitig in partnerschaftlicher Zusammenarbeit einen Beitrag zur zukunftsorientierten Gestaltung unserer Gesellschaft.

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Die Mitgliedsorganisationen der BAG KJS Bundeszentrale Organisationen• Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) – Bundesstelle e. V., Düsseldorf

• Deutscher Caritasverband e. V., Freiburg

• Deutsche Provinz der Salesianer Don Boscos, München

• IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit - Deutschland e. V., Freiburg

• Katholische Arbeitsgemeinschaft Migration (KAM), Freiburg

• Kolpingwerk Deutschland – Bundesverband, Köln

• Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Gesamtverein e. V., Dortmund

• Verband der Kolpinghäuser e. V., Köln

Landesarbeitsgemeinschaften• Katholische Arbeitsgemeinschaft für Jugendsozialarbeit Baden-Württemberg, Freiburg

• Landesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit Bayern, München

• Katholische Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendsozialarbeit Berlin/Brandenburg, Berlin

• Katholische Jugendsozialarbeit Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland, Trier

• Katholische Jugendsozialarbeit Nord gGmbH, Hannover

• Landesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit Nordrhein-Westfalen e. V., Köln

• Katholische Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit im Freistaat Sachsen (KLAGS), Dresden

• Landesarbeitsgemeinschaft der Katholischen Jugendsozialarbeit für Thüringen e. V., Erfurt

Gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend