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Physik - Atom-/Kernphysik 1
AtomAtomAtomAtom---- & Kernphysik& Kernphysik& Kernphysik& Kernphysik Impulse S. 267 – 288, Basiswissen Kernenergie
Wenn wir das Wort Kernenergie aussprechen, kommen uns wohl
meistens auch die mit bitterem Nachgeschmack behafteten Wörter
wie Hiroshima, Nagasaki oder Tschernobyl in den Sinn... Die Entde-
ckung des Atomkerns durch Ernest Rutherford stellte die Physik vor
neue Aufgaben. Zunächst stand die Elektronenhülle der Atome im
Mittelpunkt des Interesses. Bald wendete sich die Aufmerksamkeit
der Physiker aber auch den Eigenschaften der Atomkerne zu.
Mit der Entdeckung der Kernspaltung 1938 wurde es möglich, Energie aus dem Atomkern
freizusetzen. Unter strengster Geheimhaltung begann die Erforschung der physikalischen
und technischen Möglichkeiten der Kernenergie. Am 6. August 1945 wurde Hiroshima von
einer Uranbombe zerstört...
Atom- und Kernphysik wurden mit grossen finanziellen Mitteln unterstützt.
Die Kernenergie schien die Energiequelle der Zukunft zu sein. Die Sonne
beispielsweise erzeugt die Strahlungsenergie durch Kernfusion (Verschmel-
zen von Wasserstoff zu Helium).
Atom- und kernphysikalische Erkenntnisse haben sich zudem stark auf die Medizin (radio-
aktive Indikatoren, Röntgenstrahlen, Kernspin-Computertomographie,...) und die Geolo-
gie/Archäologie (Altersbestimmung mit C14,...) ausgewirkt.
Hat die Erschliessung der Kernenergie der Menschheit einen (bösen ?) Flaschengeist
wachgerufen oder gibt sie uns die Chance, die Energieversorgung in den nächsten Jahr-
hunderten zu sichern ? Welche Vorteile/Gefahren bringt diese Energiequelle mit sich ?
1. Atommodelle
Impulse S. 268 - 272
Wie ist Materie aufgebaut? Diese Frage hat die Menschheit seit jeher inte-
ressiert. Die Vorstellung vom „körnigen“ Aufbau der Materie ist uralt.
Demokrit (5.Jh.v.Chr.) stellte sich vor, man könne ein Stück Materie nicht
beliebig weiter zerkleinern, sondern stosse einmal auf die Grenze der Teilbarkeit → Atome
(atomos gr. = unteilbar).
Schon im Altertum wurden einfache Experimente durchgeführt, die zeigten, dass es zwei
Arten von Elektrizität geben muss. Man bezeichnete sie als positive und negative Ladung.
„Der wichtigste Teil der Geschichte ist die Gegenwart. Für sie tragen wir die Ver-
antwortung.“ Moritz Leuenberger zur Eröffnung der Aktion „Brot für Alle 97“
Physik - Atom-/Kernphysik 2
Anfangs des 20.Jh. hatte man die Atomvorstel-
lung nach J.J. Thompson : Das Atom ist ein Kü-
gelchen, in dem die positive Ladung gleichmäs-
sig verteilt ist, und in welches praktisch punkt-
förmige Elektronen (wurde 1897 entdeckt) eingebettet sind,
wie Rosinen in einem Kuchen.
Ernest Rutherford wollte 1911 dieses Modell mit einem Streuexperiment
genauer unter die Lupe nehmen: Die Idee:
Ein Teilchenstrahl wird an einem Target (Ziel)
gestreut. Aus der Winkelverteilung der ge-
streuten Teilchen bestimmt man den Aufbau
des Targets !
Rutherford verwendete als Teilchenstrahl einen α-Strahl (He-Atom-Kerne). Als Target
verwendete er eine hauchdünne Goldfolie.
Nach dem Thompson‘schen Atommodell sollten die schwe-
ren α-Teilchen praktisch geradeaus unabgelenkt durch die
Goldfolie fliegen. Das Rutherford‘sche Streuexperiment
zeigte jedoch total etwas anderes:
Die meisten α-Teilchen passieren ungehindert die Goldfo-
lie. Aber einige wenige werden sehr stark aus ihrer Bahn abgelenkt, teilweise sogar zu-
rückgestreut. Dies war unvereinbar mit der Vorstellung von Thompson. Die Erklärung war
die folgende:
Fast die gesamte Masse ist im sogenannten Atomkern
konzentriert. Dieser ist positiv geladen. Um den Kern
schwirren die sehr leichten negativ geladenen Elektronen.
Weitere Atommodelle ordneten den Elektronen bestimmte
Bahnen zu, wie ein Mikro-Planetensystem. Die Quanten-
theorie in den 20er Jahren revidierte dieses Bild noch einmal: Den Elektronen kann keine
bestimmte Bahn zugeordnet werden. Man kann nur Aufenthaltswahrscheinlichkeiten über
den Ort der Elektronen angeben, sogenannte Ladungswolken oder Orbitale.
Zusammenfassung: Atome bestehen aus einem Kern und einer Elektronenhülle. Im Kern
befinden sich die schweren Nukleonen - die positiven Protonen und die elektrisch neutra-
len Neutronen. Im Kern ist praktisch die gesamte Masse des Atoms vorhanden. Um den
Kern schwirren die leichten, elektrisch negativen Elektronen. Sie bilden eine sogenannte
Ladungswolke. Der Atomkern ist sehr klein - der grösste Teil in einem Atom ist eigentlich
Leere!
Physik - Atom-/Kernphysik 3
2. Die Coulombkraft - die Atomhülle
Impulse S. 205 – 207, 232
Die Elektronen umkreisen den Atomkern. Folglich muss eine Kraft sie auf ihrer Kreisbahn
halten.
Exp.: Holundermarkschnitzel, Glasstab & Seidentuch, Katzenfell & Kunststoffstab
Fazit: Es gibt ______ Arten von Ladungen.
Gleichnamige Ladungen ___________________________________.
Ungleichnamige Ladungen ___________________________________.
Die Kraft, die zwischen geladenen Teilchen wirkt, bezeichnet man als die Coulombkraft
FC. Die Kraft zwischen zwei punktförmigen Ladungen beträgt:
F1
4Q Q
rC0
1 22=
⋅ ⋅⋅
⋅ππππ εεεε
Die Einheit der Ladung ist das Coulomb (C). Ein Elektron/Proton besitzt die Elementarla-
dung e = 1.6⋅10-19 C (siehe Fundamentum: Umschlag).
Aufgaben: 1) Zwei positive, punktförmige Ladungen vom selben Betrag wirken im Abstand von 10 cm
mit einer Kraft F von 3.6⋅10-2 N aufeinander.
a) Wie gross sind die Ladungen?
b) Welche Kraft würden sie in 5 cm und 2.5 cm Abstand aufeinander ausüben?
2) Ein Proton und ein Elektron sind 1 m voneinander entfernt. Vergleichen Sie die Gravita-
tion- und Coulomb - Anziehungskräfte miteinander. Um welchen Faktor unterscheiden
sie sich?
3) Die Coulombkraft ist viel grösser als die Gravitationskraft. Weshalb spielt trotzdem die
Gravitationskraft die entscheidende Rolle bei den Planetenbewegungen?
Die Elektronen in der Atomhülle werden durch die anziehenden
Coulombkräfte der Protonen aus dem Kern auf eine Kreisbahn
gezwungen (ähnlich Planetenmodell).
Hier gilt:
Zentripetalkraft FZ = Coulombkraft FC
„Fragen bleiben jung. Antworten altern rasch.“ Kurt Marti
Physik - Atom-/Kernphysik 4
Gleichsetzen: Kraft auf ein Elektron der Ladung e durch Kernladung q m v
r1
4e qr
r =1
4e q
m v
2
02
02
⋅=
⋅ ⋅⋅
⋅→
⋅ ⋅⋅
⋅⋅π ε π ε
In diesem Modell wäre jeder Bahnradius des Elektrons möglich; je weiter das Elektron
vom Kern entfernt ist, desto langsamer umläuft es den Kern.
Diese Vorstellung des atomaren Aufbaus kann jedoch nicht richtig sein! Das Elektron wird
auf seiner Kreisbahn beschleunigt (Zentripetalbeschleunigung). Experimente zeigen, dass
beschleunigte Ladungen elektromagnetische Wellen (=Licht) aussenden, sie verlieren also
Energie. Das Elektron würde also früher oder später in den Kern stürzen; das Atom wäre
unstabil. Das stellt man aber nicht fest... � → Ausweg: Bohr'sches Atommodell �
Lösungen von S. 3:
1) a) Q = 2⋅10-7 C, b) F = 4⋅F, 16⋅F
2) FG = 1.01⋅10-67 N, FC = 2.3⋅10-28 N → FC/FG = 2.3⋅1039 : 1
3) Himmelskörper sind elektrisch neutral (ungeladen). Es herrscht ein Gleichgewicht zwi-
schen Protonen und Elektronen. Es gibt keine Coulombkraft.
3. Das Bohr’sche Atommodell
Impulse S. 272
Postulat 1: Nach dem Atommodell des dänischen Physiker Niels Bohr
(1913) umkreist das Elektron den Kern auf nur ganz diskreten (bestimm-
ten) Bahnen. Während des Kreisens auf diesen Bahnen gibt es keine Energie als
elektromagn. Strahlung ab.
r1 r2 r3 r4
Postulat 2: Die Energiedifferenz zwischen dem
höheren und dem niedrigeren Energieniveau ist
proportional zur ausgestrahlten/absorbierten Licht-
frequenz fnm eines Photons (Lichtteilchen):
∆ ⋅nm n m nmE =E -E = h f
mit fnm: Lichtfrequenz beim Übergang von n → m
h: Planck'sches Wirkungsquantum (Natur-
konstante)
∆Enm ist die Energie eines Photons der Frequenz fnm. Das Elektron kann zwischen diesen
Energieniveaus „herumhüpfen“; während des Bahnwechsels gibt es Energie ab
(= Lichtemission, Sprung von höherer auf tiefere Bahn) oder es muss eine bestimmte
Energieportion aufnehmen (= Lichtabsorption, Wechsel von tieferer auf höhere Bahn).
Physik - Atom-/Kernphysik 5
Weil jedes Element eine spezielle Anzahl von Elektronen hat, hat es auch seine besonde-
re Charakteristik der Energieniveaus. Jedes Element absorbiert/emittiert seine charakteris-
tischen Frequenzen/Wellenlängen/Farben!
Je komplizierter die Atome, resp. die
Moleküle aufgebaut sind, desto komple-
xer wird die Struktur des Linienspekt-
rums. Molekülsysteme weisen oft derart
viele mögliche Elektronenübergänge
auf, dass die zugehörigen Linien zu ei-
nem kontinuierlichen Spektrum ver-
schmelzen.
In einem Festkörper „stören“ sich gegenseitig die Atome, die
schmalen Energieniveaus werden zu dicken Energiebändern
verbreitert, was ein kontinuierliches Spektrum zur Folge hat.
Die Untersuchung der Spektren ist in der Astronomie ein
wichtiges Instrument. Durch die Spektralanalyse des Lich-
tes ferner Sonnen kann deren chemische Zusammensetzung und deren Temperatur un-
tersucht werden.
Bsp: Emissionslinien beim Wasserstoffatom
Nur die Elektronensprünge in die zweitunterste Bahn (1.
angeregter Zustand) ergeben sichtbares Licht. Sprünge in
den Grundzustand ergeben UV-Licht und Röntgenstrah-
lung (hohe Energie), Sprünge in den höheren Bahnen er-
geben IR-Strahlung (kleinere Energie).
Exp.: Linienspektrum versch. Elemente /Frauenhofer Linien
fluoreszierende und phosphoreszierende Stoffe, „Aufheller“ in Waschmitteln, „Neon-
röhre“ (resp. Fluoreszenzröhre), gefärbte Flammen
Physik - Atom-/Kernphysik 6
4. Radioaktivität
Impulse S. 274
Henri Becquerel entdeckte 1896 durch Zufall, dass Uran-
salze auch bei vollkommener Dunkelheit eine Photoplatte
durch seine lichtdichte Verpackung hindurch zu schwär-
zen vemochten. Becquerel schloss, dass die Schwärzung
nur durch eine vom Uransalz stammende Strahlung verur-
sacht werden konnte.
Kurz darauf fand das Ehepaar Marie und Pierre Curie , dass wei-
tere Minerale zum Teil noch wesentlich stärker strahlten. Alle die-
se Materialien brauchten nicht zuerst zum Strahlen angeregt zu
werden. Sie strahlten spontan und selbständig. Die Curie's präg-
ten für diese „aktiven“ Strahlen den Begriff „Radioaktivität“.
4.1. Woher stammt die radioaktive Strahlung?
Um diese Frage beantworten zu können, wurden viele Versuche durchgeführt. Dazu wur-
den u.a.: � �
� �
All diese Versuche beeinflussen die Elektronenhülle der untersuchten Atome. Doch die
Strahlung wurde durch diese Veränderungen nicht beeinflusst! Einzig die Anzahl der radi-
oaktiven Atome war für die Intensität (Stärke) der Strahlung ausschlaggebend.
Schlussfolgerung: Die Strahlung wird nicht aus der Atomhülle emittiert.
Die radioaktive Strahlung muss aus dem Atomkern sta mmen.
4.2. Natürliche Strahlung, künstliche Strahlung
Von den ca. 1500 heute bekannten Nukliden kommen rund 500 in der Natur seit Milliarden
Jahren vor. 249 davon sind stabil, der Rest ist radioaktiv und zerfällt. Die Strahlung, die
beim Zerfall dieser Radionuklide ausgesandt wird, nennen wir natürliche radioaktive
Strahlung .
Die restlichen rund 1000 Nuklide gibt es jedoch erst, seit sich der Mensch mit Kernfor-
schung auseinandersetzt. Diese Nuklide sind künstlich entstanden. Sie alle sind radioaktiv.
Die Strahlung dieser Gruppe wird künstliche radioaktive Strahlung genannt.
„Wir sind verantwortlich für das, was wir tun, aber auch
für das, was wir nicht tun.“ Voltaire
„In der Realität ist die Wirklichkeit ganz anders.“
Physik - Atom-/Kernphysik 7
4.3. Strahlenarten
Es gibt verschiedene Arten von radioaktiver Strahlung. Rutherford entdeckte schon 1898,
dass es mindestens 2 Arten radioaktiver Strahlen geben muss. Er nannte diese α- und β-
Strahlen. Später wurden als weitere Sorte die γ-Strahlen entdeckt.
Man führte verschiedene Experimente mit diesen Strahlen
durch, u.a. untersuchte man auch deren elektrisches und
magn. Verhalten. Hier die Ergebnisse:
- α-Strahlen sind doppelt geladene Heliumkerne
- die „normalen“ β−-Strahlen sind Elektronen aus dem Kern !!
(Es gibt noch β+-Strahlung: Das sind positive Elektronen,
sogenannte Positronen, Antiteilchen zum Elektron).
- γ-Strahlen lassen sich nicht ablenken mit elektr. und magn.
Feldern. Sie verhalten sich wie Lichtstrahlen von extrem
hoher Energie (hohe Frequenz).
4.3.1. αααα-, ββββ- und γγγγ-Strahlen
Impulse S. 274, 282 - 283
Bei den drei verschiedenen Strahlungsarten wandeln sich die Mutterkerne ZAX (Element X,
Ordnungs- oder Protonenzahl Z, Massenzahl A [Protonen und Neutronen]) folgender-
massen in Tochterkerne um:
- α-Strahlen: ZA X a
- β−-Strahlen: ZA X a
- β+-Strahlen: ZA X a
- γ-Strahlen: ZA *X a
Grundlage der ββββ-Strahlung:
Physik - Atom-/Kernphysik 8
4.3.2. Die Nuklidkarte
Isotope unterscheiden sich nicht in ihren chemischen, wohl aber in ihren kernphysikali-
schen Eigenschaften. Die Strahlung, die beim Zerfall von radioaktiven Isotopen, soge-
nannter Radionuklide, ausgesandt wird, nennen wir natürliche ionisierende Strahlung .
Gewisse Radionuklide senden bei der Abgabe von Strahlung Teilchen aus. Dabei wandeln
sich die Atome von einem Element zum anderen. Wir sagen: Aus der Mutter entsteht
durch den Zerfall die Tochter . Der Mutter–Tochter–Übergang kann auf der Nuklidkarte
nachvollzogen werden. Jede der betrachteten Zerfallsarten, bei denen Nukleonen ausge-
sandt oder umgewandelt werden (α, β-, β+), entspricht einem typischen Verschiebungs-
muster auf der Karte.
Das α-Teilchen (Heliumkern), das β-
Teilchen (Elektron, Positron) und das
γ-Photon werden ausgesandt und kön-
nen registriert werden. Diese Strahlen
können Luft ionisieren. Beim Eindrin-
gen in den menschlichen Körper kann
die Strahlung Moleküle (u.a. DNS!!)
und Zellen beschädigen.
Bsp: 92235
90231U Thaα +
614
714C Na β ν− + +
Aufgaben:
1) Plutonium Pu-239 ist ein α-Strahler. In welches Element zerfällt es?
2) Welche Strahlung senden die Elemente O-14, C-13 und N-17 aus?
3) Welche Strahlung sendet Strontium Sr-89 aus? In welches Element zerfällt es?
4) Welche Elemente zerfallen durch welche Strahlung in das stabile Element Blei 82206 Pb ?
5) Das Element Radium 88218Ra ist ein α-Strahler. Die nachfolgenden entstehenden Ele-
mente zerfallen weiter durch α-Zerfall. Ingesamt findet dreimal hintereinander ein α-
Zerfall statt, bis ein stabiles Element entsteht. Wie heisst dieses Element?
6) Verfolgen Sie den Weg des Zerfalls von U-230 resp. Th-232 bis zu einem stabilen Ele-
ment. Wo landet man?
7) Nach einem doppelstufigen Zerfallsprozess landet man bei Bi-209. Wo könnte man ge-
startet sein ? Wie viele Möglichkeiten gibt es?
„Spontaneität will gut überlegt sein.“
Physik - Atom-/Kernphysik 9
Ausschnitte aus der Nuklidkarte:
Physik - Atom-/Kernphysik 10
Lösungen von S.8:
1) 92235U
2) O-14: β+- und γ-Strahler, C-13: stabil, nicht radioaktiv, N-17: β−- und γ-Strahler
3) β−- und γ-Strahler, 3989 Y
4) Polonium 84210 Po durch α-Strahlung, Thallium 81
206 Tl durch β−-Strahlung, (W)Bismut
83206Bi durch β+-Strahlung
5) Blei 82206 Pb
6) U-230 →...→ Pb-206, Th-232 →...→ Pb-208
7)
4.4. Das Zerfallsgesetz
Impulse S. 275
Der radioaktive Zerfall hat rein statistischen Charakter. Man kann von einem Kern nicht
sagen, wann er spontan zerfällt, sondern nur, wie g ross die Wahrscheinlichkeit ist,
dass er in einer gewissen Zeitspanne zerfällt . Damit gleichbedeutend ist die Aussage,
wie viele Zerfälle aus einer riesigen Anzahl von Nukliden stattfinden.
Wie viele radioaktive Kerne in einer gewissen Zeit zerfallen, hängt von zwei Grössen ab:
- Anzahl der vorhandenen Kerne (je mehr Kerne, desto mehr können auch zerfallen)
- Zerfallswahrscheinlichkeit (Sie ist ein Mass dafür, wie „gerne“ ein Kern zerfällt)
Die Art der Abhängigkeit (Zerfallsgesetz) wird durch eine Exponentialfunktion beschrieben:
N(t) N e0t= ⋅ −λ oder N(t) N
120
t
T1/ 2
= ⋅
N(t): Anzahl noch vorhandene radioaktive Kerne zur Zeit t (noch nicht zerfallen)
N0: Ursprüngliche Anzahl radioaktiver Kerne
λ: Zerfallswahrscheinlichkeit, [λ] = 1/s
Für die Zerfallswahrscheinlichkeit λ gilt folgende Beziehung:
λ = ln(2)T1/2
T1/2 ist die sogenannte Halbwertszeit . Das ist diejenige Zeitdauer, in der
von einer bestimmten Anzahl strahlungsfähiger Kerne gerade die Hälfte
ihre Strahlung abgegeben haben .
Mehr können wir über den Zerfall nicht aussagen, da dieser eben rein statistischen Cha-
rakter besitzt.
Bsp: Kohlenstoff C-14 besitzt eine Halbwertszeit (Fundamentum S. 105ff) von 5730 Jah-
ren. Innerhalb dieser Zeit zerfällt also die Hälfte der Atome zu Stickstoff N-14.
Physik - Atom-/Kernphysik 11
Grafisch dargestellt sieht das Zerfallsgesetz folgendermassen aus:
Aufgaben:
1) Wie gross sind die Halbwertszeiten von Jod-131 und Cäsium-137?
2) Wir betrachten 1000 radioaktive Argon-41 Atome zur Zeit t = 0. Wie viele dieser Teil-
chen sind nach 6 Stunden noch vorhanden? Zuerst abschätzen, dann berechnen.
3) Beim Reaktorunfall in Tschernobyl im April 1986 sind unter anderem die radioaktiven
Elemente Jod-131 und Cäsium-137 entwichen und sind bis weit nach Westeuropa
transportiert worden, wo sie als Niederschlag runterkamen.
Wie lange muss man beim Jod resp. beim Cäsium warten bis durch Zerfall nur noch
1/10 der ursprünglichen Menge vorhanden ist? (Abschätzung und exakte Rechnung)
4) Mit Hilfe des radioaktiven Kohlenstoffs C-14 kann man Altersbestimmungen vornehmen
(Radiokarbonmethode ). Gesteinsproben, organisches Material (z.B. der „Ötzi“ aus
dem Tirol, alte Holzwerkzeuge) können so nach Alter datiert werden: Man kennt das
Häufigkeitsverhältnis von C-12 (nicht radioaktiv) zu C-14 in der Atmosphäre. Dieses
Verhältnis ist ungefähr konstant, da C-14 Atome stän-
dig in der oberen Atmosphäre durch die kosmische
Strahlung neu gebildet werden. Stirbt ein Organismus
(Baum, Ötzi) so findet kein CO2 Austausch mehr mit
der Umgebung statt. Die C-14 Atome zerfallen, das
Verhältnis C-12 zu C-14 ändert sich. Damit lassen
sich bis 60'000 Jahre zurück Gegenstände ziemlich
genau datieren.
In einer Holzprobe stellt man fest, dass der C-14 An-
teil auf 30% des üblichen Anteils der Atmosphäre zu-
rückgefallen ist. Vor wie langer Zeit ist dieses Holz-
stück abgestorben? (Abschätzung und exakte Rech-
nung)
Physik - Atom-/Kernphysik 12
5) Nehmen wir an, dass bei einem Störungsfall in einem KKW radioaktive Stoffe austreten.
Diese Stoffe kontaminieren die unmittelbare Umgebung des KKW-Geländes. Was ist
der Vorteil/Nachteil, wenn die radioaktiven Stoffe eine kleine Halbwertszeit besitzen
(wenn man hier überhaupt von Vorteil sprechen darf...)?
Die Aktivität A (Anzahl Zerfälle pro Zeit) λ λλ λ − −= ⋅ = ⋅ ⋅ = ⋅t t
0 0A(t) N(t) N e A e beschreibt die
Strahlungsabgabe eines radioaktiven Präparates. Die Ein-
heit der Aktivität ist das Becquerel →1 Bq = 1 Zerfall pro s.
Auch die Aktivität klingt exponentiell mit der Zeit ab. Diese
Exponentialkurve stellt aber nur einen „Mittelwert“ Trendli-
nie ) dar. Denn beim radioaktiven Zerfall handelt es sich um Zufallsereignisse .
6) Archäologen finden bei Ausgrabungen Holzkohlenreste. Diese Kohlestückchen lassen
sie nach der C–14-Methode datieren. Bei der Altersbestimmung wird die Aktivität dieser
alten Probe mit der Aktivität einer frischen Holzkohlenprobe (Referenzprobe) verglichen.
Das Ergebnis: Die alte Probe weist eine Aktivität von 21.2 Zerfällen pro Minute auf. Die
Referenzprobe weist eine Aktivität von 32.3 Zerfällen pro Minute auf. Berechnen Sie
das Alter der gefundenen Holzkohlenprobe.
7) Strahlender Mensch: Das Verhältnis des radioaktiven Kohlenstoffs C–14 zum gewöhnlichen
Kohlenstoff C–12 beträgt ungefähr 1:1012.
a) Wie viele C–14 Atome sind in Ihrem Körper, wenn der Kohlenstoffanteil ca. 5 % ihrer
Körpermasse ausmacht ? (Annahme: m = 60 kg)
b) Wie viele β--Zerfälle finden demnach pro Sekunde in Ihrem Körper statt, die auf C–14
zurückgehen?
Lösungen von Seite 11&12:
1) T1/2(Jod) = 8.02 Tage, T1/2(Cäsium) = 30.07 Jahre
2) Abschätzung: zwischen 3 und 4 Halbwertszeiten → zwischen 1/8 und 1/16 der Aus-
gangsmenge noch vorhanden → zwischen 63 und 125 Ar-Atome sind noch vorhanden
Exakt: N(6) = 103 Ar-Atome
3) Abschätzung: 1/10 noch vorhanden nach 3 bis 4 Halbwertszeiten → t(Jod) = 24 bis32
Tage oder t(Cäsium) = 90 bis 121 Jahre
Exakt: N(t)1
10N N e0 0
ln2 t
T1/ 2= = ⋅−
⋅
→ t(Jod) = 26.6 Tage, t(Cäsium) = 99.9 Jahre
„Ein Unglück kommt nie allein, - man hat einiges dazu beigetragen.“
Physik - Atom-/Kernphysik 13
4) Abschätzung: Anteil auf 30% gesunken nach 1 bis 2 Halbwertszeiten → Alter t = 5736
bis 11472 Jahre
Exakt: N(t)3
10N N e0 0
ln2 t
T1/ 2= = ⋅−
⋅
→ t = 9953 Jahre
5) Kurze Halbwertszeit: Radioaktivität nimmt rasch ab, aber die Dosis (Aktivität) ist zu Be-
ginn sehr hoch, da sehr viele Zerfälle stattfinden
Lange Halbwertszeit: ...
6) λ−= ⋅ t0A(t) A e mit A(t)=21.2⋅60 Bq und A0=32.3⋅60 Bq → Nach t auflösen: t = 3480 a
7) a) Kohlenstoffmenge mC = 0.05⋅m = 3 kg, 1 Mol (=6.02⋅1023) C-12 ist 12g → 3kg ent-
sprechen 250 Mol = 1.505⋅1026 Teilchen C-12 → Also 1.505⋅1014 Teilchen C-14 (=N0)
b) λ λλ − −⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅t t0 0 0
1/2 1/2
ln2 ln2A(t) = N e = N e =(mit t = 0) = N
T T= 577 Bq
4.5. Abschirmung gegen radioaktive Strahlung
Impulse S. 283
Die einzelnen Strahlungsarten lassen sich durch verschiedene Materialien unterschiedlich
gut abschirmen. Grundsätzlich gelten folgende Tatsachen:
- α-Strahlen sind die grössten und am stärksten geladenen Teilchen; sie reagieren sehr
stark mit verschiedenen Materialien → sie geben ihre Energie durch Stösse bei der
Durchquerung eines Materials auf einem kurzen Weg ab (hohe lokale Dosis)
- γ-Strahlen sind ungeladen und masselos; sie reagieren ziemlich schwach mit den un-
terschiedlichsten Materialien → sie geben ihre Energie nur langsam ab, sie haben ein
hohes Durchdringungsvermögen
- β-Strahlung liegt in ihrem Verhalten bezüglich Abschwächung zwischen den beiden
andern Strahlungsarten
- je dichter ein Material, desto besser schirmt es gegen radioaktive Strahlung ab, die
Abschwächung hängt noch von der Energie der Strahlung ab
Exp.: Abschwächung von radioaktiver Strahlung
Abschirmung von α-Strahlung durch ______________________________, von β-
Strahlung durch ____________________________, von γ-Strahlung durch
__________________________________________.
Fazit:
Physik - Atom-/Kernphysik 14
Bei αααα- und ββββ-Strahlung spricht man auch von einer sogenannten Reichweite . Diese
hängt von der Energie der Teilchen ab.
Reichweite von α-Strahlen:
Reichweite von β-Strahlen:
Bei den γγγγ-Strahlen kann man so etwas wie eine Reichweite nicht angeben. Nach je-
der Dicke eines Materials ist noch eine gewisse Zählrate vorhanden. Man gibt eine
sogenannte Halbwertsdicke eines Materials an (nach dieser Dicke ist die Zählrate
auf die Hälfte des Ausgangswertes abgesunken). Die Halbwertsdicke hängt stark
vom Material und von der Energie der γ-Strahlen ab. Gut-absorbierende Materialien
sind: Blei, Beton, Wasser
4.6. Strahlungsbelastung und Strahlenschäden
Impulse S. 284 - 285
Der Mensch besitzt kein Sinnesorgan, das ihm erlaubt, radioaktive Strah-
lung wahrzunehmen. Um α-, β- und γ-Strahlen nachzuweisen muss ein
Messgerät verwendet werden, ein sogenanntes Geiger-Müller-Zählrohr .
Mit diesem Messgerät kann die Aktivität einer radioaktiven Probe bestimmt
werden.
Für die meisten Strahlenwirkungen ist aber nicht die Aktivität ausschlaggebend. Wesent-
lich ist vielmehr die Wechselwirkung der Strahlung mit der Materie und deren biologische
Wirkung. Zur Beschreibung der biologischen Wirksamkeit einer Strahlendosis verwendet
man die Einheit Sievert (1 Sv). Die biologische Strahlenwirkung hängt von folgenden Fak-
toren ab:
4.6.1. Biologische Wirkung radioaktiver Strahlen
Tritt radioaktive Strahlung in eine Zelle, so ionisiert sie Atome und Bio-
moleküle. Dabei erfolgt die schädigende Wirkung auf zweierlei Art:
- Ein Biomolekül wird direkt getroffen und ionisiert. Das führt zur
chemischen Veränderung. Das wichtigste Molekül
ist die DNS. Einzel- und Doppelstrangbrüche, Än-
derungen, Substitutionen der organischen Basen,
etc. können die Folge sein. Daraus können Genmu-
tationen entstehen. Das enzymgestützte Reparatursystem kann bei
starker Strahlenbelastung überfordert sein, so dass nicht mehr alle
Schäden behoben werden.
„Die Menschen stolpern gelegentlich über die Wahrheit - aber sie kommen
sehr schnell wieder auf die Beine und machen weiter wie vorher.“
Physik - Atom-/Kernphysik 15
- Biomoleküle können indirekt
durch Substanzen, die vorher
durch das Ionisationsvermögen
der Strahlung direkt entstanden
sind, chemisch verändert wer-
den (durch ionisierte oder ange-
regte Wassermoleküle, Radika-
le,...).
4.6.2. Strahlenbelastung, Strahlenwirkung, Strahlen schutz
a) Strahlenbelastung:
Die gesamte Strahlenbelastung setzt sich aus natürlicher und künstli-
cher Radioaktivität zusammen:
Die künstliche Strahlung in der Schweiz stammt hauptsächlich aus Anwendungen in der
Medizin mit 1 mSv pro Jahr, aus früheren Kernwaffenversuchen mit 0.02 mSv pro Jahr,
aus kerntechnischen Anlagen mit < 0.02 mSv pro Jahr und diversen Kleinquellen mit
0.1 mSv pro Jahr.
Die natürliche Strahlenbelastung des Menschen setzt sich im wesentlichen aus drei
Komponenten zusammen:
- terrestrische Strahlung (≈ 20 %) stammt aus radioaktiven Stoffen (U-238, Ra-226, K-
40,...), die in der Erde seit jeher fein verteilt sind.
- kosmische Strahlung (≈ 15 %) kommt aus dem Weltraum. Sie nimmt mit der Höhe
zu. Faustregel: Faktor 2 bei ∆h von 1500 m
- Eigenstrahlung des Körpers (≈ 65 %) rührt von radioaktiven Nukliden im Körper her
die durch Nahrung und Atmung in den Körper gelangen (K-40, Rn-222, Ra-226)
Im Durchschnitt beläuft sich die Strahlenexposition aus natürlichen und zivilisatorischen
Quellen auf etwa 4.5 - 5.5 mSv pro Jahr :
Physik - Atom-/Kernphysik 16
Eigenstrahlung
terrestrische Strahlung
kosmische Strahlung
Medizin
Sonstiges
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3
effektive Äquivalentdosis Heff [mSv]
Eigenstrahlung
terrestrische Strahlung
kosmische Strahlung
Medizin
Sonstiges
Jährliche Strahlenbelastung in der Schweiz
b) Strahlenwirkung:
Die Auswirkungen einer Ganzkörperbestrahlung hängt neben der Dosis vorallem von der
Dauer der Strahlung ab ! Der Schaden ist geringer, falls eine bestimmte Dosis während
längerer Zeit verabreicht wird, als wenn jemand dieselbe Dosis in kürzerer Zeit empfängt.
Wichtig ist hierbei der Zeitraum zwischen zwei Bestrahlungen . Ist dieser so gross, dass
die strahlenbedingte Auswirkung in einer Zelle von dieser repariert wird (körpereigener
Reparaturmechanismus ), bleibt der Schaden einer folgenden Strahlung klein.
Einige Auswirkungen bei einer einmaligen kurzzeitigen Ganzkörperbestrahlung:
Dosis Strahlenwirkung
< 0.3 Sv keine Schäden, deren Ursache eindeutig bei der Bestrahlung liegen
> 1 Sv Einsetzen der Strahlenkrankheit (Erbrechen, Müdigkeit, Haarausfall, Durch-
fall, Fieber, Veränderung des Blutbildes,...)
1.5-2 Sv Strahlenkrankheit bei mehr als 50 % der Betroffenen
2 Sv Sterblichkeitsrate von 5 %
4.5 Sv Sterblichkeitsrate von 50 %
c) Strahlenschutz:
Um sich vor radioaktiver Strahlung zu schützen, sollte man folgende Schutzmassnahmen
beachten:
- Abschirmen: Einschliessen der radioaktiven Stoffe in geeignete Materialien
- Abstand halten: Die Intensität der Strahlung nimmt mit dem Abstand zur Quelle ab.
- Expositionszeit klein halten: Die aufgenommene Dosis wächst linear mit der Zeit.
→ Aufnahme in den Körper möglichst verhindern (durch Nahrungsaufnahme, Einat-
men,...)!
Physik - Atom-/Kernphysik 17
5. Die Kernenergie
Impulse S. 276 - 281
Da im Kern Neutronen und Protonen aneinander gebunden sind muss hier eine uns noch
unbekannte Kraft wirken, denn sonst würden sich ja durch die elektrostatische Abstossung
die Protonen untereinander aus dem Kern drängen.
Zwischen den Nukleonen wirken die kurzreichweitigen sehr starken Kernkräfte
(100 fache elektrostat. Kraft, ausserhalb des Kerne s nicht mehr spürbar).
Um die Kernbausteine in Einzelteile (Protonen und Neutronen) zu zerlegen ist Energie
nötig, die sogenannte Bindungsenergie :
Kurzer Einschub: etwas Relativitätstheorie
Albert Einstein hat hat 1905 in seiner speziellen Relativitätstheorie
festgestellt, dass die Masse eines Körpers von dessen Geschwindigkeit
abhängt. Die Masse eines Körpers wird grösser, wenn er sich mit grös-
serer Geschwindigkeit bewegt, das heisst, wenn seine Energie zunimmt
(Effekt messbar, falls Geschwindigkeit nahe bei Lichtgeschwindigkeit c).
Einstein interpretierte das Ganze folgendermassen: Energie und Masse
sind äquivalent zueinander. Es gilt:
E m c= ⋅ 2
Gibt ein Körper Energie ab, so nimmt also seine Mas se ab (und umgekehrt) !
Fazit:
Die Gesamtmasse der Einzelteile eines ganz aufgespaltenen Kernes
ist grösser als die Masse des intakten Kernes, da hier noch die Bin-
dungsenergie dazukommt !
„Welch triste Epoche, in der es einfacher ist Atome zu
zertrümmern als Vorurteile.“ A. Einstein
Physik - Atom-/Kernphysik 18
Aufgaben:
Für folgende Aufgaben nehmen wir an, dass wir eine sehr exakte Balkenwaage hätten...
1) Zwei Magnete „kleben“ aneinander. Sie werden gewogen. Dann trennt man die Magne-
te und wägt die einzelnen Teile. Was stellt man fest. 2) Wir betrachten einen Teekrug mit 1l Wasser bei Zimmertemperatur. Das Wasser wird
nun geheizt auf 100°C. Welchen (theoretischen...) U nterschied stellt man fest beim Wä-
gen des kalten und heissen Wassers?
3) Pro Grad Celsius Erwärmung braucht es für einen Liter Wasser die Energie von 4182 J.
Berechnen Sie die Energie für die Erwärmung von 20°C auf 100°C. Um welchen Betrag
ist die Masse des heissen Wassers grösser?
5.1. Die Bindungsenergie
Impulse S. 276 - 278
Die Kernbausteine sind nicht in jedem Kern gleich stark gebunden. In einigen Kernen ist
die Bindungsenergie pro Nukleon
sehr gross (rund ums Element Ei-
sen, Massenzahl A = 60). Bei leich-
ten Elementen (z.B. Wasserstoff)
und schweren Elementen (z.B.
Uran) ist die Bindungsenergie tie-
fer.
Die Abhängigkeit der Bindungs-
energie von der Massenzahl er-
möglicht es, zwei verschiedene
Wege zur Freisetzung von Kern-
energie einzuschlagen: Kernspal-
tung (= Fission) oder Kernver-
schmelzung (= Fusion).
Grundprinzip: Kerne mit tiefer Bindungsenergie in Kerne mit hoher Bindungs-
energie umwandeln, dabei wird die Differenz der Bindungsenergie frei. Diese
Energie wird in Kernkraftwerken (Kernspaltung) oder im Innern der Sterne
(Kernfusion) freigesetzt.
Lösungen von S. 18:
1) Masse der getrennten Magnete ist grösser, da ich Energie zu deren Trennung ins Sys-
tem hineingesteckt habe. → Mehr Energie ↔ mehr Masse
2) Heisses Wasser besitzt die grössere Masse (Begründung wie bei Aufgabe 1).
3) E = 334'560 J = m⋅c2 → m = 3.7⋅10-12 kg
Physik - Atom-/Kernphysik 19
Aufgaben:
Verwenden Sie die Grafik für die Bindungsenergie...
1) Welche Energie muss man einem Ne-20 Kern zuführen, damit dieser in seine Einzelteile
zerlegt wird?
2) Kernspaltung: Ein Kern der Massenzahl A = 240 wird gespalten in zwei Bruchstücke mit
je A1 = 120. Welche Energie wird frei (in MeV)?
3) Wieso strebt man mit viel Aufwand die kontrollierte Realisierung der Kernfusion an?
5.2. Kernspaltung
Impulse S. 278 - 279, Basiswissen Kernenergie
1932 wurde das Neutron entdeckt. Dieses lässt sich
relativ leicht in andere Atomkerne „einbauen“ durch
einen unelastischen Stoss. Beim Beschuss von Uran
und Thorium mit Neutronen versuchte man 1934 so-
genannte Transurane (schwere
Isotope) zu erzeugen. Beim Be-
schuss entstand dann unter ande-
rem aber das viel leichtere Barium!
Was war passiert? Der Urankern wurde in leichtere Bruchstücke ge-
spalten. Die Kernspaltung wurde 1939 von Otto Hahn, Lise Meitner
und Fritz Strassmann entdeckt.
Die Spaltung eines Kernes Uran U-235 kann verschiedene Trümmerkerne ergeben:
92235
3690
56144U + n Kr + Ba + 2n→ , 92
23554
1433890U + n Xe + Sr + 3n→ ,
92235
42103
50131U + n Mo + Sn + 2n→ ...
Lösungen von S. 19:
1) A = 20, EB/A = 7.5 MeV → EB = 150 MeV
2) ∆EB = EBneu - EBalt = 2⋅120⋅8 -240⋅7 MeV = 240 MeV
3) i) gewonnene Energie wäre viel grösser als bei Spaltung (siehe Diagramm), ii) Ressour-
cen praktisch unerschöpflich (Wasserstoff ist in riesigen Mengen vorhanden), iii) Es ent-
steht bei der Kernfusion viel weniger radioaktives Material als bei der Kernspaltung
„Wer alles schwarz sieht, hat vielleicht die Augen zu“
Labortisch von Hahn/Meitner/Strassmann
Physik - Atom-/Kernphysik 20
Bei dieser Spaltung wird viel Energie frei. Vom natürlichen Uran ist nur das relativ seltene
Isotop U-235 einfach spaltbar. Das häufige Isotop U-238 ist nur schwierig spaltbar.
Damit ein Neutron eine Spaltung auslösen kann, muss es genügend langsam sein. Die
neu entstehenden Neutronen müssen also genügend abgebremst werden. Dies passiert
durch den Moderator (oftmals Wasser oder Graphit).
Die abgebremsten Neutronen können weiter Spaltun-
gen auslösen und es kann zu einer kontrollierten
Kettenreaktion in den Brennstäben führen.
Damit die Kettenreaktion kontrolliert abläuft (nicht wie bei einer
Atombombe), darf pro gespaltenem Kern nur ein Neutron eine
weitere Spaltung auslösen. Der Kernreaktor läuft bei konstan-
ter Leistung. Die überschüssigen Neutronen werden durch die
Steuer- oder Regelstäbe absorbiert. Durch Ein- oder Ausfah-
ren der Steuerstäbe kann die Leistung reguliert werden oder
der Reaktor sofort abgeschaltet werden.
Die abgegebene Energie heizt das Wasser um die Brennelemente auf. Wasser wirkt so-
wohl als Moderator als auch als Kühlmittel für die Brennelemente. Es entsteht Dampf, der
auf eine Turbine geleitet wird. Die Turbine treibt einen Generator (= Dynamo) an, der
Strom erzeugt.
Physik - Atom-/Kernphysik 21
Schematischer Schnitt durch ein Wasser-moderiertes Siedewasser-KKW:
Fragen zum Text:
1) Was passiert bei der Kernspaltung ? Wie wird die Kettenreaktion aufrechterhalten, was
muss beachtet werden, damit das Ganze nicht eskaliert?
2) Wie wird die freigesetzte Energie in einem Kernreaktor genutzt?
3) Was sind Vorteile/Nachteile der Energieproduktion durch Kernspaltung?
4) Wozu braucht es folgende Komponenten in einem Kernkraftwerk?
i) Steuer- oder Regelstäbe ii) Moderator
iii) Brennstäbe/Brennelement iv) Kühlturm:
5) Was ist ein Siede-/Druckwasserreaktor? Vorteile/Nachteile?
5.2.1. Tschernobyl Reaktortyp
Basiswissen Kernenergie
Die Brennelemente sind in Druckröhren
in einem riesigen Graphitblock integriert.
Wasser dient nur als Kühlmittel, der Gra-
phitblock dient als Moderator.
Vorteile:
Nachteile:
Physik - Atom-/Kernphysik 22
5.2.2. Reaktortyp „Schneller Brüter“
Basiswissen Kernenergie
In konventionellen KKW (CH-Typ) kann von den in der Natur vorhandenen Uranisotopen
nur das Uran U-235 gespalten werden (nur 0.7% im Natururan). Das viel häufigere Uran
U-238 (99.3 %) kann als Spaltstoff nicht verwendet werden.
Diesen Nachteil kann der „Schnelle Brüter“ ausmerzen, er
nutzt das Natururan viel effizienter:
a) Uran U-238 wird durch Neutroneneinfang in spaltbares Plu-
tonium umgewandelt (= Brutprozess):
92238
92239U n U + → →
b) Das erbrütete Plutonium wird durch schnelle Neutronen
gespalten.
Bemerkungen:
- kein Moderator (da Spaltung mit schnellen n)
- Kühlmittel nicht Wasser → Natrium
Gefahren (!!):
1) keine inhärente Sicherheit (bei Kühlmittelverlust geht Reaktion weiter) 2) Das Natrium
wird durch Neutroneneinfang radioaktiv 3) Natrium und Wasser → explosiv 4) schwieri-
ges Handling des Reaktors
5.2.3. Radioaktive Abfälle
Im Normalbetrieb ist die von einem Kernreaktor verursachte Radioaktivität sehr klein ge-
genüber der natürlichen Strahlenbelastung !
Die entstehenden Spaltprodukte einer Kernspaltung sind aber teilweise hoch radioaktiv mit
zum Teil grossen Halbwertszeiten. Ausserdem entsteht das hochgiftige Plutonium Pu-239
(wenige Bruchteile von 1 mg sind bereits tödlich!). Bei der Uranspaltung entstehen ca. 300
verschiedene Spaltprodukte. Im Mittel gilt: 80 % des RA-Abfalls sind schwach radioaktiv,
19 % sind mittel radioaktiv, 1 % sind hoch radioaktiv
Diese Abfälle müssen wiederaufbereitet, zwischen- und endgelagert werden...
5.2.4. Energiebilanz einer Spaltung
Je Spaltung eines Uran-235-Kerns werden etwa 200 MeV (200 MeV = 3.2⋅10-11 J) frei (als
kin. Energie der Spaltprodukte und Neutronen, Energie der β- und γ-Strahlung und der
Antineutrinos). Dies ist eine gewaltige Energiemenge.
Aufgaben: 1) Ein Urankern U-235 wird mit einem Neutron n beschossen und gespalten:
a) Dabei entsteht Krypton Kr-90. Zwei weitere Neutronen werden frei. Geben Sie die
Reaktionsgleichung mit den Elementbezeichnungen ZAX an: Z
235U n Kr ...+ → +
Physik - Atom-/Kernphysik 23
b) Dabei entsteht Xenon Xe-143. Drei weitere Neutronen werden frei. Geben Sie die
Reaktionsgleichung mit den Elementbezeichnungen ZAX an: + → +235
ZU n Xe ...
2) Welche Energie wird frei bei der Spaltung von 1 g Uran-235?
Vergleichen Sie diesen Wert mit dem täglichen mittleren Energieverbrauch (80 kWh)
eines Durchschnittsschweizers. Wie viele Schweizer könnten mit 1 g Uran einen Tag
lang mit Energie versorgt werden?
3) Die Kernkraftwerke Leibstadt und Gösgen haben eine Leistung von ca. 1000 MW. Wie
viel Uran spalten sie in einem Tag (24 Std.)?
5.3. Kernfusion
Impulse S. 281
In Innern von Sternen läuft die Kernfusion schon seit Jahrmillionen von Jahren ab. Leichte
Kerne verschmelzen zu schwereren Kernen: Zwei schwere Wasserstoffkerne verschmel-
zen zu einem Heliumkern und geben dabei viel Energie ab. „Unsere“ Sonne wird jede Se-
kunde durch Kernfusion um 4 Mio. Tonnen leichter!!
In „kühleren“ Sternen dominiert folgender Zyklus. In
mehreren Schritten wird aus Wasserstoffkernen H
ein Helium-4 Kern erzeugt:
Dabei werden
exotische Teilchen wie Positronen (positive Elektronen
e+), Neutrinos ν und Gammastrahlung (γ-Quanten) frei.
In einer späteren Phase eines Sternes (siehe Kapitel
Astronomie) kann der Zustand erreicht sein, dass im
Zentrum praktisch der gesamte Wasserstoffvorrat auf-
gebraucht. Es beginnt dann die Verschmelzung zu
noch schwereren Atomen (Heliumbrennen).
Des Wasserstoffbrennen tritt nur noch in einer Kugel-
schale auf, im Zentrum werden Heliumatome, zu grösseren Elementen fusioniert. Damit
tritt der Stern in die „Rote Riesen“-Phase über.
Physik - Atom-/Kernphysik 24
Damit die Kerne verschmelzen können, müssen
sie mit hoher Geschwindigkeit aufeinander prallen.
Dazu sind Temperaturen von ca. 107 K nötig! Die
Schwierigkeiten, auf der Erde kontrollierte Fusi-
onsprozesse ablaufen zu lassen, liegen auf der
Hand (unkontrolliert in H-Bombe längst verwirk-
licht): Kein Material hält die benötigten hohen
Temperaturen aus. Das heisse Plasma wird durch
starke Magnetfelder eingeschlossen und von den
Gefässwänden ferngehalten (→Tokamak). Bleibt
der Fusionsreaktor - er wäre die unerschöpfliche
aber nicht unproblematische Energiequelle - eine Vision? Die technische Nutzung der Fu-
sion als Energiequelle ist derzeit auf alle Fälle noch Utopie!
Lösungen von S. 22 & 23: 1) a) 92
2353690
56144U + n Kr + Ba + 2n→ b) →235 143 90
92 54 38U + n Xe + Sr + 3n
2) 1g Uran enthält 2.56⋅1021 Teilchen → E = 5.1⋅1023 MeV = 8.2⋅1010 J
8.2⋅1010 J/80kWh = 285 Schweizer
3) E = P⋅t = 8.64⋅1013 J → m = 1054 g
„Der Mensch ist insofern das Mass aller Dinge, als die Dinge seine Mass-
losigkeit immer deutlicher zu spüren bekommen.“ Felix Renner
„Die Sorge um die Menschen und ihr Schicksal muss stets das Hauptinteres-
se allen technischen Strebens bilden... Vergesst das nie über Euren Zeich-
nungen und Gleichungen.“ A. Einstein Vortrag am CalTech
„Das ist ganz einfach, lieber Freund: Der Grund liegt darin, dass Politik schwieriger ist als Physik.“
A. Einstein, auf die Frage, warum Menschen etwas über Atome herausfinden können, aber nicht
darüber, wie sie kontrolliert werden können